Ein deutscher Maler: Otto Dix und der Nationalsozialismus 9783110761832, 9783110711509

The National Socialist arts policy denounced Otto Dix (1891–1969) and his verist oeuvre for "endangering public mor

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German Pages 480 [488] Year 2022

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Table of contents :
Inhalt
Dank
Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus
Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche
»Deutsche Tradition« und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit
Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)
Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration
Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?
Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft
Gekippte Heimat. Zu Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei
Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition
Anhang
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Ein deutscher Maler: Otto Dix und der Nationalsozialismus
 9783110761832, 9783110711509

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   EIN DEUTSCHER MALER

otto dix und der nationalsozialismus

SCHRIFTEN DER FORSCHUNGSSTELLE »ENTARTETE KUNST« band xiii

   EIN DEUTSCHER MALER

otto dix und der nationalsozialismus INA JESSEN

I N H A LT

dank

XI

Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

1

Otto Dix der Landschaftsmaler

3

Genrespezifische Werkentwicklung

6

Zum Stand der Forschung und zur methodischen Vorgehensweise

8

Forschungsansatz zur Landschaft

21

Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche

29

Kann ein Bild-Motiv gefährlich sein?

29

Das Motiv als Entlassungsgrund von der Dresdner Akademieprofessur

34

»Deutsche Tradition« und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit

41

Konstruktionen nationaler Kunstgeschichtsschreibung

43

Verismus im Spiegel der Demokratisierung. Ein soziokritisches Vexier-Phänomen und seine Rezeption

50

VI _ Inhalt

Zum »Deutschen« in der Kunst. Kunstkritische Rezeption und Ausstellungs­ beteiligungen der 1920er und frühen 1930er Jahre

55

Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

75

Femeausstellungen, Amtsenthebung und Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste

77

Aktion und Propagandaschau(en) »Entartete Kunst«

98

Verwertung im Zuge der Aktion »Entartete Kunst«

112

Innerdeutsche Ausstellungen und ausgewählte Aufträge

116

»Ankauf« durch das Heeresbauamt Magdeburg 1937

140

Exemplarische Ankäufe durch private Sammler

142

Internationale Ausstellungen. Otto Dix in den USA und der Schweiz

146

Zur amtlichen Bestätigung eines sogenannten Ausstellungs- und Malverbotes 1946

157

Krieg, Gefangenschaft und das Ende der Diktatur

162

Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

189

Selbstreferenz als Ausgangspunkt zeit- und sozialkritischer Perspektiven

191

Soziale Milieus als politisches Statement. Das zeitkritische Typenporträt

204

Altmeisterlichkeit. »Altdeutsche Tradition« trifft Verismus

214

Ohne soziopolitische Tragweite. Unkritisches Porträt und Figurenbild ab 1933

229

Adaption zeitgenössischer Trends?

233

Veristisches Sezieren in konservativem Gewand. Zum Bildnis Frau Rosa Eberl (1940) 236 Das christliche Figurenbild als selbstreflexives Medium

252

Hinwendung zur expressiven Figuration um 1943

260

Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

273

Landschaftsbegriff

280

Das Schlachtfeld als politische Landschaft. Zum Gemälde Flandern (1934–1936)

284

»Altdeutsch – Bruegel-ähnlich«. Zur Rezeption »alter Stoffe« in Otto Dix’ ­Gemälde Randegg im Schnee mit Raben (1935)

295

Rezeption von Pieter Bruegels Gemälde Die Jäger im Schnee (1565)

301

Altmeisterliche Adaption vormoderner Architekturen

313

Otto Dix zitiert die klassizistische Landschaftsmalerei

318

Das Gemälde Randegg mit Vögeli (1936)

319

Jacob Philipp Hackerts Malerei im Vergleich

325

Grundlagen des Klassizismus im Kontext

329

Zur bildimmanenten Stimmung

333

Otto Dix und die Romantik. Das Gemälde Aufbrechendes Eis (1940)

336

Inhalt _ VII

Vergleichsanalyse von Caspar David Friedrichs Eismeer (1823–1824)

341

Zur christlichen Ikonografie von Regenbogen, Kirchenmotiv und Kreuz-Komposition

346

Ambiguität zwischen Erhabenheit und Apokalypse

356

Aufgebrochenes Eis. Das reale Kriegs-Narrativ in der politischen Grenzsituation zwischen Deutschland und der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs

359

Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

375

Illumination, Regionalismus und der Tod. Das Gemälde Hegaulandschaft am Abend (1939)

381

Bäume und Wälder. Das neue Typenporträt nach 1933

388

Dialektische Metaphorik. Endzeitstimmung zwischen Moosen, Flechten und Granattrichtern

394

Gekippte Heimat. Zum Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei

403

Heimatbezug zwischen konstruierter Landschaft und pflügendem Landwirt

410

Regionale Wahrzeichen als politische Ikonografie im Gemälde Hohentwiel mit Hohenkrähen (1933)

413

Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition

423

Anhang farbtafeln

435

quellen- und literaturverzeichnis

451

otto dix’ werkentwicklung nach bildgattungen (1918–1949)

470

bildnachweis

471

BETTINA UND RAINER GEWIDMET

Dank

Die Forschung zum vorliegenden Band und dessen Drucklegung entstand durch die großzügige Förderung und Unterstützung durch bemerkenswerte Personen und Institutionen, meine Doktoreltern, den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie den Rückhalt durch meine engsten Vertrauten. Ein herzlicher Dank gilt meinen Doktoreltern Prof. Dr. Uwe Fleckner und Prof. Dr. Françoise Forster-Hahn, deren Wissensschatz, langjährige Forschungserfahrung sowie die menschliche Begleitung in dieser besonderen Qualifikationsphase mir eine große Bereicherung waren. Darüber hinaus gilt mein ganz besonderer Dank der Otto Dix Stiftung, die mir über Jahre und mit immerwährender Offenheit den Zugang zu wichtigen Quellenmaterialien sowie zu Gemälden und Zeichnungen ermöglichte. Zahlreiche persönliche Gespräche mit Euch waren mir im Dissertationsprozess um das komplexe Themenspektrum zu Otto Dix im Nationalsozialismus von ganz besonderem Wert. Auch hat die Otto Dix Stiftung großzügig zum Erschienen dieses Buches beigetragen. Die Hans-Böckler-Stiftung trug durch ihre mehrjährige finanzielle und immaterielle Förderung zum Entstehungsprozess des Forschungsprojektes bei. Auch sie ist als elementare Unterstützerin des Drucklegungsprozesses zu nennen. Ferner gilt mein Dank der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung für die großzügige Förderung des Buches.

XII _ Dank

Ein wichtiger Dank gilt zudem der International Music & Art Foundation. Walter Feilchenfeldt sei herzlich für die außergewöhnliche Unterstützung gedankt, die zum Erscheinen dieses Buches wesentlich beigetragen hat. Internationale Stipendien wie jenes am Getty Research Institute (2016) ermöglichten ebenso tiefgreifende Einblicke in das Forschungsfeld, weitreichende Recherchen wie auch die Förderung fachspezifischer Vernetzung. Mein Dank gilt daher dem Team des Getty Research Institutes und allen dort tätigen Kolleginnen und Kollegen, deren wertschätzende Unterstützung in allen Fragen der unterschiedlichen Collections, Archiv- und Bibliotheksbestände von unmessbarem Wert für die Arbeit am vorliegenden Band gewesen ist. In diesem Zusammenhang möchte ich ebenso den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Deutschen Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums (Nürnberg), des Deutschen Bundesarchivs (Berlin), des Stadtarchivs Singen und der Bibliotheken im Hegau sowie des Warburg-Hauses und den Hamburger Bibliotheken danken. Den Kolleginnen und Kollegen der nachstehenden öffentlichen Museen und Sammlungen gilt mein Dank, da mir durch wichtige Einblicke in Depots vielfach die Analyse am Original ermöglicht wurde. Hierfür sowie für die Bereitstellung von Bildmaterialien für den vorliegenden Band richte ich meinen Dank an: Otto Dix Stiftung (Vaduz). Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und Nationalgalerie (Staatliche Museen zu Berlin). Detroit Institute of Arts. Musée du louvre (Paris). Museum zu Allerheiligen (Schaffhausen). Staatliche Kunstsammlungen (Dresden). Kunstpalast Düsseldorf. Folkwang Museum (Essen). Gallerie degli Uffizi (Florenz). Zeppelin Museum (Friedrichshafen). Kunstsammlungen Gera. Museum Gunzenhauser (Chemnitz). Hamburger Kunsthalle. Kunstmuseum Basel. Kunstmuseum Stuttgart. Staatsgalerie (Stuttgart). Lindenau Museum Alternburg. Alte Pinakothek (München). Musée Unterlinden (Colmar). Stato Della Citta’Del Vaticano. Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste (Wien). Albertina (Wien). Kunsthistorisches Museum (Wien). Von der Heydt-Museum (Wuppertal). Saarlandmuseum (Saarbrücken) sowie den Städtischen Sammlungen Freital. Der Austausch mit zahleichen Personen hat die Reflexionsprozesse dieser Arbeit in unterschiedlicher Weise geprägt, denen ich an dieser Stelle meinen persönlichen Dank widmen möchte: Christoph Bauer, Dr. Tanja Baensch, Dr. Sven Beckstette, Andrea und Jan Dix, Dr. Dirk Dobke, Dr. James A. van Dyke, Prof. Dr. Bernhard Fulda, Dr. Eleonora Gaudieri, Heiko Groeppler, Rolf Günther, Dr. Anita Hosseini, Ann-Kathrin Hubrich, Linda Iversen, Christian Kröncke, Dr. Sophia Kunze, Kerstin Melot, Dr. Rémi Mermet, Christoph Metzger, Gyde Müller-Holtorf, Prof. Dr. Bernd Nicolai, Prof. Dr. Olaf Peters, Bettina und Rainer Pfefferkorn, Hanjo Polk, Silke Riechmann, Prof. Dr. Martin Schieder, Dr. Johannes Schmidt, Gabriele von Schroeter, Prof. Dr. Sebastian Schütze, Dr. Birgit Schwarz, Ursi Steiner, Elena Tolstichin, Prof. Shai-Shu Tzeng, Rudolf Ziesing sowie meinen Büropartnerinnen »206«.

»Das Interesse des Menschen an bildender Kunst steht m.E. mehr bei Werken, die nicht rein ästhetisch eingestellt sind, sondern menschliche Erlebnisse berühren. Der Magie eines echten Kunstwerkes kann sich kein Mensch entziehen, der reinen Auges sieht. Gerade das unerklärte und unerklärliche zieht ein Bild wie auch in der Natur einen an […].« Brief von Otto Dix an W. Gögel, 8. November 1932, Otto Dix Archiv

Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

Weshalb ist Otto Dix (1891–1969) ein deutscher Maler und was für eine Rolle spielt das bei der anstehenden Untersuchung über sein Schaffen zur Zeit des Nationalsozialismus? Geografisch ließe sich die Frage leicht mit seiner thüringischen Geburtsstadt Gera beantworten, aber einer ganz so simplen Antwort kann und will die vorliegende kunsthistorische Untersuchung nicht folgen. Sie fokussiert vielmehr den inhärenten Konflikt des Malers im Vexierspiel zwischen Verfemung und Anerkennung sowohl seiner Malerei als auch seiner Person zur Zeit des Nationalsozialismus. Dix emigrierte nach seiner erzwungenen Entlassung aus der Dresdner Akademie und der Diffamierung als »entarteter« Künstler 1933 nicht wie viele seiner Kollegen ins Ausland, sondern vollzog einen eher leisen Rückzug in die süddeutsche Provinz. Dort setzte er seine künstlerische Produktion fort, brach jedoch radikal mit seiner künstlerischen Handschrift. Der Verist und ungestüme Kriegs-Porträtist der 1920er Jahre wurde zum klassischen Landschaftsmaler und eröffnete damit einige Rätsel. Warum vollzog der schonungslose Realist Dix diesen drastischen Bruch in seinem Kunstschaffen? In welchem kunstpolitischen Licht erschienen seine motivischen Protagonisten nach 1933? Und sind in seinen Werken dieser Jahre dennoch spezifische Kontinuitäten als künstlerische Strategien festzustellen?

2 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

Betrachten wir eingangs das Landschaftsgemälde randegg – abendstimmung von 1936 (Taf. 1). Otto Dix zeigt hier den Blick in eine Landschaft mit Häusern und einem kleinen Schloss im zentralen Bildfeld. Im Hintergrund gehen Felder fließend in eine Berglandschaft über, deren Gipfel die Horizontlinie am pastellfarbenen Himmel zeichnen. Die lichte Farbigkeit im Spiel von sanften Gelb-, Rotbraun-, Grün- und Blautönen vermittelt eine ruhige und harmonische Bildkomposition. Zum Verweilen lädt zudem die aquarelliert anmutende Leichtigkeit ein, die der lasierende Duktus trotz Tafelmalerei transportiert. Häuser und Schloss sind detailliert wiedergegeben, im Detail sind Fachwerk, Fensterläden, Zäune und andere Details auszumachen. Es wirkt wie ein vormoderner Blick in die Region des südlichen Baden-Württembergs, so gibt uns der Titel vor, in der Menschen nicht zu existieren scheinen. Bild- und farbkompositorische Rhythmen wie auch die Manier und Wirkung des Farbauftrags offerieren Verbindungslinien zu altdeutschen Vorbildern der Frühen Neuzeit und der Renaissance. So scheint Dix’ Auseinandersetzung mit Dürers Aquarellen um 1500 hier greifbar. Als ehemaliger Professor der Dresdner Kunstakademie und in altmeisterlichen Techniken der Malerei ausgebildeter Künstler hat Dix 1936 ein Landschaftsbild gemalt.1 Als Erklärung zur Entstehungsgeschichte dieses kleinformatigen Gemäldes erscheint dies plausibel. Mit diesem überschaubaren Narrativ ist sein Entstehungskontext jedoch nicht hinlänglich erfasst. Das Bild verbindet im vermeintlich Verborgenen und unter der sichtbaren Oberfläche sich anlagernde, komplexe Zeitgeschichte. Es ist selbst Zeugnis seiner Entstehungsbedingungen und gibt motivisch wie auch technisch Aufschluss über Dix’ künstlerischen Umbruch im Zusammenhang mit politischen Prozessen, über vorherrschende Kunst-Propaganda und des Malers Auseinandersetzung mit seiner direkten Betroffenheit in der Zeit des Nationalsozialismus. An diesem exemplarischen Bild lagern sich die Potenziale des künstlerischen Fortbestehens, der partiellen Anerkennung und Vernetzung in einer repressiven Zeit ebenso an wie die vehemente Ablehnung des Künstlers und seiner Arbeiten durch das kunstpolitische System der nationalsozialistischen Diktatur. Das Gemälde zeigt den Ort Randegg nördlich des Bodensees, an den Otto Dix im Jahr seiner Entlassung aus der Malerei-Professur an der Dresdner Akademie der Künste 1933 umsiedelte. Dort lebte die Familie zwei Jahre auf einer Burganlage, die zum Eigentum von Otto Dix’ Schwager Hans Koch zählte.2 Ende 1936 bezog die Familie dann das eigens erbaute Atelierhaus in Hemmenhofen mit Blick auf den Untersee, das mit Hilfe einer Erbschaft von Martha Dix (1895–1985) finanziert werden konnte.3 Damit stellte Hemmenhofen im Gegensatz zu Randegg kein Provisorium mehr dar.4 Zeitgleich wurden Dix’ Kriegsgemälde in den ersten Femeschauen als »Schreckensbilder« der Weimarer Republik angeprangert, mit

Otto Dix der Landschaftsmaler _ 3



dem folgenreichen Label »entartet« versehen und ihre Verfemung wurde durch die Nationalsozialisten zu politischen Zwecken instrumentalisiert. Der Maler arbeitete weiter, wendete sich jedoch von seinen charakteristisch überzeichneten Großstadtmotiven ab, hin zu einer neuen Gattung – der Landschaftsmalerei. Sollte dies der Versuch einer verkappten Assimilation im Sinne der subtilen Gesellschaftskritik gewesen sein, so war dies unwirksam, denn Schließungen von Ausstellungen, an denen Dix mit Landschaftsarbeiten beteiligt war, zählten ebenso zu den politisch motivierten Folgen wie die langjährige Verunglimpfung des Malers, unter anderem im Rahmen der großen Femeschau entartete kunst ab Juli 1937. Das Gemälde randegg – abendstimmung war 1936 Teil der Galerieschau zwei deutsche maler. otto dix und franz lenk bei Karl Nierendorf in Berlin als einer der letzten größeren Dix-Ausstellungen in Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus. Der Wandel von den überzeichneten Typenporträts hin zu unpolitisch anmutenden Landschaftsdarstellungen milderte die vernichtende Beurteilung durch die Nationalsozialisten nicht. Vielmehr verhinderte der gleichgeschaltete Ausstellungsmarkt die Partizipation von Otto Dix weitgehend. Paradox erscheinen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik Aufträge wie jener seitens des Heeresbauamtes Magdeburg 1937 für ein Landschaftsgemälde. In erster Linie sicherte jedoch der enge Kontakt zu befreundeten Sammlern und Sammlerinnen in Deutschland sowie zu internationalen Museen und Galerien Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten bis 1945. Die vorliegende Untersuchung folgt der These, dass Otto Dix durch politische Einflüsse zum Maler ganz besonderer Landschaften wurde und auch seine Figurenbilder einem Wandel unterzog. Mit seiner Malerei begab sich Dix nicht in eine aktive Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Vielmehr entwickelte er eine künstlerische Strategie, die ihm eine kritische Stellungnahme gestattete und zugleich die Möglichkeit bot, in gewissem Rahmen als Maler weiter arbeiten zu können. Der systematischen Untersuchung des zwischen 1933 und 1945 entstandenen Œuvres ist die vorliegende Arbeit gewidmet. Im reziproken Verhältnis zwischen kunstpolitischem Diskurs und Dix’ künstlerischen Erzeugnissen wird insbesondere den Landschaftsgemälden dieser Zeit erstmals eine grundlegende Bearbeitung gewidmet.

otto dix der landschaftsmaler Die Gattung der Landschaftsmalerei nimmt also eine Sonderposition in der vorliegenden Untersuchung ein. Sie bietet in Otto Dix’ Werk ein divers eingesetztes Sujet, dessen künstlerische Rückbezüge ebenso heterogen zu betrachten sind wie die ihr zugrunde liegende Motivation und Funktion etwa in Hinblick auf formalästhetische

4 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

Gestaltungsweisen, das Motivrepertoire, quantitatives Vorkommen, zeitliche Kontexte sowie Narrative.5 Von besonderer Bedeutung ist hier der vielfach mit Otto Dix in Verbindung gebrachte Topos der sogenannten »Inneren Emigration« respektive »inneren Abgeschiedenheit«.6 Grundlage sind Dix’ Landschaftsmalerei, kunsthistorische Zusammenhänge, entsprechende kunstwissenschaftliche Ansätze sowie sozio- und kulturpolitische Einflüsse, ausgehend von der späten Weimarer Republik. Der künstlerische Umbruch schlägt sich in den politischen Entwicklungen sowie der großen Anzahl der entstandenen Landschaftsdarstellungen nieder. Die offizielle Ablehnung gegenüber Otto Dix und seines künstlerischen Werkes mag seinen Drang erklären, die eigene Maltätigkeit zu modifizieren, um als Maler fortbestehen zu können. Deutlich wird dies anhand von Artikeln in das schwarze korps und anderen ns-Presseerzeugnissen sowie von Aktionen, die federführend von der Reichskammer der bildenden Künste angeleitet wurden. Nach Angaben von Jan Dix (1927–2019), dem jüngsten Sohn von Martha und Otto Dix, wurden alle Landschaften für ­Martha Dix angefertigt und seien in Privatbesitz verblieben. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um Darstellungen handelt, die dem Zeitgeschmack entsprachen.7 Der Umstand, dass einerseits das Heeresbauamt Magdeburg eine Landschaft bei Dix in Auftrag gab und Landschaftsgemälde sowie -zeichnungen andererseits von der Galerie Nierendorf, dem Kunsthaus Schaller oder dem Kunstsalon Wolfsberg zum Verkauf angeboten und von privaten Sammlern angefragt wurden, widerspricht jedoch der Annahme, alle Landschaften seien in Dix’ Besitz verblieben oder für die Dix-Sammlung bestimmt gewesen. Das weiterhin bestehende Interesse an Dix’ Arbeiten seitens unterschiedlicher Akteure samt staatlicher Institutionen führt zur Infragestellung der These, Dix’ Landschaftsmalerei hätte nicht dem ns-Kunstgeschmack entsprochen. Ähnlich wie Matthias Eberle die Frage aufwarf, ob das, was Caspar David Friedrich gemalt habe, noch Landschaft sei, ist auch in Bezug auf die Malerei von Otto Dix eine Diskussion des Sujets grundlegend.8 Hier stellt neben der Problemstellung, inwiefern sich dieses konstituiert, die Beachtung der Entstehungszeiten einen Leitaspekt dar. Dabei bildet das reziproke Verhältnis von Œuvre-Entwicklung in Stil, Technik, Sujet und zeitpolitischen Einflüssen den zentralen Untersuchungsgegenstand. Die Genese der Landschaftsmalerei leitet zur Überprüfung und Etablierung maßgeblicher, schaffensspezifischer Termini, die mit dem Analyse- und Erkenntnisgewinn im Kapitel »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?« einhergeht. Es handelt sich um einen bislang weitgehend ausstehenden Beitrag in der kunstgeschichtlichen Forschung zu Otto Dix mit Bezug auf die ausgehende Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit. Da die Landschaftsmalerei in drei Hauptschaffensphasen in unterschiedlicher



Otto Dix der Landschaftsmaler _ 5

Gewichtung eine zentrale Rolle spielt, die jeweils charakteristische Erscheinungsformen ausbildet, resultieren daraus drei separate Landschaftsbegriffe. Das landschaftliche Werk ist während der Weimarer Republik als »Kriegslandschaft« und damit als Verifizierung des von Martin Warnke eingesetzten Terminus definiert.9 Die »Kriegslandschaft« wird durch das Schlachtfeld und die menschlichen Körper konstituiert, wodurch der Mensch im Kriegsgeschehen als maßgebliches motivisches Gestaltungselement in der Landschaftsmalerei dient. In dieser Zeit entstanden mit Bezug auf Dix’ Kriegstagebücher und die 1924 im Verlag der Galerie Nierendorf publizierte »Kriegsmappe« zahlreiche Kriegsdarstellungen sowie wenige Gemälde, die aufgrund der Lokalisierung im Schlachtfeld als landschaftlich zu begreifen sind.10 Mit Einsetzen der faschistischen Diktatur schließt die »ambige Landschaft« chronologisch an, wobei dieser Begriff in der vorliegenden Arbeit entwickelt wird. Mit dem Jahr 1933 hält die »ambige Landschaft« als neues Medium Einzug in Dix’ Œuvre. Der Maler stellte nun nicht mehr die werkspezifischen, veristisch überzeichneten menschlichen Körper aus der Zeit der Weimarer Republik dar, sondern wandte sich unmittelbar der Landschaft als soziopolitisch aufgeladener Gattung zu. Die Kontextualisierung von regionalen, landwirtschaftlichen, grenz- und milieuspezifischen Bezügen bildet sich letztlich auch in seinem persönlichen und regionalen Umfeld ab. Dieser Umbruch ist vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und Auswirkungen als Transformationsprozess erklärbar. So ist die »ambige Landschaft« durch meist menschenleere, entrückte und vielfach antiklassisch komponierte Darstellungen definiert. Dies zeigt sich anhand der zahlreichen neusachlichen Anklänge, in der farblichen Übersteigerung und anderen kompositorischen Aspekten, deren Effekte eine subtile, befremdliche, morbide Atmosphäre hervorrufen.11 Durch die spezifische Symbolwelt bilden sich Beziehungen zu altmeisterlichen Vorbildern aus, wobei die Landschaftsgattung darüber hinaus auch in Dix’ Zeitgenossenschaft – sowohl unter den verfemten Künstlern als auch in Bezug auf die offiziell protegierten Beispiele – dokumentiert ist. Die Ambiguität besteht in Dix’ Überprüfung seines eigenen Kunstschaffens im Kanon einer »altdeutschen« Maltradition, die im Zeichen seiner persönlichen und werkspezifischen Verfemung steht. So impliziert die Ausprägung einer altmeisterlichen Malerei zugleich die kritische Inaugenscheinnahme und das Ausloten eines anerkannten Kunstgeschmacks. Während des Zweiten Weltkriegs kehren sich die vormals eindeutig altmeisterlich und einem entsprechendem ikonografischen Schema folgenden Landschaften in eine neuartige Landschaftsauffassung um, die auch durch eine technische Wende unterstrichen wird. Die klassisch anmutende Landschaftsmalerei wandelte sich in eine »expressive Landschaft«. Diese knüpft chronologisch an die »ambige Landschaft« an und weist einen radikal erneuerten Malstil mittels des wesentlich gröberen Duktus auf. Inhaltlich findet ein Verweben von regionalen Szenen mit

6 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

Figurendarstellungen und Allegorien statt. Es sind Kombinationen aller hier besprochenen Sujets zuzüglich des Themas der Fastnacht. Demnach fand eine stilistischen Wende um 1943 statt, die eine zunehmende Zusammenfügung mit zeitpolitischen und christlich-ikonografischen Bezügen mit sich brachte und deren expressiver Charakter das gesamte Nachkriegs-Œuvre prägte.

genrespezifische werkentwicklung Aufschluss über das reziproke Verhältnis von Kunst und politischen Einflüssen gibt neben den kunsthistorischen Rekonstruktionen und werkspezifischen Analysen die Erhebung »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)«. In ihr wird die Produktivität des Malers anhand der zugrunde gelegten Gattungen Porträt, Landschaft und Historienbild (mit christlicher Ikonografie) im dokumentierten Zeitraum aufgezeigt. Die Erhebung ermöglicht es, die Produktionszahlen zwischen 1918 und 1949 im Verhältnis zur Chronologie sowie zu den primär behandelten Gattungen zu betrachten. Sie setzt sich zum Ziel, das künstlerische Schaffen im Kontext der kunstpolitischen Entwicklung sowie der soziohistorischen Situation von Dix zu erfassen. Reale Werkentstehungszahlen stützen die in der vorliegenden Arbeit angestellten Analysen und stellen somit eine Trendentwicklung der künstlerischen Produktion dar. Mit dem motivischen Umbruch von 1933 wird das Porträt als primäre Gattung in der Weimarer Zeit durch das Landschaftssujet abgelöst. Im Verhältnis dazu bilden Porträts ab 1933 einen quantitativ geringeren Werkbestandteil, ebenso wie die ab 1937 ergänzten christlichen Darstellungen.12 Die Landschaftsmalerei verdeutlicht die ikonografische Stoßrichtung in Dix’ Œuvre nach 1933. »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« macht das facettenreiche Œuvre zeitlich, räumlich sowie hinsichtlich der jährlichen Gemäldeanzahl auch grafisch sichtbar. Die Anzahl der ermittelten Landschaftsgemälde in den jeweiligen Schaffensphasen dient als Parameter für die Auswertung und beruht in weiten Teilen auf den Angaben aus dem einschlägigen Werkverzeichnis der Gemälde vom Fritz Löffler (1981) unter Einbezug der im Archiv der Otto Dix Stiftung ermittelten und eingepflegten Ergänzungen.13 Von besonderer Brisanz ist das Gemälde hohentwiehl mit hohenkrähen von 1933. Die Arbeit ist bisweilen nicht im Œuvrekatalog des Malers gelistet. Seine Existenz konnte im Zuge eines Forschungsaufenthaltes der Verfasserin am Getty Research Institute in Los Angeles (2016) jedoch nachgewiesen werden.14 Diese Referenz belegt, dass Dix nicht wie in der bisherigen Forschung angenommen Ende 1933 das erste Gemälde nach seiner Entlassung und seinem Umzug nach Randegg anfertigte, sondern bereits im Sommer entsprechend malerisch aktiv wurde.



Genrespezifische Werkentwicklung _ 7

Während der Weimarer Republik entstanden insgesamt nur vier nachweisbare Gemälde mit Landschaftsbezug. Demgegenüber erscheint die auf 163 Gemälde gestiegene Anzahl der ermittelten Landschaften zwischen 1933 und 1945 eklatant. Bis 1949 sind weitere 49 Landschaftsgemälde zu verzeichnen.15 Im Verhältnis zu den Landschaften ist die Gesamtanzahl der Porträtdarstellungen zu beachten, da sich augenscheinlich ein Wandel im motivischen Wirken von Otto Dix vollzog. Ergibt die Summe der im Zeitraum zwischen 1918 und 1932 zu datierenden Porträtdarstellungen 181 Gemälde, so sind für den Zeitraum der Diktatur lediglich 43 Porträts ermittelbar. Mit dem Jahr 1933 fand folglich eine Ablösung des Porträts durch das landschaftliche Motiv statt. Das Landschaftsgenre, das während der Weimarer Republik kaum zur malerischen Ausgestaltung kam, avancierte zum zentralen Bildmotiv. Somit untermauert die Erhebung der Werkentstehungszahlen den motivischen Umbruch vom Fokus der Menschen in ihren Milieus der 1920er Jahre hin zur isolierten Landschaftsdarstellung mit kaum merklichem Figurenpersonal nach 1933. Dieses Verhältnis bleibt in der chronologischen Werkentwicklung bis 1949 bestehen. Abgesehen von den allegorischen Darstellungen verzichtete Dix meist auf die Einbindung von Bildpersonal oder bezog dies als marginale, kaum sichtbare figürliche Staffage in die Landschaftsdarstellungen ein. In Bezug auf die weiterhin konstant entwickelten Zahlen der Landschaftsgemälde nach 1945 ist mit dem modifizierten Malduktus ein technischer Aspekt festzustellen, der in der quantitativen Erhebung nicht gesondert beleuchtet wird. Grund hierfür ist die Kategorisierung nach konkreten Landschaftstypen unter Berücksichtigung entscheidender Ikonografien und wiederkehrender Bildelemente. Das Einsetzen von pastoser Maltechnik und Expressivität, die die vorherige Mischtechnik und Lasurmalerei ablösen, ist flankiert von motivischen Neuerungen mit konkreten, erneut soziopolitischen Zeitbezügen. Hierdurch ist der zweite künstlerische Umbruch markiert. Der Erhebungsbefund resultiert in den hier überprüften Beobachtungen: Die Schaffensphasen weisen zu verschiedenen Zeitpunkten stark variierende Werkzahlen auf und so können Aussagen über die Entwicklung des Motivrepertoires (unter Berücksichtigung signifikanter Bildelemente) getroffen werden. Ein schlagartiger Anstieg der Produktion von Landschaftsgemälden nach 1933 zeichnet sich ab, die Anzahl der Porträts bricht zugleich ein. Ferner wird eine Einschätzung möglich, inwiefern der um 1943 datierte maltechnische Umbruch kausal mit dem stetig hohen Produktions- und Gemäldeaufkommen verknüpft ist.

8 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

zum stand der forschung und zur methodischen vorgehensweise Otto Dix zählt zu den bekanntesten deutschen Malern der Moderne. Die Bibliografie zu seinem Werk umfasst zahlreiche Regalmeter der Primär- und Sekundärliteratur, Magister-, Master- und Dissertationsschriften, Ausstellungs- sowie Sammlungskataloge, Aufsätze in Sammelbänden und Fachzeitschriften sowie lexikalische Einträge. Dabei stehen – neben den biografisch angelegten Schriften und einigen besonders hervorzuhebenden Beiträgen – bis heute weitgehend die Themen und Arbeiten der Weimarer Republik im Brennpunkt der kunsthistorischen und -wissenschaftlichen Forschung sowie der musealen Rezeption. Das vorliegende Buch widmet sich einem weit geringer untersuchten Themenfeld – Otto Dix in der Zeit des Nationalsozialismus – und damit einem Œuvre, das sich konträr zu dem der 1920er Jahre entwickelte. Es verfolgt den Anspruch einer kritischen Bestandsaufnahme zu dem Maler, seinem Werk und Wirken insbesondere zwischen 1933 und 1945. Dieses Kernanliegen wird historisch flankiert von der ausgehenden Weimarer Zeit sowie dem Ende des Zweiten Weltkriegs respektive der nationalsozialistischen Diktatur. Dabei macht das Vorhaben eine historische Untersuchung der Dix-Rezeption in der je zeitgenössischen Kunstwelt erforderlich, auf der der zweite Hauptpfeiler des vorliegenden Bandes basiert – die kunsthistorische Werkanalyse im Spiegel des Zeitgeschehens. Eine kritische Untersuchung, die einen rekonstruierenden Anspruch verfolgt und sich gegen tendenziöse Darlegungen ausspricht, dient als Maßgabe der vorliegenden Forschungsergebnisse. Die zunehmende Aufbereitung der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts – wie in gegenwärtigen Forschungs- und Ausstellungsprojekten ersichtlich – haben die große Bedeutung von ergebnisoffener Forschung mit Nachdruck verdeutlicht. So zeigte sich etwa am Beispiel des Kunsthistorikers und documenta-Begründers Werner Haftmann (1912– 1999), dessen Publikationen wie verfemte kunst. bildende künstler der inneren und äusseren emigration in der zeit des nationalsozialismus (1986) Nachkriegs-Narrative breitenwirksam und tendenziös prägten, »wie im Ausstellungsbetrieb der Nachkriegszeit über die persönliche Beteiligung an Verbrechen der ns-Zeit geschwiegen und hinweggesehen wurde«.16 Angesichts der fortwährend stattfindenden Kunstgeschichtsschreibung und der stetigen Erschließung von Quellenmaterialien und Kontextualisierungen kann ein Anspruch auf Vollständigkeit der Quellen nur utopisch erscheinen. Die vorliegende Rekonstruktion hat die Erfassung eines stichhaltigen Bildes des Malers im kunstpolitischen Zeitkontext zum Ziel, das sich insbesondere in der quellenbasierten Arbeit in zahlreichen aufbereiteten Primärmaterialien abbildet. Hierbei ermöglicht die Einbindung historischer Korrespondenzen nicht allein den Briefschreiber Dix zu Wort kommen zu lassen. Gleichermaßen werden die zeitkritischen,



Zum Stand der Forschung und zur methodischen Vorgehensweise _ 9

den Maler anerkennenden oder vehement ablehnenden und öffentlich im Kontext der entarteten kunst anprangernden Stimmen aufgezeigt. Neben kunsthistorischen und journalistischen Quellen stellen Positionen politischer Funktionäre und Institutionen gegenüber dem Maler einen elementaren Rezeptionsbereich dar. Exemplarisch seien hierzu etwa Korrespondenzen angeführt, die im Rahmen von Ausstellungs­beteiligungen, Dix’ Entlassung aus dem Lehramt 1933, den Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste im selben Jahr, den Zusammenhang von Femeschauen oder die Einziehung zum Volkssturm und andere mehr betreffen. In den jeweiligen Kapiteln werden dementsprechend zentrale Ergebnisse aus den angestellten Archivrecherchen einbezogen und miteinander verknüpft. Recherche-Aufenthalte im Archiv der Otto Dix Stiftung seit Beginn 2017 ermöglichten die Bearbeitung elementarer Primärquellen und künstlerischer Erzeugnisse. Hierbei handelt es sich um Primär- und Sekundärliteratur, Periodika, eine Liste der Bücher in der Bibliothek in Hemmenhofen bis 1969, das in der Aktualisierung begriffene Werkverzeichnis sowie die maßgeblichen Korrespondenzen des Künstlers mit Kooperationspartnern, Familienangehörigen, Freundinnen und Freunden, behördlichen und institutionellen Vertreterinnen und Vertretern. Zudem konnten in der Otto Dix Stiftung wesentliche Werkanalysen am Original angestellt werden – etwa zur hegaulandschaft am abend von 1939 oder randegg mit vögeli von 1936 – und an dem ungezählte Blätter umfassenden Bestand der Zeichnungen intensive Beobachtungen zu konkreten Studien, Anmerkungen zu Farbwerten, zur Materialität von Papier und Handwerkszeug sowie der Technik unternommen werden. Darüber hinaus haben die Gespräche mit dem Präsidenten der Otto Dix Stiftung und der Enkeltochter des Ehepaars Martha und Otto Dix über einen mehrjährigen Zeitraum das Fortkommen der Arbeit inhaltlich sehr bereichert. Der vorangegangene Forschungsaufenthalt am Getty Research Institute (Los Angeles, 2016) ermöglichte intensive Recherchen in den General und Special Collections wie auch im Photo Archive. Hier habe ich neben dem thematischen und sachspezifischen Erkenntnisgewinn mit der Referenz auf das Gemälde hohentwiel mit hohenkrähen von 1933 einen elementaren Fund gemacht (Abb. 1). Das Gemälde ist nicht Bestandteil von Löfflers Werkverzeichnis zu den Gemälden von Otto Dix.17 Aufgrund seiner formalästhetischen und motivischen Besonderheiten ist es jedoch eindeutig Dix’ Œuvre zuzuordnen. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie mit umseitig fixierten Objektangaben aus dem Kunstarchiv Arntz – das seit 1984 Sammlungsbestandteil des Getty Research Institute ist – ermöglicht nun seine erste wissenschaftliche Betrachtung und neue Erkenntnisse in Bezug auf Dix’ Landschaftsmalerei seit 1933.18 Demnach konnte etwa die Annahme, dass Dix erst gegen 1934 damit begann, Landschaftsdarstellungen zu malen, widerlegt werden.19 Das eigens angelegte Quellen-Inventar beläuft sich auf zirka 1800 digital dokumentierte

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1  Otto Dix. hohentwiel mit hohenkrähen 1933, Objektdaten und Verbleib unbekannt

und aufbereitete Quellen zu den von Dix bevorzugten Sujets wie Krieg, Milieu­ schilderung, Landschaftsmalerei sowie christlichen und allegorischen Inhalten. Außerdem sind dies kunstpolitische Primärdokumente zu Dix’ Werk und Ausstellungstätigkeit in Museums-, Galerie- und Kunstvereinskontexten während der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Themen der nationalsozialistischen Kunstpropaganda wie die Monatsschrift die kunst im dritten reich (1937–1941) als Referenz des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks sind darin ebenfalls erfasst. Die Dokumentation zu Recherchen im Deutschen Kunstarchiv des Germanisches Nationalmuseums (Nürnberg, 2015) umfasst insbesondere Korrespondenzen mit Vertreterinnen und Vertretern des Kunstmarktes und der Museen, mit Sammlern, Landesämtern, dem Militär sowie Freunden und Familienangehörigen des Malers. Thematisch erschlossen sind neben der kunstpolitischen Situation unter anderem Dix’ Entlassung aus der Dresdner Professur 1933, die Abwicklung zum



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»Ankauf« eines Gemäldes durch das Heeresbauamt Magdeburg 1937, der Bau des Atelierhauses in Hemmenhofen und dessen Fertigstellung 1936, (auto-)biografische Dokumente sowie Werklisten etwa zur Buchführung. Die Erkenntnisse aus diesem digital angelegten Rechercheinventar, das zirka 1000 Materialien umfasst, und dem entsprechenden Recherchefundus sind maßgeblich in die Kapitel »Eine Maler­ karriere im Zeichen politischer Umbrüche«, »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit« sowie »Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)« des vorliegenden Buches eingebunden. Weitere Recherchen wurden 2015 im Bundesarchiv Berlin durchgeführt, wo insbesondere eine Überwachungskarteikarte und Vermerke der Gestapo als Fund geltend zu machen sind sowie Berichte zu den Femeschauen entartete kunst in unterschiedlichen Periodika. Zudem wurden das Stadtarchiv Singen und die Bibliotheken im Hegau sowie die Stadtarchive in Konstanz und Radolfzell konsultiert. Mit dem Fokus auf Dix’ Landschaftsgemälde zur Zeit des Nationalsozialismus erfolgte am 8. August 2016 ferner ein Interview mit Jan Dix (1927–2019). Die Gesprächs- und Rechercheergebnisse umfassen insbesondere regionale Bezüge zu den landschaftlichen Arbeiten sowie die Sichtung von Fotografien und Periodika wie die bodensee-rundschau (1933, 1937), deutsche bodensee-zeitung oder bodenseebuch (1937). Aus diesen Erzeugnissen der gleichgeschalteten Presse gehen keine Nennungen des Künstlers hervor, sodass der Befund hier das zurückgezogene Wirken von Otto Dix in der Hegau-Region unterstreicht. Die Ergebnisse sind in die Darstellung des künstlerischen Wirkens in Randegg und Hemmenhofen zwischen 1933 und 1945 eingeflossen. Bei allen angestellten Forschungsaufenthalten konnten folglich umfangreiche Primär- und Sekundärquellen gesichtet werden. Persönliche und offizielle Dokumente des Malers waren vielfach unpubliziert, zeitgenössische Presseerzeugnisse außerdem nur sehr entlegen veröffentlicht und konnten nun für den vorliegenden Band ausgewertet werden. Außerdem ist im Zusammenhang mit den bereits aufbereiteten Korrespondenzen der von Ulrike Lorenz herausgegebene Band otto dix. briefe zu benennen, in dem 2013 eine Vielzahl von Schriftstücken publiziert wurden. Zur Einordnung des künstlerischen Schaffens im ns-Kontext ist eine Beleuchtung der kulturpolitischen Situation nach 1933 grundlegend. Dabei macht die Einbindung direkter Zitate den zeitgenössischen Tenor im jeweiligen Kontext erfahrbar. Diese Herangehensweise wird in Bezug auf die Weimarer Zeit und den Nationalsozialismus angewandt, um die Gegebenheiten um Otto Dix in Bezug auf seinen künstlerischen Entwicklungsprozess anhand der vorliegenden Quellendokumente skizzieren und rekonstruieren zu können. Über das Vorkommen, die physische Präsenz seiner Werke und die Verurteilung der Person Dix im Rahmen von

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Femeschauen wie auch selbstgewählte Ausstellungsbeteiligungen hinaus belegen die herangezogenen Quellen das Nicht-Vorkommen des Malers in der offiziellen Kunstwelt. So bilden sich die Folgen der Entlassung aus seiner Professur konkret in einem abrupten Rückgang der Ausstellungszahlen wie auch in der Vorsicht von potenziellen Kaufinteressenten gegenüber Dix’ Werk ab. Einbindung finden jene dem Maler zugewandten Stimmen wie auch die repressiven Entwicklungen, Ausstellungsbeteiligungen und Sammlerinteressen, die in der Forschungslandschaft bisweilen nicht oder wenig vorkommen. Hierzu zählen sowohl Stimmen aus Ministerien, Museen und Galerien, der Kunstkritik als auch von Freundinnen, Freunden und Familienangehörigen. So verweist Dix’ Auseinandersetzung mit dem Ministerium des Inneren ebenso wie jene mit Will Grohmann (1887–1968), Ludwig Justi (1876–1957) und weiteren Zeitgenossinnen und -genossen direkt auf die Zeitumstände. Im Kontext erscheint die partielle Anerkennung konkreter Arbeiten durch staatliche Institution wie das Heeresbauamt Magdeburg im Februar 1937 fragwürdig. Diese Entwicklung ist ebenso Analysegegenstand anhand von Primärquellen wie die Kritiken zu internationalen Ausstellungen unter Beteiligung des Malers zur Zeit des Nationalsozialismus. Letztere bestätigen die anerkennende Rezeption und Resonanz auf sein Werk außerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands. Da Otto Dix’ Arbeiten sowohl in der Zeit der Weimarer Republik als auch verschärft seit dem Einsetzen der Diktatur 1933 als »unsittlich« und »gesellschaftsgefährdend« angeprangert wurden, ist die Frage vorangestellt, inwiefern ein Motiv gefährlich sein kann. Im Zusammenhang ausgewählter Fallbeispiele werden kunsthistorische Stimmen mit dem jeweiligen Zeit- und Gesellschaftskontext beleuchtet, um die zeitgenössische Rezeption von Dix’ Arbeiten zu skizzieren. Ferner wird die Zuschreibung von Kunstwerken als »gefährlich«, »unsittlich« oder gar »entartet« in den kontroversen Zusammenhang einer deutschen Kunstgeschichtsschreibung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in Hinblick auf erstarkende nationalistische Entwicklungen in der Gesellschaft gebettet. Hierbei sind Hans Beltings Band die deutschen und ihre kunst. ein schwieriges erbe (1992) sowie Françoise Forster-Hahns Publikation die weissen jahrhundertausstellung 1906 in berlin. ausstellungsinszenierung und meier-graefes entwicklungsgeschichte der modernen kunst (2016) zentrale Referenzen. Die Erkenntnisse des Historikers Volker Weiß in die autoritäre revolte. die neue rechte und der untergang des abendlandes (2017) dienten der thematischen Einordnung in den historischen Zusammenhang ebenso wie jene von Hans Gollwitzer in europabild und europagedanke (1964) angestellten Untersuchungen. Ausgangspunkt ist die Frage, welche künstlerischen und kunsthistorischen Beispiele zur Konstruktion einer »deutschen Kunstgeschichtsschreibung« beitrugen, wie sie im kulturellen Deutschland der 1920er und 1930er Jahre publiziert



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wurden und inwiefern sich Dix’ zunehmende Adaption altmeisterlicher Stile und Kompositionen dazu verhält. Der Aspekt der Alstmeisterlichkeit ist zeitgleich mit den veristischen Arbeiten dieser Zeit zu beobachten. Diese Binarität von Verismus und Altmeisterlichkeit ist Gegenstand des Kapitels »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit«. Gegenüberstellungen mit Alten Meistern wie Hans Baldung Grien (1484/1485–1545), Pieter Bruegel d. Ä. (1525/1530–1569), Lucas Cranach (um 1472–1553), Albrecht Dürer (1471–1528), Matthias Grünewald (um 1480–1530) und Hans Holbein (um 1497/1498–1543) wurden im Rahmen der Ausstellung otto dix et le maîtres anciens im Musée d’Unterlinden in Colmar mit zugehörigem Katalog vorgenommen. Die Gegenüberstellung mit dem vor Kurzem restaurierten Isenheimer Altar Grünewalds mit Werken von Otto Dix bildete zudem den Ausgangspunkt der Ausstellung otto dix – isenheimer altar 2016. Hinsichtlich der Frage nach Dix’ Traditionsbezügen und ihrer Wirksamkeit sind kontroverse Meinungen vorherrschend. So konstatieren etwa Birgit Schwarz und Michael Viktor Schwarz 1996, dass Dix bereits in den 1920er Jahren auf die Maltradition verschiedener Vorbilder zurückgriff, dass ein ausgeprägter Nationalismus den Werken immanent ist und daher kein stilistischer Umbruch nach 1933 stattgefunden hat. Olaf Peters hingegen schlussfolgerte 1998 in seiner Dissertationsschrift neue sachlichkeit und nationalsozialismus. affirmation und kritik 1931–1947, dass Dix zwar vormals auf altmeisterliche Darstellungsweisen Bezug nahm, die Qualität der stilistischen Ausarbeitung nach 1933 jedoch eine drastische Wendung bedeutete und »bewusst kritisch« eingesetzt wurde.20 In Anbetracht der nationalsozialistisch anerkannten Landschaftsmalerei ist Dix’ Blickwinkel auf historische Vorbilder in der Kunst insofern relevant, als die Nationalsozialisten zum Zwecke der ideologischen Manifestation insbesondere die Renaissance, die Klassik und auch die Romantik – die auch Dix rezipierte – als Transmitter für ihre Propagandazwecke heranzogen.21 Dies geht insbesondere aus dem Periodikum die kunst im dritten reich hervor und wurde von Marlies Schmidt 2010 in ihrer Dissertation die »grosse deutsche kunstausstellung 1937 im haus der deutschen kunst zu münchen« herausgestellt. Ausstellungsbeteiligungen des Malers und deren Besprechungen in Periodika wie die kunst für alle bieten Aufschluss über die Rezeption seines Werks und erlauben Rückschlüsse auf gesellschaftspolitische Gegebenheiten, Zuschreibungen und die persönlich-berufliche Situation von Dix. Im Kapitel »Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)« werden Ausstellungsaktivitäten, Ver- und Ankaufsinteressen, sowie die Verbindung zu Kunsthändlern und öffentlichen Sammlungen aufgezeigt, die im Rahmen der künstlerischen Entwicklung bedeutend sind. Die nationalsozialistischen Femeschauen in Deutschland stellten seit 1933 zunächst Dix’ Kriegsdarstellungen und schließlich alle Sujets der 1920er Jahre öffentlich an den

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Pranger. Somit ist Christoph Zuschlags Grundlagenwerk »entartete kunst« ausstellungsstrategien im nazi-deutschland (1995) eine maßgebliche Referenz zur Erfassung von Dix’ Kunstwerken und ihrer Verfemung im Kontext der Femeschauen. Die Ausstellung entartete kunst, ihre Vorreiter und der Kontext der gleichnamigen Aktion zeigen dabei grundlegende Verbindungslinien der nationalsozialistischen Kulturpolitik auf. Dabei implizieren die angeführten Primärquellen wichtige Verweise zur Rezeption von Dix’ Arbeiten und seiner Person durch die Nationalsozialisten. Seit der Washingtoner Konferenz 1998, der gleichnamigen Erklärung (Washington Principles) und den darin erfassten Grundsätzen in Bezug auf künstlerische Erzeugnisse, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, haben zahlreiche Forschungsprojekte mit universitärem und sammlungsspezifischem Wissenschaftsbezug ihren Fokus auf den Kunsthandel und museale Anknüpfungspunkte gerichtet.22 Hierin spiegeln sich sowohl das staatliche Verantwortungsbewusstsein wie auch die wissenschaftliche Neuausrichtung, die etwa in der Verankerung von Provenienzforschung im wissenschaftlichen wie auch musealen und institutionellen Rahmen stattfindet. Diskurse zur kulturpolitischen Situation und Organisationsstrukturen im nationalsozialistischen Deutschland bilden sich etwa in den Publikationen der Hamburger wie auch der Berliner Forschungsstelle »Entartete Kunst« mit Bezug auf den Kunstmarkt und auf spezifische Künstlerinnen- und Künstlerschicksale – darunter Otto Dix – ab. In diesem Zusammenhang sei auf exemplarische Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre zum (inter-)nationalen Kunsthandel im Nationalsozialismus verwiesen, in denen auch Dix’ Arbeiten wiederkehrender Bestandteil sind. Dies sind auszugsweise die Beiträge von Meike Hoffmann und Nicola Kuhn hitlers kunsthändler. hildebrand gurlitt 1895–1956 (2016), der Band zur Tagung »die kammer schreibt schon wieder!« das reglement für den handel mit moderner kunst im nationalsozialismus (2016), Kathrin Engelhardts Untersuchungen zur Galerie Ferdinand Möller 2013, Gesa Jeuthes Band kunstwerte im wandel die preisentwicklung der deutschen moderne im nationalen und internationalen kunstmarkt 1925 bis 1955 (2012) und der 2010 erschienene Band von Maike Steinkamp und Ute Haug. Auch die einschlägigen Online-Ressourcen, die im Rahmen entsprechender Forschungsprojekte entstanden, waren für die Objekt-Recherche der vorliegenden Untersuchungen bedeutend.23 Dem vorliegenden Band geht eine lange bestehende, einschlägige Otto DixForschung voraus, die maßgeblich durch Autorinnen und Autoren wie Rainer Beck, James A. van Dyke, Olaf Peters, Dietrich Schubert, Birgit Schwarz und andere geprägt wurde. Zu den wichtigen wissenschaftlichen Referenzen in Bezug auf den Maler Otto Dix zählen die Forschungsergebnisse von Olaf Peters, der seit 1998 internatio-



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nal zu Themen wie Dix im Kontext des Ersten Weltkriegs, in der Zeit der Weimarer Republik oder wie am Beispiel der Biografie otto dix. der unerschrockene blick von 2013 die Lebens- und Werkphasen übergreifend betrachtet. In diesem Zusammenhang ist auch der von Fritz Löffler bearbeitete Œuvrekatalog von 1981 zu nennen, der noch heute und aus Mangel an aktuellen Alternativen herangezogen wird. Das aktualisierte Online-Werkverzeichnis wird in näherer Zukunft bei der Akademie der Künste, Berlin, erscheinen, wo das Otto Dix-Archiv angesiedelt ist. Maßgeblich zählt auch Dietrich Schubert mit Beiträgen etwa zu den Kriegsradierungen und -darstellungen (1990, 1999) der Weimarer Zeit und darin der politischen Metaphorik zu den besonders hervorzuhebenden Referenzen. Auch gehen erste semantische Analysen zu Dix’ Landschaft auf Schubert zurück. In diesem Kontext sei zudem auf die Beiträge von Otto Conzelmann (1983) verwiesen. Den Bezugspunkt bilden dabei die Weimarer Republik, das Selbstbildnis, aber auch die politische Metaphorik wie bei Schubert (1980). Dessen Forschung bildet einen Grundpfeiler der Dix-Forschung, da der Autor – vergleichbar mit den vorausgegangenen Beiträgen von Fritz Löffler und Otto Conzelmann und diese jedoch revidierend – das Leben und Werk durch fundierte Daten zu den jeweiligen Zeitphasen ermittelt. So gibt die Monografie otto dix mit selbstzeugnissen und bilddokumenten einen wichtigen Überblick über alle Werk- und Lebensphasen von Dix und kann fortwährend als eines der Standardwerke in der Dix-Forschung gelten (1980, aktualisierte 9. Auflage 2019). Aspekte wie Dix’ Entlassung und die nationalsozialistischen Femeschauen sind darin ebenso thematisiert wie allegorische Bilderserien der 1930er und 1940er Jahre oder eine symbolische Zuschreibung an Dix’ Landschaftsdarstellungen dieser Zeit. Diese Ausführungen folgen einer Überblicksperspektive, eine kunsthistorische Tiefenanalyse bleibt jedoch aus. Schubert bezieht wichtige zeitpolitische Referenzen in seine Argumentation ein, wie beispielsweise die antisemitische Politik der Nationalaozialisten. Auf die politischen Geschehnisse rekurriert wiederum auch Peters 1998 am Beispiel des Gemäldes judenfriedhof in randegg im winter mit hohenstoffeln von 1935 (Abb.  2). Von dieser forschungsspezifischen Methodik und Ausgangslage inspiriert, ist der vorliegende Band den politischen Einflüssen im Zusammenhang mit ausgewählten Werkanalysen – insbesondere der Landschaftsmalerei – gewidmet. Die benannten Betrachtungen und fallbezogene Aufsätze von Schubert (2019), Beck (2006) und Peters (1998, 2013) sowie Beiträge wie Helmut Fiedlers aufbrechendes eis – die see­ gfrörne von 1940 im spiegel der kunst (2017) sind dabei fester Bestandteil des Forschungsstands. Eine eingehende Aufbereitung der kunstpolitischen Geschehnisse im reziproken Verhältnis zu Dix’ Werkentwicklung während des Nationalsozialismus steht in der Dix-spezifischen Forschung jedoch bis heute aus. Mit Vorlage der hiesigen Untersuchung wird diesem Forschungsinteresse nachgegangen.

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2  Otto Dix. judenfriedhof in randegg im winter mit hohenstoffeln 1935, Mischtechnik auf Hartfaserplatte, 60 × 80 cm, Saarbrücken, Saarland-Museum

Da die Arbeiten der 1920er Jahre primär mit Bezug auf den Krieg entstanden – sowohl konkrete Darstellungen des Krieges als auch der gesellschaftlichen Folgen – und Dix seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen motivisch in den Blick nahm, steht die Porträtmalerei ganz im Zeichen der Weimarer Zeit. Zeitgenössische Stimmen wie Paul Ferdinand Schmidt (1878–1955), Will Grohmann oder Carl Einstein (1885–1940) bilden den Ausgangspunkt der Rezeption. Auch Gustav Friedrich Hartlaub (1884–1963) zählt zu den angeführten Kunstsachverständigen und ist in Bezug auf Dix’ Neusachlichkeits-Zuschreibung relevant. Das Changieren zwischen Verismus und Altmeisterlichkeit umreißt hier den Untersuchungsgegenstand und wird ausgehend von den konkreten Kriegskontexten anhand des charakteristischen Typenporträts – am Beispiel des Gemäldes frau mit kind von 1921 (Abb. 3) – in den Blick genommen.24 Dabei steht Dix’ sozial- und zeitkritisches Abtasten am Motiv der Frau in dem ihr zugeschriebenen sozialen Milieu im Fokus. Zu untersuchen, inwiefern diese Binarität von dokumentarischer Sachlichkeit und kritischem Kommentar des Künstlers einerseits und seiner altmeisterlich-konservativen Ausdrucksweise andererseits nach 1933 fortbestand, obliegt der Werkanalyse im Kapitel »Ohne soziopolitische Tragweite. Unkritisches Porträt und Figurenbild ab 1933«. Gegenstand ist zudem die Untersuchung zum Gemälde bildnis frau rosa



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3  Otto Dix. frau mit kind 1921, Öl auf Leinwand, 120 × 81 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister Dresden

eberl von 1940 (Taf. 2). Da diese Arbeit in der bisherigen Forschungsliteratur keine nennenswerte Besprechung fand, gab das persönliche Gespräch mit Rolf Günther, dem ehemaligen Direktor der Städtischen Sammlungen Freital, Aufschluss über wichtige zeitliche Hintergründe und Objektbezüge. Kunsthistorische Ikonografien, Bezüge zu Alten Meistern und tradierte motivische Zuschreibungen stehen hier der visuellen Gebrochenheit der Dargestellten gegenüber. Schließlich werden Heiligenbilder am Beispiel des Heiligen Lukas und daran anknüpfend Dix’ Konterfei des Christophorus sowie Madonnendarstellungen thematisiert, und damit in das Œuvre der Nachkriegszeit übergeleitet. In diesem Zusammenhang ist noch immer der Beitrag von Felix Graf zu otto dix im kunstsalon wolfsberg von 2013 grundlegend. Im Verhältnis zu früheren Werkphasen ist die kunstgeschichtliche Forschung zur unmittelbaren Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs im Werk von Dix weitaus geringer frequentiert. Durch den um 1943 einsetzenden stilistischen

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Wandel erfuhr das Œuvre eine gänzlich neue Ausrichtung. Motivisch handelt es sich hierbei vielfach um christliche Darstellungen mit zeitkritischen Bezügen, wobei die während des Nationalsozialismus ausgeführten Sujets der Landschaft, des Porträts und christlicher Darstellungen hier als Konglomerat verstanden werden.25 Insbesondere seien die Beiträge Fritz Löfflers zum matthäus-evangelium (1990) sowie die bilder der bibel (1995/1996) hervorzuheben, die über das Werkverzeichnis der Gemälde und Beiträge zur Dresdner Secession hinaus wichtige Referenzen darstellen. Zu den christlichen Motiven im Gesamtwerk von Otto Dix bildet die Publikation otto dix. bilder zur bibel von Fritz Löffler (1986) eine Grundlage, in der – ausgehend vom Frühwerk bis ins Spätwerk – christlich-allegorische Themen anhand biblischer wie auch Apokryphen-Darstellungen aufgezeigt und besprochen sind.26 Das Matthäus-Evangelium und damit Dix’ Lithografie-Zyklus des Spätwerks wurde im Rahmen der Ausstellung otto dix. L’èvangile selon saint matthieu / das matthäus-evangelium des Musée d’Imprimerie in Lyon bereits 1990 in den Fokus genommen. Die Ausstellung des Musée Unterlinden otto dix – isenheimer altar in Colmar 2016 ist als jüngste Exposition in diesem thematischen Kontext zu nennen. Neben Fritz Löffler, der sowohl im Œuvrekatalog als auch im Katalog zum Matthäus-Evangelium über die religiöse Thematik schrieb, bindet wiederum Olaf Peters die christlichen Themen in ihrem jeweiligen Entstehungsrahmen in der 2013 erschienenen Biografie ein. Die Untersuchungen zu den zwischen 1933 und 1945 entstandenen Landschaftsdarstellungen nehmen Bezug auf bestehende Katalogbeiträge und Artikel, die bislang keine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung darstellen. In diesem Kontext ist exemplarisch auf Becks Artikel »flucht ist immer falsch« – inneres exil als emigration (2012) sowie den Beitrag Christina von Elms im Wissenschaftlichen Jahrbuch des Zeppelin Museums (1999) zu verweisen. Darin wird jeweils das landschaftliche Werk der sogenannten »Inneren Emigration« wie auch der Ausstellungszusammenhang mit Franz Lenk bei der Galerie Nierendorf in Berlin 1935 thematisiert. Letzterer ist zudem Gegenstand bei Anja Walter-Ris’ kunstleidenschaft im dienst der moderne. die geschichte der galerie nierendorf (2003). Rainer Beck hat mit wichtigen Beiträgen zu Dix im Nationalsozialismus politische Rahmenbedingungen und Einflüsse auf den Maler und sein Werk beleuchtet. Darin wird der Aspekt der sogenannten »Inneren Emigration« besonders akzentuiert. Zuvor hatte bereits Löffler die Landschaften als Ausdrucksmittel einer »Inneren Emigration« beschrieben. Dieser stittige Begriff wird folglich wiederkehrend mit Otto Dix in Zusammenhang gebracht. Insbesondere Michael Kicherer (1984) wie auch Beck (2006, 2011) kontextualisieren Otto Dix’ Malerei in der Abgeschiedenheit mit diesem Schlagwort und sehen darin eine Zusammenfassung topografischer



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Gegebenheiten. Die Beiträge von Kicherer nehmen den Begriff der »Inneren Emigration« selbstverständlich auf und lassen Dix jedoch in einem polaren Bild des in die Provinz Geflüchteten erscheinen. Der Autor folgert jedoch, dass Dix letztlich mit seiner Malerei als Utopie scheiterte.27 Diese Argumentation findet in der vorliegenden Arbeit jedoch keinen Widerhall. Vielmehr bildet die Rekonstruktion eine von Ambivalenzen geprägte Entwicklung zwischen Verfemung und Anerkennung ab, in der die kritische Komponente von Dix’ Gemälden wie aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) von 1940 seine Stellungnahme im Rahmen der politischen Gegebenheiten widerspiegelt (Taf. 3). Die im vorliegenden Band getroffene Gemäldeauswahl basiert auf der politisch-ikonografischen Implikation, die anhand ausgewählter Begriffs- und Bild­ beispiele Erläuterung findet. Werkstudien finden lediglich dann Erwähnung, wenn sie Aufschluss über kompositorische Varianten, kunsthistorische Verweise und konkrete Notationen geben, die relevant für den hier im Fokus stehenden Erkenntnisprozess sind. Die ikonografische Untersuchung der Landschaftsdarstellungen findet auf einer vergleichenden kunsthistorischen und kulturgeschichtlichen Ebene statt. So sind neben Dix’ Rezeption der historischen Landschaftsmalerei dezidierte Symboliken in seinen Landschaften erkennbar. Hierzu zählen neben motivischen, wenigen figurativen Elementen auch kompositorische und farbspezifische Besonderheiten, die eine rezeptionsästhetische Metaebene beschreiben. Dennoch haben die hier angestellten ikonografischen Analysen grundlegende Aspekte zur Infrage­stellung der vielfach auf Dix angewandten Termini »Inneres Exil« respektive »Innere Emigration« beigetragen.28 Birgit Schwarz konstatiert: »Die Natur, die den Wächtern nationalsozialistischer Kunstpolitik unverdächtig war, bedeutete für Dix künstlerische Emigration.«29 Konkret aufgeworfene Bezüge zu Heimat- und regionalistischer Malerei synthetisiert sie mit Werkbezügen auf die Malerei Alter Meister aus dem nordalpinen Raum. Hierdurch wird insofern ein diskursives Themenspektrum abgebildet, als die damit in Verbindung zu bringenden nationalistischen Entwicklungen eine erweiterte Perspektive auf Dix’ Malerei eröffnet. Bestehende, einerseits auf eine altdeutsche Malerei und andererseits Aspekte der Heimat als das Volkstümliche aufgreifende Forschungsansätze werden somit lanciert.30 Da Dix mit den Altmeister-Bezügen eine neue Moderne antizipiert, wird hier einerseits eine Vergleichbarkeit mit dem nationalsozialistischen Postulat »deutscher« Kunst untersucht. Andererseits ist der fortbestehende Realismus als kritischer Impetus der Weimarer Jahre in renoviertem motivischem Gewand Teil der Analyse. Die Kontextualisierung des Begriffs »Innere Emigration« im Verhältnis von Werkgenese und zeitlicher Bezugnahme erfolgt subsumierend im Schluss-Kapitel »Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer ›deutschen‹ Maltradition«. Hier

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wird abschließend die Frage nach Dix’ Motivation und Funktion insbesondere zur Landschaftsmalerei aufgeworfen. Anhand von Zeichnungen und Gemälden sind Otto Dix’ Landschaften etwa seit 1983 als Werkreferenzen in Ausstellungen gegenwärtig.31 Besonders in jüngerer Zeit wurden viele Landschaftsgemälde in Ausstellungen wie otto dix retrospektiv. zum 120. geburtstag (2011), otto dix in chemnitz (2011), das auge der welt. otto dix und die neue sachlichkeit (2012/2013) oder wie zuletzt sehr prägnant im Zuge der Ausstellung otto dix – isenheimer altar im Musee d’Unterlinden in Colmar (2016–2017) gezeigt. Zudem spiegelt sich das Interesse an Dix’ Landschaftsdarstellungen auch auf dem Kunstmarkt wider. In Anlehnung an Martin Warnkes Forschung zur »politischen Landschaft« werden in der vorliegenden Arbeit tradierte, durch politische Vorgaben geprägte Sichtweisen auf die Landschaft überprüft. Aspekte wie etwa die Heimat-Malerei, Dix’ Darstellung von Bergen und damit regionalen Wahrzeichen oder die Betrachtung der Bodenseeregion als Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz zählen zu politisch lesbaren Bildelementen. In den Analysen ausgewählter Gemäldebeispiele werden diese herausgestellt und sichtbar. Ferner wird Dix’ Bezugnahme auf künstlerische Vorbilder unterschiedlicher Epochen als konservative Ausdrucksweise untersucht und einerseits in den politischen Zusammenhang der nationalsozialistischen Konstruktion einer »deutschen« Kunstgeschichte gestellt. Andererseits spielt der Impetus der verborgenen, zeitkritischen Stellungnahme des Malers im Medium der Malerei zwischen 1933 und 1945 eine zentrale Rolle.32 Ein besonderer Wert liegt daher auf Traditionsbezügen im Kontext immanenter politischer Lesarten, die etwa in Momenten des kompositorischen Kippens sowie motivischer und bildatmosphärischer Ambiguitäten bestehen. Insofern ist die politische Ikonografie eine wichtige bildwissenschaftliche Methode zur Analyse von Bildelementen und Motiven wie Bäumen oder Unwetterszenarien. Die Publikation landscape and power (1994) von W. J. T. Mitchell beschreibt darüber hinaus den methodischen Ansatz in Bezug auf Dix’ Landschaftsdarstellungen.33 Die Analyse der Gemälde wird folglich unter verschiedenen Gesichtspunkten durchgeführt. Hierbei steht die Untersuchung der Gemälde – die in allen Fällen eine genaue Betrachtung des jeweiligen Originals voraussetzt – und ihre ikonografische Analyse sowie die Position des »wahrnehmenden Subjekts« und damit des Malers wie auch der Rezipierenden im Fokus.34 Der Begriff der Ambiguität beschreibt in diesem Zusammenhang einen ebenso zentralen Aspekt wie jener der Menschenlosigkeit und weiterer ikonografischer Auffälligkeiten. Der erweiterte Landschaftsfokus der vorliegenden Arbeit erschloss sich aus dem Gegenstand der 2013 am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg abgeschlossenen Master-Thesis rückzug in die landschaft – otto dix

Forschungsansatz zur Landschaft _ 21



in der »inneren emigration«. Diese hatte die inhaltliche Relevanz zu Otto Dix im Nationalsozialismus sowie die Notwendigkeit zur Analyse von Dix’ Porträtarbeiten und christlichen Darstellungen in dieser Zeit untermauert. Das Forschungvorhaben war zudem Teil der Tagung neue forschung zu otto dix (2014) an der Universität Potsdam und mündete in einen Beitrag im Rahmen der internationalen Fachtagung samt Publikation »die kammer schreibt schon wieder!« das reglement für den handel mit moderner kunst im national­sozialismus am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg (2015/2016). Mit dem Fokus auf die »ambige Landschaft« im Werk von Otto Dix zählte es zum Programm des Internationalen Warburg-Kollegs memorial landscapes. world images east and west (Taipeh und Hamburg 2016, 2017). Auch im Rahmen von Vorträgen wie alternative exile – otto dix’ landscape paintings (1933–1945) am Getty Research Institute (Los Angeles 2016), Symposien wie der lucas Graduate Conference zum Thema landscape: interpretations, relations, and representations (Leiden 2017) oder des Studientags zu Otto Dix am Musée Unterlinden (Colmar 2016) wurde das Vorhaben in internationalen Fachplenen vorgestellt. Nicht zuletzt mit dem Vortrags- und Publikationsbeitrag zur Jahrestagung der Isa Lohmann-Siems Stiftung inbetween (Hamburg 2019) wurde dem Maler Otto Dix und seinem Werk aus der Zeit des Nationalsozialismus somit eine breite fach- und themenspezifische Aufmerksamkeit zuteil.35

forschungsansatz zur landschaft Die in den Werk- und Analysekapiteln zugrunde liegende Methodik basiert auf mehrschichtigen Strängen der kunsthistorischen Herangehensweise: Zunächst bildet die vergleichende Analyse etwa nach Warburg und Panofsky den Ausgangspunkt, um Dix’ malerisches Werk ikonografisch fassen sowie kunsthistorisch und zeitspezifisch einordnen zu können. Warnkes Forschung zur »politischen Landschaft« bildet die Fortführung im Sinne einer Projektionsebene, die Dix’ Landschaften immanent ist. Dieser Ansatz ist insofern grundlegend, als in Warnkes Band politische landschaft. zur kunstgeschichte der natur Landschaftselemente als politische Symbolik definiert sind, so etwa die Sonne, »der Regenbogen, die Eiche und viele andere Bäume, die Sonnenblume, aber auch Ruinen, Flüsse, Wälder, landwirtschaftliche Tätigkeiten […]«.36 Ihm zufolge stellt die Landschaft eine Fülle von Projektionsmöglichkeiten bereit, »die dann in Anspruch genommen werden, wenn etwas Außergewöhnliches einen Ausdruck, eine Bestätigung oder eine Entlastung sucht«.37 Hierbei wird auf signifikante »Naturereignisse, Erdbeben, Überschwemmung oder Plagen, [die] als politische Zeichen gedeutet worden [sind],«

22 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

rekurriert.38 Zwar sind nicht alle Landschafts- und Naturereignisse nach Warnke zwingend auf den reziproken Zusammenhang mit politischen Ereignissen zurückzuführen, allerdings »können wir unseren Blick gerade auch für die gemalten natürlichen Dinge der Natur beleben, wenn wir wissen, daß es […] solche Konnotationsmöglichkeiten gab. […] Seine Naturbestimmung [die des Bildes] muß nicht in der politischen Zustimmung aufgehen, doch wird sie auch nicht flacher oder hinfällig durch solches Wissen, sondern vielschichtiger, da in die Naturerfahrung menschliche Erfahrung eingegangen ist«.39 Diesem Interesse folgend besteht ein Desiderat darin, das landschaftliche Werk von Otto Dix im zeitpolitischen Zusammenhang zu fassen und kunstgeschichtlich zu untersuchen. Im Zusammenhang mit diesem Forschungsfeld sei ferner auf das handbuch der politischen ikonographie als wichtige Ressource zum Einstieg in die Ikonografie jeweiliger Symbole und Elemente verwiesen.40 Sowohl die semantisch aufgeladenen Landschaftselemente als auch die zuletzt angeführten äußeren Einflussfaktoren sind für das Werk von Otto Dix relevant, da der Maler politischikonografische Natur- und Landschaftsmotive wiederholt in seine Landschafts­ darstellungen einband. Inwieweit Landschaft als Austauschmedium wirkt und zirkuliert, als Aspekte der visuellen Aneignung oder als Fokus zur Herausbildung von Identität fungier(t) e, ist Gegenstand der Forschung W. J. T. Mitchells. Dieser methodische Schwerpunkt geht aus der Publikation landscape and power von 1994 hervor.41 Mitchell stellte mit seinen neun »theses on landscape« genrespezifische Aspekte heraus, deren inhaltliche Ausrichtung für die vorliegende Arbeit insofern von Interesse ist, als die Landschaft in ihrer Funktionalität als Medium im soziokulturellen Zusammenhang relevant ist. Auf diese Weise wird die hier angewandte methodische Herangehensweise der reziproken Betrachtung von Œuvre und sozio- respektive kulturpolitischer Entwicklung bestätigt: 1. »Landscape is not a genre of art but a medium. 2. Landscape is a medium of exchange between the human and the natural, the self and the other. As such, it is like money: good for nothing in itself, but expressive of a potentially limitless reserve of value. 3. Like money, landscape is a social hieroglyph that conceals the actual basis of its value. It does so by naturalizing its conventions and conventionalizing ist nature. 4. Landscape is a natural scene mediated by culture. It is both a represented and presented space, both a signifier and a signified, both frame and what frame contains, both real place and its simulacrum, both a package and the commodity inside the package.



Forschungsansatz zur Landschaft _ 23

5. Landscape is a medium in all cultures. 6. Landscape is a particular historical formation associated with European Imperialism. 7. Theses 5 and 6 do not contradict one another. 8. Landscape is an exhausted medium, no longer viable as a mode of artistic expression. Like life, landscape is boring; we must not say so. 9. The landscape referred to in Thesis 8 is the same as that of Thesis 6.«42 Damit werden drei wichtige »facts« über die Landschaft hervorgehoben: (1) dass sie in ihrer »reinen« Form ein westeuropäisches und modernes Phänomen ist; (2) dass sie im 17. Jahrhundert entsteht und ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreicht; (3) dass sie ursprünglich und zentral als ein Genre der Malerei konstituiert ist, das mit einer neuen Sichtweise assoziiert wird.43 Gegenüber Kenneth Clark (1962) greift Mitchell weiter, da er die Landschaft als kulturelle Praxis beleuchtet und in politische sowie historische Zusammenhänge bettet.44 Dieser Ansatz ist für die vorliegende Arbeit zentral und wird mit Ausrichtung auf Dix’ landschaftliches Œuvre unter dem Aspekt der Verwebung von Kunst und Politik eingeordnet. »[W]e think of landscape, not as an object to be seen or a text to be read, but as a process by which social and subjective identities are formed.«45 Hiervon ausgehend werden zwei grundlegende Stränge zur kunst­historischen Landschaftsforschung – die »kontemplative« sowie die »interpretative« – im 20. Jahrhundert definiert. Anhand dieser Dichotomie geht Mitchell über Warnkes Modell hinaus. Es geht nicht mehr darum, was Landschaft »ist« oder »bedeutet«, sondern was Landschaft als kulturelle Praxis bewirkt.46 In diesem Zusammenhang ist auch die Verbindung von Dix’ Landschaften mit ihren Entstehungsbedingungen aufzuzeigen.47 Diese in ihrem soziohistorischen und -kritischen Ausmaß zu begreifen, nimmt Bezug auf beide von Mitchell benannte Aspekte, da eine Reziprozität zwischen der Geschichte der Landschaftsmalerei in Dix’ Darstellungen und seinen charakteristischen Gestaltungsweisen gegenwärtig ist. Diese manifestiert sich an konkreten kunsthistorischen Vergleichen, die einen direkten formalästhetischen und sozio-politischen Rekurs darstellen. Sie können zugleich unter ikonografischen und hermeneutischen Vorzeichen gelesen werden und implizieren damit eine spezifische Ikonologie mit sozio-politischer Tragweite im Medium der Landschaft. Dix nutzte die Hinterfragung der deutschen Geschichte vor der Folie einer vermeintlich deutschen Maltradition – so die These –, um sich des eigenen künstlerischen Standpunktes in der Zeit des Nationalsozialismus zu versichern. Damit ist dem Medium Landschaft in Dix’ Œuvre eine dezidiert reflexive und selbstreferentielle Dimension zuzuschreiben. Durch Mitchells Verbindung von Landschaft als historischer »Erfindung« eines neuen Bildmediums mit dem Imperialismus wird ein diskursives Feld in Bezug

24 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

auf die vorliegende Thematik um Otto Dix und den Nationalsozialismus eröffnet.48 Dementsprechend nehme ich eine Modifikation des Begriffspaares Landschaft und Imperialismus zu Landschaft, Nationalismus und nationalsozialistische Ideologie vor, die anhand der altmeisterlichen Vergleichsbeispiele im Sinne der Konstruktion einer »deutschen Tradition« während des Nationalsozialismus erweitert wird. Auch hier wird methodisch an Mitchell angeknüpft, indem »[d]ie Landschaft als kulturelles Medium eine Doppelrolle in Bezug auf etwas wie Ideologie [hat]: Sie naturalisiert eine soziale Konstruktion, [repräsentiert] eine künstlerische Welt […], als sei sie einfach gegeben und unvermeidlich, und sie macht diese Repräsentation auch funktionsfähig, indem sie ihren Betrachter in einer mehr oder weniger determinierten Beziehung/Relation ihrer Gesinnung als Sicht und Ort einbindet«.49 Wenn Mitchell konstatiert, dass die »reflektierende« und imaginäre Projektion von Stimmungen in die Landschaft als das »Traumwerk der Ideologie« zu lesen ist, kann dies in besonderem Maße auf die deutsche Romantikrezeption im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts übertragen werden.50 Dass der »Aufstieg und die Entwicklung« der als »westlich« charakterisierten Landschaft als Symptom des erstarkenden Kapitalismus gelesen wird und die »Harmonie«, die in der Landschaft gesucht wird, als Kompensation und Abschirmung des tatsächlichen Lebens verstanden wird, bildet sich ebenfalls an den regionalistischen Tendenzen und damit an dem in den Fokus rückenden Nationalismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland ab.51 Die wiederentdeckte deutsche Romantik als ein Hauptpfeiler der deutschen Landschaftsmalerei, deren Rezeption insbesondere kurz nach 1900 bedeutend wurde, ist insofern eine originäre und in der Folge für nationalistische Zwecke instrumentalisierte Gattung, als die Gestaltungsart und Darstellungsweise (und damit formalästhetische und ikonografische Ansatzpunkte) eine zentrale Rolle spielen. Dies wird etwa am Beispiel der von Julius Meier-Graefe (1867–1935) konzipierten und unter dem Direktor der Berliner Nationalgalerie, Hugo von Tschudi (1851–1911), umgesetzten sogenannten jahrhundert-ausstellung (1906) deutlich.52 Exemplarisch sei hier auf Elemente wie die »schöne Stimmung« oder den Aspekt des Sakralen in Caspar David Friedrichs (1774–1840) Darstellungen hingewiesen, die etwa in Justis Epilog zu kaspar david friedrich (1921) als »Andacht vor der Größe und Gewalt der Natur, die Ehrfurcht vor dem Geheimnis« beschrieben werden. Im weiteren Verlauf wird im Hinblick auf die Landschaftsmalerei patriotisch formuliert: »All der unerschöpfliche und doch klare, seltsame und doch unmittelbare Lebensreichtum dieses Bildes ist den Kunstfreunden anderer Völker nicht zugänglich […].«53



Forschungsansatz zur Landschaft _ 25

Julius Langbehns »völkische« Publikation rembrandt als erzieher erschien erstmals 1895 und wurde im Sinne einer nationalistischen Kunstgeschichts­ schreibung stark rezipiert. Dies zeigt die Popularität »völkischen« Gedankenguts auf. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Landschaftsmalerei der Romantik tatsächlich ein auf die nationalen Grenzen beschränktes künstlerisches Phänomen abbildet oder ob sie durch Zuschreibungen und die politische Instrumentalisierung erst zu einem »deutschen Produkt« wurde. Als Motivation sind territoriale und damit militärpolitische Interessen, die Stärkung einer nationalen Identität wie auch ideologische Manifestation exemplarisch zu nennen. Sowohl im Zusammenhang mit der Zeit des Ersten Weltkriegs, der erstarkenden »völkischen« Ideologie während der Weimarer Zeit wie auch im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus erscheint dies signifikant. Ein Zitat von Otto Dix referiert auf das »Erleben der Malerei« und besagt: »[N]icht die Gegenstände, sondern die persönliche Aussage des Künstlers über die Gegenstände ist wichtig im Bild. Also nicht das Was, sondern das Wie.«54 Über diese auf die bildliche Darstellung hin getroffene Aussage hinaus spielt folglich die Frage nach der Rezeption die zweite entscheidende Rolle, um eine Einordnung der politischen Implikation und Relevanz mit nationalistischer Tendenz treffen zu können. So bildet die Rolle der Rezipierenden und somit der Rezeptionsästhetik nach Wolfgang Kemp einen fruchtbaren Ansatz ab.55 Insofern Landschaftsdarstellungen während des Nationalsozialismus in Deutschland als heroisierende Darstellungen begriffen wurden, um die Propaganda der »Blut-und-Boden«-Ideologie zu forcieren, bildet Dix mittels subversiven, Fragilität und Morbidität verkörpernden Darstellungen Gegenpositionen hierzu ab. Dabei legen formalästhetische Elemente wie die Komposition, Farbschemata, sein Motivrepertoire und die Bildatmosphären ein gegensätzliches Landschaftsverständnis zu einer »völkischen« Deutung nahe.

26 _ Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus

1

Die Technik nach Alten Meistern entwickelte Dix 1924/1925; vgl. hierzu unter anderem Dietrich Schubert: Otto Dix mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg 2019, S. 83.

2

Der Kunstsammler und Düsseldorfer Kunsthändler (Graphisches Kabinett von den Bergh und Co.) Hans Koch war Martha Dix’ erster Ehemann. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Koch hatte Familie Dix 1933 nach Randegg auf das Schloss eingeladen, um dort zu wohnen. Vgl. Birgit Schwarz: Werke von Otto Dix, Karlsruhe 1986, S. 14; Fritz Löffler: Otto Dix. Leben und Werk, Dresden 1977, S. 101; Fritz Löffler, Otto Dix 1891–1969. Œuvre der Gemälde, Recklinghausen 1981, S. 47 u. S. 103.

3

Das Haus ist heute als Dependance des Kunst­ museums Stuttgart als »Museum Haus Dix« zu besichtigen; vgl. Ulrike Groos u. Sven Beckstette (Hrsg.): Museum Haus Dix. Das Wohnhaus einer Künstlerfamilie, Stuttgart 2014 (Schriftenreihe Museum Haus Dix, Bd. 1); Das Auge der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit (hrsg. v. Kunstmuseum Stuttgart in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Mittlere u. Neuere Kunstgeschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart), Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Stuttgart, Ostfildern 2012, S. 223.

4

Vgl. Birgit Schwarz u. Michael Viktor Schwarz: Dix und Beckmann. Stil als Option und Schicksal, Mainz 1996, S. 73.

5

In allen Schaffensphasen zählen landschaftliche Elemente zum Motivrepertoire des Malers. So sind die Landschaften im Frühwerk bis 1914 impressionistisch geprägt, wie das Gemälde Lennéstraße in Dresden (1911, L 1911/05) zeigt. Zwar sind diese Malereien, die primär der Ausbildungszeit zugehörig und somit als künstlerische Orientierungsphase zu kategorisieren sind, nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit, ihre Existenz weist aber darauf hin, dass das Genre bereits in der frühesten Werkphase relevant war.

9

Vgl. Martin Warnke: Politische Landschaft. Zur Kunstgeschichte der Natur, München u. Wien 1992.

10 Im Kapitel »Das Schlachtfeld als politische Landschaft. Flandern (1934–1936)« wird der Begriff der »Kriegslandschaft« auf Dix’ Kriegsdarstellungen der 1920er und 1930er Jahre übertragen. Weiter kennzeichnen lediglich marginale Landschaftsverweise diese Schaffensphase im Sinne von Hintergrundlandschaften und vereinzelter motivischer Naturverweise. Zu den tatsächlich ausgeführten Gemälden zählen lediglich die vier Malereien Landschaft mit weidendem Vieh von 1919 (L 1919/17), Der Schützengraben von 1923 (L 1923/2), Tiere in Phantasielandschaft von 1923 (L 1923/13) und das Triptychon Der Krieg von 1932 (L 1932/2). 11 Der Begriff antiklassisch beschreibt Dix’ formalästhetisch-kompositorische Zitation künstlerischer Vorbilder unterschiedlicher Epochen, denen sich Dix stilistisch und kompositorisch sowohl annäherte als auch durch kippende Perspektiven oder übersteigerte Farbwerte von ihnen abgrenzte. 12 Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band. 13 Vgl. Löffler 1981. Ein besonderer Dank gilt an diese Stelle Rainer Pfefferkorn, Präsident der Otto Dix Stiftung, für die Einsicht in das aktuell entstehende aktualisierte Werkverzeichnis. 14 Vgl. gri N6490.A714 Photo Collection 20th Century / Arntz, Wilhelm Box 141. 15 Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band; Aktualisiertes Werkverzeichnis der Gemälde, Otto Dix Stiftung, Vaduz, nach Löffler 1981, Einblick im April 2017.

6

Die Kontextualisierung des Terminus »Innere Emigration« in Bezug auf Otto Dix und sein Werk erfolgt im Kapitel »Im Zeichen des zeitgenössischen Kunstgeschmacks? Otto Dix Selbstvergewisserung einer ›deutschen‹ Maltradition«.

16 Vgl. Werner Haftmann: Verfemte Kunst. Bildende Künstler der inneren und äußeren Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus, Köln 1986; Hortensia Völckers u. Kirsten Haß, Grußwort der Kulturstiftung des Bundes, in: Die Liste der »Gottbegnadeten« Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik (hrsg. v. Raphael Gross), Ausstellungskatalog, Deutsches Historisches Museum, Berlin 2021, S. 12.

7

Interview der Autorin mit Jan Dix und Andrea Dix in Öhningen am 8. August 2016.

17 Vgl. gri N6490.A714 Photo Collection 20th Century / Arntz, Wilhelm Box 141; Löffler 1981.

8

Vgl. Matthias Eberle: Individuum und Landschaft. Zur Entstehung und Entwicklung der Landschaftsmalerei, Gießen 1984 (Kunstwissenschaftliche Untersuchungen des Ulmer Vereins, Verband der Kunstund Kulturwissenschaften, Bd. 8), S. 7.

18 Vgl. das Kapitel »Regionale Wahrzeichen als politische Ikonografie im Gemälde Hohentwiel mit Hohenkrähen (1933)« im vorliegenden Band. 19 Zu der Annahme, Dix habe 1934 erste Landschaftsgemälde angefertigt, vgl. Felix Graf: Otto Dix im

Anmerkungen _ 27

Kunstsalon Wolfsberg, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 70-4/2013, S. 259–266, 259. 20 Vgl. Olaf Peters: Neue Sachlichkeit und Nationalsozialismus. Affirmation und Kritik 1931–1947, Berlin 1998, S. 138. 21 Vgl. Marlies Schmidt: Die »Große Deutsche Kunstausstellung 1937 im Haus der Deutschen Kunst zu München«. Rekonstruktion und Analyse, Phil. Diss., Universität Halle, Philosophische Fakultät I, Halle/ Saale 2010, S. 937 ff. 22 Vgl. https://www.kulturgutverluste.de/Webs/de/ Stiftung/Grundlagen/Washingtoner-Prinzipien/Index. html (Aufruf: 20. März 2019). 23 Vgl. das Beschlagnahmeinventar zur Aktion »Entartete Kunst«: »Entartete« Kunst: digital reproduction of a typescript inventory prepared by the Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, ca. 1941/42, Vol. 2/2, (V&A nal msl/1996/7) Victoria and Albert Museum, London 2014, http:// www.vam.ac.uk/entartetekunst; Datenbank und Recherchetool zur Grossen Deutschen Kunstausstellung 1937–1944: http://www.gdk-research.de; Datenbank und Recherchetool »Entartete Kunst«: https:// www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/projekte/ entartete_kunst/dossier/index.html; Datenbank und Recherchetool German Sales Catalogs (1933–1945), Getty Research Institute: https://www.getty.edu/ research/tools/provenance/german_sales.html. 24 Dietrich Schubert unterscheidet »zwischen kritischem Verismus (Realismus) und unkritischer Sachlichkeit (›Neuer Sachlichkeit‹), [die an der] Auswahl der Themen und der Formgebung festzumachen« sind. Siehe: Schubert 2019, S. 81. 25 Zudem nahm Dix das Thema der Fastnacht in sein Motivrepertoire auf, das im vorliegenden Band nicht näher untersucht wird.

S. 169 ff; Michael Kicherer: Otto Dix. Landschaften 1933 bis 1969, in: Siegfried Tann u. Bernd Wiedmann (Hrsg.): Otto Dix. Der See – die Kunst – die Landschaft, Friedrichshafen 2000 (Reihe Kunst am See, Bd.  13), S. 76–106; zum Begriff der »Inneren Emigration« ibid., S. 76. 29 Vgl. Werke von Otto Dix (hrsg. v. Birgit Schwarz), Ausstellungskatalog, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1986 (Bildhefte der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Bd. 11), S. 15. 30 Zu Dix’ Rezeption Alter Meister und dem Aspekt der Volkstümlichkeit siehe unter anderem: Otto Dix – Isenheimer Altar (hrsg. v. Frédérique GoerigHergott), Ausstellungskatalog, Musée d’Unterlinden, Colmar 2016; Otto Dix et les maîtres anciens, Ausstellungskatalog, Musée d’Unterlinden, Colmar 1996; Madeleine Schuppli: iii Landschaftliche Positionen 1933–1945, in: Otto Dix. Landschaften 1933–1945 (hrsg. v. Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen u. Otto Dix Stiftung, Vaduz), Ausstellungskatalog, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, 1995, S. 11; James A. van Dyke: Otto Dix’ Volkstümlichkeit, in: Stuttgart 2012, S. 84–97. 31 Vgl. ibid., S. 62. 32 Vgl. Warnke 1992, S. 10. 33 Vgl. ibid.; William John Thomas Mitchell (Hrsg.): Landscape and Power, Chicago u. London 1994. 34 Dario Gamboni stellt die Relevanz des wahr­ nehmenden Subjekts, der Arbeit am Original sowie die umfassende Werkinterpretation als obligatorisch für die wissenschaftlich fundierte Methodik zur Erforschung ambiger Kunstwerke heraus. Vgl. Dario Gamboni: Ambiguität in der Kunst: Bildtheorie und Interpretationsverfahren, in: Verena Krieger u. Rachel Mader (Hrsg.): Ambiguität in der Kunst. Typen und Funktionen eines ästhetischen Paradigmas, Weimar u. Wien 2010 (Kunst. Geschichte. Gegenwart, Bd. 1), S. 209–224, S. 220–221.

26 Fritz Löffler: Otto Dix. Bilder zur Bibel, Berlin 1968. 27 Vgl. Michael Kicherer: Landschaften der ›Inneren Emigration‹. Landschaftsbilder von 1933 bis 1945, in: Bernd Wiedmann (Hrsg.): Otto Dix. Landschaften, Friedrichshafen 1984 (Reihe Kunst am See, Bd. 13), S. 64. 28 Vgl. Rainer Beck: »Flucht ist immer falsch« – Otto Dix im Dritten Reich, in: Moshe Zuckermann (Hrsg.): Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte xxxiv . Geschichte und bildende Kunst, Göttingen 2006, S. 149–178; zum Begriff ›Inneres Exil‹ ibid., S. 163 ff; Eva Karcher: Otto Dix, 1891– 1969, »entweder ich werde berühmt – oder berüchtigt«, Köln 2002,

35 Zu den Veröffentlichungen zählen: Ina Jessen: Alternative Exile. The Landscape Paintings of Otto Dix as Media of »Inner Emigration«, in: Uwe Fleckner, Yih-Fen Hua u. Shai-Shu Tzeng (Hrsg.): Memorial Landscapes. World Images East and West, Berlin u. Boston 2020 (Mnemosyne, Schriften des WarburgKollegs, Nr. 7), S. 127–147; Ina Jessen: Kritische Emigration. Otto Dix’ ambigue Malerei in der politischen Landschaft 1933−1945, in: Isabella Augart, Sophia Kunze u. Theresa Stumpf (Hrsg.): Im Dazwischen. Formen und Deutungen des Dazwischen im Raum, Berlin 2020, S. 57–80; Ina Jessen: Otto Dix und die politische Landschaft (1933–1945), in: Egger-Lienz und Otto Dix. Bilderwelten zwischen

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den Kriegen (hrsg. v. Wolfgang Meighörner), Ausstellungskatalog, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, München 2019, S. 97–107; Ina Jessen: Kann ein Motiv gefährlich sein? Zur Großstadt- und Landschaftsmotivik im Werk von Otto Dix, in: HannsWerner Heister u. Hanjo Polk (Hrsg.): Bewegtes und Bewegendes. Der Motiv-Begriff in Künsten und Wissenschaften, Berlin 2017 (Musik/Gesellschaft/ Geschichte, Bd. 7), S. 333–341; Ina Jessen: »Ein typischer Vertreter der Verfallserscheinung« Otto Dix zwischen Anerkennung und Verfemung, in: Anja Tiedemann (Hrsg.): »Die Kammer schreibt schon wieder!« Das Reglement für den Handel mit moderner Kunst im Nationalsozialismus, Berlin 2016 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 10), S. 147–161.

48 Der von Mitchell aufgeworfene Imperialismus-Diskurs wird als ein komplexes System kultureller, politischer und wirtschaftlicher Expansion und Herrschaft und gleichzeitig als Prozess beschrieben, der auf konkreten Gewalt-, Enteignungs-, Kollaborations- und Nötigungsebenen sowie auf verschiedenen symbolischen oder gegenständlichen Ebenen stattfindet. Eine umfassende Erörterung im Kontext des vorliegenden Forschungsgegenstandes greift an dieser Stelle zu weit. Vgl. hierzu: ibid., S. 10. 49 Mitchell 1994, S. 5. 50 Vgl. ibid., S. 6; zur Romantikrezeption mit besonderem Fokus auf den 1910er Jahren und während des Ersten Weltkriegs vgl. Andreas Aubert: Caspar David Friedrich »Gott, Freiheit, Vaterland«, Berlin 1915.

36 Warnke 1992, S. 146. 37 Ibid., S. 116. 38 Ibid. 39 Ibid., S. 150. 40 Vgl. Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Band I und ii, München 2014. 41 Vgl. Mitchell 1994, S. 1. 42 Ibid., S. 5. 43 Zwar wird hier insbesondere auf das Beispiel der englischen Landschaft rekurriert, die angeführten »facts« sind jedoch in den europäischen Kontext gestellt und somit auch auf die Betrachtungen in Bezug auf Otto Dix und andere Landschaftsbezüge anwendbar. 44 Vgl. Kenneth Clark: Landschaft wird Kunst, Köln 1962. 45 Vgl. Mitchell 1994, S. 1. 46 Vgl. ibid., S. 1. 47 Vgl. ibid.

51 Vgl. Clark 1962, S. 8; vgl. Mitchell, Imperial Landscape, in: Mitchell 1994, S. 6. 52 Vgl. Kapitel »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit«; Françoise ForsterHahn: Die weiße Jahrhundertausstellung 1906 in Berlin. Ausstellungsinszenierung und Meier-Graefes Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, in: Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Hrsg.): Jahrbuch der Berliner Museen, Bd. 55, Berlin 2016, S. 109–128; Françoise Forster-Hahn: Deutsch, Modern und Jüdisch. Max Liebermanns Ausstellungen in Berlin und London 1906, in: Uwe Fleckner et al. (Hrsg): Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd. 11, Berlin u. Boston 2014, S. 65–83. 53 Ludwig Justi: Kaspar David Friedrich, Amtliche Veröffentlichungen der Nationalgalerie zu Berlin, 1921, S. 31–32. 54 Brief von Otto Dix an Theo Piana, 19.8.1947, in: Ulrike Lorenz (Hrsg.): Otto Dix. Briefe, Köln 2013, S. 875–876. 55 Vgl. Wolfgang Kemp (Hrsg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Berlin 1992.

Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche

kann ein bild-motiv gefährlich sein? Eine allgemeine Definition des Begriffs »Gefahr« ist als »Bedrohung der Sicherheit […]« gefasst.1 Vor dem Hintergrund der reziproken Verwebung von politischen und künstlerischen Entwicklungen bildet die Hinterfragung der von einem Motiv ausgehenden Gefahr respektive »Bedrohung der Sicherheit« signifikante Ansatzpunkte im kunsthistorischen Zusammenhang. Dann etwa, wenn kunstpolitische Entwicklungen in autoritären Regimen dringend auf einen kausalen Zusammenhang schließen lassen. In Bezug auf den Maler Otto Dix spielt die Frage nach der Relevanz und Wirkungskraft des Motivs eine zentrale Rolle, betrachtet man es in Relation zu historischen Entwicklungen. So spielen bei Dix’ Wirken im Zusammenhang mit kunstpolitischen Einflussfaktoren während der 1920er und 1930er Jahre gleichermaßen gesellschaftliche wie kunstpolitische Aspekte eine Rolle. Konkrete Werkbeispiele belegen, dass spezifische Darstellungsweisen und Motive im Fokus juristischer und kulturpolitischer Vorgänge und Entscheidungen standen. Diese bilden somit das inhaltliche Zentrum, um die eingangs eingeführte Problematik in unterschiedlichen Schaffensphasen zu kontextualisieren. Ziel ist

30 _ Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche

4  Otto Dix. mädchen vor dem spiegel 1921, Öl auf Leinwand, verschollen

hier demnach weniger die Ermittlung, ob ein Motiv gefährlich sein kann, sondern vielmehr die Frage danach, inwiefern. Anhand der Gemälde mädchen vor dem spiegel von 1921, der krieg von 1932 und der hohenstoffeln von randegg aus gesehen von 1934 stelle ich die These auf, dass ein Motiv nur im Wechselspiel zwischen Werk und Rezipierenden, und zwar seitens der Rezipierenden, als Gefahr erachtet werden kann (Abb. 4, Taf. 4, Abb. 5).2 Hierbei kann es eine von der künstlerischen Intention und Umsetzung ausgehende Provokation geben. Sie ist jedoch nicht obligatorisch. Die kognitive und narrative Erschließung eines Bildes nehmen die Betrachtenden vor. Tradierte kulturelle und politisch intendierte Faktoren prägen ihre Perspektive und haben somit Einfluss auf die subjektive Definition einer dem jeweiligen Motiv zugeschriebenen Gefahr. Das populäre und noch heute als charakteristisch wahrgenommene Œuvre von Dix resultiert aus den 1920er Jahren. Die Themen, die künstlerische Umsetzung und die wirkungsvolle Unmittelbarkeit dieser Schaffensphase sind eng an die Gesell-



Kann ein Bild-Motiv gefährlich sein? _ 31

5  Otto Dix. der hohenstoffeln von randegg aus gesehen 1934, Mischtechnik auf Hartfaserplatte, Objektdaten und Verbleib unbekannt

schaft der Weimarer Republik geknüpft, in der das Kaiserreich gesellschaftspolitisch nachhallte. Neben zunehmend bourgeoisen, konservativen wie auch erstarkenden nationalistischen Tendenzen prägten insbesondere soziale Nöte das Bild der Gesellschaft. Diese gingen einher mit steigenden Arbeitslosenzahlen – bedingt etwa durch die Weltwirtschaftskrise und die Folgen des Ersten Weltkriegs wie etwa eine physische und psychische Versehrtheit bei den Menschen. Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs prägten auch die Kunstlandschaft, wobei die zeitgenössische Kunst im Kontext von Aufbruch, der Loslösung von Konventionen und der Auflehnung gegen diese stand. In den künstlerischen Arbeiten zahlreicher Künstlerinnen und Künstler steht die Reflexion der soziopolitischen Faktoren anhand von sozialen Milieus der Großstadt im motivischen Fokus. Straßenszenen, heimgekehrte Soldaten und Kriegsveteranen, Bordellszenen, überzeichnete Porträts und Prostituierte in entsprechenden Etablissements prägten ebenso Dix’ Motivrepertoire wie die Themen des Lustmordes oder des Zirkus. Zugleich unterlagen Werke mit sozialkritischem Impetus – noch und schon – der staatlichen Zensur. Bereits in den ersten Jahren nach der Konstituierung der Republik gab es eine verstärkte Zensur künstlerischer Erzeugnisse unter Berufung auf den Unzüchtigkeitsparagrafen § 184 stgb. Hierzu zählt unter anderem Dix’ Gemälde mädchen vor dem spiegel. Dabei handelt es sich um die Darstellung einer Frau in Rückenansicht, die mit einem Korsett, einem im Schritt geöffneten Dessous sowie Strumpfhaltern bekleidet ist. Da sie vor einem Spiegel steht, eröffnet sich der Blick auf ihr Antlitz. Dies entspricht weniger der zu erwartenden erotisierenden Rückenansicht,

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da den Rezipierenden das Gesicht einer Frau erscheint, der nur wenige Zähne im Mund verblieben sind und deren Blick als hämisch zu charakterisieren ist. Ihre Brust ist freigelegt. Hieran wird deutlich, dass ihr Körper ausgezehrt ist und weniger dem heteronormativ geprägten Idealbild eines wohlproportionierten Körpers entspricht. Ihr Geschlecht wird nicht, wie am Gesäß angedeutet, partiell und spielerisch von leichten Textilien verhüllt, sondern ist im Spiegel deutlich durch die Scham­ behaarung erkennbar. Sie hält in der linken Hand einen Puderschwamm und in der rechten einen Lippenstift und ist im Begriff, ihre Unterlippe zu schminken. Ihr Gestus verweist auf das Ansinnen, das Make-up und damit ihre Maskerade aufzulegen. Dieses Motiv entspricht im Werkkontext dieser Zeit außerordentlich Dix’ Affinität, Bordellszenen und Prostituierte hinter den Kulissen zu porträtieren. Über den Effekt seiner Kunst war sich der Maler im Klaren und er erläuterte seinem Malerkollegen Kurt Günther (1893–1955) gegenüber: »Ich bin nicht mehr allzu scharf drauf, als Dresdner Spießerschreck aufzutreten. Meine Bilder existieren und werden wahrscheinlich bis auf weiteres das böse Gewissen aller Kunsthändler, Ästheten, Expressionisten und anderer alter Tanten und Gänse sein.«3 Gemäß dieser subjektiven Einschätzung stieß Dix bereits 1922 auf Widerstand, da sein Gemälde mädchen vor dem spiegel aus der juryfreien kunstschau in Berlin beschlagnahmt wurde. So musste er sich vor der 8. Strafkammer des Landgerichts Berlin I verantworten; ihm wurde zur Last gelegt:4 »Der Angeklagte Dix wird der Verbreitung unzüchtiger bildlicher Darstellungen durch die Ausstellung seines Gemäldes ›Mädchen am Spiegel‹ [beschuldigt], das im Herbst v. J. aus der juryfreien Ausstellung beschlagnahmt wurde.«5 Ausschlaggebend hierfür war nach Angaben der Berliner Volkszeitung vom 31. Oktober 1922 die beim Landgericht eingereichte Beschwerde eines »Steglitzer Oberlehrers«, der sich an der Freizügigkeit des künstlerischen Motivs gestört habe.6 Es folgte am 30. Oktober die Beschlagnahmung von Dix’ Gemälde sowie von Zeichnungen seiner Künstlerkollegen Erich Godal (1899–1969) und Georg G. Kobbe (1902–1934).7 In einer Stellungnahme der Ausstellungsleitung am darauffolgenden Tag wird der Protest gegen die staatlichen Zensur-Bestrebungen deutlich:



Kann ein Bild-Motiv gefährlich sein? _ 33

»Trotz aller Anerkennung bei Staat, Presse und weitester Öffentlichkeit wurde die freieste aller großen Kunstausstellungs-Organisationen schutzlos den Gewaltmaßnahmen der Strafbehörde ausgeliefert. In einer Zeit der größten Notlage deutscher Kunst ist erneut der Beweis rücksichtsloser Knebelung eines eigene Wege gehenden freien Kunstschaffens gegeben. Die ›Juryfreie Kunstschau Berlin 1922‹ erhebt Protest gegen ein solches Vorgehen. Sie richtet an das Ministerium das ergebene, dringende Ersuchen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Freiheit der Kunst wiederherzustellen und die Künstler vor Eingriffen in ihr Schaffen nachdrücklichst in Schutz zu nehmen.«8 Dieser Beschwerde wurde vom Amtsgericht Berlin-Mitte nicht stattgegeben, sondern die Einziehung durch den Berliner Polizeipräsidenten bestätigt – so der Bericht vom 23. Februar 1923: »Die beschlagnahmten Abbildungen sind durch die Art der gewählten, das grob sinnliche Moment ungebührlich betonenden Darstellungen, durch welche die ihnen etwa innewohnende künstlerische Idee völlig in den Hintergrund gedrängt wird, geeignet, das normale im Volke herrschende Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen.«9 Dank Gutachten bedeutender Personen aus dem Kunstbetrieb – darunter Karl Hofer (1878–1955), Karl Nierendorf (1889–1947) und Max Slevogt (1868–1932) – konnte jedoch im Oktober desselben Jahres ein Freispruch erwirkt und somit eine Geldbuße sowie die Zerstörung des Gemäldes verhindert werden. 10 Die Berücksichtigung von Expertisen hatte somit bewirkt, dass Dix’ weitere Ausübung der künstlerischen Tätigkeit legitimiert war. Als Urteil wurde am 26. Juni 1923 vor dem Landgericht I in Berlin »[f]ür Recht erkannt: Der Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Die Beschlagnahme des Bildes wird aufgehoben«.11 Anders als bei seinen zeitgleich angeklagten und zudem verurteilten Künstlerkollegen Georg Kobbe und Erich Godal kam es in der Sache gegen Dix also zu einem Freispruch.12 Am Motiv hatte sich dennoch die Problematik samt Begründungen dafür manifestiert, das angezeigte Werk aus der Schau zu entfernen und Anklage gegen den Maler zu erheben, da hiervon die Gefährdung im Sinne einer Verletzung des »Sittlichkeits- und Schamgefühls« ausgegangen sei. Mit der »Strafsache Dix« fand somit eine kulturpolitische Stellungnahme und Positionierung in der Öffentlichkeit statt, indem die Zensur als meinungsbildende Maßnahme seitens des Staates Einzug in die juryfreie kunstschau berlin 1922 und damit in eine liberale Ausstellungsinstitution erhalten hatte. Das Motiv des Gemäldes mädchen vor dem

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spiegel und die darin anklingende Obszönität und Herausforderung konservativen moralischen Empfindens implizieren also eine gesellschaftspolitische Konfliktebene, die aus dem verwendeten Motiv und dessen gestalterischer Umsetzung resultiert. Diese spiegelt sich auch in dem Sachverhalt, da eine bei dem Münchener Kunsthändler Hans Goltz (1873–1927) geplante Dix-Ausstellung 1922 aufgrund dieser Thematik abgesagt wurde.13 Der Berliner Galerist Israel Ber Neumann (1887–1961) und sein Kölner Geschäftspartner Karl Nierendorf (1898–1947) stellten Dix’ Arbeiten in Zusammenhang mit dem Prozess aus und verlegten darüber hinaus 1923 Paul Ferdinand Schmidts Monografie otto dix.14 Trotz der angeführten juristischen Verhandlungen wurden Dix’ Popularität – bipolar zwischen Anerkennung und Ablehnung – sowie seine Verkaufszahlen gesteigert und der Erfolg auf dem Kunstmarkt positiv beeinflusst. Dass der gesetzlich verankerte Umgang mit der bildenden Kunst seitens des Staates von der gestalterischen Umsetzung eines Motivs abhängen konnte, belegt der vorangehende Fall. Inwiefern die Kunstpolitik der 1920er Jahre als Vorlage und Wegbereiter für nachfolgende Zensurbestrebungen galt, zeigt sich im ideologisch begründeten, kunstpolitischen Umgang mit Dix’ Motiven während der nationalsozialistischen Diktatur.

das motiv als entlassungsgrund von der dresdner akademieprofessur Im Gegensatz zur noch abgewendeten Zensur durch das Landgericht Berlin 1923 folgte kurze Zeit nach Inkrafttreten der ns-Diktatur 1933 eine zunehmend rigorose wie repressive Kunst- und Kulturpolitik. Diese berief sich hinsichtlich der formalen Korrespondenz zur »Gleichschaltung« und Propaganda ebenso auf das Motiv, das »unsittliche« Inhalte transportieren könne und damit in der Lage sei, das moralische Empfinden eines Betrachters zu gefährden und negativ zu beeinflussen. Im Zuge des gesetzes zur wiederherstellung des berufsbeamtentums veranlasste der Direktor der Akademie der Künste Richard Müller (1874– 1954) am 6. April 1933, Otto Dix aus seinem dortigen Lehramt zu entlassen.15 Zur Begründung führte der Reichskommissar für Sachsen Manfred von Killinger (1886–1944) zwei zentrale Aspekte der »Gefährdung« an, die Dix’ Werken immanent seien. Mit der Äußerung »unter Ihren Bildern [befinden] sich solche, die das sittliche Gefühl aufs Schwerste verletzen und damit den sittlichen Wiederaufbau« wird ein konkreter Bezug auf die Argumentation des Jahres 1923 deutlich.16 Die Bilder und damit die gezeigten Motive sind nach Killingers Angaben und im Sinne des Sächsischen Ministeriums des Innern in der Lage, die Bevölkerung zu beein-



Das Motiv als Entlassungsgrund von der Dresdner Akademieprofessur _ 35

6  Otto Dix. schützengraben 1920–1923, im Krieg vernichtet

flussen und die politisch-ideologische Strategie des sogenannten »sittlichen Wiederaufbaus« zu »gefährden«.17 Dem Motiv wird im Zuge der Begründung sowie im Akt der Entlassung folglich eine immense Wirkungskraft und Macht zugesprochen. Dies wird untermauert, indem ein zweiter zentraler Interessenbereich der national­ sozialistischen Diktatur angeführt wird: »Sie [haben] solche Bilder gemalt, die geeignet sind, den Wehrwillen zu beeinträchtigen.«18 Killinger rekurriert auf Darstellungen in Gemälden wie schützengraben (1920–1923) oder im Triptychon der krieg, in denen Dix keine heroisierenden Kriegs-Ansichten abbildete, sondern im Gegensatz dazu realitätsnahe Darstellungen von Schlachtfeldern und seiner ­eigenen Kriegserfahrung zeigte (Abb. 6).19 In seinen präzisen Darstellungen prägen zerstörte Landschaften das Szenario und zeigen ebenso wie geschundene Soldatenleiber und andere Attribute die Gräuel des Krieges auf desillusionierte Weise. Mit der rechtskräftigen Entlassung aus dem Lehramt wurde Dix ein gewichtiger Teil der Existenzgrundlage entzogen und sein Kunstschaffen unmittelbar zensiert. Ferner konnte er seine künstlerischen Standpunkte – gestalterisch wie inhaltlich – und seine Profession nicht länger an die Studierenden weitergeben. Dix’ Motive

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standen, nach Killingers Auffassung, im Gegensatz zu den Interessen des »Deutschen Reiches«. Insofern, als eine Absage an Dix’ Lehrtätigkeit erfolgte und ebenfalls eine Absage an seine Kunstauffassung erteilt wurde, ist dieses Machtinstrument als Reaktion auf die vermeintlich vom Motiv ausgehende Gefahr zu erachten. Im selben Jahr folgte der Wegzug von Dix aus Dresden nach Randegg in die süddeutsche Abgeschiedenheit. Gleichzeitig fand im Werk des Malers ein elementarer Umbruch statt, dessen Auswirkungen anhand des Motivrepertoires erkennbar sind. Dix wandte sich vom offensiv-gesellschaftskritischen Großstadtmotiv ab und widmete sich im Spiegel der Geschehnisse einer besonderen Landschaftsmalerei. Das Gemälde der hohenstoffeln von randegg aus gesehen steht exemplarisch für einen Großteil des Œuvres zwischen 1933 und 1945. Es war 1935 Teil der Ausstellung zwei deutsche maler. otto dix und franz lenk in der Galerie Nierendorf in Berlin und zeigt hintereinander versetzt mehrere geschwungene Hügelketten mit vereinzeltem Baumbewuchs, hinter denen sich am Horizont ein kahler Berggipfel vor wolkenlosem Himmel erhebt. Menschen und andere Anzeichen von Zivilisation wie Siedlungen oder Häuser sind nicht oder kaum erkennbar. Einzig die klar abgegrenzten Felder sowie die Andeutung einiger Wege lassen auf eine Bewirtschaftung und darauf schließen, dass es sich nicht um eine Darstellung unberührter Natur handelt. Dix verzichtete also völlig auf eindeutig erkennbare Gesellschaftskritik, der Eindruck vollkommener Idylle wird jedoch durch die seltsame Menschenleere konterkariert. Es wäre annehmbar, dass die Kulturpolitik nach 1933 Dix’ neues Schaffen aufgrund der novellierten Motivik akzeptieren und anerkennen würde. Dies unterstreicht auch der 1935 in der Monats-Zeitschrift kunst für alle publizierte Beitrag otto dix. bilder aus dem hegau von Fritz Hellwag (1871–1950), in dem es zum Gemälde der hohenstoffeln von randegg aus gesehen heißt: »[S]tets ist ein erdhaftes Genießen deutlich spürbar, über das wir uns freuen, weil wir nachfühlen, daß einer unserer begabtesten Künstler […] auf neuem Boden festen Fuß gefaßt hat. Der Sturm ist überwunden und ein neuer Abschnitt hoffnungsvollen Schaffens angebrochen […].«20 Über das Lob der künstlerischen Leistung hinaus stellte Hellwag explizit die Begabung des Malers heraus. Das radikale Magazin der Reichsführung ss das schwarze korps rezensierte seinen Artikel jedoch gegensätzlich und konstatierte in Bezug auf das neue Motiv und die Entwicklung in Dix’ Œuvre:



Das Motiv als Entlassungsgrund von der Dresdner Akademieprofessur _ 37

»Otto Dix malt heute schöne Landschaften, mit Romantik verbrämt, weil er in dem neuen Staate sein altes Tun eben nicht einfach fortsetzen kann. […] Die libe­ralistischen Kunstkritiker sind gebeten, […] ihr sehr verdächtiges Vorhaben, den Maler Otto Dix zu rehabilitieren und ›gleichzuschalten‹, schleunigst aufzugeben!«21 Dix haftete die von ihm verwendete Motivik der Weimarer Republik weiterhin an und so führte seine gestalterische Umsetzung von Kriegsszenarien dazu, dass die neuen Landschaften nicht als authentische Entwicklung anerkannt wurden. Aufgrund seiner sozialkritischen Arbeiten der 1920er Jahre ist der Maler folglich im kulturellen und kunstpolitischen Gedächtnis geblieben. Die vermeintlich davon ausgehende Gefahr im Sinne einer »[Verletzung] sittlicher Gefühle« und »[Beeinträchtigung] des Wehrwillens« führte in den darauffolgenden Jahren dazu, dass Dix’ Darstellungen im kunstpolitischen Kontext als beispielhaft für die als »entartet« verfemte Kunst herangezogen wurden. Dies spiegelt sich etwa im Pamphlet von Wolfgang Willrich (1897–1948), in den Femeschauen ab 1933, in der beschlagnahmeaktion »entartete kunst« sowie in der großen (Wander-)Ausstellung entartete kunst (1937–1941).22 Das Motiv bewirkte bei den regimetreuen Rezipierenden, dass sie – im Hinblick auf den eingangs angeführten Terminus der Gefahr – die eigene Sicherheit im Sinne der Wahrung ideologischer und politischer Interessen bedroht sahen. Anderen­falls hätten Alternativen zu Dix’ Entlassung, zahlreichen Diskriminierungen und kunstpolitischen Aktionen bestanden. Bei der Frage, ob ein Motiv gefährlich sein kann, kommt es also auf seine Umsetzung und den Entstehungs- wie Rezeptions-Kontext an. Ein Thema ist in zahlreichen Darstellungsweisen denkbar. Die gestalterische Umsetzung sowie der gesellschaftliche, politische und zeitliche Zusammenhang bestimmen jedoch sein tatsächliches Wirkungsausmaß eines Motivgegenstands. In seiner zeitpolitischen Verankerung sowie im gesellschafts- und kulturpolitischen Umgang und in den Konfliktpotenzialen eines Darstellungsgegenstandes zeichnet sich folglich ein wechselseitiges Verhältnis ab. Der eingangs angeführte und am Beispiel von Dix’ Malerei erörterte Begriff der Gefahr ist für den vorliegenden Band insofern relevant, als sich an ihm sowohl die berufliche und damit auch die Lebensperspektive des Künstlers abzeichnet. Auch lagerten sich daran die politisch motivierten Gestaltungs- und Rezeptionsweisen seiner Arbeiten und deren Missbrauch zu Propagandazwecken an. Die Motiv­ entwicklung unterlag stets gesellschaftspolitischen Gegebenheiten. Dies ist anhand der veristischen Bilder der 1920er Jahre und der nach 1933 entstandenen Arbeiten erkennbar – je mit unterschiedlicher Disposition. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht folglich im Aufzeigen der jeweiligen zeitpolitischen Einflüsse und der werk-

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spezifischen Auswirkungen. Darauf aufbauend steht die Dekodierung der reflexiven, potenziell verhüllten kritischen Motive und deren politische Ikonografie im Untersuchungsfokus.23

Anmerkungen _ 39

1

Der folgende Sachverhalt erschien bereits in: Jessen 2017. Zum Gefahr-Begriff vgl. Brockhaus Enzyklopädie, hrsg. v. F. A. Brockhaus GmbH, Bd. 8, Leipzig u. Mannheim 2006, S. 311, s. v. »Gefahr«.

2

Vgl. Löffler 1981, Mädchen vor dem Spiegel von 1921 (L 1921/8), Der Krieg von 1932 (1932/2), Der Hohenstoffeln von Randegg aus gesehen von 1934 (1934/5).

3

Brief von Otto Dix an Kurt Günther [1920], Kunstsammlung Gera, Dix-Archiv, in: Lorenz 2013, S. 459.

4

Diesen Sachverhalt erläutert Peters in geringerem Umfang, vgl. Olav Peters: Otto Dix. Der unerschrockene Blick. Eine Biografie, Stuttgart 2013, S. 71.

5

Unbekannt: o. T., o. J., Zeitungsartikel, Periodikum unbekannt, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Deutsches Kunstarchiv (dka), Nachlass Otto Dix (nl Dix), I,B-7a.

6

Vgl. Unbekannt: Der sittliche Anstoß bei den »Juryfreien«, in: Berliner Volks-Zeitung, 494/1922, zit. nach: Wolfgang Hütt (Hrsg.): hintergrund . Mit den Unzüchtigkeits- und Gotteslästerungsparagraphen des Strafgesetzbuches gegen Kunst und Künstler 1900–1933, Berlin 1990, S. 202 f.

7

Vgl. Eingabe der Ausstellungsleitung der »Juryfreien Kunstschau Berlin 1922« und der »Vereinigung bildender Künstler e. V.«, abgezeichnet von den Vorstandsmitgliedern Friedrich Winkler, Danneberg, Gertrud Meinhold und Erich Benecke, vom 31. Oktober 1922 an den preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, zsta Merseburg, Rep. 76 V e Ministerium für Wissenschaft, Kunst u. Volksbildung, Sekt. 1 Abt. 1 Nr 36 Bd. 2, Bl. 187, zitiert nach: ibid., S. 203 f.

8

Ibid.

9

Bericht des Berliner Polizeipräsidenten (Abt. iii, Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften) vom 15. Februar 1923 (Berichterstatter Geheimer Regierungsrat Conrad) an den preußischen Minister des Innern, zsta Merseburg, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 2 772 Nr 10 Bd. 1, Bl. 297 ff., zitiert nach: ibid., S. 206 f.

10 Urteil in der Strafsache Dix (nach der im Merseburger Archiv vorhandenen Abschrift, zsta Merseburg, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 2 2772 Nr 10 Bd. 1, Bl.  309f, zitiert nach: ibid., S. 210 ff. Vorabdruck dieses Urteils mit Einverständnis des Herausgebers in: Diether Schmidt: Otto Dix im Selbstbildnis, Berlin 1978, S. 200.

11 Ibid. 12 Vgl. Unbekannt: Scherzo. Ein neuer Sittlichkeitsprozeß, in: Vorwärts, 330/1922, zitiert nach: Hütt 1990, S. 201; Bericht des Berliner Polizeipräsidenten (Abt. iii, Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften), 15. Februar 1923 (Berichterstatter Geheimer Regierungsrat Conrad) an den preußischen Minister des Innern, zsta Merseburg, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 2 772 Nr 10 Bd. 1, Bl. 297 ff., zitiert nach: ibid. 13 Olaf Peters: Otto Dix (1891–1969), in: Michael Fröhlich (Hrsg.): Die Weimarer Republik. Portrait einer Epoche in Biographien, Darmstadt 2002, S. 379. 14 Vgl. ibid. S. 379 f. Karl Nierendorf und Otto Dix lernten einander 1921/1922 kennen, als sich Dix in Düsseldorf eingeschrieben hatte, um »günstige Arbeitsmöglichkeiten zu besitzen«. Vgl. ibid., S. 380. Vgl. Paul Ferdinand Schmidt: Otto Dix, Köln [1923]. 15 Vgl. Brief von Richard Müller an Reichskommissar Manfred Killinger, 6. April 1933 sowie Brief von Manfred von Killinger an Otto Dix, 13. April 1933, dka, nl Otto Dix, I, B 32. 16 Brief von Manfred von Killinger an Otto Dix, 13. April 1933, ibid. 17 Ibid. 18 Ibid. 19 Vgl. Löffler 1981, Schützengraben von 1923 (L 1923/2). 20 Fritz Hellwag: Otto Dix. Bilder aus dem Hegau, in: Kunst für Alle, 6/1935, S. 220–225. Das Gemälde Der Hohenstoffeln von Randegg aus gesehen ist in diesem Artikel als »Frühlingslandschaft« tituliert. 21 Anonym: Otto Dix – »genesen«?, in: Das schwarze Korps, 26. Juni 1935, München 1935, S. 12. 22 Vgl. Wolfgang Willrich: Säuberung des Kunsttempels. Eine kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste nordischer Art, München u. Berlin, 1. Aufl. 1937. 23 Vgl. die Kapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« sowie »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?« im vorliegenden Band.

»Deutsche Tradition« und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit

Dass der Diskurs um eine »wahre« deutsche Kunst nicht mit der sogenannten »Machtergreifung« 1933 einsetzte, sondern bereits lange zuvor und insbesondere im Hinblick auf die Moderne geführt wurde, ist bekannt und vielfach diskutiert. Dies wird beispielhaft an den Erkenntnissen von Françoise Forster-Hahn zum Internationalen Modernismus, ihrer Forschung zur jahrhundert-ausstellung (1906) und Julius Meier-Graefe sowie Hans Beltings Publikation die deutschen und ihre kunst. ein schwieriges erbe erkennbar. Darin wird die kunsthistorische Debatte um die Moderne ebenso untersucht wie die damit einhergehende Frage nach nationalen Traditionen am Gegenstand der Kunst.1 Als Ausgangspunkt sind gesellschaftsprägende und politische Einflüsse zu werten, und damit transdisziplinäre Aspekte, welche die Ausbildung von kunsthistorischen Kanons mitbestimmen. An dieser Stelle seien auszughaft relevante Entwicklungen angeführt, um die Reziprozität der Werkentstehung mit kultur- beziehungsweise kunstpolitischen und -historischen Rahmenbedingungen aufzuzeigen. Der von Gustav Friedrich Hartlaub aufgezeigte »linke Flügel« der Veristen und jene den »zeitlos-gültigen Gegenstand suchend[en] Klassizisten« zeigen beide Strömungen als Zuschreibungen in ihrem Zeitkontext.2 Hervorzuheben ist, dass Otto Dix’ Œuvre in Hartlaubs binärem Verständnis der 1920er Jahre beiden Lesarten zugehörig ist. Mit gestalterischen

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Bezügen auf »altdeutsche« künstlerische Referenzen impliziert der Maler einen im Folgenden als konservativ bezeichneten Erhaltungsanspruch tradierter Gestaltungsformen.3 Zugleich kombinierte Dix diese Art des Traditionalismus mit modernen, aus seinen veristischen Arbeiten weiter entwickelten Gestaltungsebenen. Durch die enge Verknüpfung von künstlerischen und gesellschaftspolitischen Entwicklungsprozessen zeigt sich das spiegelbildliche Verhältnis von (Kultur-)Politik und Kunst. So fanden motivische und stilistische Modifikationen im Werk gleichzeitig mit öffentlichen Zensurbestrebungen statt. Der zugrunde gelegten These des reziproken Verhältnisses von Dix’ Malerei und der direkten Gesellschaftskritik widerspricht in Teilen Will Grohmanns Ansatz von 1928 hinsichtlich Dix als »Sachlichkeits-Fanatiker«. Dieser konstatierte, dass der Maler auf »Sonderfälle der Gesellschaft und auf solche der Form« reagierte, dies aber nicht »aus dem angeregten Chaos der Revolutionsjahre entwickelt« worden sei.4 Hiermit begriff Grohmann die neusachlich-veristische und von Hartlaub als »links« titulierte Komponente in Dix’ Werk, die demnach bereits in der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg zum Vorschein kam. Hinsichtlich der stilistischen Gestaltungsform und der altmeisterlichen Implikation in Dix’ Arbeiten in Kombination mit seinen soziokritisch angelegten Motiven leite ich allerdings zwei Leitlinien ab, die eine werkimmanente Binarität implizieren: Erstens nehmen die gesellschaftskritischen Motive konkret Bezug auf gesellschaftliche Zustände, die von der Nachkriegszeit und dem Wandel der Staatsform zur Republik – und damit auch durch die Novemberrevolution – seit 1918 bestimmt sind. Dabei handelt es sich um Motive aus sozialen Milieus wie Szenen und Porträts des Rotlichtmilieus, Veteranen des Ersten Weltkriegs und andere, direkt von den Kriegsgeschehnissen betroffene und durch Armut gezeichnete Personen. Wiederholt stellte Dix direkte Bezüge zur Arbeiterklasse her, sodass in den Gemälden und Papierarbeiten durchaus ein direkter gesellschaftlicher Bezug besteht. Die Inblicknahme von sozialen Milieus und die sie kommentierende Gestaltungsweise impliziert eine gesellschaftspolitische Ebene, die auf das Kriegsende und die Ausrufung der Weimarer Republik verweist. Darin widerspiegeln sich nicht allein »Sonderfälle der Gesellschaft«, sondern überdies gesellschaftliche Strukturen.5 Zweitens rekurrieren Lasurtechnik, Kompositions­ schemata und die formalästhetischen Gestaltungsweisen auf künstlerische Vorbilder, sodass hierin ein im deutschsprachigen Raum zu verortender Traditionsbezug ablesbar ist, dessen Grundlage in der kulturpolitischen Konstruktion von »Heimat« und dem aufkeimenden Nationalismus seit der Reichsgründung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu diskutieren ist.6 Dix’ Aufgreifen von Gestaltungstechniken Alter Meister in den 1920er Jahren verweist auf das zeitgenössiche Interesse an kunsthistorischen Rekursen. Dies bestätigt die Einbindung seiner Arbeiten in Ausstellungskontexten zur Romantik –



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etwa zu Beginn der 1930er Jahre im Ulmer Museum.7 Zugleich bildete sich ein wachsendes Interesse an der Romantik, der Renaissance und dem Mittelalter in formalästhetischen und technischen Bezügen künstlerischer Rezeption heraus. Aus diesem Grund wird die Hinwendung zu einem als »deutsche Tradition« begriffenen Nationalismus am Beispiel künstlerischer Bezugnahmen nachfolgend in den Blick genommen, in dessen Zusammenhang Dix’ Rezeption der Romantik und seine Ausstellungstätigkeit während der Weimarer Zeit stehen. Ferner wird auf der Basis kunsthistorischer Stimmen, so etwa von Ludwig Justi, Will Grohmann, Willi Wolfradt (1892–1988) oder Franz Roh (1890–1965), ein Bild der zeitgenössischen Rezeption von Otto Dix’ Arbeiten nachgezeichnet. Um die kulturpolitische Situation zur Zeit der Weimarer Republik und in diesem Zusammenhang Dix’ künstlerischen Entwicklungsprozess skizzieren zu können, lege ich das Erstarken einer »deutschen Tradition« als überblicksartige Betrachtung zugrunde. Ausgangspunkt ist der deutsche Nationalismus seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, dessen Etablierung eines Klassenbewusstseins sich seit der Reichsgründung in gesellschaftspolitischen Entwicklungen während der Weimarer Republik manifestierte. Dabei stehen erstarkende nationale und nationalistische Tendenzen im Verhältnis zum zeitgleich an Popularität gewinnenden Konservatismus in der Kunst. Sie widerspiegeln gesellschaftspolitische, rechtskonservative Tendenzen der Zeit, die schließlich in der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und damit in der nationalsozialistischen Diktatur gipfelten. Für die kunsthistorische Verortung von Otto Dix’ Werk sind diese Entwicklungen insofern relevant, als seine Gemälde, Zeichnungen und druckgrafischen Erzeugnisse zugleich avantgardistische wie auch traditionsbezogene Eigenschaften aufweisen.8Aufgrund der werkimmanenten Referenzen auf konservative Trends und Dix’ subjektiver Wahrnehmung als »deutscher Maler im besten Sinne« werden seine Motivation und die künstlerische (Aus-)Wirkung dieser Aneignung untersucht.9

konstruktionen nationaler kunstgeschichtsschreibung Seinen Beobachtungen in die deutschen und ihre kunst. ein schwieriges erbe stellt Hans Belting voran, dass es in der »Frage nach der deutschen Kunst« und damit einer singulären deutschen Machart keine geeigneten Antworten geben kann. Der Autor führt im Weiteren allerdings Aspekte aus, wie diese Frage in der Rezeption begriffen und politisch instrumentalisiert und inwiefern der Kanon einer »deutschen Kunst« zu unterschiedlichen Zeitpunkten entwickelt wurde. Neben der Entstehung einer »abendländischen Kunst«, die dem »Mythos des Abendlandes«

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folgt, stellt Belting die »deutsche Kunst« zusätzlich als einen »Mythos der Nation« dar und separiert die beiden Aspekte des »Abendlandes« und des »Nationalen« somit.10 Da das vermeintlich Deutsche in der Kunst der 1920er und 1930er Jahre anhand von »altdeutschen« Vorbildern propagiert wurde, ist nicht die Frage nach einer tatsächlichen deutschen Kunstgeschichte – insofern sie überhaupt definierbar wäre – ausschlaggebend für die vorliegende Untersuchung. Vielmehr steht die Traditions-Konstruktion in der jeweiligen Zeit im Betrachtungsfokus sowie die Frage danach, wie sich Dix dieser annimmt. Da nationalistische Entwicklungen gesellschaftlich-chronologisch zu betrachten sind, wird dies entsprechend kunsthistorisch und überblicksartig hinführend auf Dix’ Schaffen während des Nationalsozialismus dargelegt. Im Zuge der Reichsgründung 1871 wurde die Romantik herangezogen, um eine nationale Weltanschauung gesellschaftlich zu manifestieren. Dies beschreibt Belting als »Brücke vom Volk zur Nation«, womit auch die Gründung von Nationalmuseen und das »Postulat ›nationaler Schulen‹ der Kunst« einhergeht.11 Ferner legen sowohl der Historiker Heinz Gollwitzer als auch der Historiker und Publizist Volker Weiß dar, dass die Abendland-Vorstellung einen in der Romantik konstruierten »Sehnsuchtsort« markiert, der insbesondere durch Schriftsteller wie Friedrich Schlegel (1772–1829) oder Friedrich von Hardenberg respektive Novalis (1772– 1801) als synthetisches Konzept der Vereinigung von Kirche und Staat begriffen und geprägt wurde.12 Gollwitzer nennt eine »europäischen Palingenese, ausgehend vom romantischen Deutschland«.13 So liege der nationalen Idee von Kunst nicht allein ein territorialer Gedanke zugrunde, die konfessionelle Spaltung in Deutschland seit der Reformation bedeute eine entsprechend in katholisch oder evangelisch separierte Kunst. Auf dieser Basis bemerkt Belting, dass hierin bereits ein Streit um eine »wahre« deutsche Kunst bestehe, der mit einem »gestörten Selbstbewusstsein« einhergehe, das wiederum mit der deutschen Geschichte korreliere.14 »[Es] ließen sich ›nationale Charaktere‹ […] in der Kunst entdecken, und sie verlangten nach einer Ästhetik, in der die eigene Art, und im negativen Falle die ›Entartung‹ zum Thema wurden.«15 Damit zeichnet sich sowohl ein »völkischer« Gedanke ab wie auch das Bedürfnis der Abgrenzung in Form einer deutschen Kunst. Eine romantische Weltanschauung offenbart sich in Schlegels Schrift philosophie und geschichte, indem »der deutsche Stammescharakter und die germanische Natur- und Heldenkraft, mit dem römischen Weltverstande durch die christliche Liebe und religiöse Gesinnung ganz in Harmonie gesetzt, und in eins verschmolzen war«.16 Hinsichtlich der Kunst forderte Schlegel konkret ihre Erneuerung anhand von Kunstsammlungen mit altdeutschen Gemälden. Konkret handele es sich neben »ästhetischen Ideen des klassischen Geschmacks« um eine »Lebendigkeit des Ausdrucks«, was sich dem



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Autor zufolge als das Nationale am Beispiel von Albrecht Dürers Figuren fassen ließe.17 Um ein Modell deutscher Kunstgeschichte zu definieren, führt Belting an, dass es sinnvoll sei, hier die bildenden Künste der Dürerzeit heranzuziehen. Diese Argumentation enthalte eine Schieflage, da sich in der sogenannten deutschen Renaissance das Gegenbeispiel etwa zur italienischen Renaissance manifestiere und nachfolgend auch so verstanden und interpretiert worden sei. »Die ›altdeutsche‹ Manier schien in der bürgerlichen Kunst der Reformationszeit, in der auch die deutschen Wälder das Thema der Maler gewesen waren, repräsentiert, ohne daß man daraus einen eigenen Epochenstil ableiten konnte.«18 Dass Dürer aufgrund seiner italienischen Einflüsse eine »Entartung« gegenüber Matthias Grünewalds »Artung« aufwies, bestritt bereits der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin (1864–1945).19 Es wurde, so Belting, nicht ein deutscher Stil proklamiert, sondern das Deutsche in allen Stilen festgehalten und damit eine Weltanschauung übergestülpt. Diese Orientierung und das Streben nach einer nationalen Identität und ihre Argumentation an kulturellen Erzeugnissen wie den bildenden Künsten ist schon in der Weimarer Republik erkennbar, wie etwa der Direktor der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi zum »deutschen Geist« deutlich machte, ehe die ideologische PropagandaMaschinerie in der Zeit des Nationalsozialismus folgte.20 Mit der Romantik wurde eine im Nationalismus-Kontext stark rezipierte Epoche populär. Die bildenden Künstlerinnen und Künstler des ausgehenden ­ 19. Jahrhunderts, namentlich etwa die Maler Caspar David Friedrich oder Carl Gustav Carus (1789–1869), erfassten ebenfalls christlich konnotierte Motive und wurden so in den Zusammenhang des Abendland-Begriffs und damit einer deutschen Identitätskonstruktion gesetzt. Dass diese geistige, auf die Einheit von Staat und christlicher Religiosität und die Kirche abzielende Haltung im 19. Jahrhundert als Grundlage eines weitgreifenden Nationalismus herangezogen wurde, ist folglich als weltanschaulicher Ursprung mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 zu verbinden. Einen Zusammenhang zwischen dem Widerstand gegen die Moderne und dem Terminus des Abendlandes mit Bezug auf den nationalistisch ausgerichteten Kulturphilosophen Oswald Spengler und dessen Publikation der untergang des abendlandes von 1917 beschreiben ebenso Gollwitzer und Weiß. Spenglers Aufzeigen von Gegensatzpaaren wie »Stadtkultur, unmetaphysische Zivilisation, Ende des Kosmopolitismus statt Heimat« oder »Konvention statt Tradition« referiert dabei auf seine Definition zum »Untergang des Abendlandes« als »welthistorische Phase vom Umfang mehrerer Jahrhunderte, in deren Anfang wir gegenwärtig stehen.«21 Daraus folgert Belting, dass »[d]as Abendland, das realgeschichtlich schon am Beginn der Neuzeit mit der Entstehung der Nationalstaaten zu Ende

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gegangen war, […] ideengeschichtlich kurzerhand zum Opfer der Moderne erklärt [wurde]«.22 Die von Mathias Eidenbenz 1993 dargelegte Genese zur Terminologie des »Blut-und-Boden«-Begriffs knüpft an die Benennung des »Begriffspaares« durch Oswald Spengler und das 1926 erschienene Buch befreiung von August Winnig an.23 Neben anderen Beispielen wird als zentraler Nennungsort der erste Band der propyläen weltgeschichte 1931 angeführt, in dem »der Geograph Walther Vogel den ›Staat‹ auf die Erscheinungsweise eines ›Stam­mes‹, einer ›blutmäßig verbundenen Gruppe‹, die nicht nur ›Raumgestalt‹, sondern auch ›Zeitgestalt‹ sei und mit den ›in der Natur und im Boden steckenden Kräften‹ gemeinsam ›auf die Gestaltung des Staates‹ einwirke«.24 Auch der von Belting angeführte, »völkisch« argumentierende Kulturhistoriker Julius Langbehn (1851–1907) hatte die Frage nach der kulturellen Identität in den Blick genommen, sich gegen den »Materialismus des neuen Reiches« positioniert, den ausgebliebenen »geistigen Aufschwung« bemängelt, der seines Erachtens nach im Zuge der Reichsgründung nach 1871 eine Leerstelle markierte, und sah die »allgemeine ›Sittlichkeit‹ untergraben«.25 Im Zuge von Nationalisierungsprozessen seit der Gründung des Reiches stellt zudem Julius Langbehns rembrandt als erzieher von 1885 eine soziokulturell prägende Schrift dar, die in der Zeit des Nationalsozialismus zu den populären kunsthistorischen Referenzen zählte.26 »Der Deutsche will seinem eigenen Kopfe folgen, und niemand tut es mehr als Rembrandt. In diesem Sinne muß er geradezu der deutscheste aller deutschen Maler und sogar der deutscheste aller deutschen Künstler genannt werden. […] Rembrandt ist der Prototyp des deutschen Künstlers.«27 Die Debatte um moralische Perspektiven, gesellschaftliche und kulturelle Verrohung am Beispiel der bildenden Künste und die konservative, nationalbezogene Positionierung offenbarte sich auch in juristischen Prozessen wie etwa zu Dix’ mädchen vor dem spiegel von 1921. Den Begriff »Sittlichkeit« mit einem erzieherischen Anspruch zu verbinden, der im Kaiserreich an die bildenden Künste geknüpft wurde, repräsentiert das Interesse an nationaler Repräsentation eines gesellschaftlichen Idealbildes und widerspricht hingegen gesellschaftskritischen künstlerischen Positionen, in deren Zusammenhang auch Otto Dix, George Grosz (1893–1959) und andere zu begreifen sind. Hierzu zitiert Belting Wilhelm ii., der zur »Kultur des deutschen Volkes« konstatierte, dass die Kunst der Avantgarden nichts weiter tue, »als das Elend noch scheußlicher darzustellen [und dass] uns, dem deutschen Volk



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die großen Ideale zu dauernden Gütern geworden [sind], während sie anderen Völkern mehr oder weniger verloren gegangen sind«.28 Belting beschreibt dies als antimodernen Isolationismus, der zu einer Leugnung der Existenz der Moderne führte, da diese – den Impressionismus, die vom Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe vertretene »Sezessions-Kunst« oder aber die Ankaufspolitik von Hugo von Tschudi in der Berliner Nationalgalerie betreffend – als undeutsch ausgelegt worden war.29 Demnach wurden Tschudis internationale Erwerbungen als »Entweihungen des deutschen Kunsttempels« herabgewürdigt, was nicht allein Ausdruck des hier angelegten Nationalismus ist, sondern eine ideologische Tendenz markiert, die schließlich 1937 in verschärfter Form und Rhetorik in Wolfgang Willrichs Pamphlet säuberung des kunsttempels zum Vorschein kam.30 Ausgangspunkt hierfür ist die inhaltliche Konzeption der Nationalgalerie als einer auf die Moderne ausgerichteten Institution, deren Eröffnung 1876 und damit kurz nach der Reichsgründung stattfand und »den Konflikt mit der internationalen Moderne von Anfang an in sich [trug].«31 Françoise Forster-Hahn stellt in der Publikation die weisse jahrhundertausstellung 1906 in berlin. ausstellungsinszenierung und meier-graefes entwicklungsgeschichte der modernen kunst die nationalen Interessen deutscher und französischer Kunstgeschichtsschreibung der Moderne am Beispiel der ausstellung deutscher kunst aus der zeit von 1775–1875 in der königlichen nationalgalerie in berlin 1906 (der sogenannten Jahrhundertausstellung) einander gegenüber. Darin greift sie die Dualität von Regionalität und der Geschichtsschreibung des geeinten Reiches nach 1871 auf, wie diese in der Ausstellungskonzeption 1906 widerhallte, darin die Geschichte der modernen Kunst des 19. Jahrhunderts als eine »progressive Entwicklung vom Klassizismus und der Romantik bis zum Neo-Impressionismus eindrücklich vorführte und damit die Moderne historisierte« und interpretierte.32 Die Ausstellungsarchitektur sollte die »deutsche Partikularität, nämlich das Fehlen eines Zentrums, [zurückdrängen] und betonte die Gleichzeitigkeit neuer Tendenzen«. Dabei spielte eine tragende Rolle, dass »[d]ie Dualität des Ausstellungskonzeptes, die Moderne in der deutschen Tradition, unter anderem in der Malerei Friedrichs und Menzels, zu konstruieren, und gleichzeitig die Geschichte der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts nach dem französischen Modell zu konstruieren, unauflösbar [war]«. 33 So sei die deutsche Kunstgeschichtsschreibung auf der Grundlage der französischen Moderne zu verorten.34 Neben Adolph von Menzel (1815–1905) und Max Liebermann (1847–1935) ist das Beispiel Caspar David Friedrichs im Ausstellungszusammenhang angeführt, um die von Tschudi intendierte »Rehabilitierung« einer deutschen Kunst in der öffentlichen Meinung aufzuzeigen, wobei dieser die französische Kunst zugrunde liegen sollte.35 Tschudis Friedrich-Rezeption der ausgestellten Exponate bestand in

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der Betonung des Landschaftlichen und Atmosphärischen auf »deutschem Boden«, da Friedrich in Deutschland gewirkt hatte und die Gemälde in Berlin gezeigt wurden, was somit als Beleg einer deutschen Maltradition galt. Zur Ausstellung ist beschrieben, dass »die vielleicht größte Sensation die Wiederentdeckung Caspar David Friedrichs [war], dessen Person und Kunst in Vergessenheit geraten waren«.36 Anhand dieser Feststellung, dass mit der großen Ausstellung 1906 eine Wiederentdeckung des Malers stattgefunden hatte, wird der Romantik-Bezug um die Jahrhundertwende deutlich erkennbar. Dass in den nachfolgenden Dekaden eine Intensivierung dieser Entwicklung stattfand, verdeutlichen die Standpunkte zur Romantik als deutscher respektive als patriotisch prononcierter Kunst seitens des Kunsthistorikers und später als Künstler tätigen Guido Joseph Kern (1878–1953) sowie des Kunsthistorikers und von 1909 bis 1933 amtierenden Direktors der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi. Kerns zeitlicher Bezug auf den Ersten Weltkrieg und seine patriotische Ausrichtung sind unschwer ablesbar: »Deutschland [muss] sich und seine heiligsten Güter gegen die Feindschaft einer Welt verteidigen […]. War einst der Name Friedrich ein Symbol für deutsche Art, als sich Jung-Deutschland zusammenscharte, um den Korsen zu stürzen und dem Vaterlande die ersehnte Freiheit zu erringen, so möge er heute uns ein Ansporn sein, im Kampfe auszuhalten und nach einem Frieden, wie wir ihn erhoffen, das Banner der deutschen Kunst neu zu gestalten.«37 Caspar David Friedrichs Malerei wurde in Kriegszeiten folglich als patriotische Ikone zum Zweck der Propaganda verwendet, um »das Deutsche« in der Kunst zu unterstreichen. Nach dem Kriegsende und der Ausrufung der Republik erklärte Ludwig Justi 1921 in seinem Epilog zu Friedrichs Landschaftsdarstellungen: »Reichtum und […] Innigkeit einer deutschen Seele: die Andacht vor der Größe und Gewalt der Natur, die Ehrfurcht vor dem Geheimnis, die Wärme und die Traumseligkeit des männlich-kindhaften Wesens. Hier ist das Gegenteil von Regel und Gewohnheit, hier ist persönliches Empfinden, deutsches Empfinden. All der unerschöpfliche und doch klare, seltsame und doch unmittelbare Lebensreichtum dieses Bildes ist den Kunstfreunden anderer Völker nicht zugänglich […].«38 Somit wurden literarische, auf eine normative Maskulinität Bezug nehmende Elemente – dazu zählt auch Tschudis Anführung von Licht und Atmosphäre – als nationale Charakteristika kreiert und die Romantik nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch intensiver als »deutsch« begriffen. Sie wurde als ein nationales



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Alleinstellungsmerkmal verhandelt, dessen Verständnis und Rezeption »den Deutschen« vorbehalten sei. Die von Forster-Hahn besprochene Ausstellungsinszenierung gilt indes bereits als Beispiel einer zu Beginn des Jahrhunderts lancierten kunstgeschichtsschreibenden Maßnahme: »Behrens’ uniform helle Wände, die eine fließende räumliche Einheit vortäuschten, betonen die ursprüngliche Intention: die deutsche Kunst der letztvergangenen Epoche […] in der öffentlichen Meinung zu rehabilitieren und führten eine gemeinsame Tradition der bildenden Künste vor, die als eine ›Bereicherung des geistigen Nationalgutes‹ interpretiert werden konnte. So überlagerte der Eindruck nationaler Einheit regionale Diversität.«39 Diesem Beispiel folgte später auch die nationalsozialistische Inszenierung einer einheitlich deutschen Tradition, wie am Beispiel der monatlich zwischen 1937 und 1941 erschienenen Zeitschrift die kunst im dritten reich deutlich wird.40 Darin wurden neben zeitgenössisch-regionalistischer Kunst insbesondere als deutsch ausgelegte künstlerische Vorbilder unterschiedlicher Jahrhunderte als Referenz aufgeführt, um »die einzig deutsche Tradition« zu konstruieren. Im Abschnitt »Moderne und Nation« nimmt Forster-Hahn die Grundlagen zur Konstruktion nationaler Kunstgeschichtsschreibungen in den Fokus. Darin wird der abgebildete Diskurs als »prekäre Balance zwischen französischer Modernität und deutscher Tradition« beschrieben.41 »Die Ambivalenz zwischen internationaler (›kosmopolitischer‹) Moderne und nationaler Tradition prägt die historischen wie kunsthistorischen Diskurse der Zeit. […] Die Jahrhundertausstellung hingegen drückt nicht so sehr eine starre Polarität von internationaler Moderne und eng gefaßter Nationalität aus, als vielmehr einen komplizierten Prozeß der Überlagerung, wie es [Harry Graf] Kessler, der passionierte Verfechter der Moderne, fast programmatisch formulierte: ›Deshalb ist es auch kein Gegensatz, ein guter Deutscher und ein guter Europäer zu sein; ein Konflikt zwischen national und ›international‹ existiert nicht […]. Überhaupt ist Nationalität nichts Starres, Totes, einmal für allemal Gewordenes […]. Jede Nationalität verwandelt sich fortwährend.«42 Diese international rezipierende Position zeigt eine oppositionelle Haltung gegenüber dem Konservatismus des Kaiserreichs, den Otto Dix anhand von altmeisterlichen Gestaltungselementen bereits in der Weimarer Zeit aufgriff und sich in die Tradition eben jener zeitgenössisch anerkannten, nationalen, »deutschen« Kunst

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stellte. Indem seine Motive jedoch prekäre Situationen an menschlichen Beispielen aufzeigen, postulierte der Maler das gesellschaftskritisch-veristische Gegenteil von der rückwärtsgewandten Tradition. Es scheint, als habe er sich nationaler Vorstellungen vergewissert und bestehende Gesellschaftsstrukturen in Frage gestellt. Durch diesen Kunstgriff zog Dix genau diesen, auf den Erhalt des Bestehenden rekurrierenden Konservatismus in Zweifel. Insofern verbindet seine Malerei Facetten nationaler Kunstgeschichtsschreibung mit anti-elitären Spiegel-Bildern der zeitgenössischen Gesellschaft.

verismus im spiegel der demokratisierung. ein soziokritisches vexier-phänomen und seine rezeption Bereits zur Entstehungszeit seiner als zeitkritisch eingestuften Arbeiten fielen die gesellschaftlichen und kunsthistorischen Positionen gegenüber Dix’ Œuvre ambivalent aus. Als Referenzen sei besonders auf Willi Wolfradt, Will Grohmann und Carl Einstein verwiesen, deren Positionen die Bipolarität gegenüber Dix’ Œuvre zum Ausdruck bringt. Mit Willi Wolfradts Publikation otto dix war 1924 eine Anerkennung der erschütternden Kriegsdarstellungen am Beispiel des großformatigen Gemäldes schützengraben von 1923 erschienen.43 Darin verhält sich der Autor konträr zu Meier-Graefe als einer Stimme der internationalen Moderne, die sich wiederum kritisch gegenüber Dix’ Malerei verhielt.44 Wolfradt kontextualisierte den gesellschaftlichen Aufschrei angesichts Dix’ Kriegsgemälde mit den Kriegsgräueln: »Eine gewisse ›Indiskretrion der Mittel!‹ ist ja nicht in Abrede zu stellen. Aber die wird doch wohl dem Kriege auch nachgesagt, – eben in diesem Bild«, bezog der Kunsthistoriker eine zugunsten von Dix’ Kriegsrezeption und -darstellung ausfallende Position und Gesellschaftskritik.45 Anerkennend und zugleich erschüttert verhielt sich Paul Ferdinand Schmidt 1926. Der Dresdner Museumsdirektor stellte im Ausstellungskatalog der Galerie Neumann-Nierendorf die verheerende Wirkung heraus, die von Dix als Person und seinen Arbeiten ausging, und attestierte dem Maler eine Ambivalenz in seinen künstlerischen Standpunkten. »Dix kommt daher wie ein Elementarereignis, ungeheuerlich, unerklärlich verheerend, gleich einem Vulkanausbruch. Nie weiß man, wessen man sich von diesem wilden Burschen zu versehen hat. Wieder und wieder wirft er das Steuer herum zu neuen Gestaden, verwandelt sein Können, selbst ein Proteus, wechselt die Gegenstände, die Standpunkte, die Techniken.«46



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Hierbei rekurriert der Kunsthistoriker und -kritiker ebenso auf Dix’ Stil­ pluralismus wie auch auf das Sujet- und Motivrepertoire und avisiert damit die zeitund soziokritischen Blickpunkte des Künstlers. Als »Elementarereignis« begreift er den Maler, vergleichbar einer Naturgewalt.47 Dix selbst verwendete den Begriff des »Kriegsmalers«. Dies geht aus einem Brief an Wilhelm Dodel (1907–1944) hervor, der von 1931 bis 1933 sein Meisterschüler war sowie 1932 sein Assistent bei der Schaffung der Wandbilder im Deutschen Hygienemuseum und 1938 bei der Gestaltung des Gartenpavillons der Familie Niescher in Chemnitz beteiligt war. Darin äußerte Dix:48 »Nehmen Sie immer ein gutes Skizzenbuch [an die Westfront] mit, wir brauchen nach dem diesmaligen Weltkrieg wieder tüchtige Kriegsmaler.«49 Im Hinblick auf die künstlerische Nähe beider Maler – Dodel war zudem kpd-Mitglied und 1933 aufgrund dessen verhaftet worden – ist die Konnotation des angeführten Begriffs mit realistischer, veristischer Pointiertheit und damit entgegen einer Kriegsheroisierung oder -glorifizierung naheliegend. So erfüllt das tagebuchartige Skizzenbuch einen dokumentarischen, kommentierenden Zweck. Da es sich für Dix um ein wichtiges Ausdrucksmedium handelte, wird bezeugt, dass er es als notwendig empfand, seine Sicht auf die Kriegsgeschehnisse sowie die (politische) Perspektive zeichnerisch festzuhalten. Insofern ist Dix’ Verständnis von Kriegs­darstellungen reflexiv zu lesen, als ihnen offenbar eine aufklärende Funktion zukommt. Vergleichbar mit Paul Ferdinand Schmidt thematisierte auch Will Grohmann 1927 im kunstblatt die soziokritische Implikation von Dix’ Darstellungen. Zudem vertrat der Kunstkritiker gegenüber Dix’ Arbeiten eine kritische Position, wie sich an seinen Rezensionen im cicerone 1928 sowie am Konfliktpotenzial zwischen Maler und Kritiker darstellt.50 Carl Einstein hatte Dix’ Malerei 1923 in Paul Westheims (1886–1963) kunstblatt als Dokumente des Zeitgeschehens anerkannt, indem er dessen künstlerische Ansätze zur Wiedergabe und Interpretation gesellschaftlicher Schichten und deren »Geständnisse« akzentuierte. Wie Uwe Fleckner 2006 in der Publikation carl einstein und sein jahrhundert. fragmente einer intellektuellen biographie zur Position Einsteins gegenüber Dix’ Arbeiten herausstellt, fiel dessen Kritik jedoch durchaus differenziert aus. Fleckner markiert die Dualität darin, die eine werkbasierte Wertschätzung zeigte und die wiederum auf der formalen Qualität der Malerei beruhte. Einstein verstand Dix’ Arbeiten demnach anerkennend »als ›Attacke‹ gegen die Zeit und ihre Kunst«.51 Noch 1923 hatte der Kunstkritiker, der auch dem Berliner Gerichtsprozess um Dix’ mädchen vor dem spiegel als Sachverständiger beigewohnt hatte, in einer Monografie zur Ausstellung bei Israel Ber Neumann (1887–1961) in Berlin entsprechend positiv über Otto Dix’ kompromissloses Menschenbild geschrieben. 1926 dagegen fiel das Urteil zum großformatigen Gemälde schützengraben wie auch zur Farbigkeit in Dix’ Arbeiten kontrastie-

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rend aus, wie in Einsteins Werk die kunst des 20. jahrhunderts erläutert wird. Darin zeigte er die Relevanz des Krieges für Dix’ Werkentstehungsprozesse auf, rezensierte den Maler, Zeichner und dessen Arbeit allerdings negativ und mit augenscheinlicher Missachtung eines seiner Hauptwerke: »Dix stellt den Zeitgenossen dar, unpersifliert, da diese Zeit an sich fratzenhafte Persiflage ihrer stupiden Alltäglichkeit ist. Dix ist der Sohn des Krieges und vergeblicher Revolte, entschlossen, nicht allzu rasch zu vergessen; er wagt zeitsachlichen Kitsch, doch Malerei kann sich daran selbst leicht banal erweisen; man vertraut zu sehr erregendem Motiv. 1924 versuchte er das Zeichen des Krieges zu malen – peinliche Allegorie. So malte man früher die Tugend süßlich, wie Dix aus Schreckenskammern die Schlager hervorstöbert; […] Vielleicht ist man im Herzen malender Reaktionär am linken Motiv.«52 Mit der letztgenannten Äußerung lanciert der Autor nicht allein eine Provokation und gewisse Geringschätzung gegenüber Dix. Einstein prononciert dessen Stilpluralismus mit künstlerischen Rückbezügen und zeitgenössischer Verankerung. Darüber hinaus setzte er den Verismus 1926 in das Licht des soziopolitischen Entstehungskontextes: »Der feststellende Verismus [entstand] aus sozialpolitischen Momenten [und] einer Reaktion gegen die absolute Kunst […].« Beispielhaft führt der Kritiker an, »Groß und Dix [zeigen] den Menschen als Produkt einer sozialen Klasse oder ökonomischen Stufung« und zeigt damit den sozialkritischen Fokus der Künstler auf.53 Fleckner legt ferner dar, dass sich der Verismus-Begriff erst im Zuge von Gustav Friedrich Hartlaubs Kategorisierung der Neuen Sachlichkeit in ein linkes, soziokritisches und ein rechtes, neoklassizistisches Spektrum 1925 durchsetzen konnte.54 Im Hinblick auf Dix’ zeitgenössisches Dresden datiert Mathias Wagner das später als Verismus titulierte Phänomen in die frühen 1920er Jahre, »an der Schnittstelle zwischen einem sich der Wirklichkeit wieder annähernden Expressionismus und [im] ›Lärm der Straße‹ geborenen Dadaismus, zwischen Kunst und Antikunst«. Der Autor begreift Dix neben Conrad Felixmüller (1897–1977) und Otto Griebel als »stilbildend«, indem sie »zwischen 1920 und 1922 […] als erste revolutionäre und zeitkritische Themen und Motive« darstellten.55 Da der Verismus auf zeitkritischen und damit gesellschaftlichen Aspekten beruht, sind es eben jene Themen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die 1925 von Hartlaub mit dem entsprechenden Terminus definiert wurden. Das motivische Repertoire wurde stark geprägt von der Thematik des Krieges, den daraus hervorgegangenen Veteranen, Szenen des Rotlichtmilieus, dem Zirkus und dem Varietee, erotisch-sadistischen Darstellungen und Typenporträts unterschiedlicher sozialer Milieus. Ein maßgeblicher Antrieb zur Entstehung der Porträts



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in dieser Schaffensphase war vielfach Dix’ Galerist Karl Nierendorf, der den Maler nach eigenen Angaben »vielen Widerständen zum Trotz durchgesetzt« und somit den Handel mit seinen Arbeiten angetrieben hatte.56 So wurde Dix’ Radiermappe der krieg, in der neben Kriegsschauplätzen ebenso Landschaften und Details aus dem Schlachtfeld, Porträts lebender und toter Soldaten sowie Selbstbildnisse enthalten sind, 1924 im Verlag der Galerie Nierendorf publiziert.57 Darüber hinaus beteiligte sich Dix an Grafikmappen, die im selben Jahr für die internationale arbeiterhilfe und die künstlerhilfe verlegt wurden und jeweils im Folgenden thematisiert werden.58 Insofern trat Dix – ebenso wie andere Künstlerinnen und Künstler – neben Motivbezügen solidarisch für die benachteiligten Schichten der Gesellschaft ein.59 Als künstlerisch-kritischer Spiegel der Gesellschaft fungierten neben Porträtdarstellungen politische Satire und Karikaturen. Neben Dix kommentierten kritische Stimmen wie John Heartfield (1891–1968) und George Grosz das Zeitgeschehen in Zeitschriften mittels Druckgrafiken, Zeichnungen und Fotomontagen. Dabei impliziert das jeweilige Vervielfältigungs- und Verbreitungs-Medium – sei es Druckgrafik oder Zeitschrift – einen demokratischen Prozess, um die Kunst gleichermaßen breitenwirksam zu multiplizieren wie heterogenen Zielgruppen zugänglich zu machen. Die Betrachtung von Kunst und die Auseinandersetzung mit ihr wurden damit unabhängig von der sozialen Herkunft. Diese Form des künstlerischen Kommentars schürte ebenso wie die veris­ tischen Porträts und Kriegskommentare den Argwohn der nsdap. Zugleich zeigt sich hieran die politische Opposition, sodass die Radierung der weihnachtsbaum fürs deutsche volk (1923) von George Grosz exkursorisch in den Blick genommen wird. Diese spiegelt anhand von Schriftzügen und Symboliken Parteipositionen der nsdap und manifestiert diesbezüglich des Künstlers Bedenken, Kritik und Urteil gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung in sich (Abb.  7).60 Das Blatt zeigt einen Weihnachtsbaum, der mit Hakenkreuz, Stahlhelm und Hiebwaffen, Ketten, einem Säbel mit der Aufschrift »Schutzhaft« sowie Schildern mit der Aufschrift »verbot der K.P.D.« und »Ausnahmegesetz« behängt ist. Anstelle eines Baumständers sind zwei Stiefel gezeigt, an der Baumspitze prangt das HakenkreuzSymbol, eingefasst von der Aureole eines strahlenden Sterns. Somit verweist Grosz hieran explizit auf die antidemokratischen, »völkischen« und aggressiven Potenziale und Interessen der nsdap sowie auf erwartbare Zensuren und politischen Repressionen durch deren Parteiprogramm. Die kritische Reflexion gegenüber dem politischen Zeitgeschehen wird durch den ironischen Titelzusatz »fürs deutsche Volk« unterstrichen. Konkret wird durch diese Grafik die linkspolitische Leserschaft der Zeitschrift die pleite adressiert. Milieu- und Kriegsdarstellungen sowie solche explizit kritischen Stimmen gegen die nsdap waren es, die mit dem Erstarken der Nationalsozialisten zunehmend in den Negativ-Fokus gedrängt und bereits in der

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7  George Grosz. der weihnachtsbaum fürs deutsche volk 1923, Stichätzung auf Papier, 32 × 21,6 cm / 44,3 × ca. 30,6 cm, New Jersey, Princeton, Estate of George Grosz (George Grosz-Nachlass)

späten Weimarer Republik als »Kulturbolschewisten« angeprangert wurden. Dies bestätigen nationalsozialistische Aussagen wie jene des Zwickauer Sprechers des kampfbundes für deutsche kultur, Karl Zimmermann: »[…] Kulte des ethischen Nihilismus, wie er uns in den Machwerken der Dix, Hofer, Grosz entgegen grinst […] sind auch keine Gesellschaftssatiren, […] das ist nackte Freude am Gemeinen und ethisch Negativen, das nur ekelt. Und vor diesen gezeichneten Zoten, diese ›Gräfin‹ von Dix, vor diese Bordelltypen von Grosz […] sollen Lehrer Schulklassen […] führen.«61 Mit der Reproduktionstechnik der Druckgrafik – wie auch Dix sie während der Weimarer Republik zahlreich anfertigte – konnte ein Publikum erreicht und angesprochen werden, das aufgrund der sozialen Schicht wenig Berührungspunkte oder eingeschränkten Zugang und damit kaum Partizipationsmöglichkeiten an der Kunstwelt hatte.62 Die soziale Diskrepanz zwischen Armut und Reichtum, wodurch die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Problematiken der Weimarer Republik und damit der nachhallenden Kriegszeit gekennzeichnet waren, schlug sich auch in Bezug auf die Zugangsmöglichkeiten und den Bildungsanspruch an die Kunst nieder.63



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Das Medium der Druckgrafik trug insofern besonders in den 1920er Jahren zur Demokratisierung der Kunst bei, als das Sammeln für viele Menschen durch die Aktivitäten von Kunstvereinen möglich wurde. Dabei standen eine Zugänglichkeit und ein pädagogisches Ansinnen der Rezeption von Kunstwerken im Fokus, die nicht einer exklusiven Bevölkerungsschicht vorbehalten sein sollte. Dem Anspruch, Kunst breitenwirksam zugänglich zu machen und dem pädagogischen Anspruch, das Sehen anhand von Originalgrafik zu vermitteln, folgten neben den Künstlerinnen und Künstlern auch Institutionen wie Kunstvereine. Beispielhaft ist die Griffelkunst-Vereinigung zu nennen, die 1925 von Johannes Böse (1879–1955) gegründet wurde und bis heute nach dem einst formulierten Prinzip fortbesteht. Dies greift den vom Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark (1852–1914) intendierten kunsterzieherischen Anspruch auf und Böse lud die Langenhorner Siedlungsbewohner zu »Kunstbetrachtungen« ein.64 Hinsichtlich der Umsetzung der Vereins-Idee formulierte der Hamburger Architekt, Professor und hanseatische Oberbauplaner Fritz Schumacher (1869–1947) in seinen selbstgesprächen: »Wenn man heute in die von bescheidenen werktätigen Menschen bewohnten kleinen Häuser kommt, findet man gewählte graphische Originalwerke an den Wänden, ja, man kann nicht selten Mappen entdecken, in denen solche kleinen Kunstwerke gesammelt werden. Diese Kunstkultur in Kreisen, in denen man sie im allgemeinen in dieser edlen Form nicht erwartet, ist die Frucht der Griffelkunst-Vereinigung Langenhorn.«65 Die gesellschaftsreflexive Ebene veristischer Arbeiten, die Partizipation von Dix sowie seiner Künstlerinnen- und Künstlerkollegen an sozialen Projekten und die Nutzung breitenwirksamer Veröffentlichungsmedien gehen auf ein gemeinsames Interesse zurück. Darauf, dass sich hierin eine progressive Erscheinung der Zeit manifestiert, verweisen unter anderem die an der Vermittlung orientierte Kunstpolitik Lichtwarks wie auch die Etablierung sozialer Kunst-Vereine am Beispiel der Griffelkunst-Vereinigung.66

zum »deutschen« in der kunst. kunstkritische rezeption und ausstellungsbeteiligungen der 1920er und frühen 1930er jahre Schnell wird deutlich, dass die vorliegende Arbeit mit der reziproken Betrachtung künstlerischer Positionen im jeweiligen zeitpolitischen Kontext ohne eine kulturhistorische Einbettung nicht auskommt. Die Rezeption einer nationalen deutschen

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Kunstgeschichte und entsprechend ausgerichteter Museumspolitiken fand in der Weimarer Zeit fortwährend statt: »Die neue Ausdruckskunst ließ sich, wenn man nur den richtigen Blickwinkel dafür besaß, bis in das Mittelalter zurückverfolgen, was die Kunsthistoriker denn auch bald versuchten. Die ottonische Kunst wurde mit Begeisterung als früher Expressionismus der mittelalterlichen Kunst begrüßt und damit als erster wahrhaft deutscher Stil neu in Besitz genommen. […] Es schien, als sollte sich ein alter Wunschtraum der Deutschen erfüllen, der in der Kunst der Vergangenheit und in jener der Gegenwart endlich die wahre Identität finden wollte.«67 Dieser kunsthistorische Flashback zur Stärkung einer kulturellen Identität bildet sich auch an Dix’ technischer Arbeitsweise in der Rezeption von Dürer, Cranach, Bruegel und anderen ab. Die Romantik als Ideal einer deutschen Kunst und damit als Instrument zur Festigung einer geeinten Identität schlug sich zudem in Ausstellungskonzepten insbesondere zum Ende der Weimarer Republik nieder. Bereits zuvor hatte der damalige Museumsdirektor der Mannheimer Kunsthalle, Gustav Friedrich Hartlaub, die aktuelle Kunst im Rahmen seiner dortigen Ausstellung 1925 in zwei politisch zu erachtende Lager differenziert. Er kategorisierte die Kunst in politisch links ausgerichtete künstlerischen Positionen und solche, die vielmehr Bestehendes im Sinne künstlerischer Vorbilder rezipierten, was einer Gegenüberstellung von politisch linken zu konservativen Interessen entspricht. »Ich sehe einen rechten, einen linken Flügel. Der eine konservativ bis zum Klassizismus, im Zeitlosen Wurzeln fassend, will nach so viel Verstiegenheit und Chaos das Gesunde, Körperlich-Plastische in reiner Zeichnung nach der Natur […] wieder heiligen. Der andere linke Flügel, grell zeitgenössisch, weit weniger kunstgläubig, eher aus der Verneinung der Kunst geboren, sucht mit primitiver Feststellungs-, nervöser Selbstentblößungssucht Aufdeckung des Chaos, wahres Gesicht unserer Zeit.«68 Belting schreibt, dass durch die »Niederlage« 1918 das Anliegen eines »Deutschtums« sowie die »deutsche Kunst« untermauert wurde und die Argumentationen zur Verteidigung eines deutschen Stils bis in die Gegenwart (das Buch erschien 1992) anhielten.69 Demnach wollten etwa die avantgardistischen Expressionisten nicht bürgerlich sein, aber deutsch – was durch Rückbezüge auf die Druckgrafik der Dürerzeit deutlich wird.



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8  Matthias Grünewald. isenheimer altar 1512–1516, Öl auf Holz, 269 × 307 cm, Colmar, Musée d’Unterlinden

»Es lohnt sich, den Begriff der ›Wilden‹ näher in Augenschein zu nehmen. Er war schon in der Dürerzeit vertraut, als die ›wilden Männer‹ des Mittelalters plötzlich zu den ›edlen Wilden‹ mit germanischem Blut wurden, die in den deutschen Urwäldern hausten und der Natur so verbunden waren wie die Satyrn im südlichen Arkadien. Humanisten wie Conrad Celtis und Maler wie Albrecht Altdorfer beschworen das nostalgische Märchen einer germanischen Frühzeit, die sie schon bei Tacitus in seiner Schrift ›Germania‹ beschrieben fanden.«70 Dix nahm etwa in seinem Triptychon der krieg von 1932 kompositorisch Bezug auf Matthias Grünewald und die Mitteltafel des isenheimer altars von 1512–1516, adaptierte auch die technischen Gestaltungsweisen von Meistern der Renaissance und rekurrierte motivisch wie im Gemälde flandern (1934–1936) auf Wolkenstrukturen in Albrecht Altdorfers 1529 geschaffener alexanderschlacht (Taf. 5, Abb. 8, Abb. 9).71 Wenngleich seine veristischen Motive als avantgardistisch zu erachten sind und von Hartlaub dem »linken Flügel« der Neuen Sachlichkeit zugeschrieben wurden, bildet die Rückbindung an »altdeutsche« Vorbilder einen Konservatismus und Hartlaub zufolge den »rechten Flügel« ab.72 Zwar ist Dix’ Arbeit in der Zeit der frühen Weimarer Republik durch einen Stilpluralismus von Expressionismus, Kubofuturismus und Dada-Einflüssen geprägt, die Bezüge zu

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9  Albrecht Altdorfer. alexanderschlacht (schlacht bei issos), 1529, Öl Lindenholz (Tikia spec.), 158,4 × 120,3 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek

Alten Meistern verweisen in der avantgardistischen Positionierung des Malers allerdings auf eben jenen kunsthistorischen Bezug, der zeitgenössisch als »deutsche Tradition« rezipiert wurde. Insofern funktioniert Beltings Einschätzung auch in Bezug auf Dix. Seine Selbstdefinition als »deutscher Maler« kann dies nur untermauern.73 Ferner stellte Dix in einem Lebenslauf 1924 dar: »dass ich weder politisch noch tendenziös noch pazifistisch oder moralisch oder sonst wie bin. Auch nicht symbolisch auch nicht französelnd malend – nicht für & nicht gegen bin.«74 Gegenüber Ludwig Justi bemerkte Dix in einem Brief vom 12. April 1933 ferner, er habe »niemals einer politischen Partei angehört noch mit ihr sympathisiert.«75 Einerseits versucht der Maler hiermit, eine apolitische Haltung zu unterstreichen. Andererseits kann die Distanzierung von Symbolismus und französischen Einflüssen eine nationale Ausrichtung seiner Malerei suggerieren, die sich in den »altdeutschen« Bezügen auf Dürer, Cranach und anderen zeigt.



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10  Otto Dix. selbstbildnis mit nelke 1912, Öl auf Pappe, 73 × 50 cm, The Detroit Institute of Arts

Auch wenn Dix’ Malerei von Kriegsmotiven – so der schützengraben und die Radiermappe der krieg – Grundlage pazifistischer Argumentation wurde, bezog Dix selbst nicht Position in dieser Hinsicht.76 Seine Beteiligungen an den solidarischen Druckgrafik-Mappen hunger und krieg für die Hungerhilfe, die Künstler- und Kinderhilfe (jeweils 1924) sowie Dix’ Beteiligung an der Ausstellung sozialistische kunst heute, die 1930/1931 in Amsterdam stattfand, sind allerdings erklärbare politische Statement.77 In den 1920er Jahren etablierte er in seinem Werk Maltechniken und solche formalästhetischen Gestaltungselemente aus Renaissance, Klassizismus und Romantik, die er bereits 1912 beim selbstbildnis mit nelke erprobt hatte, schließlich jedoch im Zuge seiner künstlerischen Entwicklung zugunsten von Einflüssen aus Expressionismus, Dadaismus und Kubofuturismus hatte ruhen lassen (Abb. 10). Die erneute Hinwendung zu altmeisterlichen Vorbildern, die Rezeption und Adaption von entsprechenden technischen und kompositorischen Gestaltungsmerkmalen

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wie auch die motivische Verschiebung um 1933 lassen gesellschaftspolitische Einflüsse auf den Werkentstehungsprozess deutlich erkennen. Während sozialkritische Motive sowie altmeisterliche Techniken und Kompositionen in der Weimarer Zeit simultan existierten, distanzierte sich Dix im Zuge des erstarkenden Nationalsozialismus sukzessive von den offensiv veristischen Elementen. Dass Kunstwerke – darunter auch solche von Otto Dix – bereits in den 1920er Jahren zu öffentlichem Aufsehen und politischen Zensurbestrebungen führten, belegt nicht allein der eingangs angeführte gerichtliche Prozess zum Gemälde ­mädchen vor dem spiegel. Nachdem Paul Ferdinand Schmidt 1924 in den vorläufigen Ruhestand versetzt wurde, »vereinte [sein Nachfolger, Karl Großmann] dann diese Ankäufe [Arbeiten von Mitgliedern der Secession] in der sog. ›Schreckenskammer‹ des [Dresdner Stadtmuseums] und schloß seine Führungen nachdem Ludwig-Richter-Zimmer mit deren Besichtigung zur Entrüstung der Besucher ab.«78 Dies führte Fritz Löffler an und machte zudem deutlich, dass der Begriff der »Schreckenskammer«, der ab 1933 verstärkt aufgegriffen wurde, bereits in der Zeit der Weimarer Republik gebräuchlich war. Die Präsentation des schützengrabens hatte während der öffentlichen Zurschaustellung zu starken Protesten bei den Betrachtenden geführt. Grund hierfür sei die realistische Darstellungsweise frappierender Kriegsmotive wie zerfetzter Leiber, furcht- und ekelerregender Elemente im überlebensgroßen Format gewesen. In Bezug auf Dix führt Christoph Zuschlag 1995 an, dass »die Dresdner Galerie, die das Bild 1928 gemeinsam mit dem Patronatsverein erwarb, es im Depot verbergen [musste]«.79 Karl Nierendorf hatte es an das Wallraf-Richartz-Museum verkauft, wo es hinter einem Vorhang verborgen gehängt war. Nachdem es offenbar »heftige Attacken« ausgelöst hatte, nahm es der Galerist zurück.80 Trotz seiner progressiven Position zur Moderne zu Beginn des Jahrhunderts nahm Julius Meier-Graefe Anstoß an Dix’ großformatigem Gemälde schützengraben. Dies geht aus Willi Wolfradts Band otto dix hervor: »Mit besonderer Entrüstung ist man über das große Schützengrabenstück des Kölner Museums hergezogen. J. Meier-Graefe z.B. hat es geradezu ›infam‹ genannt; wohl könnten auch Leichen ›zum Küssen‹ gemalt sein, dies aber sei einfach ›zum Kotzen‹. Bitte sehr! Das fehlte auch noch, daß den Herren beim Anblick dieser gräßlich zerfetzt und halb verwest in Pfählen und zerrissenen Drähten hängenden Kadaver, angesichts dieses stinkenden Morasts aus Gehirn, Eingeweide und Pfützen blutiger Jauche ›das Wasser im Munde



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z­ usammenliefe‹, statt dass ihnen nun endlich einmal das Entsetzen in die Kaldaune schlägt. Wahrlich zum Kotzen und nicht zum Komfort ist das gemalt, dies himmelschreiende Stillleben der Würmer in aufgeschmetterten Schädeln, diese wahnsinnige Landschaft gespießter, wild zusammengestampfter Leiber.«81 In dieser Rhetorik spiegelt sich die Unmittelbarkeit des Gesehenen wider, sie vermittelt zugleich Wolfradts Anerkennung gegenüber dem Maler und dem Dargestellten und stellt verharmlosende oder kriegsverherrlichende zeitgenössische Stimmen an den Pranger: »Wie halt so ein Frontschwein malt, meine Herren; es ist direkt und ästhetisch! – Allerdings, und das ist Dix überhaupt. Er scheut keine Brutalität des Ausdrucks, keine Blutrünstigkeit, um nur gesehen zu werden, zu wirken, zu packen, die furchtbare Vergesslichkeit der Menschen zu durchbrechen. Gibt es ein deutlicheres Zeugnis dieser lästerlichen Vergesslichkeit als jene geschmäcklerische Kunstgesinnung, die sich von Dix skandalisiert fühlt und glaubt, es wäre heute an der Zeit, das Aas der Schlachtfelder als malerische Delikatesse zu erleben?«82 Im Kommentar Wolfradts klingt seine kritische Position gegenüber jenen zeitgenössischen kunsthistorischen Positionen an, die den schützengraben als anrüchig kategorisierten, damit ein milderes oder gar idealisiertes Abbild des Krieges beanspruchten und die existenziellen, gewaltvollen Ausmaße des Krieges gewissermaßen negierten. Dabei offenbart sich die Forderung nach noch mehr Deutlichkeit in der Darstellung – die in der Radiermappe von 1924 gegenwärtig ist – als Anspruch einer ungefilterten, realistischen Wiedergabe der Kriegsgeschehnisse. In der »geschmäcklerischen Kunstgesinnung« war bereits eine Nähe zur Kriegsidealisierung angelegt, die sich mit Vehemenz im Frühjahr 1933 zeigte, als Otto Dix aus politischen Gründen von seiner Dresdner Malerei-Professur entlassen wurde. So wurde Dix in der Begründung der Entlassung die Gefährdung des »Wehrwillens« zur Last gelegt.83 Wolfradt führt ferner die malerische Gewalt an, die als Spiegel zu den gewaltsamen Kriegsgeschehnissen des Ersten Weltkrieges zu deuten sei. Sie ist als widerständig gegenüber idealisierenden und beschönigenden, die physische Realität ausgrenzenden künstlerischen und kunsthistorischen Positionen einzuordnen: »Dix ist eine einzige Obstruktion gegen das subtile Bildchen, das so tut, als ob nichts gewesen ist. Im Übrigen ist gerade dieser ›Schützengraben‹ ein Beispiel malerischer Gewalt, schwärend in chaotischen Farben und sumpfiger Verstrick­ung; und Kritik könnte allenfalls und mit besserem Grund eine ge-

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wisse Unübersichtlichkeit des Ganzen zur Abschwächung des Eindrucks verantwortlich machen. Aus der grandiosen Anschaulichkeit der radierten Serie aber gibt es kein Entrinnen.«84 Anders als mit der achtenden, die unmittelbare Darstellungsweise der Kriegsrealität bejahenden Position Wolfradts setzte sich Otto Dix persönlich mit dem Kunsthistoriker und -kritiker Will Grohmann auseinander, dessen Beurteilung weit weniger anerkennend ausfiel. Grohmann trat als Autor in der cicerone. halbmonatsschrift für die interessen des kunstforschers und sammlers oder der balder-presse (1928) insofern kritisch in Erscheinung, als dass er die Kunstwürdigkeit von Dix’ Malerei in Frage stellte.85 Dabei attestierte Grohmann der Malerei des »Sachlichkeits-Fanatikers« Dix, dass sie nicht auf den zeitgebundenen, revolutionsbedingten Entwicklungen basierte, sondern bereits im Frühwerk (vor dem Ersten Weltkrieg) das Resultat einer unreifen, missverstandenen Anlehnung an historische florentinische Vorläufer gewesen sei.86 Der Artikel bildproblem und bildgestalt in der deutschen malerei der gegenwart von 1928 und die Korrespondenz mit dem Maler verdeutlichen die Gemengelage und darin sowohl Grohmanns Dix-Rezeption als auch eine der Position Wolfradts widersprechende Perspektive: »Nur soviel ist sicher, daß diese Einstellung [der Sachlichkeitsfanatiker] zur Welt sich nicht aus dem aufgeregten Chaos der Revolutionsjahre entwickelt, bei Dix z. B. ist sie schon in der Vorkriegszeit vorgebildet, aus Mangel an Erfahrung noch geschichtlich (florentinisch) mißverstanden. Man leidet an der Wirklichkeit, die sich drohend verengert, und bannt sie schließlich im Gerüst definierender, d. h. verselbständigender Linien und Farben. Auch harmlosen Dingen brennt sich das Stigma grausamer Formerfindung ein, die sich an Stacheldraht, Folterwerkzeugen, medizinischen Instrumenten erregt.«87 Zur Dix-Ausstellung der Galerie Neue Kunst Fides in Dresden begriff Grohmann die zirka 30 ausgestellten Arbeiten von Dix 1928 in der cicerone als Zeichen einer Krise, die sich in »Temperamentlosigkeit« gegenüber früheren Arbeiten manifestiert. Die Binarität von altmeisterlichen Bezügen und veristischen Eigenschaften wurde demnach von dem Neusachlichen abgelöst und als »erstarrt in bravurösem Können und wiederholter Lebensanschauung« bewertet. Die Weiterentwicklung des Verismus wird hier als Manko ausgelegt, indem Grohmann formuliert, die Arbeiten seien



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»so gut, wie die alten Meister und so aktuell wie die Gegenwart es fordert. […] Die Krise mußte mal kommen, man kann nicht fortgesetzt und unter Hochdruck visionäre Querschnitte durch anfechtbare Welten legen und gestalten. […] Nach der Ausstellung zu urteilen, wird Dix auf jedem Weg weiter kommen, auch auf dem, der manche früheren Freunde seiner explosiveren Bekenntnisse zunächst enttäuscht«.88 Zwar attestiert der Kritiker dem Maler eine zukunftsweisende Perspektive, die Bemängelung seiner künstlerischen Entwicklung entfachte jedoch einen Konflikt zwischen beiden. Die anschließende Korrespondenz zeigt das Konfliktpotenzial, das der Auseinandersetzung um die Kunst innewohnte und Dix schrieb: »[I]ch empfinde es als Feigheit und Verlogenheit[,] dass Sie im Atelier und bei mir zu Hause immer des Lobes voll waren – und dann in der Öffentlichkeit eine feige[,] schlappe und vorsichtig zehn mal gewendete Schreiberei von sich geben. Die Leute[,] die ›man‹ an statt ›ich‹ sagen[,] habe ich gefressen (siehe Einstein Kunstgeschichte)[.] Ich habe infolge dessen alles Vertrauen zu Ihnen verloren und halte es für zwecklos weiter in persönlicher Beziehung zu Ihnen zu stehen[.]«89 Auf seinen Vorwurf des Opportunismus und die Absage einer persönlichen Verbindung reagierte Grohmann mit einem Brief samt cicerone-Beitrag mit vergleichbar angreifender Härte: »1) Wenn Sie meine Besprechung verstanden hätten, könnten Sie keinen Gegensatz zu dem finden, was ich im Atelier oder Haus gesprochen habe. Die Besprechung ist durchaus positiv. 2) Der Cicerone ist nicht für Analphabeten, sondern für Leute, die Sie kennen. 3) Der Vorwurf der Feigheit wird schon dadurch gegenstandslos. Außerdem: Seit wann ist es feige, offen seine Meinung zu vertreten? 4) Sie haben sich furchtbar dumm und hilflos benommen. Merke: Anfangssemester mit Cartellträger. Außerdem feige: Wozu brauchen Sie einen Mittelsmann wo es doch Post und Telephon gibt. 5) Wenn Sie Ihre Dummheit einsehen, so schreiben Sie. Es sollte mich freuen. Sonst geht mirs wie Ihnen, und Sie finden mich auf der anderen Seite. Will Grohmann.«90 Wenig später publizierte auch der Kunstkritiker Franz Roh (1890 –1965) zu dieser Werkphase. In der neuen zürcher zeitung erschien am 7. März 1929 der Beitrag otto dix und die heutige malerei deutschlands. Darin rechnete er den Veristen Dix, neben Grosz, »einer pessimistischen Erschaffung« zu, welche die

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Schattenseiten der zeitgenössischen Gesellschaft thematisiert und einer »optimis­ tischen Bejahung der Dingwelt« wie bei Georg Schrimpf (1889–1938) widerstrebt. Beide, Dix und Grosz, bezeichnet der Verfasser als »neue Gegenstandsverhärtung« und »Stellungnahme zur bestehenden Welt«, worin ein Äquivalent zu der von Hartlaub aufgezeigten Bipolarität der Neuen Sachlichkeit erkennbar ist.91 »Wer das Leben dämonisch faßt, kommt leicht zur Anklage, so daß man einen Dix mit Recht als deutschen Hauptvertreter des ›gesellschaftskritischen Verismus‹ ansieht […]. Sicher nahm die Malerei von Dix oft kulturkämpferischen, ja politischen Einschlag an. Die Bestie Mensch, Perversionen[,] kalte Dämonie mißtrauischer Kleinstadtspießer, ausgehöhlte Arbeiter als Opfer des Kapitalismus sollten scharf herausgestellt werden. Aber dieser Aktivismus, diese Tendenzhaftigkeit war nicht Kern der Malerei von Dix (wie er mir selbst ausdrücklich sagte). Hatte die Mode von gestern von der ›Freiheit‹, vom Esoterischen der Kunst geschwärmt, so hatten diese Veristen zunächst als immerhin gesunden Gegenschlag behauptet, alle lebendige Kunst sei direkter Dienst an der Zeit, sei verkappter Aktivismus gewesen, habe Tendenz gehabt. Heute will Dix aber das zeitlose Grauen der Welt packen. Dix gehört damit in die Linie Bosch, Bruegel, Goya, Daumier.«92 Hiermit kategorisiert Roh den Maler als Veristen, kontextualisiert zugleich die politische Tendenz und bringt Dix’ Malerei in Zusammenhang mit einer »zeitlosen« gesellschaftspolitischen Dimension, die bereits benannten künstlerischen Vorbildern zuzuschreiben sei. Indem sukzessive eine Abkehr vom Verismus und damit eine Rücknahme der offensiven Gesellschaftskritik in Dix’ Malerei stattfand, trat die technisch und stilistisch altmeisterliche und damit konservative Komponente seiner Malerei in den Vordergrund.93 Der motivische Umbruch 1933 stellt in diesem Prozess das einschneidende Finale dar. Auf Dix’ moderate Entwicklung und Hinwendung zu den Alten Meistern – darunter jene der nordalpinen Renaissance und demzufolge die Maler der sogenannten Donauschule, Dürer und Cranach – und die Adaption ihrer künstlerischen Gestaltungsweisen nimmt auch der Kunsthistoriker Walter Holzhausen (1896– 1968) in seiner Besprechung zur Ausstellung in der Galerie Neue Kunst Fides (1932) Bezug: »Von dem Dix, der 1928 ausstellte und dessen krasser Realismus Für und­ Wider hervorrief, ist in dieser Ausstellung wenig zu sehen. Klarheit und eine ganz persönliche Zartheit haben sich entschieden durchgesetzt. Klarheit der



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Form geht mit Klarheit im Aufbau und Klarheit der durchsichtigen Malerei [einher]. In demselben Maße haben sich die Umkreise der Inhalte vom Zufälligen, Einmaligen, Merkwürdigen gereinigt. Sie haben sich auf wenige, auf die ganz unumstößlichen des Lebens konzentriert: das Kind, die Mutter, Mädchen, Jugend und Alter, den Maler und seine Frau, Selbstbildnis mit dem Kind. Drohend, dämonisch in der Zerstörung, unter bleichem Lichtschein ein Kriegsbild. […] Der Mensch, der hier im Bildmittelpunkt steht, ist der Mensch unserer Zeit. Dix lebt nicht in jener Tradition, die von Generation zu Generation Arbeitsweise und Aufgabe weitergibt. Er hat entschiedener die Brücke hinter sich abgebrochen, um weiter nach rückwärts die Verbindung wieder aufzunehmen. Er steht in einer Linie, die über Runge zu den Meistern der deutschen Renaissance zurückreicht. Nach Erfindung und Malweise.«94 Exemplarisch zeigt das von Holzhausen als Selbstbildnis mit dem Kind titulierte Gemälde selbstbildnis mit jan von 1930 die Anlehnung an Renaissance und Romantik.95 Sowohl der Porträttypus als Brustbild als auch die Gestaltung der lasierenden Mischtechnik verdeutlichen dies. Die vergleichende Betrachtung mit dem Tafelbild Lucas Cranachs d. Ä. die heilige sippe (um 1509/1510) offenbart Gemeinsamkeiten in Motivwahl und Gestaltung: Das Selbstporträt stellt Cranach im Detail vor einer Mauer und hellblauem Hintergrund dar. Neben dem Typus als Selbstdarstellung bindet auch Dix die motivisch gefasste Schwelle der Mauer im Hintergrund in seine Darstellung ein und eröffnet im Hintergrund einen hellblauen Himmel mit wenigen Wolken im oberen Bildbereich. Der hier angeführte, exemplarische Traditions-Exkurs bettet Dix’ Kunst in eben jenes kunsthistorische Bezugsverhältnis ein, das bereits zu Beginn des Jahrhunderts durch Henry Thode (1857–1920) forciert wurde. Dieser hatte anhand der Malerei von Hans Thoma (1839–1924) und dem Schweizer Maler Arnold Böcklin (1827–1901) eine konservative moderne Kunstgeschichtsschreibung vorangetrieben, setzte damit auf nationale Positionen und visierte eine kontinuierliche Entwicklung »der deutschen Kunst« an.96 Insofern wäre Dix’ Konservatismus mittels seiner künstlerischen Rückbezüge als Reflexion der eigenen Identitäts-Wahrnehmung als deutscher Künstler lesbar. Unter Beleuchtung seines motivischen Umbruchs ab 1933 wird diese Beobachtung umso dringlicher und macht eine Entkoppelung der Werkentwicklung von den zeitlichen Umständen obsolet. Die zeitgebundene Aktualität und die Frage nach einer »deutschen Art« spiegelt sich zudem in Ausstellungen unter Zurschaustellung von Dix’ Arbeiten wider. So fand 1932 im Ulmer Museum die Ausstellung deutsche romantische malerei der gegenwart statt, deren inhaltliches Profil durch den Direktor Julius Baum geprägt wurde.97 Die Exposition fragte nach einer »deutschen Art«, indem dort neben der Proklamation einer »heimatkundlichen

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Erweiterung der Neuen Sachlichkeit« ausschließlich Arbeiten deutscher Künstler­ innen und Künstler gezeigt wurden, um an die »originale Romantik« anzuknüpfen. Die Zeitschrift kunst für alle verweist darauf, dass dort Positionen wie Hans Thoma, Karl Haider (1846–1912), Carlo Mense (1886–1965), Alexander Kanoldt (1881–1965), Georg Schrimpf, Franz Xaver Fuhr (1898–1973) und Otto Dix als Beispiele deutscher Kunst präsentiert wurden.98 »Die allgemeine Entwicklung der deutschen Geistigkeit nach dem Kriege drängt zur Ergründung und zur Pflege des deutschen Wesens. Mit einer Eindringlichkeit, wie sie seit langem nicht mehr erlebt wurde, prüfen wir: was ist deutsche Art? Der Deutsche hat sich allzulange fremdem Urteil gebeugt. […] Das heutige Geschlecht verehrt den italienischen Dürer und den klassischen Goethe, aber es liebt sie nicht. Wir wollen heute deutsche Art, die sich auf sich selbst besinnt und nicht das Gute in der Ferne sucht. Hierzu gibt es in der Malerei und ­Plastik zwei Wege. Durchaus deutsch und nordisch ist der Expressionismus. Er ist die Kunst, die sich linear schon im Ornament der Völkerwanderungszeit oder in den krausen Linien der Spätgotik, farbig in der Leuchtkraft gotischer Fenster und in der Farbenglut eines Grünewald äußerte. Es ist die Kunst, die aus dunklem Drängen sich den Weg bahnt und deren größte nordische Meister der neuesten Zeit wie van Gogh, Munch und Nolde verehren. Neben ihr gibt es eine zweite deutsche Kunst, die gemessenere Wege geht. In ihr ist die Wildheit ursprünglicher Leidenschaft gebändigt, und von der deutschen Seele bleibt nur ungestilltes Sehnen, abgeklärte Heiterkeit, ein schmerzliches Resignieren und selbst ein Wühlen im Schmerze, das weltanschaulich wieder durchaus zum Expressionismus hinüberführt. Nur ist diese zweite Art der deutschen Kunst von der expressionistischen dadurch unterschieden, daß sie der Wirklichkeitsform mit größter Sorgfalt linear nachgeht. […] Die Freude an der Linie ist, solange wir eine deutsche Kunst kennen, ein besonderes Merkmal deutscher Art. Sie ist es heute wieder stärker denn seit Langem.«99 In den Begriffen »deutsch« und »nordisch« spiegelt sich eine Heimat-Konstruk­ tion wider, die mit der Forderung nach einer »deutschen Art« einer Rückwärtsgewandtheit gleichkommt. Durch die Proklamierung von Tradition im Sinne der Absage und Exklusion internationaler Strömungen wird ein nationalistischer Trend deutlich. Das bereits von Ludwig Justi 1921 thematisierte »deutsche Empfinden« am Beispiel Caspar David Friedrichs […] wird hier als »deutsche Seele« aufgefasst und als »besonderes Merkmal deutscher Art […] wieder stärker denn seit langem« begriffen.100 Dieses Erstarken ist gleichzusetzen mit Nationalisierungsprozessen, die avantgardistischen, progressiven Bestrebungen polar gegenüberstehen und



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sich etwa durch eine Instrumentalisierung historischer Vorbilder konstituieren. Die Ausstellung rekurriert nach Angaben der Zeitschrift die kunst für alle auf eine »deutsche Tradition«, die auf die Völkerwanderungszeit zurückzuführen sei. Darin spiegelt sich der seit Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum erstarkte Nationalismus, der sich im Kunstbetrieb besonders seit der Jahrhundertwende abzeichnete. Patriotische, nationalistische und schließlich faschistische Tendenzen in Deutschland sind im gesellschaftlichen und politischen Rahmen durch unterschiedliche Ereignisse und Entwicklungen markiert, wozu insbesondere der Erste Weltkrieg mit seinen soziokulturellen Folgen zählte. Die Veröffentlichung von Adolf Hitlers mein kampf 1925 kündigt die ideologischen, antisemitischen und faschistischen Bestrebungen an, die sich später in den Wahlergebnissen abbildeten. Dabei unterstreicht der prozentuale Wählerinnen- und Wählerzuwachs der nsdap in den Landtagswahlen der späten 1920er Jahre die zunehmende Bedeutung dieser Partei. Im kulturellen Kontext verlaufen die Ausstellung sowie die zunehmende Popularität der Romantik somit im Zeitzeichen der erstarkenden nationalistischen Entwicklungen. Auch die deutsche Landschaftsmalerei wurde durch diese nationalistischen Tendenzen geprägt, die bereits im 19. Jahrhundert in den kulturellen Entwicklungen und der bildenden Kunst erkennbar sind.101 Als Beleg für die spezifische RomantikRezeption gelten die zuvor angeführten Äußerungen von Guido Joseph Kern und Ludwig Justi zum nationalen beziehungsweise patriotischen Kontext. Beide führten insbesondere Caspar David Friedrich als repräsentatives Beispiel an, den auch Dix anerkennend wahrnahm und in seinem landschaftlichen Œuvre zwischen 1933 und 1945 rezipierte.102 Neben der Einzelausstellung otto dix, die im August und September 1932 im Kölnischen Kunstverein stattfand, war Dix zudem prominent auf der Herbstausstellung der Preußischen Akademie der Künste vertreten.103 Die dortige Zusammenstellung der Exponate erfolgte letztmalig unter der Mitwirkung von Max Liebermann, da die Neuwahl der Ausstellungskommission bis dato nicht erfolgt war. In der Ausstellung wurde neben Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), Max Liebermann (1847–1935), Franz Radziwill (1895–1983), Paul Klee (1879–1940) und anderen das Kriegstriptychon von Otto Dix gezeigt. Noch im Jahr vor dem Inkrafttreten der nationalsozialistischen Diktatur wurde folglich eines der bedeutendsten, den Krieg kritisch kommentierenden Werke des Malers bei einer der wichtigsten innerdeutschen Ausstellungen gezeigt. Dazu heißt es in der Berliner Rundschau: »Dix mag selbst gespürt haben, daß das starke Erlebnis, das in seinem Schützengrabenbild der ersten Nachkriegszeit zum Ausdruck kam, im Grunde ­einen

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schlechten malerischen Niederschlag gefunden hatte, als er in den Jahren 1929/32 sich noch einmal an die Aufgabe wagte, den Krieg darzustellen. Er ist diesmal mit rein legitimen Mitteln der Malerei vorgegangen und hat in der Tat die eine Seite des Krieges gemalt, mit einer Furchtbarkeit, die in der Gegenwart nicht ihresgleichen findet. Es ist eine apokalyptische Vision, phosphoreszierend im Grauen. Der zerrissene, tote Mensch und die Landschaft verwachsen im üppig wuchernden Vegetationsgebilde einer Tiefseewelt. Spätere Epochen werden sicher durch das im Grunde Ungeistige der Haltung des Malers eine größere Distanz zu diesem Bild einnehmen, aber sie werden dem Schauer der Erschütterung, die den Künstler gepackt hat, betroffen gegenüberstehen.«104 Neben avantgardistischen Arbeiten wurden dort auch als »neu« kategorisierte Landschaftsmalereien gezeigt, die dem Artikel nach als beschaulich und anerkennend wahrgenommen wurden und einen zeitgenössischen Trend abbilden. »Dass das Landschaftserlebnis eine neue eigene Form findet, ist bei den Jüngeren heute selten. Daher sind die kleinen ostpreußischen Gemälde von Alfred Partikel in ihrer schönen, breitgelagerten Ruhe, mit Feldern, Rainen, Häusern, Menschen und dem blauen Haff im Hintergrund, zuweilen sparsam in der Abwandlung der gleichen Farbe gestuft, eine erfrischende Begegnung.«105 Der Tendenz zur Landschaftsmalerei folgte auch Otto Dix nach seiner Entlassung im April 1933. Seine Äußerung im November 1932, »der Bildhunger der Menschen [habe] sich vorläufig an illustrierten Zeitungen & Fotos gesättigt«, kann bereits als Verweis auf die nachfolgende Ablösung vom gesellschaftskritischen Porträt, hin zum Schwerpunkt der regionalen Landschaft gedeutet werden.106 Dietrich Schubert stellte heraus, dass die Kategorisierung von Otto Dix als »Kulturbolschewik« bereits vor der sogenannten »Machtergreifung« stattgefunden hatte und Dix aufgrund der gesellschaftskritischen, veristischen Sujets bereits in der Weimarer Zeit Ablehnung erfuhr.107 Zwar fertigte der Maler bereits in dieser Schaffensphase Gemälde in altmeisterlicher Malweise, die Schubert als »altmeisterlicher Naturalismus« bezeichnet, und wurde als beispielhaft für die deutsche Romantik begriffen. Allerdings hebt der grundlegende Sujet-Wechsel hin zur Landschaftsmalerei 1933, mit dem Dix seinen Arbeiten die offensichtliche gesellschaftsund zeitkritische Komponente entzog, die Evidenz dieser einschneidenden Reaktion auf die offensive Ablehnung durch die Nationalsozialisten hervor. Daran wird eine kausale Kette deutlich, die mit gesellschaftspolitischen Problemen nach dem Ersten Weltkrieg einsetzte und die wiederum Dix’ Sujets, seine veristische und zugleich altmeisterlich-konservative Entwicklung bedingte und die rechten und konservativen



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Gemüter erhitzte. Dies wird am Beispiel des Gerichtsprozesses um das Gemälde mädchen vor dem spiegel von 1921 und zudem anhand der Äußerung des Sprechers des kampfbundes für deutsche kultur, Karl Zimmermann, über die »nackte Freude am Gemeinen und ethisch Negativen, das nur ekelt«108 unterstrichen.109 Als Folge des nationalsozialistischen Erstarkens und der 1933 einsetzenden Diktatur fand schließlich eine systemische und damit offizielle Ablehnung und Feme statt, die wiederum die künstlerische Abkehr vom charakteristisch gesellschaftskritischen Motiv bedingte. Somit sei Schuberts Darlegung um die Tatsache ergänzt, dass der eklatante motivische Umbruch auf die verhärtete politische Einwirkung zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund fokussiere ich die Frage, inwieweit Dix’ werkimmanenter Konservatismus mittels seiner künstlerischen Rückbezüge als Reflexion der eigenen Identitäts-Wahrnehmung als deutscher Künstler zu erachten ist. Dabei ist zu beleuchten, ob und in welcher Ausdrucksform der Maler weiterhin zeitkritischveristische Charakteristika in seinen Arbeiten der 1930er und 1940er Jahre einband. Diese Untersuchung ist Gegenstand der Analysekapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« sowie »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?«.

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Vgl. Forster-Hahn 2016, S. 109–128; Forster-Hahn 2014, S. 65–83; Marion Deshmukh, Françoise ForsterHahn u. Barbara Gaehtgens (Hrsg.): Max Liebermann and Internationals Modernism. An Artist’s Career from Empire to Third Reich, New York u. Oxford 2011, S. 142–155; Hans Belting: Die Deutschen und ihre Kunst. Ein schwieriges Erbe, München 1992. Zur Jahrhundertausstellung (1906) in Berlin siehe auch: Sabine Beneke: Im Blick der Moderne. Die »Jahrhundertausstellung deutscher Kunst (1775–1875)« in der Berliner Nationalgalerie 1906, Berlin 1999. Gustav Friedrich Hartlaub: Zum Geleit, in: Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus, Ausstellungskatalog, Städtische Kunsthalle Mannheim, 1925, ohne Paginierung. Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, hrsg. v. F. A. Brockhaus GmbH, Bd. 12, Leipzig u. Mannheim 2006, S. 284–285, s. v. »Konservatismus«. Will Grohmann: Bildproblem und Bildgestalt in der deutschen Malerei der Gegenwart, in: Die BalderPresse, Zeitschrift für neue und alte Kunst, Graphik und Kunstgewerbe, 4–3/1928, S. 126–141, S. 139– 140.

5

Grohmann 1928, S. 139 f.

6

Vgl. die Kapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« sowie »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?« im vorliegenden Band.

7

Vgl. Ernst Heimeran: Deutsche romantische Malerei der Gegenwart. Zur Ausstellung im Ulmer Museum, in: Die Kunst für Alle, Nr. 48/1932/1933, S. 46–48.

8

Zur Konstruktion von »deutscher« Tradition und Kunst sei exemplarisch auf die in der Weimarer Republik und besonders zur Zeit des Nationalsozialismus populäre »völkische« Schrift Julius Langbehns (1851–1907) verwiesen: Julius Langbehn: Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen, Leipzig, 1. Aufl. 1890.

9

Brief von Otto Dix an Ludwig Justi, Briefkopie im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin nach dem Original im Nachlass Justi Nr. 88, Akademie der Wissenschaft, Berlin, in: Lorenz 2013, S. 867.

10 Vgl. Belting 1992, S. 10; zur machtpolitischen Verbindung von Religion und Staat: vgl. Volker Weiß: Die autoritäre Revolte. Die neue rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017, S. 163 f. 11 Vgl. Belting 1992, S. 11 f. 12 Vgl. Weiß 2017, S. 159; Gollwitzer 1964, S. 155.

13 Gollwitzer 1964, S. 148. 14 Vgl. Belting 1992, S. 11 f. 15 Ibid., S. 13. 16 Friedrich Schlegel: Philosophie und Geschichte, München et al. 1971, S. 320–321, zit. nach: Weiß 2017, S. 162. 17 Vgl. Belting 1992, S. 18. 18 Ibid., S. 23. 19 Vgl. Festrede Heinrich Wölfflins [1914], zit. nach: ibid., S. 23 f. 20 Justi 1921, S. 31 f. 21 Vgl. Belting 1992, S. 49; Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes, München 1917. 22 Vgl. ibid. 23 Vgl. Mathias Eidenbenz: »Blut und Boden«. Zu Funktion und Genese der Metaphern des Agrarismus und Biologismus in der nationalsozialistischen Bauernpropaganda R.W. Darrés, Bern et al. 1993 (Europäische Hochschulschriften, Bd. 580), S. 2 f. Eidenbenz nimmt hier Bezug auf: Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes, ungek. Sonderausg. in einem Bd., München 1980; August Winnig: Befreiung, München 1926. 24 Walther Vogel: Boden und Geschichte, in: Propyläen Weltgeschichte, hrsg. v. Walter Goetz, Bd. 1, Berlin 1931, S. 51–76, S. 51 f., zit. nach: Eidenbenz 1993, S. 3. 25 Belting 1992, S. 33. 26 Julius Langbehn: Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen, Stuttgart, 85.–90. Aufl. 1938, S. 45. 27 Langbehn 1938, S. 55. Zum Individualismus heißt es: »Individualismus ist das herrschende Prinzip der Welt, soweit diese vom menschlichen Standpunkt aus beurteilt werden kann; zugleich aber ist es herrschendes Prinzip des Deutschtums. Durch einen derartigen direkten Bezug zum innersten Kern des Weltlebens wird Deutschland, wie es dies geographisch schon ist so auch geistig und künstlerisch zu einem Reich der Mitte gestempelt […].« Ibid., S. 48. 28 Georg Malkowsky: Die Kunst im Dienste der Staatsidee. Hohenzollerische Kunstpolitik vom Großen Kurfürsten bis auf Wilhelm ii., Berlin 1912, zit. nach: Belting 1992, S. 34.

Anmerkungen _ 71

29 Vgl. Belting, 1992, S. 35 f. 30 Vgl. ibid., S. 36.

44 Vgl. Julius Meier-Graefe: Entwicklungsgeschichte der Modernen Kunst. Vergleichende Betrachtung der Bildenden Künste als Beitrag einer neuen Ästhetik, Bd. I, Stuttgart 1904.

31 Ibid., S. 37. 32 Forster-Hahn 2016, S. 111. 33 Ibid., S. 127. 34 »Die Geschichte der deutschen Kunst des neunzehnten Jahrhunderts wird nach dem Muster der französischen erzählt und so eingeschrieben in die neu erfundene Geschichte der modernen Kunst, die als lineare ›Entwicklung‹ zum historiographischen Paradigma wird.« Ibid., S. 128. 35 Vgl. ibid., S. 119. 36 Ibid., S. 114. 37 Guido Joseph Kern: Vorwort, in: Aubert 1915, S. 4 f. 38 Justi 1921, S. 31 f. 39 Forster-Hahn 2016, S. 124 f. Die Autorin zitiert in Bezug auf die »Bereicherung des geistigen Nationalgutes« in: Ferdinand Laban: Die deutsche Jahrhundert-Ausstellung, in: Die Kunst für Alle, xxi/1905/1906, S. 266. 40 Vgl. Die Kunst im Dritten Reich, Illustrierte Monatsschrift für freie und angewandte Kunst, hrsg. v. Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der nsdap, Franz Eher Nachf., München 1937–1944 (1939 Umbenennung in: Die Kunst im Deutschen Reich).

45 Willi Wolfradt: Otto Dix, Leipzig 1924 (Junge Kunst, Bd.  41), S. 12 ff. Darin nimmt Wolfradt Bezug auf den Artikel von Julius Meier-Graefe: Die Ausstellung in der Akademie, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Jg. 63, 2. Juli 1924. 46 Paul Ferdinand Schmidt: Otto Dix, in: Otto Dix. Gesamtausstellung, Ausstellungskatalog, Galerie Neumann-Nierendorf, Berlin 1926 (Veröffentlichung des Kunstarchivs, Nr. 2/3), S. 6 f., zit. nach: Peters, in: Fröhlich 2002, S. 382. 47 Zur politischen Ikonografie der Naturkatastrophe vgl. Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Bd.  2, München 2011, S. 182–187, s. v. »Naturkatastrophe« (Tanja Wessolowski); Warnke 1992, zudem Ausstellungen wie: Entfesselte Natur. Das Bild der Katastrophe seit 1600, Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle 2018. 48 Zu Wilhelm Dodel vgl. Lorenz 2013, S. 971. 49 Brief von Otto Dix an Wilhelm Dodel, [1939, nach Kriegsbeginn, Hemmenhofen,] in: Lorenz 2013, S. 498. 50 Vgl. Grohmann 1928, S. 126–141, S. 139 f. Die Ausstellungsaktivitäten von Dix während der nsZeit – so etwa am Beispiel der Frühjahrsausstellung der Galerie Nierendorf 1935 Zwei deutsche Maler. Otto Dix und Franz Lenk – sind in Bezug auf den Rezensenten Grohmann ebenfalls zu nennen.

41 Forster-Hahn 2016, S. 125. 42 Harry Graf Kessler: Nationalität, in: Cornelia Blasberg und Gerhard Schuster (Hrsg.): Harry Graf Kessler. Künstler und Nationen: Aufsätze und Reden 1899–1933, Bd. 3, Frankfurt 1988, S. 128. Zuerst publiziert in Die Zukunft 4/1906, S. 17–27, zit. nach: Forster-Hahn, in: Jahrbuch 2016, S. 127.

51 Vgl. Uwe Fleckner: Carl Einstein und sein Jahrhundert. Fragmente einer intellektuellen Biographie, Berlin 2006, S. 147. 52 Carl Einstein: Die Kunst des 20. Jahrhunderts, Berlin 1926 (Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. xvi), S. 149. 53 Ibid.

43 Zum öffentlichen Diskurs über das Gemälde Schützengraben seit 1924, zur provokativen Wirkung des Gemäldes sowie unter anderem seiner Verfemung zur Zeit des Nationalsozialismus vgl. Kira van Lil: Ein perfekter Skandal. Der »Schützengraben« von Otto Dix zwischen Kritik und Verfemung, in: Uwe Fleckner (Hrsg.): Das verfemte Meisterwerk. Schicksalswege moderner Kunst im »Dritten Reich«, Berlin 2009 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 4), S. 49–74.

54 Vgl. Fleckner 2006, S. 145. 55 Mathias Wagner: »Die Wendung der Kunst zur kras­ sen Gegenwärtigkeit«. Dresdner Malerei zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit, 1920– 1922, in: Neue Sachlichkeit in Dresden (hrsg. v. Birgit Dalbajewa), Ausstellungskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister, 2012, S. 76.

72 _ »Deutsche Tradition« und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit

56 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 6. Februar 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 57 Zur Radiermappe Der Krieg von 1924 und KriegsThematik in der Dix-Forschung vgl. unter anderem Natalie Anne Haddad: Representing the Unrepresentable. Otto Dix’s Der Krieg and the Representation of Otherness in War, Phil. Diss. Typoskript, Art History, Theory and Criticism, University of California, San Diego 2016; Anne Marno: Otto Dix’ Radierzyklus Der Krieg 1924. Authentizität als Konstrukt, Petersberg 2015; Otto Dix. Der Krieg – Das Dresdner Triptychon (hrsg. v. d. Staatlichen Kunstsammlungen Dresden et al.), Ausstellungskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister 2014; Der Erste Weltkrieg und die Kunst. Von der Propaganda zum Widerstand (hrsg. v. Bernd Küster), Ausstellungskatalog, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, Gifkendorf 2008; Dietrich Schubert (Hrsg.): Otto Dix. Der Krieg. 50 Radierungen von 1924, Marburg 2002; Linda F. McGreevy: Bitter witness. Otto Dix and the Great War, New York 2001 (German life and civilization, Bd. 27); Matthias Eberle: Der Weltkrieg und die Künstler der Weimarer Republik, Stuttgart u. Zürich 1989 58 Sieben Originallithografien wurden »zum 10. Jahrestag des Kriegsbeginns« im Neuen Deutschen Verlag (Berlin W8, Unter den Linden 11) verlegt, deren Gesamterlös der Künstlerhilfe und den Kinderheimen der I. A. H. zugute kam. Darunter war Otto Dix neben Arbeiten von Künstlerkolleginnen und Kollegen wie George Grosz, Otto Nagel, Käthe Kollwitz, Willibald Krain, Rudolf Schlichter und Heinrich Zille vertreten. Es handelt sich dabei um Sujets mit konkretem Bezug auf den 1918 beendeten Krieg. Rudolf Schlichter und Willibald Krain haben jeweils Kriegsschauplätze gewählt. Vgl. Krieg, 7 Originallithografien, Gesamterlös für die Künstlerhilfe und die Kinderhilfe der I.A.H. Herausgegeben von der Künstlerhilfe: Otto Dix, George Grosz, Otto Nagel, Käthe Kollwitz, Willibald Krain, Rudolf Schlichter, Heinrich Zille. Zum 10. Jahrestag des Kriegsbeginnes, Neuer Deutscher Verlag, Berlin 1924. 59 Vgl. zu Dix’ Beteiligung an den solidarischen Projekten das Kapitel »Selbstreferenz als Ausgangspunkt zeit- und sozialkritischer Perspektiven« im vorliegenden Band. 60 Vgl. George Grosz: Der Weihnachtsbaum fürs deutsche Volk, 1923, Fotolithografie oder Stichätzung auf Papier, 32 × 21,6 cm / 44,3 × zirka 30,6 cm, es ist nur ein Exemplar bekannt, Estate of George Grosz (George-Grosz-Nachlass), Princeton, New Jersey. Alexander Dückers: George Grosz. Das druckgraphische Werk, Frankfurt a. M. 1979, Kat.-Nr. E 94. Die Darstellung wurde neben der Ausführung als Stich­ätzung auf Papier im Dezember 1923 als Titel-

blatt der Halbmonatsschrift Die Pleite veröffentlicht, sodass eine mediale Verbreitung durch das Periodikum erlangt wurde. Vgl. Die Pleite, Jg. 2, 9/Hungerweihnachten 1923, S. 1. Eine weitere, modifizierte Version dieser Arbeit von John Heartfield und George Grosz ist als Titelseite enthalten in: Die Kämpferin. organ der gesamtinteressen D. arbeitenden frauen, 12/1928, S. 1. 61 Karl Zimmermann, in: Kunstblatt, 4/1930, S. 128. Vgl. auch: Dietrich Schubert: Politische Metaphorik bei Otto Dix 1933–1939, in: Maria Rüger (Hrsg.): Kunst und Kunstkritik der dreißiger Jahre, Dresden 1990, S. 148. 62 Florian Karsch (Hrsg.): Otto Dix. Das graphische Werk, Hannover 1970. 63 In diesem Zusammenhang ist der Essay Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936) von Walter Benjamin zu beleuchten, in dem der Autor etwa die Begriffe Aura und Kultwert in Hinblick auf Veränderungsprozesse in der Kunst verhandelt, die im Zeichen der Vervielfältigungsmöglichkeiten stehen. Sowohl eine Infragestellung des Original-Begriffs – und damit einhergehend vielfach exklusiver Zugänglichkeit zu Kunstwerken – wie auch die Auseinandersetzung von Räumlich- und Zeitlichkeit der Rezeptionsmöglichkeiten in der Kunst resultieren daraus. Mit der Benennung und Kategorisierung von »Überbau« und »Unterbau« rekurriert der Autor zugleich auf die gesellschaftspolitische Differenzierung sozialer Schichten in oben und unten und darauf, dass diese auch als Differenzierung in der Kunstwelt existent und relevant ist. Benjamin konstatiert darin: »Es entsprechen diese Anforderungen [die zur ›Umwälzung des Überbaus‹ im gesellschaftspolitischen Sinne führten] aber weniger die Thesen über die Kunst des Proletariats nach der Machtergreifung, geschweige die der klassenlosen Gesellschaft, als Thesen über die Entwicklungstendenzen der Kunst unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen. Deren Dialektik macht sich im Überbau nicht weniger bemerkbar als in der Ökonomie. Darum wäre es falsch, den Kampfwert solcher Thesen zu unterschätzen.« Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit [1938], in: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Die drei deutschen Fassungen in einem Band, hrsg. v. Michael Holzinger, Berlin 2016, S. 61–85, S. 62. 64 Vgl. Dirk Dobke: Thorsten Brinkmann. the juggler, oder: Von der hohen Kunst Griffelkunst-Klassiker zu jonglieren, in: The Juggler – Thorsten Brinkmann (hrsg. v. Städtische Galerie Delmenhorst u. Griffelkunst-Vereinigung e.V.), Ausstellungskatalog, Städtische Galerie Delmenhorst, 2018, S. 228–243, S. 231.

Anmerkungen _ 73

65 Fritz Schumacher: Selbstgespräche. Erinnerungen und Betrachtungen, Hamburg 1949, S. 277. 66 Zu Lichtwarks Kunstpolitik und -vermittlung vgl. Nobumasa Kiyonaga: Alfred Lichtwark. Kunsterziehung als Kulturpolitik, München 2008 (Kontext Kunstpädagogik, Bd. 17); Alfred Lichtwark: Erziehung des Auges. Ausgewählte Schriften, hrsg. v. Eckhard Schaar, Frankfurt a. M. 1991; Alfred Lichtwark: Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken, nach Versuchen mit einer Schulklasse, hrsg. v. d. Lehrervereinigung zur Pflege d. künstlerischen Bildung, Dresden 1898

Zur näheren Betrachtung der veristischen Arbeiten von Otto Dix vgl. das Kapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« im vorliegenden Band.

67 Vgl. Belting 1992, S. 46–47. 68 Gustav Friedrich Hartlaub, in: Ein neuer Naturalismus? Eine Rundfrage des Kunstblatts, in: Das Kunstblatt 9/1922, S. 389–393, S. 390; vgl. auch: Wagner, in: Dalbajewa 2012, S. 76. 69 Belting 1992, S. 27 f.

77 Vgl. Hunger, 7 Originallithografien, Gesamterlös für die Hungerhilfe, Neuer Deutscher Verlag, Berlin 1924. Vgl. hierzu das Kapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« im vorliegenden Band. Zur Ausstellung in Amsterdam vgl. Schubert 1990, S. 148. 78 Fritz Löffler: Die Dresdner Secession 1919, in: Kunst im Aufbruch. Dresden 1918–1933, Ausstellungskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1980, S.  42. Vgl. auch Christoph Zuschlag: »Entartete Kunst« Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland, Worms 1995, S. 124. 79 Hans-Werner Schmidt: Otto Dix – »Der Krieg«. Ein verfemter Künstler und ein verstecktes Gemälde, in: Verfolgt und Verführt. Kunst unterm Hakenkreuz in Hamburg 1933–1945 (hrsg. v. Sigrun Paas u. HansWerner Schmidt), Ausstellungskatalog, Hamburg u. Marburg 1983, S. 116; vgl. auch: Zuschlag 1995, S. 130. 80 Vgl. Peters, in: Fröhlich 2002, S. 382. 81 Wolfradt 1924, S. 12 ff. Darin nimmt Wolfradt Bezug auf Julius Meier-Graefe: Die Ausstellung in der Akademie, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 63/1924, ohne Paginierung.

70 Vgl. ibid., S. 43 f. 82 Wolfradt 1924, S. 12 ff. 71 Zu den künstlerischen Vorbildern und Bezügen in Dix’ Malerei vgl. Colmar 2016; Colmar 1996; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 57–69; vgl. hierzu die Kapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« sowie »Rückzug in die Landschaft Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?« im vorliegenden Band. 72 Hartlaub, in: Westheim 1922, S. 390; vgl. auch: Wagner, in: Dalbajewa 2012, S. 76. 73 Vgl. Brief von Otto Dix an Ludwig Justi, Dresden, 12. April 1933, Briefkopie im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin nach dem Original im Nachlass Justi Nr. 88, Akademie der Wissenschaft, Berlin, in: Lorenz 2013, S. 866 f.

83 Killinger 1933, dka. Vgl. auch Dokumente zu Leben und Werk des Malers Otto Dix 1891–1969, Ausstellungskatalog, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 1977 (Archiv für Bildende Kunst. Materialien, Bd. 2), S. 71; Löffler 1981, S. 44; Heidrun Ehrke-Rotermund: Camoufliertes Malen im »Dritten Reich«. Otto Dix zwischen Widerstand und Innerer Emigration, in: Claus-Dieter Krohn, Erwin Rotermund, Lutz Winckler u. Wulf Koepke (Hrsg.): Exilforschung, München 1994 (Ein internationales Jahrbuch, Bd. 12), S. 128 f.; Schwarz u. Schwarz 1996, S.  71. Zu Otto Dix’ Entlassung im April 1933 vgl. das Kapitel »Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)« im vorliegenden Band. 84 Wolfradt 1924, S. 12 ff.

74 Otto Dix: Lebenslauf, o. J. (um 1924), Manuskript in Privatbesitz, hier zitiert nach: Bestandskatalog Otto Dix. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik (hrsg. v. Ulrike Rüdiger), Kunstsammlungen Gera, München 1997, S. 57.

85 Vgl. Grohmann 1928, S. 139 f. 86 Vgl. ibid. 87 Ibid.

75 Brief von Otto Dix an Ludwig Justi, Dresden, 12. April 1933, in: Lorenz 2013, S. 866 f. 76 Vgl. Peters, in: Fröhlich 2002, S. 381.

88 Ibid. 89 Brief von Otto Dix an Will Grohmann, ohne Datum [1928], Otto Dix Archiv 1928–2. Vgl. hierzu Lorenz 2013, S. 471.

74 _ »Deutsche Tradition« und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit

90 Brief von Will Grohmann an Otto Dix, ohne Datierung, Staatsgalerie Stuttgart, Archiv Will Grohmann, in: Lorenz 2013, S. 471. Zur Frühjahrsausstellung der Galerie Nierendorf (Berlin) 1935 erschien Will Grohmanns Besprechung Gewagte Begegnung. Otto Dix und Franz Lenk in der Galerie Nierendorf mit positiverem Tenor. 91 »Die neue Gegenstandsverhärtung konnte ganz verschiedener Stellungnahme zur bestehenden Welt entspringen: einer optimistischen Bejahung der Dingwelt (Idylliker, wie z. B. Schrimpf) oder einer pessimistischen Erschaffung (Dix, G. Grosz). Die einen erfassen die Tagseite des konkretisierten Daseins, weiden sich wieder an der Wohligkeit, die allen Dingen abgerungen werden kann. Die anderen geben die Nachtseite und zeigen, daß überall Dämonie, Bitternis und Tierheit lauern. Wer das Dasein als Harmonie interpretieren möchte, neigt aber immer zum Klassischen, so daß auf dieser Seite ein neuer ›Klassizismus‹ sich ergeben mußte. Wer das Leben dämonisch faßt, kommt leicht zur Anklage, so daß man einen Dix mit Recht als deutschen Hauptvertreter des ›gesellschaftskritischen Verismus‹ ansieht, einer Einstellung, die auch in der Literatur eine neue Rolle spielt, wo die nüchternkalte Konstatierungslust Ibsens, wenn auch auf völlig anderer Ebene nochmal erwachte. Auch der Positivismus in der Philosophie und Wissenschaft hat neue Chancen (vergl. Schlick und Carnap in Wien). Diese Nüchternheit, die waches Mißtrauen (gegen metaphysische Aufschwünge des Menschen als gefahrvoller Benebelungen) behält, ist auch bei Dix sinnvoller Grundzug, wenngleich dies manchmal in Verbissenheit ausarten kann.« Franz Roh: Otto Dix und die heutige Malerei Deutschlands, in: Neue Zürcher Zeitung, 427/1929, Blatt 1, in: dka, nl Dix, Otto, I, B 7a. 92 Roh 1929, dka. 93 Zur Altmeisterlichkeit, vgl. unter anderem Corlmar 2016; Colmar 1996; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 57–69. 94 Walter Holzhausen: Werke von Otto Dix. Galerie Neue Kunst Fides, in: Unbekannt, o. T., o. Datum [1932], in: dka, nl Dix, Otto, I,B 11a.

Museums zählten die französische wie deutsche Romantik und Impressionismus, Fauvismus, Expressionismus und Verismus. Vgl. Zuschlag 1995, S. 114. 99 Heimeran 1932, S. 46–48. 100 Ibid.; Justi 1921, S. 31 f. 101 Vgl. Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Band ii, München 2014, S. 87–94, s. v. »Landschaft, politische« (Matthias Krüger). 102 Zur Romantik-Rezeption am Beispiel Caspar David Friedrichs vgl. Nina Hinrichs: Caspar David Friedrich – ein deutscher Künstler des Nordens. Analyse der Friedrich-Rezeption im 19. Jahrhundert und im Nationalsozialismus, Kiel 2011 (bau+kunst Schleswig-Holsteinische Schriften zur Kunstgeschichte, Bd. 20). 103 Die Ausstellung Otto Dix des Kölnischen Kunstvereins fand vom 01. August bis 30. September 1932 statt, vgl. Peter Gerlach, Wilfried Dörstel u. Wulf Herzogenrath (Hrsg.): Kölnischer Kunstverein. Einhundertfünfzig Jahre Kunstvermittlung. Texte zu Bürgern, Bürgerverein und Kunstvermittlung, Köln 1989, S. 184; http://koelnischerkunstverein.de/ wp/1915-1938/ (Aufruf: 7. März 2018). 104 B. E. Werner: Zwischen Form und Erlebnis. Herbstausstellung der Akademie, in: Berliner Rundschau, 16. Oktobr 1932, ohne Paginierung, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 11a. 105 Ibid. Aus dem Artikel geht hervor, dass ferner Arbeiten der Maler Gustav Wiethüchter (1873–1946), Erich Nagel (1908–1971), Emil Orlík (1870–1932), Ulrich Hübner (1872–1932), Franz M. Jansen (1885– 1958), Rudolf Jacobi (1889–1972), Kurt v. Keudell (1896–1978), Klemens Wieschebrink (1900 –1971), Joachim Ringelnatz (1883–1934), Hans Purrmann (1880–1966) Teil der Ausstellung waren. 106 Ibid. 107 Vgl. Schubert 1990, S. 148; das Kapitel »Kann ein Bild-Motiv gefährlich sein?« im vorliegenden Band.

95 Otto Dix: Selbstbildnis mit Jan von 1930 (L 1930/2). 96 Vgl. Belting 1992, S. 37–38. 97 Heimeran 1932, S. 46–48. 98 Vgl. Unbekannt, o. T. (Kunst und Wissenschaft. Münchner Notizblatt), in: unbekannt, ohne Datum [um 1932], ohne Paginierung, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 11a. Zur inhaltlichen Ausrichtung des Ulmer

108 Karl Zimmermann, in: Kunstblatt, 4/1930, S. 128. Vgl. auch: Dietrich Schubert: Politische Metaphorik bei Otto Dix 1933–1939, in: Maria Rüger (Hrsg.): Kunst und Kunstkritik der dreißiger Jahre, Dresden 1990, S. 148. 109 Vgl. das Kapitel »Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche« im vorliegenden Band.

Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

»Was wir nicht sahen, war, dass der Mittler eines Kunstwerks nicht nur Kritiker, sondern Kunstpolitiker sein muss. Die Kritik fragt, was ein Kunstwerk als solches, für sich betrachtet, wert ist. Der Kunstpolitiker setzt solche Beurteilung höchstens voraus, um dann zu fragen: was Künstler und Kunstwerk innerhalb des Volksganzen, des Staates, der Nation gelten können. Damit wird er zunächst nur brauchbar finden, was überhaupt verständlich ist oder leicht verständlich gemacht werden kann (und nicht von aller an sich qualitätsvollen Kunst gilt das!), und er wird ferner nur anerkennen, was Inhalte verwirklicht, die seinen kulturpolitischen Zielen gemäß sind.«1 Die Situation des Malers Otto Dix im Kontext des Nationalsozialismus zu beurteilen, gestaltet sich bei näherer Auseinandersetzung als überaus diffizil. Einerseits wurde der Künstler von seinem Professorenamt an der Dresdner Akademie entlassen und während der sogenannten »Schandausstellungen« seit 1933 sowie der Femeschau entartete kunst 1937 und in der gleichnamigen Wanderschau bis 1941 rücksichtslos an den Pranger gestellt. Im Zuge der Ausstellungspraxis fand zudem eine ideologische, diskriminierende Rezeption des Malers und seines Werkes statt, wobei Dix’ Kriegsmotivik zu den zentralen, von den Nationalsozialisten als

76 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

»entartet« verfemten Objekten zählten. Andererseits deuten aber steigende WerkProduktionszahlen, vereinzelte Ausstellungsbeteiligungen, Aufträge und Verkäufe sowie seine Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste auf ein vermeintlich anerkanntes Künstlerleben hin.2 Wenngleich partiell Ausstellungen von Dix’ Arbeiten dokumentiert sind, ist seine Partizipation und Anerkennung im offiziellen Ausstellungs- und Kunsthandelsbetrieb infrage zu stellen. Grund hierfür bieten Ereignisse wie die Ausstellungsschließung im Hamburger Kunstverein und des deutschen Künstlerbundes 1936 sowie die Entfernung von zwei Gemälden im Geraer Kunstverein 1937. Zudem waren seine Präsentationsmöglichkeiten mit Inkrafttreten der Diktatur schlagartig rückläufig, sodass Dix’ positiv konnotiertes Vorkommen in der deutschen Kunstwelt nahezu erlosch. Das Gegenbeispiel einer selbstbestimmten Ausstellungs- und Verkaufspraxis stellt das Verdikt gegen den Maler und seine Arbeiten im Kontext der Femeschauen ab 1933 sowie im Zuge der aktion »entartete kunst« dar. 1946 wurde dem Maler seitens der Landesverwaltung Sachsen offiziell be­ stä­tigt und anerkannt, dass er einem Ausstellungsverbot unterlegen habe. Aller Wahrscheinlichkeit nach basiert diese Bezeugung auf den Vorkommnissen wie in Hamburg 1936 und Gera 1937. Öffentliche Museumsausstellungen unter Dix’ Beteiligung sind nicht dokumentiert, partielle Ausstellungsmöglichkeiten in Galerien und Kunstvereinen boten sich jedoch bis 1936 sowie in den Jahren 1940 und 1942, sodass ein offiziell verhängtes, generelles Ausstellungsverbot hier in Frage steht. Das von Dix 1950 in seinem Lebenslauf angeführte Verkaufsverbot ist insofern zu hinterfragen, als der Maler verschiedene Auftragsarbeiten anfertigte.3 So stimmen einige Aussagen des Künstlers nicht mit nachweisbaren Fakten aus der Zeit des Nationalsozialismus überein. Im Folgenden werden daher die kulturpolitischen Entwicklungen und Gegebenheiten der Zeit um Otto Dix skizziert, die in den Analysekapiteln zum Œuvre wiederum als Einflüsse auf die künstlerische Entwicklung des Malers untersucht werden. Die erzielten Erkenntnisse dienen als Grundlage, für das in den Kapiteln »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« und »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?« zu analysierende Werk auf seine politische Relevanz hin zu überprüfen. Dabei werden sowohl die Sujets als auch die ikonografischen, semantischen und formalästhetischen Elemente in den Blick genommen.



Femeausstellungen, Amtsenthebung und Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste _ 77

femeausstellungen, amtsenthebung und mitgliedschaft in der reichskammer der bildenden künste Ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten war für Dix nichts Neues. Wie eingangs dargelegt, hatte es bereits 1923 einen Aufruhr gegeben, im Zuge dessen der Künstler aufgrund »der Verbreitung unzüchtiger bildlicher Darstellungen durch die Ausstellung seines Gemäldes ›Mädchen am Spiegel‹ [beschuldigt]« wurde.4 Dank der Gutachten bedeutender Personen aus dem Kunstbetrieb – darunter Karl Hofer und Carl Einstein – konnte jedoch im Oktober desselben Jahres ein Freispruch erwirkt und somit eine Geldbuße sowie die Zerstörung des Gemäldes vermieden werden.5 Das Inkrafttreten des gesetzes zur wiederherstellung des berufs­ beamtentums vom 7. April 1933 hatte für den Maler zur Folge, dass er fristlos von seinem nicht beamteten Lehrstuhl an der Dresdner Akademie auf der Brühlschen Terrasse entlassen wurde, den er seit dem 1. Oktober 1926 bekleidet beziehungsweise ab 1927 ausgeführt hatte.6 Bereits am 6. April hatte Richard Müller, Direktor der Dresdner Akademie der Künste, hinsichtlich der Entlassung von Otto Dix an den Reichskommissar für Sachsen Manfred von Killinger (1886–1944) geschrieben: »Den mir heute Mittag fernmündlich gegebenen Auftrag, Prof. Otto Dix sofort von seinem Dienste zu entfernen, ihm das weitere Betreten der Akademie zu verbieten und ihm seine Entlassung aus dem Staatsdienste ohne Pension mitzuteilen, konnte ich noch nicht nachkommen, da Prof. Dix nach der in der Privatwohnung enthaltenen Auskunft in Gera weilt. […] [I]n der Akademie sind Vorkehrungen getroffen, dass Prof. Dix beim Betreten der Akademie von mir, oder bei meiner Abwesenheit von einem von mir Beauftragten von obigem Beschlusse in Kenntnis gesetzt wird.«7 Die Anwendung des Gesetzes durch die »Entfernung« und Dix’ »Verbot zum Betreten der Akademie« war also bereits am Tag vor dessen Inkrafttreten angeordnet worden. Das gesetz zur wiederherstellung des berufsbeamtentums legitimierte die Entlassung des Malers aus seiner Dresdner Professur nachträglich. Dies geschah zeitgleich mit Beginn der ersten Femeausstellungen. Zwar wurde Dix, entsprechend dem Gesetzestext, eine dreimonatige Lohnfortzahlung eingeräumt, es folgte jedoch die Aufforderung zur Räumung des Ateliers in der Akademie bis zum 27. April 1933.8 Das Ministerium für Volksbildung bestätigte, dass »in dessen Verwaltung durch Gesamtministerialabschluss vom 21. April 1933 die Angelegenheit der Staatlichen Akademie der bildenden Künste übergegan-

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gen sind [und] gemäß § 4 Satz 2 des Gesetzes vom 7. April 1933 (rgbi. S. 175) die Dienstbezüge bis Ablauf des Monats Juli 1933 gewährt werden«.9 Zur Begründung der Entlassung führte von Killinger an: »Abgesehen davon, dass sich unter Ihren Bildern solche befinden, die das sittliche Gefühl aufs Schwerste verletzen, und damit den sittlichen Wiederaufbau gefährden, haben Sie Bilder gemalt, die geeignet sind, den Wehrwillen zu beeinträchtigen. Danach bieten Sie nicht die Gewähr dafür, dass Sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten. Danach können Sie nach § 4 des Gesetzes vom 7. April 1933 (bgbi. S. 175) in Verbindung mit § 15 entlassen werden. Auf die Dauer von 3 Monaten nach der Entlassung werden Ihnen Ihre bisherigen Bezüge belassen (§ 4 Satz 2). Anspruch auf Ruhegehalt war mit Ihrer Anstellung nicht verbunden (Pkt. 4 des Dienstvertrags vom 1. Oktober 1926). Der Reichskommissar für das Land Sachsen.«10 Seine Malerei-Klasse, die sogenannte »Dix-Schule«, wurde aufgelöst und die Studierenden des Künstlers wurden an andere Professoren überwiesen.11 Ferner wurde angeführt, »daß jetzt keine Neuberufung einer Lehrkraft in Frage komme, dass ferner eine Wiedereinstellung von Prof. Dix ausgeschlossen ist«.12 Der Maler, des­­sen eigene Ausbildung bereits an der Dresdner Akademie stattgefunden hatte, wurde damit kompromisslos des Wirkungsortes verwiesen. Als Begründung hierzu führte der bis 1934 amtierende Direktor der Dresdner Kunstakademie Georg Lührig (1868–1957) an, dass »die weltanschaulich-menschliche Grundlage der Schule im Sinne der neuen Staats- und Kulturidee umgewandelt werden« müsse. Dieser schlussfolgerte: »Es erscheint nach erfolgter Besichtigung der Räume und der dort geschaffenen Arbeiten dringend nötig, dass dort ein künstlerisch und ethisch besser disziplinierter Studienbetrieb Platz greift & dass hinlänglich für Aufsicht und Führung gesorgt wird.«13 Die Entlassung machte somit schon 1933 deutlich, dass Dix’ bisheriges Kunstschaffen nicht länger akzeptiert sein würde. Zudem wurde seine Profession als Maler und Lehrender nicht allein infrage gestellt, sondern seine Qualifikation – die Dix aufgrund seiner Ausbildung als Dekorationsmaler und des Studiums an der Dresdner Kunstakademie bei Otto Gussmann (1869–1926) sowie seiner Tätigkeit und seines Erfolgs als Künstler erlangt hatte – von staatlicher Seite aberkannt.14



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11  Otto Dix. kriegskrüppel (mit selbstbildnis), 1920, Öl auf Leinwand, 150 × 200 cm, Verbleib unbekannt

Neben den scharf kritisierten Gemälden der 1920er und frühen 1930er Jahre wurde auch seine bis 1925 währende und damit längst beendete Mitgliedschaft in der Dresdner Sezession bemängelt.15 Zudem war Dix mit dem Dresdner Industriellen und Kunstsammler Fritz Bienert (1891–1969) befreundet, der als »Salonkommunist« und Pazifist galt.16 Wenngleich der Maler selbst als unpolitisch eingeschätzt wurde, hatte er doch mit seiner veristischen Malerei gesellschaftliche Missstände in den Blick genommen. Dies belegen Arbeiten wie das Gemälde und die gleichnamige Radierung kriegskrüppel, mit denen Dix die Versehrtheiten der Veteranen aufzeigte und damit nahezu unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges einen kritischen Kommentar abbildete (Abb. 11, Abb. 12).17 Aufgrund dessen wurden seine Arbeiten und er selbst durch nationalsozialistische Personen, Institutionen und Organe regelrecht angefeindet. Die Kriegsthematik nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle in der nationalsozialistischen Propaganda sowie Rezeption ein und zählt dementsprechend zum Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Kapitels. Eine Teilabschrift von Hans Hinkels Rede, die am 6. April 1933 im völkischen beobachter erschienen war, sandte Ludwig Gutbier an Dix. Inhaltlich vermag sie dem Vorgehen gegen den Maler im Zuge seiner Entlassung zu widersprechen. So heißt es darin zu der gestalterischen Freiheit, »[…] dass die Nationalsozialisten eine parteimässige Abstempelung der künstlerischen Gestaltung ablehnten und niemals die schöpferische Persönlichkeit irgendwie in ihrer Arbeit beengen wollten«.18 Und weiter zu der Beschaffenheit staatlicher Beschäftigungsverhältnisse:

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12  Otto Dix. kriegskrüppel 1920, Kaltnadelradierung, 25,9 × 3,4 cm / 32,5 × 49,8 cm

»In den staatlichen, den beamteten Stellungen müssten sich die Deutschen gerade auf künstlerischem Gebiet das Hausrecht vorbehalten. Die Nationalsozialisten seien in gesundem Sinne grosszügig und weitherzig, ganz besonders in allen künstlerischen Dingen.«19 Ein Ausschluss von Otto Dix aus dem Lehramt als Konsequenz der gesetz­ lichen Bestimmungen ist anhand der Formulierung im völkischen beobachter jedoch kaum zu vermuten. Die vermeintliche »Großzügigkeit in allen künstlerischen Dingen« verheißt sogar das Gegenteil. Diese Äußerung betraf folglich nur diejenigen Beschäftigten, die nicht gegen die ideologische Norm verstießen – sei es aus politischen, rassistischen, faschistischen oder gar, wie Dix, aus motivischen Gründen. Der Umgang mit Dix’ Amtsenthebung gilt als einschlägiger Beleg für den Umgang mit Personen, die ideologisch und systemisch als nicht-konform kategorisiert und aufgrund dessen verfemt wurden. Dix selbst wandte sich kurze Zeit nach seiner Entlassung an die Preußische Akademie der Künste, deren ordentliches Mitglied er seit 1931 gewesen war, um die Situation darzulegen und somit vermutlich weitreichenderen Folgen durch den damit einhergehenden Angriff auf seine Person entgegenzuwirken:20 »Als Mitglied der Preußischen Akademie der Künste fühle ich mich verpflichtet, Ihnen folgendes mitzuteilen: am 8.d.M. wurde ich aufgrund einer über mich im Jahre 1924 erschienenen Monographie (Klinkhardt & Biermann,



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J­ unge Kunst) durch den Reichskommissar von Killinger meines Lehramtes in der Dresdner Kunstakademie enthoben. Um in Umlauf befindlichen Gerüchten entgegen zu treten, versichere ich hiermit, dass ich niemals einer politischen Partei oder Organisation angehörte.«21 Mit dem Monografie-Verweis rekurrierte Dix auf Willi Wolfradts Publikation otto dix von 1924, worin der Autor auf Stimmen wie Julius Meier-Graefe Bezug nahm und die Anrüchigkeit des Gemäldes schützengraben wie auch der Radiermappe der krieg unterstrich. Der Beitrag polarisierte dahingehend, als Wolfradt die Brutalität und die dargestellte Gewalt in den Rezeptionsfokus nahm und seine Beobachtung und die damit kontextualisierte Wirksamkeit der Darstellungen auf die Betrachtenden nicht sachlich darstellte, sondern aus einer emotional intendierten, negativ geprägten, subjektiven Erfahrung heraus. Er ging so weit, den Maler als »Frontschwein« zu titulieren und ihm einen am Kunstmarkt und steigenden Verkaufszahlen orientierten hedonistischen Opportunismus zu attestieren.22 Noch wenige Monate zuvor war das Triptychon der krieg während der Herbstausstellung der Preußischen Akademie der Künste gezeigt worden, nachdem der entsprechende Karton im Rahmen der Mai-Exposition der Galerie Arnold in Dresden ausgestellt worden war. Dieser anerkennenden Kunstpolitik der Akademie 1932 zum Trotz fiel ihre Reaktion auf Dix’ Schreiben im Frühjahr 1933 keineswegs anerkennend, bestärkend oder gar solidarisch aus.23 Vielmehr wurde der Entlassung sowie der barschen Kritik an seinen Kriegsdarstellungen zugestimmt, woraufhin für Dix zudem die Beendigung der Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste folgte.24 Dort wurde im Mai 1933 seitens des Präsidenten Max von Schillings (1868–1933) der Versuch unternommen, bestimmte Mitglieder zum Austritt zu bewegen. Das betraf neben Dix unter anderem Mies van der Rohe (1886–1969), Paul Mebes (1872–1938), Ludwig Gies (1887–1966), Renée Sintenis (1888–1965), Emil Nolde (1867–1956), Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner und Edwin Scharff (1887–1955): »[…] die im August 1931 erfolgte Berufung von Mitgliedern in die Abteilung für die bildenden Künste durch den früheren Kultusminister Dr. Grimme hat, wie Ihnen bekannt, starken Widerspruch und einen bedauerlichen Zwiespalt in der Abteilung hervorgerufen. Durch Herrn Rudolf Belling erfahren wir, dass bei einer Anzahl der seinerzeit berufenen Mitglieder selbst der Wunsch besteht, zur Lösung dieses unerfreulichen Konfliktes beizutragen und sich unter Verzicht auf die Berufung zur ordnungsmäßigen Wahl gemäß den Bestimmungen des Status zu stellen. Es würde dies jedenfalls eine der berufenen Künstler wie der Akademie selbst würdige Lösung sein.«25

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Der Maler zog daraufhin – wie auch sein Kollege Karl Schmidt-Rottluff – die Konsequenzen und entgegnete am 17. Mai schriftlich mit einer Austrittsbestätigung.26 »Sehr geehrter Herr Präsident! Ihren Anregungen folgend trete ich hiermit aus der Preußischen Akademie der Künste aus[.]«27 Somit ist Dix’ Beendigung seiner Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste als erzwungen zu bewerten.28 Nachdem die Entlassung aus der Professur wie auch der Austritt aus der Akademie im selben Jahr je als politischer Gestus gegenüber dem Maler und seinem Werk zu bewerten ist, wäre die Verwehrung seiner Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste eine naheliegende Folgeerscheinung. Wie nachstehend aufgezeigt wird, ist eine Kammer-Mitgliedschaft jedoch eindeutig erwiesen. Die Teilhabe am Kunstleben setzte für alle Kunstschaffenden die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste und dort die Zugehörigkeit zum entsprechenden Fachverband voraus.29 Das Mitgliedsbuch von Otto Dix trägt die Nummer M 9023 und wurde am 1. Januar 1934 ausgestellt.30 Hieraus ergibt sich, dass der Maler im Zuge der ersten Mitgliedererfassung ab dem 15. Dezember 1933 in die Kammer aufgenommen worden sein muss. Zu den ab Frühjahr 1934 an die Mitglieder versandten Fragebögen, den eingeforderten Arbeitsproben, Abstammungsnachweisen und Stellungnahmen zur Person sind keine Akten bekannt. Auch fehlen die aufschlussreichen Angaben hinsichtlich der Mitgliedsbeiträge, welche die Kammer anhand der Einkommen festlegte.31 Es scheint, als habe es im Verlauf des Jahres 1934 Unklarheiten bezüglich der Mitgliedschaft von Dix gegeben.32 Dies belegt das auf den 4. August 1934 datierte Schreiben des Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste: »Die Überprüfung Ihrer Beschwerde hat ergeben, dass formal jede Handhabe für irgendwelchen Protest fehlt, nachdem die von jedem Aussteller freiwillig anerkannten Ausstellungsbedingungen im § 3 besagen: ›Die Auswahl der Kunstwerke wird von den einzelnen Künstlerverbänden vorgenommen. Ein Prüfungsausschuss prüft die erfolgte Auswahl, das Urteil des Prüfungsausschusses ist endgültig.‹ Die Werke von Dix konnten nicht zugelassen werden, da der Genannte bisher die Aufnahme in den für ihn zuständigen Fachverband der RdbK ›Bund Deutscher Maler und Graphiker e.V.‹ durch Nichtbefolgung der Anmeldung selbst verhindert hat.«33 Hierbei handelt es sich um das Antwortschreiben auf eine Beschwerde, die Dix’ Künstlerkollege Bernhard Kretschmar (1889–1972) an die Reichskammer der bildenden Künste gerichtet hatte, da Dix die Beteiligung an einer Ausstellung verweigert worden war.34 Dix selbst hatte seinen Freund und Künstlerkollegen Franz



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Lenk (1898–1968) darüber informiert, dass die verwehrte Mitgliedschaft in der Kammer als Schikane zu werten sei:35 »Ich wollte Ihnen bloß zur Orientierung mitteilen, dass ich mich für die Reichskunstkammer angemeldet habe aber nicht aufgenommen worden bin. Die Dresdner Maler Pietsch, Waldapfel und Richard Müller [und damit auch Initiatoren früher Femeschauen] haben sich das geleistet, und wie man sieht, hat der Dilettant immer noch mehr Recht als der Künstler.«36 Die Anmeldung erfolgte allerdings im selben Jahr. Dies belegt das im Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg erhaltene und auf den 1. Januar 1934 datierte Mitgliedsbuch wie auch die Tatsache, dass Dix zumindest teilweise am Kunstbetrieb des Deutschen Reiches mitwirkte.37 Die Kammer-Mitgliedschaft des Malers ist demnach belegt.38 Im 1937 von Hans Hinkel herausgegebenen handbuch der reichskulturkammer wird zum Berufsstand der Maler und Grafiker und der Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste dargelegt, dass »eine Klärung der Anschauungen eingeleitet worden [ist], die nach den trostlosen Zuständen in der Systemzeit naturgemäß nur langsam fortschreiten konnte. Die Reichskammer ist ständig bestrebt, diesen Klärungsprozess zu fördern und das Abstoßen der Ueberreste aus der chaotischen Geisteslage der Nachkriegszeit zu beschleunigen.«39 Die Begründung des regelrechten Rauswurfs aus der Dresdner Malerei-Professur verweist darauf, dass die Kriegsdarstellungen als Gegenstand der benannten »Zustände der Systemzeit« sowie als »Ueberrest der chaotischen Geisteslage« erachtet wurden. Ferner forderte Hinkel, dass »der Beruf des Malers wieder an bestimmte Voraussetzungen gebunden werden und die Berufswahl mit großem Verantwortungsgefühl« geschehen solle.40 Eine präzise Angabe, woran die Voraussetzungen gekoppelt waren und wie das Verantwortungsgefühl zu definieren war, fehlt. Abermals ist hier auf den Verlust der Professur 1933 zu verweisen. Die geschaffene Gesetzesgrundlage hatte es ermöglicht, den Maler zu entlassen, da seine Arbeiten nicht konform mit der nationalsozialistischen, kriegsverherrlichenden Propaganda waren.41 Bei diesem ersten beruflichen Einschnitt sollte es nicht bleiben. Bereits kurze Zeit nach der »Machtergreifung« wurde am 4. April 1933 die eindeutig gegen die Kunst der Avantgarden gerichtete Ausstellung kulturbolschewistische bilder in der Städtischen Kunsthalle Mannheim eröffnet, wobei Dix’ Gemälde arbeiter-

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knabe – das Werk ist auch heute im Besitz des Museums – neben Werken von 53 weiteren namhaften Künstlerinnen und Künstlern der Moderne wie Max Beckmann, George Grosz, Erich Heckel, Emil Nolde, Oskar Schlemmer (1888–1943) und anderen vertreten war.42 Nach Christoph Zuschlag handelte es sich um die erste Schau, »die [mit dem Schwerpunkt auf expressionistischen Werken und den 1925 von Gustav Friedrich Hartlaub in der Mannheimer Ausstellung die neue sachlichkeit: deutsche malerei seit dem expressionismus gezeigten Exponaten] allein ein diffamatorisches Ziel verfolgte.«43 In der Ausstellung kulturbolschewistische bilder, die von April bis Juni 1933 in der Städtischen Kunsthalle gezeigt wurde, zeigte sich bereits die Doppelmoral der nationalsozialistischen Kulturpolitik: Neben der dort eingerichteten »Schreckenskammer« wurde ein »Kabinett der Vorbildlichen« beziehungsweise »Musterkabinett« gezeigt, wo Mannheimer Künstler ausgestellt waren. Die anerkannte Kunst folgte demnach einer Biedermeierlichkeit, wohingegen die »entartet« zugeschriebenen Arbeiten vielmehr einen diversen Querschnitt der avantgardistischen Moderne wiedergaben. Diese Binarität schlug sich maßgeblich in der Ausstellungsstruktur nieder. In der Femeschau wurden die Gemälde dicht an dicht gehängt, im Unterschied zu einer Petersburger Hängung vielmehr mit der Intention, das Chaotische, vermeintlich Unverständliche der Arbeiten zu unterstreichen respektive zu konstruieren. Zudem waren Objektdaten wie Ankaufsjahr, teilweise gefälschte Ankaufspreise, Verkäufernamen sowie die »Rasse« der jeweiligen Künstler angegeben. Auch war der Eintritt für Jugendliche untersagt, da das Vorgeführte eine »Aura des Verbotenen […] und einen Sensationscharakter schuf«.44 In Zuschlags Grundlagenwerk »entartete kunst«. ausstellungsstrategien in nazideutschland (1995) wird das Ausstellungskonzept von 1933 wie folgt dargestellt: »Die Bilder waren aus dem Rahmen genommen, um sie als derer unwürdig zu brandmarken. Sie standen gleichermaßen ›nackt‹ am Pranger. Die Angabe der Ankaufspreise […] und der Verkäufer implizierte zweierlei: zum einen den Vorwurf der gewissenlosen Verschwendung oder gar Veruntreuung von Steuergeldern, der sich gegen die ehemalige Museumsleitung und diese als Repräsentantin eines ›überwundenen liberalistischen Zeitalters‹ richtete; zum anderen eine dezidiert antisemitische Komponente durch die Behauptung, die Händler, die pauschal als Juden bezeichnet werden, hätten die Museumsleute in betrügerischer Absicht getäuscht, um sich auf Kosten des ›deutschen Steuerzahlers‹ zu bereichern. […] Dabei wurden durch die Inflation bedingte hohe Ankaufspreise absichtlich nicht in Reichs- bzw. Goldmark umgerechnet, so dass sie der Bevölkerung als sehr hoch erscheinen mußten. Durch die Gleichsetzung der



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›Aktivitäten der jüdischen Kunsthändler‹ mit dem ›Eindringen des Marxismus‹ als Ursache des ›Verfalls der Kunst‹ wurden antisemitische und antikommunistische Attacken geschickt verquickt, entsprechende Ressentiments in der Bevölkerung gleichermaßen geschürt.«45 Demgegenüber glich die Hängung im »Musterkabinett« einer sachgerechten Galeriehängung, in der die Werke gerahmt an den Wänden fixiert waren.46 Alle benannten Aspekte kehrten 1937 im Rahmen der Femeschau entartete kunst gegenüber der grossen deutschen kunstausstellung in München wieder, wurden jedoch in ihrer nationalsozialistischen, »völkischen« Ausrichtung nochmals intensiviert. Die Mannheimer Schau kulturbolschewistische bilder wurde nachfolgend von zwei weiteren Institutionen übernommen.47 Ein »Verzeichnis der Leihgaben der Städtischen Kunsthalle Mannheim aus der Ausstellung Kulturbolschewistische Bilder an den Kunstverein München« belegt, dass auch Dix’ Gemälde arbeiterknabe in der Münchener Ausstellung mannheimer galerieankäufe (Kunstverein München, 25. Juni bis 12. Juli 1933) gezeigt wurde.48 Alle darin aufgeführten 32 Werke – darunter das Bild von Dix – wurden anschließend unter dem Ausstellungstitel mannheimer schreckenskammer seitens des Erlangener Kunstvereins in der Orangerie vom 23. Juli bis 13. August 1933 gezeigt.49 Dort war Dix’ Gemälde in einer Abteilung mit Grosz, Adler und Fuhr, Gleichmann und Schlichter gezeigt. Die Arbeiten kehrten im Anschluss in die Kunsthalle Mannheim zurück.50 Zwischen dem 8. und 30. April, und damit kurze Zeit nach Eröffnung der Mannheimer Schau, fand in der Badischen Kunsthalle in Karlsruhe die Ausstellung regierungskunst 1918–1933 statt. Dabei wurde – wie auch im Juli und August desselben Jahres in Erlangen – eine Gegenüberstellung vorgenommen, allerdings mit anderer Aussage: »die plakative Konfrontation von verfemter und favorisierter Kunst.«51 Hierbei sollte die sogenannte »Regierungskunst« – darunter besonders flämische, italienische, deutsche, holländische und skandinavische Gemälde – als »repräsentativer Ausdruck des deutschen Staates« fungieren. Wurden die modernen Referenzen auch der »Systemzeit« zugeschrieben, handelte es sich insbesondere um Arbeiten, die vor 1918 entstanden waren. Unter den 79 Papierarbeiten befanden sich neben Arbeiten von 21 anderen Künstlern auch Referenzen von Otto Dix, wobei ungeklärt ist, um wie viele und welche konkreten Blätter es sich gehandelt hat.52 Arbeiten von Dix waren in allen Vorläuferschauen zur großen Femeschau entartete kunst 1937 gezeigt worden, die nachfolgend thematisiert werden.53 Hieran wird deutlich, dass Dix’ Arbeiten wiederkehrend als Negativbeispiele zur propagandistischen Zurschaustellung eingesetzt worden waren.

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Auch in Nürnberg wurden im April Stimmen laut, die einerseits proklamierten, dass »wertvolle Kunstgegenstände der Öffentlichkeit vorenthalten« wurden und andererseits »unter der alten Herrschaft die deutsche bodenständige Kunst vernachlässigt und in den Hintergrund gedrängt worden [sei], um der angeblich neuen Kultur den Platz zu räumen«.54 Im Nachhinein dieses völkischen, anti-modern gefärbten Artikels wurde die Nürnberger schreckenskammer geplant, die am 13. April eröffnete und vom 17. April bis 16. Mai 1933 in der Städtischen Galerie stattfand.55 Im Rahmen der Ausstellung wurden die gezeigten Objekte als »Musterbeispiele entarteter Kunst mit Dirnenmotiven und proletarischen Zerrbildern im Sinne der marxistischen Weltanschauung« bezeichnet.56 Dort wurde neben 22 anderen Künstlerinnen- und Künstlerbeispielen Dix’ Gemälde bildnis der tänzerin anita berber angeprangert, zu dem es in der Nürnberger Zeitung vom 19. April hieß (Taf. 6): »Schon tauchte hinter ihr in einem roten Kleiderfetzen, der eng um eine unkeusche Hüfte hing, eine Frauenperson auf. […] Das Ganze ist das zum Leben erweckte Phantasiegebilde eines Abseitigen.«57 Im Anschluss an die Nürnberger Schau 1933 wurde es dort magaziniert. Zuschlag legt dar, dass Dix’ Gemälde von diesem Zeitpunkt bis 1938 drei Mal in Femeschauen gezeigt wurde. So gelangte es im Rahmen der Dresdener Wanderschau entartete kunst im September 1935 abermals in eine Schau der Städtischen Galerie Nürnberg. 1937 wurde es schließlich neben dem Aquarell kind im stuhl im Zuge der aktion »entartete kunst« in Nürnberg beschlagnahmt.58 Im folgenden Jahr wurde es im September unter anderem neben zwei Arbeiten von Gerhard Marcks in der Exposition europas schicksalskampf im osten in Nürnberg sowie anschließend im Rahmen einer Wanderausstellung unter anderem in Karlsruhe gezeigt. Im Zuge der »Verwertung der sichergestellten Verfallskunst« wurde es frühzeitig vom Propagandaministerium zurückgefordert. Neben dem Inventar zur ersten großen Beschlagnahme im Juli 1937 ist fotografisch dokumentiert, dass das bildnis der tänzerin anita berber im Depot Niederschönhausen eingelagert wurde und somit für die »internationale Verwertung« vorbereitet worden war. Zwischenzeitlich war es in zwei Stationen der Wanderschau entartete kunst sowie im Rahmen der Propagandaschau europas schicksalskampf im osten als Leihgabe gezeigt worden, die von der deutschen arbeiterfront – ns-gemeinschaf »kraft durch freude« in Salzburg inszeniert worden war. Zum Zwecke der »Durchführung der […] Verwertung der sichergestellten Verfallskunst« wurden die 71 Werke – und damit auch das Berber-Porträt – zurück nach Berlin geholt.59 Am 30. Juni 1939 wurde es erfolglos bei der Auktion gemälde und plastiken



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moderner meister aus deutschen museen der Galerie Fischer im Grand Hôtel National Luzern zum Kauf angeboten.60 Aus dem beschlagnahmeinventar »entartete« kunst von 1941/1942 – der sogenannten harry-fischer-liste, die vom Victoria and Albert Museum (London) digital zur Verfügung gestellt wird – geht zudem hervor, dass das Gemälde bildnis der tänzerin anita berber aus der Städtischen Galerie Nürnberg »ehemaliger Kommissionsbestand in Verwahrung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« gewesen ist.61 Wie bei Lothar Fischer angeführt, berichtete Otto Dix am 3. Dezember 1963 in einem Brief an Ernst Bursche dass er das Gemälde »für 18.000 dm« aus einem Mailänder Galeriebestand gekauft habe. Seit 2006 zählt es zum Besitz der Landesbank BadenWürttemberg und befindet sich als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Stuttgart.62 Aus einem Brief des Studienrats und 1933 eingesetzten Leiters der Städtischen Kunstsammlungen Nürnberg, Emil Stahl (1881–1940), an den Kunsthistoriker und Mitarbeiter Justis in der Berliner Nationalgalerie, Alfred Hentzen (1903–1985), geht hervor, dass mit der Nürnberger Femeschau lediglich die Kunstwerke, aber nicht die Künstlerinnen und Künstler angegriffen werden sollten.63 Die Korrespondenz rekurriert auf die Nürnberger schreckenskammer vom 17. April bis 16. Mai 1933. Dieser Umgang sollte sich auch in der Propagandaschau entartete kunst gegenüber der grossen deutschen kunstausstellung zeigen. Die Tatsache, dass unterschiedliche Arbeiten einer Künstlerin oder eines Künstlers zugleich in beiden Ausstellungen gezeigt wurden, oder Arbeiten namhafter »Blut-und-Boden«-Künstler wie etwa Werner Peiner (1897–1984) auch von der aktion »entartete kunst« betroffen waren, verdeutlicht das werkbezogene Ansinnen der Reichskammer der bildenden Künste beziehungsweise ihrer Funktionäre. Dennoch – und erneut war auch Otto Dix betroffen – wurden Künstlerinnen und Künstler auch persönlich angefeindet und denunziert. Dies geht etwa aus Wolfgang Willrichs (1897–1948) Pamphlet säuberung des kunsttempels (die 1. Auflage erschien im Januar 1937), dem ausstellungsführer »entarteten kunst« und der gleichnamigen Feme-(Wander-)Schau ab Juli 1937 sowie Erzeugnissen der nationalsozialistischen Presse hervor. Unter dem Titel kunst, die nicht aus unserer seele kam wurde vom 14. Mai bis Juni 1933 auch eine Femeschau im Städtischen Museum Chemnitz gezeigt.64 Der im April 1933 eingesetzte Direktor Wilhelm Rüdiger (1908–unbekannt) hatte im Vorfeld bereits seinen völkisch-radikalen Standpunkt in kulturellen Bezügen – sowohl die Literatur als auch die bildenden Künste und den Kunstmarkt betreffend – im völkischen beobachter mit antisemitischer, faschistischer Gebärde veröffentlicht. Rüdiger erkor den Expressionismus zum künstlerischen Hauptfeindbild und forderte im Rahmen der Chemnitzer Schau »alles der deutschen Rassenseele Fremde« auszumerzen.65 Neben den verfemenden Darstellungen der

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Expressionisten und des Bauhauses wurde auch Dix ins Visier genommen, als »intimer Kenner und Darsteller des Untermenschentums« angefeindet und ihm damit nach Zuschlag eine Minderwertigkeit im weltanschaulichen Sinne unterstellt.66 Das Vorgehen, diese Rhetorik mit Auszügen aus Beiträgen von Kunstkritikern zu verbinden, sollte in der Schau von 1937 manifester Bestandteil werden und kann somit bereits als verfemendes Vorläuferkonzept erachtet werden.67 Unklar ist, ob Arbeiten von Dix von der durch Rüdiger nach Ende der Ausstellung angestoßenen und bis 1937 durchgeführten Verkaufs- und Tauschaktion betroffen waren. Da unter anderem die Galerie Gerstenberger in Chemnitz zu den Abnehmern dieser Werke zählte und Dix’ Arbeiten noch 1940 Teil der weihnachts-ausstellung Gerstenbergers waren, ist dies naheliegend.68 Im Rahmen der Ausstellung novembergeist – kunst im dienste der zersetzung, die im Juni 1933 in der Graphischen Abteilung des Stuttgarter Kronprinzenpalais stattfand, wird die persönliche Anfeindung des Malers Otto Dix zum zentralen Element. Der Ausstellungstitel novembergeist leitet sich aus dem nationalsozialistisch-propagandistisch eingesetzten Begriff »Novemberverbrecher« mit Bezug auf die demokratische Politik seit Ausrufung der Weimarer Republik ab. Zuschlag zeigt an, dass sich hierdurch der Ausstellungsschwerpunkt auf die kritischen Realisten und Veristen erschließt. Daher waren neben Arbeiten von Grosz insbesondere auch jene von Dix betroffen.69 In Stuttgart wurden im Zuge der propagierten Geringschätzung nicht mehr nur die angeprangerten Kunstwerke geschmäht, sondern die künstlerischen Erzeugnisse im Zusammenhang der »Gesinnung« ihrer Urheber begriffen und somit konkret die jeweiligen Personen diskriminiert. Zuschlag gibt an, dass bereits jene Rhetorik propagiert wurde, die im Ausstellungskonzept der Femeschau 1937 Verwendung fand, so beispielsweise »bewusste Wehrsabotage« oder »Verhöhnung der deutschen Frau«.70 Letzterer Titel wurde bei der Münchner Ausstellung entartete kunst 1937 in großen Lettern oberhalb der Gemälde und Reproduktionen von Karl Hofer, Paul Kleinschmidt (1883– 1949), Heinrich Hoerle (1895–1936) und Otto Dix an der Wand platziert. Zum ideologischen Hintergrund und Ansinnen der Ausstellung führte der schwäbische merkur vom 14. Juni 1933 an: »In der Ausstellung wird eine Fülle von Beispielen vorgeführt, in denen Künstler von zweifellos hohen artistischen Fähigkeiten ihre Kunst dazu mißbraucht haben, in den Dreck zu ziehen, was dem sein Deutschtum liebenden Bürger heilig war: Vaterland, das deutsche Lied, die deutsche Frau, das Heidnische, das Schöne, das Fromme, das Gemütvolle.«71



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In diesem Zusammenhang ist es wenig erstaunlich, dass Dix’ Radiermappe der krieg von 1924 als zentrales Exponat der Ausstellung diente und als pazifistisch angeprangert wurde.72 Da pazifistische oder anti-heroische künstlerische Positionen als Gegenpol zur kriegsorientierten, nationalistischen Ideologie angesehen wurden, bedeutete die Ablehnung von Dix’ Kriegsmotivik eine kriegspolitischideologisch bedingte Konsequenz nationalsozialistischen Denkens. Inwiefern seine Arbeiten als pazifistisch zu deuten sind, ist diskutabel, würde dieser Begriff doch die entsprechende Intention und Haltung des Urhebers (also Dix) zugrunde legen. Er selbst war freiwillig als Offizier im Ersten Weltkrieg und lehnte den PazifismusBegriff für sich ab. Allerdings lassen die Darstellungen lebloser Leiber, zerfetzter Körper und anderer Morbiditäten, die ein Entsetzen der Rezipierenden adressieren, keine heroisierende, beschönigende Perspektive auf den Krieg erkennen. So verwundert auch die Schärfe der Argumentation nicht, die Dix’ Amtsenthebung von seiner Professur zugrunde lag. Neben der Kriegsmappe wurden zudem drei Lithografien, eine Radierung und ein Foto bei der Schau gezeigt.73 Im württembergischen staatsanzeiger heißt es dazu, Dix’ Darstellungen beruhten auf »der absichtlichen Beschränkung auf die grausigen Nachtseiten [des Krieges]. Als Heldenehrung ist natürlich ein Kriegszyklus wie der von Dix nicht geeignet«.74 Damit wurde abermals die Grundlage seiner Entlassung untermauert sowie die ideologische, anti-pazifistische und kriegsorientierte Stoßrichtung der Nationalsozialisten propagiert. Der Abschlussbericht der »Verwertung der Produkte entarteter Kunst« sowie einen Tagebucheintrag von Joseph Goebbels (1897–1945) erklären zudem die heftige Anprangerung vermeintlich pazifistischer Kunstobjekte im Kontext des nationalsozialistischen Rüstungs- und Kriegsinteresses. Darin heißt es auszugsweise: »Die erzielten Deviseneinnahmen sind gemäß Weisung des Führers der Reichsbank und damit der deutschen Kriegswirtschaft zugeflossen.«75 Goebbels notierte im November 1939 in seinem Tagebuch: »Entartete Kunst hat uns viel Devisen eingebracht. Gehen in den Kriegstopf hinein und werden nach dem Kriege wieder für Kunstkäufe eingesetzt.«76 Den ideologischen Kriegskontext aufgreifen, erläutert Andreas Hüneke: »Die Rede von ›Volk ohne Raum‹ [diente] ja gerade dazu, diese Gefahr [des Klassenkampfes] zu beseitigen und den ›internationalen Bolschewismus‹ zusammen mit dem ›Weltjudentum‹ als verschworene Feinde des ›deutschen Volkes‹ zu inkriminieren. Damit stellt sich die Aktion ›Entartete Kunst‹ deutlich in die Reihe der Maßnahmen zur ideologischen Kriegsvorbereitung. […] Das Feindbild wurde geschärft.«77

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Dies zeigt sich insbesondere an der von Adolf Hitler (1889–1945) im August 1936 verfassten »Denkschrift« zum sogenannten »Vierjahresplan«, aus der hervorgeht, dass das Militär binnen vier Jahren einsatzbereit und die Wirtschaft kriegsbereit sein müsse.78 Ferner manifestiert sich die Kriegspropaganda anhand der Ausstellung gebt mir vier jahre zeit, die zwischen dem 30. April und dem 20. Juni 1937 auf dem Ausstellungsgelände am Funkturm realisiert wurde und eine Verherrlichung des Militärs propagierte.79 Das Interesse an der Kriegsthematik seitens des für die Schau Verantwortlichen, Klaus Graf von Baudissin (1891–1961), zeichnete sich durch seinen ursprünglichen Plan ab, eine Ausstellung im anfang war der krieg zu realisieren.80 In Folge der Stuttgarter Ausstellung veranstaltete das Städtische Museum Bielefeld vom 20. August bis 18. September desselben Jahres die gleichnamige Schau novembergeist. Hierzu hatte der Museumsdirektor Eduard Schoneweg (1886–1969) Leihgaben vom Stuttgarter Kronprinzenpalais angefragt, die aus der entsprechend bei Zuschlag abgebildeten Liste der Leihgaben hervorgehen. Darunter befanden sich neben Arbeiten von Grosz, Beckmann und Felixmüller auch fünf Positionen von Dix: »3 Lithos, 1 Radierung, 1 Photo[.]«.81 In der Bielefelder Presse wurde am 19. August die diskreditierende Pressemitteilung des Städtischen Museums veröffentlicht und darin die gezeigten künstlerischen Positionen im zeitlichen Zusammenhang geringschätzig dargestellt: »Man findet die bekanntesten Vertreter des Novembergeistes: Otto Dix, George Grosz, Felixmüller, Archipenko, Beckmann, Kleinschmidt, Meidner u.a. die bis zum 5. März 1933 als Große im Reiche der Kunst galten und deren Zersetzungsarbeit der deutsche Bildungsphilister mit bewunderndem Augenaufschlag hinnahm […].«82 In der aus Presseberichten generierten Rekonstruktion der Femeschau zehn jahre ulmer kunstpolitik, die vom 4. August bis zirka 8. September stattfand, sind zahlreiche Exponate benannt. Welche Arbeit von Dix gezeigt wurde, geht daraus nicht hervor, jedoch, dass sich seine Arbeiten unter den präsentierten verfemten Positionen befanden.83 Einen Beleg hierfür liefert neben der Ausstellungsrekonstruktion unter anderem ein Artikel der Ulmer Tageszeitung: »Mit sezierender Schärfe, aber mit der Eiseskälte des Arztes wird bei [George Grosz] und bei Otto Dix, der bereits der neuen Sachlichkeit angehört, […] die allerscheußlichste Wirklichkeit darstellt.«84 Die Vorkommnisse in Dresden im September 1933 stellen einen besonders schwerwiegenden Einschnitt für den Maler dar, handelte es sich doch bis 1933 um sein Lebens- und Arbeitszentrum, an dem eine der bedeutendsten Femeausstellung



Femeausstellungen, Amtsenthebung und Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste _ 91

unter Hinzuziehung von Dix’ zentralen Gemälden stattfand. Im Lichthof des Neuen Dresdner Rathauses eröffnete die Femeschau entartete kunst. Sie umfasste insgesamt 207 Objekte (42 Gemälde, 10 Plastiken, 43 Aquarelle, 112 Grafiken) mit dem Schwerpunkt auf expressionistischen und gesellschaftskritischen Positionen.85 Als Wanderschau fand sie in den folgenden vier Jahren in elf deutschen Städten statt und wurde als vorbildhaft für die 1937 im Juli eröffnete gleichnamige Schau kategorisiert und rezipiert.86 Als Beispiele »entarteter Kunst« wurden dort Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern zur Schau gestellt, die linkspolitischen Gruppierungen angehört hatten – namentlich der dresdner secession gruppe 1919, der neben anderen auch Otto Dix angehörte, und der assoziation revolutionärer bildender künstler deutschlands (asso).87 Der Werkliste zur Dresdner Ausstellung entartete kunst ist zu entnehmen, dass ein Großteil der Mitglieder beider Gruppen mit Arbeiten vertreten war.88 Dix’ Kriegsdarstellungen zählten hier zu den im negativen Sinne populärsten der vielfach angeprangerten Exponate. Der Maler selbst wurde im Zuge der Schau als »Kulturbolschewik« bezeichnet.89 Die Dresdner Schau gilt als die wichtigste Vorläuferausstellung für die ab Juli 1937 einsetzenden Femeschauen im Rahmen der aktion »entartete kunst«. Im Gegensatz zu den lokal ausgerichteten »Schreckenskammern« wurde sie als Wanderschau weitergeführt. Ab 1937 wurde das schon 1933 initiierte Konzept mit größerer Breitenwirkung aufgegriffen und fortgeführt. Eine von den Nationalsozialisten erstellte sogenannten »Schwarze Liste« – eine »Proskriptionsliste« – war Gegenstand der Korrespondenz zwischen Oskar Schlemmer und dem Kunsthändler Karl Nierendorf. Darin heißt es, dass sie jene Künstler namentlich erfasse, die bereits in der Dresdner Femeschau gezeigt worden waren und zu denen auch Otto Dix zählte. Schlemmer verwies darauf und bat Nierendorf um Auskunft, ob es den Tatsachen entspräche, dass die Namen all jener, die in der Ächtungsliste erfasst seien »in Deutschland nicht in der Öffentlichkeit genannt werden [dürfen]«, was Nierendorf mit der Notiz bestätigte, dass dieses Verbot nur teilweise Beachtung gefunden hat.90 Insofern eine derartige Liste existierte und die »Proskription« umgesetzt wurde, wäre Dix’ Nennung darin naheliegend, zumal das schwarze korps 1935 forderte, »Die liberalistischen Kunstkritiker sind gebeten, […] ihr sehr verdächtiges Vorhaben, den Maler Otto Dix zu rehabilitieren und ›gleichzuschalten‹, schleunigst aufzugeben!« In der Folge wurden kaum weitere Ausstellungen unter Beteiligung von Dix’ Arbeiten gezeigt (mit Ausnahme der diskreditierenden Femeschauen).91 Die Vorläuferfunktion manifestierte sich im inhaltlichen und propagandistischen Konzept, indem ein Feindbild kreiert wurde, um somit eine der völkischen Propaganda entsprechende Kunst im Sinne der Konstruktion einer deutschen Tradition durchzusetzen. Die Wort-Kreation »jüdisch-bolschewistisch« rekurriert dabei neben der Anfeindung aller parteipolitisch opponierenden Menschen auf den ideo-

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logisch manifestierten Antisemitismus. Grundlegend für die nationalsozialistische »Germanisierungspolitik« war die »Blut-und-Boden«-Theorie, die auf der »ns-Rassenkunde« basierte, wonach Menschen in höhere oder niedrigere »Rassen« kategorisiert wurden und dies als infame Grundlage die Ermordung unzähliger Menschen nach sich zog.92 Zur Konstituierung eines künstlerischen Feindbildes hatten die VorläuferFemeschauen ein hetzerisches Bild moderner künstlerischer Positionen geschaffen. Im Zuge dessen wurden Künstlerinnen und Künstler auch durch die persönliche Anfeindung in der Öffentlichkeit diskriminiert. Davon war auch Otto Dix betroffen, wobei seine beiden Gemälde kriegskrüppel und schützengraben zu den populärsten Exponaten zählten, um die propagierte künstlerische und »geistige Entartung« öffentlich anzuprangern und somit die völkische und kriegsbejahende Ideologie politisch und gesellschaftlich zu etablieren.93 Grund hierfür ist das zwischen Dokumentation und Kommentar changierende bildnerische Aufzeigen der tatsächlich erlebten Gräuel und Folgen des Krieges. Diese widersprachen dem heroisierenden Ansinnen seitens der Nationalsozialisten, eine breitenwirksame patriotische Haltung gegenüber dem Krieg in der Bevölkerung zu manifestieren, wie Dix’ Entlassungsschreiben bereits zeigte. Zu den in Dresden vorgeführten Arbeiten sind folgende Angaben zum jeweiligen Werktitel, dem Ankaufspreis und der Verkaufssumme vermerkt, die Aufschluss über die angeprangerten Sujets und ihre Wertzuschreibung boten: »Name Otto Dix ders. ders. ders. ders. ders. ders.

Bezeichnung […] Der Krieg Kriegskrüppel Sonnenaufgang Matrose u. Dirne Streichholzhändler Kriegskrüppel Sappenkopf

Technik Öl Öl Öl Rad. Rad. Rad. Rad.

Ankaufspreis M. 10000 Geschenk Gesch. 50 50 50 125

Verkaufssumme rm 2000  300  100   20   20   20   30«94

Es handelte sich folglich primär um Darstellungen mit Kriegsbezug sowie zwei Porträts: einerseits mit Armutskonnotation (streichholzhändler von 1920), andererseits mit Bezug zum Rotlichtmilieu (matrose und dirne von 1920). Neben den als pazifistisch angeprangerten Arbeiten waren den Ausstellungskonzeptionisten – Richard Müller und Ernst Zörner (1895–1960) – also auch die sozialen Milieus ein Dorn im Auge. Dies verwundert nicht, da der Maler seine Motive mit soziokritischem Blick wiedergab, vielfach untere soziale Schichten abbildete und deren Milieus entsprechend ungeschönt herausarbeitete und überzeichnete. Auch



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hier handelt es sich folglich nicht um heroisierende oder idealisierte Darstellungen, sondern um zeitkritische, kommentierende und damit politische Arbeiten. Aus dem Verzeichnis der in Dresden gezeigten Arbeiten geht hervor, dass neben den genannten Arbeiten nachweislich das Gemälde sonnenaufgang von 1913 sowie Radierungen aus der Kriegsmappe von 1924 – kriegskrüppel und sappenkopf – ausgestellt wurden.95 Die An- und Verkaufspreise wurden – wie auch in anderen Vorläuferausstellungen – in der Schau vermerkt und somit wurde die Ankaufspolitik zur Zeit der Weimarer Republik als Negativbeispiel vorgeführt und den Besuchenden zugleich die Wertminderung im Zuge der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler vor Augen geführt. Zudem führt Zuschlag an, dass auch hier meist Inflationssummen angezeigt wurden, um so die vermeintlich horrenden und unverhältnismäßig hohen Ankaufssummen vorzuführen.96 Richard Müller, mit dem Dix bereits während seiner Lehrtätigkeit an der Dresdner Kunstakademie Schwierigkeiten gehabt hatte und der im März 1933 zum Direktor der Akademie ernannt worden war, gilt neben dem Dresdner Oberbürgermeister Ernst Zörner sowie dem Führer der Gaufachgruppe der Bildenden Künste in Sachsen Walther Gasch (1886–1962) und dem Stadtrat Wilhelm Waldapfel (1883–1965) als Initiator beziehungsweise Hauptbeteiligter der Femeschau.97 Zörner veranlasste ferner, dass beim Einlass der Dresdner Femeschau folgender, im deutschen kunstbericht 1933 zitierter Passus ausgehängt wurde, in dem neben der monetär begründeten Propaganda (Steuergelder für »entartete« Kunsterzeugnisse) auch die durchschlagende Popularität der Ausstellung, eine geistige Schmähung im Sinne »bolschewistisch-jüdischer Geistesherrschaft« und Rückkaufgesuche von betroffenen Künstlerinnen und Künstlern thematisiert wurden: »[Auf] Veranlassung des Oberbürgermeister [wurde] folgende Einführung am Eingang zum Lichthof aufgehängt: ›Diese Ausstellung soll zeigen, in welchem Sumpf von Gemeinheit, Unfähigkeit und krankhafter Entartung die vordem so hohe, reine und edle deutsche Kunst in fünfzehn Jahren bolschewistisch-jüdischer Geistesherrschaft hinabgesunken war. […]‹ Dass diese Einführung auch von der Presse berichtend abgedruckt werden musste, die durch hier Kunstschriftsteller dem Unwesen 1 ½ Jahrzehnte hindurch Vorschub leistete, ist ein Genuss für sich. D. K. 77.«98 Im letzten Absatz Zörners manifestiert sich das rückwärts zum Kaiserreich gerichtete Weltbild. Zugleich wird die Opposition und Diskrepanz deutlich, die zwischen Dix’ sozialkritischen Arbeiten und der dominierenden ideologischen Anschauung zur Zeit des Nationalsozialismus vorherrschte. Inwiefern diese Stimmen auch zwischen dem Beginn der Weimarer Republik 1918 und ihrem Ende im Januar 1933 existierten und wie sich entsprechende Tendenzen in der Kunstpolitik

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niederschlugen, wurde exemplarisch im Kapitel »Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche« anhand des Gemäldes mädchen vor dem spiegel und dem Gerichtsprozess um die Sittlichkeit desselben demonstriert. Hinsichtlich der Zurschaustellung seines großformatigen Gemäldes kriegskrüppel von 1920 hatte Dix am 8. Juli 1933 das Angebot gemacht, es gegen eine andere Arbeit für die Ausstellung auszutauschen. Der Rat der Landeshauptstadt Dresden erklärte jedoch am 1. September: »Ihr Schreiben vom 8.7. d. J., womit Sie der Stadt das Angebot machten, Ihr [z].Zt. schenkungsweise in das Eigentum des Stadtmuseums gelangtes Bild ›Kriegskrüppel‹ von der Aufnahme in die geplante Ausstellung durch Umtausch gegen ein anderes Werk von Ihrer Hand zu bewahren, ist der zur Vorbereitung der Ausstellung eingesetzten Kommission vorgelegt worden. Diese Kommission hat erklärt, dass auf Ihren Vorschlag vor der Auswahl der in der Ausstellung aufzunehmenden Bilder nicht eingegangen werden kann. Die Annahme Ihres Vorschlags würde gleichartige Wünsche anderer Künstler nach sich ziehen, die in ihrer Gesamtheit zu erfüllen die Verwaltung der Sammlung keine Veranlassung hat. Da das Bild ›Kriegskrüppel‹ als typisches Werk der durch die Ausstellung zu zeigenden Kunstperiode anzusehen ist, wird mit seiner Aufnahme in diese Ausstellung zu rechnen sein.«99 Die Ausschlagung und Ablehnung von Dix’ Angebot zog insofern Konsequenzen nach sich, als das Gemälde regelrecht durch Vorläufer-, Wanderausstellungen sowie die große Femeschau entartete kunst 1937 touren sollte und Dix aufgrund der Eigentumsverhältnisse über keine Handhabe zur Intervention verfügte. Aus dem auf das Jahr 1941/1942 datierte beschlagnahmeinventar »entartete kunst« geht lediglich hervor, dass das Bild auf der Ausstellung entartete kunst gegenwärtig war. Diese Notiz kann darauf verweisen, dass es zum Zeitpunkt der Erstellung des Inventars fortwährend im Zuge der Wanderschau vorgeführt und bei den verschiedenen Stationen angeprangert wurde. Dies würde bedeuten, dass es nicht hochwertig genug erschien, um es etwa für die Verwertung auf dem internationalen Kunstmarkt gegen Devisen zu verauktionieren. Eine weitere Lesart besteht darin, auch zu Kriegszeiten den »Wehrwillen« der Bevölkerung zu schärfen, indem solche als »entartet« kategorisierten Objekte als abzulehnendes Negativbeispiel propagiert wurden. Diese »Entartung« lief dem völkischen Ideal und dem propagierten Menschenbild im Sinne des »Blut-und-Boden«-Begriffs zuwider. Dieser besagt, dass »ein gesunder Staat seinen Schwerpunkt im eigenen Volk (Blut) und im eigenen Boden haben muss [und] ›der Blutsgedanke […] den Schlüssel zum Verständnis der natio-



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nalsozialistischen Weltanschauung überhaupt‹ bilde und dass ›die Rassenfrage […] zur Achse aller politischen Überlegungen‹ werden müsse«.100 So bildeten etwa die in Dix’ Gemälde kriegskrüppel abgebildeten Veteranen aufgrund ihrer stilistischen und formalästhetischen Umsetzung einerseits und im Zuge ihres »Versagens« an der Front andererseits Beispiele der Schwäche und des »Nichtkönnertums« ab (auch in Bezug auf die künstlerische Leistung). Ferner stellte der Maler das Einstehen für das Land auf dem Schlachtfeld – dem nationalen »Boden« – infrage und somit die Ideologie wie auch die territorialen Erweiterungsansprüche der nationalsozialistischen Regierung. Im Moment der Anprangerung des vermeintlich »Entarteten« wurde das Bild des starken und gesunden »arischen« Idealtypus durch die Nationalsozialisten aufgewertet. Dieser entsprach der nationalsozialistischen Rassenideologie und folgte musterhaft den kriegspolitischen Interessen, orientierte sich als Gegenentwurf somit am vermeintlich Minderwertigen, wie es am Beispiel der Femeschauen gezeigt wurde. Schwerpunktmäßig wurden im Dresdener Stadtmuseum folglich Dix’ Gemälde kriegskrüppel und schützengraben zur Schau gestellt, die zu diesem Zeitpunkt dem Stadtmuseum Dresden beziehungsweise den Städtischen und Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehörten. Ein besonderes Interesse an der Diffamierung einer als sozialkritisch und links rezipierten Kunst hatten Müller, Walter Grasch (Lebensdaten unbekannt) und Wilhelm Waldapfel (1883–1965), die selbst als Maler tätig waren und nach Zuschlag mit der Dresdner Femeschau eine persönliche Konkurrenz zum Ausdruck brachten. So konstatierte Müller in Bezug auf Dix’ schützengraben: »Man könnte das Gemälde auch als Demonstrationsstück kommunistischer Agitatoren denken […]. Eine gerechte Würdigung würde das Bild erfahren, wenn man es als eine Entwürdigung des gefallenen deutschen Frontsoldaten ansehen wollte […]. Das hohe Lied deutschen Heldenmutes und -todes können nur innerlich reife Menschen schreiben. Und den Kritikern, die in Dix auch heute noch den Sachwalter altmeisterlicher Malkultur sehen möchten, denen möchte man empfehlen, sich den ›Schützengraben‹ einmal genauer auf seine technischen Mängel hin anzusehen – auch vielleicht jene ›Kriegskrüppel‹ von 1920 […]. Von diesen Motiven aus ist der Schritt nur klein zu denen, die für Dix charakteristisch sind und die er zahlreich abgewandelt hat – Bordellszenen, Zuhälter, Dirnen in gewagtesten Stellungen, entnervte Lebemänner usw. […] Welch schwere Schuld haben manche Leute auf sich geladen, als sie ausgerechnet diesen Mann als Lehrer an die Kunstakademie beriefen und so die Jugend jahrelang seinem vergifteten Einfluss aussetzten, einer Tätigkeit, der durch seine Entlassung im Frühjahr dieses Jahres ein wohlverdientes Ende bereitet worden ist.«101

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Die kölnische illustrierte zeitung titelte 1935 »Schreckenskammer der Kunst«. Der Untertitel besagt, dass es sich um eine »Ausstellung ›Entartete Kunst‹ [handelt], die zurzeit in Dresden berechtigtes Aufsehen erregt. Nach dem Wunsch des Führers […] soll dieses Kulturdokument auch in anderen deutschen Städten gezeigt werden«.102 Neben collagierten Reproduktionen der als »entartet« diffamierten Werke sind auch Fotografien der Ausstellungssituation abgebildet, unter anderem mit Hermann Göring (1893–1946) und Adolf Hitler, die namentlich erwähnt und zitiert sind. An diesem Pressebeispiel wird das antithetische Ausstellungskonzept »jüdisch-bolschewistische« gegenüber »völkischer« Kunst deutlich. Dix’ kriegskrüppel sind prominent und halbseitig abgebildet, ferner Arbeiten von Grosz, Klee und anderen.103 So soll Hitler geäußert haben: »Es ist schade, daß man solche Leute nicht einsperren kann.«104 Die Tatsache, dass der Artikel im August 1935 erschien und die Femeschau entartete kunst bereits im September und Oktober 1933 in Dresden stattgefunden hatte, lässt nach Zuschlag die Vermutung zu, dass dort eine permanente »Schreckenskammer« eingerichtet worden war.105 Nach der Dresdner Schau wurden dort gezeigte Werke zunächst nach Hagen ins Städtische Museum geschickt, wo vom 11. Februar bis April 1934 erneut das konträre Konzept von »Blut und Boden« gegenüber den als »entartet« diffamierten Objekten verfolgt wurde.106 Nach der Station in Hagen wurde die Femeschau – deren zugehörige Objekte aus einem »Verzeichnis der Dresdner Wanderausstellung entartete kunst« ersichtlich sind – in Nürnberg und Dortmund gezeigt, wobei die Nürnberger Schau ein breites Interesse anderer Stadtverwaltungen an der Übernahme dieser diffamatorischen Ausstellung nach sich zog.107 In der Städtischen Galerie Nürnberg organisierte der Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Emil Stahl die Schau, die vom 7. bis 21. September 1935 stattfand. Zwar ist unklar, ob Dix’ Gemälde bildnis der tänzerin anita berber bereits in Dresden Teil der »Greuelausstellung« war, in Nürnberg wurde es aber – wie bereits 1933 – als Beispiel der sogenannten »Entartung« vorgeführt. So konstatierte Stahl, dass sich an »›Anita Berber‹ von Dix zeigt, wie sich künstlerische Begabung in den Dienst des Negativen im Weibe stellt […].«108 Im selben Artikel waren erneut Dix’ kriegskrüppel als antiheroische Kriegsdarstellung abgebildet, die für die nachfolgenden Jahre im Zusammenhang mit der Ausstellung und Wanderschau entartete kunst prägend sein sollte. Im Dortmunder Haus der Kunst wurde die antithetische Schau vom 11. November bis 8. Dezember 1935 unter anderem mit altmeisterlichen Referenzen und solchen aus der Romantik konzipiert, sodass mit der Gegenüberstellung von »entarteter« und zeitgenössisch anerkannter Kunst gleichwohl eine deutsche Tradition propagiert wurde.109 Zuschlag gibt an, dass in Dortmund erstmals eine Ausrichtung der Ausstellung an der Parteilinie realisiert wurde, wobei die Verharmlosung des Krieges als ein zentrales Element hierzu fungierte.110



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Die Hallenser Moritzburg war ausgehend vom 27. November 1935 – dem Tag der Eröffnung der Ausstellung unter dem Titel »Schreckenskammer / Sonderraum Entartete Kunst« – bis zirka 25. Juli 1937 ebenfalls ein zentraler Ort der Verfemung. Zu den zur Schau gestellten Objekten zählten abermals Werke von Otto Dix sowie Beckmann, Feininger, Nolde und anderen.111 Der im Februar 1935 kommissarisch eingesetzte Leiter des Museums, Hermann Schiebel (1896–1973), war beauftragt worden, die »kulturbolschewistischen« Werke zu entfernen und die Sammlung neu zu strukturieren. Hier war der Fokus auf ältere Meister gerichtet. Nahezu der gesamte Bestand des Museums Moritzburg war von beiden Beschlagnahmewellen 1937 betroffen. Nachweislich wurden Dix’ Gemälde junges paar (1923, vorbehaltlich) sowie ein Aquarell mit dem Titel strassendirne in der Moritzburg eingezogen.112 In der Mitteldeutschen Nationalzeitung vom 27. November 1935 ist erwähnt, dass nur »einige Werke von Rohlfs, Munch, Nolde, Modersohn-Becker und Schmidt-Rottluff« im Museum blieben, »um als Zeugen der expressionistischen Zwischenstufe« zu wirken.113 Hierdurch wird belegt, dass Dix’ Arbeiten bereits 1935 ausgesondert wurden. Diese Schandausstellung diente zudem der Inspiration hinsichtlich der Konzeption der Münchener Schau entartete kunst. So fand dort Wolfgang Willrichs Besuch am 8. Juli statt, um Werke für die Münchner Schau auszuwählen.114 An die Hallenser Ausstellung anschließend übernahm der Kunst- und Gewerbeverein Regensburg vom 12. bis 26. Januar 1936 die Objekte.115 Es folgte vom 4. bis 31. März die Übernahme und Ausstellung durch die Veranstalter »Landesstelle München-Oberbayern des Propagandaministeriums, die ns-Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹ und die ns-Kulturgemeinde« in den Räumlichkeiten der Alten Polizeidirektion in München.116 Die bei Zuschlag aufgeführte Raumaufnahme zeigt eindeutig Otto Dix’ Gemälde kriegskrüppel. Durch die wiederholte Reproduktion in Text und Bild – neben der Raumaufnahme beispielsweise in Presseberichten wie in der fränkischen tageszeitung zur Nürnberger Schau, in der das Gemälde unter dem Kommentar »Diese Verhöhnung musste sich der deutsche Frontsoldat gefallen lassen!« abgebildet worden war sowie zur Wiesbadener Schau ab 21. März 1937 im nassauer volksblatt – tritt die Brisanz dieser Darstellung im Rahmen der Kriegspropaganda nochmals deutlich hervor.117 Es folgten Stationen der Wanderschau entartete kunst im Kunstverein Neues Schloß in Ingolstadt vom 1. Mai bis 1. Juni 1936 sowie in der Darmstädter Kunsthalle (Kunstverein) ab dem 20. Juni desselben Jahres.118 Im Volksbildungsheim in Frankfurt am Main wurde die Schau zwischen dem 1. und 30. September gezeigt. Besonders hervorzuheben ist, dass neben anderen Künstlern wie Pechstein, Schmidt-Rottluff oder Kokoschka auch Dix positive Beachtung erfuhr: Eine Abiturklasse hatte in den Ausstellungsräumlichkeiten angesichts

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der ausgestellten Objekte partiell begeistert über die »großen deutschen Expressionisten« diskutiert. Diese Reaktion hatte eine Sanktionierung durch das parteiliche Aufsichtspersonal in der Ausstellung zur Folge. Die verantwortliche Lehrkraft wurde anschließend denunziert und ihre Entlassung aus dem Lehramt vom entsprechenden Ausstellungsaufseher bei der Schulbehörde angestrebt.119 Hieran wird einerseits die gewaltsame Methode und Propaganda deutlich, wonach unliebsame Denk- und Argumentationsweisen zum Verstummen genötigt und verboten wurden. Andererseits zeigen die Sanktionierung, Zensur und erzwungene Konformität beispielhaft die Furcht der Offiziellen vor Arbeiten wie Dix’ kriegskrüppel und ihrer potenziell progressiven Wirkung auf die Betrachtenden. Erneut wird sichtbar, dass Dix’ Kriegsmotive zu Propagandazwecken instrumentalisiert wurden. Der letzte Ort im Jahr 1936, an dem die Wanderschau Station machte, war die Städtische Kunsthalle Mainz zwischen dem 14. November und 1. Dezember. Am 5. Januar 1937 folgte bereits die Schau des Kunstrings Gau Koblenz-Trier im Haus der ns-Kulturgemeinde. Als abschreckende Künstler- und Werkbeispiele wurden etwa Dix und Grosz und zu Erstgenanntem die Radierung streichholzhändler von 1920 sowie der schützengraben als zentrale Feme-Objekte im koblenzer generalanzeiger genannt.120 Ehe die erste aktion »entartete kunst« im Juli 1937 durchgeführt wurde und die gleichnamige Femeschau in München stattfand, gab es in den vorangehenden Monaten des Jahres wiederum Vorläuferausstellungen. Bis zum 14. März fand eine in Worms und zwischen dem 21. und 29. März eine weitere im Nassauischen Landesmuseum in Wiesbaden statt. Der Objektauflistung zufolge waren Dix’ Arbeiten aus dem Dresdner Bestand Teil beider Schauen.

aktion und propagandaschau(en) »entartete kunst« Das Jahr 1937 zog einschneidende Entwicklungen nach sich. So wurde etwa die »Arisierung« des jüdischen Kunsthandels nahezu abgeschlossen, noch ehe die systematische »Arisierungswelle« 1938 folgte.121 Die Verfemung von »entarteten« Kunstobjekten aufgrund einer »nicht-arischen« oder nicht regimekonformen Urheberschaft wurde durch die aktion »entartete kunst« und zwei Beschlagnahmewellen im Juli und August des Jahres sowie die gleichnamige Ausstellung entartete kunst breitenwirksam umgesetzt. Erneut wurden hier Dix’ Kriegsdarstellungen in den Fokus der »Entartung« gerückt. Wolfgang Willrich fand in seinem Pamphlet säuberung des kunsttempels, dessen erste Auflage im Januar des Jahres erschien und das konkret Einfluss auf die Konzeption der Münchener Femeschau entartete kunst 1937 nahm, hinsichtlich des Radierzyklus der krieg scharfe Worte:122



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»Unter raffinierter Benutzung von allerlei Wirkungsmöglichkeiten der Kaltnadel und Ätztechnik treibt ein besonders befähigter Zeichner bolschewistische Antikriegsagitation […]. Mit verbissenem Hohn und jahrelanger Ausdauer stellte sich die Begabung in den Dienst der Bosheit und einer kranken Wollust an Grauen und Ekel.«123 Und weiter heißt es zu den gesellschaftskritischen künstlerischen Positionen der Weimarer Republik: »Viele Maler, Laien und Kunstbonzen haben sich jahrelang eingebildet – oder so getan –, als ob die schauderhaften Machwerke von Dix und Groß, alle die blutrünstigen Barrikadenkämpfe, Massenmorde und Kriegsdarstellungen Originalerfindungen dieser Maler seien, ›von der Seele gemalte Erlebnisse, aus innerster Notwendigkeit mit zusammengebissenen Zähnen gestaltet‹, mit ›veristischer Schärfe‹ oder wie es sonst heißt in den Kritikerergüssen, auf die wir später noch einzugehen haben.«124 Neben der ideologischen Propaganda am Objekt proklamierte Willrich die Abhängigkeit der Künstler von »knallroten« Einflüssen der Politik und des Kunsthandels: »Man wird nun wohl einsehen, daß diese angeblichen Original-VerbrecherGenies lediglich illustrierten, was politisch verlangt wird, mit einer gewissen Wollust an allem Grotesken und Moritatmäßigem. Man hatte ihnen das Rezept gegeben, unvergeßlich aufzufallen, beachtet und diskutiert zu werden. Die eigentlichen Drahtzieher sind weniger die ›führenden Maler‹ als die verführenden Literaten und Politiker der roten Front. […] Die knallroten Kunsthändler von östlicher oder internationaler Einstellung mögen mit ihren Schützlingen und Lieblingen von damals selig werden. Sie besitzen deren Bilder politisch und künstlerisch zu Recht. Sie mögen im Ausland den Ruhm in Bargeld umsetzen, den sie zu ihren Freunden antrompetet haben. […] Weder Golz noch Nierendorf noch sonst irgendein unter roter Flagge segelnder Händler würde Noldes Bilder überhaupt nur verfrachtet haben, wenn ihnen auch nur ein Hauch deutschen gesunden Geistes entströmt wäre.«125 Mit der Nennung Nierendorfs rücken wiederum die Arbeiten von Dix in den Fokus. Neben seinem völkisch-antisemitischen und anti-kommunistischen Habitus gegenüber jenen Händlern, die politische Künstler unter Vertrag hatten respektive deren Arbeiten vertraten, thematisiert Willrich, dass der Handel mit Kunst lediglich

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im Ausland möglich sei. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein innerdeutscher Handel mit »entarteter« Kunst nach Willrich unmöglich sei. Insofern, als die Kunsthändler Bernhard A. Böhmer (1892–1945), Ferdinand Möller (1882–1956), Hildebrand Gurlitt (1895–1956) und Karl Buchholz (1901–1992) im Auftrag des Deutschen Reiches agierten und während der aktion »entartete kunst« eingezogene künstlerische Erzeugnisse auf dem internationalen Kunstmarkt verwerteten, erscheint Willrichs Darstellung im Zwielicht.126 Einerseits ist das Pamphlet als konform mit den bis dahin initiierten Femeschauen zu erachten, andererseits impliziert es einen Vorbildcharakter für die Münchener Femeschau sowie die nachfolgende, in elf deutschen Städten gezeigte Wanderausstellung. Die Moderne sollte im Licht der Verachtung erscheinen; sie, die Sittlichkeit und Wehrwillen der Bevölkerung beschneide und irritiere, sollte vergleichbar einer öffentlichen Hinrichtung eliminiert werden. Die offizielle Abschaffung von als »entartet« deklarierten künstlerischen Erzeugnissen wurde mit der aktion »entartete kunst« eingeleitet und in einer weiteren Beschlagnahmewelle 1938 fortgesetzt. Die Versteigerung der aus deutschem Museumsbesitz stammenden »entarteten« Werke auf dem internationalen Kunstmarkt zur Gewinnung von Devisen stand im Kontext des »­Vierjahresplanes« und der Aufrüstungspolitik des Deutschen Reiches.127 Eine Handelbarkeit war folglich gegeben und die Moderne wurde im Zuge der Aktion, der Einlagerung, Zurschaustellung und Anprangerung in unterschiedlicher Hinsicht instrumentalisiert: zum einen, um mit der Propaganda gegen die sogenannte »Entartung« ein Feindbild zu formen, es als ideologisches Moment des nationalsozialistischen Faschismus zu manifestieren und die Bevölkerung für die staatlichen Interessen im »völkischen« Sinne gefügig zu machen, zum anderen dienten die Gewinne dazu, die Kriegskassen zu füllen. Im Zusammenhang mit der »Verwertung« »entarteter Kunst« mit diesem, seit 1933 in den Femeschauen verwendeten Begriff heißt es bei Willrich: »Die Kunst entartet, d.h. sie wirkt gegen ihren wesenhaften heiligen Sinn, gegen ihre Würde als Spenderin von Kraft für Volk und Art durch Besinnung und Erhebung. So wirkt die bolschewistische Kunst dem göttlichen Geist, dem echte Kunst ihr Dasein verdankt, selbst entgegen, sucht ihn zu zerstören und zerstört alle und alles um sich herum, dabei letzthin auch sich selbst. Das wird uns durch den Verlauf der anarchisch-bolschewistischen Kunstentartung bewiesen.«128 Der hier als »anarchisch-bolschewistisch« titulierten Kunst, der auch Dix’ Arbeiten zugerechnet wurden, wird hier unterstellt, die eigene Vernichtung selbst herbeigeführt und verschuldet zu haben. Dadurch, dass Willrich mit etwas Göttlichem und mit der höchsten christlichen Instanz argumentiert, der »echte Kunst« zugrunde liege, hebt er seine Ablehnung der Moderne aus der realen Debatte, die



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keinen dialogischen Diskurs zulässt und zugleich den Anspruch auf Allgemein­ gültigkeit erhebt. Die Eskalation innerhalb der Kunstpolitik gipfelte, beginnend mit der ersten Julihälfte 1937, in der Beschlagnahme von moderner Kunst in deutschen Museen. Die beschlagnahmeaktion »entartete kunst« kam einer staatlichen Zwangsenteignung gleich und wurde in zwei Phasen auf der Gesetzesgrundlage über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 untermauert und rückwirkend legitimiert:129 »§ 1. Die Erzeugnisse entarteter Kunst, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in Museen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Sammlungen sichergestellt und von einer vom Führer und Reichskanzler bestimmten Stelle als Erzeugnisse entarteter Kunst festgestellt sind, können ohne Entschädigung zu Gunsten des Reichs eingezogen werden, soweit sie bei der Sicherstellung im Eigentum von Reichsangehörigen oder inländischen juristischen Personen standen.«130 Zunächst waren rund 1100 Werke betroffen, von denen etwa 600 während der Münchner Ausstellung entartete kunst zur Schau gestellt wurden.131 Im Verlauf des Jahres folgte eine zweite Beschlagnahmewelle, von der zirka 20 000 Arbeiten von etwa 1400 Künstlerinnen und Künstlern aus 101 deutschen Museen betroffen waren.132 Aus dem Œuvre von Otto Dix stammten etwa 260 Kunstwerke, von denen 26 bereits während der Ausstellung entartete kunst in München gezeigt worden waren.133 Die von Adolf Ziegler (1892–1959) zusammengestellte Kommission zur Einziehung der in öffentlichem Besitz befindlichen »entarteten« Kunstobjekte im Juli bestand aus Walter Hoffmann (Lebensdaten unbekannt), Hans Schweitzer (1901– 1980), Hellmut Sachs (1905–1989), Wolfgang Willrich, Walter Hansen (1903– 1988), Klaus Graf von Baudissin (1891–1961) und Otto Kummer (Lebensdaten unbekannt).134 Zwischen dem 4. und 14. Juli 1937 wurde die erste Beschlagnahmeaktion in 23 Städten und 32 Sammlungen durchgeführt.135 Zu den eingezogenen Werken zählten neben der deutschen Moderne auch künstlerische Erzeugnisse ausländischer Urheber sowie solche, die vor 1910 zu datieren sind.136 Zur Auswahl der künstlerischen Erzeugnisse während der Beschlagnahmungen heißt es in der zweiten Auflage von Willrichs Pamphlet (1938): »Daß bei der Auswahl der Machwerke und dem Aufbau der Ausstellung diese Abrechnung von ganz wenigen – wirklich sachkundigen – Männern unseres Handwerkes erledigt wurde, und zwar innerhalb von 14 Tagen und Nächten und mit fast kompromißloser Schärfe, das wird einem jeden ehrenhaften Künst-

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ler eine tiefe und ernste Genugtuung bedeuten als die endlich unmißverständlich sichtbare Abstandnahme unserer Berufsgenossenschaft und der öffentlichen Meinung von den kranken und boshaften Geistern einer überwundenen Epoche.«137 Im Zuge der zweiten Beschlagnahmung wurden neben Adolf Ziegler, Walter Hoffmann und Hellmut Sachs – die bereits an der ersten Aktion beteiligt waren – folgende Kommissionsmitglieder eingesetzt: Heinrich Hoffmann, Franz Hofmann, Emil Stahl, Gustav Adolf Engelhardt, Guido Joseph Kern und Carl Meder.138 Arbeiten von Otto Dix wurden in 36 öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt.139 Hierzu zählten insgesamt 252 Objekte, wobei es sich um 22 Gemälde, 33 Aquarelle, 196 (druck-)grafische Erzeugnisse sowie die heute als verschollen geltende NietzschePlastik von Otto Dix aus dem Besitz des Dresdner Stadtmuseums handelte.140 Aus der Dokumentation zur beschlagnahmeaktion »entartete kunst« (1941/1942) geht hervor, dass 26 Arbeiten – das Gemälde kriegskrüppel sowie 25 Druckgrafiken von Otto Dix – im Rahmen der Femeschau entartete kunst zur Schau gestellt wurden, wobei unklar ist, ob hier lediglich auf die Münchner Schau 1937 Bezug genommen oder gar die anschließende Wanderausstellung einbezogen wurde. Diese Angaben erfassen den Status der Einzelobjekte zum Zeitpunkt der Listenanfertigung oder müssen alternativ aufgrund der Fotodokumentation zur Münchner Schau als unvollständig bewertet werden. So ist das bildnis des juweliers karl krall von 1923 in der sogenannten harry-fischer-liste als »Bestand im Magazin des Reichsministerium[s] für Volksaufklärung und Propaganda« und das Gemälde bildnis des dichters herbert eulenberg von 1925 als »Böhmer-Bestand im Magazin des Reichsministerium[s] für Volksaufklärung und Propaganda« ausgezeichnet (Abb. 13). Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass es sich um den letzten Status des jeweiligen Objektes handelt, nicht aber um die Angabe einer vollständigen Provenienz. Im Rahmen der Femeschau, die am 19. Juli 1937 begann, wurden insgesamt etwa 600 Objekte gezeigt, wobei »das Spektrum der vertretenen Kunststile […] vom deutschen Impressionismus über Expressionismus bis zu Dadaismus und Konstruktivismus, von Künstlern des Bauhauses über die Neue Sachlichkeit bis hin zu verschiedenen Erscheinungsformen der Abstraktion [reichte].«141 In Adolf Zieglers Eröffnungsansprache hieß es: »Wir befinden uns in einer Schau, die aus ganz Deutschland nur einen Bruchteil dessen umfaßt, was von einer großen Zahl von Museen für Spar­ groschen des deutschen Volkes gekauft und als Kunst ausgestellt worden war. Sie sehen um uns herum die Ausgeburten des Wahnsinns, der Frechheit, des ­Nichtkönnertums und der Entartung. Uns allen verursacht das, was diese



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13  Otto Dix. bildnis des juweliers karl krall 1923, Öl auf Leinwand, 90,5 × 60,5 cm, Wuppertal, Kunst- und Museumsverein im Von der Heydt-Museum

Schau bietet, Erschütterung und Ekel. […] Es sind die hier gezeigten Produkte allerdings nur ein Teil der in den vorgenannten Anstalten noch vorhandenen. Es hätten Eisenbahnzüge nicht gereicht, um die deutschen Museen von diesem Schund auszuräumen. Das wird noch zu geschehen haben, und zwar in aller Kürze.«142 Die in der Femeschau entartete kunst und im ausstellungsführer enthaltene polarisierende Gegenüberstellung Kunstwerken vermeintlich »Geisteskranker« fand bereits 1933 mit der Ausstellung mannheimer schreckenskammer des Erlanger Kunstvereins, die vom 23. Juli bis 13. August 1933 stattfand, ihren Vorläufer.143 Dort wurde erstmals ein solcher diffamierender Vergleich realisiert. Ferner waren Kinderzeichnungen als degradierende Vergleichsbeispiele herangezogen.144 Zuschlag bemerkt hierzu: »Der Betrachter sollte durch die ›vergleichende Gegenüberstellung‹ die Schöpfungen von Künstlern und Geisteskranken

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als ›­ähnlich‹ ansehen und dadurch zu dem Schluß geführt werden, daß auch die Künstler ›krank‹ (›zerrüttet, zersetzt‹) seien.«145 Diese Praxis ist nicht zuletzt auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Psychiater, Medizinalrat und Erlanger Ortsgruppenleiter des kampfbundes für deutsche kultur Hermann Müller die Leitung des Kunstvereins nach der Gleichschaltung bis 1945 innehatte.146 Hierin manifestiert sich also eine Vorlage für die große Propagandaschau 1937 sowie die nachfolgende Wanderausstellung. Auch in der Femeschau 1937 waren die bereits durch die vorherigen Schauen proklamierten Attribute »jüdisch« und »bolschewistisch« als Kategorien verwendet worden, um die »Entartung« zu bekräftigen.147 Das Raumkonzept der Schau(en) folgte derartigen Kategorien ebenfalls und erscheint eng am collagenartigen Vorbild von Willrichs Pamphlet orientiert.148 Eine Gegenüberstellung seiner abschätzigen Sammeldarstellungen – bestehend aus überlappend angeordneten Reproduktionen von Werken moderner Kunst – mit einer fotografischen Aufnahme der Münchener Schau von 1937 hebt die gestalterischen Gemeinsamkeiten hervor. Die wie zufällig zusammengewürfelten Objekte waren vielfach ungerahmt, dicht und schräg gehängt. Die intendierte Unachtsamkeit im Umgang mit den Arbeiten spiegelt die Geringschätzung der feindlichen Propaganda. So entstehen willkürliche Objektzuschreibungen und der Zugang zum jeweiligen Kunstwerk wird den Betrachtenden gezielt durch eine Vielzahl an Exponaten und abschätzige Spruchtafeln verwehrt. Dies kommt auch im führer zur ausstellung zum Tragen. In den Schauen sollten die beiden Gemälde kriegskrüppel und schützengraben die zentralen Beispiele »gemalter Wehrsabotage« abbilden.149 Vor dem Hintergrund, dass in den Femeschauen entartete kunst (1933–1941) stets Arbeiten von Dix vorgeführt wurden und auch der gleichnamige führer zur ausstellung auf ein breites Publikum angelegt war, wurde Otto Dix’ Malerei also mit großer Breitenwirkung stigmatisiert. Seine Arbeiten zu sozialen Milieus wie auch die Darstellungen zum Krieg und seinen Folgen für die Menschen dürften neben der dritten und vierten Sektion der Femeschau auch in »Gruppe 5« gegenwärtig gewesen sein. In Letzterer wurden Bordellmotive zur Schau gestellt, um die »moralische Seite der Kunstentartung« zu demonstrieren, die ebenfalls »eine deutliche marxistische-klassen­ kämpferische Tendenz aufweisen«.150 Die enge Hängung der Werke war mit hetzerischen Spruchbändern und ­Zitaten von Kunstschaffenden, Kunsthistorikern oder -politikern versehen.151 Die Hängungsweise sowie die Verwendung von Reproduktionen gehen auf Ausstellungsvorläufer wie bereits 1933 im Dresdener Rathaus oder im Kronprinzenpalais in Stuttgart zurück. Auch die Münchner antibolschewistische ausstellung weist in der räumlichen Konzeption bereits Parallelen auf.152 Zuschlag beurteilt die Präsentationsweise wie folgt:



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»Die dunklen und engen Räume, dazu die extrem dichte Hängung, sollten bei den Besuchern den Eindruck von Chaos erwecken. Der permanente Massenandrang – den die Augenzeugenberichte bestätigen – ist eine weitere wichtige Grundbedingung der Ausstellungsrezeption. Er verstärkt das Gefühl der drückenden Enge. Es entstand ein Assoziationsraum mit stark suggestiver Wirkung, der das einzelne Kunstwerk nivellieren, die Entfaltung seiner Aura und eine isolierte Wahrnehmung verhindern sollte. Die so erzielten psychologischen Effekte wurden politisch funktionalisiert[.]«153 Ziel dieser manipulativen Strategie war demnach die Erregung negativer Emotionen während der Betrachtung der gezeigten Objekte. Das antagonistische Prinzip der Schau entartete kunst gegenüber der grossen deutschen kunstausstellung sollte folglich das Prinzip der positiven gegen die negative Konnotation – Gut gegen Böse, Schwarz gegen Weiß (ohne Nuancen und Facetten) – veranschaulichen und die völkische Ideologie somit als das einzig »DeutschNationale« in den Rezipierenden verankern. Deshalb stand auch Dix’ Œuvre der Weimarer Republik im Fokus: überzeichnete Porträts, Milieu- und seine Kriegsdarstellungen respektive seine subjektive Rezeption. In der Münchener Schau entartete kunst waren Dix’ Arbeiten etwa in einem der beiden größten Räume des Obergeschosses gezeigt. Unter dem Slogan »Verhöhnung der deutschen Frau – Ideal: Kretin und Hure« waren zwei Reproduktionen auf einem Bildträger (vermutlich Pappe) angebracht, wobei es sich um Dix’ Gemälde altes liebespaar von 1923 und mädchen vor dem spiegel von 1921 handelte, die mit der Notiz »Der Romantiker Otto Dix« versehen waren (Abb. 4). Letzteres war bereits 1922 während des Zensur-Prozesses gegen Dix am Berliner Gericht Objekt der öffentlichen Auseinandersetzung gewesen.154 Ferner zeigt die Fotomontage entartung der kunst durch jüdischen kulturbolschewismus zur Ausstellung grosse antibolschewistische ausstellung nürnberg 1937 eine Reproduktion des ­ ruzifixus von Ludwig Gies um 1921 und andere als Gemäldes, die durch das k »entartet« diffamierte Werke überlagert ist. Interessant erscheint im Zusammenhang die Überschrift »Entartung der Kunst durch jüdischen Kulturbolschewismus«, da ein jüdischer Hintergrund des Gemäldes vergeblich zu suchen ist. Hier wird die Willkür der nationalsozialistischen Propaganda umso deutlicher.155 Zu den benachbarten Gemälden in der Münchner Schau zählten unter anderem Karl Hofers ­sitzender akt von 1927, Paul Kleinschmidts duett im nordcafé und Heinrich Hoerles melancholie, die alle unter der Überschrift »Verhöhnung der deutschen Frau – Ideal: Kretin und Hure« gezeigt waren. Zudem zählten schützengraben und kriegskrüppel – jene Werke, die bereits den Schwerpunkt der Dresdner Schau 1933 markierten – zu den zentralen Referenzen »bewußter Wehrsabotage« in die-

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sem Ausstellungsgeschoss.156 Damit wird die Bedeutung der Dresdner Femeschau und die bereits 1933 angelegte Stoßrichtung gegen sogenannte »Wehrsaboteure« deutlich herausgestellt. Auf die Begründung von Dix’ Entlassung – seine Bilder seien geeignet, den Wehrwillen zu beeinträchtigen – ist in diesem Zusammenhang abermals zu verweisen.157 Im Erdgeschoss der Münchener Ausstellung wurden seine Gemälde bildnis des juweliers karl krall und bildnis des dichters herbert eulenberg sowie weitere Arbeiten gezeigt. Wie Zuschlag erläutert, folgte diese Hängung keinem spezifischen Gliederungsprinzip.158 Ferner zeigt eine Fotografie der Stirnwand des zweiten Raumes im Erdgeschoss der Münchner Ausstellung, dass die Lithografie leonie von 1923 neben anderen Papierarbeiten sowie Gemälden von Emil Nolde, Otto Mueller und anderen präsentiert wurde.159 Aus der fotografischen Dokumentation zur zentralen Femeschau 1937 wird ersichtlich, dass im Erdgeschoss das Gemälde sonnenaufgang / untergehende sonne über winterlandschaft von 1913 – teils von einer Vitrine verdeckt – und zudem im dritten Raum des Obergeschosses das Gemälde kriegskrüppel von 1920 gehängt war.160 »Sollte sich aber unter [den in der Ausstellung ›Entartete Kunst‹ eingebundenen Künstlern] einer befinden, der doch glaubt, zu Höherem bestimmt zu sein, dann hatte er nun ja vier Jahre Zeit, diese Bewährung zu beweisen. Diese vier Jahre aber genügen uns, um zu einem endgültigen Urteil zu kommen. Nun aber werden – das will ich Ihnen versichern – alle die sich gegenseitig unterstützen und damit haltenden Cliquen von Schwätzern, Dilettanten und Kunstbetrügern ausgehoben und beseitigt.«161 An diesem Auszug aus Hitlers Eröffnungsrede zur grossen deutschen kunstausstellung wird deutlich, dass die Bezeichnung »entartet« nicht allein auf die Kunstwerke der vorgeführten Maler angewendet wurde, sondern dass durchaus die Künstlerinnen und Künstler selbst persönlich angegangen wurden. Dies hatte sich bereits in den Vorjahren gezeigt. So etwa am Beispiel der Schau november­ geist – kunst im dienste der zersetzung in der Graphischen Abteilung des Stuttgarter Kronprinzenpalais im Juni 1933, in der die Gesinnung der Kunstschaffenden angeprangert wurde. Hitlers Bemerkung, dass in den vier Jahren seit der sogenannten »Machtergreifung« die Möglichkeit zur Änderung respektive systemischen Anpassung bestanden habe, zeigt ein Paradoxon, das sich am Beispiel von Otto Dix herauskristallisiert. Dieser wurde in den Femeschauen entartete kunst wiederholt als Negativ-Beispiel und seine Kriegsbilder als Paradebeispiele der »Entartung« angeführt und angeprangert, wobei die gezeigten Werke sämtlich aus der Zeit vor 1933 stammten.



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Selbst die Hinwendung zur Landschaftsmalerei und zugleich der thematische Umbruch weg von offensiv gesellschaftskritischen Sujets führte nicht zur Anerkennung seitens der Kunstpolitik. Im Gegenteil behaupteten sowohl Willrichs Pamphlet säuberung des kunsttempels als auch die nationalsozialistischen Presseorgane wiederholt, dass Dix als »Maler der Antikriegsagitation« nicht zu rehabilitieren sei und dass sein unauthentisches Bemühen durchschaut wäre – kurz: Dix haftete eine vermeintlich pazifistische »Gesinnung« an, die dem ideologischen und auf Kriegs- und Rüstungsinteressen basierenden Motiv der Nationalsozialisten zuwiderlief. Entgegen der von Hitler proklamierten Möglichkeit zur Anpassung war die Teilhabe des Malers am Kunstgeschehen der Zeit nicht gegeben. Dies zeigt sich in dokumentierten Ausstellungs- und Verkaufszusammenhängen. Die grosse deutsche kunstausstellung fand erstmals vom 18. Juli bis 31. Oktober 1937 und damit zeitgleich mit der und als Gegenposition zu der Ausstellung entartete kunst im Haus der Deutschen Kunst statt. Gezeigt waren zirka 1200 Exponate von 557 Künstlerinnen und Künstlern, deren Objekte auch zum Verkauf standen.162 Mit dem Konzept wurde bezweckt: »Die Ausstellung, deren Beschickung ausschließlich unseren lebenden deutschen Künstlern offenstehen soll, wird die Aufgabe haben, ein möglichst umfassendes und hochwertiges Bild der zeitgenössischen Kunst (Malerei, Plastik, Graphik) zu zeigen.«163 Verfemte Künstlerinnen und Künstlern setzten sich klar von der durch Hitler geforderten und geförderten Kunst ab. So äußerte der Dresdner Maler Otto Griebel – der in der Weimarer Zeit vergleichbar soziokritische Sujets wie Otto Dix in den Blick genommen hatte und ebenso kunsthistorische Vorbilder rezipierte – seinem Künstlerkollegen gegenüber zum Programm der grossen deutschen kunstausstellung. »Manifestation nazistischer Aufgeblasenheit und Eng­ stirnigkeit: glattgemaltes Weiberfleisch, männliche Muskelprotzerei und Helden­ tendenz in der Plastik, ländliche Idyllik und zuckersüßes Mutterglück in biederster Auffassung.«164 Tatsächlich fungierte die grosse deutsche kunstausstellung gegenüber der Femeschau entartete kunst nach dem antagonistischen Prinzip, das bereits anhand der Vorläuferausstellungen erkennbar war. Dem Ausstellungskatalog war ein roter Flyer beigelegt, der zum Besuch der in den Hofgarten-Arkaden gezeigten Femeschau anhielt.165 So wurde die anerkannte zeitgenössische Kunst folglich durch die Diffamierung der verfemten Künstler und Objekte konstituiert, wobei beide Ausstellungen als Propagandainstrument der nationalsozialistischen Ideo-

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logie und somit als manipulatives Instrument zur mentalen und weltanschaulichen Gleichschaltung der Bevölkerung dienten. Die Wanderschau entartete kunst wurde durch das Institut für Deutsche Kultur- und Wirtschaftspropaganda unter der Leitung von Hartmut Pistauer (1913– 1993) organisiert und ausgeführt.166 Damit fand bis April 1941 eine öffentliche Verfemung von Dix’ Arbeiten als »entartet« und darüber hinaus auch seiner Person und anderer diskreditierter Künstlerkolleginnen und -kollegen in unterschiedlichen deutschsprachigen Städten statt. Etwa drei Monate nach Beendigung der Münchener Schau begann die Wanderausstellung im Berliner Haus der Kunst und wurde vom 26. Februar bis zum 8. Mai 1938 teilweise mit Objekten aus der Münchner Ausstellung bespielt. Hierbei wurde der Fokus auf das Motiv gelegt, um die sogenannte »Entartung« zu bekräftigen.167 Es wurde dort abermals das Gemälde bildnis des juweliers karl krall von Otto Dix zur Schau gestellt. Die clownesk überzeichnete Physiognomie des Dargestellten, seine stark modellierten, in die Hüften krallenden Hände, der wie in ein Korsett geschnürte Rumpf und die signifikanten giftig anmutenden Farbkompositionen an Haupt und Händen lassen erahnen, dass diese Darstellung nicht dem zu dieser Zeit propagierten Kunstgeschmack entsprach. Ferner ist anhand einer schemenhaften Raumaufnahme der Berliner Schau dokumentiert, dass Dix’ Gemälde mutter und kind von 1923 neben Werken von Fritz Skade (1898–1971), Conrad Felixmüller, Max Beckmann (1884–1950) und anderen vorgeführt wurde (Abb. 14). Unter dem Slogan »Als Verbündete des roten Mordes halfen sie mit, die ›Weltrevolution‹ in Deutschland zu organisieren. Juden und Judengenossen in den Redaktionsstuben, auf den Orchesterstühlen und in den Museen waren ihre öffentlichen Anwälte!« wurde das diffuse Feindbild von etwas Jüdischem in Kombination mit Kommunismus, Marxismus und »Kulturbolschewismus« beschworen. Hierdurch wird auch die inhaltliche Neuausrichtung der Berliner Schau im Verhältnis zur Münchner Ausstellung entartete kunst deutlich. So wie bereits in der Dresdener Schau 1933 die linkspolitisch engagierten Gruppen dresdner sezession gruppe 1919 und asso als zentrale »entartete« und feindliche Beispiele angeprangert wurden, fand dies auch in Berlin statt, wobei Dix und Grosz im Fokus der Anfeindungen standen. Als drittes Werk von Otto Dix erscheint erneut der schützengraben im Ausstellungskontext, da in der Berliner Schau Poster mit propagandistischen Kommentaren angebracht waren, die auf den Rahmen der Objekte fixiert waren und die Bildflächen somit deutlich überragten. Davon war auch Dix’ Gemälde betroffen. In München war das Werk rahmenlos gezeigt worden; in der Dresdner Schau war es hingegen gerahmt.168 Das Bekleben des Gemäldes unterstreicht die diffamierende ns-Kunstpropaganda im Kontext der vorherrschenden Kriegs- und



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14  Otto Dix. mutter mit kind 1923, Öl auf Sperrholz, 82,5 × 48 cm, Kunstmuseum Stuttgart

­ üstungsinteressen. Zwar sind keine inhaltlichen Details zu den Kommentaren R bekannt, allerdings wurde insbesondere Dix’ Gemälde schützengraben nach Angaben des Künstlers Bernhard Schulze mit zahlreichen propagandistischen Sprüchen beklebt. Hieran wird abermals das Feindbild der Nationalsozialisten deutlich, das sich in Dix’ anti-heroischem Kriegs-Kommentar manifestiert. Mit großer Breitenwirkung wurde es im Rahmen der Femeschauen zu Propagandazwecken instrumentalisiert. Über den zur »Verwertung« vom Deutschen Reich autorisierten Kunsthändler Bernhard A. Böhmer wurde das großformatige Gemälde für 200,– rm an einen amerikanischen Käufer veräußert. Sein Verbleib ist seither unbekannt.169 Dies verwundert nicht, da es sich neben dem Gemälde kriegskrüppel um eines der zentralen Gemälde in den Femeschauen entartete kunst seit 1933 handelte, das als propagandistisches Beispiel für die sogenannte »Wehrsabotage« dienen sollte. Schultze gab im Interview 1989 zudem an, dass »uniformierte Posten zu beiden Seiten von Dix’ ›Schützengraben‹ [standen], die hier und da, sicher auf Geheiß, die Bilder bespuckten«.170

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Zu den Schauen im Leipziger Grassi-Museum vom 13. Mai bis 6. Juni 1938 liegen keine konkreten Objektdaten vor. Da Dix thematisch in verschiedenen »Gruppen« der Femeausstellungen platziert wurde, ist naheliegend, dass seine Arbeiten auch dort als Referenzen zur Untermauerung der »Entartung« gezeigt wurden.171 Düsseldorf war für Dix neben Dresden besonders wichtig, da er dort in den 1920er Jahren über den Kunsthandel zahlreiche Ausstellungsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte zum Verkauf erwirkt hatte.172 Teil der im Düsseldorfer Kunstpalast zwischen dem 18. Juni und dem 7. August 1938 gezeigten Femeschau waren schwerpunktmäßig neben vielen Arbeiten von George Grosz die Bilder von Otto Dix. Die im ausstellungsführer entartete kunst abgebildeten Werke waren sämtlich in dieser Schau vertreten. Zu den neun Gemälden zählten arbeiterfrau mit kind von 1923, arbeiterknabe von 1920, arbeiter von 1921, die strasse (unbekannt), der krieg von 1922, die kriegskrüppel von 1920, bildnis des juweliers karl krall von 1923 und der maler radziwill von 1928.173 Ferner zählten 23 Aquarelle und Druckgrafiken sowie eine Fotografie zu den Ausstellungsstücken.174 Nach dem »Anschluss« Österreichs und damit der Angliederung des öster­ reichischen Bundesstaates an das Reich im März 1938 wurde die Wanderschau nach Salzburg geschickt. Sie wurde am 3. September im Festspielhaus eröffnet und lief bis zum 2. Oktober. Den Exponaten wurden die üblichen propagandistischen Schmähungen zuteil: »Die Kunst wurde kommunistisches Kampfmittel. ›Endlich ist der Lüge vom Heldentod und Vaterland die Maske abgegriffen‹ – ›Was ist ein Soldat? Ein vom Staat bezahlter Berufsmörder!‹ – ›Der Künstler muß als Künstler Anarchist sein!‹ – ›Fort von der Achtung vor dieser ganzen bürgerlichen Kunst!‹ – ›Die Wirklichkeit ist im Interesse des Klassenkampfes grell zu verdeutlichen, die Ideologie der Gegner zu mißkreditieren.‹ So lauteten die bolschewistischen Anweisungen. Eine Berliner Zeitschrift hieß ›die Pleite‹. Auf dem Titelblatt ist ein deutscher Soldat abgebildet, darunter steht ›Die deutsche Pest‹. […] Das gute Deutsche war vogelfrei. In dieser Ätzmanier – im Sinne obiger Anweisung möglichst grell – ist eine Anzahl von Bildwerken entstanden, von denen die Gruppen ›Klassenkampfpropaganda‹ – ›Hetze gegen das Soldatentum‹ […] berichten.«175 In der Salzburger Schau fand ein Wechsel der Ausstellungsstücke statt, da das Propagandaministerium 71 Werke aus der Ausstellung zurückbeordert hatte, um sie im Depot Niederschönhausen für die bevorstehende »Verwertung« auf dem internationalen Markt zwischenzulagern. Dabei handelte es sich um die Werke von



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16 Künstlern von internationalem Renommee: Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Lyonel Feininger, Erich Heckel, Karl Hofer, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Ewald Mataré, G. A. Müller, Otto Mueller, Emil Nolde, Christian Rohlfs und Karl Schmidt-Rottluff. Von ihnen waren nach Angaben Zuschlags sieben Objekte auf der Auktion der Galerie Fischer im Grand Hôtel National Luzern am 30. Juni 1939.176 Otto Dix war mit den Gemälden arbeiterfrau mit kind (1930, Wiesbaden), bildnis des juweliers karl krall (1923, Berlin), knabenbildnis (1925, Mannheim), dem als krieg titulierten schützengraben (1920/1923, Dresden) und einem porträt (o. J., Düsseldorf) gelistet.177 Kurz nachdem auch in Hamburg die Pogrome während der sogenannten »Reichskristallnacht« Zerstörung verursacht hatten, wurde die Femeschau am 11. November eröffnet und bis 30. Dezember im dortigen Schulausstellungsgebäude gezeigt. Da aus der Salzburger Schau zuvor 71 Arbeiten zu »Verwertungszwecken« entfernt worden waren, wurden der Ausstellung entartete kunst in Hamburg unter Auslassung weiterer Dix-Arbeiten insgesamt 115 Objekte – vermutlich aus dem Bestand des Depots in der Berliner Köpenicker Straße – hinzugefügt.178 Obwohl zentrale Gemälde wie Dix’ schützengraben entnommen worden waren, kategorisierte man seine Arbeiten weiterhin in die Ausstellungsgruppen »Klassenkampfpropaganda« und »Wehrpflichtverweigerung«.179 In Stettin wurde die Schau, die zwischen dem 11. Januar und dem 5. Februar 1939 im dortigen Landeshaus stattfand, ebenfalls dem führer zur ausstellung entsprechend in dieselben thematischen Gruppen untergliedert und Dix erneut als Beispiel der »Wehrsabotage« präsentiert. Dies geht aus einem Beitrag des stettiner general-anzeigers hervor, in dem die Radierung kantine in haplincourt von 1924 abgebildet wurde, auf der betrunkene und sich übergebende Soldaten dargestellt sind. Dies wurde mit der Unterschrift »So beschimpfte – die Ausstellung weist noch schlimmere Beispiele dafür auf – der Maler Otto Dix den deutschen Soldaten« versehen.180 Nach der Station im Weimarer Landesmuseum vom 23. März bis zum 24. April 1939 wanderte die Femeschau weiter nach Wien. Der stark bebilderte Artikel Hans Wieczoreks unter dem Titel »entartete kunst« zur ausstellung in wien zeigt das arbeiterbildnis von Otto Dix, das folglich in der Ausstellung gezeigt wurde. Anschließend geht aus einem Artikel von Heinrich Theodor Wüst hervor, dass Dix’ Arbeit kriegskrüppel in der Station Frankfurt am Main gezeigt wurde.181 Am 1. Juli 1939 prangerte das frankfurter tageblatt an: »An der Spitze marschiert der Dresdner Dix mit seiner hundsgemeinen Verspottung der Kriegsbeschädigten. Er ist der Repräsentant der höchsten Erbärmlichkeit – wobei bemerkt sei, daß Selbstprostitution in diesen Kreisen

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Ehrensache ist, denn diese Entartungskünstler können es auch anders, sie zeigen aber künstliches, gewolltes Nichtskönnertum als Zeichen ihres volks- und seelenvergiftenden Handwerks.«182 Dem verzeichnis der von der reichspropagandaleitung an das reichsministerium für volksaufklärung und propaganda zurückgegebenen werke aus der ausstellung »entartete kunst« von 1941 zufolge sind die drei Radierungen transplantation, spiegelsaal von brüssel und tote vor der stellung bei tahure auch bei den Femeschauen in Chemnitz (Kaufmännisches Vereinshaus, 11. bis 26. August 1939), Waldenburg (Kreisleitung der nsdap, 18. Januar bis 2. Februar 1941) und der letztbekannten Station in Halle an der Saale (Landesanstalt für Volksheilkunde, 5. bis 20. April 1941) gezeigt worden, ehe sie von der Reichspropagandaleitung im November 1941 zurückgefordert wurden.183 Der Verbleib der hier verzeichneten Arbeiten ist nicht abschließend geklärt. Hier nicht aufgeführte Werke des Malers, die aber Teil der Feme-Wanderschau entartete kunst waren, sind möglicherweise zuvor aus der Wanderschau nach Niederschönhausen retourniert, bereits verkauft oder im Zuge der Verbrennungsaktion vernichtet worden.

verwertung im zuge der aktion »entartete kunst« Zu differenzieren ist zwischen den vorläufigen Beschlagnahmungen, die in der ersten Julihälfte 1937 vollzogen wurden, worauf ab dem 19. Juli die Münchener Ausstellung folgte – und einer zweiten Beschlagnahmewelle, die im August desselben Jahres auf Geheiß Adolf Hitlers in Form eines »unerbittlichen Säuberungskrieges […] gegen die letzten Elemente [der] Kulturzersetzung« ihren Auftakt nahm.184 Eine Verordnung Hitlers vom 27. Juli 1937 veranlasste darüber hinaus, »aus allen im Reichs-, Länder- und Kommunalbesitz befindlichen Museen, Galerien und Sammlungen noch vorhandene Produkte der Verfallszeit zu beschlagnahmen«.185 Die zweite, weitaus umfangreichere Beschlagnahmeaktion wurde vom 6. August 1937 bis zirka Mitte November durchgeführt. Die von Adolf Ziegler benannten Kommissionsmitglieder führten die Beschlagnahmungen nach dem Auftakt im Juli in weiteren 100 Museen in 74 Städten fort. Vormals stand die Beschickung der großen Femeschau im Fokus. Mit der zweiten Beschlagnahmewelle ging es nun um die wirtschaftlichen Interessen mit dem Ziel, die »entartete« Moderne aus öffentlichen Sammlungen zu verbannen, sie propagandistisch anzuprangern und schließlich auf dem internationalen Kunstmarkt zu veräußern. Inklusive aller vorherigen Einziehungen beläuft sich die dokumentierte Gesamtzahl der eingezogenen Arbeiten



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auf etwa 20 000 Kunstwerke von mehr als 1400 Künstlerinnen und Künstlern.186 Beginnend im März 1938 wurden erneut Kunstwerke aus öffentlichen Sammlungen eingezogen, sodass der »Bildersturm« breitenwirksam durchgeführt wurde und in öffentlichem Besitz kaum Werke der Moderne verblieben sein dürften. Neben den in München vorhandenen Werken wurde auch die Wanderausstellung aus diesem Bestand bestückt. Alle beschlagnahmten Kunstgüter wurden zunächst in einem Getreidespeicher in der Köpenicker Straße in Berlin eingelagert und dort von Rolf (Reinhold Bernhard) Hetsch (1903–1946) inventarisiert. So entstand ein Inventar mit dem Titel verzeichnis der im jahre 1937 sichergestellten werke entarteter kunst aus deutschem museumsbesitz und der abwicklungsmassnahmen 1938/41 – bearbeitet im reichsministerium für volksaufklärung und propaganda, abteilung bildende kunst, abgeschlossen am 30. juni 1941.«187 Zwischen Juli und September 1938 wurden »[i]nternational verwertbare« Kunstobjekte – das heißt durch den Verkauf ins Ausland in Devisen umsetzbare Werke aus den allgemeinen Beschlagnahmebeständen – vom Kreuzberger Depot ins Schloss Niederschönhausen im Bezirk Pankow verlagert. Auf diese Weise fand eine Separierung vom übrigen »unverwertbaren« Beschlagnahmebestand statt. Zu den »verwertbaren« Kunstwerken aus der Ausstellung entartete kunst zählten neben Arbeiten von Dix unter anderem solche von Max Beckmann (1884–1950), Paul Klee (1879–1940), Oskar Kokoschka (1886–1980), Lyonel Feininger (1871–1956), Emil Nolde (1867–1956), Max Pechstein (1881–1955) und zahlreichen anderen Künstlerinnen und Künstlern der Moderne.188 Dabei standen Arbeiten des Expressionismus, Kubismus, Dada, der Neuen Sachlichkeit und anderen Strömungen der Zeit im Fokus. In Niederschönhausen befanden sich schließlich 779 Gemälde und Plastiken sowie 3500 Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken.189 Die Verbrennung der »unverwertbaren« Werke – 1004 Gemälde und Plastiken sowie 3825 Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken – fand am 20. März 1939 im Hof der Berliner Hauptfeuerwache statt.190 Fotografisch ist dokumentiert, dass neben Dix’ Büste friedrich nietzsche von 1914 die Gemälde bildnis des dichters theodor däubler von 1927 – zu dem kein Eintrag im Beschlagnahmeinventar »Entartete Kunst« von 1941/1942 existiert – sowie frau mit säugling und bildnis der tänzerin anita ­berber im Depot eingelagert waren.191 Aus dem beschlagnahmeinventar »entartete kunst« geht hervor, dass das Gemälde frau mit säugling unter dem Titel mutter und kind zum Preis von 20 Schweizer Franken über die Galerie Fischer verkauft wurde. Das bildnis der tänzerin anita berber zählte dem Inventar gemäß zum Bestand Fischers, wurde demzufolge aber offenbar nicht verauktioniert, sondern lediglich mit dem Vermerk »Ehemaliger Kommissionsbestand

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in Verwahrung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« versehen. Die aus dem Besitz des Dresdner Stadtmuseums stammende Nietzsche-Gipsbüste, deren Verbleib unbekannt ist, wurde im Inventar mit derselben Status-Notiz versehen. Neben den fotografisch nachgewiesenen und teilweise über die Galerie Fischer veräußerten Arbeiten von Otto Dix, die im Depot Niederschönhausen deponiert waren, gehen aus dem Dokument zur aktion »entartete kunst« weitere 250 beschlagnahmte Objekte des Künstlers hervor. Insgesamt handelt es sich um 22 Gemälde, 172 Druckgrafiken – wobei ein Kriegsmappen-Konvolut als Einzelnummer aufgeführt wurde – 33 Aquarelle, 25 Grafiken und eine Plastik, die aus 36 Museen respektive öffentlichen Sammlungen eingezogen worden waren. Davon wurden 15 Objekte – sämtlich Druckgrafik – der Kategorie »Vernichtung« zugeordnet.192 Von der »Abwicklung« über Cornelius Gurlitt waren laut Inventar insgesamt 139 Objekte betroffen, für die Devisen in Schweizer Franken erzielt wurden. Die Galerie Fischer ist mit zwei Arbeiten vermerkt – ebenfalls in Schweizer Franken. Über Bernhard A. Böhmer wurden 12 Titel für us-Dollar verkauft und Karl Buchholz aus Berlin veräußerte der Dokumentation zufolge eine Druckgrafik ebenfalls für us-amerikanische Devisen.193 Damit wurden anhand des Beschlagnahmeinventars deutlich, dass Dix’ Arbeiten über drei der vier offiziell vom Propagandaministerium zur »Verwertung« autorisierten Kunsthändler – mit Ausnahme Ferdinand Möllers in Berlin – an internationale Abnehmer aus der Schweiz und den usa veräußert.194 Im Rahmen der Auktion gemälde und plastiken moderner meister aus deutschen museen der Schweizer Galerie Fischer in Luzern am 30. Juni 1939 wurden dem Inventar von 1941/1942 zufolge vier Arbeiten von Dix zum Verkauf angeboten.195 Nach Angaben von Dietrich Schubert folgte im August desselben Jahres eine zweite Auktion.196 So wurde die aus dem Dresdner Stadtmuseum stammende Büste friedrich nietzsche mit 4200 Schweizer Franken veranschlagt, jedoch nicht veräußert. Im Auktionskatalog der Galerie Fischer sind neben einer kurzen Objektbeschreibung, den Objektangaben zu Material und Objektmaßen auch die Dresdner Provenienz sowie eine halbseitige Abbildung aufgeführt.197 Das Gemälde bildnis der eltern I stammte aus dem Besitz des Wallraf-Richartz-Museums in Köln und brachte im Gegensatz zu allen übrigen Objekten des Malers den Spitzensatz in Höhe von 2100 Schweizer Franken ein (Abb. 15).198 Der weltkunst ist zu entnehmen, dass die Arbeit durch eine öffentliche Institution in Basel angekauft wurde. Dabei handelt es sich um das Kunstmuseum Basel, das die Arbeit »mit einem Sonderkredit der Basler Regierung« 1939 erwarb und in dessen Besitz und Sammlungsbestand es noch heute ist.199 Das Gemälde mutter und kind respektive frau mit säugling, das in der Städtischen Kunstsammlung Königsberg (heute Kaliningrad) beschlagnahmt worden war, wurde nach Angaben des beschlagnahmeinventars »entartete



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15  Otto Dix. bildnis der eltern i 1921, Öl auf Leinwand, 101,1 × 114,8 cm, Kunstmuseum Basel

kunst« für 20 Schweizer Franken verkauft, wohingegen in der veröffentlichten Preisliste kein Verkauf angegeben ist.200 Das vormals erwähnte Gemälde bildnis der tänzerin anita berber aus der Städtischen Galerie Nürnberg wurde nach Angaben des Beschlagnahmeinventars wie auch der in der weltkunst aufgeführten Preisliste bei der Auktion nicht verkauft.201 Zu Letzterem weist der Auktionskatalog ferner das Carnegie Institute in Pittsburgh und die Galerie Thannhauser in München als Ausstellungs-Provenienzen aus.202 Über die Verkäufe hinaus sind 42 Positionen im Beschlagnahmeinventar zu Otto Dix vermerkt, die als Tauschverträge teilweise über die benannten Kunsthändler abgewickelt wurden. Hierzu zählten sowohl Gemälde als auch Aquarelle und Grafiken von Otto Dix. So sind insgesamt 13 Positionen von Dix mit dem Verweis »Fohn – Tausch« beziehungsweise »Fohn ii – Tausch« versehen, womit auf die von Zuschlag als »spektakulärste Tauschaktionen« bezeichneten Handelsverträge mit dem Ehepaar Fohn rekurriert wird.203 Sofie und Emanuel Fohn hatten ihre Sammlung deutscher Künstler des späten 18. und 19. Jahrhunderts gegen als »entartet« verfemte Werke getauscht. Die Tauschgeschäfte mit dem in Rom lebenden österreichischen Künstler- und Sammlerehepaar fanden 1939 im Februar, Juni und Dezember statt.204

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innerdeutsche ausstellungen und ausgewählte aufträge Hinsichtlich seiner Verbindung zu politischen Funktionären und daraus resultierender beruflicher Möglichkeiten berichtete Dix 1934 seiner Ehefrau Martha gegenüber: »Ich habe gestern Abend mit Flemming und Albiker zusammen gegessen[.] A. behauptet[,] ich träte ›mein Glück mit Füßen‹[,] da ich Lenk, Weidemann und Hinkel kenne[,] ohne es für mich auszunützen.«205 Daraus geht hervor, dass neben der Freundschaft zu Franz Lenk – die, wie nachfolgend dargelegt wird, Zugang zu einem wichtigen Gemäldeauftrag ermöglichte – mit Hans Weidemann (1904–1975) und Hans Hinkel (1901–1960) die Verbindung zu zwei weiteren politischen Funktionären im kulturellen Sektor bestand. Diese wird zwar in den weiteren Korrespondenzen – mit Ausnahme der Verbindung zu Franz Lenk – nicht vertiefend benannt, auch zeichnen sich anhand der konsultierten Quellenbestände keine konkreten beruflichen Möglichkeiten ab, dennoch wird an dieser Tatsache ein Netzwerk in die nationalsozialistische Kulturpolitik erkennbar.206 Zeitgleich mit der Verfemung etwa im Rahmen der Propagandaschau entartete kunst, den Vorläuferausstellungen und der gleichnamigen Wanderschau ist eine starke Verringerung der Ausstellungen unter der Beteiligung von Dix zu beobachten respektive seit 1936 sind sie nur vereinzelt nachweisbar. Bei jenen, die nachfolgend Besprechung finden, handelt es sich um Expositionen in Galerien und Kunstvereinen. Lediglich die sonderausstellung otto dix im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich 1938 ist als Einzelausstellung des Malers zu dieser Zeit bekannt.207 Für Otto Dix bestand trotz der öffentlichen Zurschaustellung seiner Werke als »entartet« im Rahmen der Dresdener und anderer Schauen nach 1933 die Möglichkeit zur Präsentation und zum Verkauf seiner Arbeiten in unterschiedlichen Kontexten. Wie sich seine Partizipation am Kunstgeschehen gestaltete, belegen Korrespondenzen unterschiedlicher Adressaten und Institutionen, zu denen die nsKulturgemeinde Mannheim, die Dix vertretende Galerie Nierendorf, das Kunsthaus Schaller, der Kölnische Kunstverein, die Galerie Gerstenberger und andere gehören.208 In der Korrespondenz mit Karl Nierendorf wird deutlich, dass die sogenannte »Schandausstellung« von 1933 in den darauffolgenden Jahren Konsequenzen für Dix’ Rezeption auf dem Ausstellungs- und somit auch dem Kunstmarkt nach sich zog. So nimmt der Galerist die Rezeption und die Wirkung der Kunst im Oktober 1933 in den Blick. »Dass Du nicht größeren Erfolg hast, liegt allein daran, dass die Menschen nicht die Kraft aufbringen, die Deinen Arbeiten gegenüber erforderlich ist. […] Da versagen viele, die angeblich ›Kunstverständnis‹ haben, vor allem Kunsthistoriker.«209 Später schrieb Nierendorf: »Ich bin der Meinung, dass man bei der heutigen Zeit jede Entschliessung machen soll, und dass allein schon die ›Greuel‹-



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Ausstellung und der verschärfte Kampf genug sind, vorläufig nicht auszustellen, wie dies die anderen Künstler auch tun.«210 Die ersten »Schandausstellungen« bildeten eine politische Positionierung und Handhabe ab, mit der gegen moderne künstlerische Arbeiten und Existenzen vorgegangen wurde. Der Umgang mit und das Interesse an Dix’ Arbeiten bezeugen jedoch eine heterogene Rezeption. Eine nationalistische Meinung vertrat der von 1909 bis 1933 das Direktorenamt der Berliner Nationalgalerie bekleidende L ­ udwig Justi kurz nach Dix’ Entlassung. Im Zuge der Amtsenthebung und auf dessen Hilfe­ gesuch hin schrieb er dem Maler und verhielt sich insofern konform zur politischen Situation, als er die sozial- und zeitkritische Arbeiten der Weimarer Zeit als der nationalsozialistischen Regierung zuwiderlaufend kritisierte. In seinem Brief brachte Justi zudem seinen persönlichen »Widerwillen« zum Ausdruck. »Es wundert mich nicht, daß die jetzige Regierung an vielem Anstoß nimmt, das Sie an die Öffentlichkeit gebracht haben. Auch mir waren solche Bilder abschreckend. Ich sah darin eine fanatische Auseinandersetzung mit Wirklichkeiten, die Ihrem jugendlichen Gemüt entgegentraten, und die vielleicht mit der Zeit aus Ihrem Gesichtskreis zurückgetreten wären, besonders dann, wenn es der neuen Regierung gelingt, im Leben des deutschen Volkes die erhoffte Sauberkeit durchzusetzen, soweit das menschenmöglich ist. Auch Ihre Stellung zum Krieg habe ich bedauert, und als ich wiederholt von verschiedenen Seiten angegangen wurde, Ihr Kölner Kriegstriptychon in die National-Galerie zu übernehmen, durch Kauf oder auch nur als Leihgabe, habe ich das strikt abgelehnt.«211 Trotz seiner persönlichen Ablehnung habe er in der Nationalgalerie versucht, Dix’ künstlerische Qualität anhand »neutraler« Porträts zu fördern. Hinsichtlich seiner Empfehlung, der Maler solle sich »völkisch« entwickeln und somit systemkonform verhalten, ist Justis Darlegung eine Chance des beruflichen Fortbestehens zuzuschreiben und bildet zugleich seine rechtskonservative Haltung ab. Die folgende Argumentation, in der Justi Dix’ Herkunft »aus dem vierten Stande« prononciert, erscheint als Strategie, den Maler zu einer künstlerischen Wende zu bewegen und ihn somit der systemischen Gleichschaltung unterordnen zu wollen. »Da die Regierung und Gesinnung in Deutschland von der ns.-Arbeiter-Partei getragen ist, so würde sie an sich gerade für Sie, der Sie aus dem vierten Stande hervorgegangen sind – unter den bekannteren Künstlern der Gegenwart wohl der einzige – offene Arme haben können. Ich verstehe jedoch, daß man im Augenblick über jene Werke nicht hinweg kommt, da sie einem wichtigsten

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Ziel der neuen Regierung schnurstracks zuwiderlaufen. Gelingt die gewünschte Umwandlung des Volkes, von der Wurzel an, so halte ich es für möglich, daß auch Sie einer solchen Wandlung nicht fern bleiben würden, da nach allen geschichtlichen Erfahrungen der begabte und gereifte Künstler zu gestalten pflegt, was sein Volk wahrhaft bewegt. Ich würde es bedauern, wenn ein Künstler Ihrer Begabung auf Dauer beiseite stünde und es mit dankbarer Freude begrüßen, wenn eine solche Begabung an einer ins Positive gewendeten schöpferischen Kunst mitwirkte. Dies soll nicht etwa der Rat zu einer konjunkturhaften ›Umstellung‹ sein, sondern nur der Ausdruck meines Glaubens, daß jeder wirklich starke Künstler schließlich dem echten Willen der wahrhaften Grundgesinnung seines Volkes angehören wird«212 Angesichts dieser Empfehlung wirken die künstlerische Entwicklung und der motivische Bruch, mit dem Dix sein Œuvre landschaftlich prägte, erstaunlich. Es scheint, als habe der Maler den Rat des Museumsdirektors befolgt und eine politisch konforme Ausdrucksweise angenommen. Dennoch wird eine Ambivalenz in der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber Otto Dix deutlich. Da offiziell bereits gegen seine Arbeiten mobilisiert wurde, erscheint erstaunlich, dass die Leitung der Abteilung Theater – Ministerialrat Otto Laubinger (1892–1935) – Dix etwa zeitgleich beauftragte, das Porträt des Schauspielers Heinrich George (1893–1946) zum Propagandaministerium zu bringen.213 Noch im Juni war die Arbeit bei Nierendorf in Berlin ausgestellt und Nierendorf erläuterte dazu: »Alle sind sehr begeistert, auch Justi und die Herren vom Ministerium. Man würde in normalen Zeiten solch ein Werk sofort verkaufen. Bis jetzt hat nur Baron v. d. Heydt nach dem Preis gefragt. Da ich weiss, wie er handelt, fragte ich 3000.– M. Vielleicht gibt er 2000.– und überlässt das Bild dann einem Schweizer Museum als Leihgabe, etwa Zürich. […] Die Presse war auch sehr gut für das Werk und seine Ausstellung hat Dir auf alle Fälle bei vielem genutzt.«214 Neben dem Interesse der deutsche Museumsrepräsentanten und der positiven Presse zur Ausstellung sprach Nierendorf vom Bankier, nsdap-Mitglied und Kunstsammler Eduard von der Heydt (1882–1964) und dessen Verbindung zu schweizer­ ischen Sammlungen wie das Kunsthaus Zürich, dessen Direktor Wilhelm Wartmann (1882–1970) das Haus von 1909 bis 1949 leitete.215 Hieraus geht hervor, dass Dix’ Arbeiten auch zu dieser Zeit auf dem Schweizer Kunstmarkt gehandelt wurden. Das hatte bereits die Züricher Ausstellung des Kunstsalons Wolfsberg 1929 gezeigt und das Interesse riss auch nach 1933 nicht ab.



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16  Otto Dix. bildnis des schauspielers heinrich george 1932, Öl und Tempera auf Holz, 100 × 83,5 cm, Kunstmuseum Stuttgart

In einem Brief an Franz Lenk bat Dix im Dezember 1933 um Informationen zum Verbleib des bildnisses des schauspielers heinrich george (als franz biberkopf) von 1932 und darum, dass die Angelegenheit privat bleiben und »nicht telefonisch« angefragt werden soll (Abb. 16).216 Dix und seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen agierten in der politisch unruhigen, restriktiven Zeit mit Vorsicht. Die vertrauensvolle Beziehung zwischen Dix und Lenk spiegelt sich auch in der künstlerischen Anerkennung durch Ankäufe. So erwarb Lenk 1936 etwa die Zeichnung buchen seines Kollegen über die Galerie Nierendorf.217 Hinsichtlich des GeorgePorträts beauftragte Dix noch 1933 Karl Nierendorf, das Gemälde im Propagandaministerium wieder abzuholen, dies sei mit dem Ministerialrat und Präsidenten der Reichstheaterkammer Otto Laubinger (1882–1935) vereinbart gewesen. Das Bild war folglich nicht wider Dix’ Willen ins Propaganda­ministerium gelangt. Zwar war es anschließend im Bestand der Galerie Nierendorf, allerdings weist Laubingers Anfrage an Dix darauf hin, dass ein Interesse seitens des Ministeriums an Dix’ Malerei bestand.218 Die Parallelität zur Dresdner Schreckensausstellung verweist auf die inhomogene Stoßrichtung, die im Bereich der zeitgenössischen Kulturpoli-

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tik vorherrschte und an personale Entscheidungsträger geknüpft war. Die positive Resonanz auf Dix’ George-Porträt war insofern gegeben, als der Verein Berliner Künstler ein Ausstellungsinteresse gegenüber Dix bekundet hatte. Der Maler bat Lenk anschließend, das Gemälde bei Nierendorf abzuholen, um es zur Vereins-Ausstellung zu bringen. Franz Lenk war Ende 1933 beziehungsweise Anfang 1934 Kurator der Gäste-Ausstellung im Verein Berliner Künstler und schrieb im Februar an Dix:219 »Ich habe mich aufrichtig gefreut, daß die Ausstellung im Verein Berliner Künstler auch für Sie gut gewesen ist. Ihre Bilder haben großen Anklang gefunden, selbst der ›Völkische Beobachter‹ mußte zugeben, daß Sie etwas sind […].«220 Demnach fand Dix’ Malerei selbst in der agitatorischen ss-Presse Anerkennung. Die Rhetorik änderte sich aber spätestens im Zuge der Ausstellung zwei deutsche maler. otto dix und franz lenk in der Galerie Nierendorf 1935. Nierendorf hatte bereits im Oktober 1933 an Dix geschrieben, dass er hoffe, dass George alles erreiche, was Dix wolle.221 Auch in diesem Zusammenhang erscheint das Interesse der Abteilung Theater des Propagandaministeriums an Dix’ Gemälde plausibel. Lenks kulturpolitisches Amt in der Reichskammer der bildenden Künste zog auch nach 1933 Kreise, etwa im Rahmen der Dix-Lenk-Ausstellung. Dass Franz Lenk neben seiner Position in der Reichskulturkammer auch als anerkannter Künstler wahrgenommen wurde, zeigt sich nicht zuletzt an den Ankäufen der Anhaltischen Gemäldegalerie in Dessau, wo Lenks Arbeiten vom 19. September bis zum 3. Oktober 1937 im Rahmen der Ausstellung entartete kunst als »völkisches« Beispiel neben Werken von Adolph Menzel, Arno Breker oder Georg Schrimpf vertreten waren.222 Zwar waren Arbeiten von Lenk nicht auf der grossen deutschen kunstausstellung gezeigt, zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen bis 1941 verweisen jedoch auf seine anerkannte Stellung.223 Wenngleich die Verbindung zwischen Dix und Lenk keine Hilfestellung hinsichtlich der Diskriminierung durch die Aktion und Femeschau entartete kunst bewirkte, waren die Bestrebungen nach Lenks Angaben jedoch gegeben.224 Dieser war seit Dezember 1933 als Mitglied des Präsidialrates der Reichskammer der bildenden Künste tätig und hatte Dix im selben Monat geschrieben:225 »Sie können überzeugt sein, daß wir nun die Dinge bald in Ordnung bringen werden, die beste Aussicht ist dafür vorhanden.«226 Nierendorf hatte dagegen beklagt, dass »[Hans] Weidemann […] von allen seinen Aemtern beurlaubt [ist] und damit verlieren wir eine der stärksten Stützen. Die offizielle Kunst wird von einer grauen Langeweile sein. Das wird schon die nächste Akademie-Ausstellung beweisen. Wir müssen uns auf den kleinen, aber zuverlässigen Kreis von Kunstfreunden einstellen, und möglichst ohne grosse Öffentlichkeit wirken.«227



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Im Sommer 1934 zeigte die Galerie Nierendorf in Berlin die Ausstellung deutsche landschaft, aquarelle und pastelle deutscher künstler. Die motivische Neuausrichtung hin zur Landschaftsmalerei schlug sich also bereits im Jahr nach Dix’ Umzug in Ausstellungsbeteiligungen nieder. Aus der Korrespondenz zwischen Dix und Josef Nierendorf geht hervor, dass mindestens sieben Silberstiftzeichnungen von Dix in der Ausstellung gezeigt wurden, bei denen es sich um landschaft bei st. goar, landschaft mit wolken, randegg im schnee, hunsrück, herbstlandschaft bei randegg, dörflingen im schnee, hohentwiel und hohenkrähen handelte.228 Nierendorf teilte am 15. August mit, dass die Zeichnungen »in der Presse sehr anerkannt worden« seien.229 Sein Bruder Josef ergänzte kurze Zeit später: »Deine Zeichnungen erwecken in meiner Ausstellung ›Deutsche Landschaft‹ sehr grosses Interesse.«230 Im selben Schreiben davon berichtet, dass Verkaufsabschlüsse ausstehen würden und nur wenig später berichtete Nierendorf am 19. September dann aber vom Kaufinteresse an einer Landschaftszeichnung seitens des Direktors der Berliner Nationalgalerie, Eberhard Hanfstaengl (1886–1973): »Anfang der Woche erreichte ich nach vielen Bemühungen, dass Direktor Hanfstaengl von der Nationalgalerie noch die Ausstellung kurz vor Schluss besuchte. Er liess sich einige der ausgestellten Arbeiten zur Ansicht schicken und möchte von Deinen Arbeiten die Zeichnung ›Gemüsegarten in Randegg‹ erwerben. Er hat mir ein Angebot von rm. 120,– gemacht.«231 Demnach bestand auch nach Dix’ Entlassung ein Interesse ranghoher Museumsleute an seinem Œuvre. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass das modifizierte Sujet – weg vom soziokritischen Motiv, hin zur Landschaftsdarstellung – Anerkennung erfuhr. Der von Justi nahegelegte künstlerische Wandel wurde in der Kunstwelt ambivalent beurteilt, sodass die Resonanz auf die Landschaftsmotive partiell positiv ausfiel. Neben dem Interesse am Kauf einer Landschaftszeichnung seitens Hanfstaengl waren auch andere Personen im ns-Kulturbetrieb an Dix’ neuer künstlerischer Ausrichtung interessiert. So bat Rudi Baerwind, Referent für bildende Kunst der nskulturgemeinde mannheim, den Maler am 7. Januar 1935 um Einsendung von Gemälden für die Ausstellung romantisches in der deutschen malerei, die im März desselben Jahres beginnen sollte:232 »Diese Ausstellung wird neben den Werken der Romantiker über Thoma[,] Böcklin[,] Feuerbach […] bis in unsere Zeit Werke der bekanntesten Meister zeigen. Von den modernen, die wir besonders betonen wollen, werden u.a.

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Hofer[,] Beckmann, Nolde[,] Kirchner, Heckel, Schmidt[-]Rottluff etc … vertreten sein u. gern mit je 2 Werken. Es würde uns sehr freuen, wenn auch Sie sich an dieser Ausstellung, die in Mannheim eine Manifestation […] darstellen soll, beteiligen zu wollen. Ich hatte Gelegenheit, Fotos Ihrer letzten Arbeiten zu sehen, Landschaften u. u.a. ein Familienbild […] vor einem Baum. Das Bild wäre glänzend für unsere Ausstellung geeignet! […] Ich […] habe Gelegenheit, hier an der Kreisleitung in künstlerischen Dingen Einflüsse zu gewinnen, d.h. den Kurs in Mannheim, von dem Sie sicher genügend vernommen haben, umzubiegen. […] Herrn Dir. Hanfstaengl vom Kronprinzenpalais u. andere maßgebende Leute sind über unsere Pläne hier orientiert u. geben uns nahegelegendste Unterstützung.«233 Mit der Formulierung, »den Kurs in Mannheim umbiegen« zu wollen, deutet Baerwind auf den verächtlichen Umgang der ns-Kunstpolitik mit Dix’ Arbeiten hin. Mit solidarischem Habitus verweist der Verfasser hier aller Wahrscheinlichkeit nach noch auf die Mannheimer Femeschau 1933, die das Ansehen des Malers und seines Œuvres in der Bevölkerung grundlegend geschmälert haben wird. Demnach können weder die Entlassung aus der Professur 1933 noch die anschließenden Femeausstellungen als kategorisches Ausschluss-Kriterium für Dix’ Werke in öffentlich angebundenen Institutionen gewertet werden. Anderenfalls hätte die ns-kulturgemeinde mannheim – in der Stadt beheimatet, in der Otto Dix’ veristische Arbeiten 1925 im Rahmen der Ausstellung neue sachlichkeit an Popularität gewannen – keine Anfrage an den Maler gestellt. Ferner tritt aus dem Brief die Anerkennung gegenüber Dix’ geändertem Motivrepertoire hervor, da Werke wie selbstbildnis mit ursus und jan von 1934 angefragt wurden und sein modifiziertes Œuvre ausgestellt wurde (Abb. 17).234 Die benannte Ausstellung ist im Zusammenhang mit der Kunst- und Rezeptionsbestrebungen einer »originalen Romantik« 1932 zu betrachten.235 Waren es die Ausstellungen der Galerie Neue Kunst Fides in Dresden 1930 oder des Ulmer Museums 1932, die Rekurse aktueller künstlerischer Positionen – namentlich unter anderem Otto Dix – auf kunsthistorische Epochen wie Renaissance und Romantik herstellten, ist hier eine Fortführung einer bereits bestehenden Tendenz erkennbar. In Anlehnung an die veristischen Arbeiten schrieb Baerwind folglich: »Ich danke Ihnen vielmals für Ihren Brief. Selbstverständlich sind wir mit dem gezeichneten Bild sehr einverstanden u. würden nur noch fragen, ob Sie uns evtl. auch eine Ihrer neuesten Landschaften zur Verfügung stellen könnten? Da das Porträt also weder bolschewistisch, noch ku- oder futuristisch oder gar untermenschlich (!) ist, ist es natürlich glänzend geeignet!!«236



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17  Otto Dix. selbstbildnis mit ursus und jan 1934, Objektdaten unbekannt, verbrannt

Die Tatsache, dass Dix’ Malerei der 1920er Jahre einen kulturpolitischen Diskurs und eine Zensur etwa im Sinne der Entlassung und der Schandausstellung 1933 zur Folge hatte, war dem Referenten der ns-kunstgemeinde mannheim 1935 durchaus bewusst. Sollze Dix seine Einreichung des Gemäldeentwurfs nicht gar mit einer Anpassung an gewollte Stilformen und Motive intendiert haben, so wurde ihm mittels Baerwinds Brief zumindest gespiegelt, welche Kunstform, Sujets und stilistische Gestaltungsweise von ihm erwartet wurde. Im kulturpolitischen und werkspezifischen Zusammenhang ist die Ausstellung zwei deutsche maler. otto dix und franz lenk besonders hervorzuheben. Sie war zwischen Januar und März 1935 in der Galerie Nierendorf in Berlin gezeigt worden. In ihrem Mittelpunkt standen nahezu ausschließlich Arbeiten, die seit 1933 entstanden waren. Nierendorf nahm also erneut zwei deutsche Landschaftspositionen in den Fokus. Dix schrieb an Nierendorf: »Mit Lenk habe ich gesprochen[,] dass wir zusammen etwa im Frühjahr bei Dir eine Ausstellung zeigen wollen[.]«237 Die Ausstellung wurde folglich am Lützowufer 19 in Berlin realisiert und ging auf

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die gemeinsame Initiative der Maler zurück. Die Künstler hatten im Sommer 1934 gemeinsam die Landschaft im Hegau im südlichen Baden-Württemberg studiert. Die daraus hervorgegangenen Ergebnisse, sowohl »altdeutsch« anmutende Ölgemälde als auch Silberstift- und Federzeichnungen, wurden zwischen Januar und dem 15. März 1935 bei Nierendorf in Berlin ausgestellt.238 Von Dix’ Arbeiten waren 19 Silberstiftzeichnungen, fünf Federzeichnungen, eine Radierung und neun Ölgemälde ausgestellt.239 Im Ausstellungskatalog ist unter den Exponaten unter anderem die Silberstiftzeichnung hohentwiel im november aufgeführt, wobei es sich um die Vorzeichnung zum Gemälde hohentwiel mit hohenkrähen von 1933 handelt, das 1938 in der sonderausstellung otto dix im Kunstsalon Wolfsberg gezeigt wurde und bislang nicht Teil des Œuvrekatalogs zu den Gemälden ist (Abb. 1).240 Darüber hinaus stellte Nierendorf Arbeiten aus, bei denen es sich mit Ausnahme der Gemälde nelly als säugling von 1923, selbstbildnis mit ursus und jan von 1934 sowie sieben Porträtzeichnungen ausschließlich um Landschaftsdarstellungen aus der 1933 einsetzenden Werkphase handelte. Bereits am 30. Januar berichtete Karl Nierendorf in einem Brief an Otto Dix, er habe das »Selbstbildnis mit zwei Jungens an den Sammler Henke aus Essen verkauft«.241 Und weiter: »Henke hat darum gebeten, sein Bild am 1. März abzu­ schicken, da er am 10. eine Veranstaltung in seinem Hause hat.«242 Das Gemälde muss also frühzeitig aus der Ausstellung herausgelöst worden sein. Dix griff den Verkauf des Gemäldes selbstbildnis mit knaben von 1934 auf – naheliegend ist, dass es sich um das Gemälde selbstbildnis mit ursus und jan handelt – und ging in seinem Brief auf eine Verkaufsverhandlung zwischen Nierendorf, Ludwig Gutbier (1873–1951), dem Galeristen der Galerie Arnold, und dem Direktor der Berliner Nationalgalerie ein: »Ich hatte Dir nämlich gesagt, daß Gutbier mit Hanfstaengl wegen der Bilder in Verhandlung steht. Wenn Du es ihnen verkaufst, ist es Deine Sache, wie Du mit Gutbier auseinander kommst. […] Zu den anschließenden Ausstellungen Hamburg und Köln bin ich bereit. Gib mir die Hamburger Adresse, ich hoffe, Mitte Februar noch 2 Landschaften, eine Herbst- und eine Winterlandschaft, dorthin schicken zu können. Sie sind fertig, aber noch nicht trocken. […] Ich habe Dir vor einiger Zeit geschrieben, daß ich nicht in Dresden ausstelle und dabei bleibts.«243 Trotz der kunstpolitisch heiklen Situation verwahrte sich Dix gegen konkrete Ausstellungsbeteiligungen wie dem Dresdner Beispiel. Die Fortführung der Nierendorf’schen Dix-Lenk-Ausstellung sollte jedoch bei der Galerie Commeter in Hamburg sowie in Köln stattfinden, womit der Maler einverstanden war.244 Nierendorfs



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Antwort zeigt, dass Dix selbst in Verkaufsgespräche involviert und er selbst nicht über alle Vorgänge in Kenntnis war. »Uebrigens hast Du mir wohl gesagt, dass Gutbier das Bild Anfang Februar fest an Hand hätte, aber kein Wort von Hanfstaengl, den ich sehr gut kenne. Die Hauptsache ist ja nun, dass der Verkauf abgeschlossen ist. Die Tauscherei mit den Museen ist ja so wie so unerfreulich. Gutbier schrieb mir, dass Hanf­staengl einen Tauschvorschlag machen wollte. Geld zu Ankäufen hat ­Hanfstaengl nicht, wie er mir selbst erst kürzlich sagte […].«245 Im öffentlichen Museumsbetrieb waren Dix’ Arbeiten demnach noch 1935 von Interesse. Unter Auslassung namentlicher Nennung seiner Interessentinnen und Interessenten schildert Nierendorf gegenüber Dix weiter: »Die Zeichnung ›Winterlandschaft‹ ist auch reserviert. Joseph hat dem Käufer gesagt, dass Du auch eine Winterlandschaft gemalt hättest, die aber bereits verkauft sei. […] Wenn Du also die beiden neuen Bilder schicken kannst, so können wir hier damit noch arbeiten. Die Ausstellung wird bis Mitte [März] hier hängen und dann wahrscheinlich nach Hamburg gehen.«246 Es war also geplant, die Ausstellung sukzessive mit neuen Arbeiten zu bestücken. Eine Abrechnung Nierendorfs vom 3. April 1935 belegt den Verkauf von fünf Papierarbeiten von Otto Dix. Zwei weitere Zeichnungen wurden nach Ende der Ausstellung reserviert und »sehr wahrscheinlich gekauft«. »Ausserdem liegt ein Gebot der Nat.-Galerie vor« –erneut war Hanfstaengl der Interessent.247 In einem beigefügten Brief präzisiert Karl Nierendorf (1889–1947) diese Neuigkeit: »Die Nationalgalerie möchte gern die beiden Blätter ›Mürtschenstock‹ und ›Der Senn Joseph‹ kaufen. Der Etat ist aber so gering, dass Hanfstaengl darum bittet, die beiden Blätter zusammen für rm 250,– erwerben zu können. […] Das Interesse Hanfstaengls ist sehr erfreulich. Er möchte gern die Winterlandschaft für das Kronprinzenpalais haben. Die Mittel erlauben aber keinen Ankauf. Er lässt daher fragen, ob Du das Bild gegen das Porträt Scheler tauschen würdest, das er doch zur Zeit nicht ausstellen könne. […] Er fragte dann, ob er die Winterlandschaft als Leihgabe einige Zeit haben könne.«248 Welcher Grund vorlag, das Porträt in Berlin nicht ausstellen zu können, bleibt in diesem Brief offen. Aus dem Verzeichnis der Zeichnungen und Pastelle geht hervor, dass die Galerie Nierendorf die Silberstiftzeichnung mürtschenstock von

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1934, die Teil der Dix-Lenk-Ausstellung war, selbst erworben hatte, ehe es in den Bestand des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz überging.249 Dass das bildnis des philosophen max scheler von 1926 zu diesem Zeitpunkt nicht länger in der Berliner Nationalgalerie gezeigt werden konnte, lässt jedoch Rückschlüsse auf die Kunstpolitik zu: so auf Dix’ Entlassung und seine fortwährend durch Femeschauen bedingte Diskriminierung sowie die offizielle Ablehnung seines gesellschaftskritischen Werks. So entspricht das bildnis max scheler mit seiner grotesken, karikaturesken Überzeichnung des Philosophen kaum dem Ideal eines etwa von Griebel als »Manifestation nazistischer Aufgeblasenheit und Engstirnigkeit« beschriebenen nationalsozialistischen Typus.250 Neben dem Brief sandte Nierendorf auch eine Abrechnung über die getätigten Verkäufe im Rahmen der Ausstellung otto dix und franz lenk. gemälde, aquarelle, zeichnungen an den Maler. Schon vorher hatte Nierendorf vom Kaufinteresse des Danziger Museums berichtet, das die positive Wahrnehmung von Dix’ neuen Sujets widerspiegelt. »Dr. Manowski vom Danziger Museum, [der] ausser der Federzeichnung ›Fichte auf Akazie‹ noch die Zeichnung ›Mutter und Kind‹ haben [möchte]. […] Das eine Blatt wird nach Schluss der Ausstellung bezahlt, das andere am 1. April bezahlt, wenn der Etat zur Verfügung steht.«251 Die entsprechende Verkaufsabrechnung weist aus, dass die Federzeichnung fichte und akazie sowie die Zeichnung mutter und kind, die am 30. Januar zuvor vom Direktor des Danziger Stadtmuseums Manowski an das Museum verkauft wurden. Manowski hatte bereits 1928 im Juli und August werke deutscher landschaftsmalerei der gegenwart mit Werken von Heckel, Kirchner, Klee, Müller, Pechstein und anderen ausgestellt.252 Ferner sind in der Liste die Verkäufe der Zeichnungen randegg im schnee, hunsrück und der Federzeichnung ­r andegg angegeben.253 Aus einem Brief von Anneliese Lenk (Lebensdaten unbekannt) an Otto Dix geht hervor, dass der Danziger Museumsdirektor nach der Nierendorf-Schau geplant hatte, eine eigene Dix-Ausstellung in Danzig zu realisieren, und Lenk schrieb: »Direktor Mannowsky [könnte] nicht wagen […], Ihre gemeinsame Ausstellung zu eröffnen. Er zeigt Ihre Arbeiten nur einem geladenen Kreis.«254 Die Kunstpolitik zog folglich ihre Kreise, indem zwar Ankäufe getätigt, offizielle Ausstellungen jedoch vermieden wurden. Angesichts der Tatsache, dass die offizielle Presse in verachtender Manier über die Dix-Lenk-Ausstellung bei Nierendorf berichtet hatte, haben der öffentliche Ankauf von zwei Papierarbeiten durch die Nationalgalerie und das Interesse an einem Gemälde größte Bedeutung. Das könnte auch Karl Nierendorf bewusst gewe-



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sen sein: Die Standpunkte der offiziellen Propaganda waren nicht zwangsläufig identisch mit der Meinung der verantwortlichen Entscheidungsträger in den Museen. Wenn sich diese nicht gleichschalten ließen, dann dürfte das Interesse an Werken von Otto Dix ebenfalls bei privaten Sammlungen fortbestanden haben. ­Nierendorfs Bestreben, die Schau an die Galerie Commeter in Hamburg zu übergeben und somit eine größere Breitenwirkung zu erzielen, ist dokumentiert. Während der laufenden Dix-Lenk-Ausstellung bei Nierendorf 1935 erklärte Karl Nierendorf am 30. Januar 1935, dass sich die Leitung in Hamburg noch eine Bedenkzeit für die Ausstellung erbitte.255 Im Brief vom 3. April heißt es dann, dass die Ausstellung »augenblicklich in der Galerie Commeter gezeigt« würde.256 Doch scheint es in der Hansestadt zu keiner Dix-Präsentation gekommen zu sein, dies belegt Nierendorfs Schreiben an die Galerie Commeter vom 16. Dezember 1935, in dem Karl ­Nierendorf auf das vormals signalisierte Übernahmeinteresse der Hamburger Kollegen verweist und bemängelt, dass bisher keine Taten erfolgt waren.257 »Von Herrn Prof. Dix erhielten wir Ihr Schreiben […] bezüglich einer Ausstellung seiner Arbeiten in Hamburg. Wir haben Ihnen eine Ausstellung von Dix und Lenk Anfang dieses Jahres angeboten. Am 17. Januar schrieben wir Ihnen ausführlich über Dix und regten an, die im Februar bei uns stattfindende Ausstellung als erste Stelle in Deutschland im Monat März zu übernehmen. Wir sandten Ihnen dann am 12.3. eine Anzahl Bilder zu, die Sie bis zum 20.4. behielten, ohne aber eine eigentliche Ausstellung mit Einladungsversand etc. zu veranstalten. Wir nehmen an, dass Sie die Veranstaltung diesmal als Ausstellung mit Einladungen, Presse etc. aufziehen, und sind bereit, Ihnen die Bilder zur Verfügung zu stellen, ebenso eine Anzahl Zeichnungen. Ob Dix in Köln ausstellt, ist noch fraglich. In diesem Falle würden Sie die Arbeiten dann direkt von uns bekommen.«258 Dix tat gegenüber Nierendorf ebenfalls seinen Unmut in Bezug auf die unsichere Situation kund – »Das scheinen doch rechte Kacker [in Druckbuchstaben nochmals] Kacker zu sein in Hamburg.« – und kündigte an, er werde die beiden 1935 neu entstandenen Landschaftsgemälde, die offenkundig für die Ausstellung bei Commeter in Hamburg gedacht waren, an Nierendorf nach Berlin senden.259 Neben Nierendorf stellte 1935 das Kunsthaus Schaller in Stuttgart Arbeiten von Otto Dix aus. Der Zeitschrift weltkunst vom 27. Oktober ist zu entnehmen, dass dort die Jubiläumsausstellung otto dix und franz lenk, gemälde, aquarelle, zeichnungen stattfand, die am 5. Oktober 1935 öffnete.260 Da die gemeinsame Arbeit der Maler und die Berliner Ausstellung kurze Zeit vorher stattgefunden hatten, ist naheliegend, dass hier ebenfalls Werke aus dem gemeinsamen Hegau-Auf-

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enthalt ausgestellt waren. Eine Übernahme von Nierendorfs Exposition ist hingegen unwahrscheinlich – einerseits, da der Galerist die Weitergabe der Arbeiten nach Hamburg und Köln geplant hatte, andererseits, da Dix im Vorfeld der Stuttgarter Ausstellung selbst Zeichnungen dorthin gesandt hatte, die Schaller bis Weihnachten im Programm behalten wollte. Zudem belegt eine Korrespondenz vom 10. Oktober desselben Jahres, dass er zwei Bilder in Aussicht gestellt hatte, die zum Zeitpunkt der Eröffnung noch nicht fertiggestellt waren.261 Im Januar 1936 bemängelte das Kunsthaus dem Maler gegenüber, dass er alle Zeichnungen – vermutlich jene der Ausstellung im Oktober 1935 – zurückgefordert hatte. Dem Kunsthaus Schaller war dem Brief zufolge daran gelegen, weiterhin »Blätter« – insbesondere jene mit Engadin-Bezug – in den Stuttgarter Räumlichkeiten auszustellen. So bat Schaller um Zusendung von »einem halben Dutzend« Zeichnungen.262 Im Nachklang der Nierendorf ’schen Ausstellungen der Jahre 1934 und 1935 zeigt sich hieran das steigende Interesse an Dix’ Landschaftsdarstellungen auf Seiten des Kunsthandels, der Vereine und – wie sich im Weiteren zeigt – nicht zuletzt der Käuferschaft. Die Presseberichterstattung zur Ausstellung der beiden Maler Dix und Lenk bei Nierendorf fiel zwiespältig aus. So hing etwa die Entscheidung Ullsteins über die Reproduktion von Dix’ Selbstbildnis maßgeblich davon ab, wie die Kritiken zur Ausstellung in der Presse ausfallen würden.263 Nierendorf ergänzte dazu: »Die Herrschaften sind eben alle sehr vorsichtig, obwohl die Ausstellung sich ganz hervorragend präsentiert. Die Herren von der Presse nehme ich mir einzeln vor und warte mit Spannung auf den Vertreter des Völk. Beobachters. Fechter von der ›Deutschen Zukunft‹ wird einen grossen, positiven Artikel bringen,264 auch die anderen sind bisher zustimmend. Für die D.A.Z. soll Grohmann schreiben.«265 Will Grohmanns Ausstellungsbesprechung gewagte begegnung. otto dix und franz lenk in der galerie nierendorf erschien am 30. Januar 1935 in der deutschen allgemeinen zeitung: »Der Verfemte und der von der Gunst des Publikums Getragene, der Revolutionär und Romantiker, der immer vorwärts Gerichtete und der Beschauliche, so sieht es zunächst aus, aber es ist ganz anders. Auf alle Fälle gehörte Mut dazu. Für welchen von beiden war die Gesellschaft des anderen gefährlicher, für Dix oder für Lenk? Hatte der magische Realist oder der Neuromantiker bei einer Gegenüberstellung mehr zu verlieren? […] [Ist] Dix wirklich der Revolutionär schlechthin und Lenk der Romantiker oder, wie manche sagen, der



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Biedermeier? […] Daß er die alten deutschen Meister (Cranach) auch technisch belauscht hat, ist eine Sache für sich. Entscheidend ist die innere Orientierung. Diese ist bei Dix altdeutsch: genauer, Dix ist in der Donauschule verankert, dem Cranach der Frühzeit, Altdorfer, Huber. Das geht so weit, daß es zu äußeren Übereinstimmungen kommt aus der Wahlverwandtschaft. Und das Merkwürdigste, die Bilder von Dix wirken dennoch neu, nicht retrospektiv. Denn was an Ausdruck in den Gestalten und im Landschaftlichen steckt, ist Geist der Gegenwart und Geist von Otto Dix. […] Eine kühne Tat, diese Konfrontierung. Mögen Aussteller und Künstler den Dank erfahren, den sie verdienen.«266 Die 1921 von Grohmann angeführte »innere Orientierung« sowie »altdeutsche« Traditionsgebundenheit erscheint äquivalent zu Ludwig Justis Erläuterungen einer »deutschen Seele« 1921, die in der Kunst durch die Malerei der Romantik und konkret am Beispiel Caspar David Friedrichs verkörpert werde.267 Nach dem Konflikt bringt Grohmann Dix 1928 – bedingt durch Dix’ künstlerischen Umbruch und Hinwendung zur Landschaftsmalerei – hier seine Anerkennung zum Ausdruck. In Anbetracht der im Kapitel »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit« dargelegten Konstruktion einer deutschen Kunstgeschichts­tradition am Beispiel der Romantik spiegelt seine Betonung »altdeutscher« Einflüsse in Dix’ Malerei den nationalistischen Trend der Zeit wider. Im Bewusstsein des unan­ stößigen Charakters der gezeigten Arbeiten äußerte sich Nierendorf erfreut über diese anerkennende Presseberichterstattung: »Es freut mich, dass die Ausstellung allgemein durchschlägt. Bisher habe ich ausser von Herrn Möller und einigen prinzipiellen Gegnern keine Ablehnung erfahren. Das Interesse ist sehr stark […] Dass gegen die ausgestellten Bilder kein Mensch in der Welt etwas einwenden kann, ist natürlich klar; aber viele verbinden mit dem Namen Dix die Vorstellung eines wüsten Kommunisten und Bürgerschrecks.«268 Mit diesem Schreiben, das die vernetzende Tätigkeit des Galeristen für Otto Dix herausstellt, verwies Nierendorf zugleich auf die Besprechung von Paul Fechter (1880–1958), die am darauffolgenden Sonntag in der deutschen zukunft erschien. Darin nahm Fechter neben der Berliner Sezessionsausstellung – in der Dix’ Porträt Heinrich Georges ebenso wie Landschaftsdarstellungen von Franz Lenk gezeigt worden waren – Bezug auf die Schau der Galerie Nierendorf. »Da hängt an einer Wand das Porträt Heinrich Georges, das […] ein Stück ebenso kräftiger Malerei wie vitalster Menschengestaltung ist. Daneben hängen zwei Landschaften

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von Lenk, die diese gefährliche Nachbarschaft merkwürdig gut vertragen […].«269 Hinsichtlich Nierendorfs Ausstellung stellte Fechter beide Maler stilistisch gegeneinander und hob Dix’ Altmeisterlichkeit und seine Landschaften als die eindrücklichere, künstlerische Position positiv als einen »der stärksten Maler von heute« heraus: »Dix als Landschafter ist etwas Neues – und man sieht es den Arbeiten an, wie er zunächst mit dem menschenfreien Thema gerungen hat. Er tastet, versucht – mit dem Gefühl wie mit der Malerei. Und dann kommt er allmählich an die Welt um den westlichen Bodensee und an das Draußen und an sich heran – und nun beginnt eine unmittelbare Auseinandersetzung, deren Ergebnisse seltsam eindringlich auf den zarten Lenk zurückgewirkt haben. Der ist der Landschaft gegenüber zunächst viel sicherer, soweit er sie dinglich, mit dem spitzen Pinsel, fassen kann […]. Die Landschaften von Dix sind sehr merkwürdig. Sie sind in Bezug auf die Malerei nicht sächsisch, sie sind aber auch nicht eigentlich Bodenseegegend.«270 Die bei Nierendorf und Schaller gezeigten Motive enthielten anscheinend keine gesellschaftskritischen Aspekte. Es wundert daher nicht, dass sich die vergleichsweise liberaleren Zeitungen angesichts des ikonografischen und stilistischen Wandels weitgehend positiv und anerkennend über das zeitgenössische Schaffen von Otto Dix äußerten. So pries die deutsche zukunft den Künstler in der Ausgabe vom 10. Februar 1935 als »eine[n] der stärksten Maler von heute« und die Ausstellung als »eine der lebendigsten und frischesten der letzten Zeit«.271 Paul Ferdinand Schmidt rezensierte Nierendorfs Ausstellung 1935 unter dem Pseudonym F. Paul in der Zeitschrift kunst der nation. Darin führt er Dix’ »grundsätzliche Zuwendung zur Landschaft« auf den Einfluss Franz Lenks zurück und stellt den künstlerischen Umbruch als »notwendig gewordene Verjüngungskur« dar.272 »Er überrascht die Freunde durch die frische und schöpferische Kraft seiner Landschaftsmalerei aufs freudigste. Wie gut hat ihm die Zurückgezogenheit im Hegau und die Gesellschaft des Landschafters Lenk getan! […] Der Arbeitersohn Dix, der seit seinen Lehrlingsjahren nur in Großstädten gelebt und geschaffen hatte, entdeckt die freie Größe des Erdraums, in dessen Mitte ihn ein scheinbar widriges Geschick verbannt hatte, und seine Schöpferische Kraft entzückt sich wie eines Kindes Seele an dem ungewohnten Eindruck.«273



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Auch Schmidt greift die »altdeutschen« Bezüge in Dix’ Malerei heraus und erkennt darin etwa die »Synthese von Romantik und Wirklichkeit« als Mittel der Bewältigung seiner gegenwärtigen Situation: »Die außerordentliche Form der Raum- und Luftgestaltung erinnert, wie kann es bei einem so ganz deutsch formenden Künstler anders sein, an die große Zeit der ersten Eroberung deutscher Natur durch Dürer, Altdorfer, Baldung. Denn dies ist das Bemerkenswerte an der Neueroberung der Landschaft, daß Dix allerdings weder an die harte Sachlichkeit eines Lenk oder die Romantik C. D. Friedrichs denkt, noch gar an impressionistische Fehllösung, sondern an die starke Synthese von Romantik und Wirklichkeit, die wir schon einmal in höchster Vollendung von 400 Jahren erlebt haben. Ich glaube, daß es für ihn ein guter Ausweg aus der Situation der Gegenwart ist.«274 Julius Hesse (unbekannt–1937), Inhaber des Künstlerbedarfs H. Schmincke & Co., schrieb am 4. März 1935 an Otto Dix, es habe ihn gefreut, aus der kunst der nation von Dix’ Lebensort in Randegg zu erfahren: »Ich habe Ihren Weggang aus Dresden seiner Zeit außerordentlich bedauert und sehe zu meiner Genugtuung, daß man allmählich doch wieder den Weg findet, Sie und Ihre Tätigkeit in das deutsche Kunstschaffen einzuschalten.«275 In der Zeitschrift kunst für alle wurde im Juni 1935 zudem erklärt, der Maler habe vormals unter »heftigsten Temperamentausbrüchen« gelitten, sei aber selbst nicht »für dies Problematische verantwortlich gewesen, sondern die Zeit, in der er zu leben gezwungen war und der jeder nach seinem Charakter antworten mußte, sofern eine Persönlichkeit in ihm steckte«.276 Es war anzunehmen, dass die Kulturpolitik nach 1933 Dix’ neues Schaffen aufgrund der modifizierten Sujets akzeptieren und anerkennen würde. Dies unterstrich auch der 1935 in der kunst für alle publizierte Beitrag otto dix. bilder aus dem hegau von Fritz ­Hellwag (1871–1950), in dem es zu der hohenstoffeln von randegg aus gesehen heißt (Abb. 5): »[…] stets ist ein erdhaftes Genießen deutlich spürbar, über das wir uns freuen, weil wir nachfühlen, daß einer unserer begabtesten Künstler […] auf neuem Boden festen Fuß gefaßt hat. Der Sturm ist überwunden und ein neuer Abschnitt hoffnungsvollen Schaffens angebrochen.«277 Nun wurde dem Maler attestiert, »vor der Natur genesen« zu sein.278 Dix selbst tat seinen Unmut über diesen Artikel Hellwags in einem Brief an Karl Nierendorf kund:

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»[D]as ist wieder eine der Legenden[,] die da verbreitet werden[,] gegen die man nicht genug reden kann. Hoffentlich hast Du den Mann nicht unterrichtet resp. hättest ihn unterrichten sollen. [S]elbst Lenk wird diese Scheisse ablehnen. – Ich habe die Reproduktionserlaubnis nicht erteilt. Ich nehme an[,] dass Du die erteilt hast[.]«279 Uneindeutig ist, worauf der Maler konkret Bezug nimmt – etwa auf Hellwags Feststellung, dass es bislang schwer gewesen sei, sich Otto Dix in der Natur vorzustellen, oder auf seine Äußerung, dass »wir [Lenk] Dank schuldig [sind] für die Hilfe, die er dem Künstler Dix geleistet hat, der, mit Lenk am Steuer, jetzt eine scharfe und gefährliche Kurve glücklich überwunden zu haben scheint«.280 Hellwag schrieb Dix eine Sonderposition zu, setzte ein Abhängigkeitsverhältnis des verfemten Malers gegenüber dem Künstlerfreund mit politischem Amt in der Reichkulturkammer voraus und machte diese Einschätzung in der Zeitschrift kunst für alle publik. Die Unterstellung der »Nachahmung« bildete einen weiteren Faktor, den Dix als störend empfand. So berichtete er gegenüber Nierendorf am 3. Dezember 1935, er verzichte darauf, sein Gemälde sonnenaufgang auszustellen, da Lenk an einem vergleichbaren Motiv arbeite und »die Scheisser wieder von Nachahmung u.s.w. meckern (Mein Bild ist Anfang 1935 gemalt)«.281 Hellwags Artikel aufgreifend entgegnete das schwarze korps, das rechtsradikale Organ der Reichsführung ss, am 26. Juni 1935, dass der Versuch unternommen worden sei, Dix, den Maler der »Antikriegsbilder«, die »den deutschen Frontsoldaten, die deutschen Kriegsopfer [verhöhnten], die Familien in den Dreck [zogen]«, zu rehabilitieren: »[K]urz gesagt [war er], einer der schamlosesten Tendenzmaler, die je der Kurfürstendamm hervorgebracht hat. […] Otto Dix malt heute schöne Landschaften, mit Romantik verbrämt, weil er in dem neuen Staate sein altes Tun eben einfach nicht mehr fortsetzen kann. Das ist für uns der Tatbestand. Die liberalistischen Kunstkritiker sind gebeten, ihn zur Kenntnis zu nehmen und ihr sehr verdächtiges Vorhaben, den Maler Otto Dix zu rehabilitieren und ›gleichzuschalten‹, schleunigst aufzugeben!«282 Die Tatsache, dass sich Dix systemkonformen Motiven zugewandt hatte, ließ die radikalen Stimmen also nicht verstummen. So nahm es auch der Maler selbst wahr, indem er im Dezember 1935 an Nierendorf schrieb, »Du weißt ja[,] dass meine grossen Bilder hier zurzeit nicht auszustellen sind«, und damit auf seine offensiv gesellschaftspolitischen Gemälde rekurrierte.283 Selbst die Beziehung zu Franz Lenk und damit zu einem hochrangigen kulturpolitischen Vertreter der offiziellen



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Kunstdoktrin zeigte keine Wirkung. Auch wenn Lenk bereits seit 1933 Präsidialrat der Reichskulturkammer war und Dix nach seinem Amtsantritt zugesichert hatte, dass »die Dinge nun bald in Ordnung gebracht würden [und] die beste Aussicht dafür vorhanden sei«, konnte er seinem Künstlerkollegen nicht in den Status eines öffentlich anerkannten Malers verhelfen.284 Am 19. Dezember 1935 schrieb Lenk an Dix, er habe sich »nach und nach von allen kulturpolitischen Dingen zurückgezogen. […] Außerdem wurde mir die ganze Angelegenheit zu gefährlich, offen gestanden«.285 Aus Dix’ Korrespondenz mit Nierendorf geht zudem hervor, dass Lenk Abstand davon nahm, weiterhin gemeinsam mit Dix auszustellen.286 Dies bedeutete jedoch nicht, dass er seinem Freund keine Unterstützung mehr zukommen ließ, wie am Beispiel späterer Aufträge – etwa 1937 seitens des Heeresbauamtes Magdeburg – deutlich wird. In einem Brief an Josef Nierendorf vom 20. Oktober 1935 hatte Dix bemerkt, dass eine Ausstellung im Kölnischen Kunstverein noch vor Weihnachten 1935 eröffnet werden sollte. Zur Beschickung der Ausstellung hatte Dix das Kunsthaus Schaller gebeten, die Zeichnung kapelle mit hohentwiel an ihn zurückzusenden.287 Nierendorf hatte er hinsichtlich des Blattes im selben Brief von der Kommission entbunden.288 Der Grund hierfür mag in die Ablehnung Nierendorfs hinsichtlich Dix’ Beteiligung an der Kölner Ausstellung liegen. Aus Ute Haugs Dissertation zum Kölnischen Kunstverein im Nationalsozialismus von 1998 geht hervor, dass die für Dezember 1935 angesetzte Sammelausstellung, an der unter anderem Otto Dix und Franz Lenk beteiligt werden sollten, zwar offiziell angekündigt, jedoch nicht ausgeführt wurde.289 Den Grund hierfür liefert möglicherweise der Brief von Karl Nierendorf an Dix, aus dem seine kritische Position gegenüber dem Verein, der geschäftsführenden Leitung wie auch der Ausstellungspolitik deutlich hervorgeht.290 Es zeichnet sich ab, dass eine Tendenz auf dem Ausstellungsmarkt existierte, nach der Dix als »Meister der kleinen Sachlichkeit« und »braver, fleissiger Pinsler« wahrgenommen wurde.291 »In Köln sind die Verhältnisse in jeder Beziehung mulmig. […] Dazu kommt, dass die Gesellschaft, mit der Du ausstellen sollst, (ausser Lenk) sehr mässig ist. Ich bin der Meinung, dass Du nicht allzu sehr in die Meister der ›kleinen‹ Sachlichkeit abrutschen sollst. Schon jetzt wirst Du zu oft mit den braven, fleissigen Pinslern in einem Atem genannt und man vergisst den eigentlichen Dix darüber. Herr Klug in Köln hat in keiner Weise Format und Temperament genug, um sich gegen die übelwollende Kritik einzusetzen. […] Es fragt sich, ob Du im Zusammenhang mit dieser Schau künstlerisch oder materiell einen Erfolg hast. […] Der Tag wird kommen und zwar bald, wo eine richtige Dix-Ausstellung an Stelle einer ›kastrierten‹ wieder stattfinden kann. Auch Du

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gehörst künstlerisch zu Beckmann, Schmidt-Rottluff, Kokoschka etc. und nicht in die Gesellschaft, die jetzt in Köln auftritt. Man soll Dich nicht unnötig in die Oeffentlichkeit zerren und den Anschein erwecken, als ob Du – ein Wolf im Schafspelz – unter allen Umständen Dich wieder ›hintenherum hereinschleichen‹ wolltest. Köln kann später einmal eine grosse echte Dixausstellung machen. Der Kunstverein war ja im März zu schissig, die Sache zu machen. Jetzt ist die Lage viel mehr ungünstig für Dich (in Köln).«292 Nierendorf nimmt Dix’ künstlerische Entwicklung in den Blick und warnt beziehungsweise kritisiert ihn zugleich für seine Bestrebungen, in weniger repräsentativen Ausstellungs-Kontexten auszustellen. Zwar könnte der Grund für Nierendorfs warnende Rhetorik im eigenen Interesse liegen, weiterhin maßgeblich für die Geschäfte um Dix’ Arbeiten verantwortlich zu sein. Da Nierendorf aber schon im darauffolgenden Jahr in die usa emigrierte, lässt sich ides nicht bestätigen.293 Interessant erscheint hierbei, dass die Ausstellung neue deutsche malerei unter Einbezug von Dix’ Porträt-Arbeiten, Gemälden von Franz Lenk und anderen im April sowie im August 1934 die Ausstellung aquarelle deutscher künstler im Kölnischen Kunstverein gezeigt worden war.294 Haug greift eine Ausstellungsrezension von Otto Klein im westdeutschen beobachter auf, worin die Hinwendung zum »deutschen romantischen Naturgefühl« als einzig Neuwertiges der ausgestellten Werke beschrieben wird. Die dort gezeigten Porträts konnten nach Klein jedoch nicht über Dix’ »politische Einstellung hinwegtäuschen«.295 Dass Dix’ Hinwendung zur Landschaft eine positive Resonanz in der Öffentlichkeit hatte, belegt die Ausstellung von fünf Gemälden zuzüglich Zeichnungen in der Galerie Nierendorf. Im Februar 1936 wurden sie neben Arbeiten von Theo Champion, Franz Lenk, Georg Schrimpf und anderen gezeigt.296 »Von Dir hängen die beiden Winterlandschaften, der Sonnenaufgang, die Gogeien und der Holzschlag, ausserdem drei von Deinen grossen Zeichnungen. Das Interesse ist sehr gross, und auch die Kritik ist bisher vollkommen positiv. Das Porträt Deiner Mutter habe ich nicht aufgehängt, weil es das einzige figürliche Bild in der Ausstellung gewesen wäre, ich hole es aber für jeden Interessenten, besonders für die Kritik heraus.«297 Im selben Brief berichtet Nierendorf von einem ›ernsthaften Interessenten‹ für das Gemälde winterlandschaft mit krähen, bei dem der Galerist nachfolgend weitere Porträt-Aufträge einholen wolle.298 Aus den Angaben ist also ersichtlich, dass Dix’ motivischer Umbruch 1933 auf Anklang auf dem Kunstmarkt stieß. So etwa 1936 im Fall der Zeichnung hohenstoffeln mit kornfeldern, wobei



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keine weiterführenden Informationen zum Käufer gegeben sind.299 Im selben Jahr wurde eine Landschaft über die Galerie Nierendorf verkauft, die als frühlingslandschaft bezeichnet wurde und bei der es sich vermutlich um randegg – abendstimmung (frühlingsabend) handelt.300 Verkäufe waren in dieser Zeit keineswegs zahlreich genug, um die finanzielle Absicherung des Malers und seiner Familie zu gewährleisten. Josef Nierendorf gegenüber forderte Dix im Dezember 1936 Verkaufserträge von dessen Bruder ein, nachdem Karl Nierendorf bereits nach New York übergesiedelt war: »Ist K.N. in New York eine Filiale Galerie Nierendorf, d.h. verpflichtest Du Dich ew. Verkaufs in U.S.A. an mich auszuzahlen[.] Ich hab mit J.B.N. genug Ärger ich habe seit 6 Jahren Geld von ihm zu bekommen und erhalte nur freundliche Vertröstungen[.] Nicht nur[,] daß der Dollar unterdessen um die Hälfte weniger geworden ist N. denkt gar nicht daran mich auszuzahlen[.] Sosehr ich die Notwendigkeit für uns einsehe sich nach dem Ausland zu orientieren[,] so wenig habe ich Lust, Sachen ohne absolute Garantie der sicheren Zahlung nach dort zu schicken.«301 Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Dix sogar auf Ausstellungsmöglichkeiten wie die des Kunsthauses Schaller in Stuttgart zurückgriff, obwohl dort nach Angaben des Galeristen »weder Züricher noch Berliner Preise bewilligt werden«.302 Seine berufliche Tätigkeit kritisch reflektierend, nahm Dix seine finanzielle Situation und Einschätzung zum Kunstmarkt in den Blick. Am 1. Dezember 1936 schrieb er an Josef Nierendorf: »Ich sehe immer mehr ein[,] daß ich mit der Malerei nie auf einen grünen Zweig komme. Man malt viel zu lang und zu ordentlich[,] außerdem 75% Bilder die niemand kauft. Es fehlt mir die ›Waare‹ klein. Bilder in dicken Rahmen[,] Mädchenkopf, Charakterkopf, Blumen, Tiere, Landschaften, nicht größer als 25 × 35. Kurz das übliche Münchner Geschmier. Aber ich kann mich – Gottsei­ dank – nicht umstricken! Bleiben wir also die Alten. Es lebe die Entartung!«303 Martha Dix gegenüber formulierte er die Situation unter Einbezug der kulturpolitischen Lage und ihrer Auswirkung auf die potenzielle Käuferschaft: »Anscheinend besteht augenblicklich bei den Käufern eine gewisse Unlust, man will erst warten wie es weiter geht.«304 Dennoch berichtete Dix positiv, teils sogar begeistert von seinen Arbeiten dieser Schaffensphase. Hinsichtlich seiner Ausstellungsbeteiligung in Pittsburgh 1938 schrieb Dix etwa: »Ich habe beim Carnegie-Institute eine ausgezeichnete Landschaft.«305 Ferner äußerte er Matha gegenüber, dass – um seine

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Verkaufszahlen zu steigern – Ferdinand Möller im Verhältnis zu Nierendorf zuverlässiger sein solle, aber keine Perspektive darstelle, da er »unsere Richtung« nicht ausstehen könne.306 Auch Schallers Engagement, dem daran gelegen war, Aufträge für den Maler zu generieren, setzte sich 1936 fort.307 Bis zu den Olympischen Spielen in Berlin 1936 gab sich die nationalsozialistische Politik noch vermeintlich liberal und tolerant, anschließend gewannen schnell die extremen Kräfte die Oberhand und offenbarten auch in kulturpolitischer Hinsicht ihre Absichten. Am Beispiel der im Juli 1936 eröffneten und kurze Zeit später durch die Reichskammer der bildenden Künste geschlossene Ausstellung des Hamburger Kunstvereins in Kooperation mit dem Deutschen Künstlerbund wird die verschärfte Ausstellungspolitik sichtbar. Zur Mitgliedschaft des Deutschen Künstlerbundes in der Reichskammer der bildenden Künste teilte Georg Kolbe als erster Vorsitzender der Vereinigung den Mitgliedern am 5. Februar 1936 mit, dass die Aufnahme der Vereinigung in die Fachgruppe der Künstlervereine der Reichskammer der bildenden Künste bevorstehe.308 Mit dem Brief vom 11. März desselben Jahres wurde die Integration bestätigt: »Der Präsident der RdbK hat am 6. März die Aufnahme des Deutschen Künstlerbundes in die Fachgruppe Künstlervereine der Kammer ›bestätigt‹.«309 Voraussetzung für eine Mitgliedschaft der Künstlerinnen und Künstler im Deutschen Künstlerbund war »nach § 2 der neuen Satzungen die Mitgliedschaft in einer der Fachgruppen der Reichskammer der bildenden Künste«.310 Dass Otto Dix namentlich als ordentliches Mitglied des Deutschen Künstlerbundes von 1936 gelistet war, ist als Beleg dafür zu werten, dass er zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste war.311 Sein Mitgliedsausweis belegt die Mitgliedschaft wiederum, sodass zumindest 1936 keine Unklarheit darüber bestanden haben kann (Abb. 18). Vom 19. Juli bis zum 20. September 1936 beraumten der Hamburger Senat und das Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda die Künstlerbundausstellung grosse deutsche kunstausstellung in hamburg im dortigen Kunstverein in der Neuen Rabenstraße 25 an, die am 21. Juli offiziell eröffnete.312 Gezeigt wurde ein Überblick über die deutsche Kunst der Gegenwart, der in Zusammenhang mit der elften Olympiade stattfinden sollte. Wenngleich aus der Korrespondenz zwischen Dix und Josef Nierendorf hervorgeht, dass der Maler das George-Porträt und ein Stillleben für die Künstlerbundausstellung vorgesehen hatte, geht aus den Dokumenten des Künstlerbundes hervor, dass lediglich ein heute nicht eindeutig zu identifizierendes Stillleben ausgestellt war.313 Acht Tage vor Ausstellungsbeginn wurden die Räume vom Leiter der Reichskulturkammer sowie dem Gauleiter in Augenschein genommen und im Anschluss nach Änderung des Ausstellungtitels von deutsche kunst im olympia-jahr 1936 in malerei und plastik



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18  mitgliedsbuch der reichskammer der bildenden künste von otto dix ausgestellt am 1. Januar 1934. Nürnberg, Deutsches Kunstarchiv, Nachlass Otto Dix

in deutschland 1936 freigegeben.314 So teilte die Behörde für Volkstum, Kirche und Kunst am 6. Juli 1936 mit dem Betreff »Deutsche Kunst im Olympiajahr 1936 im Kunstverein« mit: »Anlässlich des Weltkongresses für Freizeit und Erholung und der 11. Olympiade veranstaltet der Kunstverein in Verbindung mit dem Deutschen Künstlerbund eine umfassende Ausstellung deutscher Künstler, in der namhafte Werke der zeitgenössischen deutschen Malerei und Plastik gezeigt werden. Die Ausstellung dauert vom 19. Juli bis 20. September.« Im hamburger tageblatt wurde die Ausstellung am 22. Juli als »Beitrag des Kunstvereins für die Olympiade und den Weltkongreß und neben der Dürerausstellung die dritte größere Kunst-Ausstellung augenblicklich in Hamburg« angepriesen.315 Bereits am 31. Juli – zehn Tage nach der Eröffnung – wurde die Ausstellung vorzeitig durch den Vizepräsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, Adolf Ziegler, geschlossen.316 Die rechtliche Legitimation bestand darin, dass am 10. April des Vorjahres mit der anordnung des präsidenten der reichskammer der

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bildenden künste betr. die veranstaltung von kunstausstellungen und kunstmessen festgelegt worden war, dass zur Durchführung von Kunstausstellungen und -messen eine Genehmigung der Kammer zwingend notwendig war.317 Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass die Kammer befähigt war, derartige Veranstaltungen zu schließen. Der regierende hamburgische Bürgermeister Carl Vincent Krogmann (1889–1978) vermerkte zu Zieglers Sichtung der Ausstellung: »[Ziegler] teilte mit, daß der Führer sich außerordentlich energisch gegen die Verfallskunst geäußert habe und u. a. gesagt habe, wenn jetzt nun nicht endlich Ordnung käme, er selber eingreifen würde. Er wolle auf jeden Fall den Einfluß der sogenannten Literaturclique ausschalten. Er teilte mir mit, daß das Versehen in erster Linie bei dem Ministerium läge, das die Genehmigung erteilt hätte. Der betreffende Abteilungsleiter würde abgelöst, ebenso wäre beabsichtigt, den Bund deutscher Künstler aufzulösen und auch den Leiter des hiesigen Kunstvereins durch einen anderen zu ersetzen.«318 Der Deutsche Künstlerbund sandte den Mitgliedern am 10. Oktober desselben Jahres die offizielle Begründung Zieglers für die Ausstellungsschließung, darin wird der stellvertretende Präsident der Reichskammer der bildenden Künste wie folgt zitiert: »Die Veranstaltung lässt jegliche Verantwortung gegenüber Volk und Reich vermissen und erfüllt somit in keiner Weise das von mir in § 2 der Anordnung über die Veranstaltung von Kunstausstellungen und -messen vom 10.4.1935 (B.35/12.4.4.) geforderte Ziel. Der Künstlerbund hat damit bewiesen, dass er nicht in der Lage ist, die ihm durch das Reichskulturkammergesetz als Mitglied der RdbK auferlegte Verantwortung als Träger einer öffentlichen Aufgabe zu erfüllen. Er muss als unzuverlässig angesehen werden. Ich schließe ihn gemäss § 10 der 1. Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1.11.1933 (rgbl. I, S. 797) aus der Kammer aus und untersage ihm jede weitere Betätigung auf dem Gebiet der bildenden Kunst. – Ich ersuche ferner, innerhalb der satzungsgemäss zulässigen Frist die Auflösung zu bewirken, andernfalls ich mich gezwungen sehe, auf Grund des § 29 der vorgenannten Verordnung polizeiliche Massnahmen zur Durchführung dieser meiner Verfügung zu veranlassen.«319 Erneut wird die »Verantwortung gegenüber Volk und Reich« propagiert, mit dem Ziel der Zensur. Die Ausstellungsschließung ist als Verbot zu bewerten und ging einher mit der Auflösung des Künstlerbundes, die zum 30. November 1936



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vollzogen wurde. Nach Angaben des ehemaligen Schatzmeisters des Hamburger Kunstvereins Kurt Hartwig Siemers (1907–1988) »[bedeutete eine Ausstellung moderner Kunst] bei der kunstfeindlichen Einstellung des Dritten Reiches […] ein Risiko. Es handelte sich fast nur um Künstler, die von den Nazis mißbilligt und verfolgt waren«.320 Neben Dix zählten unter anderem Ernst Barlach, Max Beckmann, Lyonel Feininger, Conrad Felixmüller, Ludwig Gies, Erich Heckel, Karl Hofer, Alexander Kanoldt, E. L. Kirchner, Georg Kolbe, Gerhard Marcks, Ewald Mataré, Max Pechstein, Christian Rohlfs, Oskar Schlemmer, Karl Schmidt-Rottluff und Georg Schrimpf zu den ordentlichen Mitgliedern des Künstlerbundes, deren Werke 1936 in Hamburg ausgestellt und die sämtlich im darauffolgenden Jahr von der aktion »entartete kunst« betroffenen waren.321 Kurz nach der Ausstellungsschließung führte Siemers hinsichtlich eines Beitrags der frankfurter zeitung an, der Vorstand des Vereins habe sich »in gröbster Weise gegen Führer, Partei und Volk vergangen […], dass die Ausstellung geschlossen und der Verein nach Rücktritt des Vorstandes aufgelöst werden würde«.322 Die Schließung der Ausstellung wurde nicht offiziell als explizite Positionierung gegen Dix und andere Künstlerinnen und Künstler kommuniziert, sondern § 2 des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933 als Grund angeführt und damit auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Ausstellungspraxis rekurriert. Dennoch handelte es sich um eine der letzten Ausstellungsbeteiligungen des Künstlers zur Zeit des Nationalsozialismus. Nach Abschluss der Olympia-Ausstellung in der Nationalgalerie in Berlin 1936 verfügte Eberhard Hanfstaengl, dass ein – bislang nicht identifiziertes – Gemälde von Otto Dix in den oberen Räumen des Kronprinzenpalais zu hängen sei. Allerdings waren die Ausstellungsräume zu diesem Zeitpunkt nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Josef Nierendorf trug die Bitte Hanfstaengls an Dix heran, »ihm das Bild weiter als Leihgabe zu überlassen bis zur endgültigen Entscheidung durch das Ministerium«.323 Es handelte sich folglich um einen offiziellen Akt, dass Dix’ Malerei in die öffentliche Sammlung der Nationalgalerie als Dauerleihgabe eingebunden werden sollte. Trotz der zunehmenden kunstpolitischen Radikalisierung erhielt Otto Dix einige Werkaufträge und konnte seine Arbeiten sowohl an private Sammler als auch an Institutionen verkaufen.324 Mit der Kölner Galerie Dr. Becker etwa, die Dix bereits im Mai 1936 wegen eines Porträtauftrags für »Frau Dr. Wolf« kontaktierte, sind bis Juli 1937 Korrespondenzen nachzuweisen.325 Im Vorjahr war es der Galerist Andreas Becker, der für Dix einen Porträtauftrag durch einen seiner Kunden erwirken wollte und den Maler um Fotografien von Werken »der letzten Zeit« zur Ansicht bat und zugleich den Preis »incl. meiner %« erfragte.326 Eine handschriftliche Notiz des Malers verweist darauf, dass Dix unter anderem die ­Porträts »wol-

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fensberger, dr. niescher, mutter und frau rudnicki« hierfür in Erwägung zog.327 Neben der positiven Rückmeldung zum Porträtauftrag bat Becker im Juni 1937 um Landschaftsdarstellungen aus dem Hegau: »Haben Sie noch einige Landschaften aus dem Hegau oder vom Bodensee. Es handelt sich um ein Geschenk, das gemacht werden soll. Dr. Haubrich will das vermitteln. Die Sache eilt sehr. Ich bitte, in die anzugebenden Preise 25% für mich mit einzukalkulieren und die angegebenen Preise als Verkaufspreise zu bezeichnen. Dr. Haubrich würde gern für seine Vermittlung eine Zeichnung haben, die Sie in den Preis einkalkulieren müssten. Bitte geben Sie mir vor allem Nachricht, ob noch gute Landschaften verfügbar sind. Und falls ja, veranlassen Sie sofortige Uebersendung von 2-3 Bildern an mich, damit die Sache nicht verzögert wird.«328 Der Jurist, Kunstsammler und bis Juli 1936 stellvertretende Vorsitzende des Kölnischen Kunstvereins Josef Haubrich hatte demnach – im Gegensatz zu den Äußerungen Nierendorfs von Februar 1933, in denen der Galerist dem Sammler eine Unsicherheit und Distanzierung gegenüber Dix’ Malerei attestierte – weiterhin ein Interesse an Dix’ Arbeiten und insbesondere an seinen Landschaftsdarstellungen.329 Die Hinwendung zur Landschaftsmalerei als zentralem Sujet und damit einer im Verhältnis etwa zu den vormaligen veristischen Milieudarstellungen unverfänglichen Gattung mag – auch vor dem Hintergrund der zuvor stattgefundenen Schandausstellungen, der Diskurse um Ausstellungsbeteiligungen von Dix sowie der Veröffentlichung von Willrichs Femeschrift 1937 – zu einer Anerkennung des neuen Œuvres geführt haben. Beckers Brief vom 13. Juli 1937 belegt, dass der Verkauf noch nicht abgeschlossen war, da jedoch keine weitere Korrespondenz vorliegt, ist der Ausgang unklar. Die von Dix eingereichten Bilder waren zum Zeitpunkt der Korrespondenz als »Jubiläumsgeschenk« im Besitz des von Haubrich Beschenkten (dessen Identität nicht geklärt ist). Ferner stellte Becker zwei weitere potenzielle Käufer für Arbeiten des Malers in Aussicht und nahm abermals Bezug auf das Interesse an einem Porträt seitens »Frau Dr. Wolf«, wobei die Entscheidung über den Auftrag nach Beckers Angaben unmittelbar bevorstand.330

»ankauf« durch das heeresbauamt magdeburg 1937 Auf die Empfehlung Franz Lenks hin richtete das Heeresbauamt am 10. Februar 1937 eine schriftliche Anfrage an Otto Dix, in der es um den »Ankauf« eines Ge­



»Ankauf« durch das Heeresbauamt Magdeburg 1937 _ 141

mäldes für einen Gemeinschaftsraum des Amtes für Heeresneubauten im Bezirk Magdeburg ging.331 Damit trat eine politische Institution an Dix heran, die sich im Klaren über die ambivalente Situation um den Maler gewesen sein musste. Aus der Korrespondenz geht eindeutig die Auftrags-Vermittlung und Empfehlung durch Franz Lenk hervor: »Für einen Gemeinschaftsraum der Unteroffiziere ist das Thema ›Deutsches Gebirge‹ aufgestellt. Vorgesehen sind bis jetzt ›Reiteralp‹ von Georg Ehmig, ›Thüringer Bergland‹ von Franz Lenk und ein Harzbild von einem wenig bekannten Maler Klapper in Goslar. Es fehlt ein 4. Stück, für welches ich eigentlich eine gute Riesengebirgslandschaft vorgesehen hatte. Ein Stück, das meinen Ansprüchen genügte habe ich aber bis jetzt nicht gefunden. Daher fasse ich nun auch andere Gebirgsbilder mit ins Auge. Herr Prof. Lenk sprach mir von einigen Bildern aus dem Hegau und vom Bodensee, die er bei Ihnen sah. Sollte darunter ein charakteristisches Gebirgsbild ausreichenden Formats sein, so würde ich ein solches der Truppe gerne zur Annahme empfehlen, vorausgesetzt, daß Sie sich mit den uns zur Verfügung stehenden Honorarsätzen einverstanden erklären können.«332 Angefragt wurde folglich kein konkretes Werk, vielmehr handelte es sich um den Auftrag zur Anfertigung eines Landschaftsgemäldes »nach Art des ›Schloß ­Randegg‹«, das 100 mal 130 Zentimeter messen sollte und für dessen Anfertigung Dix bis Mitte April 1000 Reichsmark erhalten sollte.333 Das Heeresbauamt Magdeburg formulierte den Auftrag an Otto Dix zur Anfertigung eines Gemäldes für den Truppenraum als »Ankauf« und erläuterte diesen Vorgang: »Die Sache verhält sich nämlich so, daß bei Ankäufen das Heeresbauamt sich nur mit der Truppe einig zu sein braucht, bei ›Aufträgen‹ aber die Genehmigung einer höheren und sehr wenig großzügigen Instanz, der Wehrkreisverwaltung erforderlich ist. Wir haben daher in mehreren Fällen Aufträge auf Tafelbilder als Ankäufe behandelt und dadurch manche sonst aussichtslosen Dinge durchbekommen. Die Mitteilung über dieses Verfahren wollen Sie bitte vertraulich behandeln.«334 Der Verfasser – »gez. Fr. Balke« – war sich der Brisanz der Situation durchaus bewusst und umging gezielt Regularien, um sanktionsfrei Ankaufs-Interessen durchsetzen zu können. Vor dem 13. März 1937 reichte Otto Dix eine Farbskizze beim Heeresbauamt Magdeburg ein, dies belegt die Korrespondenz desselben Datums. Der offizielle Auftrag wurde erteilt und am 13. Februar bestätigt, ohne dass sich das

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Heeresbauamt an Dix’ umstrittenem Œuvre störte: »Ihre Arbeiten bis 33, soweit sie auf größeren Ausstellungen oder durch Kunst-Zeitschriften veröffentlicht wurden, glaube ich so ziemlich zu kennen.«335 Das Wissen um die gesellschaftskritischen Arbeiten vor der »Machtergreifung« war somit kein Hindernis, zumal eine grundlegende Voraussetzung für Dix’ Berufsausübung in der Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste bestand, die als gegeben anzuerkennen war.

exemplarische ankäufe durch private sammler Kurze Zeit vor der Durchführung der aktion »entartete kunst« kündigte Josef Nierendorf Dix gegenüber am 20. Juni 1937 an, ihm Bilder zurückzuschicken, ebenso wie Kriegsmappen, die demnach zuvor dort in Kommission waren. Die am 28. desselben Monats ausgefertigte und an Otto Dix in Hemmenhofen gesandte Werkaufstellung besagt, dass es sich um die Gemälde frühlingsabend, randegg bei regen, hohenkrähen, gefällter baum im winter, doppelbildnis maler richter, akt auf rotem tuch, damenporträt auf blauem grund sowie einen leeren Rahmen von dem Gemälde hohenstoffeln handelte.336 Fraglich ist, inwiefern Josef Nierendorf mit dieser Rücksendung auf die aktion »entartete kunst« reagierte, die am Tag zuvor eingeleitet worden war. Im selben Brief bat und offerierte Nierendorf Dix gegenüber: »Auf alle Fälle bitte ich Dich, bevor Du eine Ausstellung in Berlin oder überhaupt in Deutschland machst, bei mir anzufragen, ob ich nicht Gelegenheit habe[,] die Ausstellung zu zeigen. Auch wenn Du für Amerika irgendwelche Pläne hast, bitte ich Dich zuerst mit uns Rücksprache zu halten.«337 Die politischen Ereignisse führten folglich nicht dazu, dass Dix sich mit seinen Arbeiten nun gänzlich vom Ausstellungswesen abwandte. Dass der Künstler im Zuge der offiziellen Propaganda-Aktion systematisch diffamiert wurde, hatte jedoch auch im Bereich des Kunsthandels Konsequenzen. Die Kunstausstellung Kühl in Dresden, die offenbar Arbeiten des Malers in Kommission hatte, berichtete Otto Dix gegenüber noch im Mai des Jahres 1937, dass die Rechnung über einen Verkauf gestellt wurde. Ferner bat Heinrich Kühl um die Zusendung von Abbildungen zu Landschaften und anderen Motiven, »damit ich in dem gedachten Sinne dafür arbeite […]«.338 Am 14. August – etwa einen Monat nachdem die Aktion »Entartete Kunst« stattgefunden hatte – wandelte sich Kühls Motivation, wie in einem Brief an den Maler deutlich wird:



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»[I]ch bekam den Rat meine Kunstvorräte etwas zu überprüfen von Freundesseite u. vorbeugend gebe ich etliches davon lieber den Besitzern zurück. Es führte dazu, dass ich soeben eine Sendung Zeichnungen zur Post gab u. ich wünsche guten Empfang. Es sind: 1 Aquarell 13 Zeichnungen in Blei 14 Zeichnungen in Kohle u. Rötel, zum Teil mit weisser Deckfarbe u. in vielen Fällen auf gestrichenem Papier. Ein Verzeichnis, was dann noch hier ist[,] wird noch folgen, damit sie eine genaue Unterlage haben.«339 Die Kommissionsware an Dix zurückzusenden erschient als Geste der Distanzierung vor dem Hintergrund der offiziellen Propaganda plausibel. Durch die Nationalsozialisten war Dix sowohl durch Willrichs Pamphlet als auch im Zuge der Aktion und gleichnamigen Feme-Ausstellung als zentrale Negativ-Figur instrumentalisiert und diskreditiert worden. Folglich zeigt sich an der Reaktion der Kunstausstellung Kühl eine Konsequenz der politischen Diskreditierung des Malers. Etwa zeitgleich mit der Münchener Ausstellung entartete kunst geriet der Maler noch stärker ins kunstpolitische Kreuzfeuer. Während einer Jubiläumsausstellung im Geraer Kunstverein mussten zwei seiner Gemälde – eine Hegaulandschaft und das Porträt von Mutter Louise Dix und Enkelin Eva Kohlberg mutter und eva (1935) – auf Anweisung der Reichskammer der bildenden Künste abgehängt werden (Abb. 19). Daraufhin wandte sich Dix im August 1937 an Lenk und bat um Hilfe: »Vielleicht können Sie sich gelegentlich mal erkundigen, was dahinter steckt und ob diese Methode gegen mich weiter fortgesetzt werden soll. Ich würde mich, sollte letzteres der Fall sein, bald darum bemühen ins Ausland zu gehen, vielleicht hat man von offizieller Seite sogar Interesse daran. Beide Bilder sind unmöglich als entartet zu bezeichnen.«340 Die »Methode« sollte dahingehend weiter praktiziert werden, als Dix’ Werke beständig im Zuge der Feme-Wanderschau entartete kunst angeprangert wurden. Zugleich wandelte sich die Situation anscheinend in anderen Bereichen. Seit dem Auftreten seiner Mäzene Fritz Niescher und dessen Ehefrau Ilse (1895–1992), Max Otto Eberhard Köhler (1887–1963) sowie Wilhelm Zersch (1888–1944), von denen Dix Aufträge erhielt, wurde Dix’ finanzielle Lage laut Fritz Löffler nach etwa 1937 zunehmend annehmbarer.341 Die Verbindung zu Niescher, der seine Dix-Sammlung 1932 angelegt und seit 1937 intensiv ausgebaut hatte, wurde nach

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19  Otto Dix. mutter und eva 1935, Mischtechnik auf Sperrholz, 80,4 × 70 cm, Essen, Museum Folkwang

­ ngaben Thomas Bauer-Friedrichs möglicherweise über Köhler initiiert. Köhler A hatte bereits im Frühjahr 1933 in Dresden persönlich Kontakt zum Künstler, dies belegt Dix’ Eintragung ins Gästebuch der Familie.342 Ferner ist dokumentiert, dass sich der Maler im Sommer desselben Jahres für eine Weile bei Köhler aufhielt.343 Am 1. Oktober 1935 hatte Dix an Nierendorf geschrieben, dass er – offenbar als Auftakt der Verbindung – ein Porträt von Wilhelm Zersch aus Köstritz ausgeführt habe und darauf hoffe, dass es zu einem Kaufgeschäft kommt. Zersch hatte im Vorfeld Fotos von Dix’ Arbeiten gesehen.344 Aus einem Brief von Fritz Niescher vom November 1937 erschließt sich Dix’ Praxis, Kunst-Mappen an seine Sammler zu schicken und im Hinblick auf Verkäufe eigenständig tätig zu sein: »Lieber Meister Dix! Ihre Mappe wurde mir zugesandt und gab ich selbige heute an Herrn […] Köhler weiter. Entnommen habe ich: Stein am Rhein = M  175.– Hohenkrähen = 175.– Hunsrück = 150.– Buchberg b. Tayngen = 210.– Schloß Randegg = 100.– Blick auf den Hegau = 200.– Vom hohen Speer



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= 100.–Selbstbildnis = 1100,– Das Selbstbildnis welches ich behielt, war dasjenige, welches Sie mir separat zugehen ließen und bitte ich Sie[,] mi[ch] den Preis hierfür noch wissen zu lassen. Gleichzeitig bitte ich um Angabe[,] wohin ich den Betrag überweisen soll.«345 Die Pavillongestaltung auf dem Grundstück der Familie Niescher in Chemnitz 1938 zählte ebenfalls zu den Auftragswerken dieser Schaffensphase.346 Wie bei vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern bedeutete die Zurschaustellung von Werken in der Ausstellung entartete kunst also auch bei Dix nicht das Ende der beruflichen Existenz. Aus der Korrespondenz von Januar 1938 zwischen Dix und dem Kölnischen Kunstverein geht hervor, dass Walter Klug Bilder des Malers erbat und sich auch bei Sammlern kundig gemacht hatte, um seinen Verkaufsraum mit »nur ganz wenige[n Arbeiten], aber nur mit höherer Qualität« auszustatten.347 Vier Tage später berichtete Klug: »[D]ie beiden Bilder ›März am Untersee‹ und ›Hohenkrähen‹ hoffen wir nun auch bald verkaufen zu können. Vorerst erhielten wir Untergebote – eine Sitte, die hier ganz besonders gross geworden ist, und müssen wir weiter verhandeln. ›Schloss Randegg‹, wohl das Bild, welches sich bei Dr. Sch. befindet, haben wir leider wie bereits mitgeteilt, nicht herausholen können. Wir möchten gern – wie schon gesagt – uns besonders für Ihre Kunst einsetzen und in gewisser Art [I]hre Vertretung für das Rheinland übernehmen. Wir müssten dann aber mehr Material haben.«348 Bei Haug ist für das Jahr 1938 zwar keine Beteiligung von Dix an einer Ausstellung dokumentiert, die Briefe Klugs weisen allerdings auf die Aktivitäten des Kölnischen Kunstvereins für Otto Dix im Sinne einer Ausstellungs- und Verkaufspraxis hin. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Werke von Dix auch Bestandteil der Weihnachts-Ausstellung 1940 der Kunstausstellung Gerstenberger in Chemnitz waren. Allerdings erscheint die Katalogwerbung mit den »besten Vertreter[n] Deutscher Kunst der Gegenwart« im Kontext der damaligen Dix-Rezeption ungewöhnlich. Für die Jahre 1941 und 1942 sind weitere Verkäufe und Aufträge bekannt, wie im Kölnischen Kunstverein 1942, wo die Silberstiftzeichnung tal nach glarus von 1934 ausgestellt wurde.349 Dietrich Schubert führt zudem einen auf 1942 datierten Brief an, nach dem »Lenk die interessante Tatsache [überliefert], dass Ribbentrop von Dix, dem ›entarteten‹, porträtiert zu werden wünscht; dies sei aber ›für Dix wie für den Auftraggeber gleichermaßen gefährlich‹ (Lenk)«.350 Hierzu ist weder ein Quellenbeleg beigefügt, noch lieferten die eigens konsultierten

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Materialien weiterführende Belege. Schubert schließt den Absatz lediglich mit der Information, Dix habe den riskanten Auftrag nicht angenommen.351 Die Verkäufe und Ausstellungsbeteiligungen sowie die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste stehen in starkem Gegensatz zu der vehementen Diskriminierung, die Otto Dix erdulden musste. Dennoch ist anhand der gesichteten Quellen nicht belegt, dass der Künstler noch zu einem späteren Zeitpunkt aus der Kammer ausgeschlossen wurde.352

internationale ausstellungen. otto dix in den usa und der schweiz In England, Frankreich und den usa konzipierten meist emigrierte Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle Ausstellungen, die sich gegen die Verfemung von Kunstwerken, Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland richteten. Dazu zählten etwa die Londoner Ausstellung exhibition of 20th century german art vom 8. Juli bis zum 27. August 1938, die Pariser Ausstellung freie deutsche kunst vom 4. bis zum 18. November 1938 und die Ausstellung contemporary german art, die vom 1. November bis zum 9. Dezember 1939 in Boston stattfand.353 Zwar ist nicht belegt, dass Werke von Otto Dix Teil der in London 1938 – als Gegenmaßnahmen zur 1937 präsentierten deutschen Femeschau entartete kunst – gezeigten Ausstellung waren. Aus Stephan Lackners und Helen Adkins Darstellungen zu exhibition of 20th century german art in den New Burlington Galleries geht allerdings hervor, dass Dix – neben 19 weiteren verfemten Künstlerkolleginnen und -kollegen – eine Einladung erhalten hatte, ihr aber nicht gefolgt war.354 Ursprünglich war der Ausstellungstitel banned art vorgesehen, der aber durch den weniger kritischen Titel exhibition of 20th century german art ersetzt wurde.355 Zur Londoner Ausstellung, die trotz der in England vorherrschenden Appeasement-Politik realisiert wurde, heißt es in der news review: »Der Nazi-Ideologie entsprechend ist Kunst dann schlecht und degeneriert, wenn sie unter drei Kategorien fällt: a) Wenn der Künstler jüdisch ist, kann sein Werk niemals gut sein. Die zwei weiteren Eigenschaften, die Kunstwerke von der Zustimmung durch Nazis ausschließen, sind b) falsches Thema und c) falsche Ausführung […].«356 Auf diese Kategorisierung antwortete die Londoner Ausstellung folglich mit genau solchen Exponaten als positiv konnotierte Beispiele. Ein Flugblatt, das 1938 von der artist’S international association zur Ausstellung herausgegeben wurde, unterstrich die kritische Sicht auf die nationalsozialistische Kunstpolitik



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nochmals deutlich. Den Künstlerinnen und Künstlern sollte die Möglichkeit zur Ausstellung und zum Verkauf ihrer Werke gegeben werden.357 »go and see expelled and banned art visit and support the exhibition of german art […] why does hitler expel artists? because facism is afraid of those who think. of those who see thruth, of those who speak the truth.«358 Neben der Einladung, an der Londoner Ausstellung mitzuwirken und den in Deutschland verbliebenen Ausstellungsmöglichkeiten hatte Dix internationale Ausstellungs- oder Verkaufsmöglichkeiten am Museum of Modern Art, New York, am Carnegie Institute in Pittsburgh, im Toledo Kunstmuseum sowie im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich und im Kunstverein Schaffhausen (später Museum zu Allerheiligen) in der Schweiz. Seit der Frühjahrsausstellung german painting and sculpture des Museum of Modern Art in New York waren in den Ausstellungen, die das Museum zwischen 1933 und 1945 zeigte, die Arbeiten von Dix insgesamt zehn Mal vertreten.359 1934 fand eine Einzelausstellung mit dem Titel the war: etchings by otto dix statt, worauf thematisch auch 1937 Bezug genommen wurde. Im Jahr der ersten Beschlagnahme und der Münchner Schau entartete kunst fand im Museum of Modern Art die Ausstellung the war, etchings by otto dix and armored train, A painting by gino severini statt. Nun standen zwischen dem 21. September und dem 19. Oktober 1937 exakt jene Kriegsdarstellungen im inhaltlichen Fokus, die zeitgleich seitens der nationalsozialistischen Kunstpolitik verfemt wurden. Zur New Yorker Ausstellung heißt es: »Believing that American veterans would be interested in seeing how the World War looked to a German veteran, the Museum of Modern Art will open […] an exhibition of war etchings by Otto Dix. […] The Dix etchings are from a folio of fifty under the title Der Krieg (The War). It was not necessary for the artist to draw on his imagination to present war in a grimly realistic light. He needed only to transfer to copper plate the actual scenes etched on his memory by his four years on the Western Front. After the war Otto Dix became the leader of the German movement towards extreme realism.«360 Neben den Ausstellungsbeteiligungen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im Museum of Modern Art war der Maler erneut vom 17. März bis zum 10. April 1943 in der Nierendorf Gallery (New York City, 53 East 57th Street) bei einer Gruppen-

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ausstellung neben Max Beckmann, Giorgio de Chirico (1888–1987), Ismale González de la Serna (1898-1968), Waasily Kandinsky (1966–1944), Oskar Kokoschka (1886–1980), Käthe Kollwitz (1867–1945) und anderen vertreten.361 Diese Ausstellungsbeteiligung bei Nierendorf stellte jedoch eine Ausnahmesituation dar, die auch mit den gegebenen Ausfuhrbeschränkungen in Zusammenhang stehen kann. Über das renommierte New Yorker Museum und die Beteiligung bei Nierendorf während der Kriegszeit hinaus sind verschiedene Beteiligungen von Dix mit einzelnen Arbeiten am Carnegie Institute in Pittsburgh dokumentiert. Er war bis zum 14. Februar 1936 an der Ausstellung the 1935 international exhibition of paintings des Carnegie Institute in Pittsburgh sowie darauffolgend vom 7. März bis zum 18. April im Toledo Museum of Art beteiligt.362 Dies belegt der Brief John O’Connors, stellvertretender Direktor des Carnegie Institute, an den Maler im Februar 1936. »Nach Schluss dieser Ausstellung [in Toledo] kommen die Gemälde nach Pittsburgh zurück, von wo aus sie an ihre Eigentümer spedirt werden. Wir sind Ihnen zu grossem [D]ank verpflichtet für Ihr Mitwirken zum Erfolg dieser Ausstellung.«363 Entgegen der polarisierenden innerdeutschen Kunstpropaganda wurden Dix’ Arbeiten im Ausland repressionsfrei und anerkennend gezeigt. Auch im darauffolgenden Jahr erhielt Dix von Charlotte Weidler, ebenfalls Mitarbeiterin und Repräsentantin des Carnegie Institute, die Nachricht: »[Homer Saint-Gaudens, Direktor für bildende Künste des Carnegie Institutes] beauftragte mich, Ihnen die Einladung für dieses Jahr zu übermitteln, und wir hoffen sehr, dass Sie uns ein Bild geben. Da die Ausstellung in diesem Jahre nur in Pittsburgh gezeigt wird, kommt das Bild, falls es nicht verkauft wird, wesentlich früher wie in den anderen Jahren zurück. Abgeschickt werden müsste es Ende Juni. Selbstverständlich übernehmen wir alle entstehenden Unkosten wie Transport hin und zurück, Versicherung usw.«364 Im Juni desselben Jahres schickte Dix zwei Landschaftsgemälde an die Zweigstelle des Carnegie Institute nach Berlin. An Martha Dix schrieb er, dass die »beiden Bilder ›Winter mit Krähen‹ [und] ›Vorfrühling am See‹ (mit Schafherde) […] bis zum 15. Juni in Berlin sein [müssen.] [L]aßt sie vom Tischler einpacken und schickt sie gegen den 10. Juni an Chr. Knauer Kunstabteilung Für Carnegie Institut Berlin W. 62 Wichmannstr. 8«365



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Zwar hatte die aktion »entartete kunst« bis dato noch nicht stattgefunden, dennoch werden die öffentliche Schmähung von Dix’ Arbeiten in der gleichgeschalteten Presse und durch Willrichs Pamphlet sowie die Ausstellungsschließung im Hamburger Kunstverein im Juli 1936 auch seitens des Carnegie Institute bekannt gewesen sein. Dix’ Arbeiten wurden in Pittsburgh ausgestellt und der Maler berichtete Josef Nierendorf gegenüber, dass dort eine »ausgezeichnete Landschaft« gezeigt sei.366 Das Bild – unklar ist, um welche Landschaftsdarstellung es sich handelte – gelangte mit einem Transport aus der Schweiz nach Pittsburgh und sollte 1939 wieder zurück an Dix gesandt werden. An Martha Dix schrieb der Maler: »Es handelt sich aber um die Transportvalutaerklärung[,] die ja für den ganzen Transport gemacht wurde[,] nicht für das fragliche Bild allein, da es ja von der Schweiz aus nach Amerika ging[.] Es muss nun über die Schweiz wieder zurückkommen. Andernfalls muss das Bild eben unter Zollverschluss zu Knauer nach Berlin.«367 Da im März und April 1938 beim Kunstsalon Wolfsberg in Zürich die sonder-ausstellung otto dix stattfand, ist es naheliegend, dass der Transport des Landschaftsgemäldes zum Carnegie Institute von dort ausgehend veranlasst wurde. Aus den Pressebesprechungen geht hervor, dass Johann Edwin Wolfensberger (1873–1944) zwei Landschaftsgemälde gezeigt hatte, die als tal bei pontresina mit berninagruppe von 1938 sowie hohentwiel mit hohenkrähen von 1933 identifiziert sind. Dennoch ist unklar, welches der beiden Bilder nach Pittsburgh gesandt wurde.368 Die Verbindung nach Pittsburgh hatte nach 1935 bis nachweislich 1938 bestand und ist darüber hinaus bis in die Nachkriegszeit dokumentiert. Dies zeigt die Beteiligung des Malers an der internationalen kunstausstellung 1950 in Pittsburgh mit einem Gemälde.369 Auch der Kontakt zu Charlotte Weidler (1895–1983) blieb bestehen, wie etwa anhand der freundschaftlichen Korrespondenz 1948 ersichtlich wird.370 Über die Ausstellungsperspektiven in London – die nicht realisiert wurde – und den usa hinaus bot insbesondere die Schweiz Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten für Otto Dix. So stellte Edwin Wolfensberger etwa den Kontakt zu einem potenziellen Sammler, zumindest aber Interessenten an Dix’ Arbeiten her. Dies geht aus einem Brief vom 7. Dezember 1937 hervor, den Otto Dix an »Dr. Schulz« adressierte:

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»Ihr Schreiben an Herrn Wolfensberger371 habe ich gelesen und wäre gern bereit, baldigst nach Athen zu kommen, um Aufträge auszuführen. Ich müßte allerdings etwas Positives wissen und bitte Sie, mir mitzuteilen, ob es Ihnen möglich ist, wenigstens einen Auftrag sicherzustellen. […] Durch die Sicherstellung eines Auftrags wäre es mir möglich, Devisen für die Ausreise und Aufenthalt in Athen zu bekommen. Natürlich müßte ich auch Material einführen und würde Sie bitten, mir die Genehmigung zu erwirken.«372 Ein Interesse des Malers an internationalen Aufträgen war demnach gegeben, selbst wenn eine Emigration aus Deutschland der politischen Lage zum Trotz nicht in Frage kam. Nach der ersten Dix-Ausstellung im Kunstsalon Wolfsberg 1929 hatte Otto Dix bereits in einem Brief an Martha Dix formuliert: »Ich kann diese Schweiz nicht mehr riechen. Hoffentlich muss ich nicht noch einmal hierher.«373 In den nachfolgenden Jahren gab es jedoch verschiedene Anlässe für den Maler, dorthin zu reisen, auszustellen oder Kontakte zu (potenziellen) Käufern zu pflegen. Wenngleich Dix seinem Freund Lenk nach der Abhängung seiner Bilder im Geraer Kunstverein 1936 gegenüber mitteilte, eine Emigration in Erwägung zu ziehen, bestätigt ein Brief an Martha Dix, dass er an seinem Entschluss festhielt, Deutschland nicht zu verlassen.374 Laut Felix Graf, dessen Aufsatz otto dix im kunstsalon wolfsberg 2013 in der zeitschrift für schweizerische archäologie und kunstgeschichte erschien, war die Schweiz »finanziell und als öffentliche Plattform wichtig« für Otto Dix.375 Dafür spricht in erster Linie die für die Lebenssituation nach 1933 relevante Nähe des Wohnortes zur Schweizer Grenze. Hemmenhofen, so Graf, liegt »genau zwischen zwei historisch wichtigen Rheinübergängen, demjenigen bei Konstanz und demjenigen bei Stein am Rhein«.376 Ferner nimmt der Maler spätestens 1937 Schweizer Landschaften in sein Motivrepertoire auf, wodurch die wirtschaftliche und regionale Verbindung auch inhaltlich anhand der künstlerischen Gattungen Zeichnung und Malerei gestützt wird. Die Antwort auf die Frage, welche Themen und Motive in Dix’ Arbeiten seitens der Schweizer Ausstellungsinstitutionen während der Zeit des Nationalsozialismus favorisiert und etwa in Pressebesprechungen rezipiert wurden, gibt Aufschluss darüber, wie die Marktsituation in Zürich für den Maler einzuordnen ist. Die nachfolgend aufgeführten Ausstellungen der Galerie Wolfsberg (1929 und 1938) sowie des Kunstvereins Schaffhausen belegen, dass sowohl das Werk der 1920er Jahre als auch die Schaffensphase seit 1933 interessant für die Ausstellungseinrichtungen waren. Oto Bihalji-Merin publizierte unter dem Pseudonym Peter Thoene und zeigte in seiner Besprechung der Ausstellung des Kunstsalons Wolfsberg 1938 sowie der kunsthistorischen Einordnung von Dix’ Werk auf, dass die veristischen



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Elemente gegenüber dem konservativ anmutenden Œuvre ab 1933 eine stärkere Wirkung und größere Präsenz bei den Rezipierenden hatte.377 Wie am Beispiel des Landschaftsgemäldes hohentwiel mit hohenkrähen deutlich wird, wurden auch in den 1930er Jahren veristische Elemente erkannt. Thoene schrieb hierzu: »Hohentwiel: Bergruinen, kahles Geäst, Raben, Ferne und Geheimnis, wo Verismus und Romantik zusammen stossen.«378 Graf führt zu recht an, dass die in der Nähe des Wohn- und Arbeitsortes des Malers gelegene Schweiz eine Fehlstelle in der DixForschung markiert: »Angesichts der geografischen Nähe seines Wohnortes zur Schweiz und aufgrund der Bedeutung, welche Schweizer Museen, Galerien und Privatpersonen für den von den Nazis verfemten Maler hatten, erstaunt es, dass seine Kontakte über die Grenze auf der Landkarte der Dix-Forschung nach wie vor einen ziemlich weissen Fleck bilden.«379 Die Verbindung von Otto Dix in die Schweiz bestand bereits, ehe der Maler nach seiner Entlassung nach Randegg und später Hemmenhofen zog. So fand im Februar und März 1929 eine Sonderausstellung im Kunstsalon Wolfsberg statt, bei der »Otto Dix mit 27 Gemälden und über 40 Nummern Graphik und Aquarellen, alles aus den letzten vier oder fünf Jahren« vertreten war.380 Johann Edwin Wolfensberger zeigte in diesem Rahmen unter anderem die Arbeiten strassenkampf, das Triptychon grossstadt von 1928, bildnis des dichters ivar von lücken von 1926, streichholzhändler (es handelt sich vermutlich um streichholzhändler ii von 1927) und schäferhund von 1928. Auf dem Plakat hatte Dix ein in blauem Umriss dargestelltes Selbstporträt wiedergegeben.381 Die glarner nachrichten berichteten zur Ausstellung und Dix’ veristischen Arbeiten darin anerkennend: »Was Dix geben will, ist Wahrheit; er geißelt die faulen Zustände unserer Gesellschaft und deckt den ganzen Pfuhl menschlichen Schmutzes auf. Unbarmherzig reißt er alle Masken herunter, stellt die Bresten und Laster unserer Zeit nackt und nüchtern dar, ohne jede Sentimentalität. Auch das Häßlichste wird nicht verschleiert, sondern mit klarer Sachlichkeit aller Formen bin ins Einzelne wiedergegeben und durch die Farbe noch eindringlicher herausgearbeitet. […] Dix vermag nicht nur ästhetische Probleme zu lösen, sondern er hat vor allem der Menschheit etwas zu sagen.«382 Die neue zürcher zeitung rezensierte im August desselben Jahres die von Curt Glaser (1879–1943) konzipierte Ausstellung deutsche graphik der gegen-

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wart im Zürcher Kunsthaus, die zuvor in der Bibliotheque National in Paris gezeigt worden war. Ziel war es dort gewesen, einen Querschnitt durch die zeitgenössisch populäre deutsche Grafik zu zeigen. Neben Otto Dix waren in Zürich Arbeiten von Georg Grosz, Rudolf Großmann, Max Beckmann, Erich Heckel, Karl SchmidtRottluff, Christian Rohlfs, Max Pechstein, Alfred Kubin und Emil Nolde vertreten und damit zahlreiche künstlerische Referenzen.383 Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 und dem Inkrafttreten des gesetzes zur wiederherstellung des berufsbeamtentums im April, im Zuge dessen Dix aus seiner Dresdener Professur entlassen worden war, folgten weitere Kooperationen zwischen dem Maler und Schweizer Verkaufs- und Ausstellungsinstitutionen. So verweist die Korrespondenz zwischen Dix und dem Kunstverein Schaffhausen im September 1934 auf die Vorbereitungen für einen Kunsttransport und belegt somit die Ausstellungsplanung im Jahr nach seinem Umzug in die Bodenseeregion.384 1934 fand folglich eine Einzelausstellung des Malers im Kunstverein Schaffhausen statt. So berichtete Dix Josef Nierendorf gegenüber: »Am 15. Sept[.] stelle ich eine Kollektion in Schaffhausen aus[.] Dauer 3–4 Wochen[.] Danach kannst Du die Sachen bekommen[.] Fotos habe ich leider keine[,] es sind 6 Bilder und 25–30 Zeichnungen. Aquarelle keine.«385 Wenig später berichtete Dix von insgesamt 54 Arbeiten, die er im Schaffhausener Kunstverein ausgestellt hatte.386 Zu den dortigen Exponaten zählten randegg bei gewitter sowie fünf weitere Gemälde, die nach Angaben von Madeleine Schuppli zuvor in Nierendorfs Ausstellung zu Otto Dix und Franz Lenk gezeigt worden waren.387 An Josef Nierendorf schrieb Dix kurze Zeit später erneut: »Die Schweizer Kollektion[,] 18 Bilder und 30 Zeichnungen[,] wird nach Schaffhausen noch durch weitere Schweizer Städte gehen.«388 Angedacht war demzufolge, dass 48 Arbeiten an unterschiedlichen Orten in der Schweiz präsentiert werden sollten. Diese Angabe unterscheidet sich von den Angaben im Ausstellungskatalog des Museums zu Allerheiligen in Schaffhausen von 1995. Dennoch ist aufgrund der zeitlichen Kongruenz davon auszugehen, dass Dix auf dieselbe Ausstellung Bezug genommen hat. Diese Annahme wird von Graf gestützt, dessen Untersuchung als erste nähere Betrachtung des Malers im Zusammenhang mit seiner Verbindung zu Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten in der Schweiz zwischen 1933 bis 1945 gelten kann. Graf gibt an, Dix habe im Kunstverein Schaffhausen 60 Arbeiten ausgestellt.389 Diese Anzahl erscheint gegenüber Schupplis Angabe eher deckungsgleich mit der vom Maler selbst im Oktober 1934 genannten, in die Schweiz geschickten Anzahl an Werken.



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Im September 1935 tat der Druckereiunternehmer und Galerist Johann Edwin Wolfensberger dann sein persönliches Interesse an einem Landschaftsgemälde von Dix kund. Hierdurch wird die öffentliche Wirkung und Anerkennung seiner Arbeiten ab 1933 unter geänderter Motivik und zugleich die Hinwendung zu offiziell anerkannten Sujets wie der Landschaftsmalerei bestätigt: »Sehr geehrter lieber Herr Professor! Darf ich voraussetzen, dass Ihr Aufenthalt im Engadin eine recht erfreuliche künstlerische Ernte gebracht hat. Sie wissen[,] dass ich von jeher den Wunsch geäussert habe, eine schweiz. Landschaft von Ihnen zu besitzen und deshalb wäre es mir ganz besonders lieb, wenn ich Ihre Arbeiten auch etwa entstandene Zeichnungen zur Ansicht hier haben könnte.«390 Das persönliche Interesse manifestierte sich schließlich abermals 1938 im Ausstellungsbetrieb des Kunstsalons Wolfsberg. Dort veranstaltete Wolfensberger im März und April die sonder-ausstellung otto dix, zu der neben dem Ausstellungsplakat – einer Lithografie mit dem Motiv des Heiligen Christophorus sowie den Ausstellungsangaben (Abb. 20) – ein Faltblatt herausgegeben wurde.391 Gezeigt wurden unter anderem die Gemälde randegg im gewitter von 1934, hohentwiel, sieben todsünden von 1933, flandern von 1936, der heilige christophorus I von 1938 als »Hauptbild der Ausstellung!«, streichholzhändler von 1927, tochter des künstlers, neugeborenes kind und das bildnis jakob edwin wolfensberger von 1929.392 Ferner ist dokumentiert, dass dort zwei von insgesamt zehn Landschaftsgemälden ausgestellt waren – tal bei pontresina mit berninagruppe und eine in der Zeitschrift das werk von Peter Thoene als engadin titulierte Landschaft –, die Dix dort während seines Kuraufenthaltes 1937/1938 angefertigt hatte.393 Neben den Gemälden wurden mindestens zwölf Aquarelle ausgestellt, deren Datierung in die Jahre zwischen 1922 und 1928 fällt, wobei es sich insbesondere um Akt-, Milieu- und Porträtdarstellungen handelte.394 Anhand der bei Wolfsberg gezeigten Aquarelle wird ersichtlich, dass neben den Landschaftsdarstellungen insbesondere das Werk der 1920er Jahre in der Schweiz ausgestellt wurde und dort keineswegs an Aktualität eingebüßt hatte. Neben den sieben todsünden, judenfriedhof im schnee und dem heiligen antonius begreift Dietrich Schubert auch Dix’ Christophorus-Darstellungen als die »verbliebene Möglichkeit, während der Nazi-Zeit eine verschlüsselte Aussage des ›Widerstands‹ zu realisieren«.395 Bei der Darstellung des Christophorus, die von Thoene als das »Hauptbild der Ausstellung« beschrieben wurde und die Dix als Motiv des Ausstellungsplakats verwendete, spielt nach Graf die regionale Komponente eine wichtige Rolle. Demnach seien »[m]onumentale, spätmittelalter-

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20  Otto Dix. plakat zur sonder-ausstellung otto dix kunstsalon wolfsberg 1938, Farblithografie, 128,5 × 90,5 cm

liche Christophorus-Bilder […] dort gleich mehrfach dokumentiert. Im Konstanzer Münster ist der heilige Riese an der Westwand sowohl des südlichen als auch des nördlichen Seitenschiffes dargestellt, gut fünf Meter hoch, ebenso prominent steht er an der Nordwand des Chores der Stadtkirche von Stein am Rhein«.396 Zudem seien in zahlreichen Kirchen und Kapellen des Schweizer Bündnerlandes und Christophorus-Darstellungen existent.397 Die Gemälde mit Darstellungen der Schweizer Landschaft waren im Winter 1937/1938 entstanden, als sich Otto Dix zu einem Kuraufenthalt in Samedan aufhielt. Im Juli 1937 hatte der Maler einen Autounfall erlitten, der zu dem Aufenthalt im Engadin geführt hatte.398 Die Zürcher Ausstellung sollte nach ihrer Beendigung in Österreich gezeigt werden, hierfür hatte Wolfensberger bereits Ausstellungsplakate gedruckt, doch fand dies aufgrund der politischen Entwicklungen und des »Anschlusses« Österreichs an das »Deutsche Reich« im März 1938 nicht statt.399 Die Wolfsberg-Ausstellung hatte eine positive Resonanz in der Presse zur Folge. Die neue zürcher zeitung empfahl hinsichtlich der Ausstellung »Künstler und



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Kunstfreunde mögen nicht versäumen, sie zu besuchen, zeugt sie doch für einen der stärksten, eigenwilligsten deutschen Maler der Gegenwart.«400 Auch hierin manifestiert und zeigt sich die Anerkennung der Schweizer Kunstwelt gegenüber Dix. Solche Parteinahmen für die in Deutschland als »entartet« diffamierten Künstlerinnen und Künstler – etwa am Beispiel der Londoner exhibition of 20th century german art – wurden von Adolf Hitler scharf angegriffen: »Jüdische Kunstmanager in der Schweiz wollen heute dem englischen Volk das als Kunst aufschwatzen, was wir ausgespien haben.«401 In seiner Rezension charakterisierte Thoene eben solche Arbeiten aus der Weimarer Zeit mit Faszination und ging auf die bei Wolfensberger ausgestellten Exponate und damit auf die Erzeugnisse vor und nach 1933 ein: »1913 […] begann jene Pedanterie des Handwerks, die aus altdeutscher Vergangenheit herrührt und im späteren Werk zur bewussten Ueberbetonung der Detailwahrheit bis in die Poren dringender Grossaufnahmen wurde. Es ist die Handschrift der Fotolinse: Ueberdeutlichkeit, die manchmal wie geniale Tiefenschau, manchmal peinliche Panoptikumssymbolik berührt. Spuk arm­ selig erotischer Tanzlokale, der verhandelten Liebe im Strassendämmer, Oede eines Familien-Sonntagsspaziergangs in die entfremdete Natur, feierlicher Leer­lauf des Todes, da der Sarg durch gleichgültige Strassen schwankt, oder Schützengrabengemälde aus der grauen Landschaft des Sterbens. Dieses sind die gespenstischen Motive der Kriegs- und Nachkriegswirklichkeit: Inflation, Dadaismus und deutsche Romantik. Die Anmut der Verworfenheit eines Toulouse-Lautrec, Sehnsucht und Süsse von Mensch und Natur bei Philipp Otto Runge, Baldung Griens gotische Schärfe und Verrenktheit schimmern aus diesen Werken des Malers und Graphikers Otto Dix.«402 Die Melange aus künstlerischen Bezügen zu nordalpiner Renaissance und der Romantik mit Dix’ Motiven sozialer Milieus bildet das Charakteristische seiner Arbeiten, wobei Thoene selbst die Überzeichnungen in den künstlerischen Vorbildern verankert. Technisch und gestalterisch entwickelt Dix jedoch seinen eigenen Kommentar auf die Alten Meister und adaptiert nicht allein. So ist der Pinselstrich zwar fein, der Duktus aber pastoser und nimmt erst sukzessive die feine Lasuren auf, die in Gemälden wie bildnis rosa eberl von 1940 bildprägend wirken (Taf. 2).403 Zu den aktuelleren Arbeiten wird erläutert: »In seinen neuen Arbeiten scheint manches von der Knappheit mit Schärfe ver­ seudo-Christophorus […]: loren. So das Selbstbildnis mit Kind, der Maler als P

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Christophorus – Dix der die Kunst zu tragen sucht an einem Ort, wo ihr Gewicht entrückt, da ihre Visionen verlacht sind. Und der richtige ­›Christophorus‹, das Hauptbild der Ausstellung! […] Die Vision dieser [im Christophorus-­Gemälde enthaltenen] Landschaft projiziert der Maler auch in die Darstellung seiner Berninagruppe und des Engadins. Randegg im Gewitter und der Hohentwiel […]. Ein spezifischer Dix unter den neuen Werken ist das Kriegsbild Flandern. Schon früher einmal hat das ›Schützengrabenbild‹, ein gemaltes Manifest des bedingungslosen Pazifismus, Begeisterung und hassvolle Verfolgung erfahren. 1936/37 taucht in Dix das Trauma des Krieges wieder auf, vielleicht nicht mehr allein als Erinnerung des Vergangenen, sondern als Ahnung des kommenden Todes.«404 Dem Maler wird folglich nicht allein ein Pazifismus attestiert, sondern auch eine visionäre Eigenschaft zugeschrieben. Die Formulierung »Dix würde die Kunst an einem Ort zu tragen suchen, wo […] ihre Visionen verlacht sind«, betont das selbstreflexive Moment in der Christophorus-Darstellung.405 Infrage steht folglich, inwiefern christlich-allegorische Darstellungen als Referenz auf den Maler selbst zu erachten sind und politische Wirkungsweisen aus den Gemälden und Vorarbeiten herauszulesen sind. Indem Thoene eine Gegenüberstellung anstellte, konstatierte er außerdem, dass: »[u]nter den gezeigten Bildern […] die älteren mehr Dichtigkeit und Schärfe [haben].«406 Hierdurch wird erneut auf die anhaltende Popularität und Relevanz der Arbeiten aus der Zeit der Weimarer Republik verwiesen. Die Verbindung zwischen dem Maler und dem Züricher Kunstsalon bestand auch nach der Sonderausstellung im Frühjahr 1938 fort. So gab der Kunstsalon Wolfsberg 1939 einen Verkaufskatalog heraus und verlegte darin die Reproduktion eines Dix-Aquarells, das eine Gebirgslandschaft zeigt und mit der Unterschrift bernina, engadin, switzerland versehen ist.407 Graf verweist darauf, dass das Verhältnis zwischen Johann Edwin Wolfensberger und Otto Dix angespannt war, da es ein »Zerwürfnis« gegeben habe.408 Dieses Umstands zum Trotz, der durch einen Brief von Otto Dix an Matha Dix Bestätigung findet, bestand der Kontakt zwischen Dix und dem Kunstsalon Wolfsberg bis zu Beginn der 1950er Jahre. »Das ist eine verdammte Lüge von diesem Wolfensberger[,] dass ich seine Briefe nicht schreibe, im Gegenteil, er antwortet auf die Briefe von Niescher nicht[,] der ihn auffordert seiner Versicherung die Kosten der Bildrestaurierung zu übergeben[.] Auch hat er weder mir das Angebot gemacht[,] den Judenfriedhof zu behalten, sondern er wollte das Porträt meiner Mutter[,] was ich ihm nicht gegeben habe. Die Bilder sollen so bald als möglich nach Hemmenhofen



Zur amtlichen Bestätigung eines sogenannten Ausstellungs- und Malverbotes 1946 _ 157

gebracht werden, da ich nicht beabsichtige in die Schweiz oder sonst wo ins Ausland zu gehen.«409 Neben dem Konflikt, der durch die Rhetorik in Dix’ Schreiben 1939 zum Ausdruck kommt, geht daraus auch hervor, dass das Gemälde judenfriedhof in randegg im winter mit hohenstoffeln (1935) offenbar 1939 zum Bestand des Kunstsalons zählte (Abb. 2).410 Dix war demnach bereit dazu, das Bild zu veräußern. Da allerdings keine Interessenbekundung von Wolfensberger folgte, kam es anscheinend zu keinem Verkauf. Ungeklärt ist zudem, in welchem Zusammenhang das Gemälde zu diesem Zeitpunkt in Zürich war. Ist es 1938 als Exponat Teil der sonder-ausstellung otto dix gewesen? Handelt es sich um das Gemälde, das 1939 von der Schweiz zum Carnegie Institute gesandt wurde? Stehen beide Möglichkeiten schließlich in Zusammenhang miteinander, sodass judenfriedhof in randegg im winter mit hohenstoffeln zunächst 1938 im Züricher Kunstsalon gezeigt worden war und von dort in die usa gelangte? Für letztere Variante spricht die Korrespondenz zwischen Otto und Martha Dix von 1939, aus der ein Hinweis zu entnehmen ist, dass die im Carnegie Institute ausgestellte Arbeit über die Schweiz dorthin gelangte und auch über die Schweiz rückgeführt werden musste.411 Die Korrespondenz zwischen Otto und Martha Dix ist lediglich auf das Jahr 1939 datiert und damit ist ungeklärt, ob sie zeitlich vor oder nach der Auktion der Galerie Fischer in Luzern einzuordnen ist. Stefan Frey ermittelte eine Arbeit von Dix, die dort zur Versteigerung stand. Das internationale Interesse an der Moderne und auch an Dix’ Arbeiten spiegelt sich nicht zuletzt anhand der Auktion wie auch am Interesse Wolfensbergers.412 Die Bezüge zur Schweiz schlugen sich wiederum in Dix’ künstlerischem Wirken nieder. Neben den im Zusammenhang des Kuraufenthaltes entstandenen Arbeiten dokumentierte und kommentierte er auch politische Geschehnisse am Sujet der Grenzlandschaft.413

zur amtlichen bestätigung eines sogenannten ausstellungs- und malverbotes 1946 Auch wenn sich die Situation im Zuge der verbesserten Auftragslage durch die sächsischen Mäzene um 1937 gebessert hatte, erfuhr der Maler weiterhin Repressionen, die seine wenig anerkannte Stellung belegen. So geht aus der Korrespondenz mit dem Kunstsammler, Juristen und Schriftsteller Wilhelm Arntz (1903–1985) hervor, dass die Gestapo Hausdurchsuchungen in Dix’ Atelierhaus in Hemmenhofen durchgeführt hatte und Bilder mutwillig beschädigt wurden.414 Dieser Vandalismus kennzeichnete nicht allein das Vorgehen auf deutscher Seite, wie der Vorfall in

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Österreich hinsichtlich Oskar Kokoschkas Gemälde robert freund i zeigte. Dies wurde am 5. Mai 1938 von der Wiener Gestapo mit Dolchen zerschnitten und gelangte anschließend unter schwierigen Bedingungen zur Londoner Ausstellung in den Burlington Galleries 1938 wie auch in die Pariser Ausstellung freie deutsche kunst.415 Seit dem 10. April 1935 trat die Anordnung von Joseph Goebbels inkraft, dass als gesetzliche Kontrolle in der deutschen Ausstellungspraxis »in Zukunft jede Kunstausstellung anmeldepflichtig [war] und [es …] der Zustimmung des Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste bedurfte«.416 Dies beeinflusste auch die Beteiligung von Dix’ Werken im Rahmen öffentlicher Ausstellungen. Zudem legitimierte die anordnung gegen minderwertige kunsterzeugnisse vom 1. Oktober 1940 den Zugriff auf Galeriebestände und Privatsammlungen.417 In erster Linie auf der Grundlage des Krieges und der Furcht vor Zerstörung argumentierend, ist zudem annehmbar, dass sich Dix auch vor Beschlagnahmungen im privaten Umfeld fürchtete. So lagerte der Maler Arbeiten an unterschiedlichen Orten und bei Personen aus dem persönlichen Umfeld, wie etwa bei dem befreundeten Dresdner Mühlenbesitzer und Sammler Fritz Bienert (1891–1969) ein, der wichtige Werke – darunter das Kriegs-Triptychon – im Speicher seines Mühlenbetriebs versteckte.418 Den Pfarrer Friedrich Hartmann (Lebensdaten unbekannt) bat Dix im Mai 1940 um Einlagerung seiner Arbeiten, die der Korrespondenz nach auch realisiert wurde:419 »Die Möglichkeit, daß es auch im hiesigen Grenzgebiet zu kriegerischen Verwicklungen kommt, scheint heute naheliegender wie sonst. Ich habe daher daran gedacht, meine Bilder von hier fortzubringen […] Meine Bilder sind das einzige Vermögen, was ich besitze. Nun wollte ich mir die Frage erlauben, ob es Ihnen nicht möglich wäre, die Bilder bis nach dem Krieg in Ihrem Haus einzustellen. Es sind cirka 30 Stück mittleren Formats […].«420 Es ist naheliegend, dass die Ausstellung von Dix’ Werken in Köln nicht hätte stattfinden können, wenn es ein amtlich dokumentiertes Ausstellungsverbot für Werke des Malers gegeben hätte. Dies wurde etwa im Ausstellungskatalog des Deutschen Künstlerbundes von 1986 mit Bezug auf die Ausstellung 1934 konstatiert.421 Infolge von Adolf Zieglers anordnung gegen minderwertige kunsterzeugnisse vom 1. Oktober 1940 sowie den Folgeerlass vom 23. April 1941 kam es zu einer erneuten Radikalisierung der kunstpolitischen Situation, da nunmehr der Zugriff auf Galeriebestände sowie Privatsammlungen moderner Kunst rechtlich legitimiert war.422 Geplant war sogar die Wiedereröffnung der Femeschau entartete kunst, die zu Kriegsbeginn geschlossen worden war. Im Zuge dessen gelangten Künstlerinnen und Künstler der Moderne erneut in den Fokus der Reichs-



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21  überwachungskarteikarte der gestapo zu otto dix aus dem bestand des ehemaligen reichssicherheitshauptamtes Berlin, Datierung unbekannt, Berlin, Bundesarchiv

kammer der bildenden Künste.423 Die von der Gestapo oder den Landeskammern gesammelten Personeninformationen wurden in diesem Zusammenhang nun deutlich wichtiger: »[Dix] ist ein typischer Vertreter der Verfallserscheinung der Systemzeit. Seine Bilder füllten einen wesentlichen Teil der Ausstellung ›Entartete Kunst‹ aus. (lebt in Dresden und ist auch dort noch tätig)«424 heißt es auf einer Karteikarte der Geheimen Staatspolizei aus dem Bestand des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes in Berlin (Abb. 21). Unterschiede im Schriftbild zeigen, dass die Karte wiederholt ergänzt wurde. Der Verweis auf die Femeschau könnte sowohl für die Vorläuferausstellung seit September 1933 als auch für die große Femeschau ab 1937 in München gelten. Die Angabe, dass »seine Bilder […] einen wesentlichen Teil der Ausstellung ›Entartete Kunst‹« ausmachten, erscheint im Kontext der Münchener Ausstellung und der dort gezeigten Werke jedoch plausibel. Dort war Otto Dix mit 26 Werken einer der am stärksten vertretenen Künstlerinnen und Künstler.425 Der Zusatz »lebt in Dresden und ist auch dort noch tätig« deutet zunächst auf das Jahr 1933 hin, da Dix bis zu seiner Übersiedelung nach Randegg bis September desselben Jahres in der Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen lebte.426 Er unterhielt sein Atelier in der Kesselsdorfer Straße allerdings fortwährend bis 1943 sowie ab 1949 bis 1966.427 Zudem war mit der Partnerin Käthe König (1902–1981) und

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der gemeinsamen Tochter Katharina König (*1939) eine zweite Familie des Malers in Dresden lokalisiert, sodass die Information auch hierauf basieren kann.428 Der Umstand, dass der Maler zum Entstehungszeitpunkt der Karte als in Dresden arbeitender Künstler galt, lässt den Schluss zu, dass er dazu legitimiert war und seine Tätigkeit keinen Anstoß erregte. Darauf verweist auch seine Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste. Aus einem Protokoll des englischen Geheimdienstes von 1945 geht hervor, dass das Reichssicherheitshauptamt wiederholt den Ausschluss von Künstlerinnen und Künstlern wie Otto Dix, Emil Nolde (1867–1956) und Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) gefordert hatte und der Ministerialdirektor im Propagandaministerium Hans Hinkel (1901–1960) Ende 1942 die Frage an die Kammer richtete, warum diese Künstler noch nicht ausgeschlossen seien.429 Die Kammer hatte infolgedessen darum nachgesucht, die Mitgliedschaften der benannten Künstler beibehalten zu können. Nach den Angaben des Protokolls wurde der Anfrage im Fall Dix stattgegeben.430 Er wurde folglich nicht wie seine Künstlerkollegen Nolde und Schmidt-Rottluff aus der Kammer ausgeschlossen.431 Diese hatten ihre Malweise im Verlaufe der Nazi-Herrschaft nicht verändert, Dix hingegen schon und so war dieser Umstand augenscheinlich existenzerhaltend. In seinem Brief an Will Grohmann erläutert Dix am 19. Oktober 1946: »Um mich vor böswilligen Verleumdungen und Verdrehungen zu schützen[,] bräuchte ich ein amtliches Schreiben der Sächsischen Regierung[,] dass ich 1939 [korrigiert auf 1933] von den Nazis fristlos aus meinem Amt entlassen wurde[,] dass ich als entarteter Künstler gebrandtmarkt wurde[,] dass ich Ausstellungsverbot während der ganzen Zeit hatte und 1939 durch die Gestapo eingesperrt wurde[.] Ich brauche Ihnen ja nicht die Wahrheit dieser Tatsachen zu versichern, Sie kennen sie ja.«432 Daraufhin erhielt Dix am 1. November 1946 seitens der Landesverwaltung Sachsen vom Leiter der Volksbildung, Staatssekretär Gute, die Bestätigung: »Es wird hiermit bestätigt, dass der Maler Herr Prof. Otto Dix 1933 von den Nazis fristlos aus seinem Amt als akademischer Professor entlassen wurde. Ferner wurde Prof. Dix als entarteter Künstler gebrandmarkt, hatte die ganze Nazizeit Ausstellungsverbot und wurde 1939 von der Gestapo verhaftet und eingesperrt. (Gute) Staatssekretär«433



Zur amtlichen Bestätigung eines sogenannten Ausstellungs- und Malverbotes 1946 _ 161

Das Gesuch des Malers bewirkte folglich die offizielle Stellungnahme und Bestätigung durch die sächsische Landesverwaltung. Aus der Korrespondenz wird nicht ersichtlich, dass ein amtliches Dokument über ein offiziell verhängtes Verbot zugrunde lag. Ferner konnten im Rahmen dieser Arbeit keine Hinweise auf ein offiziell gegen Otto Dix verhängtes Ausstellungsverbot ermittelt werden. Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass die Situation des Malers zwischen Verfemung und Anerkennung nicht einfach zu rekonstruieren und zu bewerten ist. Verfemung, Entlassung und die eingeschränkte Berufsausübung gehörten zu den Erschwernissen, mit denen sich Otto Dix zur Zeit des Nationalsozialismus konfrontiert sah. Demgegenüber stellen etwa die Aufträge seitens privater Sammler wie auch offizieller Institutionen oder aber die partiellen Ausstellungsbeteiligungen eine Anerkennung dar, die durch die erhöhrte Produktivität in der Schaffensphasen zwischen 1933 und 1945 unterstrichen wird. In seinem Lebenslauf, datiert auf den 6. März 1950, schrieb der Maler: »[E]s war mir verboten, meine Bilder auszustellen und zu verkaufen.«434 In einem weiteren Lebenslauf verwendete er 1965 erneut das Wort »Ausstellungsverbot«.435 Mit der Angabe »1934 Ausstellungsverbot« wurde dies in einem Formular für den Ascot-Verlag nochmals unterstrichen und konkretisiert. In einem weiteren Dokument ist außerdem von einem »Malverbot« (Hauptwerke in der Ausstellung entartete kunst)« die Rede. Das Abhängen von Bildern aus Ausstellungen sowie die Zurschaustellung von Dix’ Arbeiten in den Feme-Kontexten seit 1933 stellen naheliegende Gründe dar, weshalb der Maler seine Kunst einem »Verbot« oder »Ausstellungsverbot« ausgesetzt sah. Aus den vorliegenden Dokumenten geht jedoch weder ein »Ausstellungsverbot«, noch ein »Malverbot« hervor. Da die Gemäldeproduktion des Malers seit seiner Entlassung 1933 sukzessive anstieg, spricht ebenfalls gegen ein sogenanntes »Mal- oder Berufsverbot«.436 Die erheblichen Einschränkungen in der nationalsozialitischen Kunst- und Ausstellungspolitik verdeutlichen die Repressionen gegen Otto Dix jedoch mit Nachdruck. Die Beteiligung von Dix an der Ausstellung des Vereins Berliner Künstler und des Kölnischen Kunstvereins 1934, die Galerie-Ausstellungen bei Nierendorf zwischen 1934 und 1936, seine Engagements bei Schaller in Stuttgart 1935, bei der Kulturgemeinde Mannheim 1935, beim Hamburger Kunstverein 1936 und auch das 1937 erfolgte Ankaufsgesuch seitens des Heeresbauamtes Magdeburg sowie das Ausstellungsinteresse des Kölnischen Kunstvereins 1938 setzen voraus, dass seine Berufsausübung im Sinne einer Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste anerkannt gewesen sein muss. Auch sind Verkäufe wie jener über Günther Franke (1900–1976) 1938 zu nennen, der das bildnis des dichters iwar von lücken von 1926 an einen privaten Käufer vermittelte.437 1940 war Dix zudem im Katalog der Weihnachts-Ausstellung der Galerie Gerstenberger in Chemnitz verzeichnet, ohne dass weiterführende Informationen zu ausgestellten Kunstwerken

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aufgeführt sind.438 Die Schließung von Ausstellungen, persönliche Diskreditierungen und die Feme durch die offizielle Kunstdoktrin belegen jedoch mit Nachdruck die Repressionen gegen den Maler, die zeitgleich stattfanden.

krieg, gefangenschaft und das ende der diktatur Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wandelte sich mit der politischen Situation ein weiteres Mal die persönliche wie auch künstlerische Ausdrucksweise von Otto Dix. Wenige Monate vor dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Maler am 15. März 1945 zum Volkssturm eingezogen. Wenig später geriet er in Kriegsgefangenschaft und wurde bis Januar 1946 im Lager Logelbach bei Colmar interniert.439 Während seiner Kriegsgefangenschaft wurde Dix zunächst dem Mienensuchkommando zugeordnet und nach eigenen Angaben direkt davon entbunden, nachdem er beim Kommandeur vorstellig geworden war und »seit dem mal[t]e.«440 Da die Haftumstände für den Maler gelockert wurden, erhielt er die Erlaubnis, außerhalb des Lagers zu arbeiten. Dix wurde gestattet, bei seinem Colmarer Kollegen und Freund Robert Gall (Lebensdaten unbekannt) wie auch bei dem Innenarchitekten »Herrn Dumoulin« (Personendaten unbekannt) in Colmar zu malen.441 Ab September kam ein weiteres Engagement zur Anfertigung von zwei Porträts bei einem Herrn Knobloch in Colmar hinzu.442 Den Aufenthalt bei Dumoulin beschrieb Dix seiner Familie gegenüber: »Herr D. ist Innenarchitekt[,] ich male seit 14 Tagen bei ihm ein Porträt von ihm und eins von seiner Frau[,] Ich bin hier wie zu Hause. Früh um ½ 9 Uhr holt mich Herr D. aus dem Lager ab[.] Zuerst bekomm ich ein Frühstück[,] Milchkaffee[,] Weißbrot, Weich und Münsterkäse[.] Um 10 Uhr 2 Glas Wehrmut- Mittags …-suppe, jeden Tag Braten[,] Gemüse[,] geröstete Kartoffeln, Salat, Münsterkäse dazu Wein nach Belieben, nach dem Essen Kaffee und Kirsch. Am Abend wieder Weißbrot, Würste[,] manchmal Braten, Münsterkäse. Wein in Mengen. Tabak steht zur Bedienung immer da. Ich wollte euch nicht den Mund wässrig machen[,] aber ihr sollt nur sehen[,] daß ich friedensmäßig gut leb. Kollege Schober[,] der mit mir im Lager zusammen wohnt[,] behauptet[,] dass es sich gar nicht mehr lohnt[,] mich zu porträtieren[,] mein ganzer Charakterkopf wäre hin[,] ich wäre zu fett.«443 Dort entstanden »zwei Porträts[,] eine Vogesenlandschaft[,] ein Ecce Homo[,] ein kleines Blumenstück«.444 Kurz zuvor fertigte Dix zudem das Gemälde madonna



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22  Otto Dix. madonna vor stacheldraht und trümmern mit paulus und petrus 1945, Mischtechnik auf Sperrholz, 110 × 165 cm, Berlin-Mariendorf, Kirche Maria Frieden, Dauerleihgabe des Berliner Senats

vor stacheldraht und trümmern mit paulus und petrus von 1945, dessen Entstehung durch die Protektion des Lagerleiters gewährleistet werden konnte (Abb.  22).445 Ferner beschrieb er mit Bezug auf die Aufenthalte und Unternehmungen bei Dumoulin in Colmar, der Dix’ Malerei wertschätzte, förderte und ihm unterschiedliche Möglichkeiten des Arbeitens ermöglichte: »Diese Woche gehe ich mit Herr D. in die Landschaft, ich muß ihm noch eine Vogesenlandschaft malen und nächste Woche soll ich mit Gall nach Mühlhausen[,] wo er eine Kirche auszumalen hat [wobei ich ihm helfe. Wir waren übrigens – Gall und ich[,] öfter in Labaroche[,] wo Gall ein Häuschen hat und haben Landschaft gezeichnet[.]«446 In dieser Zeit arbeitete Dix vornehmlich an christlichen und Landschaftssujets, wie er Martha Dix und der gemeinsamen Tochter Nelly schrieb: »Vorläufig male ich immer noch im Atelier von Herrn Gall ein Triptychon für den Altar der Gefangenen[,] eine Landschaft für Herrn Gall, eine Landschaft für einen französischen Sergeanten und ein großes Wandbild mit Paulus und

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Antonius für einen Schweizer[,] der hier ein Geschäft hat[.] Ich esse mittags bei ihm, ganz friedensmäßig und vorzüglich. Ob wir, die Maler, weiterhin außerhalb des Stacheldrahtes wohnen dürfen[,] ist ab heute fraglich geworden, durch die Flucht eines unserer Kollegen.«447 Trotz seiner Kriegsgefangenschaft gestalteten sich die Umstände demnach offenbar vergleichsweise annehmbar. Auch die Zusammenarbeit mit seinem Colmarer Künstlerkollegen Gall und die Ausflüge in die Natur – etwa zum Anfertigen von Landschaftsstudien – belegen dies. Zudem zeigt sich hieran eine Form der Anerkennung von Dix’ künstlerischer Tätigkeit, seinen Arbeiten und seiner Reputation. In diesem Zusammenhang sind auch die Umstände zu betrachten, die zu seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft führten. Das Ende von Dix’ Kriegsgefangenschaft wurde auf höchster politischer Ebene verhandelt. Nachdem Martha Dix am 28. November Carl Bühler (1904–1984), Pfarrer und Mitglied der Christlich Demokratischen Union, kontaktiert und ihn über die Kriegsgefangenschaft ihres Ehemannes informiert hatte, wandte sich Bühler an den damaligen, von der Militärregierung zum Kultus- respektive Kultminister Baden-Württembergs ernannten Theodor Heuss (1884–1963). In seinem Schreiben informierte Bühler den Minister über Dix’ Situation, mit der Bitte, seine Entlassung bei der französischen Militärregierung anzuregen.448 Bereits am 17. Dezember des Jahres reagierte Heuss und versicherte, sich der Sache anzunehmen und umgehend den Tübinger Staatsrat Carlo Schmid (1896–1979) zu kontaktieren.449 Schließlich heißt es in einem Brief des Staatssekretariats an das Gouvernement Régional Württemberg, Section des Beaux Arts, am 26. Dezember: »Wir erfahren aus sicherer Quelle, dass sich der Kunstmaler O. Dix, der bis [gestrichen] 1933 Professor an der Kunstakademie in Dresden war [gestrichen], sich noch heute in Kriegsgefangenschaft befindet. Herr Dix wurde noch vor Schluss des Krieges zum Volkssturm geholt und geriet am 16. April [gestrichen] in französische Gefangenschaft. Er ist seit dieser Zeit in einem französischen Lager bei Kolmar. Anschrift: P G Otto Dix Nr 8/555/02 pga Depot 102 France. Es handelt sich bei Otto Dix um eine der markantesten Künstlerpersönlich­keiten des republikanischen Deutschland [gestrichen]. Seine Radierungsfolge ›Der Krieg‹ ist sowohl ihrer pazifistischen Tendenz wie auch ihrer starken künstlerischen Wirkung nach den Radierungen Goyas ebenbürtig. [gestrichen] In seinen malerischen Arbeiten erreicht Dix eine ungewöhnliche Stärke des Ausdrucks, die ihn besonders auf dem Gebiet des Porträts zu einem Meister werden liessen. (Es gab vor 1933 kaum eine moderne deutsche Galerie, in der Dix nicht vertre-



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ten gewesen wäre.) Eine Reihe von Bildern und Zeichnungen sozialen Inhalts brachten ihm schon vor 1933 die schärfste Opposition bestimmter nationalistischer Gruppen ein. Es war daher nicht verwunderlich, dass der Künstler, der nicht emigrierte, im ›Dritten Reich‹ auf das Gröblichste beschimpft wurde. Er wurde sofort [gestrichen] von der Kunstakademie in Dresden entfernt. Sämtliche im Museumsbesitz befindlichen Bilder von seiner Hand wurden abgehängt und viele davon wanderten in die ›Entartete Kunst‹, wo sie in entwürdigender Form zur Schau gestellt wurden. Auch wurde Dix mit einem radikalen Ausstellungsverbot belegt. Um ihn völlig zu erledigen, schreckte man nicht davor zurück, seiner Frau ›nichtarische Abstammung‹ unterzuschieben. Sein Name wurde bei allen Gelegenheiten, in Wort und Schrift, öffentlich gebrandmarkt; sein Atelier in Hemmenhofen mehrfach von ss durchwühlt und dabei Bilder absichtlich schwer beschädigt. Trotz dieser nie abreissenden Verfolgungen, die ihm seelisch und körperlich zu schaffen machten, verlor Dix doch nie ganz den Mut zum Arbeiten.«450 Heuss lässt damit die Popularität und gesellschaftspolitische Brisanz und Umstrittenheit von Dix’ Arbeiten der 1920er Jahre anklingen und zeichnet die Rahmenbedingungen der jüngst vergangenen Zeit des Nationalsozialismus und partiell die Auswirkungen für den Maler nach. Dies betrifft sowohl die Diffamierung, der sich der Maler während der Diktatur ausgesetzt sah, als auch die Hausdurchsuchungen und Angriffe auf seine Person und die seiner Ehefrau. Dass Dix’ Arbeiten über die deutschen Grenzen hinaus bekannt waren, als bewahrenswert galten und ihnen ein kultureller Wert beigemessen wurde, belegt der Schutzbrief des Bataillonsführers ayzac an Martha Dix aus der Zeit der französischen Besetzung vom 22. August 1945: »Lettre de Protection. La collection privée du Peintre Allemand dix située à Emmenhoffen près Radolfzell est placée sous la protection du Gouvernement Militaire. Etant donné l’intére artistique de cette collection le autorit’s militaires sont priés d’accorder à Madame (1892–1958) dix gardienne responsable, tout l’aide et protection nècessaire afin de lui permettre d’accomplir sa mission.«451 Dieses Schreiben verweist darauf, dass der Privatbesitz im Sinne der Kunstsammlung von Otto und Martha Dix nun der französischen Militärregierung unterstellt war. Darüber hinaus wird zum Ausdruck gebracht, dass Martha Dix unter politischem »Schutz« stand und sie als Bevollmächtigte über den Bestand Unterstützung seitens der Militärregierung erhielt.

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Jene Arbeiten, die während der nationalsozialistischen Diktatur zu Propagandazwecken besonders ins Kreuzfeuer von Verfemung und Verachtung geraten waren, wurden unmittelbar nach dem Ende des Krieges wieder anerkannt – so das Triptychon der krieg –, offiziell angefragt und ausgestellt. Seinem Sohn Ursus (1927–2002) berichtete Dix im November 1946 davon, dass der »sächsische Staat [s]ein großes 4teiliges Kriegsbild kaufen [will]. […] Es ist zur Zeit in Dresden auf der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung ausgestellt und macht großes Aufsehen«.452 Über die erste allgemeine deutsche kunstausstellung vom 25. August bis 31. Oktober 1946 in Dresden hinaus wurden Werke von Otto Dix für Ausstellungen in unterschiedlichen Städten angefragt.453 Dies betrifft die Ausstellung sammlung haubrich – bei der Sammlung handelt es sich um die Schenkung Haubrichs an die Stadt Köln – in der alten Universität Köln 1946, wie auch die Beschickung von Ausstellungen in Konstanz, Lindau, Basel sowie mit 40 Arbeiten in Tübingen, die Dix 1946 in Briefen erwähnt: »Momentan habe ich in Konstanz ausgestellt[,] im Juli soll eine grosse Ausstellung von 40 Bildern in Tübingen sein. Leider ist der Versand von Bildern durch die verschiedenen Zonen noch stark behindert.«454 »Augenblicklich ist die Ausstellung in Tübingen[,] 40 Bilder, 2 Bilder auf einer Ausstellung in Lindau, ab 25.d.M. das große Kriegstriptychon und 2 weitere Bilder in Dresden auf der ›Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung‹, 3 Bilder gehen in diesen Tagen nach Basel.«455 Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, berichtete Otto Dix dem Rechtsanwalt und Kunstsammler Hugo Simons (1892–1958) – der dem Maler in der Weimarer Zeit auch zu Porträtaufträgen verholfen hatte – am 6. Juni 1946 von den Entwicklungen der vergangenen Jahre wie auch aktueller Geschehnisse.456 Den Maler und den Rechtsanwalt verbanden etwa die Rechtsstreitigkeiten des Jahres 1926, in denen Simons Dix vertreten hatte.457 Zudem zählt das Porträt des Rechtsanwalts zu Dix’ populärsten künstlerischen Referenzen der Weimarer Zeit.458 Es scheint, als hätte es eine Pause in der Korrespondenz seit der Emigration des 1933 über Den Haag nach Kanada ausgewanderten Simons und dem in Deutschland gebliebenen Dix gegeben, die durch einen vorangehenden Brief von Simons beendet wurde. So berichtete der Maler von der wiederholten Schikane seit 1933, vom Unvermögen, während der nationalsozialistischen Diktatur auszustellen, von der beschlagnahmeaktion »entartete kunst« wie auch der Auktion der



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Galerie Fischer in Luzern 1939.459 Darüber hinaus kommt mit der technisch-stilistischen Neuausrichtung von Dix ein bedeutender Aspekt zur Sprache, indem er selbst diese Neuerung in den Kontext der politischen Entwicklungen stellt: »Nun ist dieser 1000 jährige Rummel endlich vorbei und man kann wenigstens wieder arbeiten wie man will. […] Mein Dresdner Atelier ist wie durch ein Wunder verschont geblieben[,] auch meine Bilder, allerdings sind viele Arbeiten in Privatbesitz vernichtet worden. […] Der Stil meiner Arbeiten ist seit 1942 ein freierer[,] weniger Details[,] stärkere Farben.«460 Die von Ulrike Lorenz als »veristischer Neoexpressionismus« bezeichneten expressionistischen Figurationen, die Dix’ Werk seit 1944 prägten, bringen den zeitpolitischen und auch persönlichen Umbruch des Malers auf künstlerisch-gestalterische Weise zum Ausdruck.461 Mit grobem Duktus und modifiziertem Sujet hin zu vornehmlich christlichen Darstellungen mit zeitpolitischen Bezügen wendete sich Dix einerseits von seinen an Alten Meistern orientierten technischen Gestaltungsweisen ab. Andererseits erhielt das offensiv gesellschaftskritische Moment anhand von Menschendarstellungen wieder Einzug in Dix’ Repertoire. Diese Entwicklung setzte in der späten Kriegszeit ein, wodurch zugleich eine politische Umbruchphase markiert ist. Die Zäsur manifestiert sich in Gründen wie der Kriegsgefangenschaft des Malers, der Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und damit dem Ende der Diktatur, in der eingesetzten Militärregierung und damit einhergehend in einem abermaligen politischen Systemwechsel. Dix war bereits als Reserveoffizier im Ersten Weltkrieg, hatte das Ende der konstitutionellen Monarchie und das Aufkommen und Abklingen der parlamentarisch-demokratischen Republik miterlebt. Er hatte aktiv am kulturellen Leben der Weimarer Zeit teilgehabt und anschließend die Zeit des Nationalsozialismus unter widrigen Umständen in Deutschland erlebt, ehe er zum Volkssturm eingezogen worden war und in Kriegsgefangenschaft kam. Dabei markierten das Ende der Diktatur und die eingesetzte militärische Übergangsregierung den Status Quo nach drei politisch-systemischen Umbrüchen und zwei überlebten Weltkriegen. Erneut zeigen die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten konkrete zeit- und gesellschaftsreflexive Bezüge wie eindrücklich am Beispiel des »Altars der Gefan­ genen« und damit der madonna vor stacheldraht und trümmern mit paulus und petrus deutlich wird. Motive wie der Stacheldraht, die Trümmer und die Landschaft bilden das Verhältnis von Dix’ künstlerischem Wirkungsprozess zu den politischen Einflüssen ab. Inwiefern die neue Motivik in dieser Phase ein Konglomerat der bisher aufgezeigten Sujets abbildet, ist ebenso Gegenstand der nachfolgenden Werkanalyse wie das Aufzeigen der novellierten technischen und stilistischen

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Repertoires. Da dieser Umbruch jedoch das Ende der altmeisterlichen Lasurtechnik bedeutete und das erneuerte christlich-gesellschaftsreflexive Motivrepertoire die Landschaft als Protagonistin und Hauptgattung in Dix’ Œuvre ablöste, ist die weiterführende Betrachtung des Werks der Nachkriegszeit für die vorliegende Arbeit weniger zielführend. Der zeitliche Kontext und die erneuerte künstlerische Ausdrucksweise markieren Dix’ Abschluss respektive Abwendung von seiner Malerei zur Zeit des Nationalsozialismus. Daher wird im Kontext der Erkenntnisse aus der vorherigen Zeitspanne 1933 bis 1944 ein kunsthistorischer Ausblick ausgehend von der unmittelbaren Nachkriegszeit angestellt.

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Gustav Friedrich Hartlaub: Trifft den Staat die Schuld?, in: Deutsche Zukunft (1934), zitiert in: Das Werk. Architektur, Freie Kunst, Angewandte Kunst, 11/1934, S. 348–349. Das Manuskript ist enthalten in: Getty Research Institute (gri), Special Collections, Hans Eckstein Correspondence Manuscript Lectures, 3ms 910156 Box 3 ii.3. 9. In der Schweizer Zeitschrift Das Werk wurde dieser Auszug des von Gustav Friedrich Hartlaub verfassten Artikels aus der Wochenzeitung Deutsche Zukunft veröffentlich und besprochen, in dem sich der ehemalige Museumsdirektor der Mannheimer Kunsthalle kritisch mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik auseinandersetzt. Am 22. September 1933 wurde die Reichskulturkammer gegründet. Diese war in sechs Einzelkammern gegliedert, darunter die Reichskammer der bildenden Künste. Zu Organisationsstruktur der rdbk vgl. u.a. Nina Kubowitsch: Nicht freiwilliger Entschluss, sondern gesetzlicher Zwang. Die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste, in: Tiedemann 2016, S. 69–81. Vgl. Briefliche Bestätigung von der Landesverwaltung Sachsen, Leiter der Volksbildung, Staatssekretär Gute, an Otto Dix, ohne Ort, 1. November 1946, dka, nl Dix, Otto, I,B-33; Lebenslauf von Otto Dix, 6. März 1950, dka, nl Dix, Otto, ib mg-7a.

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Zeitungsartikel, anonym, ohne Titel, ohne Datum, in: dka, nl Dix, Otto, I,B-7a. Es handelt sich um das Gemälde Mädchen vor dem Spiegel von 1921 (L 1921/8).

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Vgl. ibid.; Peters 2013, S. 71; Löffler 1981, S. 21; dieser Sachverhalt wurde bereits erläutert in: Jessen 2017, S. 333–338; Jessen 2016, S. 147–148.

entlassen werden. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. Von dieser Zeit an erhalten sie drei Viertel des Ruhegeldes (§ 8) und entsprechende Hinterbliebenenversorgung.« Zit. nach: Ingo von Münch (Hrsg.): Gesetze des ns -Staates. Dokumente eines Unrechtssystems, Paderborn et. al. 1982, S. 31; beglaubigte Abschrift im gnm, dka, nl Dix, Otto, I, B 32-33; vgl. Archiv der hfbk, Dresden, Dix Nr. 55, in: Lorenz 2013, S. 866; zur Räumung des Ateliers: »Sie werden gebeten, das Ihnen in der Akademie zur Verfügung getellte Atelier bis spätestens Donnerstag, den 27. des Monats zu räumen. / Akademie der Bildenden Künste«, zit. nach: Archiv der hfbk, Dresden, Dix Nr. 55, in: ibid. 9

Brief vom Sächsischen Ministerium für Volksbildung, i.A. gez. Michael, Dresden, an Otto Dix, 8. Mai 1933, dka, nl Dix, Otto, I,B 32.

10 Killinger 1933, dka. Siehe auch Nürnberg 1977, S.  71; vgl. Löffler 1981, S. 44; Ehrke-Rotermund 1994, S. 128 f.; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 71. 11 Vgl. Müller 1933-2, dka; Lührig 1933, dka. 12 Lührig 1933, dka; zur Neuberufung vgl. Brief von Otto Dix an Martha Dix, ohne Datum [1934], Otto Dix Archiv, 1934–1–b: »Sie haben jetzt einen Mann berufen[,] der Philologie studiert hat[.] Vorträge über Rattenvergiftung hält und nebenbei malt – nach Fotografie meistens in der Art von Caspar David Friedrich[.] Er heißt Krampft[,] Nomen est Omen[.] Das freut einen denn ja auch! Natürlich ist der Mann Amtswalter mit drei Sternchen am Kragen.« 13 Lührig 1933, dka. 14 Vgl. Lorenz 2013, S. 942 ff.

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Vgl. Vertrag zum Anstellungsverhältnis an der Akademie der Künste, Dresden, zwischen dem Ministerium des Innern und Otto Dix, 26. Januar 1931, dka, nl Dix, I,B-32. Vgl. Müller 1933-1, dka. Zum Dienstantritt vgl. Telegramm von Otto Dix an die Akademie der Bildenden Künste Dresden, 26. April 1927, hfbk, Archiv, Briefe Dix, Nr. 23, in: Lorenz 2013, S. 860. Vgl. Brief von Richard Müller an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste, 21. April 1933, dka, nl Dix, I,B-32; Brief von Georg Lührig an die Akademie der Künste, 3. Mai 1933, dka, nl Dix, I,B-32; Peters 2013, S. 180; Vgl. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, Reichsgesetzblatt I, S. 157 (Auszug): »§ 4. Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst

15 Vgl. Löffler 1981, S. 45. 16 Vgl. Ina Jessen: Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«, Typoskript, Masterarbeit Universität Hamburg, 2013, S. 95; Karlsruhe 1986, S. 71. 17 Zahlreiche Darstellungen zu Veteranen, dem Rotlicht- und Arbeitermilieu und weiteren sozialen Themen verweisen auf die Auseinandersetzung mit zeitbezogenen gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Vgl. zu Dix’ motivischer Auseinandersetzung mit dem Krieg und den Folgen im zeitpolitischen Kontext der Weimarer Republik die Kapitel »Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration« sowie »Das Schlachtfeld als politische Landschaft. Zum Gemälde Flandern (1934–1936)« im vorliegenden Band.

170 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

18 Brief von L. W. Gutbier, Galerie Ernst Arnold, Dresden, an Otto Dix, Dresden, 22. April 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-58. 19 Ibid. 20 Vgl. Brief von Otto Dix an die Preußische Akademie der Künste, 17. Mai 1933, Otto Dix Archiv, 1933–5– 17; Gesa Jeuthe: Kunstwerte im Wandel. Die Preisentwicklung der deutschen Moderne im nationalen und internationalen Kunstmarkt 1925 bis 1955, Berlin 2011 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 7), S. 258. Die Verfasserin führt den 7. Mai als Austrittsdatum an, tatsächlich erfolgte der Austritt am 17. Mai 1933; Löffler 1981, S. 34 u. S. 44. 21 Brief von Otto Dix an die Preußische Akademie der Künste, 12. April 1933, Otto Dix Archiv, 1933-4-12. 22 Vgl. Wolfradt 1924, S. 12 ff. Der Sachverhalt ist dargelegt im Kapitel »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit« im vorliegenden Band. 23 Vgl. Jeuthe 2011, S. 258; Löffler 1981, S. 34 u. S. 44. Es handelte sich um das Gemälde Der Krieg (Löffler 1981, 1932/2). 24 Killinger 1933, dka. Ebenfalls betroffen war das Radierwerk Der Krieg von 1924, das im Verlag der Galerie Nierendorf publiziert wurde. Es ist vollständig abgebildet in: Otto Dix retrospektiv. Zum 120. Geburtstag, Ausstellungskatalog, Kunstsammlung Gera 2011. Außerdem betroffen war das Gemälde Schützengraben von 1923 (L1923/2). 25 Brief von Max von Schillings, Präsident der RdbK, an Otto Dix und andere, 15. März 1933, transkribiert in: 1936 verbotene Bilder, hrsg. v. Deutschen Künstlerbund, 34. Jahresausstellung, Bonn 1986, S. 100. 26 Vgl. Dix 1933-2, dka; Brief von Karl Schmidt-Rottluff an die Preußische Akademie der Künste, 18. Mai 1933, transkribiert in: Bonn 1986, S. 100. Eine abermalige Austrittsaufforderung erfolgte 1937, woraufhin Ernst Barlach (11. Juli 1937) und Christian Rohlfs (14. August 1937) austraten und E. L. Kirchner (12. Juli 1937) die Entscheidung an die Preußische Akademie der Künste übergab, die ihm am 24. Juli 1937 den Ausschluss mitteilte.

30 Vgl. Mitgliedsbuch der Reichskulturkammer von 1934 (Mitgliedsnummer M 9023), dka, nl Dix, I, B-29; Kubowitsch 2016, S. 75 f., hier zitiert nach: Anonym: Was jeder Künstler wissen muß!, in: Die Kunstkammer 1/1935, S. 22. 31 Zu den Grundlagen des Aufnahmeverfahrens vgl. ibid. 32 Vgl. Postkarte von Otto Dix an Franz Lenk, 10. Juli 1934, Privatarchiv Berlin, in: Lorenz 2013, S. 480; Brief vom Präsidenten der RdbK (gez. Hoffmann) an Bernhard Kretschmar, 4. August 1934, dka, nl Dix, I, B-32. 33 Ibid. 34 Aus den konsultierten Archiv- und Recherchematerialien konnte nicht ermittelt werden, um welche Ausstellung es sich hier handelt. 35 Brief von Franz Lenk an Otto Dix, ohne Datum, dka, nl Dix, I, C 456. Lenk war zwischen 1933 bis 1936 Präsidialrat der rdbk sowie 1933–1937 Professor an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin-Schöneberg. Diese verließ Lenk »aus Protest gegen die Politisierung der Kunst gegen die Verfolgung von Kollegen«. Vgl. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a. M. 2007, S. 361, s. v. »Lenk«; Lorenz 2013, S. 988 f. 36 Postkarte von Otto Dix an Franz Lenk, 10. Juli 1934, dka, nl Lenk, in: Lorenz 2013, S. 480. 37 Vgl. Reichskulturkammer 1934, dka; zur künstlerischen Produktivität siehe die sukzessive ansteigenden Werkentstehungszahlen während der ns-Zeit, in: »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band. 38 Die Diskrepanz hinsichtlich der Datierung des Mitgliedsbuches und Dix’ Bemerkung im Juli 1934, nicht in die RdbK aufgenommen worden zu sein, kann mittels der konsultierten Quellen und Archivressourcen nicht erklärt werden. 39 Hans Hinkel (Hrsg.): Handbuch der Reichskulturkammer, Berlin 1937, S. 47. 40 Vgl. ibid.

27 Dix 1933-2, dka; vgl. auch: Adk, Berlin, Historisches Archiv, PrAdk 1102, Bl. 71, in: Lorenz 2013, S. 867. 28 Vgl. Dix 1933-2, dka; Jeuthe 2011, S. 258; Löffler 1981, S. 34 u. S. 44. 29 Vgl. Kubowitsch 2016.

41 Vgl. Killinger 1933, dka. Siehe auch Nürnberg 1977, S.  71; vgl. Löffler 1981, S. 44; Ehrke-Rotermund 1994, S. 128 f.; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 71; vgl. Hinkel 1937, S. 47.

Anmerkungen _ 171

42 Vermutlich handelt es sich um das Gemälde Arbeiterjunge von 1920 (L 1920/19). Vgl. Zuschlag 1995, S. 58–69, insbesondere S. 62 ff.; Verzeichnis der Ausstellung Kulturbolschewistische Bilder in der Städtischen Kunsthalle Mannheim, in: ibid., S. 60. 43 Zuschlag 1995, S. 59. 44 Ibid., S. 63. 45 Ibid., S. 63 f. 46 Vgl. ibid., S. 63.

60 Vgl. Gemälde und Plastiken Moderner Meister aus Deutschen Museen, Auktionskatalog, Galerie Fischer, Luzern, 30. Juni 1939, Nr. 36, S. 20; Preisberichte Galerie Fischer Lucern, 30. Juni 1939, Moderne Meister, in: Weltkunst 13/1939, S. 9, Sp. 1; Zuschlag 1995, S. 90 u. S. 261; »Entartete Kunst«. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland (hrsg. v. Stephanie Barron), Ausstellungskatalog, Los Angeles County Museum of Art, International Gallery, Smithsonian Institution, Washington D.C. u. Altes Museum, Berlin 1991/1992, S. 154. 61 Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018).

47 Vgl. ibid., S. 70. 48 Vgl. Verzeichnis der Leihgaben der Städtischen Kunsthalle Mannheim aus der Ausstellung Kulturbolschewistische Bilder des Kunstvereins München, als Reproduktion abgebildet in: ibid., S. 71. 49 Vgl. ibid., S. 73.

62 Vgl. Lothar Fischer: Otto Dix. Ein Malerleben in Deutschland, Berlin 1981, S. 63; Zuschlag 1995, S. 90. Rainer Pfefferkorn und Anne Vieth gilt mein Dank für die Auskunft zu den aktuellen Besitzverhältnissen des Gemäldes. 63 Vgl. Völkischer Beobachter, Münchener Ausgabe, 29./30. April 1933, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 91.

50 Vgl. ibid., S. 76. 64 Der Ausstellungstitel rekurriert auf ein Zitat Adolf Hitlers aus seiner Rede zur Eröffnung des Reichstags am 21. März 1933, in der es hieß: »Wir wollen eine Kunst, die aus unserer Seele kommt.« Zit. nach Zuschlag 1995, S. 96.

51 Ibid., S. 83. 52 Vgl. ibid., S. 80. 53 Vgl. ibid., S. 58–155. Dix’ Einbindung in die Femeschauen wird im Kapitelverlauf chronologisch dargelegt.

65 Vgl. ibid., S. 93 ff.

54 Unbekannt: Wie Nürnbergs Kunstschätze vermoderten, 8. April 1933, 8 Uhr-Blatt, zit. nach ibid., S. 88.

66 Vgl. ibid., S. 97. Zwar ist keine Dokumentation der Objekte greifbar, allerdings verweist Wilhelm Rüdigers abschätzige Kritik an Dix darauf, dass Arbeiten von ihm auch Teil der Chemnitzer Schau waren.

55 Vgl. ibid., S. 88. 67 Vgl. ibid., S. 95 u. S. 98. 56 Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg 1933/1934, S. 71, zit. nach ibid., S. 89.

für

57 Unbekannt, unbekannter Titel, Nürnberger Zeitung, 19. April 1933, zit. nach ibid., S. 90.

68 Vgl. Weihnachtsausstellung 1940, Ausstellungskatalog, Galerie Gerstenberger, Chemnitz 1940, Privatbesitz Berlin. Gedankt sei Ulrike Saß für den Hinweis auf die Chemnitzer Ausstellung.

58 Vgl. »Entartete« Kunst: digital reproduction of a typescript inventory prepared by the Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, ca. 1941/42, Vol. 2/2, (V&A nal msl/1996/7) Victoria and Albert Museum, London 2014, http://www.vam. ac.uk/entartetekunst (Aufruf: 18. Mai 2018).

69 Vgl. Zuschlag 1995, S. 102.

59 Korrespondenz zwischen dem für das Volksministerium für Voksaufklärung und Propaganda tätigen Funktionär Rolf Hetsch (1903–1946) und der Ausstellungsleitung (Deutschen Arbeiterfront – ns Gemeinschaft »Kraft durch Freude«), Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Bundesarchiv: Abteilungen Potsdam, 50.01-743, Bl. 84, 86, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 213.

72 Vgl. ibid., S. 104.

70 Ibid., S. 103. 71 Schwäbischer Merkur, 14. Juni 1933, zit. nach Zu­ schlag 1995, S. 103.

73 Vgl. Verzeichnis der Leihgaben der Staatsgalerie Stuttgart aus der Ausstellung »Novembergeist – Kunst im Dienste der Zersetzung« an das Städtische Museum Bielefeld, 29. Juli 1933 (Akten des ehemaligen Städtischen Kunsthauses), in: ibid., S. 101 u. S. 108.

172 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

74 Württembergischen Staatsanzeiger, 22. Juni 1933, zit. nach: ibid., S. 103. 75 Jeanpaul Goergen: »Für immer den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen«. Vor 50 Jahren. Beginn der Aktion »Entartete Kunst«, in: Das Parlament 36, 49/1986, S. 15, zit. nach Zuschlag 1995, S. 218. 76 Elke Fröhlich: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, Teil 1, Bd. 3, 1. Januar 1937 bis 31. Dezember 1939, München et al. 1987, S. 631. Vgl. auch: Zuschlag 1995, S. 218. 77 Anderas Hüneke: Funktionen der Station ›Entartete Kunst‹, in: Berlin 1988, S. 43–52, S. 46; vgl. auch: Zuschlag 1995, S. 242. 78 Vgl. Zuschlag 1995, S. 169. Zu den Kriegsvorbereitungen vgl.: Reinhard Kühnl: Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, Köln 2000, S. 276 f.

(L 1920/8), Sonnenaufgang von 1913 (L 1913/25), Matrose u. Dirne (unbekannt), Streichholzhändler von 1927 (L 1927/11), Kriegskrüppel (unbekannt), Sappenkopf (unbekannt). 87 Vgl. ibid., S. 123. 88 Vgl. Verzeichnis der Exponate der Dresdner Ausstellung Entartete Kunst aus dem Besitz des Stadtmuseums Dresden (Stadtmuseum Dresden), abgebildet in: Zuschlag 1995, S. 124 u. S. 128. 89 Vgl. Karlsruhe 1986, S. 40 ff.; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 73. 90 Brief von Oskar Schlemmer an Otto Dix, 3. Februar 1936, Staatsgalerie Stuttgart, Oskar Schlemmer Archiv, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 155 f. 91 Anonym: Otto Dix – »genesen«?, in: Das Schwarze Korps, 26. Juni 1935, S. 12, dka, nl Dix, I,B, mg-7a, 1950.

79 Vgl. Zuschlag 1995, S. 169 ff., besonders S. 171. 80 In dem angeführten Auszug der Erinnerungen Heinrich Theodor Muspers (1895–1976) von 1945 wird zudem auf Baudissins Interesse und Kenntnis über die Kriegsmotivation des ns-Regimes Bezug genommen, wodurch dessen Profilierungsmotivation im Sinne seiner Parteizugehörigkeit in der nsdap zutage tritt. Vgl. hierzu: Zuschlag 1995, S. 104 f. 81 Verzeichnis der Leihgaben der Staatsgalerie Stuttgart aus der Ausstellung »Novembergeist – Kunst im Dienste der Zersetzung« an das Städtische Museum Bielefeld, 29. Juli 1933 (Akten des ehemaligen Städtischen Kunsthauses), in: Zuschlag 1995, S. 108. 82 Unbekannt: Presseerklärung, 18. März 1933, Westfälische Zeitung, Westfälische Neueste Nachrichten, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 108. 83 Vgl. ibid., S. 338 f. 84 Unbekannt: unbekannter Titel, Ulmer Tageblatt, 17. August 1933, zit. nach: ibid., S. 120. 85 Vgl. ibid., S. 128. 86 Die Ausstellung wurde in den Folgejahren auch in Hagen (1934), Nürnberg (1935), Dortmund (1935), Regensburg (1936), München (1936), Ingolstadt (1936), Darmstadt (1936), Frankfurt am Main (1936), Mainz (1936), Koblenz (1937), Worms (1937) und Wiesbaden (1937) gezeigt. Vgl. Zuschlag 1995, S. 123–156, insbesondere S. 138 f., wo unter anderem eine Liste der in Dresden ausgestellten Werke abgebildet ist. Von Otto Dix wurden demnach gezeigt: Der Krieg von 1932 (L 1932/2), Kriegskrüppel von 1920

92 Vgl. Lexikon Nationalsozialismus. Begriffe, Organisationen und Institutionen, hrsg. v. Hilde Kammer u. Elisabeth Bartsch, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 48, s. v. »Blut und Boden«. 93 Vgl. Zuschlag 1995, S. 156. 94 Verzeichnis der Exponate der Dresdner Femeschau Entartete Kunst aus dem Besitz des Stadtmuseums Dresden (Stadtmuseum Dresden), abgebildet in: Zuschlag 1995, S. 124 f. Zu den Werken: Der Krieg / Schützengraben von 1920–1923 (L 1923/2); Kriegskrüppel (mit Selbstbildnis) von 1920, (L 1920/8); Sonnenuntergang / Untergehende Sonne über Winterlandschaft von 1913 (L 1913/25); Matrose u. Dirne von 1920 (Karsch 1970/13); Streichholzhändler von 1920 (Karsch 1970/11I oder 11ii); Kriegskrüppel von 1920 (Karsch 1970/6); Sappenkopf von 1924 (1924, unklar, um welches Blatt aus der Radiermappe Der Krieg es sich handelt). 95 Vgl. Verzeichnis der Exponate der Dresdner Ausstellung Entartete Kunst aus dem Besitz des Stadtmuseums Dresden, abgebildet in: Zuschlag 1995, S. 125. 96 Vgl. ibid., S. 130. 97 Vgl. Hans Grundig: Zwischen Karneval und Aschermittwoch. Erinnerungen eines Malers, Berlin 1986, S. 229. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass unter anderem Arbeiten von Richard Müller anstelle der abgehängten, als »entartet« deklarierten Werke in den Räumlichkeiten der Dresdner Gemäldegalerie platziert wurden. Vgl. hierzu: Zuschlag 1995, S. 127 f.

Anmerkungen _ 173



Zur Konfliktsituation zwischen Dix und Richard Müller schrieb Ernst Bursche an Dix: »Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass Ihnen die Nachricht vom Sturze dieses Mannes wenigstens eine kleine Genugtuung geben wird. Ehe dieser Mann abtreten musste, fand er es noch für notwendig, sich durch eine besondere Tat auszuzeichnen, indem er noch einmal eine Ausstellung ›Entartete Kunst‹ aufzog. Ich kann Ihnen versichern, dass sich sehr viele gefreut haben, noch einmal Ihre Bilder sehen zu können – und dass es in Fach- und anderen Kreisen in der Wertschätzung Ihrer künstlerischen Persönlichkeit das Gegenteil von dem hervorgerufen hat, was betreffender Herr [Richard Müller] damit erreichen wollte […].« Brief von Ernst Bursche an Otto Dix, 10. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I C 66.

98 Deutscher Kunstbericht 7, 1933, Folge 77 (gla 235/40090), abgebildet in: Zuschlag 1995, S. 131. 99 Brief des Rates der Landeshauptstadt Dresden (Werner) an Otto Dix, 1. September 1933, dka, nl Dix, Otto, I,B 32. 100 Kammer 1999, S. 49, s. v. »Blut und Boden«. 101 Richard Müller: ohne Titel, Dresdner Anzeiger, 23. September 1933, zit. nach: Zuschlag 1955, S. 129 f. 102 Artikel zur Ausstellung Entartete Kunst, Dresden 1935, Kölnische Illustrierte Zeitung, 17. August 1935, Stuttgart, abgebildet in: Zuschlag 1995, Abb. 12 a–b.

Liebermann, Franz Marc, Gerhard Marcks, Edvard Munch, Emil Nolde, Max Pechstein, Christian Rohlfs, Karl Schmidt-Rottluff. Vgl. ibid., S. 163. 112 Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018). Unter dem Titel Straßendirne ist keine eindeutige Werkzuschreibung des benannten Aquarells möglich. 113 Bergfeld: Die Expressionisten ausgesondert. Neuordnung des Moritzmuseums in Halle. Erste Ausstellung wertvoller Werke von zeitgenössischen Künstlern, in: Mitteldeutsche Nationalzeitung, 27. November 1935, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 164. 114 Vgl. ibid., S. 165; Andreas Hüneke: Die faschistische Aktion »Entartete Kunst« 1937 in Halle, Halle 1988 (Schriftenreihe zur Geschichte der Staatlichen Galerie Moritzburg, Bd. 1), S. 12. Der Besuch Willrichs fand im Rahmen seines Auftrags zur Gestaltung eines Schaufensters mit »entarteter« Kunst statt, das im Zuge der Ausstellung Gebt mir vier Jahre Zeit als Negativ-Pendant zur gewollten Kunst dienen sollte. Wolfgang Willrich und Walter Hansen besuchten mehrere deutsche Städte und Sammlungen (unter anderem Kupferstichkabinett und Neue Abteilung der Nationalgalerie in Berlin, Stadtmuseum und Staatliches Kupferstichkabinett Dresden), um Originale für diese Aktion zu beschaffen. Die Idee ging auf das Ministerium für Propaganda und Volksaufklärung unter Joseph Goebbels zurück. Vgl. hierzu Zuschlag 1995, S. 174. 115 Vgl. ibid., S. 144 ff.

103 Vgl. ibid. 116 Vgl. ibid., S. 146 f. 104 Diether Schmidt (Hrsg.): In letzter Stunde (1933– 1945), Dresden 1964 (Schriften deutscher Künstler des 20. Jahrhunderts, Bd. 2), S. 219. 105 Vgl. Zuschlag 1995, S. 134.

117 Artikel zur Ausstellung Entartete Kunst, Nürnberg 1935; Fränkische Tageszeitung, 7. September 1935 (ba  zsg 117/303), abgebildet in: Zuschlag 1995, Abb. 13; Nassauer Volksblatt vom 25. März 1937, zit. nach: ibid., S. 155.

106 Vgl. ibid., S. 131–132. 118 Vgl. ibid., S. 149 ff. 107 Vgl. ibid., S. 136; Verzeichnis der Dresdner Wanderausstellung Entartete Kunst, abgebildet in: ibid., S. 138 f.

119 Vgl. ibid., S. 153. 120 Vgl. ibid., S. 154.

108 Unbekannt: ohne Titel, in: Fränkische Tageszeitung, 14. September 1935, zit. nach: ibid., S. 135. 109 Vgl. Zuschlag 1995, S. 136 u. S. 141.

121 https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/ projekte/entartete_kunst/dossier/index.html (Aufruf: 3. April 2019).

110 Vgl. ibid., S. 144.

122 Vgl. Zuschlag 1995, S. 177.

111 Ferner waren betroffen: Max Beckmann, Lyonel Feininger, Haller, Erich Heckel, Karl Hofer, Ernst Ludwig Kirchner, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Wilhelm Lehmbruck, El Lissitzky, Max

123 Wolfgang Willrich: Säuberung des Kunsttempels. Eine kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste nordischer Art, München u. Berlin, 2. Aufl. 1938, S. 19.

174 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

124 Ibid., S. 18 u. S. 25.

131 Vgl. Zuschlag 1995, S. 169 ff.

125 Ibid.

132 Vgl. ibid., S. 209.

126 Zu Personen im ns-Kunsthandel, autorisierten Kunsthändlern und den politischen Rahmenbedingungen zum Handel unter anderem mit »entarteter Kunst« und verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern siehe unter anderem: Bestandsaufnahme Gurlitt (hrsg. v. Andrea Baresel-Brand et al.), Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Bern u. Bundeskunsthalle Bonn, München 2017; Tiedemann 2016; Meike Hoffmann u. Nicola Kuhn: Hitlers Kunsthändler. Hildebrand Gurlitt 1895–1956. Die Biographie, München 2016; Anja Tiedemann: Die »entartete« Moderne und ihr amerikanischer Markt. Karl Buchholz und Curt Valentin als Händler verfemter Kunst, Berlin 2013 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 8); Katrin Engelhardt: Ferdinand Möller und seine Galerie. Ein Kunsthändler in Zeiten historischer Umbrüche, Hamburg 2013; Jeuthe 2011; Maike Steinkamp u. Ute Haug (Hrsg.): Werke und Werte. Kunsthandel, Sammlungen und Museen im Nationalsozialismus, Berlin 2010 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 5); Meike Hoffmann: Ein Händler »entarteter Kunst«. Bernhard A. Böhmer und sein Nachlass, Berlin 2010 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 3).

133 Vgl. Los Angeles 1991, S. 224–230; zur Anzahl der von Dix beschlagnahmten Arbeiten vgl. auch: Schubert 2014, S. 115.

127 Dies zeigt sich in der Auktion der Galerie Fischer in Luzern 1939. Vgl. hierzu: Stefan Frey: Die Auktion der Galerie Fischer in Luzern am 30. Juni 1939 – ein Ausverkauf der Moderne?, in: Eugen Blume u. Dieter Scholz (Hrsg.): Überbrückt. Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus. Kunsthistoriker und Künstler 1925–1927, Köln 1999, S. 275–290; zur Luzerner Auktion vgl. auch Gesa Jeuthe: Die Moderne unter dem Hammer. Zur »Verwertung« der »entarteten« Kunst durch die Luzerner Galerie Fischer 1939, in: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus, Berlin 2007 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 1), S. 189–305. 128 Willrich 1938, S. 39. 129 Die erste Beschlagnahmewelle fand vom 4. bis 14. Juli 1937 statt, die zweite Beschlagnahmung wurde Anfang August eingeleitet. Vgl. Zuschlag 1995, S. 178 f. u. S. 205 f. 130 Vgl. Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938, Reichsgesetzblatt I, S. 612, zit. nach: Ingo von Münch (Hrsg.): Gesetze des ns -Staates. Dokumente eines Unrechtssystems, Paderborn et. al. 1982, S. 183 f.; vgl. auch Zuschlag 1995, S. 211, Dok. 30, S. 207, nach: Reichsgesetzblatt 1938. Teil 1, Nr. 88, S. 611 f.

134 Bei den beiden zuletzt genannten Personen handelt es sich um die von Rust eingesetzten Beobachter Adolf Ziegler (Professor an der Münchner Kunstakademie), Otto Kummer (Personalreferent im Reichserziehungsministerium), Klaus Graf von Baudissin (Direktor des Essener Folkwang-Museums), Wolfgang Willrich (Maler und Kunstschriftsteller) und Hans Herbert Schweitzer (Grafiker und Karikaturist sowie von Hitler ernannter »Zeichner der Bewegung«). Vgl. Zuschlag 1995, S. 178. 135 Vgl. ibid., S. 178 f. Der Autor führt folgende Städte auf: Hamburg, Bremen, Hannover, Wuppertal-­ Barmen, Hagen in Westfalen, Essen, Krefeld, Düsseldorf, Köln, Frankfurt a. M., Berlin, Mannheim, Karlsruhe, München, Stuttgart, Magdeburg, Halle, Breslau, Lübeck u. Kiel. 136 Vgl. ibid., S. 180. 137 Willrich 1938, S. 3. 138 Heinrich Hoffmann (Fotograf), Franz Hofmann (Direktor der Städtischen Galerie München, Abteilungsleiter in Goebbels Ministerium), Emil Stahl (Nürnberger Museumsdirektor, Landeleiter Reichskammer der bildenden Künste), Gustav Adolf Engelhardt (Maler), Guido Joseph Kern (Maler) und Carl Meder (Kunsthändler, Referent der RdbK). Vgl. Zuschlag 1995, S. 207. 139 Im Folgenden sind die Sammlungen inklusive der Anzahl der dort beschlagnahmten Arbeiten von Otto Dix aufgeführt (die Sammlungsbezeichnungen gehen auf das Beschlagnahmeinventar »Entartete« Kunst zurück): Berlin: Kupferstichkabinett (19), Nationalgalerie (11); Bielefeld: Städtische Kunsthalle (2); Breslau: Schlesisches Museum (9); Chemnitz: Städtische Kunstsammlungen (17); Dresden: Kupferstichkabinett (7), Staatliche Gemäldegalerie (3), Stadtmuseum (19); Düsseldorf: Kunstsammlungen der Stadt (6); Erfurt: Museen der Stadt Erfurt (5); Essen: Folkwangmuseum (1); Frankfurt am Main: Städtische Galerie und Städelsches Kunstinstitut (13); Freiburg im Breisgau (ohne Sammlungsangabe; 1); Gera (ohne Sammlungsangabe; 5); Greifswald: Universitätssammlung (1); Hagen: Städtisches Museum (1); Halle: Moritzburg Museum (2); Hamburg: Kunsthalle (3), Kunstgewerbemuseum (2); Hannover: LandesMuseum (2); Kaiserslautern: Gewerbemuseum (2); Karlsruhe: Staatliche Kunsthalle (2); Köln: Wallraf-

Anmerkungen _ 175

Richartz-Museum: (9); Königsberg (Kaliningrad): Städtische Kunstsammlung (7); Leipzig: Museum der bildenden Künste (5); Lübeck: Museum Behnhaus (6); Mainz: Städtisches Museum (3); Mannheim: Kunsthalle (7); Nürnberg: Städtische Galerie (2); Rostock: Städtisches Museum (1); Saarbrücken: Staatliches Museum (4); Stuttgart: Staatliche Galerie (57); Ulm: Stadtmuseum (1); Weimar: Staatliche Kunstsammlungen (4); Wiesbaden: Landes-Museum (12); Wuppertal-Elberfeld: Städtische Bildergalerie (2). Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018). 140 Zur Nietzsche-Plastik geht aus dem Inventar hervor: »Fischer – Ehemaliger Kommissionsbestand in Verwahrung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda«, ibid. Zum aktuellen Status der Büste als verschollen siehe: http://www.otto-dix.de/ werk/b_fruehwerk/d_plastik/view (Aufruf: 27. Juli 2021). 141 Vgl. Zuschlag 1995, S. 180 u. S. 190. 142 Rede von Adolf Ziegler zur Eröffnung der Femeschau Entartete Kunst, 19. Juli 1937, zit. nach ibid., S. 189; Die »Kunststadt« München. Nationalsozialismus und »Entartete Kunst«, Ausstellungskatalog, München 1987, S. 217. 143 Vgl. Zuschlag 1995, S. 73–77.

kampf im Sinne des Bolschewismus auf. Der schaffende Mensch soll durch eine grob tendenziöse Proletkunst gestärkt werden in der Überzeugung, daß er so lange ein in geistigen Ketten schmachtender Sklave bleiben wird, bis auch der letzte Besitzende, der letzte Nichtproletarier von der erhofften bolschewistischen Revolution beseitigt sein wird.« Ibid., S. 10 u. S. 14. »Gruppe 4. Auch diese Abteilung hat eine ausgeprägte politische Tendenz. Hier tritt die ›Kunst‹ in den Dienst der marxistischen Propaganda für die Wehrpflichtverweigerung. Die Absicht tritt klar zutage: Der Beschauer soll im Soldaten den Mörder oder das sinnlose Schlachtopfer einer im Sinn des bolschewistischen Klassenkampfes ›kapitalistischen Weltordnung‹ erblicken. Vor allem aber soll dem Volk die tief eingewurzelte Achtung vor jeder soldatischen Tugend, vor Mut, Tapferkeit und Einsatzbereitschaft ausgetrieben werden. So sehen wir in den Zeichnungen dieser Abteilung neben bewußt Abscheu erregenden Zerrbildern von Kriegskrüppeln und den mit aller Rafinesse ausgemalten Einblicken in Massengräber die deutschen Soldaten als Trottel, gemeine erotische Wüstlinge und Säufer dargestellt. Daß nicht nur Juden, sondern auch deutschblütige ›Künstler‹ mit solch niederträchtigen Machwerken die feindliche Kriegsgreuelpropaganda, die damals schon als Lügengewebe entlarvt war, nachträglich auf diese Weise unaufgefordert erneut bestätigen, wird für immer ein Schandfleck der deutschen Kulturgeschichte bleiben.« Ibid., S. 12 ff.

144 Vgl. ibid., S. 75.

151 Vgl. Zuschlag 1995, S. 200.

145 Ibid., S. 74.

152 Vgl. ibid., S. 202.

146 Vgl. ibid., S. 75. Hier wird angeführt, dass Müller maßgeblich an der »Vernichtung unwerten Lebens« beteiligt war und bereits in der Schreckensausstellung seine »mörderische Konsequenz« zum Ausdruck kam.

153 Ibid. Aus den durch Walter Hansen dokumentierten Besucherzahlen ergibt sich ein durchschnittlicher Besucherandrang von 1.023.040 Personen, weshalb es im November 1937 zu einer Verlängerung der Femeschau kam.

147 Vgl. ibid., S. 201. 148 Willrich selbst schrieb in einem Lebenslauf: »Verantwortlicher Fachberater bei der Ausstellung ›Entartete Kunst‹ infolge langjähriger Vorarbeit für die ›Säuberung des Kunsttempels‹.« Auszug aus dem handschriftlichen Lebenslauf von Wolfgang Willrich (bdc, pa Willrich im Best. RbK), zit. nach ibid., S. 182, Dok. 75, S. 384. 149 Vgl. Führer durch die Ausstellung Entartete Kunst (hrsg. v. Fritz Kaiser), Ausstellungskatalog, Haus der Kunst München, 1937. – Nachdruck [d. Ausg.] München u. Berlin 1937, Köln 1988, S. 15. Vgl. auch: Schubert 2014, S. 116. 150 Zu den Gruppen 3 und 4: »Gruppe 3. […] Mit den Ausdrucksmitteln einer künstlerischen Anarchie wird hier die politische Anarchie als Forderung gepredigt. Jedes einzelne Bild dieser Gruppe ruft zum Klassen-

154 Vgl. zum juristischen Prozess um das Gemälde Mädchen vor dem Spiegel das Kapitel »Eine Malerkarriere im Zeichen politischer Umbrüche« im vorliegenden Band; Jessen 2017, S. 333–341. 155 Vgl. Zuschlag 1995, S. 300. 156 Vgl. ibid., S. 190 f. 157 Vgl. Killinger 1933, dka; Nürnberg 1977, S. 71; Löffler 1981, S. 44; Ehrke-Rotermund 1994, S. 128 f.; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 71. 158 Im Zusammenhang mit Dix’ Arbeiten waren in diesem Ausstellungsbereich Werke folgender Künstlerinnen und Künstler zur Schau gestellt: Herbert Bayer (1900–1985), Heinrich Campendonk (1889–1957), Pol Cassel (1892–1945), Heinrich Eberhard (1884– 1973), Wilhelm Eberhard (1875–um 1943), Max

176 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

Ernst (1891–1976), Lyonel Feininger (1871–1956), Conrad Felixmüller, Otto Gleichmann (1887–1963), George Grosz, Hans Grundig (1901–1958), Richard Haizmann (1895–1963), Guido Hebert (1900–unbekannt), Erich Heckel (1883–1970), Alfred Hoffmann (1898–1987), Eugen Hoffmann (1892–1955) od. Wolf Hoffmann (1898–1979), Wassily Kandinsky (1866–1944), Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Paul Kleinschmidt (1883–1949), Oskar Kokoschka (1886–1980), Constantin von Mitschke-Collande (1884–1956), Piet Mondrian (1872–1944), Otto Mueller (1874–1930), Ernst Wilhelm Nay (1902– 1968), Emil Nolde (1867–1956), Max Pechstein (1881–1955), Christian Rohlfs (1849–1938), Oskar Schlemmer, Fritz Skade (1898–1971), Karl SchmidtRottluff (1884–1976), Otto Schubert (1892–1970) u. Christoph Voll (1897–1939). 159 Eine Fotografie hierzu ist abgebildet in: MarioAndreas von Lüttichau: ›Entartete Kunst‹, München 1937, in: Berlin 1988, S. 296, Nr. 9/14; Bei Dix’ Lithografie handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um das in Saarbrücken beschlagnahmte Blatt, wobei auf Basis der Fotografie unklar ist, um welche Blattnummer nach Karsch es sich handelt, vgl. ­Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018). 160 Vgl. Lüttichau 1988, S. 294 u. S. 290, Nr. 9/11 u. Nr.  9/3. Im Beschlagnahmeinventar »Entartete Kunst« (1941/1942) ist das als Sonnenaufgang titulierte Gemälde mit dem Vermerk versehen: »Bestand im Magazin des Reichsministerium[s] für Volksaufklärung und Propaganda«; zum Gemälde Kriegskrüppel ist lediglich die Notiz aufgeführt, dass dies in der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt war, der Verbleib geht jedoch nicht daraus hervor. Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018); zur Lithografie Leonie von 1923 vgl. Karsch 1970, S. 145 f. In Frage kommen die Nummern K 58/I sowie K 58/iiia. 161 Auszug aus Hitlers Eröffnungsrede zur Grossen Deutschen Kunstausstellung, München 1937, zitiert in: Zuschlag 1995, S. 186; München 1987, S. 252. 162 Vgl. ibid., S. 188. 163 Einladung der RdbK an ausgewählte Künstler, 1936, zit. nach ibid., S. 189; München 1987, S. 258. 164 Otto Griebel: Ich War Ein Mann Der Straße. Lebenserinnerungen Eines Dresdner Malers. Aus dem Nachlass hrsg. v. Matthias Griebel und Hans-Peter Lühr, Halle 1986, S. 390–391. Vgl. hierzu auch: Zuschlag 1995, S. 188. 165 Vgl. ibid., S. 189. 166 Zur Organisation der Wanderausstellung Entartete Kunst, vgl. ibid., S. 222–230. Auf je eine für einen

Monat angelegte Exposition konnten sich Museen im Vorfeld bewerben, um die Schau in ihren Räumlichkeiten zeigen zu können. 167 Vgl. ibid., S. 237. 168 Vgl. Mario-Andreas von Lüttichau: Die Ausstellung Entartete Kunst, München 1937. Eine Rekonstruktion, in: Los Angeles 1991, S. 45–81, S. 56 (Faltblatt); Zuschlag 1995, S. 56. 169 Vgl. ibid., zum internationalen Verkauf des Gemäldes Schützengraben siehe die Angaben zum Gemälde Der Krieg, Provenienz Dresden, in: Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018). Vgl. auch: van Lil 2009. 170 faz , 4. Juli 1987 und in einem Gespräch mit Christoph Zuschlag, 2. Oktober 1989, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 244. 171 Vgl. zur Leipziger Ausstellung: ibid., S. 248 ff. 172 Ibid., S. 255. Hierzu zählen Johanna Ey, Alfred Flechtheim, Hans Koch (Graphisches Kabinett von den Bergh) und andere. 173 Gemälde von Otto Dix: Arbeiterfrau mit Kind von 1923 (L 1923/4), Arbeiterknabe von 1920 (L  1920/19), Arbeiter von 1921 (L 1921/5), Der Krieg / Schützengraben von 1922 (L 1923/2), Die Kriegskrüppel von 1920 (L 1920/8), Bildnis des Juweliers Karl Krall von 1923 (L 1923/9), Der Maler Radziwill von 1928 (L 1928/12). 174 Vgl. Verzeichnis der Ausstellung Entartete Kunst, Düsseldorf 1938, angefertigt von Hans Lührdorf (Kunstmuseum Düsseldorf, Bibliothek ub 35/1, Blatt 3), abgebildet in: ibid., S. 252–253. Folgende Papierarbeiten gehen aus der Werkliste zur Düsseldorfer Ausstellung Entartete Kunst hervor: Metzgerladen (o. J., Radierung), Appell der Zurückgekehrten (o. J., Radierung), Transplantation (o. J., Lithografie), Fliehender Verwundeter (o. J., Radierung), Unterstand (o. J., Lithografie), Matrose und Mädchen (o. J., Radierung), Tote in der Stellung bei Tahure (o. J., Lithografie), Spiegelsäle in Brüssel (o. J., Radierung), Alte Dirne (o. J., Farblithografie), Der Lustmörder (o. J., Radierung), Der Syphilitiker (o. J., Radierung), Dirne (1923, Aquarell), Dirne (1923, Aquarell), Dompteuse (o. J., Radierung), Sappenkopf (o. J., Zeichnung mit Öl), Dirne als Tod (o. J., Holzschnitt), Leiche im Drahtverhau (o. J., Lithografie), Durch Fliegerbomben zerstörtes Haus (o. J., Lithografie), Toter Sappenposten (o. J., Lithografie), Bordellszene (o. J., Lithografie), Nach dem Sturm (o. J., Lithografie), Frontsoldaten in Brüssel (o. J., Radierung) und Schwangere (o. J., Radierung). Darüber hinaus sind drei Fotografien zu den Arbeiten Bei Madame Germaine (1924), Altes Lie-

Anmerkungen _ 177



bespaar (unklar, ob Aquarell 1923 oder Gemälde 1932), Dirne (unklar, um welche Darstellung es sich handelt). Zu den angegebenen Beschlagnahme-Orten der Gemälde: Arbeiterfrau mit Kind (1923, Beschlagnahme in Wiesbaden), Arbeiterknabe (1920, Beschlagnahme in Mannheim), Arbeiter (1921, Beschlagnahme in Stuttgart), Die Strasse (ohne Angaben), als Krieg titulierter Schützengraben (1922, Beschlagnahme in Dresden), Die Kriegskrüppel (1920, Beschlagnahme in Dresden) und Bildnis des Juweliers Karl Krall (1923, Beschlagnahme in Berlin) und Der Maler Radziwill (1928, ohne Angaben).

175 Otto Kunz: Ausstellung Entartete Kunst, in: Salzburger Volksblatt, 6. September 1938 (Salzburger Landesarchiv), abgebildet in: Zuschlag 1995, S. 258 f.

Bundesarchiv: Abteilungen Potsdam, – 50.01-1018, Bl. 29–36, S. 295 f., abgebildet in: ibid., S. 294. Zu den Ausstellungen in Chemnitz, Waldenburg und Halle an der Saale, siehe: S. 288 f., S. 290–292, S. 293–299 u. S. 294. 184 Aufgrund der Tatsache, dass die Daten hierzu nur fragmentarisch zur Verfügung stehen, lässt sich der genaue Zeitraum der Beschlagnahme nicht exakt bestimmen. Eröffnungsrede Adolf Hitlers zur Großen Deutschen Kunstausstellung – der antipodischen Ausstellung zur Entartete Kunst – am 18. Juli 1937, zit. nach: Zuschlag 1995, S. 205. 185 www.geschkult.fu-berlin.de (Aufruf: 25. November 2018). 186 Vgl. Zuschlag 1995, S. 209.

176 Vgl. ibid., S. 261. Zur Auflistung 1938 der im Rahmen der Verwertungsaktion »Entartete Kunst« ins Depot nach Berlin-Niederschönhausen gesandten 71 Werke siehe die Werkliste zu den aus Salzburg abgegangenen Objekten, Zentrales Staatsarchiv Potsdam (seit 3. Oktober 1990: Bundesarchiv – Abteilung Potsdam), abgebildet in: ibid., S. 262.

187 Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018). Siehe auch: Dienstzeugnis Hetsch, in: Zuschlag 1995, S. 214. 188 Zuschlag 1995, S. 213 f. 189 Vgl. ibid., S. 213.

177 Alle Arbeiten sind ferner im Beschlagnahmeinventar »Entartete Kunst« aufgeführt. 178 Vgl. Zuschlag 1995, S. 264 ff. 179 Vgl. Unbekannt (H. F.): Kunst der System-Irrlichter. Ein Rundgang durch die Hamburger Ausstellung »Entartete Kunst«, in: Hamburger Tageblatt, 12. November 1938, Staatsarchiv Hamburg 135-1 I–iv 5227, abgebildet in: ibid., Dok. 53, S. 267. 180 Ernst Alfred Eichhorn: Blick in eine Giftküche. Ausstellung »Entartete Kunst« im Landeshaus, Stettin, in: Stettiner General-Anzeiger, 11. Januar 1939, Nr. 11, S. 7, Staatsarchiv Warschau, abgebildet in ibid., Abb. 92. Zur Radierung Kantine in Haplincourt von 1924 (Karsch 1970/106). 181 Vgl. Zuschlag 1995, S. 284. Unklar ist, ob es sich um das Gemälde oder die gleichnamige Grafik handelt. 182 Hans Theodor Wüst: Damit wir nicht vergessen, was früher gewesen ist. Reichsausstellung »Entartete Kunst« in Frankfurt eröffnet – Dokumente des Weltbolschewismus, in: Frankfurter Tageblatt, 1. Juli 1939, Stadtarchiv Frankfurt am Main, faksimiliert und abgebildet in ibid., Dok. 59, S. 285. 183 Vgl. Verzeichnis der von der Reichspropagandaleitung an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zurückgegebenen Werke aus der Ausstellung Entartete Kunst, November 1941, Zentrales Staatsarchiv Potsdam / seit 3. Oktober 1990:

190 Vgl. Paul Ortwin Rave: Kunstdiktatur im Dritten Reich, hrsg. v. Uwe M. Schneede, Berlin 1987, S. 124; Zuschlag 1995, S. 214; Schubert 2019, S. 120. 191 Fotografien des Depots Niederschönhausen, Archiv der Neuen Nationalgalerie, abgebildet in: Zuschlag 1995, hier wie folgt aufgeführt: Bildnis des Schauspielers Heinrich George (als Franz Biberkopf) von 1932 (L 1932/5), Depot Niederschönhausen 1938/1939, Nr. 46; Frau mit Säugling von 1924 (L1924/6), Depot Niederschönhausen, Januar 1939 (?), Nr. 52; Bildnis der Tänzerin Anita Berber (L 1925/6), Depot Niederschönhausen, Januar 1939, Nr. 53; Büste Friedrich Nietzsche von 1914 (L1914/18). 192 Vgl. Victoria and Albert Museum 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018). 193 Ibid. Diese Angaben basieren auf dem historischen Beschlagnahmeinventar »Entartete Kunst«. Die Erforschung der jeweiligen Kunsthandelsaktivitäten lässt weitere Erkenntnisse erwarten, deren Komplexität in der vorliegenden Arbeit jedoch zu weit führen würde. 194 Vgl. Zuschlag 1995, S. 215 f. 195 Vgl. Gemälde und Plastiken Moderner Meister aus Deutschen Museen, Auktionskatalog, Galerie Fischer, Luzern, 30. Juni 1939, Nr. 36, S. 20; Weltkunst 1939, S. 9, Sp. 1; Zuschlag 1995, S. 90, S. 217 u. S. 261; Los Angeles 1991, S. 154. Sowohl bei der Galerie Fischer

178 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

als auch in anderen Schweizer Kunsthandelshäusern zählten deutsche Sammler und Kunsthändler zu den Käufern von Kunstwerken, die den Beschlagnahmen der Aktion »Entartete Kunst« entstammten. https:// www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/projekte/ entartete_kunst/dossier/index.html (Aufruf: 3. April 2019).

1985, S. 199, s. v. »Hinkel, Hans«: nsdap-Mitglied, 1930 in der Schriftleitung des Völkischen Beobachters, Staatskommissar für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Reichkultursenator, Geschäftsführer der Reichskulturkammer, Präsident der ›Gesellschaft für Deutsche Kultur‹, Reichsorganisationsleiter, Sonderbeauftragter für die Überwachung der kulturell tätigen Nichtarier.

196 Vgl. Schubert 2019, S. 121. 197 Vgl. Luzern 1939, Nr. 36, S. 20 f. Schubert führt die Objekttitel von Dix’ Arbeiten, die bei Fischer angeboten wurden, auf: vgl. Schubert 2021, S. 121. 198 Vgl. Weltkunst 1939, S. 9, Sp. 1. 199 Vgl. ibid.; Luzern 1939, Nr. 37, S. 22. Zur Provenienz des Gemäldes Bildnis der Eltern I von 1921 siehe: http://sammlungonline.kunstmuseumbasel. ch/eMuseumPlus?service=direct/1/ ResultDetailView/result.inline.list.t1.collection_ list.$TspTitleImageLink.link&sp=13&sp=Sartist&s p=SfilterDefinition&sp=0&sp=1&sp=1&sp=Sdetail View&sp=45&sp=Sdetail&sp=0&sp=T&sp=0&sp= SdetailList&sp=0&sp=F&sp=Scollection&sp=l1626 (Aufruf: 19. April 2019). 200 Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018); Luzern 1939, Nr. 38, S. 22; Weltkunst 1939, S. 9, Sp. 1. 201 Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018); Weltkunst 1939, S. 9, Sp. 1.

206 Die Entwicklungen des Jahres 1937 lassen zahlreiche Korrespondenzen seitens Otto Dix mit Adressaten aus Kunst- oder politischen Institutionen, dem Kunsthandel sowie dem familiären Umfeld und dem Freundeskreis vermuten. Die Dokumentation von Briefwechseln zwischen Otto Dix mit Freunden und Bekannten ist für diese Jahre, im Verhältnis zur Korrespondenz mit der Familie, lückenhaft. Korrespondenzen mit Institutionen und dem Kunsthandel für das Jahr 1937 sind sogar auf einen Brief an Josef Nierendorf limitiert. Vgl. Lorenz 2013. 207 Vgl. Graf 2013. Schubert zeigt auf, dass die Ausstellung in der Galerie Wolfsberg zeitgleich mit einer Beckmann-Ausstellung in Winterthur stattfand. Vgl. Schubert 2019, S. 116. 208 Vgl. Paul Fechter: Versuche mit Kunst, in: Deutsche Zukunft, 10. Februar 1935, S. 15, dka, nl Dix, I,B, mg-7a; Anzeige des Kunsthauses Schaller, in: Weltkunst, 27. Oktober 1935, S. 3; Brief vom Kunsthaus Schaller an Otto Dix, 10. Oktober 1935, dka, nl Dix, I,B-12aa; Weihnachtsausstellung 1940, Ausstellungskatalog, Galerie Gerstenberger, Chemnitz 1940, Privatbesitz Berlin.

202 Vgl. Luzern 1939, Nr. 36, S. 20. 203 Vgl. Victoria and Albert 2014 (Aufruf: 18. Mai 2018); vgl. Zuschlag 1995, S. 217. 204 Vgl. die Auflistung bei Andreas Hüneke: Spurensuche – Moderne Kunst aus deutschem Museumsbesitz, in: Los Angeles 1991, S. 121–133 u. S. 133, Anm. 37; vgl. hierzu auch: Zuschlag 1995, S. 217. 205 Dix 1934, dka. Zu Weidemann ist unklar, um welche Person es sich handelt, mutmaßlich um Hans Weidemann (1904–1975). Klee 2007, S. 649 f., s. v. »Weidemann«; Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich, hrsg. v. Erich Stockhorst, Bruchsal u. Baden 1967, S. 440, s. v. »Weidemann«: unter anderem Maler, nsdap-Mitglied, Präsidialrat der Reichskulturkammer und der RdbK, Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Leiter des Kulturamtes der ns -Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹. Zu Hans Hinkel (1901–1923) vgl. Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, hrsg. v. Ernst Klee, Hamburg 2016, S. 249 f., s. v. »Hinkel«; Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich, hrsg. v. Erich Stockhorst, Kiel

209 Brief von Karl Nierendorf, Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 21. Oktober 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 210 Brief von Karl Nierendorf an Otto Dix, 17. Dezember 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 211 Justi 1933, dka. Auszugsweise auch zitiert in: Eva Karcher: Otto Dix. 1891–1969. Leben und Werk, Köln 1988, S. 195; Kicherer 1984, S. 59 u. S. 67; Ehrke-Rotermund 1994, S. 145. 212 Ibid. 213 Otto Laubinger (1892–1935), unter anderem Ministerialrat und Leiter der Abteilung Theater im Reichspropagandaministerium. Vgl. Klee 2007, S. 355, s. v. »Laubinger«. 214 Weiter heißt es »Wenn Dr. Wartmann sehr an der Leihgabe liegt, wird Heydt wohl fest zusagen. Sonst will ich eine andere Möglichkeit sofort versuchen. […] Wir freuen uns, dass einer unserer besten Kunden, Herr Schmidt, in Magdeburg eine Zeich-

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nung von Dir gekauft hat. Sie kommt in eine gute, wenn auch nicht umfangreiche Sammlung.« Brief von Karl Nierendorf an Otto Dix, 26. Juni 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 215 Jakob Wilhelm Wartmann war seit 1909 in leitender Position für das Kunsthaus Zürich tätig, 1925 wurde er zu dessen Direktor ernannt. Er war maßgeblich für den dortigen Sammlungsaufbau verantwortlich und legte ein Augenmerk auf den Expressionismus. Die Sammlung umfasst Werke Schweizer wie auch Europäischer Künstlerinnen und Künstler. Vgl. Historisches Lexikon der Schweiz, hrsg. v. d. Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (hls), Bd. 13/13, Basel 2014, S. 240, Sp. 2, s. v. »Wartmann, Jakob Wilhelm«. 216 Vgl. Brief von Otto Dix an Franz Lenk, Dezember 1933, dka, Nachlass Franz Lenk, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013, S. 477 f. 217 Vgl. Brief von der Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, Hemmenhofen, 29. November 1936, dka, nl Dix, Otto, 524l. 218 Vgl. Brief von Otto Dix an Franz Lenk, [Februar 1934], AdK, Berlin, Archiv des Vereins Berliner Künstler Nr. 864, in: Lorenz 2013, S. 478. 219 Vgl. Brief von Otto Dix an Franz Lenk, 8. Dezember 1933, dka, Nachlass Franz Lenk, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013, S. 476.

224 Vgl. Brief von Franz Lenk an Otto Dix, 8. Dezember 1933, dka, Nachlass Franz Lenk, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013, S. 476. 225 Dix hatte Lenk im Dezember 1933 zu dem »hohen offiziellen Amt in der Kunstkammer« gratuliert, vgl. Brief von Otto Dix an Franz Lenk [Dezember 1933, Randegg], dka, Nachlass Franz Lenk, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013, S. 475. 226 Vgl. Brief von Otto Dix an Franz Lenk, 5. Dezember 1933, dka, Nachlass Franz Lenk, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013, S. 476. 227 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 26. März 1934, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 228 Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 10. Juli 1934, Otto Dix Archiv, 1934-7-10; Brief von Josef Nie­ren­dorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 16. Juli 1934, dka, nl Dix, Otto, I,B 7c. Dix gab in seinem Brief Hinweise zur Hängung wie auch die Notiz, dass er die Blätter im Herbst zurück benötige. Nierendorf bestätigte daraufhin, die Zeichnungen entsprechend gut gehängt zu haben und bittet Dix um Bekanntgabe der Preise für den Verkauf. 229 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 15. August 1934, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 230 Ibid., 23. August 1934. 231 Ibid., 19. September 1934, dka, nl Dix, Otto, I,B 7c.

220 Brief von Franz Lenk an Otto Dix, 23. Februar 1934, AdK, Berlin, Archiv des Vereins Berliner Künstler Nr. 864, in: Lorenz 2013, S. 478 f. 221 Vgl. Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 21. Oktober 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 222 Vgl. Zuschlag 1995, S. 168. 223 1933: Galerie Neumann Nierendorf (Berlin); 1934: Galerie Commeter (Hamburg), Danzig, Städtische Kunstsammlungen Königsberg (heute Kaliningrad), Kunsthalle Allenstein; 1935: Städtische Kunstsammlungen im Schloß Königsberg (heute Kaliningrad); 1936: Galerie Commeter (Hamburg), Galerie Neumann Nierendorf (Berlin); 1937: Kunstverein Erfurt, Kunstverein Jena, Kunstausstellung Gerstenberger (Chemnitz), Galerie Neumann Nierendorf (Berlin); 1938: Schleswig-Holsteinischer Kunstverein / Kunsthalle (Kiel); Galerie Alex Vömel (Düsseldorf), Carnegie Institute (Pittsburgh); 1941: Kunstverein Erfurt. Vgl. hierzu: http://www.galerie-bayer-bietigheim.de/ index.htm?/kuenstler/lenk/ausstellungen.htm (Aufruf: 11. Mai 2018).

232 Vgl. Brief von Rudi Baerwind, ns-Kulturgemeinde Mannheim, an Otto Dix, 7. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,B 12b. 233 Ibid. 234 Otto Dix: Selbstbildnis mit Ursus und Jan von 1934 (L 1934/02). 235 Vgl. Unbekannt [1932], dka. 236 Brief von Rudi Baerwind, ns-Kulturgemeinde Mannheim, an Otto Dix, ohne Datum, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 12b. 237 Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 2.  Ok­tober 1934, Otto Dix Archiv, 1934-10-1. 238 Vgl. Brief von Karl Nierendorf/Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 6. Februar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 239 Es folgt eine Aufstellung der von Dix gezeigten Arbeiten. Die Nummern basieren auf der Werkliste zur Ausstellung Otto Dix und Franz Lenk der Galerie

180 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

Nierendorf, Berlin, Januar bis März 1935, in: Anja Walter-Ris: Die Geschichte Der Galerie Nierendorf: Kunstleidenschaft Im Dienst Der Moderne Berlin, New York 1920–1995, Diss. fu Berlin, 2003, S. 201. Alle Werkbezüge im vorliegenden Band wurden von der Autorin anhand der entsprechenden Werkverzeichnisse erarbeitet. Silberstiftzeichnungen: Nr. 4 Hohenkrähen (Hegau) von 1934 (vermutlich Lorenz 2003 ie 7.5.10); Nr. 6 Hunsrück von 1933 (Lorenz 2003 ie 7.1.8 oder ie 7.1.9); Nr. 13 Wald bei Aach (Hegau) von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.5.8); Nr. 16 Mürtschenstock von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.11.1); Nr. 19 Randegg im Schnee um 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.15); Nr. 20 Tal mit Hunsrück bei Morgennebel um 1933 (Lorenz 2003, ie 7.1.10, ohne Abb.); Nr. 21 Hunsrück von 1933 (Lorenz 2003, ie 7.1.8 oder ie 7.1.9); Nr. 22 Tal, Silberstiftzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 25 Ivar von Lücken von 1932 (Lorenz 2003 ie 3.1.19 oder ie 3.1.20); Nr. 26 Aufblickende, Silberstiftzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 27 Ursus, Silberstiftzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 30 Rhein bei St. Goar von 1933 (vermutlich Lorenz 2003 ie 7.1.4); Nr. 31 Der Senn Joseph von 1934 (Lorenz 2003 ie 3.1.22); Nr. 32 Mutter und Tochter, Silberstiftzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 33 Der Senn Ephraim von 1934 (Lorenz 2003 ie 3.1.23); Nr. 34 Tal im Hunsrück um 1933 (Lorenz 2003, ie 7.1.11, ohne Abb.); Nr. 35 Mädchenkopf, Silberstiftzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 36 Junge Frau, Silberstiftzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 39 Hohentwiel im November, da das Blatt datiert ist auf Nov. 1933/ Mgr., handelt es sich vermutlich um Hohentwiel mit Hohenkrähen von 1933 (Lorenz 2003 ie 7.6.1). Federzeichnungen: Nr. 5 Randegg mit Wolken / Randegg vom Schloß aus von 1935 (Lorenz 2003 7.3.10); Nr.  10 Fichte, ohne weitere Objektangaben; Nr. 12 Fichte und Akazie um 1934 [Lorenz 2003 ie 7.30.8, Bemerkung vgl. ibid., S. 2342: »Wahrscheinlich ist dieses Blatt, dessen Verbleib bislang nicht recherchiert werden konnte, Anfang 1935 aus der Ausstellung Dix-Lenk der Galerie Nierendorf, Berlin von Dr. Manowski für das Danziger Museum erworben worden (Brief Nierendorf an Dix, 30.1.1935, abk im gnm Nürnberg, I, C 524).«]; Nr. 15 Randegg (Hegau), vermutlich 1933, Rohrfeder in Sepia auf hellbraunem Zeichenkarton, Provenienz: Kölnischer Kunstverein, 1943 (vermutlich Lorenz 2003 ie 7.3.9); Nr.  23 Hohenhöven, Federzeichnung, ohne weiterführende Objektangaben. Radierung: Schloß Randegg von 1925 (Karsch 1970/42). Gemälde: Nr. 41 Hohenkrähen vermutlich Der Hohenkrähen im Hegau von 1934 (L 1934/7); Nr.  45 Abziehendes Gewitter vermutlich Randegg bei Gewitter von 1934 (L 1934/8); Nr. 47 Hohenstoffeln, vermutlich Der Hohenstoffeln von Randegg

aus gesehen von 1934 (L 1934/05); Nr. 48 Frühlingsabend vermutlich Randegg – Abendstimmung (Frühlingsabend) von 1936 (L 1934/03); Nr. 49 Tochter des Künstlers von 1923, vermutlich Nelly als Säugling von 1923 (L 1923/15); Nr. 50 Kapelle und Hohentwiel / Die Schloßkapelle in Randegg mit Hohentwiel (L 1934/04); Nr. 51 Frühlingslandschaft, ohne weiterführende Objektangaben; Nr. 53 Hochmoor mit Gogeien / Hochmoor mit Goggaien von 1934, (vermutlich L 1934/10); Nr. 55 Selbstbildnis mit Söhnen / Selbstbildnis mit Ursus und Jan von 1934 (L 1934/02). 240 Die Identifizierung des Gemäldes in der Züricher Ausstellung ist anhand der Bildbeschreibung und Titel-Nennung im folgenden Periodikum gegeben, vgl. Peter Thoene: Bemerkungen über die deutsche Malerei der Gegenwart. Zu den Ausstellungen von Otto Dix und Max Beckmann, in: Das Werk. Architektur, Freie Kunst, Angewandte Kunst 11/1938, S. 346 f.; vgl. zum Gemälde Hohentwiel mit Hohenkrähen von 1933: Getty Research Institute (gri), N6490.A714 Photo Collection 20th Century / Arntz, Wilhelm Box 141. 241 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 30. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 242 Nierendorf 1935, dka. 243 Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf [nach dem 16. Jannuar 1935], in: Lorenz 2013, S. 805 f. 244 Zu der Ausstellung in Köln gehen aus den herangezogenen Quellenmaterialien keine Angaben hervor. 245 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 31. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 246 Ibid.; in dem Brief gibt Nierendorf fälschlicherweise Mitte Februar als Ende der Ausstellung an, das Missverständnis löst er in seinem Brief vom 6. Februar 1935 auf: vgl. Nierendorf 1935, dka. 247 Abrechnung der Galerie Nierendorf an Otto Dix 3. April 1935, dka, nl Dix, I,C-524l. 248 Brief von Karl Nierendorf an Otto Dix, 3. April 1935, dka, nl Dix, I,C-524l. Gemeint ist hier Bildnis des Philosophen Max Scheler (L 1926/6). Das Werk blieb bis zu seiner Beschlagnahme 1937 im Besitz der Nationalgalerie Berlin. 249 Mürtschenstock von 1934 (Lorenz ie 7.11.1). 250 Griebel 1986, S. 390 f., zit. nach: Zuschlag 1995, S. 188.

Anmerkungen _ 181

251 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 30. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

267 Justi 1921, S. 31 f. 268 Nierendorf 1935, dka.

252 Ausstellungsankündigung: Deutsche Landschaftsmalerei der Gegenwart, 7. Juli 1928, Stadtmuseum Danzig, in: Der Cicerone. Halbmonatsschrift für Künstler / Kunstfreunde und Sammler, hrsg. v. Georg Biermann, Bd. xx., Berlin 1928, S. 486 f. Vorname und Lebensdaten zu Manowski waren im konsultierten Quellenmaterial nicht ermittelbar.

270 Ibid.

253 Vgl. Nierendorf 1935-3, dka; Nierendorf 1935-5, dka.

272 Vgl. Paul Ferdinand Schmidt (Pseudonym F. Paul): Dix und Lenk. Gemeinschafts-Ausstellung in Berlin bei Nierendorf, in: Kunst der Nation, 1935, dka, nl Dix, I, B, mg-7a.

269 Fechter 1935, dka.

271 Ibid.

254 Brief von Anneliese Lenk, ohne Ort, an Otto Dix, ohne Ort, 3. Juni 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C – 456.

273 Ibid.

255 Vgl. Nierendorf 1935-3, dka.

274 Ibid.

256 Nierendorf 1935-5, dka.

275 Brief von Julius Hesse / Schmincke & Co, Dresden, an Otto Dix, Randegg, 4. März 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-631.

257 Vgl. Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an die Galerie Commeter, Hamburg, 16. Deztember 1935, dka, nl Dix, I,C-524l. 258 Ibid. 259 Otto Dix an Karl Nierendorf, ohne Datum [1935], Otto Dix Stiftung 1935-12. Da Dix hier auf den Artikel in der Deutschen Zukunft Bezug nimmt, der am 10. Februar 1935 zur Dix-Lenk-Ausstellung bei Nierendorf erschienen war, ist der Brief vermutlich kurze Zeit später zu datieren.

276 Fritz Hellwag: Otto Dix, Bilder aus dem Hegau, in: Kunst für Alle, 6/1935, S. 272 ff., dka, nl Dix, I,B, mg-7a, 1950. 277 Hellwag 1935, S. 222 f. Das Gemälde Der Hohenstoffeln von Randegg aus gesehen ist in diesem Artikel als »Frühlingslandschaft« tituliert. 278 Ibid.

260 Vgl. Weltkunst 1935, S. 3; Schaller 1935, dka.

279 Brief von Otto Dix, ohne Ort. an Karl Nierendorf, Berlin, 2. Dezember 1935, Otto Dix Archiv 1935-122.

261 Vgl. Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 1. Oktober 1935, Otto Dix Archiv 1935-10-1; Schaller 1935, dka.

280 Hellwag 1935, dka.

262 Vgl. Brief vom Kunsthaus Schaller, Stuttgart, L. Schaller G.m.b.H. an Otto Dix, 11. Januar 1936, nl Dix, Otto, I,B 12aa. 263 Vgl. Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 30. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 264 Referiert wird hier auf den Artikel in der dz : 10. Fe­ bruar 1935. 265 Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, ohne Ort, 30. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. 266 Will Grohmann: Gewagte Begegnung, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 30. Januar 1935. http://www. willgrohmann.de/zeitungs-archiv/articles/Z1457.pdf (Aufruf: 8. März 2018).

281 Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 3. Dezember 1935, Otto Dix Archiv 1935-12-3. 282 Korps 1935, dka. 283 Dix 1935-3, oda. 284 Brief von Otto Dix an Franz Lenk, Dezember 1933, dka, Nachlass Franz Lenk, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013. 285 Brief von Franz Lenk an Otto Dix, 19. Dezember 1935, dka, nl Dix, I,C 456. 286 Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Karl Nierendorf, Berlin, ohne Datum [1935], Otto Dix Archiv 193516; Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Karl Nierendorf, Berlin, 1. August 1935, Otto Dix Archiv 19358-1.

182 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

287 Vgl. Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 1.1 Dezember 1935, Otto Dix Archiv 1935-12-1. Da keine näheren Objektangaben vorliegen, ist es naheliegend, dass es sich um eine der nachfolgenden Zeichnungen handelt, bei denen die Motive der Kapelle und des Berges Hohentwiel abgebildet sind: Hohentwiel im November (Schloßkapelle in Randegg mit dem Hohentwiel) von 1933 (Lorenz 2003 ie 7.3.1); Nach dem Regen (Randegg) von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.2); Kapelle Randegg von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.3); Kapelle Randegg von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.4); Schloßkapelle Randegg bei Regen von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.5); Kapelle um 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.6); Kapelle in Randegg mit Regenbogen von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.3.8). 288 Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 20. Oktober 1935, Otto Dix Archiv 1935-10-20. 289 Vgl. Ute Haug: Der Kölnische Kunstverein im Nationalsozialismus. Struktur und Entwicklung einer Kunstinstitution in der kulturpolitischen Landschaft des »Dritten Reichs«, Phil. Diss., Technische Hochschule Aachen 1998, S. 268. Martha Dix gegenüber schrieb der Maler von einer Ausstellung »Schrimpf Lenk Dix Champion« im Januar 1936 in Köln. Vgl. hierzu: Dix 1935-4, oda. 290 Darin bezieht sich Nierendorf auf Franz Lenk, der Dix ebenso von der Ausstellungsbeteiligung im Kölnischen Kunstverein abriet. Lediglich insofern Dix Absprachen mit Josef Haubrich, dem damaligen stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, getroffen hätte, wären diese einzuhalten gewesen. 291 Nierendorf 1935-2, dka. 292 Ibid. An dieser Stelle wird auf Walter Klug Bezug genommen, Geschäftsführer des Kölnischen Kunstvereins zwischen 1914 und Ende 1938. Vgl. hierzu: Haug 1998, S. 35. 293 Zu den biografischen Daten sowie der Emigration Karl Nierendorfs in die Vereinigten Staaten von Amerika siehe: Walter-Ris 2003, S. 383–402, S. 393. 294 Vgl. Haug 1998, S. 267. 295 Haug 1998, S. 74. Zu Otto Klein als maßgeblichem Berichterstatter zu den Ausstellungen des Kölnischen Kunstvereins zwischen 1933 und 1945 im Westdeutschen Beobachter vgl. ibid., S. 72. Eine kritische Auseinandersetzung mit den genannten Ausstellungsbeteiligungen seitens Dix oder Nierendorf geht aus den konsultierten Quellen und Archivalien nicht hervor. 296 Vgl. Walter-Ris 2003, S. 410.

297 Brief von Josef Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, Hemmenhofen, 30. Januar 1936, dka, nl Dix, Otto, I,B-3b. 298 Vgl. ibid.; Otto Dix, Winterlandschaft mit Krähen (vermutlich handelt es sich hierbei um das Gemälde Randegg im Schnee mit Raben) von 1935 (L 1935/13). 299 Otto Dix an Martha Dix, ohne Datum [1936], Otto Dix Archiv 1936-1. Zu der verkauften Landschaft: ie 2.4.28. 300 Otto Dix an Martha Dix, ohne Datum [1936], Otto Dix Archiv 1936-7. Otto Dix, Frühlingslandschaft (vermutlich handelt es sich hierbei um das Gemälde Randegg –Abendstimmung/Frühlingsabend) von 1936 (L 1934/3). 301 Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Josef Nierendorf, Berlin, 2. Dezember 1936, Otto Dix Archiv 193612-2. 302 Brief vom Kunsthaus Schaller, Stuttgart, L. Schaller G.m.b.H. an Otto Dix, ohne Ort, 11. Januar 1936, nl Dix, Otto, I,B 12aa. 303 Brief von Otto Dix an Fritz Mühlenweg, 1. Dezember 1936, Otto Dix Archiv 1936-12-1. 304 Otto Dix, ohne Ort, an Martha Dix, Hemmenhofen, ohne Jahr [1936], Otto Dix Archiv 1936-12. 305 Brief von Otto Dix, Samaden im Engadin, an Josef Nierendorf, Berlin, 1. Januar 1938, Otto Dix Archiv 1938-1-1; dka, nl Dix, Otto, I, C 524l; Lorenz 2013, S. 816. 306 Otto Dix an Martha Dix, ohne Jahr [1936], Otto Dix Archiv 1936-1. 307 Am 7. April erhielt Otto Dix vom Kunsthaus Schaller eine Anfrage zur Reproduktion einer Landschaftsdarstellung aus dem Hegau. Darin heißt es: »Eine große Kaffee-Import-Firma sucht für ihren seit vielen Jahren erscheinenden Kalender: Deutsche Lande deutsche Worte charakteristische Landschaften von geschichtlicher Bedeutung. Da man den Hohentwiel und die ganze Heg[a]ulandschaft dazu rechnen darf, so erlauben wir uns, bei Ihnen anzufragen, ob Sie bereit wären, eines Ihrer Hohentwiel-Bilder in diesem Kalender wiedergeben zu lassen. Die Firma bezahlt für das Recht der Wiedergabe in Ihrem Kalender immer sehr anständige Beträge und kauft sogar manchmal ausserdem die dafür bestimmten Bilder.« Brief vom Kunsthaus Schaller, Stuttgart, L. Schaller G.m.b.H an Otto Dix, 7. April 1936, dka, nl Dix, Otto, I,B 12aa.

Anmerkungen _ 183

308 Vgl. Brief des Deutschen Künstlerbundes an die Mitglieder, 5. Februar 1936, abgebildet in: Bonn 1986, S. 93.

320 Kurt Hartwig Siemers, ehemaliger Schatzmeister des Hamburger Kunstvereins, in: ibid., S. 99.

309 Ibid.

321 Vgl. http://emuseum.campus.fu-berlin.de/eMuseum Plus (Aufruf: 13. März 2018).

310 Vgl. ibid. S. 93.

322 Siemers, in: Bonn 1986, S. 99.

311 Vgl. Bonn 1986, S. 98. Demnach entstammt die letztgültige, hier aufgeführte Mitgliederliste dem Nachlass Ludwig von Hofmanns, Deutsches Literaturarchiv Marbach, und war Teil des Briefes des Deutschen Künstlerbundes an seine Mitglieder, 10. Oktober 1936, abgebildet in: ibid., S. 96.

323 Brief von Josef Nierendorf an Otto Dix, 23. November 1936, dka, nl Dix, Otto, 524l.

312 Vgl. Brief von Carl Vincent Krogmann, Regierender Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, an Landesstellenleiter Schmidt, Landesstelle Hamburg des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 24. Juli 1936, aufgeführt in: Bonn 1986, S. 95; Anonym: Der Kunstverein stellt aus »Malerei und Plastik in Deutschland 1936«, Hamburger Tageblatt, 22. Juli 1936, Nr. 198, aufgeführt in: ibid., S. 95. 313 Vgl. Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Martha Dix, ohne Ort, ohne Datum [1936], Otto Dix Archiv 1936-17; Bonn 1986, S. 38. Aus einem Brief an Karl Nierendorf geht zudem hervor, dass für Dix unklar ist, ob beide Bilder nach Hamburg gelangt sind: »Ich möchte gerne wissen[,] ob die Bilder von George für die Ausstellung des deutschen Künstlerbundes nach Hamburg geschickt worden sind[.]« Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Karl Nierendorf, ohne Ort, 6. Januar 1936, Otto Dix Archiv 1936-1-16. 314 Vgl. Bonn 1986, S. 17. 315 Anonym 1936, Nr. 198, aufgeführt in: Bonn 1986, S. 95. 316 Vgl. Brief vom Deutschen Künstlerbund an die Mitglieder, 27. Juli 1936, aufgeführt in: Bonn 1986, S. 96. 317 https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/ projekte/entartete_kunst/dossier/index.html (Aufruf: 3. April 2019). 318 Tagebucheintrag von Carl Vincent Krogmann, zit. nach Volker D. Heydorn: Maler in Hamburg, Bd. 1, Hamburg 1974, S. 174, in: Bonn 1986, S. 18. 319 Brief des Deutschen Künstlerbundes mit Verweis auf das Schreiben von Adolf Ziegler, Viezepräsident der RdbK, an die Mitglieder, 10. Oktober 1936, abgebildet in: Bonn 1986, S. 96 f.

324 Vgl. Otto Dix in Chemnitz, Ausstellungskatalog, Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser, München 2012; Fischer 1981, S. 107; Brief vom Heeresbauamt Magdeburg an Otto Dix, Hemmenhofen, 13. Februar 1937, dka, nl Dix, I,C-146. Brief vom Heeresbauamt Magdeburg an Otto Dix, 9. März 1937, dka, nl Dix, I,C-146. 325 Brief von Andreas Becker, Galerie Dr. Becker, Köln, an Otto Dix, ohne Ort, 13. Juli 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-58. 326 Ibid., 23. Mai 1936. 327 Ibid. 328 Ibid., 27. Juni 1937. 329 Vgl. Nierendorf 1933, dka; Becker 1937, dka. Zu Haubrichs biografischen Angaben vgl. Haug 1998, S. 30. 330 Becker 1937-1, dka. 331 Vgl. Brief vom Heeresbauamt Magdeburg (gez. Fr. Balke) an Otto Dix, Hemmenhofen, 10. Februar 1937, dka, nl Dix, I,C-146. 332 Heeresbauamt 1937, S. 2. 333 Vgl. Brief vom Heeresbauamt Magdeburg an Otto Dix, Hemmenhofen, 13. Februar 1937, dka, nl Dix, I,C-146; Brief vom Heeresbauamt Magdeburg an Otto Dix, Hemmenhofen, 9. März 1937, dka, nl Dix, I,C-146. 334 Brief vom Heeresbauamt Magdeburg (gez. Fr. Balke) an Otto Dix, Hemmenhofen, 13. März 1937, S. 2, dka, nl Dix, I,C-146. 335 Heeresbauamt 1937, dka; Heeresbauamt 1937-1, dka. 336 Vgl. Liste zu Werken aus Kommissionsbestand der Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, Hemmenhofen, 28. Juli 1937, dka, nl Dix, Otto, 524l.

184 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

337 Brief von Josef Nierendorf an Otto Dix, 20. Juli 1937, dka, nl Dix, Otto, 524l. 338 Brief von Heinrich Kühl, Kunstausstellung Kühl, Dresden, an Otto Dix, Dresden, 8. Mai 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-438. 339 Brief von Heinrich Kühl, Kunstausstellung Kühl, Dresden, an Otto Dix, Dresden, 14. August 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-438. 340 Brief von Otto Dix an Franz Lenk, August 1937, dka, nl Lenk, zit. nach: Lorenz 2013, S. 488.

353 Vgl. Zuschlag 1995, S. 203. Adkins verweist ferner auf Ausstellungen in Züricher Privathäusern, die in den 1930er Jahren von der im Kunsthandel tätigen Schweizerin Irmgard Burchard (bis 1934 in Berlin wohnhaft) stattfanden; Richard Lohse: Zetthaus, in: Dreissiger Jahre Schweiz. Ein Jahrzehnt im Widerspruch, Zürich 1981, S. 89–101, zit. nach: Lackner u. Adkins 1988, S. 324. 354 Vgl. Lackner u. Adkins 1988, S. 319. 355 Ibid., S. 325. 356 Lackner u. Adkins 1988, S. 320–321.

341 Vgl. Löffler 1981, S. 46. 357 Vgl. ibid., S. 315. 342 Vgl. Thomas Bauer-Friedrich: Die Familie Dr. Otto Köhler als Freunde und Sammler von Otto Dix in Chemnitz, in: Chemnitz 2012, S. 47. 343 Vgl. ibid., S. 99. 344 Vgl. Dix 1935, oda. 345 Brief von Fritz Niescher, Chemnitz, an Otto Dix, ohne Ort, 3. November 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-527. 346 Vgl. Thomas Bauer-Friedrich: »Ein Rätsel ist Reinentsprungenes.« Otto Dix’ Chemnitzer Wandgemälde Orpheus und die Tiere, in: Chemnitz 2012, S. 119–171, insbesondere S. 126–127. 347 Brief vom Kölnischen Kunstverein an Otto Dix, 24. Januar 1938, dka, nl Dix, Otto, I,C-58. 348 Ibid., 28. Januar 1938. Bei den benannten Bildern handelt es sich vermutlich um die Gemälde Hohenkrähen im Hegau von 1934 (L 1934/7) und Randegg – Abendstimmung von 1936 (L 1934/3). 349 Otto Dix: Tal nach Glarus von 1934 (Lorenz 2003 ie 7.11.2). 350 Schubert 2019, S. 121. 351 Vgl. ibid. 352 Nachgewiesen sind der Ankauf einer Riesengebirgslandschaft durch eine Ordensburg 1941 sowie der nicht ausgeführte Porträt-Auftrag der Familie des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop (1893–1946) im Jahr 1942. Vgl. Fischer 1981, S. 118; Andrea Hollmann u. Ralf Kreuning: Berühmt und berüchtigt. Otto Dix 1891–1969. Biographie, in: Otto Dix. Zum 100. Geburtstag 1891–1991, Ausstellungskatalog, Galerie der Stadt Stuttgart u. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, OstfildernRuit 1991, S. 24; Peters 1998, S. 129 f.

358 Flugblatt zur Exhibition of 20th Century German Art (hrsg. v. Artist’s International Association), Ausstellungskatalog, Berlinische Galerie, Berlin, abgebildet in: ibid., S. 319. 359 German Painting and Sculpture, Ausstellungskatalog, Museum of Modern Art, New York 13. März bis 26. April 1931. https://www.moma.org/documents/ moma_master-checklist_324944.pdf (Aufruf: 1. April 2019). Aus Dix’ Œuvre wurde gezeigt und benannt: Portrait of the Artist’s Parents von 1921, Collection Walraf-Richartz Museum, Köln; The Widow von 1925, Collection the Art Gallery, Mannheim; Dr. Meyer-Hermann von 1926, Collections the Artist; Baby von 1928, Collection the National Gallery, Berlin; Child with Doll von 1930, Collection of the Artist. Die weiteren Ausstellungen des moma vor und während der Zeit des Nationalsozialismus unter Beteiligung von Otto Dix: Summer Exhibition: Painting and Sculpture, 7. Juni bis 30. Oktiber 1932; The War: Etchings by Otto Dix, 30. Juli bis 13. September 1934; Modern Works of Art: 5th Anniversary Exhibition, 19. November 1934 bis 20. Januar 1935; Summer Exhibition: The Museum Collection and a Private Collection on Loan, 4. Juni bis 24. September 1935; Summer Exhibition: The Museum Collection and a Private Collection on Loan, 20. Juli bis 2. September 1936; The War, Etchings by Otto Dix and Armored Train, a Painting by Gino Severini, 21. September bis 19. Oktober 1937; Paintings and Sculptures from the Museum Collection, 12. Januar bis 3. März 1940; Paintings and Sculpture from the Museum Collection, 23. Oktober 1940 bis 12. Januar 1941; Paintings and Sculpture from the Museum Collection, 6. Mai bis 30. April 1941; Twentieth Century Portraits, 9. Dezember 1942 bis 24. Januar 1943; The Museum Collection of Painting and Sculpture, 20. Juni 1945 bis 13. Februar 1946. https://www.moma.org/calendar/exhibitions/ history?constituent_id=1559&locale=de&sort_ date=closing_date&page=&direction=fwd (Aufruf: 2. April 2019).

Anmerkungen _ 185

360 Pressemitteilung zu: moma 1937, https://www. moma.org/documents/moma_press-release_333059. pdf (Aufruf: 1. April 2019).

376 Ibid., S. 264.

361 Vgl. Walter-Ris 2003, S. 413.

378 Vgl. ibid.

362 Vgl. Brief von John O’Connor, Carnegie Institute, Pennsylvania, an Otto Dix, Randegg, 17. Februar 1936, dka, nl Dix, Otto, I,C 12y.

379 Graf 2013, S. 260. Vgl. auch Christoph Bauer: Das altmeisterliche und spätexpressionistische Werk von Otto Dix, in: Otto Dix. Werke von 1933 bis 1969, Städtisches Museum, Singen 2003, S. 28.

377 Vgl. Thoene 1938, S. 346–347.

363 Ibid. 364 Brief von Charlotte Weidler, Carnegie Institute / German Representative, Berlin, an Otto Dix, Randegg, 17. Februar 1936, dka, nl Dix, Otto, I,C 12y. 365 Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Martha Dix, Hemmenhofen, 21. Mai 1937, Otto Dix Archiv 1937-521. Gemeint ist vermutlich das Gemälde Randegg im Schnee mit Raben von 1935 (L 1935/13); um welche Darstellung Vorfrühling am See (mit Schafherde) es sich handelt, ist unklar. 366 Dix 1938, oda. 367 Brief von Otto Dix an Martha Dix, ohne Ort, ohne Jahr [1939], Otto Dix Archiv 1939-11. 368 Vgl. Thoene 1938, S. 347. Das Bild Hohentwiel mit Hohenkrähen von 1933 ist nicht Bestandteil des Œuvrelatalogs Löffler 1981; N6490.A714 Photo Collection 20th Century, Arntz, Wilhelm Box 141; Tal bei Pontresina mit Berninagruppe von 1938 (L 1938/13). Es handelt sich um den Zürcher Galeristen Johann Edwin Wolfensberger, Bildnis Jakob Edwin Wolfensberger von 1929 (L 1929/5). 369 Vgl. Brief von John O’Connor, Carnegie Institute, Pennsylvania, an Otto Dix, Randegg, 8. Juni 1951, dka, nl Dix, Otto, I,C 12y.

380 Anonymer Autor (Abk. dt): Annonce o. T., Frankfurter Zeitung, 181/1929, dka, nl Dix, Otto, I, B 11a. 381 Vgl. ibid. Vgl. Pfäffle 1991, A 1922/12, A 1922/16, A 1923/90, A 1925/7, A 1927/8, A 1927/9, A 1927/10, A 1927/11, A 1927/15, A 1927/16, A 1928/1, A 1928/2. 382 Unbekannt (D. H.): Aus der Kunstwelt. Kunst aus Zürich, »Glarner Nachrichten«, ohne Ort, ohne Datum, Nr. 45, dka, nl Dix, Otto, I,B 11a. Da aus dem Artikel hervorgeht, dass Dix zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine Professur in Dresden inne hatte, muss die Ausstellung vor April 1933 stattgefunden haben. Da die einzige Dix-Schau im Kunstsalon Wolfsberg vor 1933 im Jahr 1929 stattgefunden hatte, handelt es sich um die Besprechung der Sonderausstellung Otto Dix. 383 Vgl. Unbekannt: Deutsche Graphik der Gegenwart. Zur Ausstellung im Zürcher Kunsthaus, in: Neue Zürcher Zeitung, 1506/1929, Blatt 8, dka, nl Dix, Otto, I,B 11a. 384 Brief vom Kunstverein Schaffhausen an Otto Dix, Randegg, 11. September 1934, dka, nl Dix, Otto, I,B-12aa. 385 Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 1. August 1934, Otto Dix Archiv, 1934-8-1.

370 Vgl. Brief von Charlotte Weidler an Otto und Martha Dix, 8. Juli 1948, dka, nl Dix, Otto, I,C 783.

386 Ibid., 1. Oktober 1934, Otto Dix Archiv, 1934-10-1.

371 Vgl. Lorenz 2013, S. 870.

387 Vgl. Schuppli 1995, S. 17.

372 Ibid.

388 Dix 1934-1, oda.

373 Brief von Otto Dix, Zürich, an Martha Dix, Hemmenhofen, 14. Mai 1929, in: Lorenz 2013, S. 111; siehe auch: Graf 2013, S. 260.

389 Vgl. Graf 2013, S. 259.

374 Brief von Otto Dix an Franz Lenk, August 1937, dka, nl Lenk, in: Lorenz 2013, S. 488; Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Martha Dix, ohne Ort, ohne Datum [1939], Otto Dix Archiv 1939-18. 375 Graf 2013, S. 264.

390 Brief von Johann Edwin Wolfensberger, Kunstsalon Wolfsberg, Zürich, an Otto Dix, Randegg, 23. September 1935, dka, nl Dix, Otto, I,B-3c. 391 Vgl. Graf 2013, S. 259. Bei dem Plakat handelt es sich um eine Lithografie, die Dix im Wolfsberg anfertigte und nach Grafs Angaben direkt auf den Stein zeichnete. Demnach ist heute nur ein Exemplar bekannt, das auch mit der Dix-spezifischen Typografie ver-

186 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

sehen ist. Für die nachfolgend angedachte Ausstellung in Österreich wurden die Plakate ohne Schrift gedruckt, die erhalten sind und in den Handel gelangten. Vgl. hierzu: ibid., S. 265–267. Eine signierte Originallithografie befindet sich heute im Besitz von Jan und Andrea Dix, Öhningen.

399 Vgl. Graf 2013, S. 264. Graf gibt an, dass es sich hierbei um eine mündliche Information von Jan Dix handelt, gibt jedoch nicht an, welcher Ausstellungsort und welche Institution für die Ausstellung vorgesehen waren. 400 Thoene 1938, S. 348.

392 Randegg im Gewitter von 1934 (L 1934/8); Hohentwiel (Hohentwiel mit Hohenkrähen), das Gemälde ist nicht bei Löffler 1981 aufgeführt; Sieben Todsünden von 1933 (L 1933/1), Flandern von 1936 (L 1936/1), Der Heilige Christophorus I von 1938 (L 1938/1), Streichholzhändler von 1927 (vermutlich erneut Steichholzhändler  ii, L 1927/11), Tochter des Künstlers (unklar, welche Darstellung von Nelly Dix gezeigt wurde), Neugeborenes Kind (aufgrund zahlreicher Neugeborenen-Darstellungen ist unklar, um welches Bild es sich handelt), das Bildnis Jakob Edwin Wolfensberger von 1929 (L 1929/5).

401 Unbekannt: Introduction, in: Exhibition of 20th Century German Art (Burlington Galleries London), Ausstellungskatalog, 1938, S. 6, zit. nach: Stephan Lackner u. Adkins 1988, S. 316. 402 Thoene 1938, S. 346. 403 Otto Dix: Bildnis Rosa Eberl von 1940 (L 1940/4). 404 Vgl. Thoene 1938, S. 346 f. 405 Vgl. ibid.

393 Vgl. Thoene 1938, S. 347. Der Autor konstatiert, dass eine Berninagruppe und eine Darstellung des Engadins in der Wolfensberg-Ausstellung gezeigt wurden. Die Beschreibung Thoenes zum Gemälde Hohentwiel (»Burgruinen, kahles Geäst, Raben, Ferne und Geheimnis, wo Verismus und Romantik zusammenstossen«, in: ibid.) lässt darauf schließen, dass es sich um das Gemälde Hohentwiel mit Hohenkrähen handelt, das nicht bei Löffler 1981 aufgeführt ist. Eine Analyse des Gemäldes erfolgt im Kapitel »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?«. Die Angaben zu dem Bild hat die Autorin während ihres Forschungsaufenthaltes am Getty Research Institute ermittelt, vgl. Getty Research Institute (gri), N6490.A714 Photo Collection 20th Century / Arntz, Wilhelm Box 141. Dass es sich bei dem Christophorus-Gemälde um die Version Der Heilige Christophorus I von 1938 (L 1938/1) handelt, belegt die in der Zeitschrift Das Werk eingebundene Reproduktion des Bildes, vgl. Thoene 1938, S. 348. Zum Pseudonym Peter Thoene vgl. Lackner u. Adkins 1988, S. 315. 394 Vgl. Pfäffle 1991, A 1922/12, A 1922/16, A 1923/90, A 1925/7, A 1927/8, A 1927/9, A 1927/10, A 1927/11, A 1927/15, A 1927/16, A 1928/1, A 1928/2. Ich danke dem Präsidenten der Otto Dix Stiftung, Rainer Pfefferkorn, für den Hinweis auf die 1938 in Zürich (Wolfsberg) gezeigten Aquarelle. 395 Schubert 2019, S. 119 f.

406 Vgl. ibid., S. 347. 407 Vgl. ibid., S. 264. Dabei handelt es sich nach Graf um eine »Kombination aus Handlithografie und Fotochromie, wobei Wolfensberger vermutlich zwei Steine bei Orell Füssli mit Fotogelatine beschichten liess.«, ibid. 408 Vgl. ibid., S. 259. 409 Dix 1939-1, oda. 410 Otto Dix: Judenfriedhof in Randegg im Winter mit Hohenstoffeln von 1935 (L 1935/12). 411 Dix 1939, oda. 412 Vgl. Frey 1999, S. 284. 413 Dieser Aspekt ist grundlegender Bestandteil des Analysekapitels »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹?«. 414 Vgl. Brief von Otto Dix an Wilhelm Arntz, April 1946, gri, 84000/Arntz Box 1 A, F. 12. 415 Vgl. Lackner u. Adkins 1988, S. 318. 416 Joseph Goebbels, zit. nach: Volker Detlef Heydorn, Maler in Hamburg 1886–1945, Bd. 1, Hamburg 1974, S. 173.

396 Vgl. Graf 2013, S. 264. 397 Vgl. ibid. 398 Vgl. Brief von Otto Dix an Franz Lenk, 18. Juli 1937, in: Lorenz 2013, S. 488; Graf 2013, S. 259.

417 https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/ projekte/entartete_kunst/dossier/index.html (Aufruf: 3. April 2019). 418 Vgl. Lorenz 2013, S. 953 u. S. 966 f.; Schubert 2014, S. 115.

Anmerkungen _ 187

419 Vgl. Briefe von Otto Dix an Friedrich Hartmann, 4. Mai 1940 u. 6. Mai 1940, Hemmenhofen, Kopie im Kunstmuseum Stuttgart, in: Lorenz 2013, S. 501 f. 420 Brief von Otto Dix an Friedrich Hartmann, 4. Mai 1940, Hemmenhofen, Kopie im Kunstmuseum Stuttgart, in: Lorenz 2013, S. 502. 421 Zu Dix’ vermeintlichem Ausstellungsverbot vgl. Bonn 1986, S. 17. http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/ 422 Vgl. forschung/entartete_kunst/dossier/ (Aufruf: 22. Oktober 2015). 423 Vgl. Bernhard Fulda: Emil Noldes Berufsverbot. Eine Spurensuche, in: Tiedemann 2016, S. 127–145, hier zitiert nach: Brief von Ministerialdirektor Leopold Gutterer an Reinhard Heydrich, 6. Mai 1941, Bundesarchiv Berlin (barch), R55 21018, Bl. 8. Vgl. auch Zuschlag 1995, S. 290. 424 Überwachungskarteikarte der Gestapo zu Otto Dix aus dem Bestand des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes, barch, R58/9606. 425 Vgl. Dagmar Grimm: Otto Dix, in: Los Angeles 1991, S. 224–230. 426 Überwachungskarteikarte, barch. Vgl. Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf 1. September 1933, Archiv der Galerie Nierendorf, Berlin, ohne Bestandsangabe, in: Lorenz 2013, S. 792. Zum Umzug vgl. Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 1. September 1933, Otto Dix Archiv, 1933-9-1. 427 Vgl. Lorenz 2013, S. 951. 428 Vgl. Schwarz 1996, S. 72; Dix 1995, S. 14 u. S. 73. 429 Vgl., Combined Services Detailed Interrogation Centre (csdic), pw Paper 50, January 30 1945, S. 17. Siehe: Ardelia Hall Collection, Munich Central Collecting Point 1945–1951, Restitution Records, Interrogations: Reichskammer der bildenden Künste, vgl. http://www.fold3.com/image/114/270045840/ (Aufruf: 22. Oktober 2015); Fulda 2016. 430 Vgl. ibid. 431 Vgl. Fulda 2016, zitiert nach: Brief von Ministerialdirektor Leopold Gutterer an Reinhard Heydrich, 6. Mai 1941, barch, R55 21018, Bl. 8. 432 Brief von Otto Dix an Dr. Will Grohmann, 19. Oktober 1946, Otto Dix Archiv 1946-10-19; vgl. Lorenz 2013, S. 871.

433 Briefliche Bestätigung von der Landesverwaltung Sachsen, Leiter der Volksbildung, Staatssekretär Gute, an Otto Dix, ohne Ort, 1. November 1946, dka, nl Dix, Otto, I,B–33. 434 Lebenslauf 1950, dka. 435 Tabellarischer Lebenslauf von Otto Dix, 4. Oktober 1965, dka, nl Dix, Otto, ib mg-7a. 436 Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band. Auch andere Künstler wie beispielsweise Emil Nolde proklamierten ein Malverbot für sich. Nolde betreffend wurden jüngste Forschungsergebnisse von Bernhard Fulda, Christian Ring und Aya Soyka im Rahmen der Ausstellung Emil Nolde – Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwartskunst, Berlin, sowie in der gleichnamigen Publikation veröffentlicht. Vgl. Fulda, Ring u. Soyka 2019; Fulda, Ring u. Soyka 2019-1; vgl. auch: Fulda 2016. 437 Vgl. das Gemälde Otto Dix, Bildnis des Dichters Iwar von Lücken von 1926 (L 1926/8); Jeuthe 2011, S. 262 ff. 438 Vgl. Chemnitz 1940, passim. 439 Vgl. Lorenz 2013, S. 953; Schubert 2014, S. 122. 440 Vgl. Brief von Otto Dix an Martha, Nelly und Jan Dix, 4. September 1945, Otto Dix Stiftung 1945-9-4. 441 Vgl. Lorenz 2013, S. 954; Brief von Otto Dix an Martha, Nelly und Jan Dix, 4.9.1945, Otto Dix Stiftung 1945-9-4. 442 Vgl. Brief von Otto Dix an Martha, Nelly und Jan Dix, 15. September 1945, Otto Dix Stiftung 1945-915. 443 Dix 1945-1, oda. 444 Dix 1945-2, oda. 445 Vgl. Lorenz 2013, S. 954. Otto Dix: Madonna vor Stacheldraht und Trümmern mit Paulus und Petrus von 1945 (L 1945/1a). 446 Dix 1945-1, oda. 447 Brief von Otto Dix an Martha und Nelly Dix, 4. August 1945, Otto Dix Archiv 1945-8-4. 448 Vgl. Brief von Carl Bühler an Kultminister Theodor Heuss, 8. Dezember 1945, Otto Dix Archiv (ohne Signatur).

188 _ Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)

449 Brief des Kultministers Theodor Heuss an Carl Bühler, 17. Dezember 1945, Otto Dix Archiv (ohne Signatur). 450 Brief des Staatssekretariats für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns / Landesministerium für Kultus, Erziehung und Kunst, Denkmalpflege an das Gouvernement Régional Württemberg, Section des Beaux Arts, 26. Dezember 1945, Otto Dix Archiv (ohne Signatur). 451 Brief vom Le Chef de Bataillon ayzac / Chef d’Etat Major an Martha Dix, 22. August 1945, S. 2, Otto Dix Archiv (ohne Signatur). Übersetzung d. Verf: »Schutzbrief. Die Privatsammlung des deutschen Malers dix in Emmenhoffen bei Radolfzell steht unter dem Schutz der Militärregierung. In Anbetracht des künstlerischen Interesses dieser Sammlung werden die Militärbehörden gebeten, Frau dix, der verantwortlichen Vormundin, alle notwendige Unterstützung und den notwendigen Schutz zu gewähren, damit sie ihren Auftrag erfüllen kann.« 452 Brief von Otto Dix an Ursus Dix, 23. November 1946, Otto Dix Archiv 1946-11-23. 453 Vgl. Schubert 2019, S. 122. Im Kapitel »Dix nach 1945 in Ost und West« widmet sich der Autor der Dix-Rezeption der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik wie auch in der ddr.

454 Brief von Otto Dix an Hugo Simons, 6. Juni 1946, Otto Dix Archiv 1946-6-6. 455 Brief von Otto Dix an Ursus Dix, 18. August 1946, Otto Dix Archiv 1946-8-18. 456 Vgl. Lorenz 2013, S. 1000. 457 Zu den zivilgerichtlichen Prozessen, die Simons in Vertretung für Dix im Jahr 1926 unter anderem gegen den Sammler Jankel Adler führte, vgl. Lorenz 2013, S. 1000. 458 Otto Dix: Bildnis des Rechtsanwalts Hugo Simons von 1925 (L 1925/11). 459 »Vielleicht haben Sie gehört[,] dass ich dauernd während diesen 12 Jahren schikaniert wurde, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen durch die Gestapo[,] zu guter Letzt noch zum Volkssturm eingezogen und ein Jahr in französischer Kriegsgefangenschaft[.] Sie wissen wahrscheinlich auch[,] dass ich nicht ausstellen durfte die ganze Zeit[,] dass aber die Schweine es nicht unter ihrer Würde hielten[,] meine Arbeiten aus Museen in der Schweiz zu versteigern[.]« Dix 1946-2, oda. 460 Ibid. 461 Zum veristischen Neoexpressionismus vgl. Lorenz 2013, S. 954.

Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

Die Feststellung, dass die Porträtmalerei die prominenteste Gattung im Œuvre des Malers Otto Dix ist, steht in Zusammenhang mit der Popularität seiner Arbeiten aus der Weimarer Zeit. Dies zeigt sich sowohl in der Forschung, in deren Fokus noch immer Fragen um das soziokritische Œuvre der 1920er Jahre stehen, als auch in der Präsenz und Wertbeimessung der Werke auf dem gegenwärtigen Kunstmarkt.1 In diesem Zusammenhang ist folglich das Gros der Forschungsliteratur in Bezug auf die 1920er Jahre angesiedelt. Exemplarisch steht etwa der Beitrag maladadix, das junge rheinland und die neue malerei von Birgit Schwarz kurz vor der Veröffentlichung. Neben zahlreichen weiteren Publikationen und internationalen Ausstellungen zu diesem Themenspektrum machte auch das vormalige Forschungsprojekt neue sachlichkeit in dresden unter der Leitung von Birgit Dalbajewa die Brisanz der Werkphase deutlich.2 2011 erschien der gleichnamige Katalog, wobei die veristischen und neusachlichen Porträts im Rahmen der Forschung einen zentralen zeit- und ortsspezifischen Gegenstand darstellten. Der Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Kapitels ist der Binarität von kritischer Stellungnahme und konservativer Gestaltungsweise gewidmet, da sich das Werk von Otto Dix an der Verbindungslinie von soziokritischem Blick und konservativer Manier ansiedelt. Die Arbeiten sind insofern als progressiv zu erachten, als

190 _ Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

die Motive zeitkritisch geprägt sind. Daher findert zunächst eine Situierung von Dix’ Kriegsbezügen im Kontext seiner zeitgenössischen Kolleginnen und Kollegen statt. Stilistisch wiesen seine Arbeiten schon früh Rückbezüge zu Vorbildern seit der Frühen Neuzeit und Renaissance auf. Der Vergleich – etwa zum Wirken von Otto Griebel – eröffnet auch hierzu zeitreflexive Erkenntnisse. Indem das »linke Motiv« auf künstlerische Vorbilder verschiedener Jahrhunderte trifft, synthetisierte Dix zwei gegenläufige künstlerische Stränge.3 Ausgehend von Porträtdarstellungen, die als repräsentativ für den jeweiligen Zeitkontext zu betrachten sind, wird der Frage nach dem Vorkommen und Fortbestehen dieser Binarität bis in die Zeit des Nationalsozialismus nachgegangen. Da Dix in den 1920er Jahren zumeist die wenig privilegierte Gesellschaftsschichten abbildete, ergibt sich ein politisch zu lesender Antagonismus: Die Fokussierung sozialer Brennpunkte als zeitdokumentarisches Sujet in den Medien der Malerei, der Zeichnung und der Druckgrafik widerspricht einem idealisierten traditionsbezogen »deutschen« Ansatz, der sich per definitionem Gustav Friedrich Hartlaubs auf »das Gesunde, Körperlich-Plastische in reiner Zeichnung nach der Natur« stützte.4 Dabei entspricht Dix’ Malerei in der Verwebung von Traditionsbezug und Avantgarde sowohl dem von Hartlaub benannten »linken« als auch dem »rechten Flügel« der Neuen Sachlichkeit. Zugleich spiegelt sich die Diskrepanz derselben zueinan­ der.5 Dementsprechend wird hier die Verbindungslinie zwischen Dix’ Arbeiten und den kunst- und gesellschaftspolitischen Einflüssen in den Blick genommen, um seine zeitkritische und stilistisch konservative künstlerische Position zu kontextualisieren. Ausgehend von Themen der Nachkriegszeit wird das Typenporträt mutter und kind von 1921 analysiert und hieran Gustav Friedrich Hartlaubs Kategorisierung der politischen Flügel der Neuen Sachlichkeit darzulegen.6 Ferner steht die Rezeption von Dix’ zeitgenössischen Kritikern im Fokus der Betrachtungen. Hier sind exemplarisch Paul Ferdinand Schmidt, Will Grohmann und Carl Einstein zu nennen, die als Zeitgenossen des Malers die Rezeption seiner Arbeiten prägten. In diesem Kontext sind der Forschungsbeitrag von Uwe Fleckner carl einstein und sein jahrhundert. fragmente einer intellektuellen biographie von 2006 sowie Olaf Peters Beitrag otto dix (1891–1969) von 2002 besonders hervorzuheben.7 Das vorliegende Kapitel nimmt insofern gesteigert Bezug auf die Zeit der Weimarer Republik, als sich in dieser Schaffensphase neben dem Verismus auch die altmeisterlichen Bezüge im Werk von Otto Dix manifestieren. Die sogenannte Altmeisterlichkeit wird anhand von sorgfältig ausgewählten Selbst- und Familiendarstellungen im chronologischen Fortgang sowie vergleichend zu kunsthistorischen Beispielen beleuchtet. Grundlegend hierfür ist die Frage, inwiefern Dix’ Entwicklung Parallelen zum gesellschaftspolitisch erstarkenden Nationalismus aufweist und ob sie eine Adaption von Trends impliziert. Um die Genese künstlerischer Bezugnahmen im Werkzusammenhang zu ermitteln, werden Bezüge zum Frühwerk und damit zu zwei auf



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das Jahr 1912 datierten Selbstbildnissen hergestellt. Ferner finden die beiden elternbildnisse von 1921 und 1924 sowie das selbstbildnis mit jan von 1930 Beleuchtung, um schließlich auf das Sujet des Porträts zwischen 1933 und 1945 überzuleiten.8 Den Aspekt der Altmeisterlichkeit hat Birgit Schwarz wiederholt in ihrer wissenschaftlichen Arbeit herausgestellt und grundlegende Bezugnahmen des Malers diskutiert.9 Dix’ sukzessive Intensivierung der Altmeisterbezüge und schließlich die Hinwendung zur Landschaftsmalerei 1933 markieren einen Umbruch. Der Maler kehrte sich von seinen offensiv soziopolitischen Kommentaren ab, sodass das Gemälde bildnis frau rosa eberl von 1940 unter diesen Vorzeichen und im Kontext der Zeit des Nationalsozialismus analysiert wird. Aufgrund der immanenten stilistischen und kompositorischen Eigenschaften wird hier das Fortbestehen einer diskreten kritischen Kommentierung diskutiert. Inwiefern Gestaltungs- und Ausdrucksweise weiterhin als zeitlich und gesellschaftlich re­flexiv erklärbar sind, verhandelt das Unterkapitel »Ohne soziopolitische Tragweite. Unkritisches Porträt und Figurenbild ab 1933«. In diesem Zusammenhang wird auch das Gemälde der heilige lukas malt die madonna von 1942 eingeführt (Taf. 7). Da es sich sowohl um eine Selbstdarstellung des Malers wie auch um eine christliche Legende in einer politischen Krisenzeit handelt, wird Dix’ Einbindung christlicher Themen in den Blick genommen. Sein Œuvre erfuhr durch den um 1943 erfolgten stilistischen Wandel eine gänzlich neue Ausrichtung, wodurch der Übergang in die Nachkriegszeit respektive zum Spätwerk markiert ist. Motivisch handelt es sich vielfach um christliche Darstellungen mit zeitkritischen Bezügen. Darin wurden die während des Nationalsozialismus ausgeführten Gattungen der Landschafts- und Porträtmalerei sowie christliche Motive vielfach miteinander verschränkt. Somit wird der These nachgegangen, dass sich Dix mit dieser Ausdrucksform von der Altmeisterlichkeit emanzipierte und diese Entwicklung in eine neue Ausdrucksform mündete.

selbstreferenz als ausgangspunkt zeitund sozialkritischer perspektiven Bildnisse und Selbstbildnisse spielen eine wiederkehrende Rolle im gesamten Œuvre von Otto Dix. Kurt Friedrich Ertel (1919–1976) zufolge handelt es sich bei dem Selbstporträt um »[e]ine Verschmelzung von Objektivem und Subjektivem, autobiographisches Dokument, Beichte und ›monologisches Zwiegespräch‹. Mit ihm erhebt sich der Dargestellte über die Allgemeinheit, er setzt sich gegenüber der Welt gleichsam in Positur: so und nicht anders will ich gesehen werden«.10

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23  Otto Dix. arbeiterjunge im atelier 1914, Öl auf Papier, auf Pappe aufgeklebt, 98,5 × 77 cm, Altenburg, Lindenau-Museum

Demgemäß liegt dem Gemälde arbeiterjunge im atelier von 1914 ein autobiografischer und damit selbstreflexiver Bezug zugrunde (Abb.  23). Es sind Dix’ frühe Besuche im Naumburger Atelier seines Onkels Fritz Amann (1878– 1969), die hier thematisiert werden und während derer er selbst Modell gestanden hatte. Die Komposition der Bildgegenstände und die damit erzeugte beklemmenden Raumsituation um das Kind erwecken kaum den Wunsch, »selbst Maler zu werden« wie es in Dix’ eigener Erinnerung an das Atelier seines Onkels heißt.11 Das 1920 datierte Gemälde arbeiterjunge leitet dagegen nur indirekt zu autobiografischen Bezügen des Künstlers (Abb. 24). Dennoch lässt die Physiognomie der Jungenfigur mit ihrem agnostischen, durchdringenden Blick und der Stirnfalte deutliche motivische Parallelen zum frühen Selbstbildnis erkennen. Stellte sich der Maler hier eigens als arbeiterjunge dar, impliziert er die Zuschreibung seiner eigenen Vita in die sozialen Gegebenheiten, in denen er aufwuchs. Ob hierin tatsächlich ein Verweis auf die eigene Herkunft aus dem Proletariat und den familiären Zusammenhang als Sohn des Geraer Eisengussformers und dessen Gattin besteht, ist nicht belegt, aufgrund der motivischen Übereinstimmungen mit dem Selbstporträt von



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24  Otto Dix. arbeiterjunge 1920, Öl auf Leinwand, 86 × 40 cm, Kunstmuseum Stuttgart

1914 ist dies jedoch naheliegend. So lässt die Fokussierung bestimmter sozialer Milieus auf Dix’ selbstreflexiven Umgang mit seinem familiären und sozialen Hintergrund schließen, den Ludwig Justi als »aus dem vierten Stande hervorgegangen« auswies.12 Von Bedeutung ist hier die grundsätzliche wie werkspezifische Auseinandersetzung mit sozialen Milieus. In diesen Zusammenhang ist auch Dix’ politische Sozialisation zu fassen, die ihren Nährboden im Dresden der Weimarer Republik und in seiner Nähe zu zahlreichen linkspolitisch engagierten Künstlerfreundinnen und -freunden fand. Hierzu sind George Grosz, Otto Griebel sowie Conrad Felixmüller zu zählen. Im Hinblick auf die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten ist der soziologische Begriff des Proletariats zu eng gefasst. Da sich Künstlerinnen und Künstler vielfach mit der Arbeiterschicht solidarisierten, bietet sich hier der vom Kunsthistoriker Daniel Spanke angeführte Terminus »Prekariat« an. »[…] ›Prekariat‹ (eine Neubildung aus prekär = heikel, unsicher, misslich, und parallel zum politischen Kampfbegriff ›Proletariat‹)13 scheint deshalb beson-

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25  Otto Dix. der krieg 1924, Deckblatt, hrsg. v. Verlag der Galerie Nierendorf, Berlin 1924

ders geeignet zu sein, auch das Dasein der Kriegsverlierer der ersten Nachkriegszeit zu beschreiben, da er nicht wie der Begriff ›Proletariat‹ eine definierte ›Klasse‹ der Gesellschaft beschreibt, sondern vielmehr das durch große historische Umwälzungen kritisch gewordene Leben sozial durchaus unterschied­ licher Gruppen fassen kann. Nicht die Abstammung aus der Arbeiterschaft wird durch den Begriff hervorgehoben, sondern das Heikle und letztlich Unwürdige solcher Lebensumstände betont.«14 Über die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft hinaus rekurriert Dix mit seinen Motiven vielfach auf persönliche Erfahrungen während des Ersten Weltkriegs und danach. Das von Spanke benannte »Heikle« und »Unwürdige« bildet substanzielle Eigenschaften in Dix’ zeitreflexiver und -kritischer Gesellschaftswahrnehmung und Wiedergabe ab. Hierzu bemerkte Olaf Peters 2002, dass Dix als Künstler der Weimarer Republik »nur vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Malers im Ersten Weltkrieg verstanden werden« könne.15 Dix hatte sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet und wurde als Maschinengewehrschütze an der West- und Ostfront eingesetzt. Zwischen November 1915 und Dezember 1916 war er als Unteroffizier in den Stellungskämpfen in der Champagne, dem Artois, dem französischen Flandern und in beiden Großschlachten an der



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26  Otto Dix. kriegsverletzter 1922, Aquarell und Bleistift auf Papier, 48,8 × 36,9 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett

Somme.16 1918 zum Vize-Feldwebel befördert, begann er seine Ausbildung zum Flieger, ehe er im selben Jahr in seine Heimatstadt Gera entlassen wurde.17 Der Einfluss seiner Kriegserfahrung zeigt sich in einer Vielzahl kriegsbezogener Motive, mit denen Dix offenbar persönliche Situationen und Eindrücke wiedergegeben hat. Die Wahl entrückter, brutaler, schonungslos subversiver, von Zerstörung, Bedrohung und Miseren geprägter Motive stellt dabei ein Dix-spezifisches Wiedererkennungsmerkmal dar. Seit seinem Kriegseinsatz als Reserveoffizier und anhand der zu dieser Zeit entstandenen Zeichnungen zeigt sich die anhaltende künstlerische Auseinandersetzung mit dem Krieg und seinen Folgen, die seine inhaltlich-künstlerische Ausrichtung anlegt.18 Die im Tagebuch enthaltenen Zeichnungen dienten als Vorlagen für die Darstellungen in der Radiermappe der krieg und belegen die These von der persönlichen Betroffenheit und Auseinandersetzung (Abb.  25). Deutlich werden die konkreten Bezüge anhand von Veteranendarstellungen und ihrer städtischen Lebenswirklichkeiten in der Nachkriegszeit. Kriegsverletzungen mit aufklaffenden Wunden sowie entstellte Körperteile veranschaulichen die physischen Auswirkungen, wie die aquarellierte Bleistiftzeichnung kriegsverletzter von 1922 zeigt (Abb. 26).

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27  Otto Dix. pragerstrasse 1920, Öl und Collage auf Leinwand, 100 × 80 cm, Kunstmuseum Stuttgart

Die Orientierung an Menschen, ihren Milieus und Geschichten in außergewöhn­ lichen, vielfach verstörenden Szenarien ist ein Charakteristikum von Dix’ Arbeiten und kennzeichnet seine Hauptgattung dieser Zeit – das Porträt und Figurenbild. Peters benennt mit Verweis auf den werkimmanenten, provokativen Effekt ferner Dix’ Äußerung gegenüber Conrad Felixmüller, »welch unbeschreibliches Gefühl es evoziert, dem Gegner das Bajonett in den Körper zu stoßen«.19 Mit dem implizit aggressiven Tenor gehen verstörende Darstellungen des Krieges einher, die spiegelbildlich jene subjektiven Erfahrungen des Malers transportieren und visualisieren. Insofern ist den Kriegsbildern über die hier angezeigte Wollust hinaus eine persönliche Erschütterung zuzuschreiben. Da Dix Wilhelm Dodel sagte, dass es Kriegsmaler brauche, und damit sowohl auf die Dokumentation als auch den Kommentar verweist, ist es nahe­liegend, das von Peters angeführte Zitat gar als Aufschneiderei zwischen Freunden zu begreifen ist.20 Es waren eben diese ungeschönten Milieu- und Kriegsdarstellungen sowie explizit kritische Stimmen gegen die nsdap, die mit erstarkenden nationalsozialistischen Tendenzen zunehmend in den Negativ-Fokus gedrängt



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wurden und bereits während der Weimarer Republik als »Kulturbolschewismus« diskreditiert wurden. So sind es auch »völkische« Stimmen wie jene des Zwickauer Sprechers des kampfbundes für deutsche kultur, Dr. Karl Zimmermann, den Paul Westheim im kunstblatt 1930 zitierte. Als »[Kult] des Untermenschentume[s] der Kollwitz, Zille, Barlach« geringschätzte der Sprecher die soziokritische Moderne: »in dem Kulte des ethischen Nihilismus, wie er uns in den Machwerken der Dix, Hofer, Grosz entgegen grinst. Das sind auch keine Gesellschafts­satiren, […] das ist nackte Freude am Gemeinen und ethisch Negativen, das nur ekelt. Und vor diesen gezeichneten Zoten, diese ›Gräfin‹ von Dix, vor diese Bordelltypen von Grosz […] sollen Lehrer Schulklassen […] führen.«21 Eine weit weniger realistisch angelegte, den Stilpluralismus dieser Phase widerspiegelnde Werkgruppe ist die der dadaistischen Arbeiten. Zu Beginn der 1920er Jahre gefertigte Straßenszenen wie prager strasse von 1920 oder kriegskrüppel von 1920 zeigen den kubistisch wie dadaistisch beeinflussten kubofuturistischen Stil (Abb. 27, Abb. 11).22 Sie bilden die Vorstufe zu den frappierend realitätsnahen, neusachlichen Darstellungen der physischen und gesellschaftlichen Folgen des Krieges ab, in deren Folge die für Dix signifikanten Typenporträts derselben Werkphase entstanden. Sein Fürsprecher Paul Ferdinand Schmidt charakterisierte die dadaistischen Anklänge als »grausame Zeitbilder, die eine sehr besondere und schlagkräftige Abart des Positivismus darstellen […], die alle Scheußlichkeiten von Blut, Elend, Prothesenexistenz und greller Unmittelbarkeit bis zu aufgeklebten Details in größte Sinnesnähe rücken«.23 Der so zum Ausdruck gebrachte künstlerische Fokus auf wenig repräsentative Zustände und dorthin, wo lebensfeindliche Situationen und Zustände existieren, speist sich zugleich aus dem Motiv und seiner Gestaltung. Der Mensch, seine endliche Existenz und soziale Verhaltensweisen – so etwa die Grausamkeiten des Krieges und daraus resultierende menschliche »Abgründe« – faszinierten Dix. Mit den Folgen des Krieges setzten sich auch künstlerische Persönlichkeiten wie George Grosz oder Käthe Kollwitz (1867–1945) auseinander. Die 1924 für die künstlerhilfe erschienenen Mappe krieg enthält Grafiken, die vergleichbar sind mit der Dix’schen Unmittelbarkeit und seiner an die Betrachtenden adressierten Darstellung der Gewalt.24 So stellt Rudolf Schlichters (1890–1955) Motiv in allen Bildgründen die Opfer des Krieges in Gestalt von Verwundeten, Toten, Totenschädeln und Leichenfragmenten dar, die wie zerstreut zwischen Granattrichtern, zer-

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brochenen und abgebrannten Bäumen auf der Erde liegen. Willibald Krain hingegen zeigte einen Leichnam im Close-up, dessen Leib von einem Pfahl durchstoßen und buchstäblich zwischen Stacheldraht gefangen ist. Die Gewalt und das mit dem Kriegsgeschehen einhergehende Leid sowie die physische Verletzlichkeit und Endlichkeit werden im Sinne des memento mori durch den toten Soldaten verkörpert.25 Die im Kontext einer separaten Mappe im Frankfurter Taifun-Verlag erschienene Lithografie von Otto Nagel – er war neben Erwin Piscator (1893–1966) der Initiator der künstlerhilfe – zeigt den Querschnitt eines Kriegsgrabes, in dem neun Soldaten beerdigt sind. Unter einem Kreuz, das mit einem Stahlhelm bekrönt, von einem Eisernen Kreuz geprägt und in die Erde gepflockt ist, sind unterirdisch die durcheinandergewürfelten Leiber der Toten sichtbar. In kauernder, teils verdrehter und ineinander verhakter, menschenunwürdiger Pose sind die reglosen Körper schonungslos wiedergegeben. Dix’ Themen mit ihren unmittelbaren Kriegbezügen kommt folglich keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal zu. Vielmehr ist die Druckgrafik-Mappe ein kooperativ publiziertes Medium, das die solidarischen, sozialen und künstlerischen Ansätze sowohl ideell als auch motivisch verbindet.26 Im Zusammenhang mit Kriegsdarstellungen und soziokritischen Typenporträts sowie stilistischen, inhaltlichen und motivischen Parallelen ist Dix’ Dresdner Zeitgenosse Otto Griebel ein besonders treffendes Vergleichsbeispiel. So stellt die Äußerung, die Will Grohmann im kunstblatt hinsichtlich einer Herbstausstellung der Galerie Neue Kunst Fides 1927 machte, Griebel als »Dix[’] kongeniale[n] Analytiker des sozialen Lebens mit einem politischen Nebenakzent« dar.27 Die Gemeinsamkeiten liegen bereits in der Ausbildung begründet. Die Maler hatten einander 1909 während eines Zeichenkurses bei Richard Guhr (1873–1956) an der Dresdner Kunstgewerbeschule kennengelernt und waren sich 1916 auf dem Kriegsfeld in der Nähe der Loretto-Höhe in Frankreich wieder begegnet.28 Gemeinsam mit Serguis Winckelmann (1888–1949) hatten sie 1921 zum Gauklerfest der Akademie, wo beide zu diesem Zeitpunkt studierten, die Zeitschrift der moloch herausgegeben. Miteinander bekannt waren sie auch aufgrund der literarischen Abende bei Viola Schulhoff und ihrem Bruder Erwin Schulhoff (1894–1942), der Mitwirkung in der Dresdner Dada-Gruppe seit 1919 oder der Künstlergruppe junges rheinland.29 Zudem verband beide Künstler die Bekanntschaft mit George Grosz. Anders als Dix war Griebel Mitglied verschiedener kommunistischer und politischer Vereinigungen wie der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands und engagierte sich ferner für die internationale arbeiterhilfe sowie die rote hilfe. Auch George Grosz war politisch aktiv und Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands.30 Ferner bestand eine Anbindung an entsprechend kommunistisch ausgerichtete Künstlergruppen wie die rote gruppe, deren erstes Interesse in der politischen Agitation bestand und zu deren aktiven Mitgliedern auch John Heart-



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28  Otto Griebel. vergastes m.g.-nest 1926, Aquarell, 50 × 75 cm, 13. Februar 1945 im Atelier des Künstlers verbrannt

field, George Grosz, Erwin Piscator und Rudolf Schlichter (1890–1955) zählten.31 Besonders erwähnenswert sind Griebels Gründungsmitgliedschaft in der Dresdner Gruppe assoziation revolutionärer bildender künstler deutschlands 1929, der Künstlergruppe aktion 1930 sowie der dresdner sezession 1932.32 Anhand dieser exemplarischen politischen Engagements wie auch an der Beteiligung an kommunistischen Presseorganen zeigte sich die politische Ausrichtung Griebels, die sich auch in seinen Arbeiten widerspiegelt, in denen Kriegsgeschehnisse nicht als heroische Ereignisse, sondern als Gräuel dargestellt sind. Das auf 1926 datierte, jedoch am 31. Februar 1945 im Atelier des Künstlers verbrannte Aquarell vergastes M.G.-nest zeigt eine dem Dix’schen Kriegsrealismus entsprechende Szene von vier Soldaten, deren Besonderheit in ihrer porträthaften Darstellung besteht (Abb. 28).33 Auf dem Erdwall im Vordergrund ist ein Schütze am Maschinengewehr im Profil gezeigt, dahinter im rechten Bildfeld drei kauernde, hintereinandergestaffelt gezeigte Kameraden, von denen die Physiognomien der beiden vorderen wie in Trance erscheinen. Die mit Stahlhelmen ausgestatteten Soldaten sind auf das anvisierte Ziel konzentriert. Die zerstörte Hintergrundlandschaft, bestehend aus Ruinen und kargen, abgebrannten Baumstümpfen, impliziert die schutzlose Umgebung und visualisiert zugleich die Brutalität des Kriegsgeschehens, in dem Tod und Überleben eine Gratwanderung beschreibt. An Darstellungen wie die überlebenden von von Käthe Kollwitz (1924) ist eine motivische und formalästhetische Diskrepanz gegenüber Dix’ vehementen Schlachtfeld-Motiven wie der Radierung mahlzeit in der sappe von 1924

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29  Käthe Kollwitz. die überlebenden 1924, ohne weitere Objektangaben, erschienen in der Grafikmappe: krieg Gesamterlös für die Künstlerhilfe und die Kinderhilfe der Internationalen Arbeiterhilfe

erkennbar (Abb. 29, Abb. 30).34 Kollwitz’ Figurengruppe zeigt drei Personen, wobei ein Kind von zwei gebeugt stehenden, um eine Gabe flehenden, von Armut und Hunger gezeichneten Personen gerahmt wird. Die Augen der erwachsenen Gestalten sind geschlossen und ihre Haltung derart gebeugt, dass ihre existenziell bedrohte und gesellschaftlich benachteiligte Position unmittelbar zum Ausdruck kommt. Der Schädel des Kindes sticht als helles Element aus der dunklen Rahmung der umgebenden langen Gewänder seiner Nachbarn hervor, sodass die Ausgezehrtheit besonders unterstrichen wird. Im Motiv zeigt sich deutlich die gesellschaftskritische Ebene der Darstellung, indem das sprachlose Leid als Folge des Krieges gespiegelt wird. Kollwitz nahm sich der Kriegsthematik mit empathischem Blick an, ohne konkrete Schlachtfeldszenen oder Darstellungen blutrünstiger Gewaltakte einzubinden. Die Künstlerin verwendete hingegen eine an den menschlichen Schicksalen als Reflexion der Kriegsfolgen orientierte Perspektive.35 Demgegenüber präsentierte Dix vielfach konkrete Szenen des Kriegsschauplatzes, deren Brisanz dadurch verstärkt wird, dass er auf die subjektiven Erfahrungen



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30  Otto Dix. mahlzeit in der sappe (lorettohöhle), 1924, Radierung, 14,7 × 19,8 x cm

an diesem gewaltsamen, todbringenden Ereignis verweist. Gezeigt ist der Künstler selbst während des Essens, in der Sappe als unmittelbarer Umgebung des Laufgrabens kauernd. Frontal gezeigt blickt der Soldat die Rezipierenden mit entsetzten Augen an, während er die Nahrung zum ebenso aufgerissenen Schlund führt. Furcht und Drangsal zeichnen die Physiognomie, die sowohl Bedürftigkeit, Hunger als auch den physische Mangel zum Ausdruck bringt. Darüber hinaus wird das Selbstbildnis durch die kauernde Haltung, die schräge Kappe auf dem Haupt und die vom umliegenden Geröll des Grabens verdreckte Bekleidung konstituiert. Ein heroisches Abbild des Krieges könnte sich vom hier gezeigten kaum stärker unterscheiden. Die Figur ist in eine zerstörte Landschaft gebettet, wobei der Untergrund keinen eindeutigen Aufschluss über die Materialität bietet. Unklar ist, ob es sich um Erde, Maschinenteile, Wasser, Blut oder anderes Organisches handelt. Die bildimmanente Morbidität wird einerseits durch diese materialspezifische Undefinierbarkeit erzeugt und andererseits anhand des im rechten Bildfeld, neben dem Kauernden, in Fragmenten abgebildeten und in den Erdboden integrierten Schädel und Knochen visualisiert. Ein Abbild der zurückliegenden Kameradschaft und der allgegenwärtigen Vergänglichkeit. Der bedrohliche Eindruck wird durch die wellenförmige, unregelmäßige Anordnung der Sappe verstärkt, die die Figur umgeben und ambivalent zwischen Schutzfunktion und Bedrohung changiert. Hieran wird deutlich, in welcher Umgebung die Figur sich befindet: dort, wo Essen möglich ist – im Graben. Dieser Eindruck wird umso stärker, als dass es sich um den Moment der Befriedigung eines Grundbedürfnisses handelt, der unausweichlich in einer unmenschlichen Umgebung stattfinden muss.

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Neben der zeitpolitischen Ebene offenbart sich an der bei Nierendorf verlegten Radiermappe der krieg eindrucksvoll Dix’ Bezug zu Francisco de Goyas 82 Aquatinta-Radierungen desastres de la guerra (1810–1814) und damit zum Gewaltvollen des Krieges. Unmittelbar beeinflusst von den Jahren 1914 bis 1918 brachte Dix seine persönlichen Fronterfahrungen in unterschiedlichen Radiertechniken zum Ausdruck. Darin widerspiegelt sich die Anlehnung an Goya sowohl in der Vielzahl der Blätter als auch in der motivischen und ausdrucksspezifischen Schärfe.36 Im Unterschied zur Drastik bei Dix thematisierte Käthe Kollwitz in ihren Porträts Schrecken, Krankheit, Armut, Trauer und Entbehrung anhand der Köperhaltung und der Typisierung der porträtierten Menschen. Zur Vergegenwärtigung der Kriegsfolgen bedurfte es dabei keiner Zurschaustellung von Gewaltakten, Trümmern, Zerstörung oder zerfetzten menschlichen Körpern auf dem Schlachtfeld. Die Darstellungsweise ist subtiler, mit dem Fokus auf Leidens- und Trauer-Konnotationen wirksam und damit kontrastierend zu Dix’ Darstellungen. Er gesatltet die Themen in präziserer Form und provokativ in der Figuration. Motivische wie auch formalästhetische Faktoren spielen jeweils eine wichtige Rolle in der Zurschaustellung von Dix’ persönlicher Erfahrung. Die Nähe zu Gefahr und Tod an der Front offenbart sich etwa in der Physiognomie des angeführten Selbstporträts in der Sappe, im kauernden Leib und auch in seinem buchstäblichen Nachbarn, dem Tod als einem zerstückelten Skelett. Die unmittelbare Nähe zwischen dem Motiv und den Rezipierenden führt zu einer unausweichlichen Konfrontation mit dem Dargestelltem. Dies funktioniert trotz der Unterschiede in Größe und Technik der verschiedenen Bildträger und in unterschiedlicher Form sowohl bei den Radierungen zum Mappenwerk der krieg als auch bei großformatigen Gemälden wie dem gleichnamigen Triptychon von 1932. Die Radierung mahlzeit in der sappe und ihr Objektmaß 19,6 × 29 cm unterscheidet sich maßgeblich in Technik, Farbigkeit, Größe und Wirkung von Gemälden wie dem in der Galerie Neue Meister der Staatliche Kunstsammlungen Dresden befindlichen Triptychon der krieg mit seinem vergleichsweise gewaltigen Ausmaß von 264 × 408 cm (Taf. 4). Die kleinformatige Grafik mit ihrer Unmittelbarkeit der Bildmotive eröffnet den Betrachtenden demgegenüber einen voyeuristischen, nahezu intimen Einblick, wobei das Gesehene wie durch ein Nadelöhr betrachtet wird. Demgegenüber laden die großformatigen, im Duktus üppig und ausladend konzipierten Gemälde vielmehr zur Imagination einer aktiven Partizipation am dargestellten Geschehen ein. Aufgrund der lebensgroßen Menschenbilder wird der Anschein erweckt, direkt in das jeweilige Bild integriert zu sein. Durch Porträtdarstellungen wie jenes Selbstbildnis auf der rechten Seitentafel des Triptychons, das Dix’ Antlitz abermals en face mit den Betrachtenden verknüpft und sie somit in das gezeigte Geschehen einbindet, wird ein direkter Bezug hergestellt. Dabei geht die Wirkung mit einer neusachlichen Detailgebundenheit,



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der realistisch angelegten Gestaltung der frappierenden Kriegsszenarien einher. Existenzielle menschliche Krisen- und Katastrophensituationen spiegeln sich so in der Wiedergabe offener Wunden und zerfetzter Leiber wider. Zugleich geht von ihnen eine Faszination an der Schnittstelle der Darstellungen von Gewalt, Ekelerregendem, normativ Unzeigbarem und der Rezeption dieser Aspekte aus.37 Offensiv verstörende Elemente zählen ebenso zum Motivrepertoire wie als ambig zu charakterisierende meteorologische und atmosphärische Phänomene. Durch diese Melange unterschiedlicher Faktoren – Objektmaß, Motivgröße, -anordnung, -gestaltung, das ambige Oszillieren zwischen Voyeurismus und Abschreckung – wird eine emotionale Reaktion der Rezipierenden intensiviert, wie Meier-Graefes Bewertung des schützengrabens als »infam« zeigte. Dies stellt eine besondere Eigenschaft und Qualität von Dix’ Malerei dar, der 1964 selbst zur Rezeption und seinem Interesse am Kriegs-Triptychons bemerkte:38 »Natürlich hatte ich beim Malen des Triptychons nicht die Absicht, Angst beim Beschauer zu wecken. Das Bild entstand zehn Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Ich hatte während dieser Jahre viele Studien gemacht, um das Kriegserlebnis künstlerisch zu verarbeiten. 1928 fühlte ich mich reif, das große Thema anzupacken, dessen Gestaltung mich mehrere Jahre beschäftigt hat. In dieser Zeit übrigens propagierten viele Bücher ungehindert in der Weimarer Republik erneut ein Heldentum und einen Heldenbegriff, die in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges längst ad absurdum geführt worden waren. Die Menschen begannen schon zu vergessen, was für ein entsetzliches Leid ihnen der Krieg gebracht hatte. Aus dieser Situation heraus entstand das Triptychon. Ich wollte ganz einfach – fast reportagemäßig – meine Erlebnisse der Jahre 1914 bis 1918 zusammenfassend sachlich schildern und zeigen, dass echtes menschliches Heldentum in der Überwindung des sinnlosen Sterbens besteht. Ich wollte also nicht Angst und Panik auslösen, sondern Wissen um die Furchtbarkeit eines Krieges vermitteln und damit Kräfte der Abwehr ­wecken.«39 Mit dem Verweis auf das »Heldentum« und den »Heldenbegriff« in den 1920er Jahren kommentiert der Maler hier zugleich den erstarkenden Nationalismus in dieser Zeit. Gegenüber dem Krieg und den selbst erfahrenen Gräueln verhält er sich kritisch ablehnend und bringt damit seine politische Aussage zum Ausdruck. Entsprechend bezeugt Dix’ Desillusionierung die von Leid und Gewalt geprägte Erfahrung, die im Gegensatz zu heroischen Kriegsdarstellungen steht und eher mit pazifistischer Konnotation gegenüber Kriegen und ihren Folgen lesbar ist. Patriotismus ist dem Maler anhand dieses Stadpunktes kaum zuzuschreiben; vielmehr

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verweist er auf das Unmenschliche, das durch seine Darstellung zum Ausdruck gebracht wird und zugleich Menschliches in sich birgt.

soziale milieus als politisches statement. das zeitkritische typenporträt »Ich war immer für Typen. Die Gassen, die Cafés – da fand man alles. […] Das Triste, das Alltägliche hat mich gereizt.«40 So beleuchtete Dix stets charakteristische Eigenschaften von Menschen und arbeitete sie besonders heraus, um etwa die Tragik, das Verblüffende oder aber ihre gesellschaftliche Stellung in überzeichneter Manier herauszustellen. Dabei bildete er Menschen realitätsnah und damit als individuell gestaltete Figuren ab, die nicht einem normativen bürgerlichen Idealtypus entsprachen. Die vielfach karikierende Wirkung ist ein charakteristisches Gestaltungselement. Dabei modellieren sowohl die Gestaltung der jeweiligen Person inklusive der ihr zugeschriebenen Attribute und Staffage als auch der motivische Hintergrund, in den sie gebettet ist, zentrale Momente für die Bildkonzeption und -rezeption. In diesem Zusammenhang ist auch Carl Einsteins Erläuterung zu Dix’ Porträtdarstellungen von 1923 zu betrachten, da der Kunsthistoriker sowohl des Malers Fokussierung als auch die Überzeichnung seiner Zeitgenossen beschreibt: »Dix tritt in dieser Zeit, die nur Persiflage einer solchen ist, entschlossen und technisch gut montiert in den geblähten Bauch, erzwingt von ihr Geständnisse über Schutzhaftigkeit und zeigt aufrichtig ihre Menschen, deren gerissene Gesichter zusammengeklaute Fratzen grinsen. […] Er hat das arrogant Widerliche gefunden, das […] in dummbiederen Sätzen betrügt und mit devisenheißem Gesäß eine brüchige Situation verteidigt; er gibt dem Kitsch den Kitsch zurück. […] Dix erkannte richtig, dass nicht der Zufallsmörder besonders gefährlich ist; beinstellend und knochenbrechend gleiten die Herren und Damen der korrekt legitimen Niedertracht.«41 Diese zeitspezifischen Darstellungen stehen im reziproken Zusammenhang mit dem zuvor besprochenen Ersten Weltkrieg, dessen Ende sowie der Gründung der Republik und den daraus hervorgehenden Themen. Darüber hinaus nahm Dix verschiedene andere Milieus in den Blick. Wesentlicher Bestandteil sind die von Armut gezeichneten Bereiche der Gesellschaft. Wie Andrea Zupancic in ihrem Aufsatz die darstellung von armut in der deutschen kunst des zwanzigsten jahrhunderts treffend beschreibt, handelt es sich bei der »Armut an sich« nicht um einen darstellbaren Begriff.



Soziale Milieus als politisches Statement. Das zeitkritische Typenporträt _ 205

31  Otto Dix. bettlerin 1924, Lithografie, 37,5 × 24,5 cm / 49,5 × 32,5 cm

»[S]ie manifestiert sich an denen, die sie erleiden, an ihrer Lebenswelt und den durch sie bedingten Abläufen und Ereignissen. Als abstrakter Begriff bedarf Armut im Sinne ihrer Abbildbarkeit insofern des Gegenstands, der von ihr kündet, und so ist es auch im zwanzigsten Jahrhundert mit seinen vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen in erster Linie die dem Gegenständlichen verpflichtete Kunst, in der die Motive der Armut ihren Niederschlag finden.«42 Die Autorin bietet einen kurzen Überblick zur Genese von Armut in künstlerischen Darstellungen seit dem 16. Jahrhundert und verweist auf den Wandel um die Wende ins zwanzigste Jahrhundert, als »[…] erstmals eine gewollt sozialkritische, politisch ambitionierte Kunst [entstand], als deren Protagonisten die in Berlin arbeitenden Künstler Heinrich Zille, Hans Baluschek und Käthe Kollwitz zu nennen sind«.

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32  George Grosz. hunger 1924, Umdruck- oder Fotolithografie, 36,2 × 24,8 / ca. 49 × ca. 33 cm

Neben dem bereits angeführten Kriegs-Konvolut für die künstlerhilfe erschien 1924 eines mit dem Titel hunger im Neuen Deutschen Verlag, dessen Zweck ebenso in der solidarischen Unterstützung – in diesem Fall für die internationale arbeiterhilfe – bestand.43 Darin wurde die Lithografie bettlerin von Otto Dix (1924) verlegt, die das schemenhaft skizzierte Porträt einer im Dreiviertelprofil dargestellten Frau zeigt, wie sie an einem Zaun sitzt, eine kleine Bettelschale in ihrer Rechten hält und ihr von Hunger und Alter gezeichnetes Gesicht leicht gen Himmel richtet (Abb. 31). Die Wangen sind eingefallen, die Augen weit aufgerissen.44 Die Darstellung ist insofern vergleichbar mit der Druckgrafik hunger von 1924 von George Grosz, als die darin gezeigten Physiognomien des Mädchens, eines Mannes sowie einer Frau, die an einem Schaufenster stehen und mit hungrigen Antlitzen die ausgestellten Lebensmittel beschauen, ebenso ausgezehrt sind wie in Dix’ Darstellung (Abb. 32).45 Grosz versieht sein Bildpersonal mit scharf definierten Wangenknochen, durch die Mäntel zeichnen sich die Rippenbögen ab und ihre Blicke spiegeln die Bedürftigkeit, den Hunger und die Armut in einer Mangelgesellschaft. Auch in dieser Mappe sind unter anderem Grosz, Kollwitz und Zille jeweils



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mit einer Lithografie vertreten. Die Beteiligung der Künstlerinnen und Künstler an diesem sozial orientierten Projekt impliziert ein politisches Statement und Solidarität mit jenen Menschen in prekären Lebensumständen. Selbst wenn Dix konkrete (partei-)politische Aussagen vermied und es damit schließlich ablehnte, seine Kunst als politisch zu kategorisieren, implizieren die vielfach dargestellten benachteiligten Gesellschaftsschichten doch eine politische und vor allem kritisch kommentierende Aussage. Zudem war Dix zeitweise Mitglied der dresdner sezession 1919 und unterhielt Verbindungen zu linkspolitischen Künstlergruppen wie der assoziation revolutionärer bildender künstler deutschlands. Zwar war er nicht Mitglied linkspolitischer oder gar -radikaler Gruppen, welche die sozialdemokratische Politik der Republik in Zweifel zogen und sie als reaktionär ablehnten, allerdings unterstützte er die nicht privilegierten Menschen der Gesellschaft.46 Wenngleich Dix keine offensive politische Zugehörigkeit forcierte, reflektierte er dennoch gesellschaftliche Zustände und politischen Entwicklungen. Dies wie auch eine Kapitalismus-Kritik wird an seinen veristischen Arbeiten der 1920er Jahre, persönlichen Stellungnahmen sowie einer Notiz aus dem Kriegstagebuch des »Utffz. dix Feld.mg.zug 390« (1914) deutlich: »Früher führte man Kriege um der Religion willen, heute um des Handels und der Industrie (Geld) willen – Rückschritt.«47 Um 1921 begann der Maler gezielt Techniken der Renaissance in seinen Werkentstehungsprozess einzubeziehen, wie etwa die Lasurtechnik in frau mit kind (Abb. 3) zeigt. Das Gemälde aus dem Jahr 1921 spiegelt das Thema der Armut in einer vielschichtigen, zugleich subtilen und aufgrund der altmeisterlichen Gestaltungsweise. Im Bildzentrum ist das Dreiviertelporträt einer im Halbprofil stehenden Frau angeordnet, die ihren Säugling auf dem Arm trägt. Das Kind ist im gegenläufigen Halbprofil gezeigt und adressiert die Betrachtenden direkt mit seinen weiten, dunklen Augen. Seine Mutter blickt abwesend ins Leere, während sie ihr Kind hält und mit ihrer Hüfte stützt. Unterhalb ist ihr gewölbter Bauch erkennbar, sie ist schwanger. Das Figurenpaar ist im finsteren Winkel eines Hauses lokalisiert. Zu ihrer Linken treten die beschädigten Steine der Hausfassade hervor, während unmittelbar im Hintergrund ein Fenster angeordnet ist, dessen dunkle Scheiben jedweden Blick ins Hausinnere verhindern. Die farblos wirkende Gestaltung in Kombination mit einer fluchtenden Achsenkomposition setzt die Mutter mit ihrem Kind in das Umfeld einer düsteren, vom Verfall geprägten Architektur. Visuell ist das Paar somit buchstäblich in die (Haus-)Ecke gedrängt, wobei die Anordnung mit den übrigen kompositorischen und motivischen Eigenschaften zu einer Übersteigerung der trostlosen Bildwirkung führt. Das Inkarnat wie auch die Physiognomie beider Figuren stechen hervor. Sie sind jeweils mit filigranen Gesichtszügen ausgestattet und weisen in ihrem Ausdruck

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zugleich eine starke Übersteigerung auf. Dix ist so gekonnt mit der Lasur verfahren, dass das Inkarnat nahezu transparent erscheint. Ein feines, zerbrechliches Lächeln umspielt die Mundpartien beider Figuren, das aufgrund ihrer Ausdrucksweise und physischen Beschaffenheit sowie im Zusammenspiel mit der düsteren Umgebung tiefe Traurigkeit transportiert. Blaue Adern durchziehen das blasse Inkarnat wie Risse. Diese Marmor-Assoziation wird wiederum durch die stark definierten Wangenknochen und deutlich hervortretenden Augenpartien unterstrichen. Das Haupt des Kindes erweckt den Anschein der Fragilität und erinnert aufgrund der durchscheinend hellen Haut und der feinen Äderchen an Porzellan. In der Gesamtkomposition erscheinen die bleichen, ausgezehrten Häupter wie Totenschädel. Der schmale Kopf der Frau steht dabei in krassem Gegensatz zu dem wuchtigen Kinderkopf. Bräunliche Schattierungen, die das dunkle, neusachlich-farblose Kolorit der Gesamtsituation in sich aufnehmen, unterstreichen die gezeichnete Physiognomie der Mutter wie auch ihres Kindes. Ihre Hand, die den Rumpf des Kindes fasst, ist entgegen der Zartheit ihrer übrigen Gestalt kräftig modelliert. Es ist ein starker Griff, der das Kind hält und grobe Adern zeichnen die Hautoberfläche. Das Motiv der Hand hebt Dix vielfach durch Überproportionalität und eine besondere strukturelle Gestaltung hervor. In der Pointierung konnotiert er dieses Element symbolisch und politisch etwa im Sinne von Zuschreibungen der Arbeiterklasse. Thomas Ahbe skizziert in seinem Beitrag der handschlag als symbol in der politischen kommunikation deutschlands die Indienstnahme der Hand respektive den Handschlag als politisches Ausdrucksmittel in unterschiedlichen systemischen Zusammenhängen.48 Zwar entspricht der Handschlag-Gestus nicht dem Motivrepertoire von Otto Dix, allerdings ist die politische Zuschreibung und Relevanz der Hand im historischen Zusammenhang auf seine Themen übertragbar. Grund hierfür ist, dass Dix die Hände der von ihm Porträtierten meist besonders prononcierte. Zur Zeit der Weimarer Republik und auch des Nationalsozialismus in Deutschland erscheint dieser Kunstgriff besonders relevant, da sich Deutschland im systemischen Wandel von der Kaiserzeit und damit der Monarchie hin zur Republik und schließlich von der Demokratie in die Diktatur befand. Die Hand war in allen politischen Kontexten ein starkes ikonografisches Element zur politischen Repräsentation. So schreibt Ahbe, dass das Handschlagssymbol »seit Mitte des 19. Jahrhunderts […] auch in der deutschen Arbeiterbewegung ein wichtiges Erkennungszeichen [wurde]. Es kommunizierte die Überzeugung, dass die Verbesserung der Lage der Lohnarbeiterschaft nur mit der aus ihrer Einigkeit entspringenden Stärke zu erzwingen sei. Das von Friedrich Engels und Karl Max 1848 verfasste Manifest der Kommunistischen Partei endet mit der Losung: ›Proletarier aller Länder: vereinigt Euch!‹ Einigkeit wurde in vie-



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33  Otto Dix. bildnis der eltern ii 1924, Öl auf Leinwand, 118 × 130,5 cm, Hannover, Sprengelmuseum

len Texten beschworen- und ikonografisch im Schriftgut der Bewegung auch immer wieder durch das Handschlagssymbol. Es findet sich im Emblem der 1848 gebildeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung und gehört zum Symbol-Kanon der Arbeiterbewegung«.49 In diesem Zusammenhang ist die Hand folglich als Symbol des Proletariats lesbar. Dix’ eigene Herkunft und Nähe zur Arbeiterschicht spiegelt sich insbesondere in den gestalterischen Zuschreibungen der Porträtierten wieder. Den Fokus auf die Hände seiner Protagonisten zu legen wie anhand des bildnis der eltern ii von 1924 visualisiert, ist eine Dix’sche Manier (Abb. 33).50 Das ältere Paar ist prominent im Bildzentrum auf dem Sofa in seinem Geraer Wohnhaus platziert. Beide sitzen den Betrachtenden en face und in leichter Untersicht gegenüber, wobei Luises Kopf zur rechten gewendet und im Halbprofil gezeigt ist. Das Abbild von Dix’ Vater Franz blickt wie in sich gekehrt aus dem Gemälde heraus. Beide wirken unbewegt und die Hände sind jeweils vor dem Körper auf dem Schoß beziehungsweise dem Sofa ruhend platziert, als würde das Paar seine Hände demonstrativ zeigen wollen. Der Maler übersteigerte die Hände seiner Eltern proportional in Größe und Aus-

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modellierung. Sie weisen ein stark ausgeprägtes Hell-Dunkel auf, sind muskulös und von grober Struktur, sodass die Gelenke stark betont sowie von festen Adern durchzogen sind. Hierin wie auch in der müden Mimik sind ihre körperliche Arbeit, Mühsal und Erschöpfung zum Ausdruck gebracht. Auch ihre Bekleidung weist auf ein einfaches Leben hin, in dem Wohlstand keine eigentliche Rolle zu spielen scheint. Somit geben neben den Physiognomien und der Bekleidung insbesondere die Hände Aufschluss über die Themen des Gemäldes. Die reflexive Bedeutungsebene, die mit der Gestaltung der Hände einhergeht, ist im Zusammenhang mit den sozialen und damit ebenso beruflichen Rahmenbedingungen der Dargestellten zu betrachten.51 Dix’ Auseinandersetzung mit künstlerischen Vorbildern unterschiedlicher Epochen leitet zu einer selbstreferentiellen Konnotation der Hand als repräsentatives Element des Künstlers. Diesbezüglich ist eine Vorausschau ins Jahr 1942 anzuführen. In Hinblick auf Selbstdarstellungen wie selbstbildnis mit palette vor rotem vorhang von 1942 ist Andreas Gormanns Erläuterungen zu Dürers Verknüpfung des Auges des Künstlers mit dessen Hand interessant. Dix’ persönliches Interesse am Werk und der Zeit Albrecht Dürers offenbart sich neben den künstlerischen Bezügen und Adaptionen auch an seiner persönlicher Bibliothek.52 Die anhand der Zeichnung selbstporträt mit hand und kissen von 1493 aufgezeigte Verbindung von Gesicht und Hand als visueller Diskurs »über die Frage nach den konstitutiven Bedingungen des künstlerischen Schaffensprozesses« verbindet das Auge des Dargestellten, das die Rezipierenden fokussiert, mit seiner »operierende Hand«. Die vom Autor beschriebene »Dialektik von Kopf und Hand« wird als Begreifen der »Verfasstheit [Dürers]« gedeutet:53 »Dann der verstandt muß mit dem gebrauch anfahen zu wachsen, also das die hand kuen thon, was der will im verstand haben will. Auß solchem wechst mit der zeyt die gewyßheit der kunst vnd des gebrauchs. Dann dies zwey muessen bin ein ander sein, dass eins on das ander sol nichtz.«54 Die hier beschriebene Dialektik erweist sich auch in Dix’ Selbstbildnis als stichhaltig, indem sowohl der Kopf und die wiedergegebene Physiognomie als auch die Hand des Künstlers zu den zentralen Bildelementen zählen. Erneut ist die Hand als charakteristisches Element erkennbar, die hier den Pinsel mit eben derselben Sensi­ bilität greift wie dies bei Dürers Zeichnung der Fall ist. Im Gegensatz zu ihr fokussiert sein Blick zwar nicht die Rezipierenden, dennoch sind sein wie in eine innere Ferne gekehrter Blick und die von Skepsis gezeichnete Mimik charakteristisch für das Œuvres im Spiegel seiner selbst zu lesen. Letzteres zeigt sich sowohl in den soziokritisch angelegten sezierenden Darstellungen während der Weimarer Republik wie auch in späteren Darstellungen wie selbstbildnis mit palette vor rotem



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vorhang. Das wiederkehrend als wichtiges Element in Dix’ Repertoire eingesetzte Hand-Motiv birgt sowohl eine politisch begründete als auch eine reflexive, auf das Künstlerselbst referierende Lesbarkeit in sich. Somit rekurriert der Maler einerseits auf eine proletarisch-politische und andererseits eine intellektuelle Rezeptionsebene. Am Beispiel des Gemäldes frau mit kind tritt die Hand in Verbindung mit ihrer Ausstaffierung als ebenso bemerkenswertes Element hervor. Die Granatohrringe in Kombination mit der seidenen Bluse deuten darauf hin, dass sie einst in einer privilegierteren Lebenssituation war. Die gekonnt drapierte Frisur wirkt hingegen zerrupft und ihre Bluse ist abgenutzt. Die Tatsache, dass die Kleidung nicht frisch, sondern abgetragen wirkt, der gelbliche Anschein des Schmutzes, Staub und Ruß sprechen für ein Leben in ärmlicheren Verhältnissen. Anstelle von Wohlstand verkörpert ihr Äußeres vielmehr Verlust, Anstrengung und Mühsal. Und auch an diesem Gemäldebeispiel wird ein existenzieller Aspekt deutlich: Hunger. Dies offenbart der Maler anhand ihrer körperlichen Verfasstheit, ihrem ausgezehrten und erschöpften Erscheinungsbild sowie der umgebenden, Fehlstellen und Beschädigungen aufweisenden Architektur und der farblosen Gestalt. In diesem motivischen Rahmen ist auch die Hand als Verkörperung der benannten Anstrengung und Lebensrealität deutbar, die auf ihre Hand-Arbeit, eine mühevolle Tätigkeit und also auf ihre Zugehörigkeit zum Arbeitermilieu schließen lässt. Im Zusammenhang mit den ihr beigefügten Attributen deutet dies insofern auf einen Armuts-Kontext hin, als ihr zwar Wohlstand suggerierende Elemente beigefügt, diese jedoch durch die Patina der Verwahrlosung geprägt sind. Auch die Positionierung in der düsteren Ecke kann als visueller Verweis auf den »Rand der Gesellschaft« gelten. Indem die ausgezehrte Frau und Mutter, ihr kleines Kind sowie das Ungeborene in dieser Situation gefasst sind und anhand der Totenschädel-Anmutung zudem eine symbolische Konnotation gegeben ist, impliziert das Gemälde einen Entwicklungsprozess der hoffnungslosen Realität: Ein Kreislauf des Abstiegs ist visualisiert – in Erinnerung an bessere Zeiten des Wohlstands zählen Armut und eine ungewisse Zukunft in Hilf- und Perspektivlosigkeit sowie die Vergänglichkeit zu allen hier angeführten motivischen Gegebenheiten. Tod und Vergänglichkeit treten als memento mori und Konsequenz des Dargestellten in Erscheinung. Dix’ Auseinandersetzung mit dem Tod zeigt sich in zahlreichen Arbeiten anhand von Kriegs-Themen, der Armut und des Hungers, aber auch anhand von Vergänglichkeitssymboliken wie der Totenmaske, dem Skelett und weiteren Motiven. Dabei führen unterschiedliche technische Verfahren – etwa Lasurmalerei gegenüber Kaltnadelradierung – unweigerlich zu qualitativen Unterschieden in der Feinheit der jeweiligen Umsetzung und zu unterschiedlichen Wirkungsweisen. Die Zuschreibung der Frau zum Prekariat leitet zu einer soziokritischen Lesart, die Spanke insofern aufgreift, als dass die Rezipierenden im Gemälde

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34  Otto Griebel. der zeitungsverkäufer 1929, Öl auf Leinwand, Maße unbekannt, am 13. Februar 1945 im Atelier des Künstlers verbrannt

»gar nicht so sehr an der Identität von Mutter und Kind interessiert [sind] als vielmehr an der allgemeinen, sozial höchst schwierigen Situation namenloser Massen – [sodass] die Aussichts- und Hoffnungslosigkeit der Frau und ihres Kindes, als selbständige Person und Persönlichkeit Aufmerksamkeit und Bedeutung zu erlangen, umso deutlicher sichtbar [wird]«.55 Dem Autor mag hinsichtlich der Breitenwirkung, die dieses Bild durch seine gesellschaftspolitischen Deutungsansätze erzeugt, beizupflichten sein; allerdings beschreibt eben diese filigrane Detailgenauigkeit, mit der Dix das Typenporträt realisierte, das Abbild einer individuellen Person. Das Gemälde vermittelt sowohl die Individualität der Porträtierten als auch die Wiedererkennung in einer ganzen Gesellschaftsschicht. In diesem Zusammenhang und im Hinblick auf die Markierung eines Zeitphänomens sei erneut auf Otto Griebel verwiesen, der sich ebenfalls stark mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinandersetzte. So etwa mit seinem Hauptwerk die internationale von 1929, das auf der gleichnamigen Hymne der proleta-



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risch-sozialistischen Arbeiterbewegung und des Internationalismus basiert und neben anderen Arbeiten am 9. Mai 1933 von der Gestapo im Atelier des Künstlers beschlagnahmt wurde.56 Dieses in Schulbüchern und anderen Medien angeführte Motiv zur Repräsentation der Arbeiterbewegung und dem damit verbundenen Interesse an der solidarischen Arbeiterschaft zeigt die politische Ausrichtung des Künstlers, die auch anhand des Gemäldes der zeitungsverkäufer von 1929 zutage tritt. In neusachlicher Schärfe porträtierte Griebel seinen Protagonisten in dessen Tätigkeitsmilieu der nächtlichen Straße. Seine Physiognomie ist gezeichnet von Müdigkeit, Erschöpfung und der Mühsal der Arbeit, wobei der Blick ins Leere führt (Abb. 34).57 Die gesellschaftskritische Komponente wird ersichtlich im Zusammenspiel von Vorder- und Hintergrund, in Attributen wie dem Bauchladen, dem abgetragenen Mantel und auch durch die Januar-Ausgabe der Berliner Monatsschrift uhu. Das rahmende Milieu ist gekennzeichnet durch die nächtliche Szene, eine spiegelnasse Straße und die Leuchtreklame im Hintergrund. Der politische Kontext des Dargestellten wird durch die Schlagzeilen der Zeitungen zum Vorschein gebracht: »Gesamtsperrung in der Metallindustrie«, »Wann wird gewählt?«, »Ein Geschäftsministerium« oder »Wirtschaftskonflikte«. Hiermit reflektiert der Maler die politische Situation, die mit dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929 einherging und in die Weltwirtschaftskrise mündete. Massenarbeitslosigkeit und Armut zählten ebenso zu den Folgen wie der Umstand, dass sich darin ein Nährboden für politische Radikalisierungen in der Bevölkerung zeigte. So waren Sachsen und insbesondere Dresden aufgrund der wirtschaftlichen Exportabhängigkeit besonders betroffen.58 Griebel setzte das individuelle Schicksal am Beispiel des Straßenhändlers in den zeitpolitischen Kontext und entwickelte damit eine soziopolitische, als linkes Statement zu dekodierende Ausdrucksform. Hierdurch findet eine Gegenüberstellung der sozialen Realität des Individuums mit den in der Presse vermittelten Themen statt, wobei er die Auswirkungen wirtschaftspolitischer Interessen und die damit einhergehenden sozialen Notstände buchstäblich in die Physiognomie des Händlers einzeichnet. Somit wird nochmals deutlich, dass zeit- und sozialkritische Sujets im Dresden dieser Zeit weit verbreitet waren und die künstlerische Landschaft prägten. Sowohl Dix’ als auch Griebels Themen- und Gestaltungsweise stellen die unausweichliche Nähe der porträtierten Personen zu ihrer jeweiligen Umgebung dar. Sie implizieren Verweise auf eine Lebensrealität jenseits von Wohlstand, auf Hoffnungslosigkeit und Armut. Unmittelbarkeit und Unausweichlichkeit sprechen die Betrachtenden mit einer Drastik an, die eben jenes zeitbezogene Phänomen des Verismus charakterisieren.

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altmeisterlichkeit. »altdeutsche tradition« trifft verismus Ausgehend vom Stilpluralismus der frühen Weimarer Republik verankerte Dix in der Kombination von Neuer Sachlichkeit und künstlerischen, vornehmlich »altdeutschen« Traditionen zwei Phänomene stilprägend in seinem Werk. Die Binarität zeigt sich in der neusachlich-veristischen Manier – wie anhand der Themen Prekariat, Armut und Hunger sowie des charakteristischen Typenporträts aufgezeigt – und in formalästhetisch altmeisterlichen Gestaltungsweisen. Letztere sind nicht allein auf technische und kompositorische Aspekte zurückzuführen, sondern ebenso im zeitbezogenen, kunsthistorischen wie auch politischen Zusammenhang der Weimarer Zeit relevant.59 Die verstärkte Bezugnahme auf Alte Meister durch Kunst- und Kulturschaffende ist im Rahmen der Konstruktion einer »deutschen Tradition« zu betrachten und charakterisiert damit einen Konservatismus, der als identitätsstiftendes Moment fungierte.60 Der während der Weimarer Republik zunehmende Nationalismus und das Erstarken »völkischer« Tendenzen bilden sich in der Mittelalter-, Renaissance- und Romantikrezeption ab, die mit Einsetzen der nationalsozialistischen Diktatur eine abermalige Intensivierung erfuhr.61 Die stilistische Adaption und die Auseinandersetzung mit solchen als altmeisterlich begriffenen Gestaltungselementen im Œuvre von Otto Dix zeichnet sich bereits im Frühwerk des Malers ab, insbesondere anhand von Selbstbildnissen. Diese fanden – nach einer expressiven, kubofuturistischen wie dadaistischen Phase der 1910er Jahre – ihre Fortführung in den 1920er Jahren.62 In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg orientierte sich Dix verstärkt an künstlerischen Vorbildern der Renaissance und der Romantik. Mit dem grundlegenden Motivwechsel 1933 verstärkte sich diese Tendenz abermals. Daher zeigt sich in der Hinwendung zu »alten Stoffen« ein zu erörternder Aspekt, dessen Aufkommen im reziproken Verhältnis von Werkentwicklung und den zeitpolitischen Einflüssen betrachtet wird.63 Im Folgenden wird der altmeisterliche Schwerpunkt anhand ausgewählter Gemäldereferenzen aufgezeigt, um Dix’ Synthetisierung von werkimmanentem Verismus und Konservatismus zu diskutieren. Dix’ Altmeisterlichkeit ist in der Forschung ein etabliertes Feld, dessen Relevanz für das Werk zwischen 1933 und 1945 noch zu vertiefen ist.64 Im Hinblick auf motivische, formale und inhaltliche Aspekte im Zusammenspiel künstlerischer Adaptionen beschreibt Volker Gebhard diese als »Weiterführung der Malerei eines Grünewald, Baldung Grien oder Altdorfer in den Triptychen […]«.65 In Bezug auf der krieg heißt es: »Kaum ein Meisterwerk der Moderne bezog sich so dezidiert auf die Malerei der Dürerzeit wie dieses: Holbeins ›Toter Christus‹ […] lieferte einmal mehr



Altmeisterlichkeit. »Altdeutsche Tradition« trifft Verismus _ 215

das Modell für die Predella. Der rote Farbensturm rechts deutete die aufgehende Sonne in Albrecht Altdorfers ›Alexanderschlacht‹ […] ins Apokalyptische um, genauso wie Dix für das Mittelbild sicherlich die düsteren Hintergründe von Grünewalds Kreuzigungen im Blick hatte. Auch die von Wunden bedeckten, wie ein Fanal aufgereckten Beine des Leichnams rechts verweisen auf Grünewald. Rückgriffe auf die großen Meister deutscher Malerei dienten Dix dazu, diesem vielleicht beeindruckendsten Mahnmal deutscher Kunst gegen die Schrecken des modernen Krieges eine zusätzliche Autorität zu verleihen. […] Dix nutzte konsequent die Technik und Bildformate der ›altdeutschen‹ Meister, um die Schrecken des Ersten Weltkrieges, die Sinn­entleerung des Kapitalismus, die […] als Verdrängung erlebte Erotik der Weimarer Republik in moderne Andachtsbilder zu bannen. Die altmeisterliche Lasurtechnik und der unbedingte Realismus machten sein Werk besonders gefährlich für die Nationalsozialisten, weil diese hier nicht ihre Keule gegen die ›jüdische‹ Abstraktion oder einen ›deformierenden‹ Expressionismus schwingen konnten.«66 Als Untermauerung der technischen Bezugnahme gilt Max Doerners Grundlagenwerk malmaterial und seine verwendung im bilde, das auch zu Dix’ persönlicher Bibliotheksausstattung zählte.67 Doerner proklamierte die historische Malweise als »authentisch, altmeisterlich, als die Technik der Dürer, Grünewald, Holbein [und] Cranach«.68 Am Beispiel des Gemäldes vanitas von 1932 bespricht Hans Gert Müller Dix’ Malerei mit Temperauntermalung, Holzölfarben, Lasuren und Weißhöhungen in der 14. Auflage von Doerners malmaterial von 1976. Darin wird anerkennend auf Dix’ »Meisterschaft des 20. Jahrhunderts« verwiesen.69 Die technische, auf künstlerische Traditionen rekurrierende Vorgehensweise von Dix wird geschildert, indem »[die] Tafel mit Leinwand beklebt und mit Gipsgrund geweißt [wird]: ein Teil Zinkweiß, ein Teil Gips, ein Teil Leim. Karton mit Kohle und Rötel gezeichnet und mit Rötelpapier aufgepaust. Zeichnung mit Tusche gezeichnet, dabei Fehler verbessert. Imprimitur aus Mastix mit Ocker und wenig Weiß. Flächiges Aufhöhen mit Temperaweiß. Emulsion für Weiß: ein Ei, ein Teil Mastix, wenig Standöl, ein Teil Wasser. Aufhöhen in vielen Schichten, bis Körper kräftig und pastos erscheinen, darauf eine Farbschicht von grüner Erde mit Weiß ganz dünn. […] Jetzt werden die Rötungen in Nase erhöht, Wangen, Lippen, Brüste, die Schatten teils mit Terra di Siena und mit Ocker, grüner Erde vertieft, bis das Ganze völlig fertig erscheint. Die Hauptlichter noch einmal mit deckender Ölfarbe schwimmend eingesetzt. Farbe kühl halten.«70

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Betrachtet man demgegenüber seine Anmerkung zu den »früheren Schulen«, dass »ein Hauptunterschied […] gegen die heutige Darstellungsweise die geringere Vermischung der Farben in früherer Zeit gegenüber heute [ist]«, zitiert Dix’ Maltechnik vielmehr die ältere Vorgehensweise, zu der es weiter heißt: »Der weiße Körper wurde damals unterlegt und lediglich schichtenweise in reinen Tönen übereinander gefärbt, nicht ineinander vermischt […].«71 Dix’ Malstil ist folglich fein, lasierend und auch deshalb in der einschlägigen Literatur oftmals als an Alten Meistern wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä., Albrecht Altdorfer oder Pieter Bruegel d. Ä. orientiert beschrieben.72 Zudem fertigte Dix in dieser Zeit auch Auftragsarbeiten in Form von Porträts und Allegorien wie das Gemälde vanitas zeigt. Seine ausgiebige Vorbereitung der Gemälde bestand in Feder- und Tuschezeichnungen auf oftmals aufbereiteten Papieren, die mit Rötel, weiß gehöht oder mit Silberstift skizziert worden waren.73 Für diese Art der Präparation von Papieren orientierte sich Dix vor allem an Hans Baldung Griens Arbeitsweise.74 Auf den Vorzeichnungen, die er in der Natur ausführte, verzeichnete Dix ebenso Angaben zu den Farbwerten.75 Zudem – und darin bestand eine Neuerung in seiner maltechnischen Verfahrensweise – stellte er nach den Skizzen und Zeichnungen Kartons in der exakten Größe des zu schaffenden Gemäldes her, die schließlich auf den präparierten Bildträger aufgepaust wurden. Graues Papier diente als Karton, durch den mit Kohle oder Kreide durchgeschlagen wurde. Demzufolge sind von den Gemälden jeweils ­Kartons in gleicher Größe erstellt worden, die teilweise jedoch nicht erhalten sind, da der Maler selbst keinen gesteigerten Wert auf diese Vorzeichnungen legte.76 Die Grundlage der Maltechnik bildete ein glatter, leuchtend weißer Gips- oder Kreidegrund, der die Oberfläche des Bildträgers vollkommen verdecken sollte. Daher wurden starre Bildträger im Sinne einer massiven Holz- oder Sperrholzplatte bevorzugt, die teilweise durch Lattenroste fixiert und mit Leinwand oder Nesselstoff bespannt wurden. Eine präzise Aufschlüsselung der maltechnischen Verfahrensweisen, die Dix ursprünglich für die Porträtmalerei aufgegriffen hatte und ab 1934 für die Landschaftsmalerei verwendete, beschrieb zudem Ursus Dix im Ausstellungskatalog zu Dix’ 100. Geburtstag:77 »Dix benutzte eine lasierende Holzölimprimitur über der unerläßlichen, genauen Unterzeichnung […]. Pulverfarben wurden mit Temperabindemittel aus Vollei und Venezianerterpentin oder Mastixfirnis (manchmal mit Leinölfirniszusatz) angerieben und, vom höchsten Licht beginnend, mit Marderpinseln in dünnen Schichten aufgetragen, wodurch die Formen plastisch herausgearbeitet und Licht und Schatten festgelegt wurden. Dann begann die Malerei in Tubenölfarben mit Harzfirnismalmittel, die durchaus nicht nur aus Lasuren bestand, sondern meist halbdeckend, wie Dix sagte, nicht »gestrichen« werden



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durfte, sondern »gemalt« werden mußte. Lichter oder weitere Weißhöhungen konnten mit Tempera in die nasse Ölfarbe gesetzt werden, aber vor dem Auftrag weiterer Ölschichten mußte die Malerei gut trocknen. Anfangs wurden manchmal Lichter und Konturen beim Malen mit einem scharfen Werkzeug herausgekratzt, so daß der weiße Grund hervortrat. Blattgold, durch Lasuren in das Bild integriert, fand noch manchmal Verwendung. Leinwand als Bildträger ohne starre Unterlage kommt bis 1946 nur noch selten vor. […] Das Harzfirnismalmittel gab der Oberfläche des Bildes meist genügend Sättigung und Glanz, so daß sich ein späteres Firnissen erübrigte. Gelegentlich hat der Künstler jedoch auch bereits gerahmte Bilder partiell oder ganzflächig mit Mastix gefirnißt. Diese letzte Schicht kann Schlußlasuren enthalten.«78 In den Jahren des Zweiten Weltkriegs beklebte er die Platten aufgrund des Mangels an Material mit alten Bettlaken. Die vorbereiteten Bildträger wurden schließlich mit Gips, Kreide oder Zinkweiß in verdünntem Hautleim grundiert und als getrockneter Untergrund mussten diese sorgfältig geglättet werden.79 Auf der vorbereiteten Platte begann Dix schließlich, das Gemälde in Lasurtechnik zu malen.80 Da bereits an spezifischen Gemälden der 1910er, 1920er und frühen 1930er Jahre wie dem selbstbildnis mit nelke von 1912 und vanitas ein altmeisterlicher Anstrich erkennbar ist (Abb. 10), konstatiert Birgit Schwarz, dass Dix’ Gemälde nach 1933 keinem stilistischen Umbruch unterlagen.81 In Anbetracht der fortbestehenden Lasur-Maltechnik ist dieser Beobachtung grundsätzlich beizupflichten. Dix’ Selbstbildnisse selbstbildnis mit wanderhut von 1912, selbstbildnis mit nelke von 1912 sowie selbstbildnis vor landschaft mit felsen (1913) lassen darüber hinaus deutliche motivische Bezüge zu künstlerischen Vorbildern erkennen. Das selbstbildnis mit nelke weist gestalterische Parallelen zu Albrecht Dürers viel besprochenem Selbstbildnis von 1500 auf. Die plastisch anmutende Gestaltung und Schwerpunktlegung auf die Hand des Künstlers – bei Dix mit Nelke und bei Dürer ans Revers fassend – sowie die detailliert in einem realitätsnahen Helldunkel wiedergegebene Stofflichkeit des Mantels und das im oberen linken Bildfeld angeordnete Signet bilden Adaptionen des Renaissance-Vorbildes ab. Dix stellt sich im Brustbild im Halbprofil dar. Dürer hingegen ist en face den Betrachtenden zugewandt und impliziert aufgrund der kompositorischen Anordnung eine Trinitäts-Konnotation respektive durch die äußeren Erscheinungsmerkmale Parallelen zu Christus-Darstellungen. Auch das selbstbildnis vor landschaft mit felsen und meer von 1913 birgt einen direkten Bezug auf Dürer. Hier sei des Letzteren Selbstbildnis von 1498 angeführt, in dem sich der zum Entstehungszeitpunkt des Gemäldes 27-jährige Dürer vor dem Fenster und der sich

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dahinter perspektivisch anschließenden Landschaft positioniert. Dix war 22-jährig, als er sein Gemälde fertig stellte. Er band das Fenster-Motiv insofern ein, als dass er den Rahmen des Gemäldes als Übergang in die Natur gestaltete und das Selbst somit direkt vor der Hintergrundlandschaft lokalisierte. Die Bildausschnitte und die jeweilige Anordnung des Selbst vor der landschaftlichen Kulisse im Halbporträt bei Dürer und Dix stimmen dabei kompositorisch überein. Ein weiteres verbindendes Bildelement ist der vergleichbare, aus dem Bild heraustretende agnostische Blick der Porträtierten. Die angeführten Parallelen in künstlerischer Gestaltung, die Eigenschaft als Selbstbildnis und die direkte Bezugnahme auf Dürer als Beispiel künstlerischer Meisterschaft par excellence verweisen also schon im Frühwerk auf Dix’ Orientierung an künstlerischen Vorbildern der Renaissance sowie dessen Selbstreferenzialität und Zugeständnis der eigenen Meisterschaft. Aufschluss hierüber verleiht auch der Aspekt, dass keinerlei Ironie aus dem Dargestellten erkennbar ist; die späteren karikaturesken Gestaltungsmerkmale sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Darstellungen enthalten.82 Obwohl Dix’ Hauptsujet und dessen Konnotation vermeintlich nicht ins zeitkritische Gegenteil umschlug und er die Lasurmalerei abermals intensivierte – beispielhaft zeigt dies das bildnis frau rosa eberl von 1940 – liegt dennoch eine Modifikation der altmeisterlichen Mal- und Darstellungsweise nach konkreten Vorbildern vor (Taf. 2). Löffler erläutert zu Dix’ Malstil, dass die Landschaftsdarstellungen bis 1943 einer formalen, inhaltlichen Neuen Sachlichkeit angehörten und unterstreicht dies, indem er die Schaffensphase als einen breit gefächerten und zugleich dominierenden Verismus charakterisiert. Dix selbst äußerte sich in Bezug auf die neusachliche Malweise: »Das habe ich erfunden. Kunst machten die Expressionisten genug. Wir wollten die Dinge ganz nahe, klar sehen, beinahe ohne Kunst.«83 Dieses Changieren zwischen den stilistischen und inhaltlichen Kriterien von Neuer Sachlichkeit und Verismus in Kombination mit altmeisterlicher Maltechnik prägte Dix’ Œuvre seit den 1920er Jahren. Als Charakteristikum zeigt sich hieran die einleitend angeführte Progressivität, die in den zeitkritischen Inhalten besteht. Von tradierten Motiv- und Gestaltungs-Bezügen gerahmt setzte der Maler seine Themen weiterhin um. Dabei kehrte sich der hierin begriffene Konservatismus umso stärker heraus, je intensiver nationalistische Tendenzen ebensolche künstlerischen Rückbezüge forcierten.84 Hinsichtlich Dix’ Altmeister-Bezügen äußerte Paul Ferdinand Schmidt bereits zur sechsten Ausstellung der dresdner sezession im Frühjahr 1922: »Dix ist in den letzten Jahren zu einer, man kann wohl sagen, endgültigen Ausprägung des äußersten Wirklichkeitsgefühls gelangt […] zu einer höchst deutschen Form der Charakterdarstellung, die sich zum Entsetzen des wohl-



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erzogenen Publikums an nicht immer delikaten Menschentypen ergötzt. Eine vollendete Schärfe der Zeichnung und plastischen Modellierung hebt das Erlebnis der Wahrheit in eine Sphäre überzeugender Tatsächlichkeit, die an bittere Groteske der deutschen Passionsmaler des 15. Jahrhunderts erinnert.«85 Dabei bringt Schmidt die Bezüge zur Renaissance-Zeit ebenso in Zusammenhang mit einer »höchst deutschen Form« und reiht sich damit in den Kontext der zeitgenössischen nationalen Tendenzen in der Kunst ein. Zugleich benennt der Kunsthistoriker das »äußerste Wirklichkeitsgefühl« in Dix’ Arbeiten, das etwa anhand der elternbildnisse i und ii erkennbar ist (Abb. 15, Abb. 33).86 So steht das elternbildnis i von 1921 ganz im Zeichen der Neuen Sachlichkeit, indem das Kolorit farblos, die Bildelemente ikonografische Bezüge zur Lebenswelt der Porträtierten aufweisen. Hierdurch leitet Dix zu einem semantischen Rekurs auf die gesellschaftlichen Ungleichheiten und soziopolitischen Gegebenheiten der Zeit. Das elternbildnis ii von 1924 versah Dix mit der Darstellung eines kleinen Papierzettels, der rechts oberhalb des väterlichen Kopfes mit einem Nagel an der Wand befestigt ist. Darauf schrieb der Maler: »Mein Vater 62 Jahre und meine Mutter 61 Jahre alt gemalt im Jahre 1924 [od]« Das Monogramm – hier als Verbindung von einer zum Buchstaben O gewundenen Schlange und einem D, das als Bogen gemalt ist – sowie die Darstellungsform als Papierstück gehen auf Vorbilder aus der nordalpinen und ebenso italienischen Renaissance zurück. Nicole Hegener erläutert in Bezug auf Dürer, dass er das Cartellino in der madonna mit dem zeisig von 1506 verwendete und damit ein Motiv aufgriff, das im Venedig des 15. Jahrhunderts populär war (Abb. 35).87 Mit der Gestaltungsweise seines Monogramms, das er als Signum einsetzte, zitierte Dix konkrete Vorbilder der Renaissance wie Lucas Cranach, Albrecht Dürer oder Albrecht Altdorfer. So ist »die geflügelte Schlange mit einem Rubinring im Maul« das für Lucas Cranach d. J. charakteristische Signet, »das zwischen 1535 und 1537 eine Abwandlung von aufgerichteten Fledermausflügeln zu liegenden Vogelflügeln erfuhr«.88 Dabei bildet der Leib der Schlange eine Omega-Form aus und sie fasst mit ihrem Maul den Ring, die Datierung ist unterhalb angeordnet. »Die Ziffer ›1‹ der Datierung schließt am unteren Ende der immer mit einer schrägen Serife ab, während die Ziffer ›5‹ meist einen geraden Querstrich mit schmalen schrägen Serifen besitzt.«89 Nicht allein die Schlange ist als Bezug auf das Vorbild zu erkennen, sondern Dix monogrammierter Buchstabe O als Hinweis auf das von Cranach eingesetzte Omega lesbar. Die unterschiedlichen Formen, die der Maler in seinen Arbeiten einsetzte, skizzierte und erläuterte Dix in einem bislang unveröffentlichten Brief an Wilhelm Arntz (1903–1985), den er im August 1958 verfasste (Abb. 36). Darin ist die chronologische Entwicklung seiner sieben Signaturen zwischen 1923 und 1958 dargelegt.90

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35  Albrecht Dürer. die madonna mit dem zeisig 1506, Malerei auf Pappelholz, 91 × 76 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie

»Verschiedene Wandlungen des Signums[.] 23–25 [Mgr.: Schlange und Bogen] O.D.[,] 27 [Mgr.: Quadrat und Dreieck] O.D.[,] aber auch [Mgr.: Bogen und Kreuz mit Serifen] d[,][Mgr.: Halbkreis und Kreuz mit Serifen] 1930[,][Mgr.: Raute und Kreuz mit Serifen] 1933[,] [Mgr.: Dreieck und Kreuz mit Serifen] 1935–58[.] Es ist immer D und × verbunden oder O. D.«91 Damit griff Otto Dix sowohl auf die monogrammatische Darstellung als auch auf das venezianische und ebenso von Dürer ausgeführte Cartellino zurück. Sein Signet entsprach damit dem Zeitgeist, auf vormoderne Vorbilder zu rekurrieren. Zudem band Dix ein Trompe-l’œil ein und heftete den Zettel nahezu plastisch mit dem gemalten Nagel an die Wand. Die surreale Darstellung beziehungsweise Vortäuschung der realen Situation verweist zugleich auf Dix’ kunsthistorische Kenntnis und seine Virtuosität, sich variantenreicher Ausdrucks- und Suggestionsmittel zu bedienen. Die Maße des Gemäldes 118 × 130,5 cm entsprechen nahezu der realen



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36  brief von otto dix an wilhelm Arntz, 24. August 1958, Los Angeles, Getty Research Institute, Special Collections

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37  Philipp Otto Runge. die hülsenbeckschen kinder 1805/06, Öl auf Leinwand, 131,5 × 143,5 cm, Hamburger Kunsthalle

menschlichen Lebensgröße. Im Zusammenspiel mit der detailreichen Motivwiedergabe stehen die Betrachtenden somit einem wirklichkeitsnahen Paar auf dem Sofa des Geraer Wohnhauses gegenüber. Durch das Cartellino wird zudem das Vorhandensein eines tatsächlichen Zettels vorgetäuscht und damit vermeintlich die Echtheit der Darstellung bestätigt. Hier verbinden sich die altmeisterliche Manier und die neusachliche Eigenschaft der Malerei. So sind es auch hier die Hände sowie die Physiognomien der Porträtierten, die ihre Lebensrealität in der Arbeiterschicht sowie Dix’ eigene Herkunft widerspiegeln. Zudem überzeichnete Dix sein Motiv und verlieh den Porträtierten eine signifikante Physiognomie. Diese Gestaltungsweise fand in den folgenden Jahren noch stärkere Betonung. Interessanterweise sind es jedoch vielfach die Bildnisse der eigenen Familie, die der Maler vergleichsweise subtil überzeichnete und darin früh den Fokus auf kompositorische, stilistische und technische Bezüge zu kunsthistorischen Vorbildern legte. Dix’ stilistische Rückbindung an kunsthistorisch Vorbilder zeigt sich ebenso in seiner Rezeption von Philipp Otto Runges Gemälde die hülsenbeckschen kinder von 1805/1806 (Abb. 37).92 Dieser Rekurs spiegelt sich auch in der Malerei zeitgenössischer Künstlerkollegen. So weisen das Gemälde ursus mit kreisel von 1928 und Otto Griebels 1933 entstandene Darstellung bildnis jack mit apfel



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38  Otto Dix. ursus mit kreisel 1928, Öl und Tempera auf Holz, 79,9 × 60,1 cm, Kunstmuseum Stuttgart

39  Otto Griebel. bildnis jack mit apfel und spielzeug 1933, Öl auf Leinwand, Maße nicht bekannt, 13. Februar 1945 im Atelier des Künstlers verbrannt

und spielzeug gleichermaßen Bezüge zu Runges Arbeit auf (Abb. 38, Abb. 39).93 Bei beiden handelt es sich um Kinderporträts, die sowohl im Motivrepertoire als auch in der formalen Gestaltung Parallelen aufweisen. Dix’ Porträt seines Sohnes Ursus im Gemälde ursus mit kreisel zeigt das Kind als Halbprofil-Darstellung im Hochstuhl vor einer blauen Wand sowie einem bodenlangen grünen Vorhang in der rechten Bildseite sitzend. Das Kind hat einen bunten Kreisel und ist im Begriff, damit zu spielen. Mit Schnürstiefeln, kurzer Hose und Strickpullover ausstaffiert markiert es den Bildmittelpunkt. Die Plastizität evozierende Gestaltung des Inkarnats und die Physiognomie erzielen aufgrund der zeichnerischen Detailgenauigkeit und durch die stark ausgearbeiteten Schattierungen eine realitätsnahe Wirkung. Dies zeigt sich an filigranen Details wie der Augenpartie, dem blonde Haarschopf und an den farblichen Höhungen an den speckigen Handgelenken. Dix adaptierte in der physiognomischen Gestaltung seines Protagonisten als rosiges, wohl genährtes Kind sowie in der Beschaffenheit des Inkarnats Elemente seiner romantischen Vorbilder wie in Runges die hülsenbeckschen kinder. Im Spiel begriffen, einen Holzwagen mit Kleinkind darin ziehend, eine Weidengerte schwingend, nach etwas greifend oder weisend, sind die drei von Runge wiedergegebenen Kinder paradoxerweise in völliger Bewegungslosigkeit dargestellt. Die Szene erinnert an die frühe fotografische

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Technik der Daguerreotypie im 19. Jahrhundert, bei der die Porträtierten minutenlang bewegungslos verharren mussten, um ein tiefenscharfes fotografisches Ergebnis nicht zu gefährden.94 Der Plastizität und den realitätsnah gestalteten Bildelementen zum Trotz evoziert auch Dix’ Gemälde eine artifizielle Wirkung. Im Moment des Spiels abgebildet, ist dem Kind vielmehr eine stoische Wirkung eigen. Gezeigt ist eine reglose, künstliche Szene, die dem Wesen eines spielenden Kindes widerspricht. Die fehlende Unmittelbarkeit wurde einerseits durch die Bewegungslosigkeit und andererseits durch den Blick des Jungen ersetzt. Anstatt das Spielzeug zu fokussieren, schaut er mit geneigtem Kopf ins Leere. Über die Bildelemente hinaus ist die gekippte Perspektive in Dix’ Gemälde ein zentrales kompositorisches Merkmal. Dielenboden und Vorhang geben eine Zentralperspektive vor, die durch die entgegenwirkend aufstrebende Lehne des Hochstuhls ausgehebelt erscheint, was zudem durch die nichtlineare Holzkonstruktion des Stuhls unterhalb der Sitzfläche unterstrichen wird. Der rechte Fuß des Jungen stellt die Rezipierenden vor ein weiteres visuelles Rätsel. Sind die Kinderbeine üppig gestaltet, schließt an den fleischigen Unterschenkel ein Knöchel an, welcher der Proportion zufolge einem wesentlich kleineren Kind zu entsprechen vermag. Das perspektivische wie auch proportionale Kippmoment setzt sich von der an die romantische Malerei Runges angelehnten Bildwirkung ab. Die Hinwendung zur Romantik bedeutete kein Dix-spezifisches Alleinstellungsmerkmal, sondern eine stilistische Ausprägung, die im damaligen Dresden populär war wie etwa die Arbeiten von Otto Griebel zeigen. Hinsichtlich des bildnis jack mit apfel und spielzeug von 1933 wird dies unterstrichen, da einerseits die Parallelen zu Dix’ Gemälde deutlich hervortreten und gestalterische Besonderheiten wie die Modellierung der Plastizität ferner einen direkten Verweis auf die besprochenen hülsenbeckschen kinder Runges in sich abbilden.95 Dargestellt ist ein auf dem Fußboden sitzendes Kleinkind, das einen Apfel in den Händen hält, einen Schnuller zu seiner linken Seite und ein Spielzeug in Form eines Hundes zu seiner Rechten hat. An der dunklen Wand im Hintergrund ist ein kleines Mobile, im Vordergrund ferner eine Teppichkante erkennbar, die den Anhaltspunkt zur Lokalisierung des Kindes bietet. Auch Griebel legte seinen Fokus auf die realitätsnahe Wiedergabe des Motivs, indem das Helldunkel in den unterschiedlichen Körperpartien detailgetreu nachgebildet und auch die Bekleidung von einem changierenden Licht- und Schattenspiel gezeichnet ist. Der neusachliche Anteil ist im Verhältnis zu Dix’ Motiv geringer ausgearbeitet. Dies zeichnet sich anhand der kontinuierlich ausgearbeiteten Zentralperspektive im Gegensatz zu Dix’ Spiel der Perspektiven und proportionalen Verschiebungen ab. Überzeichnung und Entrückung prononcierte der Maler zudem weniger. Von den Unterschieden abgesehen bestehen deutliche Parallelen in der künstlerischen Bezugnahme auf »alte Stoffe«.96 So stimmen etwa



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40  Otto Dix. nelly mit spielzeug 1925, Öl und Tempera auf Sperrholz, 54 × 39,5 cm, Kunstmuseum Stuttgart, Dauerleihgabe der Otto Dix Stiftung, Vaduz

41  Otto Griebel. kinderbildnis ludwig 1947, Öl auf Pappe, 46 × 35 cm, Privatbesitz

Dix’ Gemälde nelly mit spielzeug von 1925 und Griebels Darstellung kinderbildnis ludwig von 1947 im Bildausschnitt überein, wobei die Kinderporträts je en face als Brustbild mit den auf dem Tisch platzierten Armen gezeigt und mit Bauklötzen ausstaffiert sind (Abb. 40, Abb. 41). Zwar sind die Arbeiten in zwei unterschiedlichen Zeit- und Schaffensphasen datiert, die gestalterischen Einflüsse aus der Romantik sind jedoch eindrücklich wiedergegeben und verweisen auf die vergleichbare Prägung der Maler. Diese künstlerische Nähe verwundert insofern nicht, als die Maler zeitgleich in Dresden – dem einstigen Wirkungsort Caspar David Friedrichs – lebten und arbeiteten. Parallelen sind folglich in der ortsspezifischen und biografischen Zeitgenossenschaft erkennbar. Die zeitpolitische Situation im Übergang vom Kaiserreich zur parlamentarischdemokratischen Republik und schließlich zur Diktatur bildete sich selbstverständlich in künstlerischen Entwicklungen ab. Tradierte »altdeutsche« Beispiele und insbesondere solche der Romantik gewannen an Popularität. Die bereits in frühen Arbeiten anklingende und in den 1920er Jahren erkennbare Orientierung an künstlerischen Vorbildern intensivierte Dix in den folgenden Jahren und nochmals zu Beginn der 1930er Jahre. So stellt bereits die 1928 in der Galerie Neue Kunst Fides

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(Dresden) gezeigte Ausstellung otto dix und die heutige malerei deutschlands Arbeiten des Malers aus, die von Franz Roh als »neuer ›Klassizismus‹« kategorisiert wurden.97 Die in derselben Galerie 1930 sowie 1932 im Ulmer Museum gezeigten Ausstellungen zeigten ebenfalls Dix’ altmeisterlich ausgearbeitete Sujets. Der Ausstellungstitel des Ulmer Museums deutsche romantische malerei der gegenwart verweist auf Dix’ motivische und formalästhetische Stilentwicklung als Zeiterscheinung. Die Besprechung hierzu in die kunst für alle legt deutlich den nationalistischen Trend unter Verwendung von Begriffen wie »Nibelungenblut« und »Heimat« im Kulturbetrieb offen.98 Hinsichtlich des in den frühen 1920er Jahren einsetzenden Verismus führt Peters romantische und altmeisterliche Ikonografien und technische Bezüge an, die Dix’ Arbeiten prägen, allerdings laut des Autors »keineswegs auf den bloßen Versuch einer Weiterführung der Tradition beschränkt werden [können]«, was sich auch in den Querverweisen auf Dix’ Zeitgenossen offenbare und auf folgender Grundlage beruhe:99 »Ein bestimmter Stilmodus wird gewählt, um eine konkrete Person oder einen spezifischen Sachverhalt zu charakterisieren und zu interpretieren. Dabei durchschreitet der Maler Extreme, die zwischen zwei Polen des naiv scheinenden Kitsches wie der brennspiegelhaften Fixierung in Konkurrenz zur Fotografie oszillieren können. Bei Dix gibt es immer eine Interpretation des Gesehenen und das künstlerische Idiom ist von dieser abhängig.«100 Peters erläutert zur Adaption in Hinblick auf Dix’ Stilpluralismus weiter: »Die Auseinandersetzung mit und die Adaption der Geschichte der Malerei, des kitschigen ›arrivierten Öldrucks‹ oder des avantgardistischen Montageprinzips ist bei Dix immer inhaltlich motiviert und funktional gebunden. Das Stilidiom, das ›Wie‹ rechtfertigt sich durch den Inhalt, das ›Was‹. Als reflektiertes ästhetisches Verfahren, als Strategie, lassen sich Stiladaption und Stilpluralismus in ein integratives Gesamtbild von Dix’ Malerei der 10er- bis 30er-Jahre fügen, ohne die ihnen eigene ästhetische Sprengkraft zu verlieren. Zeitgleich vermag die Sichtweise, die Modernität des mitunter anachronistisch ›altmeisterlich‹ scheinenden Dix zu begründen, der aus heutiger Perspektive eine überraschende und bislang nicht zureichend gewürdigte Aktualität besitzt.«101 Die im neuen Sehen begriffenen Annäherungen beschreibt Mathias Wagner anhand der vier Wirkungsbereiche: »sachliche Reportage, de[r] satirischen Kommentar, die zynische Bloßstellung und die entschiedene weltanschauliche Partei-



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nahme.«102 Auf diese von Peters rezipierte und neu formulierte künstlerische Vorgehens- und Wirkungsweise [Maler – Interpretation des Gesehenen respektive des Motivs (Modell) – künstlerische Umsetzung (Idiom) – Rezeption des Gesehenen] Bezug nehmend und damit auch die kunsthistorischen Verweise einbeziehend, sei ferner auf Dix’ Darstellung 1927 in der berliner nachtausgabe verwiesen: »Jedenfalls liegt für mich das Neue in der Malerei in der Verbreiterung des Stoffgebietes, in einer Steigerung der eben bei den alten Meistern bereits im Kern vorhandenen Ausdrucksformen. Für mich bleibt jedenfalls das Objekt das Primäre, und die Form wird erst durch das Objekt gestaltet. Daher ist mir stets die Frage von größter Bedeutung gewesen, ob ich dem Ding, das ich sehe, möglichst nahe komme, denn wichtiger als das Wie ist mir das Was! Erst aus dem Was entwickelt sich das Wie!«103 Dix selbst begriff die Adaption unterschiedlicher Gestaltungsspezifika folglich im Sinne einer »Steigerung«, die im Motiv begründet liegt. Daher wählte er eine traditionsbezogene äußere Form etwa im Sinne der altmeisterlichen Lasurtechnik, um mit der eigenen Meisterschaft eine umso frappierende Wirkung im Dargestellten zu erzeugen. Demnach handelte es sich um das eigens erlernte und angeeignete Handwerkszeug sowie die eigene kunsthistorische Bildung, die der Maler im eigenen Werk ausübte und transformierte. Da die gestalterische Anlehnung an künstlerische Beispiele der Renaissance und Romantik in Dix’ Arbeiten nach dem politischen Umbruch 1933 fortbestand und intensiviert wurde, sind vergleichende kunsthistorische Untersuchungen in den nachstehenden Analysekapiteln relevant. Dix’ Werk entspricht chronologischen Schaffensphasen, die mit der zeitlichen Abfolge politischer Entwicklungen und Staatsformen einhergingen. Dies betrifft die systemische Entwicklung vom Kaiserreich zur parlamentarisch-demokratischen Republik, zur Diktatur und zum von den alliierten Mächten besetzten deutschen Staatsgebiet, das sich 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik und der ddr in zwei Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen teilte. Im Spiegel der wechselnden Staatsformen ist Dix’ künstlerische Entwicklung inklusive der 1933 und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zu lokalisierenden Umbrüche zu betrachten. Kunsthistorische Rekurse waren, wie am Beispiel der Romantik deutlich erkennbar, als »nationale Konstante« in der Zwischenkriegszeit populär. Da dieser Trend mit dem bereits seit der Reichsgründung 1871 einsetzenden Nationalismus einherging und um die Jahrhundertwende – wie am Beispiel der Jahrhundertausstellung 1906 gezeigt – eine Renaissance Caspar David Friedrichs als bedeutender Maler der deutschen Romantik zelebriert wurde, sind die Grundlagen für Dix’ kunsthistorische Bezüge entsprechend früher respektive weit vor dem Ende

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des Ersten Weltkriegs erkennbar.104 Hierauf verweisen Gemäldebeispiele wie das selbstbildnis mit nelke von 1912 oder das selbstbildnis mit wanderhut aus demselben Jahr. Die der Malerei der Romantik zugeschriebene patriotische Vorstellung in Bezug auf das normative Konstrukt »des deutschen Mannes« geht aus Ludwig Justis Bemerkung von 1921 hervor.105 Der implizite Nationalismus zeigte sich auch in den Kriegsbestrebungen und territorialen Ansprüchen, die sich schließlich ebenfalls in der kulturellen Landschaft wiederfanden. Dix’ Entscheidung zum freiwilligen Militärdienst an der Front – nachdem er im August 1914 als Reserveoffizier am Maschinengewehr eingezogen worden war – war vermutlich eher seiner Neugier als einem patriotischen Ansinnen geschuldet.106 Dass das Erlebte keineswegs heroischer Art war, wird am Werk der Nachkriegszeit deutlich sicht- und spürbar. Exakt in diesem Moment tritt Dix’ künstlerische Positionierung zur Zeit der Weimarer Republik zum Vorschein: Der seinen Arbeiten immanente Altmeister- und Romantik-Bezug entspricht den künstlerischen Interessen und dem Trend konservativer, fortwährend an den Werten der Monarchie festhaltender und tendenziell nationalistisch orientierter Kräfte. Hier seien exemplarisch Wilhelm Worringer, Heinrich Wölfflin und Wilhelm Pinder als kunsthistorische Positionen benannt, deren nationale Argumentationen in der Zwischenkriegszeit auf sogenannten »rassebedingten« Seh- und Gestaltungsweisen gründeten.107 Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass Wilhelm Pinders Buch die deutsche kunst der dürerzeit von 1940 auch in Dix’ Besitz war. Pinder, der 1935 eine geschichte der deutschen kunst publiziert hatte, in der er sich ein »neues Mittelalter« wünschte, in dem »die Menschen Stil haben«, vertrat eine »völkische«, antisemitische Position. Er lehnte die Avantgarde ab und bezog sich dabei sowohl auf die deutsche wie auch die internationale, insbesondere französische Moderne.108 Belting erläutert in Bezug auf Pinder dessen Streben nach einem nationalen Stil, der »mehr als Form und in Wirklichkeit ›Gemeinschaft und Glaube‹ [sei]. […] In seiner Berufung auf das ›Volk‹ aber wiederholt er ein Anliegen der Romantik, das allerdings im deutschnationalen Gebrauch jetzt dem Zeitgeist huldigt«.109 Aufgrund der altmeisterlichen Techniken, motivischen, ikonografischen, monogrammatischen und stilistischen Bezugnahmen in Dix’ Arbeiten unterschiedlicher Dekaden sind Bezüge zu solchen, seit Beginn des Jahrhunderts als deutschnational ausgelegten normativen Darstellungstraditionen enthalten. Dass Dix das Buch besessen hat, ist plausibel und paradox zugleich, da sich der Autor konkret gegen die Avantgarde positionierte und damit auch Dix’ Arbeiten einschloss. Er bezog sich in seiner Malerei auf unterschiedliche Epochen, was auch durch Max Dörners malmaterial in Dix’ Literaturbestand sowie verschiedene Notationen zu eigenen Gemälden – so etwa »exakt – altdeutsch – Bruegel-ähnlich« – untermauert wird.110 An dieser Stelle ist allerdings hervorzuheben, dass Dix



Ohne soziopolitische Tragweite. Unkritisches Porträt und Figurenbild ab 1933 _ 229

nicht – wie nationalsozialistisch-kulturpolitisch anerkannte Künstler, deren Arbeiten beispielsweise im Zusammenhang mit der grossen deutschen kunstausstellung (1937–1944) gezeigt wurden – eine reine Adaption der künstlerischen Vorbilder vornahm, sondern vielmehr seine eigene charakteristische Handschrift in Form antiklassischer Kompositionen in Motiv, Ikonografie, Bildaufbau oder Kolorit zugrunde legte und die altmeisterlichen Bezüge darin eingeflochten hat beziehungsweise mit ihnen kombinierte. Ihre Dominanz sticht durch technische und stilistische Eigenschaften meist hervor. Somit ist Peters im Hinblick auf Dix’ Stilpluralismus und die nicht reine stilistische Weiterentwicklung der Vorbilder beizupflichten. Ausgehend vom Beginn der Weimarer Republik bediente sich Dix dieser propagierten, konstruierten »deutschen Tradition« und begriff sich selbst zudem als Beispiel eines deutschen Malers.111 Sein Motivrepertoire spiegelt zeitgleich den gesellschaftlichen Aufbruch und die sozialen Probleme, die mit dem Ende des Kaiserreichs und der Initiation der parlamentarischen Republik einhergingen. Somit manifestiert sich zwischen dem »deutschen« Stil und der motivisch implizierten Zeitkritik eine Diskrepanz in seinem Werk: Dix’ subjektiver Ansatz bildet die kunsthistorische, als »deutsch« propagierten Aspekte in Form altmeisterlicher Darstellungen im eigenen Werk ab. Zugleich bezog er zeitgenössische kunst-, kultur- und soziopolitische Entwicklungen in seine Arbeiten ein. Dies spiegelt sich insbesondere in den sozialen Milieus, wie im Gemälde mutter mit kind von 1921 aufgezeigt. Aufgrund dieses bipolaren Fundamentes seiner Malerei handelt es sich nicht um eine teleologische Kategorisierung, sondern eher – angelehnt an den amerikanischen Kunsthistoriker George Kubler – um eine, »in der Formgestaltung sich äußernde Problemlösung«.112 Die Problematik ist im Hinblick auf das Werk und seine Entstehungszeit insofern zu fassen, als die Gesellschaft im Aufbruch zwischen den Staatsformen des Kaiserreichs, der demokratischen Republik sowie der Diktatur begriffen war. Dieser Wandel ist in den bildenden Künsten und speziell im Hinblick auf Dix’ Malerei begleitet von den Aspekten des Nationalismus, der Neuen Sachlichkeit und des Verismus sowie einer Klassizismus-Anmutung, die um 1933 einsetzte.

ohne soziopolitische tragweite. unkritisches porträt und figurenbild ab 1933 Mit der sogenannten »Machtergreifung« und der damit verbundenen Entlassung von der Dresdner Akademieprofessur wandelte sich Dix’ malerisches Motivrepertoire. Zwar war, wie einleitend aufgezeigt und am Œuvre als kontinuierliche Entwicklung dargelegt, bereits in den Jahren zuvor eine traditionsbezogene Gestal-

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tungsweise gegenwärtig; allerdings ist die Rolle des Porträts im Zusammenhang mit dem politischen Systemwechsel, im Kontext der tradierten Gestaltungsweisen und der Werkentwicklung der nachfolgenden Jahre von zentraler Bedeutung. Der gattungsspezifische Umbruch geschah simultan: Die in der Dix-Rezeption populäre Porträtmalerei wurde 1933 buchstäblich durch die Landschaftsmalerei abgelöst.113 Malte Dix in der gesamten Zeit der Weimarer Republik 181 Porträts, wendete sich das Blatt ab 1933 und in den nachfolgenden Jahren (inklusive 1945). Die Anzahl der Porträt-Gemälde fiel auf insgesamt 41. Als Gegenpol hierzu ist eine diametrale Entwicklung der Zahlen zur Landschaftsmalerei zu beobachten. Während zwischen 1918 und 1932 lediglich eine Landschaftsdarstellung von 1919 zu verzeichnen ist, fertigte Dix zwischen 1933 und 1945 163 Landschaftsgemälde.114 Die Quantität und Frequenz ist demzufolge eine wichtige Beobachtungs- und Argumentationsgrundlage im Spiegel der zeitpolitischen Gegebenheiten. Das Jahr 1933 markiert folglich Dix’Abkehr vom Schwerpunkt auf sozialkritische Porträts hin zur Landschaftsmalerei und zu einer ins Konservative gesteigerten Modifikation seiner Porträt­malerei. Dies erlaubt den Rückschluss, dass sich der politische Systemwechsel 1933 mit seinen weitreichenden politischen Auswirkungen unmittelbar auf Dix’ berufliche Tätigkeit als Künstler auswirkte. »So ein Porträt malen ist eine wahre Sklaven­ arbeit. Ich schwitz bei jeder Sitzung wie ein Affe und hinterher schmier ich das Ganze wieder weg.«115 Die 1940 von Dix als Mühsal beschriebene Porträt­malerei stellte aufgrund der ab 1937 zunehmenden Aufträge einen existenzerhaltenden Aspekt in seinem Œuvre dar. Im Verhältnis zum Hauptsujet der Landschaftsmalerei (163) wird deutlich, dass Dix das Porträt geringer gewichtete und sich motivisch von ihm löste. In der Gestaltung fand eine deutliche Verschiebung hin zu einer Darstellungsweise statt, die einer offensiv kritischen Motivik entbehrte. Der Konservatismus ist insofern greifbar, als Dix in seinen vielfach im Auftrag entstandenen Porträts dieser Zeitphase weitgehend auf offensiv kritische Anstöße verzichtete und klassisch-idealisierte altmeisterliche Gestaltungsweisen intensivierte. Im Sinne von Hartlaubs Begriffsfassung des Neusachlichen im Katalog zur Mannheimer Ausstellung neue sachlichkeit 1925 ist Dix’ Malerei der 1920er Jahre aus Sicht der heutigen Rezeption oftmals beiden Lagern zuzurechnen – dem »linken Flügel« der Veristen und dem der den »zeitlos-gültigen Gegenstand suchend[en] Klassizisten«.116 Das »Linke« beschreibt hier die inhaltliche, motivische Ebene des Verismus, als »klassizistisch« sind die formalästhetischen, technischen Mittel und Ausdrucksweisen von Dix zu sehen. Hartlaubs Zuschreibung ist für die Schaffensphase nach 1933 insofern in Frage zu stellen, als Dix’ Œuvre hier der offensiven Sozialkritik entbehrte. Im Verhältnis dazu wird die damalige kunstpolitische Anerkennung solcher – auch von Dix rezipierter – künstlerischer Vorbilder als »deutsches« oder »altdeutsches« Ideal ersichtlich: In der Monatsschrift die kunst im dritten



Ohne soziopolitische Tragweite. Unkritisches Porträt und Figurenbild ab 1933 _ 231

reich wird die Idealisierung »des Deutschen« am Beispiel der nationalsozialistischen Renaissance-, Klassik- und Romantikrezeption und am Paradigma vorindustrieller Heimatdarstellungen erkennbar.117 So ist der Bezug auf die als »deutsche Tradition« rezipierten nordalpinen Künstler unterschiedlicher Epochen in dieser Schaffensphase keineswegs als Alleinstellungsmerkmal von Otto Dix wahrzunehmen, er entspricht vielmehr zeitgenössisch populären Traditionsbezügen. Solche an den Zeitgeschmack angelehnten Darstellungen implizierte der Maler zudem anhand klassizistisch anmutender Auftragsarbeiten. Zahlreiche Porträts malte Dix für Auftraggeber wie Otto Köhler oder Fritz Niescher.118 Dies zeigt etwa das Gemälde drei schwestern niescher von 1936, dessen Fokus auf den Physiognomien der Porträtierten liegt. Die Bleistiftzeichnung katherina stern von Wolfgang Willrich von 1937, der die »Blut-und-Boden«-Propaganda mit seiner Femeschrift säuberung des kunsttempels von 1937 befeuerte und selbst mit Arbeiten auf der grossen deutschen kunstausstellung in München (1938–1941) vertreten war, erscheint im Vergleich zu Dix’ Gestaltungsweise als Ausdruck eines zeitbedingt anerkannten und propagierten Stereotyps interessant.119 Trotz motivischer und stilistischer Übereinstimmungen sticht hervor, dass Dix’ Darstellung einen individuellen Frauentypus abbildet, wohingenen Willrichs Darstellung vielmehr als Stereotyp zu erachten ist. In dieser Hinsicht visualisiert Dix’ Rötelzeichnungen frauenporträt (ilse christa köhler) von 1938 eine formalästhetische Nähe zu Wolfgang Willrichs Zeichnung bildnis katharina stern von 1935 (Abb. 42, Abb. 43). Zugleich werden die Diskrepanzen zwischen dem einstigen Veristen und dem nicht zuletzt wegen seiner Teilnahme an der grossen deutschen kunstausstellung mit 31 Arbeiten anerkannten Willrich deutlich. In diesem Sinne korrespondieren Dix’ Rückbezüge mit den im »völkischen« Sinne zu Propagandazwecken verwendeten Vorbildern. Dennoch weisen auch die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten Dix-spezifische Kennzeichen auf, wie sie etwa anhand von Physiognomien, Kompositionsspezifika oder anderen gestalterischen Eigenschaften zum Ausdruck gebracht sind. Von besonderer Relevanz erscheint daher die Befragung des Œuvres auf dessen Binarität von Traditionsbezug – der dem vorherrschenden Nationalismus und der »völkischen« »Blut-und-Boden«-Ideologie zu entsprechen scheint – und immanenter Überzeichnung.120 Somit steht eine künstlerische Annäherung oder gar Anbiederung an gewollte Stile und Darstellungsweisen während des Nationalsozialismus in Deutschland zu untersuchen und damit die Motivation und Zweckmäßigkeit solcher Gemäldetypen – etwa, um in dieser Zeit die Existenz durch Auftragsarbeiten und Verkäufe von Arbeiten zu sichern. Da Dix schon lange vor Inkrafttreten der Diktatur technische Mittel, Verfahrensweisen und Stile mit kunsthistorischem Rückbezug anwandte, steht außer Frage, dass er sich allein aufgrund seiner Mitwirkung am deutschen Kunstgeschehen

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42  Otto Dix. frauenportrait (ilse christa köhler), 1938, Rötel auf grundiertem Karton 43,5 × 31,5 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser

43  Wolfgang Willrich. bildnis katharina stern 1935, 46 × 35 cm, Privatbesitz

nach 1933 an künstlerischen Vorbildern ausrichtete. Die eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten im Kunstbetrieb – so etwa Ausstellungsmöglichkeiten und die Vertretung durch Galerien betreffend – belegen ferner, dass die werkimmanente Altmeister-Rezeption nur zu eingeschränktem Erfolg führte. Inwieweit in Dix’ Darstellungsweise ein Fortbestehen des Realismus und gegebenenfalls des Verismus gegeben ist, wird am Beispiel des Gemäldes bildnis frau rosa eberl von 1940 deutlich (Taf. 2). Auf eine vermeintlich angepasste Weise und in subtiler Manier brachte Dix dennoch die fortwährend für zahlreiche seiner Arbeiten geltende Binarität zwischen tradierten Gestaltungsweisen und neusachlicher Detailgebundenheit zum Ausdruck. Als soziokritische Analyse findet im Umkehrschluss die Untersuchung des Gemäldes bildnis frau rosa eberl von 1940 als ein Vexierbild-Beispiel zwischen Luxus und Gebrochenheit, kunsthitorischen Bezügen und damaliger Gegenwart statt. An diesem ist die Adaption tradierter Kompositionen und ebensolcher malerischer Techniken ablesbar. Zudem hatte Dix das Modell mit unterschiedlichen Attributen versehen, die es in herrschaftlicher Geste und ebensolchem Habitus zeigen und die dem zeitgenössisch propagierten Kunst-

Adaption zeitgenössischer Trends? _ 233



geschmack nicht grundlegend widerstrebten. Der Physiognomie der Porträtierten sind hingegen charakteristische emotionale Regungen von Wut, Entschlossenheit und zugleich Trauer immanent, die dem herrschaftlich anmutenden Habitus ihrer Erscheinung bipolar gegenüberstehen und ihm zu widersprechen scheinen, wodurch schließlich das Kippspiel zum Ausdruck gebracht wird. Unter Berücksichtigung der populären, anrüchig wie anerkennend rezipierten Werke der Weimarer Republik und des zentralen Sujets der soziokritischen veristischen Porträts wird die 1940 entstandene Arbeit bildnis frau rosa eberl schließlich auf ihren zeitkritischen Wert hin untersucht. Im Fokus steht die Hinterfragung, inwiefern die charakteristische soziokritische Malerei der Zwanzigerjahre in den Arbeiten dieser Zeit Anklang findet respektive fortbestand. Den Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Kapitels bildet folglich das werkimmanente Changieren zwischen Dix’ Werk als Konterpart zu seiner zeitgenössischen politischen Umwelt wie auch im Sinne einer Annäherung. Dies wirft abermals Fragen hinsichtlich seiner künstlerischen und existenziellen Motivation auf.

adaption zeitgenössischer trends? Nationalsozialistische Periodika wie die kunst im dritten reich (1937–1944) dienten als Propagandamittel zur Verbreitung der »Blut-und-Boden«-Ideologie. Diese Monatsschrift diente folglich nicht allein als Medium der Informationsvermittlung hinsichtlich Ausstellungsankündigungen, -besprechungen oder Anzeigen aus dem Kunstmarkt. Das Medium diente zur inhaltlichen Etablierung und Untermauerung der »völkischen« Ideologie, die in kulturpolitischer Hinsicht im Sinne einer weitreichenden »deutschen« Kunsttradition angelegt und mit Erscheinen der monatlichen Ausgaben propagiert wurde. Neben historischen Referenzen sind darin regelmäßig zeitgenössische Künstler aufgeführt, deren abgebildete und textlich besprochene Arbeiten deutliche Verweise auf Einflüsse und Adaptionen aus Früher Neuzeit, Renaissance, Klassizismus oder Romantik implizieren. Die idealen, darin als »deutsch« begriffenen Künstler- und Werkbeispiele wurden mit dem Titel meister­w erke deutscher kunst versehen. So erfolgten Besprechungen zu je einer kunsthistorischen Arbeit etwa zu »Hans Burgkmair d. Ä.: Johannes auf Patmos« (Ausg. 5171938), »Lucas Cranach d. Jg.: Venus und Cupido« (Ausg. 6/1938) oder »Leonhard Beck: Der Ritter Georg« (Ausg. 4/1939), wobei je eine oder zwei großformatige Abbildungen zur Besprechung gezeigt wurden. Im Jahr 1939 änderte sich der Kolumnentitel in das deutsche antlitz in der kunst, unter dem auch die Besprechung »Albrecht Dürer: Bildnis eines Jungen Mannes« veröffentlicht wurde. Darin führt der Autor Hans Wöhr an: »So sehr sich Dürer auch versucht,

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mit den Venezianern zu wetteifern, er mag und kann sich als Deutscher nicht verleugnen und bleibt bis in den letzten und kleinsten Pinselstrich ganz deutsch.«121 Insofern wird der Nürnberger Maler als Exponent deutscher Kunst im Sinne des Nationalsozialismus klassifiziert. Ohne dies zu belegen, führt der Autor eine Korrespondenz von Dürer mit Willibald Pirckheimer (1470–1530) an, schreibt und zitiert Dürer direkt, um seine Meisterlichkeit und vermeintliche Überlegenheit gegenüber venezianischen Kollegen zu untermauern: »Er ist voll Überschwang und stolz auf sein Werk und schreibt an Pirckheimer, er habe die welschen Maler zum Schweigen gebracht, ›die do sagten, im Stechen wär ich gut, aber im Molen weist ich nit mit Farben umzugehen. Itz spricht Jedermann, sie haben schoner Farben nie gesehn‹.«122 Genauso wie nationalistische, eine »deutsche Tradition« forcierende Stimmen dies bereits in der Zeit der Weimarer Republik getan hatten und die Propagierung einer »deutschen Kunstgeschichte« zur Zeit des Nationalsozialismus am Beispiel von Dürer, Cranach oder anderen Alten Meistern stattfand, arbeitete Dix auch nach 1933 mit den technischen und kompositorischen Verfahrensweisen in Lasurmalerei, Silberstift- oder Rötelzeichnung dieser Vorbilder weiter und adaptierte eindrücklich ihre künstlerischen Ausdrucksweisen.123 Der Vergleich der Zeichnung weiblicher halbakt von 1932 mit Dürers Blatt bildnisse eines mädchens in kölnischer tracht und agnes dürers (1521, aus dem Skizzenbuch der Niederländischen Reise) offenbart sowohl materialspezifisch anhand des jeweils auf grundiertem Papier verwendeten Silberstiftes als auch in technischer Hinsicht deutliche Übereinstimmungen (Abb. 44, Abb. 45).124 Sie kommen aufgrund der Linienverläufe, der Kreuz- und Parallel-Schraffuren, des jeweils aus den Schattierungen und nuancierten Grauwerten resultierenden Helldunkels sowie der damit erzielten Anmutung von Plastizität zum Ausdruck. Dies hatte im Rahmen der Ausstellung zwei deutsche maler der Galerie Nierendorf 1935 bereits Paul Ferdinand Schmidt herausgestellt: »Von der gleichen Stärke sind seine Zeichnungen in Silberstift und Feder, Landschaft und Menschengesicht formend, in einer höchst eigentümlichen Verbindung heutiger Psychologie und der Urkraft Dürerscher Formenlinie.«125 Bei eingehender Betrachtung treten die Übereinstimmungen der Linienverläufe heraus, sodass Dix’ Streben nach einer tradierten Wirkungsweise deutlich zum Vorschein kommt. Der Rekurs auf künstlerische Vorbilder erscheint auch in der vergleichbaren kompositorischen Anordnung der Porträtierten als Brustbild im Halbprofil – wenngleich Dürer sein Motiv bekleidet darstellte, Dix’ hingegen einen Akt zeigt – und darüber hinaus anhand der Physiognomie, wodurch die visuellen Charakteristika der Dargestellten stark herausgestellt sind. Weder das Renaissance-Vorbild noch sein



Adaption zeitgenössischer Trends? _ 235

44  Otto Dix. weiblicher halbakt 1932, Silberstift auf weiß grundiertem Papier, 56,7 × 47 cm, Wien, Albertina

45  Albrecht Dürer. bildnisse eines mädchens in kölnischer tracht und agnes dürers (aus dem silberstiftzeichenbuch der niederländischen reise), 1521, Silberstift auf weiß grundiertem Papier, 13,5 × 19,6 cm, Wien, Albertina

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Nachfolger des 20. Jahrhunderts strebten eine idealisierte Wiedergabe der porträtierten Personen an, sondern beide zeichneten ihre Protagonistinnen in realistischer Manier und damit im Sinne einer Annäherung an die Wirklichkeit.126 So versah Dix sein Modell mit unterschiedlichen Blickrichtungen, einer gekrümmten Nase und einem spitz zulaufenden Kinn. Wenngleich keine Kenntnis über die tatsächlichen Physiognomien von Dürers Motiven existieren kann, so lassen die in Dürers Zeichnung aufgezeigten charakteristischen Erkennungsmerkmale wie die Augenpartie, der Wangen- und Mundbereich oder gar das Kinngrübchen auf eine nah am Motiv orientierte Gestaltung schließen. Dabei ist die Überzeichnung in beiden angeführten Beispielen nicht als karikaturesk zu begreifen. Vielmehr sind weibliche Personen abgebildet, deren Antlitze die feine Aufnahme- und Wiedergabefähigkeit ihres jeweiligen Zeichners widerspiegeln.

veristisches sezieren in konservativem gewand. zum bildnis frau rosa eberl (1940) Eine bislang in der Forschung kaum beleuchtete Auftragsarbeit stellt das Gemälde bildnis frau rosa eberl von 1940 dar.127 Es ist augenscheinlich ein herrschaft­ liches Bildnis, dessen Wirkung jedoch durch die Beigabe einer subtilen Gebrochenheit bestimmt ist. En face sitzt die Porträtierte Rosa Kirsten Eberl, deren Name im Titel angelegt ist, den Rezipierenden gegenüber und schaut direkt aus dem Bild heraus. Sie ist vor einem blau-violett changierenden Hintergrund positioniert, der sich in der Farbe ihrer Augen widerspiegelt, und füllt nahezu den gesamten Bildbereich des 103 × 80 cm großen Gemäldes. Dabei thront sie auf einem goldenen Stuhl, dessen Rückenlehne und Sitzfläche an ihrer linken Seite zum Vorschein kommen und die Oberflächenbeschaffenheit etwa einer Jakobsmuschel sowie florale, geschwungene Ornamente aufweisen. Sie sitzt aufrecht und leicht nach rechts gerückt, die Beine diagonal abwärts gerichtet. Dabei hält sie eine Tulpe mit rosafarbiger Blüte in ihrer Rechten, deren Ringfinger mit einem auffälligen Smaragdring versehen ist. Die linke Hand greift mit herrschaftlicher Geste in das ebenso rosafarbene Satin-Revers ihres Mantels, das von einem üppigen Pelzkragen gesäumt ist. Des Pelzkragens braune Färbung kehrt in der Tonalität ihres Rockes wieder und in der Struktur der einzelnen Haare in den Höhungen ihrer zurückgesteckten, aber dennoch leicht zerzausten Frisur. Pelzkragen und Revers bilden zusammen das bereits in den Zwanzigerjahren mehr oder weniger eindeutig eingesetzte Vulva-Motiv, dies ist anhand der Vergleichsreferenzen des Triptychons grossstadt (1927/1928) und der darin zentralen Figur im Vordergrund des rechten Seitenflügels ebenso erkennbar wie im Gemälde stillleben mit witwenschleier von 1925. In Letztgenanntem



Veristisches Sezieren in konservativem Gewand. Zum »Bildnis Frau Rosa Eberl« (1940) _ 237

46  Otto Dix. grossstadt (Triptychon), 1927–1928, Öl und Tempera auf Holz, 181 × 402 cm, Kunstmuseum Stuttgart

47  Otto Dix. stillleben mit witwenschleier 1925, Mischtechnik auf Leinwand, 134,4 × 75,4 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister, Leihgabe der Otto Dix Stiftung, Vaduz

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ist der Verweis auf das weibliche Geschlecht im Gegensatz zum Gemälde bildnis frau rosa eberl offensiv dargestellt (Abb.  46, Abb. 47). In starkem Kontrast zum übrigen Kolorit steht das blass-gelbe Hemd, das sie unter dem Mantel trägt, und dessen Farbe in der gelblichen Blässe ihres Inkarnats wiederkehrt. Dix schrieb in einem Brief an Martha Dix, das dunkle Bild zeige »einen einzigen hellen Fleck, eine weiße Bluse«.128 Ihre Physiognomie ist einerseits bestimmt durch die aufrechte Haltung, die eine starke Präsenz ihres Ausdrucks unterstreicht. Ihr Kopf ist latent nach rechts geneigt, wobei der Blick sowie ihre stoischen Gesichtszüge klassisch anmuten. Andererseits – und hieran offenbart sich das Dix-Spezifische – verkörpert ihr Antlitz mehr die Tragik einer gebrochenen Persönlichkeit als ihre Stärke und Machtposition. Der Binarität von Herrschergestus und entsprechenden Insignien gegenüber der Tragik ihrer Physionomie wird im Folgenden nachgegangen. Dabei steht die Frage nach dem Fortbestehen des Verismus als einer soziokritischen Variante der Neuen Sachlichkeit anhand dieses Gemäldebeispiels im Betrachtungsfokus.129 Ausschlaggebend für die motivimmanente Gebrochenheit ist ihre Wirkung auf die Rezipierenden, die durch die Rötung in den Schattierungen ihres Inkarnats, die Nuancierung der Augenränder wie auch die Stirnfalten und den abwesenden Blick erzeugt wird. Ihr aus dem Bild heraustretender und zugleich introvertierter Blick ist gerahmt von geröteten Hautpartien. Diesem Erscheinungsbild liegt die schichtweise aufgetragene Lasur und damit der semitransparente Duktus zugrunde, wobei die durch den Farbduktus erzeugte raue Beschaffenheit ihrer Hand dieser Feinheit und somit dem in anderen Inkarnats-Bereichen erzeugten sfumato widerspricht. Die vergleichende Betrachtung von Vorzeichnung und Ausführung im Porträt der Protagonistin Rosa Eberl bringt Unterschiede in Hinblick auf die physiognomische Gestaltungsweise und die charakterisierenden Zuschreibungen der Dargestellten zum Vorschein.130 Im Karton sind sowohl die motivischen als auch die formalästhetischen Elemente detailreich ausgearbeitet, wodurch weitreichende Übereinstimmungen auszumachen sind (Abb. 48). Die Protagonistin ist im Gemälde etwas größer gezeigt als in der Studie und weist somit eine größere Nähe zu den Rezipierenden auf. Ihre Kopfform ist in Zeichnung und Gemälde latent abweichend und in der Malerei proportional kleiner im Verhältnis zu ihrem Körper gezeigt. Zudem unterscheiden sich die jeweilig zum Ausdruck gebrachte Mimik wie auch die Umsetzung von Bluse und Tulpe. Die Vorzeichnung erscheint hinsichtlich der physiognomisch erkennbaren Gebrochenheit im Vergleich zum Gemälde kontrastierend. Ihre Mimik, die Physiognomie sowie die Wirkung ihres Blicks und die Schattierungen unterscheiden sich gegenüber der in Öl ausgeführten Version in der gleichmütigen, weniger angespannten Ausdrucksweise. In der Übersetzung ins Gemälde beschreiben die angeführten Bewegungs- und Ausdrucks-Eigenschaften



Veristisches Sezieren in konservativem Gewand. Zum »Bildnis Frau Rosa Eberl« (1940) _ 239

48  Otto Dix. bildnis frau rosa eberl 1940, Kohle auf grünlichem Papier, 99,5 × 75 cm, Kunstsammlungen Gera

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ein weit weniger selbstsicheres, von Trauer, zugleich Skepsis und Wut geprägtes Antlitz. Die in Kohle auf Papier ausgeführten Schattierungen implizieren keinerlei Hinweis auf die in Öl umgesetzten geröteten Gesichtspartien; auch die im Gemälde über den Brauen durch rötliche Schattierungen dargestellten Falten sind nicht durch Schraffuren in der Studie angelegt. Die Rötungen um ihren Mund, aufgrund derer diese Hautpartie besonders zart und wund erscheint, widersprechen den klar definierten Lippen der Vorzeichnung. Motivisch gestaltete der Maler die in der Studie streng zugeknöpfte Bluse schließlich leicht geöffnet sowie ohne erkennbare Knöpfe und die zuvor runden Kragen-Enden sind im Gemälde spitz zulaufend. Dadurch wirkt das Porträt im Gemälde zwar streng, aber weniger bieder, als in der Studie angelegt. Zwar ist die Geste beider Hände in Studie und malerischer Ausführung übereinstimmend, die Protagonistin trägt den Ring im Gemälde jedoch an ihrer rechten Hand, in der sie auch die Tulpe mit hier geringer geöffneter Blüte hält. Zu den elementaren Eigenschaften des Gemäldes bildnis frau rosa eberl zählen sowohl der zwischen herrschaftlicher Attitüde und der Ausstrahlung einer gebrochenen Persönlichkeit changierende Habitus als auch ikonografische Verweise, die der Porträtierten zuzuschreiben sind. Dabei bündelt es unterschiedliche kunsthistorische Bezüge – sowohl der nordalpinen wie auch der italienischen Renaissance – in sich. Diese zeichnen das Gemälde ebenso aus wie die neusachlichen Bezüge in Form der motivimmanenten Gebrochenheit, die es als charakteristisches Bild des Malers kennzeichnen. Als Halbfigur visualisiert sie den »Typus des hieratisch-symmetrischen Porträts des sitzenden Monarchen en face«, der auf das späte 14. Jahrhundert zurückgeht.131 Auch die ihr beigefügten Attribute wie der Pelzkragen, der von Diamanten umkränzte Smaragd-Ring und ihr Gestus, die Tulpe haltend, wie auch die an das Revers greifende Hand- und Armhaltung verweisen auf zahlreiche in der Geschichte der Kunst eingesetzte Herrscherinsignien. Der Pelzkragen verweist auf monarchische Krönungsroben wie beispielsweise von Christiane Hille anhand des HermelinSaumes in der Darstellung elisabeth i von england von Nicholas Hilliard (um 1600) abgebildet.132 Bereits hierin spiegelt sich eine feudale Zuschreibung der Protagonistin. Darüber hinaus tritt anhand der Pelzrobe und insbesondere des spitzpinselig und zugleich üppig modellierten Kragens die Rezeption von Dürers Selbstporträt von 1500 deutlich hervor (Abb. 49). So ist in der Beschaffenheit, der Farbe und Struktur ein Verweis auf das nordalpine Vorbild erkennbar, wenngleich Dix dieses Element weitaus voluminöser gestaltete. Bei der eingehenden Betrachtung wird jedoch deutlich, dass der von Dix gestaltete Pelzkragen eine gröbere Struktur aufweist und das einzelne Haar eine wesentlich sprödere Wirkung suggeriert. Da das Fell in seiner optischen Anlage eher struppig wirkt, weist es im Vergleich zum



Veristisches Sezieren in konservativem Gewand. Zum »Bildnis Frau Rosa Eberl« (1940) _ 241

49  Albrecht Dürer. selbstbildnis im pelzrock 1500, Öl auf Holz, 67,1 × 48,9 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek

Beispiel Dürers eine andersartige Struktur auf. Das sfumato ist darin sehr plastisch und fließend ausgearbeitet, sodass in diesem Detail eine Diskrepanz hervortritt. In technischer Gestaltung und Modellierung weisen beide Darstellungen jedoch eine vergleichbar weiche Suggestion auf. Am Pelzkragenmotiv vermag Dix absichtlich einen Bezug zu seinem Vorbild aufzeigen, um sich gezielt in der Tradition der Dürer’schen Gestaltungsart zu verorten, sodass am Beispiel bildnis frau rosa eberl Haar- und Fellstrukturen als zentrale Elemente hervortreten. Das Spiel mit unterschiedlichen Textilien, ihrer haptischen Suggestion und damit eingeschlossen die kunsthistorischen Rückbezüge sind bereits in den 1920er Jahren erkennbar. Fellimitationen, Strukturen von Haar oder Textilien kennzeichnen etwa das gemälde venus mit den handschuhen von 1932, bei dem das Mädchen mit Samthandschuhen und -vorhang zum ansatzweisen Bedecken der Scham sowie Fell im Hintergrund ausstaffiert ist. Auch in den Arbeiten bildnis eines blonden mädchens von 1932 und vanitas (jugend und alter) von 1932, in denen die

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filigranen Pinselstriche und Weißhöhungen einzelne Haare und Strähnen hervorheben, kehren diese Gestaltungsmerkmale und Motive wieder. Auch in lot und seine töchter von 1939 und bildnis frau emmi hepp von 1939 wirkt unter anderem der Felleinsatz als bildprägendes Element. Das Gemälde venus mit den handschuhen weist neben der Textilsuggestion insbesondere Verweise auf Lucas Cranachs d. Ä. Gemälde venus (1532) und lucretia (1530) auf. Dix zeigt sein Motiv als Kniestück nahezu en face den Betrachtern zugewandt. Die Dargestellte ist lediglich mit schwarzen Handschuhen bekleidet, die vollständig ihre Unterarme bedecken. Sie lehnt auf einem Fell, das ausschnitthaft im rechten Bildfeld erkennbar ist. Von der oberen linken Bildecke fällt ein in Falten gelegter schwerer, brauner Vorhang herab, der nonchalant um ihr Becken drapiert ist und den hellen Leib einfasst. Mit dem Stoff bedeckt die Porträtierte ihre Beine, wobei es scheint, als hätte sie ihr Geschlecht für die Betrachtenden freigelegt. Darauf verweisen der geraffte Stoff, den sie mit der Linken fasst, sowie ihr die Betrachtenden direkt anvisierender Blick im Zusammenspiel mit ihrer von einem subtilen Lächeln umspielten Mundpartie. Den rechten Arm hält sie vor dem Oberkörper, wobei sie die Hand flach vor dem Brustkorb zwischen Brust und Nabel hält, ihre Finger spreizt und der Handschatten andeutet, dass die Fingerkuppen die Haut berühren. Ihr zarter, schmaler Körper und das ebenmäßige Inkarnat zeigen die Porträtierte als Jugendliche. Hier wird Dix’ Bezug auf Cranachs lucretia und venus konkret, wie die vergleichende Betrachtung zeigt. So weisen Cranachs lucretia und Dix’ venus hinsichtlich der Eigenschaft als Kniestück und nahezu en face im Dreiviertelprofil Parallelen auf, wobei die Häupter jeweils unterschiedlich ausgerichtet sind. Die physiognomische Ausrichtung spiegelt sich auch in Referenzen wie Cranachs venus wieder, die demselben Frauentypus entspricht wie die vorangestellte lucretia, die von hellem Inkarnat vor dunklem Grund ebenso gezeichnet ist wie von einem sfumato und als jugendliche Erscheinung ohne Altersanzeichen erscheint. Besonders hervorzuheben ist die Entsprechung der Protagonistin in Dix’ venus-Bild gegenüber Cranachs lucretia. Bezugnahmen sind im Motivausschnitt des Rumpfes, der Einbettung des Unterleibs und seiner formalen Entsprechung in Textilien, Tuch oder Fell ebenso abgebildet wie in der perspektivischen Erfassung, der farbigen Gestaltung in primär gedeckten Tönen und schließlich sogar im vergleichbaren Bildformat. Dix verwendet diese Elemente ebenso wie die textilen Vorhang- und Fell-Motive, die kompositorische Setzung der Dargestellten im Bild sowie die technisch-malerische Komponente der Ölmalerei mit filigranem Pinselstrich und changierendem Helldunkel und den eingesetzten Glanzlichtern. Auf diese Weise rezipiert er Cranach konkret am Beispiel dieses weiblichen Porträttypus. In seinen Briefen beschrieb Dix diese textilen Attribute vielfach, so etwa 1939 gegenüber Hannah Koch, der Tochter seiner Ehefrau Martha.133



Veristisches Sezieren in konservativem Gewand. Zum »Bildnis Frau Rosa Eberl« (1940) _ 243

Auch die Handhaltung und die Geste der sachte ruhenden Hand im Revers sind als deutlicher Verweis auf künstlerische Vorbilder zu betrachten. Dieser Aspekt im bildnis frau rosa eberl rekurriert ikonografisch insofern auf das Bildnis der britischen Monarchin von Nicholas Hilliard, als es sich bei dem von Dix beigefügten Element der Tulpe nicht um die bei Hilliard – wie auch in anderen Referenzbeispielen erkennbar – eingesetzte Insignie des Zepters handelt. Eine deutliche Parallele zu dem benannten Herrscherinnenbeispiel besteht in der Zartheit und Zierlichkeit der haltenden Hand sowie dem Gestus des Greifens.134 In diesem Zusammenhang sei ferner auf die linke Hand verwiesen, die performativ erhaben das in Rot mit weißen Höhungen gemalte Satin-Revers fasst. Hierzu ist der Eintrag zu hand in der weste im Handbuch politische ikonographie anzuführen. Wie Fleckner erläutert, »[…] findet die Attitüde immer dann ins Kunstwerk, wenn es galt, Persönlichkeiten von Rang und Namen repräsentativ in Szene zu setzen«, und führt im Nachhinein die historische Rückgebundenheit der Eloquentia corporis bis ins antike »Gebärdenspiel« zurück.135 Die wie am Beispiel der zahlreich existierenden Napoleon-Darstellungen wiederkehrende Geste wird ferner »im englischen und französischen Porträt des 18. und frühen 19. Jahrhunderts« als vielzählig eingesetztes Motiv erkannt, sodass sich Dix mit dieser Geste hiermit auf eine kunsthistorische Tradition dieses Motivs bezieht.136 Wenngleich er das Motiv der »eingeschobenen Hand« nur andeutete, indem lediglich die Kuppe des Zeigefingers hinter dem Revers verschwindet und das Fell des Kragens nur die Spitzen des Mittel- und Ringfingers bedeckt, ist die Geste dennoch vergleichbar mit den etwa bei Fleckner angeführten Herrscherbildnissen wie Jean-Auguste-Dominique Ingres’ Darstellung napoleon bonaparte als erster konsul von 1803/1804 oder gar Francisco de Goyas el conde de fenán núñez von 1803. Bei der weiteren Betrachtung der monarchisch angelehnten Hand, welche die Tulpe fasst, tritt zudem der Ring als Insignie in den Betrachtungsfokus. Der hervorstechende, vermutlich von Diamanten oder Brillanten gerahmte Smaragd ist der Porträtierten als Wohlstands-Attribut beigefügt und repräsentiert damit eine hohe gesellschaftliche Position. Als vergleichbare Attribute dienen der Pelzmantel und der in seiner Wirkung als Thron fungierende goldene Stuhl. Real waren die zuletzt genannten Motive Teil von Dix’ persönlichem Interieur. Der goldene Stuhl zählte zum Inventar seines Ateliers; aus der Korrespondenz zwischen ihm und Martha im November 1939 geht zudem das Interesse am Kauf eines Pelzmantels hervor.137 Die beigefügten Motive sind demnach von Dix als Attribute eingesetzt, um eine Wirkung zu erzielen, sie spiegeln jedoch nicht nachweislich den persönlichen Besitz oder sozialen Stand der Porträtierten wieder. Demnach ist annehmbar, dass Dix diese Elemente einband, um die seinerseits erkannten charakteristischen Merkmale bildlich zu verkörpern.

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50  Raffael. transfiguration 1518/20, Öl auf Holz, 410 × 278 cm, Pinacoteca Vaticana, Rom

Dix fertigte das Ölgemälde mit seiner für diese Zeit charakteristischen Lasurtechnik. Da es sich um Tafelmalerei handelt, besteht ein Bezug zu den von ihm selbst als »alte Stoffe« bezeichneten künstlerischen Vorbildern. Sowohl die technische als auch die materialspezifische Farbgestaltung wie auch das Motiv zeigen neben nordalpinen Bezügen Parallelen zur italienischen Renaissance. Hinsichtlich des Hintergrund-Kolorits sei auf jenes in Raffaels Aureolen-Darstellungen der transfiguration (um 1518/1520) und der sixtinischen madonna (um 1512/1513) und dort der »häufig blaue[n] Farbe der Mandorla[,] die den Gedanken an die kosm. Himmelssphäre [erweckt]« Bezug genommen, da die Protagonistin Rosa Eberl von einer Lichtaureole gerahmt ist, die auch das Chiaroscuro der angeführten Beispiele der italienischen Renaissance prägt (Abb. 50, Abb. 51).138 Die Intensität des Blau-­Violett-­Tons, der in Dix’ Arbeit den Hintergrund prägt, changiert von einem



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51  Raffael. die sixtinische madonna 1512/13, Öl auf Leinwand, 269,5 × 201 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Gemäldegalerie Alte Meister

annähernd schwarzen Bordeaux über eine Blaupigmentierung bis hin zum Hellrosa, das wie nimbusartig die Protagonistin in Form eines subtilen, hintergründigen Scheinens fast unmerklich zum Leuchten bringt. Wie am Beispiel des RenaissanceRetabels transfiguration treten die Farbübergänge besonders hervor, sodass in der Intensität des Changierens eine offenkundige Rückbindung seitens Dix an das Renaissance-Beispiel besteht. Ein »intensives helles Lichtspiel: eine Skala aller kältester Töne ruft dieses Licht hervor […]«, wirkt bildprägend im Sinne der gezeigten motivischen Szene und damit ebenso kompositorisch, ikonografisch und koloritspezifisch.139 Die in Andreas Hennings Dissertationsschrift raffaels transfiguration und der wettstreit um die farbe. koloritgeschichtliche untersuchung zur römischen hochrenaissance von 2005 angeführte luminöse

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Wirkung ist als »Verschleifung von Weiß und Blau in der Glorie« umrissen. Der Autor schreibt zur technischen Grundlage der Lichtwirkung: »Durch die Entscheidung, eine Technik der Lasur anzuwenden, hat Raffael das Zusammenspiel der verschiedenen Farbaufträge zum entscheidenden Prinzip des Kolorierens erhoben. Die Transluzenz des einzelnen Pinselstrichs läßt Untermalung und abschließenden Farbauftrag als Komplement zueinander treten.«140 Zwar handelt es sich bei Dix’ Darstellung weder um einen deutlichen motivischen Bezug zur christlichen Themen, noch um die Kumulation von Wolken oder gar Engels-Antlitzen, die Wolken formieren, die das Detail des luminösen Effektes erzeugen – wie in Raffaels Auferstehung oder der Madonnendarstellung gegeben. Auch besteht eine Diskrepanz zu dem bei Henning zur transfiguration als Übergang von der Aureole in den angrenzenden, blau gefärbten Himmelbereich beschriebenen Weiß, da Dix keine weißen Areale einband, sondern lediglich unterschiedliche Farbschattierungen verwendete. Dennoch bilden das blasse, von gelbem und rotem Pigment gekennzeichnete Inkarnat neben der hellgelben Bluse den hellsten Bereich im Gemälde ab, wodurch der Aureolen-Effekt entsteht. Hierzu beschrieb Dix im Zuge der Fertigstellung im Februar 1940: »[Das Porträt] ist schön in den Farben, sehr dunkel bis auf einen einzigen hellen Fleck, eine weiße Bluse.«141 Hinsichtlich der Rosa Eberl umkränzenden Licht-Aureole zeigt Dix jedoch ein – wenn auch abstrahiert – mit dem italienischen Vorbild vergleichbares Helldunkel, das sich in einer ähnlichen farblichen »Verschleifung in der Glorie« zeigt.142 Diesem umsäumenden Licht ist neben den zahlreichen Reverenzen an künstlerische Vorbilder in motivischer und technisch-kompositorischer Hinsicht eine Bedeutungsebene zuzuschreiben. Im Verhältnis zu ihrer Ausstaffierung mit den zuvor angeführten Insignien und der damit einhergehenden herrschaftlichen Konnotation erscheint die Adaption der etwa durch Raffael modellierten Aureolen im christlichen Kontext als zusätzliches visuelles sowie kunst- und kulturhistorisch geprägtes Argument zur Repräsentation. Dadurch, dass ihr Haupt von einem Lichtkranz mit blau-violetter Farbigkeit umgeben ist, wird ein Transfer vom Luminositätsbeispiel des Renaissancemalers Raffael zu Dix’ Malerei ersichtlich. Hierzu sei angemerkt, dass durch Rosa Eberls in weiten Teilen ungeklärte Biografie infrage steht, inwiefern die ihr beigefügten Attribute und die gestalterischen Bezüge zur nordalpinen wie auch italienischen Renaissance Aufschluss über biografische Details der Dargestellten und ihr Wesen geben. Da Dix seine Figuren stets in ihre sozialen Milieus einbettete oder sie zumindest mit charakteristischen Motiven und Attributen ausstaffierte, ist auch in Bezug auf das Eberl-Bildnis davon auszugehen, dass die Motivgestaltung –



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52  Sandro Botticelli. die geburt der venus (nascita di venere), um 1485, Tempera auf Leinwand, 172,5 × 278,5 cm, Gallerie degli Uffizi, Florenz

selbst wenn oder gerade weil Dix sein Modell »weder malerisch noch psychologisch interessant« fand – auf ihre Wesenseigenschaften rekurriert.143 Deutlich erkennbar ist, dass Dix die Physiognomie und Mimik seiner Protagonistin mit Eigenschaften wie Traurigkeit, Gebrochenheit, zugleich Entschlossenheit und einer ihrem Blick immanenten Härte kennzeichnete. Es handelt sich bei der Dargestellten um eine Kippfigur, die mit dem Ausdruck bipolarer Wesenseigenschaften wiedergegeben ist und deren Erscheinung aufgrund der altmeisterlichen Gestaltungsweise und motivischen Rückbezüge wie aus der Zeit zu fallen scheint. Ob es sich etwa um einen konkret durch die Kriegszeit beeinflussten Gemütszustand der Frau handelt, die hier so zerbrechlich mit den Betrachtenden korrespondiert, und welche gesellschaftlichen Realitäten Dix zur Anfertigung des Gemäldes zugrunde legte, ist nicht dokumentiert und daher ungeklärt. In Anlehnung an die Rückbindung zum Beispiel an die sixtinische madonna durch das Aufgreifen der Licht-Aureole impliziert das Gemälde bildnis frau rosa eberl am Motiv des Stuhls eine weitere kunsthistorische Referenz: Sandro Botticellis Gemälde geburt der venus (um 1485), in dem die Ankunft der Göttin auf der Insel Zypern in einer Muschel stehend dargestellt ist – mit Verweis auf Homers Darstellung der Geburt der Aphrodite – und angetrieben von dem Wind Zephyr und von den Horen in Empfang genommen (Abb. 52).144 In Dix’ malerischem Rekurs tritt das Venus-Attribut mit Fruchtbarkeits- und Geburtskonnotation durch die rechts von der Protagonistin gezeigte Sitzfläche und Stuhllehne in Erscheinung.

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Die Sitzfläche bildet ein Zitat der Venusmuschel und damit zugleich des Transportmittels der antiken Göttin und ist Sinnbild ihrer oben angeführten Zuschreibung. Ein weiteres Merkmal stellt die Rezeption der im Wind wehenden Locken der Venus von Botticelli dar. Frau Eberls Frisur verweist im Ansatz auf eine Adaption der Locken des italienischen Vorbilds; diese Annahme ist lediglich deshalb anzustellen, weil das Haupthaar in der ornamental geschwungenen Rückenlehne seine Fortführung findet. Die von Botticelli gezeigte Lockenpracht findet im goldenen Dekor eine angedeutete, nahezu persiflierte Wiederholung. Mit diesem Kunstgriff verknüpft Dix sein Hauptmotiv neben der Ikonografie der Schönheit auch mit einer theomorphen Konnotation und versieht es zugleich mit einer individuellen Gebrochenheit, die sich in den spröden und struppig wirkenden Details ausprägt. Das Haupthaar in Dix’ Bildnis weist trotz des Changierens zwischen hellen und dunkelblonden Bereichen eine vergleichsweise farb- und leblose Tonalität auf, sodass hierin zwar eine formale Adaption der geschwungenen Locken der Venus, zugleich aber eine immense Diskrepanz zur Wirkung der üppig wallenden roten Locken in Botticellis Darstellung besteht. Unterschiede treten nicht allein an diesem motivischen Element in Erscheinung, sondern insbesondere im Kippmoment der Porträtierten Eberl und damit in den ihr zugeschriebenen Charakteristika: An ihr manifestiert der Maler das Gegenstück einer Schönheits-Ikone, indem zwar verschiedene künstlerische, kunsthistorisch tradierte Verweise bildprägend wirken – so die altmeisterliche Maltechnik und Werkstoffe, Herrscherinsignien, ihr Gestus, das Pelzkragen-Motiv oder die Venus-Konnotation. Ihre metaphysische Gebrochenheit – die aus den benannten, ihr zugeschriebenen Charakteristika, der Rötung ihres Inkarnats und dem von Trauer und Entschlossenheit geprägten Blick genährt wird – leitet jedoch zur Hinterfragung der Traditionsgebundenheit und kennzeichnet die Protagonistin als ambigue. Botticellis Venus aufgrund ihrer klassischen Physiognomie, ihrer physischen Proportionen, des ebenmäßigen und weich anmutenden Inkarnats oder auch der umspielenden Locken als Idealbild der Schönheit zu begreifen, ermöglicht es, Dix’ Porträt unter diesem Aspekt zu untersuchen. Dem aus einem normativ geprägten Idealbild generierten Begriff der Schönheit steht am Beispiel des vorliegenden Gemäldes der Aspekt der Gebrochenheit gegenüber. Die Porträtierte weist filigrane Gesichtszüge auf, ihr Inkarnat ist durch Feinheit der Mimik und eine zarte Blässe definiert und auch ihre in Wellen gelegte Frisur sowie die aufrechte Haltung und ihr herrschaft­ licher Habitus unterstreichen die Ausdrucksstärke. Darauf, dass es sich bei der Darstellung des Motivs Rosa Eberl nicht um eine Schönheit in einem normativen Sinne handelt, verweist die Gestaltungsweise der angeführten Details: So erweist sich etwa die Blässe des Inkarnats bei der eingehenden Betrachtung als eine Melange, bestehend aus grünen, grauen, rot pigmentierten, gelben und fleischfarbenen Lasuren.



Veristisches Sezieren in konservativem Gewand. Zum »Bildnis Frau Rosa Eberl« (1940) _ 249

Es sind die geröteten Hautpartien – insbesondere betrifft dies die Bereiche um die Augenlider, die Wangen und die Mundpartie –, der abschweifende Blick im Zusammenhang mit ihrer angestrengten Mimik, die oberhalb der Braue leicht durch Falten gezeichnete Stirn, pointierte Schläfen und die zarten, durch dunkle Schattierungen unter den Augen herausgearbeiteten Ränder. Diese physiognomischen Details stellen die Ernsthaftigkeit ihres Ausdrucks heraus. Aus dem Zusammenspiel der einzelnen Details ergibt sich die Wirkung einer starken Emotionalität, die von einem Erschöpfungszustand geprägt zu sein scheint und sich mit Begriffen wie Unbehagen, Traurigkeit, Melancholie, Angst, aber auch Wut, Verbissenheit und auch einer intrinsischen Entschlossenheit beschreiben lässt. Die ihr immanente Zerbrechlichkeit wird durch die Affektivität ihrer Strenge, Trauer und Müdigkeit sichtbar. Paris Bordones bildnis einer jungen frau am putztisch von um 1550 beschreibend, legte Frank Fehrenbach 2017 dar: »Mit ihrem geröteten Gesicht und der rotfleckigen, noch ungeschmückten Brust zeigt uns Bordone ein ›noch nicht ­zuende gemaltes Bild‹ authentischer Lebendigkeit und damit auch ein Bild des natürlichen Körpers […].«145 Die hier benannte Lebendigkeit des Inkarnats am Beispiel der venezianischen Malerei Bordones ist insofern nicht auf das Beispiel Rosa Eberls zu übertragen, als die Rötung im Gesamtzusammenhang des Bildes steht. Auf diese Weise scheidet – wenn auch ihr Satin- und Pelzkragen-Revers in Dix’ Darstellungsmanier als Vulva geformt ist und die Bluse der Porträtierten im Verhältnis zur biederen Studie weiter und freier geöffnet ist – die erotische Komponente des Errötens aus. Die Attribute implizieren das Potenzial einer erotischen Wirkkraft, kippen in der Korrespondenz der Motive miteinander allerdings in eine gegenteilige Wirkung. Darüber hinaus ist es der nicht im Kontrapost – gemäß der tradierten Formel einer austarierten Ponderation und seit der griechischen Antike als ästhetisch rezipierten Körperstellung – komponierte, sondern aufrecht und gewissermaßen starr thronende Körper, der diese visuelle Schwäche der Protagonistin unterstreicht.146 Dabei weisen die vom Rock umhüllten Beine diagonal links abwärts, die Rosa Eberls Stringenz damit latent, aber eindeutig ihre visuelle Kraft entziehen. Durch diese achsenkompositorische Anlage – einerseits das Aufrechte, Geradlinige und andererseits die schwächende Dynamik – wird der durch Unruhe geprägte und nur schwer definierbare Ausdruck ihres Antlitzes verstärkt. Der entschlossene, harte Blick unterstreicht diese Lesart. Selbst wenn Rosa Eberl keine politische Position und Macht eigen war, versah sie der Maler doch mit herrscherlichen Insignien, dem Gestus der ins Revers greifenden Hand, der formalen Nähe zum Herrscherbildnis in Form des Halbporträts und schließlich mit Verweisen auf Botticellis geburt der venus sowie die gleichnamige Liebesgöttin.147 Aus diesem Grund ist dem Porträt zwar eine theomor-

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phe Konnotationsebene immanent, die allerdings von einer bildimmanenten Ambiguität begleitet wird. Diese Binarität ist als Vexier-Moment zwischen Anmut und Gebrochenheit zu begreifen. Insofern führt auch diese vermeintlich auf politische Repräsentation bedachte ikonografische Lesart in die Irre respektive ins Leere und ist – auf die porträtierte Privatperson transferiert – nicht am Motiv zu demonstrieren, zu belegen oder zu bestätigen. So steht dem herrschaftlichen Impetus der Porträtierten eine Fragilität und emotionale Affiziertheit gegenüber. Dementsprechend handelt es sich anstelle eines idealisierten um ein realistisch angelegtes Abbild der dargestellten Person. Eine Überzeichnung besteht wiederum in Dix’ Rezeption Alter Meister und dem Bruch im Sinne der realistischen, emotional überzeichneten Person Rosa Eberls. Das Gemälde entstand im Auftrag von Willy Eberl in Dix’ Dresdner Atelier, ehe der Maler im März 1940 wieder nach Hemmenhofen zurückkehrte.148 Es gehört seit 1949 zur Städtischen Kunstsammlung Freital. Dorthin gelangte es, nachdem der Maler, Entwerfer von Tapetenentwürfen und Kunstsammler Willy Eberl im Dezember 1947 Suizid begangen hatte. Der aus Grumbach stammende Eberl hatte bei Max Feldbaum und Paul Rößler an der Dresdner Kunstgewerbeschule studiert, wo er unter anderem Otto Dix kennengelernt hatte und es im Zuge dieser Bekanntschaft auch zu Ankäufen für die eigene Kunstsammlung kam. Im Gegensatz zu Dix fertigte Eberl Tapetenentwürfe, wodurch die finanzielle Grundlage für die Sammeltätigkeit gegeben war.149 Die mit dem gleichnamigen Gemälde porträtierte Witwe Willy Eberls, Rosa Kirsten Eberl, schloss 1949 einen Vertrag mit der Stadtgemeinde Freital, in dem sie die Sammlung der Städtischen Sammlung Freital übertrug. 150 Frau Eberl selbst übergab die Sammlung an das Museum und erhielt im Gegenzug eine vertraglich vereinbarte geringe, aber lebenslange Rente in Höhe von monatlich 150 dm. Hieran wird deutlich, dass der Wohlstand des Ehepaars in der Sammlung als zentraler Wertanlage bestand. Außerdem zeigt sich an der Übernahme durch das Museum, dass die Witwe auf diese Renten-Zahlungen angewiesen war.151 Zum Entstehungskontext des Gemäldes sind nur wenige Angaben bekannt, dennoch lassen die Rahmendaten und teilweise die Motive Rückschlüsse auf ihn zu. Das Bild entstand 1940 während des Zweiten Weltkriegs. Trotz dieser Ausnahmesituation erhielt Dix den Auftrag von Willy Eberl, das Porträt seiner Gattin anzufertigen. Daraus geht hervor, dass er auch während der Kriegszeit (zumindest zu Beginn) über die nötigen finanziellen Mittel zur Erweiterung seiner Sammlung verfügte. Aus dem 2013 von Ulrike Lorenz herausgegebenen Band zu Dix’ Briefen und einigen Dokumenten aus dem Jahr 1940 geht hervor, dass keine nähere persönliche Verbindung zwischen dem Maler und seinem Modell bestanden hat. So beschreibt Dix selbst in einem Brief an Martha, er habe das Porträt angefangen und dass es



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schwierig sei, »weil die Frau weder malerisch noch psychologisch interessant ist und da sie große Ohren hat und die auch noch offen trägt, ists noch schwieriger.«152 Später berichtete Dix in einem weiteren Brief an seine Tochter Nelly, dass er das Porträt fertig gestellt habe, und ergänzte: »[D]ie Frau war sehr merkwürdig[.] Zum Beispiel redete sie meistens nichts, wenn aber, dann alles 2x. Um mir darzustellen, daß sie nicht oberflächlicher Natur sei, sagte sie, daß ihr Moden und Kleider ganz gleichgültig seien: ›ich bin nämlich der Denker‹. Ich hatte mir immer einen Denker ganz anders vorgestellt. Hinterher hat sie versichert, daß ihr das Porträtsitzen außerordentlich interessant war, obgleich ich ganz wenig geredet habe.«153 Da Dix stets charakteristische Eigenschaften seiner porträtierten Personen herausarbeitete, steht einerseits zu hinterfragen, worin diese attributiven und ikonografischen Zuschreibungen gründen. Andererseits geht es darum, wie der emotional gezeichnete individuelle Ausdruck dazu im Verhältnis steht. Die Motivation zur Einbettung der Porträtierten in einen herrschaftlichen wie politisch-ikonografisch geprägten Zusammenhang zur Evozierung eines charakteristischen Habitus ist folglich an die Identität der Dargestellten geknüpft. Hieran zeigt sich zugleich die immanente Gebrochenheit der Porträtierten. Erstaunlich erscheint jedoch, dass die traditionellen Gestaltungsmittel und die herrschaftlichen Elemente im Bild einen konträren Rahmen zur Gebrochenheit ihres Antlitzes bilden. Zwar sind ihre Physiognomie, filigranen Gesichtspartien und -züge durch die Technik der schichtweise aufgetragenen Lasur definiert, die Ausdrucksstärke verweist jedoch auf Dix’ Vorgehen, sein jeweiliges Modell im Porträt mitunter entlarvend wiederzugeben. Der Verismus, seine Sozialkritik und die überzeichneten Porträts beschreiben ein Charakteristikum der Zwanzigerjahre, wirkten jedoch aufgrund der Darstellungsweise in subtiler Manier auch nach 1933 fort. Dies belegt das hier als Hauptwerk besprochene bildnis frau rosa eberl. Carl Einstein sollte demnach Recht behalten, indem er 1926 schrieb: »[…] Diese Malerei wird zu dämonischem Genrebild auffliegen, wenn sie nicht mehr vom aktuellen Jetzt verteidigt wird, oder das Formale müßte stärker werden als die Aktualität eindringlicher Reportage, mit der man gegen deduktive Kunst protestiert. Vielleicht ist man im Herzen malender Reaktionär am linken Motiv.«154 Zukunftsperspektivisch formulierte Einstein diese kritisch-vernichtende Position hinsichtlich Dix’ Arbeit bereits 1926 in die kunst des 20. jahrhunderts.

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Wie sich kurze Zeit später im Zuge des Systemwechsels hin zur Diktatur deutlich abzeichnete, verlor Dix den unmittelbaren motivischen Aktualitätsbezug aus seinem gestalterischen Fokus. Anstelle der offensiven Zeitkritik hielt ab 1933 neben zahlreichen Landschaftsmotiven auch eine modifizierte Porträtmalerei Einzug in sein Werk. Dabei lassen die seit 1933 (bis 1945) datierten Arbeiten allerdings die Pointierung unterer respektive benachteiligter sozialer Schichten vermissen, ebenso »die Aktualität eindringlicher Reportage«.155 Insofern bewahrheitet sich Einsteins Prognose in der Gestaltung des Œuvres. Im Verhältnis zur nationalsozialistischen Rezeption steht die Porträt-Manier jedoch im Gegensatz – akzentuierte Dix doch das ambivalente Wesen der Dargestellten und ihre Schwäche und erschuf mit seinen Werken damit das Gegenbeispiel zur zeitgenössischen Ideologie und Propaganda eines idealtypisch-»arischen« Menschen. Mit seiner gestalterischen Wiederbelebung der Tradition untermauert und legitimiert Dix das Vexierbild in seiner Gegenwart zugleich.

das christliche figurenbild als selbstreflexives medium Um das Jahr 1937 begann Otto Dix vermehrt, christliche Motive zu biblischen und apokryphen Themen in seine Gemälde einzubinden. Studien aus dem Jahr 1936 dokumentieren etwa die Auseinandersetzung mit dem Motiv des Heiligen Christophorus, die später mit malerischen Mitteln umgesetzt wurden.156 Aus der Erhebung zu den Werkentstehungszahlen geht hervor, dass die Anzahl solcher Darstellungen bis in die Nachkriegszeit sukzessive anstieg und nach 1945 zum festen Gattungsund Motivrepertoire avancierte. So sind exemplarisch für die Jahre 1941 und 1943 jeweils acht Gemälde verzeichnet, wobei 1943 eine technisch-stilistische Entwicklung stattfand, die in den nachfolgenden Betrachtungen beleuchtet wird. Zu den religiösen Themen, die Dix während des Nationalsozialismus bearbeitete, zählen neben vielen Madonnendarstellungen unter anderem ein Zyklus zur Legende des Christusträgers (heiliger christophorus i–vi), johannes auf patmos, Antonius-Darstellungen, die verkündigung an die hirten und jakobs kampf mit dem engel. Dabei inszenierte der Maler sein Selbst in Arbeiten wie der heilige lukas malt die madonna (selbstbildnis) von 1943 sowie – der Rezension Peter Thoenes zur Ausstellung im Züricher Kunstsalon Wolfsberg 1938 zufolge – in der Gemäldefolge der heilige christophorus i–vi als Heiligenfigur:157 »So das Selbstbildnis mit Kind, der Maler als Pseudo-Christophorus […]: Christophorus – Dix der die Kunst zu tragen sucht an einem Ort, wo ihr Gewicht entrückt, da ihre Visionen verlacht sind.«158 Mit dem Gemälde der heilige lukas malt die madonna (selbstbildnis) von 1943 zeigt Otto Dix



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eine intime, idyllisch anmutende Waldszene zur gleichnamigen Legende, mit der sich der Maler zugleich in eine Darstellungstradition ein- und diese fortschreibt (Taf. 7).159 Der Legende nach malte der Evangelist Lukas mehrfach die Madonna. Diese Erzählung manifestierte sich in einer Bildtradition, die auf byzantinische Darstellungen seit dem 6. Jahrhundert zurückgeht. Mit dem Aufkommen von Malergenossenschaften und Bruderschaften im westeuropäischen Raum des 12. und 13. Jahrhunderts gewann die Legendendarstellung an Popularität, als Lukas zum Schutzpatron der Malerzünfte avancierte. Sukzessive wurde die inhaltliche Relevanz der Legende durch die Prononcierung und Stärkung der Stellung von Künstlern in der Gesellschaft überlagert und Lukas damit als »bildhaftes Argument im Prozeß der Emanzipation des Künstlers« und emanzipatorisches Konterfei adaptiert.160 Sowohl die Ursprünge der Legende im neuzeitlichen europäischen Bereich sind in den Niederlanden zu verorten als auch Bezugnahmen von Otto Dix, die wiederum auf niederländische Vorbilder verweisen.161 Im rechten Vordergrund ist ein liegender Stier erkennbar, der als Evangelistensymbol dem Lukas zugeschrieben ist.162 Das Tier blickt mit leicht geneigtem Kopf aus dem Bild heraus und schaut die Betrachtenden des Bildes als einzige Figur direkt an. Auf diese Weise kommt ihm eine Scharnierfunktion zwischen dem Außen des Bildes und dem Innen – der bildlichen Darstellung und inhaltlichen Szene – zu. Der Stier erfüllt damit eine Mittlerfunktion zwischen den Bildrezipierenden und der Szene im vorderen und mittleren Bildbereich und bindet die Betrachtenden in den inhaltlichen Kontext ein. Er stellt die Verbindung zwischen den Rezipierenden, Lukas und der Madonna im Wald her und macht auf diese Weise das Visions-Moment, das der Szene innewohnt, für Erstere erfahrbar. Das Tier ist im Halbprofil liegend abgebildet, sein rechtes Bein ist aufgestellt, wodurch der Stier im Aufbruch begriffen zu sein scheint, auf dem linken Bein lehnt sein Rumpf. Von den Betrachtenden abgewandt und im Profil erkennbar, sitzt der Evangelist, dessen Physiognomie zweifelsfrei das Antlitz des Malers Otto Dix zeigt. In einen Dix-spezifischen Malerkittel gehüllt, hält die Figur einen Zeichenblock in der linken sowie den zum Zeichnen angesetzten Stift, der das Papier aber noch nicht berührt, in der rechten Hand. Bei Dix’ Gewand handelt es sich um einen handelsüblichen Malkittel und damit ein für ihn alltägliches Beiwerk. Der Evangelist respektive Künstler verharrt in jenem Moment, ehe er zu zeichnen beginnt. Das weiße, unberührte Blatt kontrastiert mit tradierten Darstellungsformen künstlerischer Vorbilder. So ist etwa bei Rogier von der Weydens (1400–1464) der heilige lukas zeichnet die madonna (vor 1484) aus einiger Distanz und anhand des leicht angewinkelten Papieres erkennbar, dass Lukas hier das Antlitz Mariens bereits zeichnerisch festgehalten hat (Abb. 53). Noch deutlicher ausmodelliert ist das gezeichnete Marien-Motiv in dem Gemälde von Jan Gossaert (gen. Mabuse, 1470/1480–1532) heiliger lukas malt die madonna (um 1525)

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53  Rogier von der Weyden. der heilige lukas zeichnet die madonna vor 1484, Öl auf Eichenholz, 138,6 × 111,5 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek

(Abb. 54). Da sich Maler in der Motivtradition des heiligen Lukas mit jeweils zeittypischen Attributen wie der Bekleidung identifizierten und sich als der Malerzunft zugehörig zu erkennen gaben, schreibt sich Dix auch hier in eine Gestaltungstradition ein. Sein Kopf ist gesenkt, das Gesicht bringt seine Konzentration zum Ausdruck und der Blick ist nach innen gerichtet, sodass die Figur in sich gekehrt und im Moment der Kontemplation abgebildet ist. Er schaut sein Modell respektive die Madonna folglich nicht direkt an. Darin wird der Moment visualisiert, in dem Lukas die Madonna als Vision erscheint und der innere Blick seinen Reflexionsprozess abbildet. Mit dieser Darstellungsweise adaptiert Dix die bereits bei Rogier van der Weyden und Jan Gossaert abgebildete Form des inneren Blicks. Zugleich – und diese Beobachtung kontrastiert mit Darstellungen eines devoten malenden Lukas, der im Moment des Betens und Zeichnens begriffen und wiedergegeben wird – ist Dix’ Blick hier nicht allein konzentriert und bedacht, sondern weist eine Zufriedenheit und die Mimik zudem einen Hauch des Verschmitzten auf.



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54  Jan Gossaert, gen. Mabuse. heiliger lukas malt die madonna um 1525, Öl auf Holz, 110,5 cm × 83,5 cm, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie

Links oberhalb des Kniegelenks des Tieres ist der entkleidete Fuß des Malers sichtbar. Er ist barfuß gezeigt, womit – wie das Beispiel Rogier van der Weydens zeigt – auch eine tradierte Demutsgeste wiedergegeben ist. Maler und Tier sind als Einheit dargestellt, sodass hieran zweifelsohne die Zuschreibung als Evangelist mit zugehörigem Symbol erkennbar ist. Im linken Mittelgrund ist die weibliche Figur in sitzender Position mit nacktem Kind auf ihrem Schoß gezeigt; sie ist aufgrund ihrer Staffierung, der Farbikonografie und des Habitus als Madonna mit Christus zu identifizieren. Das Madonnen-Motiv weist prägnante Vergleichbarkeiten hinsichtlich zweier Gemälde auf, die jeweils auf das vorangegangene Jahr datiert sind und dasselbe Modell zeigen. Es handelt sich um die Gemälde madonna am wasser und mutter mit kind (irmgard bahle) (Abb. 55, Abb. 56).163 Letztere Darstellung zeigt eine Mutter mit ihrem Kind und somit ein profanes Motiv. Die vergleichende Betrachtung verdeutlicht, dass sowohl die Anordnung der Figurengruppe, ihr Haar wie auch das hellrote Gewand in der angeführten Madonnendarstellung wiederkeh-

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55  Otto Dix. madonna am wasser 1942, Öl und Tempera auf Leinwand auf Holz, zirka 85 × 65 cm, Privatbesitz

ren. Das Motiv der madonna am wasser kommt einer Nahaufnahme der späteren Madonna gleich. Sowohl die Perspektive als auch ihr Habitus, die gestische Darstellung und die Physiognomie sind – mit Ausnahme der Mimik – nahezu identisch. Die Farbpalette ist hingegen deutlich leuchtender im Vergleich zu den Pastelltönen in der heilige lukas malt die madonna, und ein wesentliches Unterscheidungskriterium besteht darüber hinaus im veränderten Duktus und der Mimik der Porträtierten. Zeigt die madonna am wasser eine heitere, liebevoll auf das Kind schauende Frau, ist ihre Mimik in der Darstellung von 1943 und wiederkehrend in der Mitteltafel des Triptychons von 1945 von einer tiefen Traurigkeit geprägt.164 In seinem Lukas-Gemälde versieht Dix das Madonnen-Motiv mit einem Gewand in blassrotem oder rosa Farbton. Ihr braun gelocktes Haar findet seine kompositorische Fortführung in dem blau-violetten Umhang, der sich um ihre Schultern schmiegt und die Figurengruppe der Mutter mit dem Kind umrahmt. Der Gestus der Frau ist sanft das Kind stützend und zugleich defensiv, sodass ihr Blick und die Handhaltung auf eine Demutsgeste schließen lassen. Sie schaut mit gesenktem Haupt axial auf das Kind hinab, allerdings ist auch ihr Blick nach innen gerichtet. Das Kind ist hockend, halb stehend auf ihrem linken Bein abgebildet und im Begriff, sich aufzurichten. Dabei sind seine Arme erhoben und zum linken Bildfeld gerich-



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56  Otto Dix. mutter mit kind (irmgard bahle), 1942, Mischtechnik auf Leinwand auf Sperrholz, 100 × 80,2 cm, Privatbesitz

tet. Sie folgen seinem Blick, der ein herannahendes Dompfaff-Männchen fokussiert. Über diesen Vogel hinaus ist die Szene von zahlreichen Artgenossen gerahmt. Auf der linken Bildseite sind sie vergleichbar einer Aureole komponiert, indem sie die Madonna mit Christus umfliegen. Hierin zeigen sich etwa Assoziationen mit den von Jan Gossaert eingebundenen, die Madonna mit Kind umkränzenden Putti. Dix gestaltete die Vögel weitaus filigraner als Gossaert die Putti, luftig, dynamisch und lieblich im idyllischen Gesamtgefüge des Bildes. Auch das von Dix gestaltete Kind korrespondiert offener mit den geflügelten Begleitern als jenes in der Darstellung des 16. Jahrhunderts. Zwischen dem Motiv des malenden, auf dem Rücken des Stieres sitzenden Lukas und der Madonna im Bildmittelgrund ist ein kleines Gewässer gezeigt. In einem Wald lokalisiert, ist die Szene gerahmt von Bäumen und Sträuchern, deren grüne Schattierungen an vielen Stellen hell gehöht sind. Da keine Darstellungen des Lukas am Madonnenmotiv ermittelbar sind, die unmittelbar in die Natur eingebunden und darin lokalisiert sind, handelt es sich hierbei um ein Novum und die Erweiterung der Darstellungstradition. Zugleich kehrt sich Dix in diesem Moment und Motivzusammenhang von tradierten Lukas-Klischees ab. Der Hintergrund ist von einem zartblauen sfumato geprägt, hier ist der Blick auf das in die Ferne flie-

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ßende Gewässer freigegeben. Die Farbkomposition ihrer Gewandung entspricht der tradierten Marienzuschreibung. Der blaue Mantel verweist demnach sinnbildlich auf ihre »Reinheit und Treue«. Das rote Gewandt visualisiert die Herrschaft Ma­ riens und ist »Zeichen ihrer königlichen Würde«.165 Darüber erscheinen die Pastelltöne des Waldes und der freundlichen Atmosphäre als Idylle und idealisiertes Bild, das mit der semantischen Ebene des bildimmanenten Visionsmomentes konvergiert. Der Objektbeschreibung des Zeppelin Museums in Friedrichshafen, in dessen Sammlung das Gemälde als Dauerleihgabe der Otto Dix Stiftung ist, war 2016 zu entnehmen: »Um ein distanziertes Verhältnis zwischen sich und dem Modell zu demonstrieren, greift [Otto Dix] die Geschichte des Heiligen Lukas auf und setzt ihn auf die andere Seite des Baches.«166 Insofern es sich hierbei um eine Visionsdarstellung der Madonna handelt, ist die Lesart des Baches als raumstrukturierendes und semantisches Element entgegen der auf eine persönliche Ebene des Malers Bezug nehmenden Angabe vielmehr auf die Legende hin ausgerichtet. Indem die Erscheinung der Madonna als Spiegelung auf der Wasseroberfläche visualisiert wird, handelt es sich nicht um eine transzendentale Erscheinung, sondern um eine objektive Wiedergabe und Darstellung einer realen Person. Aufgrund der Reflexion der Madonna mit Kind im Bach ist die Darstellung als säkulare Version der Legende um den Heiligen Lukas zu begreifen. Seit dem 15. Jahrhundert bezeichnet »Maria als Modell« eine zunächst in den Niederlanden aufkommende Darstellung. Der Topos von »Maler und Modell« passt hier aufgrund der Tatsache, dass Dix sich selbst und nachweislich das vielfach porträtierte Modell und zugleich seine Geliebte Irmgard Bahle (Lebensdaten unbekannt) darstellt. Insofern funktioniert die Zuschreibung als »Szene aus dem Leben der beiden Heiligen« ebenfalls, wenngleich der dargestellte Dix die Madonna nicht direkt anschaut.167 In der ns-Kulturpolitik war das Motiv des heiligen Lukas die Madonna malend, gemessen am Vorkommen und der Dokumentation im Rahmen der grossen deutschen kunstausstellung und der Gemäldeanzahl mit diesem Motiv, ein weniger stark rezipiertes Sujet. Dort war mit Raffael Schuster-Woldans Darstellung lucas malt die madonna von 1942 lediglich eine Referenz verzeichnet.168 Als Käufer ist Adolf Hitler aufgeführt, was die offizielle Anerkennung solcher Themen belegt. Wenn die Arbeit nicht als Auftrag entstand und gewissermaßen nicht dem Zeitgeist entsprach, greift Dix das traditionelle Lukas-Motiv als Konterfei seiner selbst auf. Dies wirft die Frage auf, wofür die Heiligendarstellungen in Dix’ Œuvre seit etwa 1937 stehen, insbesondere, da der Maler sich selbst in mehreren Varianten – wie hier am Beispiel des heiligen Lukas oder auch des heiligen Christophorus – einbindet. Daraus leitet sich die Frage ab, was die Darstellung in der heilige lukas malt die madonna über Dix’ Selbstwahrnehmung und seinen Künstlerstatus aussagt.



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Der Landschaft als Raum zur Verortung der Szene sowie der Spiegelung der Madonna im Bach kommt eine wegweisende Funktionen zu. Traditionsgemäß wird Lukas im visionären Moment des Malens oder Zeichnens im Atelier oder in einem anderen Innenraum dargestellt. Dies wird an den angeführten Beispielen von der Weydens und Gossaert deutlich. Dix transferiert die Szene in die Natur und grenzt sich dadurch vom tradierten Vorbild ab respektive entwickelt es mit eigenen Motiven weiter. Da er seit 1933 primär in einer landschaftlichen Umgebung lebte und arbeitete, die motivisch das Werk dieser Zeit prägte, ist auch hier die BodenseeRegion als Ort der Szene naheliegend.169 Darüber hinaus wird das Visions-Moment des Lukas insofern in Frage gestellt, als die Spiegelung der Madonna die Wiedergabe der real porträtierten Person und ihrer leibhaftigen Existenz belegt. Hierdurch halten der Realitätsbezug und mit ihm das angeführte Säkularisations-Moment Einzug in die Darstellung von Otto Dix. Der Raumwirkung ist – im Verhältnis zu tradierten Lukas-Darstellungen – ein Transfer-Moment immanent, indem die Szene vom Atelier in die Landschaft versetzt wird. Hierin ist eine semantische Ebene zu lesen, da der Maler aus seinem Dresdner Atelier in die baden-württembergische Landschaft zog, die in der Forschung vielfach als »Verbannung« bezeichnet wurde.170 Diesem Motiv des Rückzugs steht das Motiv des Stieres im vorliegenden Gemälde gegenüber, indem das Tier mit aufgestelltem Huf und angewinkeltem Bein sein SichErheben und damit das Moment des Aufbruchs impliziert. Da es das Symboltier des Evangelisten ist, sind beide als Einheit zu begreifen. Lukas, der im Moment der Visualisierung und Kontemplation gezeigt ist und dessen Mimik zugleich das beschriebene Verschmitzte in Form eines subtilen Lächelns aufweist, ist demnach ebenfalls ein Moment des Aufbruchs beizumessen. Über dieses Oszillieren zwischen tradierter Lukas-Legende und Dix’ modifizierter Gestaltungsform hinaus ist die semantische Ebene der Selbstzuschreibung als Heiliger interessant für den zeitspezifischen Analyseprozess. Im Sinne der Legendenauslegung und Patronatsfunktion des Schutzheiligen überträgt Dix somit die Eigenschaften des Heiligen auf sich selbst. Demzufolge und vor dem Hintergrund der Kriegszeit begriff sich der Maler offenbar als Schutzpatron seiner »Zunft« in (s)einer Zeit des Umbruchs. In ihm manifestiert sich demnach ein zeitgenössischer Lukas, indem Dix religiöse Gemälde anfertigte, ihren christlichen Inhalt durch den Einsatz bestimmter Motive jedoch in Frage stellte. Auf diese Weise hält eine profane Ebene Einzug in die Les- und Deutbarkeit des Gezeigten. Als das Gemälde entstand, herrschte der Zweite Weltkrieg und es sind für diese Zeit (mit Ausnahme der Ausstellungen im Museum of Modern Art, New York) kaum Beteiligungen an Ausstellungen in öffentlichen Häusern dokumentiert. Im Zuge der Femeschauen im nationalsozialistischen Deutschland und der Anprangerung seiner Arbeiten wie auch der zahlreicher seiner Künstlerkolleginnen und -kollegen impliziert die Selbstdarstellung als Lukas folglich einen

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selbst- wie auch zeitreflexiven Inhalt, der hinter der lieblichen Idylle des Gemäldes als subtile Ebene transportiert wird. In der Auseinandersetzung mit dem tradierten Motiv und der Fortschreibung der Lukas-Legende bringt Dix eine Überprüfung der eigenen Meisterlichkeit im Moment der beruflichen, subjektiv wahrgenommenen Exklusion und regionalen Abgeschiedenheit zum Ausdruck. Insofern bediente er sich hier der Legende und verwendete das Motiv über den künstlerischen Akt des Malens hinaus als zeitreflexives Medium. Über die benannten inhaltlichen Aspekte hinaus wird hieran ein Entwicklungsprozess erkennbar, der neben den motivischen Aspekten auch in der technischen Herangehensweise, insbesondere am Duktus zu erkennen ist. Im Detail der Hand wird deutlich, dass um 1943 eine technisch-stilistische Verschiebung in Dix’ Malerei stattgefunden hat. Noch im Jahr 1942 ist am Beispiel des Gemäldes mutter mit kind – jeweils dargestellt ist Irmgard Bahle mit Kind – das Hand-Motiv sehr filigran modelliert und durch ein nuanciertes Helldunkel mit stark ausgearbeiteter Plastizität charakterisiert (Abb. 56). Die Hand des malenden Dix-Lukas weist hingegen eine deutlich gröbere, nahezu skizzenhafte Eigenschaft auf, die auch in anderen Bildbereichen wiederkehrt und auch die fast schemenhaft gestalteten Hände der Madonna betrifft. In Korrelation mit der Farbgebung ist die hierdurch vermittelte Bildwirkung in stilistischer Hinsicht als nahezu impressionistisch zu definieren. Zu vermuten wäre, dass es sich hierbei um eine unfertige Gemäldeversion handelt. Dieser Sichtweise ist insofern nicht beizupflichten, als die Werkentwicklung dieses Jahres deutliche stilistische Verschiebungen hin zu einem gröberen Duktus und die Abkehr von altmeisterlichen Gestaltungsweisen belegt. Die expressive Figuration, die ab dem Jahr 1944 werkprägend wirkt, klingt in der heilige lukas malt die madonna bereits an. Insofern ist das Gemälde an der Schnittstelle zwischen adaptierten altmeisterlichen Techniken und einer expressiven, neuen Ausdrucksform der Nachkriegszeit zu lokalisieren. Demnach kommt ihm eine Scharnierfunktion zwischen zwei Werkphasen zu, worin sich zugleich ein werkimmanenter Umbruch manifestiert, richtungsweisend hin zum Œuvre der Nachkriegszeit.

hinwendung zur expressiven figuration um 1943 Während der Kriegsgefangenschaft bis Januar 1946 führte Otto Dix seine als neuartig zu bezeichnende Maltechnik, die bereits 1943 im Gemälde der heilige lukas malt die madonna angeklungen war, fort. Dies zeigt beispielhaft das Triptychon madonna vor stacheldraht und trümmern mit paulus und petrus von 1945. Das Werk, das Dix selbst als »Altar der Gefangenen« bezeichnete, ist das letzte Triptychon im gesamten Œuvre des Malers und befindet sich heute als Dauer-



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leihgabe des Berliner Senats in der Kirche Maria Frieden in Berlin-Mariendorf.171 An dem Altargemälde werden nicht allein die stilistischen Neuerungen dieser zweiten Umbruchphase sichtbar. Es impliziert auch konkrete Bildelemente, die auf eine Auseinandersetzung mit der Kriegszeit und konkret auf die Zeit der Inhaftierung und Gefangenschaft zwischen März 1945 und Januar 1946 im Lager Logelbach nahe Colmar verweisen. Die Entstehung dieser Arbeit war durch die Protektion des Lagervorstehers ermöglicht worden, der ebenfalls gewährleistet hatte, dass Dix seine künstlerische Tätigkeit bei Privatpersonen in Colmar ausüben konnte.172 Diese Arbeit wie auch das Gemälde frau und kind in trümmern von 1946 – das aufgrund der technischen und zeitbezogenen Darstellungsweise in die Betrachtungen einbezogen wird – machen den eklatanten stilistischen wie auch motivischen Wandel sichtbar (Taf. 8). Der Umbruch im zeitlichen Kontext leitet zur These, dass sich der Maler vom Konservatismus in Form der künstlerischen Bezüge auf Alte Meister, dem er seit den 1920er Jahren angehangen und sukzessive intensiviert hatte, emanzipierte und sich diese Entwicklung in einer neuen Ausdrucksform manifestierte. Insofern ist der expressive Duktus als Neuerfindung des Malers zu sehen, die im Wiederaufgreifen zeitkritischer Inhalte motivisch zum Ausdruck gebracht wird. Das Triptychon madonna vor stacheldraht und trümmern mit paulus und petrus wurde für die katholische Kapelle des Kriegsgefangenenlagers gefertigt, in dem Dix selbst zur Zeit der Gemälde-Entstehung inhaftiert war. Anstatt die Jungfrau Maria mit dem Kind in den hortus conclusus zu betten, inszenierte er sie inmitten der direkten Umgebung des Gefangenenlagers.173 Erkennbar sind hinter dem zentralen Marien-Motiv der Mitteltafel im rechten Hintergrund die Kirche von Logelbach sowie ein Gebirgszug der Vogesen in der Ferne. Räumlich davor sind deutlich die im Titel genannten Trümmer einens Hauses abgebildet. Unmittelbar hinter der Madonna und vor der Ruine ist der ebenso im Titel benannte Stacheldraht sichtbar, womit der Maler den direkten Bezug zum Gefangenenlager und zur Gegenwart der Inhaftierten herstellt. Die Seitentafeln stellen die Befreiung von Paulus und Petrus dar. Der Maler greift auf dem linken Seitenflügel motivisch die Befreiung des Paulus aus der Gefangenschaft im makedonischen Philippi und die zusammenstürzenden Gefängnismauern auf. Die hier dargestellten Trümmer der eingestürzten Hauswand rufen zugleich die Assoziation mit den durch den Krieg verursachten Zerstörung auf. Hier transportiert Dix’ Darstellung des Wunders folglich einen Gegenwartsbezug, der den Inhaftierten im Logelbacher Gefangenenlager vertraut gewesen sein muss. Der rechte Seitenflügel zeigt den in Jerusalem gefangen genommenen Petrus, der durch ein Wunder von einem Engel befreit wird. Beiden Darstellungen ist das Motiv der Befreiung immanent, wodurch ein direkter Bezug zu den Rezipierenden – den im Moment des Betens und der Andacht

262 _ Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

begriffenen Gefangenen – hergestellt wird. Aus der Erfahrung von Krieg und Gefangenschaft heraus visualisiert Dix eine Bedürftigkeit, die sich in der linken Seitentafel anhand der Darstellung der Zuschauer (offenbar handelt es sich durchweg um männliche Personen) widerspiegelt. Hier erkennt Fréderique Goerig-Hergott: »Dix fügt im Hintergrund eine Schar von Kriegsgefangenen hinzu, unter denen in vorderster Reihe, von rechts nach links, die Gesichter der Künstler Otto Luick, Peter Jakob Schober, Dix selbst sowie vermutlich Hermann Berges zu erkennen sind.«174 Im Gegensatz zur madonna am wasser von 1942 ist diese Arbeit im Hinblick auf eine konkrete Funktion entstanden – die Kapelle und somit den sakralen Raum zur Andacht für die Gefangenen auszustatten und somit ein Refugium für sie zu gestalten. Es handelt sich hierbei um das einzige Triptychon, das explizit für einen sakralen Raum angefertigt wurde.175 Mit der Adressierung der Inhaftierten liegt der Triptychon-Darstellung eine profane Ebene zugrunde. Diese zeigt sich in der bildlichen Wiedergabe präzise bestimmbarer Personen und ihrer Verortung in der umgebenden Landschaft. Hierin zeigt sich ferner ein wiederkehrendes Sujet, da Dix mit seinen Landschaften der 1930er und 1940er Jahren die ihn umgebende Landschaft und damit sein eigenes Milieu darstellte.176 Hatte Dix zur Zeit des Nationalsozialismus primär Landschaften dargestellt und zudem Auftragsporträts und christliche Darstellungen angefertigt, begann der Maler bereits während der Kriegsgefangenschaft alle Gattungen miteinander zu kombinieren. Somit bilden die seit 1945 in der beginnenden Nachkriegszeit entstandenen Bilder vielfach Konglomerate der drei Gattungen. Mit der Zunahme von Porträts und christlichen Arbeiten, die sich in der Dokumentation und Erhebung zu den Werkentstehungszahlen zeigt, fand zeitgleich ein Rückgang des zuvor schwerpunktmäßig angefertigten Landschaftssujets statt. Die in der Gesamtheit ab dem Jahr 1945 eklatant wachsende Zahl der Werke gibt dabei Aufschluss über die modifizierte Technik. Da Dix in dieser Zeit begann, alla prima zu malen und die vergleichsweise langwierige Lasurmalweise gegen den groben Duktus eintauschte, wurde eine zügigere Arbeitsweise unter erschwerten Bedingungen möglich.177 Die Kombination der Gattungen Landschaft, Porträt und christliches Motiv zeigt sich bereits eindrücklich am Triptychon der madonna vor stacheldraht und trümmern mit paulus und petrus. Insofern sowohl die eigene Kriegsgefangenschaft anhand der Selbstdarstellung in der Menschenmenge der linken Seitentafel thematisiert wird als auch die Trümmer auf den Krieg als reales, einschneidendes Geschehen verweisen, besteht ein Realitätsbezug im dargestellten Motiv. Dix band die umgebende Vogesen-Landschaft und somit den tatsächlichen Bezug zur Region um Colmar und Logelbach in seine Darstellung ein, wie er es schon in den »Kriegslandschaften« der Weimarer Zeit mit Rekurs auf seine Erfahrungen im



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Ersten Weltkrieg und seit dem Umzug nach Randegg 1933 und Hemmenhofen 1936 tat. Selbst die Darstellung der Ortschaft Logelbach korrespondiert mit der motivischen Wiedergabe von Darstellungen wie aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) (Taf. 3). Auch in diesem Gemälde von 1940 ist der Bildinhalt aufgrund der wiedergegebenen Gemeinde Steckborn lokalisierbar und zudem als Dix’ Nachbarschaft und das Gezeigte als Teil seiner Lebensrealität identifizierbar. Mit der Einbindung christlicher Motive begann Dix um 1937 anhand von Motiven mit christlichem Inhalt erneut, Menschen in den Fokus zu nehmen. War die Waldszene des die Madonna malenden Lukas mit Selbstporträt als Anklang an den eigenen Lebensort des Malers nahe des Bodensees, fernab von der Großstadt, zu begreifen, änderte sich die Eindeutigkeit der Lesart mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit der Verbindung von Heiligendarstellungen und realen Elementen halten unmissverständliche Realitätsbezüge – wie hier der Bezug zur Umgebung und Landschaft, zum Ort und zu den Personen im Gefangenenlager – erneut Einzug in das Œuvre des Malers. Außerdem kommt nach zwölf Jahren des zurückgenommenen Kommentars während der ns-Diktatur eine offensiv zeitkritische Ebene zm Vorschein. Ausschlaggebend für diese Lesart ist die Tatsache, dass Dix den Krieg, die Trümmer, Kriegsgefangenschaft und das grundlegende Bedürfnis nach Befreiung in den Blick nahm und diese Eindrücke unter Einbezug identifizierbarer Porträts wiedergab, die als gesellschaftskritische Verweise zu dekodieren sind. Am Motivrepertoire dieser Zeit zeigt sich die erneute Auseinandersetzung mit der Kriegs-Thematik. Wurde das Schaffen des Malers Otto Dix bereits durch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs stark geprägt, war es nun der Zweite Weltkrieg und damit einhergehend das Ende der nationalsozialistischen Diktatur, das seine Sujets der unmittelbaren Nachkriegszeit bestimmte. Ein aufschlussreiches Beispiel stellt das Gemälde frau und kind in trümmern von 1946 dar. Das Bild zeigt – dem Titel entsprechend – eine Frau und ein Kind, die in die Szene zertrümmerter Architekturen eingebunden sind. Die Frau sitzt im linken Bildfeld nach vorn gebeugt den Betrachtenden zugewandt vor einer zerstörten Wand mit geblümter Tapete. Das Kind hockt konzentriert mit bunten Spielzeugen spielend am Boden. Hinter ihm sind Wand und Mauerwerk zerstört und geben den Blick frei in eine von dunklen Farben geprägte städtische, offenkundig vom Kriegsgeschehen in Trümmer gelegte Kulisse. Ein Spalt des blauen, mit wenigen hellen Wolken versehenen Himmels ist im Hintergrund erkennbar. Erneut ist es die Kriegsthematik, in deren Kontext die Mutter mit Kind gesetzt ist. Vor der zerklüfteten Wand, die die existenziell bedrohliche Situation des Figurenpaars wie auch der Zeit symbolisiert, visualisiert die Figur der Frau zugleich deren Hoffnungslosigkeit. Hierauf lassen ihre von Erschütterung und Leid geprägte Physiognomie, die ihre Erschöpfung zeigende Sitzhaltung, ihre fassungslos verschränkten Arme und ihr gesenkter und nach innen gekehrter Blick

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schließen. Sie ist bedeckt von einem dunklen Gewand, das auf ihren Schultern liegt. Das farbige Kleid wirkt durch den groben Duktus und die Beimischung dunkler Töne verdreckt. Es hat sein Leuchten im Zuge des Krieges und seiner Folgen offenkundig eingebüßt und gibt die Mittellosigkeit der Frau wieder. Sie wendet sich von der zerstörten Mauer und zugleich von dem im rechten Bildfeld am Boden hockenden Mädchen leicht ab und ist – im Gegensatz zur farbichen Gestaltung des Mädchens – von einer Dunkelheit und schattigen Tristesse geprägt. Das vor der eingestürzten Wand mit Ausblick auf eine zerstörte Stadt als Sinnbild der Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit sitzende und spielende Mädchen ist dagegen in hellen Farben gestaltet. Seine Bekleidung ist gepflegt und auch das Haar – im Gegensatz zur zerwühlten Frisur der Mutter – ist sorgfältig mit einer grünen Spange versehen. Sie ist blass und die Farbigkeit ihres rot und grün gemusterten Rockes, ihrer Bluse und des übrigen Körpers weist nicht dieselben dunklen Schattierungen der Mutter oder der Stadtsilhouette im Hintergrund auf. Sie scheint aus der Zeit gefallen zu sein, dem Ort nicht zugehörig. Im Verhältnis zur abgewandten, von Hoffnungslosigkeit und gar Trauer gezeichneten Mutter wirkt die Darstellung wie eine imaginierte Erscheinung des Mädchens. Der nach innen gewandte Blick der Mutter verrät, dass sie mental in eine Gedankenwelt zurückgezogen ist. Die zerstörte Umgebung, ihre eigene Mittellosigkeit und die Lichterscheinung des spielenden Mädchens in der lebensunwirklichen Situation sind dabei als drohender Verlust des Kindes, der Existenz und Lebensgrundlage und schließlich der Hoffnung erkennbar. Eine zweite Lesart besteht in der kompositorischen Verbindung des Mädchens mit dem blauen Himmel als zukunftsperspektivischer, durch die helle Zeichnung positiv konnotierter Verweis, der aber durch die Kriegszerstörung konterkariert wird. Vor dem Hintergrund des groben, Unmittelbarkeit visualisierenden Duktus, der umgebenden Zerstörung und der Tristesse der Darstellung ist das Gemälde jedoch vielmehr als Kommentar zum Krieg und seinen Folgen zu bewerten. Ein kategorischer Unterschied zu allen vorangehenden Schaffensphasen – inklusive der frühen expressionistischen und kubofuturistischen Arbeiten – besteht in der Beschaffenheit des Duktus. Dieser wird in der Nachkriegszeit zunehmend gröber und flächiger, sodass hierin ein starker Kontrast zur spitzpinseligen, filigranen Malweise insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus wie am Beispiel des bildnis frau rosa eberl besteht. In Bezug auf das besprochene Gemälde frau mit kind von 1921 (Taf. 2, Abb. 3) treten hingegen deutliche motivische Prallelen zum Vorschein. Die Frauen sind jeweils in ihr Milieu eingebettet und vor einer Hauswand gezeigt – einerseits im Innenraum, andererseits davor. Die Ausstaffierung ist jeweils bedacht auf Details wie die Frisur, die Bekleidung sowie auf die Einbindung und Gestaltung des Kindes, das Aufschluss über die Ambiguität der Situation gibt. Im jeweiligen Bildbeispiel von 1921 und 1946 wird das Oszillieren zwischen Hoff-



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nungslosigkeit und Zukunftsperspektive versinnbildlicht. Der Lebenskreislauf wird in beiden Bildbeispielen durch die Darstellung der Mutter mit dem Kind in einem von Kargheit respektive Zerstörung geprägten Milieu abgebildet. Den Kindern als Motiv der Zuversicht ist jedoch eine Morbidität etwa als Vision des nahenden oder bereits eingetretenen Kindstodes immanent. Insofern sind beide Gemälde als zeitreflexiver und kritischer Kommentar des Malers zu erachten. Diese exemplarischen beschriebenen Parallelen zeigen auf, dass Otto Dix nach 1945 konkrete , offensive Zeitbezüge und kritische Reflexionen wieder aufgriff und damit an seine Gesellschaftskritik aus dem Œuvre der Weimarer Republik anknüpfte. Zugleich wird hieran deutlich, dass die Zeit des Nationalsozialismus mit einem Fortbestehen seiner Maltätigkeit einherging, allerdings mit einer Zurücknahme offensichtlich kritischer Inhalte. Zwischen 1933 und 1945 waren es demnach die im Verborgenen wirksamen inhaltlichen wie formalästhetischen Elemente, die als Ambiguität lesbar und als politisch-ikonografisch zu erklären sind. Als künstlerische Neuentwicklung ist in diesem Zusammenhang die expressive Figuration zu bewerten, die als Emanzipation des Malers Otto Dix von der sukzessive seit Mitte der 1920er Jahre intensivierten Altmeisterlichkeit zu bewerten ist. Da die altmeisterlichen Tendenzen bereits zu Beginn des Jahrhunderts durch nationalistische Stimmen propagiert worden waren und von der nationalsozialistischen Kulturpolitik zur Kreation einer »deutschen Tradition« instrumentalisiert worden waren, ist Dix’ Konservatismus als Zeitphänomen zu erachten. Mit den Porträts der 1930er Jahre folgte der Maler zudem einem Zeitgeschmack, den er in Auftragsarbeiten wie dem bildnis frau rosa eberl umsetzte. Dennoch zeigt sich auch an diesem Beispiel ein starkes Moment der Gebrochenheit der Porträtierten und ein Changieren zwischen tradierten Re­ zep­tions­wei­sen mit einem Dix-spezifischen Charakteristikum: der Überzeichnung seiner Motive, die alle drei Werkphasen auf individuelle Weise verbindet und die eindeutig zur nationalsozialistsichen Kunst-Doktrin kontrastiert.

266 _ Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

1

Im Verhältnis zu Landschafts- oder christlichen Darstellungen zur Zeit der Diktatur sowie Arbeiten aus der Nachkriegszeit sind Referenzen aus der Weimarer Zeit wesentlich höherpreisig veranschlagt. Diese Information geht zurück auf exemplarische Verkaufswerte in Ausstellungen der Produzentengalerie (Hamburg) sowie der Art Cologne und dort die Galerie Fischer Kunsthandel & Edition (Berlin).

2

Vgl. Birgit Schwarz: Maldadadix, Das Junge Rheinland und die neue Malerei, in: Andrea von HülsenEsch, Daniel Cremer u. Jens-Henning Ullner (Hrsg.): Das Junge Rheinland. Gegründet, gescheitert, vergessen?, im Erscheinen, 10.23778/ghs.edit.2020.2 (Aufruf: 1. Sptember 2021).

3

Zur Zuschreibung des »linken Motivs« siehe: Einstein 1926, S. 149.

4

Hartlaub 1922, S. 389–393, S. 390; vgl. auch: Wagner 2012, S. 76.

5

»Die Ausstellung […] läßt die Kunst der abstrakten ›konstruktivistischen‹ Richtungen beiseite; diese Versuche, in denen sich der neue Wille zur Sachlichkeit in ganz anderer Weise bekundet, seien einer besonderen Ausstellung vorbehalten. Was wir zeigen, ist gekennzeichnet durch das – an sich rein äußerliche – Merkmal der Gegenständlichkeit, mit der sich die Künstler ausdrücken. Zwanglos ergeben sich dabei zwei Gruppen. Die eine – fast möchte man von einem ›linken Flügel‹ sprechen – das Gegenständliche aus der Welt aktueller Tatsachen reißend und das Erlebnis in seinem Tempo, seinem Hitzegrad herausschleudernd. Der andere mehr den zeitlos-gültigen Gegenstand suchend, um daran im Bereiche der Kunst ewige Daseinsgesetze zu verwirklichen. ›Veristen‹ hat man die einen genannt, Klassizisten könnte man fast die anderen nennen, aber beide Bezeichnungen sind nur halb richtig, decken den Bestand nur unscharf und könnten leicht wieder zu einer neuen Herrschaft des Kunstbegriffs über die konkrete Fülle der Erscheinungen führen. […] Was wir zeigen, ist allein, daß die Kunst […] zu Neuem, Ungesagtem strebt, Neuem, Ungesagtem sein Recht erkämpft. Daß sie lebt – trotz einer kulturellen Situation, die dem Wesen der Kunst so feindlich scheint, wie selten ein Zeitalter es war. Daß die Künstler – enttäuscht, ernüchtert, oft bis zum Zynismus resignierend, fast sich selber aufgebend nach einem Augenblick grenzenloser, beinahe apokalyptischer Hoffnungen – sich mitten in der Katastrophe auf das besinnen, was das Nächste, das Gewisseste und Haltbarste ist: die Wahrheit und das Handwerk.« Hartlaub 1925, ohne Paginierung [S. 4 f.]; vgl. auch Eberhard Roters: Stationen der Moderne. Kataloge epochaler Kunstausstellungen in Deutschland 1910–1962, Köln 1988.

6

Hartlaub 1922, S. 389–393, bes. S. 390; vgl. auch: Wagner 2012, S. 76.

7

Vgl. Fleckner 2006; Peters 2002.

8

Zum Porträt in der ns-Zeit vgl. das Kapitel »Ohne soziopolitische Tragweite. Unkritisches Porträt und Figurenbild ab 1933« im vorliegenden Band.

9

Schwarz u. Schwarz 1996; Birgit Schwarz: »Kunsthistoriker sagen Grünewald …« Das Altdeutsche bei Otto Dix in den zwanziger Jahren, Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden Württemberg, Bd. 28, 1991, S. 156–158; Birgit Schwarz: Saint Antoine et l’imagination créatrice, à propos de la réception de Grünewald par Otto Dix, in: Colmar 1996, S. 95–109.

10 Kurt Friedrich Ertel: Deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts in Selbstbildnissen, Frankfurt a. M. 1963, S. 33. 11 Vgl. Daniel Spanke: Die Gezeichneten / The Revaged, in: Getroffen. Otto Dix und die Kunst des Porträts / Match. Otto Dix and the Art of Portraiture, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Stuttgart, 2008, S. 209–240, S. 215. 12 Justi 1933, dka. Auszugsweise auch zitiert in: Kicherer 1984, S. 59 u. S. 67; Ehrke-Rotermund 1994, S. 145. 13 »Es ist nicht ganz leicht, den Ursprung des Begriffs genau auszumachen. Er hat in der Diskussion um die ›Neue Unterschicht‹, einer von Paul Nolte durch sein Buch Generation Reform (Bonn 2004) mitausgelösten Debatte, ihren Platz. Die von der Friedrich-EbertStiftung 2006 in Auftrag gegebene Studie Gesellschaft in Reformprozessen nennt den ›politischen Typ‹ der von sozialen Ausschluss und Abstiegserfahrungen Geprägten ›abgehängtes Potential‹.« Spanke 2008, S. 213. 14 Ibid. 15 Peters 2002, S. 377. 16 Vgl. Otto Conzelmann: Der andere Dix. Sein Erlebnis des Krieges und des Menschen, Stuttgart 1983, S. 133. 17 Peters 2002, S. 377. 18 Otto Dix: Kriegstagebuch (»Utffz. dix Feld.mg.zug 390 (1914)«), Museum Albstadt, vgl. http://www. dctp.tv/#/filme/nzz-dix-kriegstagebuch/ (Aufruf: 13. April 2013). 19 Vgl. Conrad Felixmüller, in: Otto Dix und die Düsseldorfer Künstlerszene 1920 –1925, Ausstellungskatalog, Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf 1983, S. 18, zit. nach: Peters 2002, S. 377.

Anmerkungen _ 267

20 Vgl. Brief von Otto Dix an Wilhelm Dodel, [1939, nach Kriegsbeginn, Hemmenhofen], in: Lorenz 2013, S. 498. 21 Zimmermann 1930, S. 128; angeführt auch in: Schubert 1990, S. 148. 22 Zu Dix in den frühen 1920er Jahren in Dresden (1919) und Düsseldorf (1922–1925) sowie den dort entstandenen Arbeiten siehe unter anderem: Schubert 2019, S. 33–86; Peters 2013, S. 51–71. 23 Paul Ferdinand Schmidt: Ausstellung der Dresdner Sezession, in: Der Cicerone, 12/1920, S. 825 f., S. 826. Vgl. Wagner 2012, S. 82. 24 Sieben Originallithografien wurden »zum 10. Jahrestag des Kriegsbeginns« im Neuen Deutschen Verlag (Berlin W8, Unter den Linden 11) verlegt, deren Gesamterlös der Künstlerhilfe und den Kinderheimen der Internationalen Arbeiterhilfe (I.A.H.) zugute kamen. Darunter war Otto Dix neben Arbeiten von Künstlerkolleginnen und Kollegen wie George Grosz, Otto Nagel, Käthe Kollwitz, Willibald Krain, Rudolf Schlichter und Heinrich Zille vertreten. Es handelt sich um Sujets mit konkretem Bezug auf den 1918 beendeten Krieg. Rudolf Schlichter und Willibald Krain haben jeweils Kriegsschauplätze gewählt. Vgl. Krieg 1924. 25 Krains Blatt ist zudem Teil eines Kriegszyklus, der im Berliner Verlag Der Berg (ohne Ort, ohne Datum) erschienen ist. 26 Neben Otto Dix, Rudolf Schlichter, Willibald Krain und Otto Nagel zeigen die übrigen drei Künstlerinnen und Künstler George Grosz, Käthe Kollwitz und Heinrich Zille in der Mappe ebenfalls direkte Kriegszustände und -folgen. 27 Will Grohmann: Rezension zur Ausstellung Junge Dresdner Künstler, in: Kunstblatt, 11/1927, S. 383, zit. nach: Gisbert Porstmann u. Johannes Schmidt (Hrsg.): Otto Griebel. Verzeichnis der Werke, Bielefeld u. Berlin, 2017, S. 252.

34 Der Verlag der Galerie Nierendorf verlegte die Radierung Mahlzeit in der Sappe von 1924 im Rahmen des Radier-Konvoluts Der Krieg. Sowohl das Konvolut von insgesamt 50 Radierungen, das in 5 Mappen à 10 Blättern in einer Auflage von 70 angeboten wurde, als auch die kostengünstigere, mit Offsetdrucken versehene Publikation erschienen 1924 und wurde über den Verlag der Galerie Nierendorf gehandelt. Vgl. Otto Dix. Der Krieg: 24 Offsetdrucke nach Originalen aus dem Radierwerk, hrsg. v. Verlag der Galerie Nierendorf, Berlin 1924; Krieg 1924; Hunger 1924. 35 Vgl. zu Käthe Kollwitz’ druckgrafischem Werk unter anderem: Käthe Kollwitz. Werkverzeichnis der Grafik in zwei Bänden (1890–1941), hrsg. v. Galerie Kornfeld, Bern 2002. 36 Zur Bezugnahme von Dix auf Goya vgl. unter anderem: Dietrich Schubert: otto dix: Die Radierungen der krieg (Berlin 1924) oder: das »Yo lo vi«, in: Otto Dix, der Krieg – Radierwerk 1924, hrsg. v. Verein August-Macke-Haus e. V., Bonn 1999 (Schriftenreihe / Verein August-Macke-Haus, Bonn, Bd. 29), S. 12–46; Dresden 2014; Namour 2013. 37 So etwa das Aquarell Kriegsverletzter von 1922, vgl. Suse Pfäffle: Otto Dix. Werkverzeichnis der Aquarelle und Gouachen, Stuttgart 1991, Kat.-Nr. aa 1922/13. Zur Rezeption von Ekel in der bildenden Kunst, siehe: Tobias Weilandt: Das Gegenteil von Appetit. Ekel als ästhetische Erfahrung, in: Isabella Augart u. Ina Jessen (Hrsg.): Metabolismen. Nahrung als Material in der Kunst, Hamburg 2019, S. 161–172. 38 Zu Justis Äußerung vgl. Wolfradt 1924, S. 12 ff. Darin nimmt Wolfradt Bezug auf Julius Meier-Graefes Artikel: Julius Meier-Graefe: Die Aus­stellung in der Akademie, in: Deutsche Allgemeine Zeitung 63/1924, Ausgabe für Groß-Berlin, Seitenangabe unbekannt. 39 Otto Dix im Gespräch mit Karl-Heinz Hagen, in: Neues Deutschland, Dezember 1964, zit. nach: Schmidt 1981, S. 244–246, S. 244 f. Vgl. auch: Peters 2002, S. 384.

28 Vgl. ibid., S. 245. 29 Vgl. Schwarz 2020. 30 Vgl. ibid., S. 247 ff. 31 Vgl. ibid., S. 250. 32 Zu weiteren politischen Aktivitäten Otto Griebels vgl. ibid., S. 253. 33 Ibid., zu den hier angefügten Aspekten: S. 148, Kat. B 182.

40 Otto Dix: Selbstzeugnisse, zit. nach: Pfäffle 1991, S. 23. 41 Carl Einstein: Otto Dix, in: Das Kunstblatt, 7/1923, S.  97–102, S. 97–98 u. S. 101. Vgl. auch: Fleckner 2006, S. 147; Peters 2002, S. 376 f. 42 Andrea Zupancic: Die Darstellung der Armut in der deutschen Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts, in: Andrea Zupancic (Hrsg.): Armutszeugnisse. Die Darstellung der Armut in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Berlin u. Dortmund 1995, S. 11.

268 _ Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

43 Vgl. Hunger 1924. 44 Otto Dix: Bettlerin von 1924 (Karsch 1970/124). 45 George Grosz: Hunger von 1924, vgl. Andreas Dückers: George Grosz. Das druckgraphische Werk, Frankfurt a. M., Berlin u. Wien 1979, Nr. E 99a. In der 1924 verlegten Grafikmappe Hunger (I.A.H.) war neben Dix’ Lithografie Bettlerin (1924) unter anderen diese Grafik enthalten. 46 Vgl. Wagner 2012, S. 76. 47 Notiz von Otto Dix, in: Dix 1914, http://www.dctp. tv/#/filme/nzz-dix-kriegstagebuch/ (Aufruf: 13. April 2013). 48 Vgl. Thomas Ahbe: Der Handschlag als Symbol in der politischen Kommunikation Deutschlands, in: Mariacarla Gadebusch Bondio (Hrsg.): Die Hand. Elemente einer Medizin- und Kulturgeschichte, Berlin 2010 (Kultur. Forschung und Wissenschaft, Bd. 14), S. 357–367.

»Albrecht Dürer Holzschnitte, Einhornverlag, München o. D.; H. Faensen: Albrecht Dürer – schriftlicher Nachlass, Univ. Verlag Berlin 1963; Ernst Heidrich, Albrecht Dürers schriftl. Nachlass, Julius Bard, Berling [?] 1920[;] Johannes Jahn: Albrecht Dürer, Akademie der Künste, Berlin 1954; Wilhelm Pinder: Die deutsche Kunst der Dürerzeit, Verlag E. A. Seemann, Leipzig 1940; J. N. Sepp: Dürer – die heimliche Offenbarung, Emil Franke Verlag, München o. D.; Wilhelm Waetzold: Dürer und seine Zeit, Buchdruckerei, Innsbruck 1936; Friedrich Winkler: Dürers Zeichnungen (4 Bde.), Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, 1936 / 1937 / 1938 / 1939.« Mein Dank für die Zurverfügungstellung des Recherchematerials gilt Rainer Pfefferkorn, Präsident der Otto Dix Stiftung, Vaduz. 53 Vgl. Andreas Gormans: Argumente in eigener Sache – Die Hände des Künstlers, in: Gadebusch Bondio 2010, S. 195. 54 Hans Rupprich (Hrsg.): Dürer. Schriftlicher Nach­ lass, Bd. 3, Berlin 1969, Kap. 76, S. 297, zit. nach: Gormans 2010, S. 196.

49 Ahbe 2010, S. 357 f. 55 Spanke 2008, S. 215. 50 Zur Besprechung der Gemälde Bildnis der Eltern I von 1921 und Bildnis der Eltern ii von 1924 vgl. Dietrich Schubert: Die Elternbildnisse von Otto Dix aus den Jahren 1921 und 1924. Beispiele einer Realismus-Wandlung, in: Städel-Jahrbuch Neue Folge 4 1973, S. 271–298. 51 Exemplarisch und weniger im Milieu der Ar­ beiterschicht zu lokalisieren, seien neben dem Elternbildnis ferner Bildnis Schriftsteller Heinar Schilling von 1922 (L 1922/10), Bildnis des Juweliers Karl Krall von 1923 (L 1923/9), Bildnis Professor Dr. Rudolf Andler von 1943 (L 1943/7) und auch Selbstbildnis mit Jan von 1930 (L 1930/2) angeführt, die neben zahlreichen weiteren Gemälden aus allen Schaffensphasen eine besondere Bewertung der Hand im motivischen, geistigen oder beruflichen Zusammenhang der jeweils porträtierten Person zeigen. In anderen Verweisbeispielen ist ebenso eine symbolische Betrachtung der Elemente empfehlenswert, dann nämlich, wenn Dix konkrete christliche Ikonografien für seine Porträts hinzuzog und damit – wie am Beispiel des Selbstbildnisses mit Nelke von 1912 (L 1912/3) und der darin enthaltenen Marienikonografie deutlich wird – insbesondere die Hand als gestisches Ausdrucksmittel einbezog. 52 Die Otto Dix Stiftung verfügt unter anderem über diesen Teil des Nachlasses, zu dessen Bestand acht Positionen zählen – teilweise Publikationen aus der Zeit der Weimarer Republik wie auch des Nationalsozialismus. Auszug aus der Liste der Bücher in der Bibliothek Haus Dix in Hemmenhofen bis 1969:

56 Otto Griebel: Die Internationale von 1929 (Porstmann u. Schmidt 2017, S. 113, 252, Nr. A 66). 57 Otto Griebel: Der Zeitungsverkäufer von 1929 (Porstmann u. Schmidt 2017, S. 113, 252, Nr. A 67). 58 Vgl. Mike Schmeitzner: Dresden in der Weltwirtschaftskrise 1919 –1933, in: Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 3, Von der Reichsgründung bis zur Gegenwart, Stuttgart 2006, S. 407; Birgit Dalbajewa: Im Spiegel der Ereignisse. Zur Malerei des Verismus und der Neuen Sachichkeit in Dresden, in: Im Zeichen neuer Sachlichkeit. Die Künste in Dresden 1920 bis 1933, Dresdner Hefte, 109/2012, S. 15. 59 Vgl. das Kapitel »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit«. 60 Als Beispiel einer deutsch-nationalen Kunstgeschichtsschreibung siehe: Langbehn 1938. 61 Zur Romantikrezeption gegen Ende der Weimarer Republik sei die Ausstellung Deutsche romantische Malerei der Gegenwart im Ulmer Museum 1932 benannt, in der die Frage nach einer »deutschen Art« im Fokus stand. Vgl. hierzu: Heimeran 1932, S. 46–48. 62 Vgl. unter anderem: Schubert 2019, S. 33–86; Peters 2013, S. 51–71. 63 Vgl. Löffler 1981, S. 43.

Anmerkungen _ 269

64 Vgl. unter anderem: Schubert 2019, S. 33–86; Peters 2013, S. 51–71. 65 Volker Gebhardt: Das Deutsche in der deutschen Kunst, Köln 2004, S. 321. 66 Ibid., S. 446 f.

83 Otto Dix, zit. nach: Löffler 1981, S. 19. tio­ 84 Zum Erstarken und zu den Mechanismen na­ nalistischer Tendenzen in der kulturellen Landschaft Deutschlands zur Zeit der Weimarer Republik vgl. Das Kapitel »›Deutsche Tradition‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit« im vorliegenden Band.

67 Vgl. die Liste der Bücher in der Bibliothek Haus Dix in Hemmenhofen bis 1969; Max Doerner: Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, 4. sowie 14. neubearbeitete Auflage, Stuttgart 1933 / 1976.

85 Paul Ferdinad Schmidt: Ausstellung der Dresdner Sezession, in: Der Cicerone, 14/1922, S. 483–485, S. 484, zit. nach: Wagner 2012, S. 85.

68 Schwarz 1996, S. 63.

86 Bildnis der Eltern I von 1921 (L 1921/12).

69 Otto Dix: Vanitas von 1932 (L 1932/7).

87 Nicole Hegener: Faciebat, non finito und andere Imperfekte. Künstlersignaturen neben Michelangelo, in: Nicole Hegener (Hrsg.): Künstlersignaturen von der Antike bis zur Gegenwart, Petersberg 2013, S. 219.

70 Doerner 1976, S. 210 f. 71 Zu den frühen Techniken: Doerner 1976, S. 179. 72 Vgl. Schwarz 1996, S. 77. 73 Vgl. Löffler 1981, S. 50. 74 Vgl. ibid., S. 43.

88 Gunnar Heydenreich, Daniel Görres u. Jana Herrschaft: Die Werkstatt Cranachs des Jüngeren, in: Lucas Cranach der Jüngere. Entdeckung eines Meisters, hrsg. v. Ronald Enke, Katja Schneider u. Jutta Strehle, Ausstellungskatalog, Augusteum, Lutherstadt Wittenberg 2015, S. 65–75, Abb. S. 72 f.

75 Vgl. ibid., S. 47. 89 Heydenreich 2015, S. 74. 76 Vgl. ibid., S. 28. 90 Vgl. Brief von Otto Dix an Wilhelm Arntz, 24. August 1958, gri, Special Collections, Wilhelm Antz Archive, 84000/Arntz Box 1 A, F. 12.

77 Vgl. Stuttgart 1991, S. 292. Ursus Dix (1927–2002) war der erstgeborene Sohn von Otto und Martha Dix und als Restaurator unter anderem in Montreal in Kanada tätig.

91 Ibid.

78 Dix, in: Stuttgart 1991, S. 292.

92 Vgl. auch: Colmar 1996, S. 25 f.

79 Vgl. Ursus Dix: Die Maltechnik, in: Stuttgart 1991, S. 292.

93 Dix’ Gemälde Spielende Kinder von 1929 (L 12929/2) und Griebels Bildnis Henning von 1933 (Porstmann u. Schmidt 2017 Nr. A 76) stellen vergleichbare Bezugsbeispiele zu Runges Gestaltungsweise dar.

80 Vgl. Löffler 1981, S. 35. 81 Vgl. Schwarz 1996, S. 77. 82 Vgl. Thomas Renkl: Albrecht Dürers Selbstbildnis von 1500. Der verzweigte Weg von Original, Kopie und Fälschung, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Nürnberg 2016, S. 39–89; siehe auch: Rudolf Preimesberger: Albrecht Dürer: »… propriis sic … colocribus« (1500), in: Rudolf Preimesberger, Hannah Baader u. Nicola Suthor (Hrsg.): Porträt, Berlin 1999 (Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd. 2), S. 210–219; Norbert Wolf: Dürer, München et. al. 2010; Hugo Kehrer: Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-Bildnisse, Berlin 1934; Henryk Orchenkowski: Die Selbstbildnisse von Albrecht Dürer, Strassburg 1910.

94 Willfried Baatz: Geschichte der Fotografie. Ein Schnellkurs, Köln 2008, S. 18–30, S. 28. 95 Ein Vergleich von Dix’Bildnis der Eltern ii von 1924 und Runges Die Eltern des Künstlers von 1908 wird angestellt in: Colmar 1996, S. 24 f. 96 Vgl. Löffler 1981, S. 43. 97 Vgl. Roh 1929, dka. 98 Vgl. Heimeran 1932, S. 46–48. 99 Vgl. Peters 2002, S. 384. 100 Ibid., S. 383.

270 _ Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

101 Ibid., S. 384. 102 Wagner 2012, S. 79. 103 Otto Dix: Das Objekt ist das Primäre, in: Berliner Nachtausgabe, 3. Dezember 1927, zit. nach: Peters 2002, S. 384. 104 Das Beispiel C. D. Friedrichs im Zusammenhang mit der Berliner Jahrhundertausstellung 1906 dient hierbei als eindrücklicher Beleg für die Bestrebungen hinsichtlich einer nationalistischen Kunstgeschichtsschreibung.

120 Zur Begriffsdefinition, Funktion und zu den Motiven der »Blut-und-Boden«-Ideologie sowie zu zeitpolitischen Zusammenhängen während des Nationalsozialismus siehe: Eidenbenz 1993. 121 Hans Wöhr: Albrecht Dürer. Bildnis eines jungen Mannes, in: Die Kunst im Dritten Reich, Illustrierte Monatsschrift für freie und angewandte Kunst, hrsg. v. Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der nsdap, Franz Eher Nachf., 5/1939, S. 158. 122 Hans Wöhr: Albrecht Dürer: Bildnis eines jungen Mannes, in: Kunst im Dritten Reich 1939, S. 158.

105 Vgl. Justi 1921, S. 31 f. 106 Vgl. Lorenz 2013, S. 942. 107 Vgl. Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, hrsg. v. Ulrich Pfisterer, Stuttgart u. Weimar 2003, S. 339, Sp. 1, s. v. »Stil«.

123 In jeder Ausgabe der Monatsschrift Die Kunst im Dritten Reich wurden Werk- und Künstlerbeispiele zur Manifestation einer »deutschen Tradition« propagiert, die insbesondere Beispiele aus Renaissance, Klassizismus, Romantik und regionalistische Beispiele des 20. Jahrhunderts umfasste. Vgl. ibid., 1937–1944.

108 Vgl. Belting 1992, S. 33. 109 Ibid., S. 28. 110 Vgl. Löffler 1981, S. 48. 111 Brief von Otto Dix an Ludwig Justi, Briefkopie im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin nach dem Original im Nachlass Justi Nr. 88, Akademie der Wissenschaft, Berlin, in: Lorenz 2013, S. 867.

124 Ein Vergleich von Dix’ Porträt meiner Mutter von 1920 (Bleistift auf Papier, 50 × 37,5 cm, Düren, Leopold-Museum der Stadt) mit Dürers Porträt der Mutter des Künstlers von 1514 (Kohle auf Papier, 42,1 × 30,3 cm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett) wird angestellt in: Colmar 1996, S. 22 f. 125 Schmidt 1935, dka. 126 Vgl. Pfisterer 2003, S. 297, s. v. »Realismus«.

112 Vgl. Pfisterer 2003, S. 340, Sp. 1, s. v. »Stil«; George Kubler, Die Form der Zeit, hrsg. v. Gottfried Boehm, Frankfurt a. M. 1982.

127 Otto Dix: Bildnis Frau Rosa Eberl von 1949 (L 1940/4).

113 Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band.

128 Brief von Otto Dix an Martha Dix, 11. Februar 1940 [Dresden], in: Lorenz 2013, S. 202.

114 Vgl. ibid.

129 Zum Verismus-Begriff nach Gustav Friedrich Hartlaub: »[…] fast möchte man von einem ›linken Flügel‹ [der Neuen Sachlichkeit] sprechen – das Gegenständliche aus der Welt aktueller Tatsachen reißend und das Erlebnis in seinem Tempo, seinem Hintzegrad herausschleudernd.«, in: Hartlaub 1925, ohne Paginierung.

115 Brief von Otto Dix an Martha Dix, [Januar / Februar 1940, Chemnitz], in: Lorenz 2013, S. 202. 116 Hartlaub 1925, o. S. [S. 4]. 117 Vgl. Kunst im Dritten Reich 1937–1944. 118 Zur den Auftragsarbeiten seitens Niescher siehe die Forschung von Thomas Bauer-Friedrich: Otto Dix in Chemnitz (hrsg. v. Mössinger), Ausstellungskatalog, Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser, München 2012. 119 Vgl. Willrich 1937. Zu den ausgestellten Arbeiten Willrichs siehe: http://www.gdk-research.de/db/ apsisa.dll/ete (Aufruf: 04. Oktober 2018).

130 Otto Dix: Bildnis Frau Rosa Eberl von 1940 (Lorenz 2002, ie 4.8.8). 131 Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Bd. 1, München 2012, S. 495, s. v. »Herrscherinsignien« (Christiane Hille). 132 Vgl. ibid.

Anmerkungen _ 271

133 Vgl. Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Hannah Koch, ohne Ort, 1939, in: Otto Dix Archiv 1939-23. Venus mit den Handschuhen von 1932 (L 1932/11), Bildnis eines blonden Mädchens von 1932 (L 1932/15), Vanitas (Jugend und Alter) von 1932 (L 1932/7), Lot und seine Töchter von 1939 (L 1939/2), Bildnis Frau Emmi Hepp von 1939 (L 1939/3).

Anton Weiher: Homerische Hymnen griechisch und deutsch, München u. Zürich 1989, S. 109. 145 Ibid. 146 Vgl. Seemanns Sachlexikon Kunst & Architektur, hrsg. v. Brigitte Riese und Hans-Joachim Kadatz, Leipzig 2008, S. 251, s. v. »Kontrapost«.

134 Hille 2014, S. 495. 135 Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke, Hendrik Ziegler, Bd. 1, München 2012, S. 451 f., s. v. »Hand in der Weste« (Uwe Fleckner). 136 Ibid., S. 451. 137 Zum goldenen Stuhl im Atelier von Otto Dix: Gespräch der Verfasserin mit Rolf Günther am 30. August 2018; zum Pelzmantel vgl. Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Martha Dix, ohne Ort, 1939, Otto Dix Archiv 1939-14b; Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Martha Dix, ohne Ort, 1939, Otto Dix Archiv 193915; vgl. auch: Briefe von Otto Dix an Martha Dix, November 1939, in: Lorenz 2013, S. 193 ff. An dieser Stelle sei Rolf Günther, dem ehemaligen Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Freital, für das persönliche Gespräch am 30. August 2018 gedankt.

147 Die angeführte Information entstammt dem Gespräch der Verfasserin mit Rudolf Günther am 30. August 2018. 148 Aus einem Brief von Otto Dix an Franz Lenk geht hervor, dass Dix Anfang 1940 »einige Porträtaufträge« ausführte und Landschaftsgemälde »nach wie vor gekauft« wurden. Brief von Otto Dix an Franz Lenk, [Februar?] [Dresden], Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, nl Franz Lenk, in: Lorenz 2013, S. 500.

139 Andreas Henning: Raffaels Transfiguration und der Wettstreit um die Farbe. Koloritgeschichtliche Untersuchung zur römischen Hochrenaissance, München u. Berlin 2005, S. 54.

149 Nach Auskunft des ehem. Direktors der Städtischen Kunstsammlungen, Rolf Günther, sind über die biografischen Daten Willy Eberls und dessen erfolgreicher Tätigkeit für Tapetenentwürfe hinaus kaum weiterführende Informationen zu Rosa Eberl ermittelbar. Zum Sammlungsbestand zählen heute neun Gemälde von Otto Dix, wobei es sich neben dem Bildnis Rosa Eberl um vier Frühwerke An der Dresdner Vogelwiese, Albrechtsschlösser – je um 1911 – Bei Antons I und Bei Antons ii  – je um 1912 – sowie das kubofuturistische Sebstporträt Selbstbildnis als Mars von 1915 und die drei zentralen Gemälde Alter Arbeiter in Dachkammer von 1920, Bildnis Max John von 1920 und Porträt Heinar Schilling von 1922 aus der Werkphase der Weimarer Republik handelt. Ferner sind die Kunstsammlungen im Besitz einiger Papierarbeiten (Zeichnungen, Grafik) von Dix. Vgl. zu allen Arbeiten: Rolf Günther: Die Städtische Kunstsammlung Freital. Eine Galerie Dresdner Kunst des 20. Jahrhunderts, Dresden 2015, S. 9, S. 28 f., S. 34–36.

140 Ibid.

150 Günther 2015, S. 7.

141 Brief von Otto Dix an Martha Dix, 11. Februar 1940 [Dresden], in: Lorenz 2013, S. 202.

151 Ibid.

138 Das Altarbild entstand für die Kathedrale Saints Just et Pasteur in Narbonne. Raffael: Die Sixtinische Madonna, 1512/1513, Öl auf Leinwand, 269,5 × 201 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alte Meister. Zur Aureole der Mariendarstellung: Lexikon der Christlichen Ikonographie (lci), hrsg. v. Engelbert Kirschbaum sj., Bd. 3, Freiburg i. Breisgau 1994, S. 161, s. v. »Maria, Marienbild«.

142 Zum Stuhl im Atelier von Otto Dix: Gespräch der Verfasserin mit Rolf Günther am 30. August 2018. 143 Zur Beurteilung der porträtierten Rosa Eberl siehe: Brief von Otto Dix an Martha Dix und die Kinder, [Januar/Februar 1940] [Dresden], in: Lorenz 2013, S. 201. 144 Vgl. Frank Zöllner, Botticelli. Toskanischer Frühling, München u. New York 1998, S. 80 u. S. 86 f. Vgl.

152 Brief von Otto Dix an Martha Dix und die Kinder, [Januar / Februar 1940] [Dresden], in: Lorenz 2013, S. 201. 153 Brief von Otto Dix an Nelly Dix, [1940, Dresden], in: Lorenz 2013, S. 204 u. S. 206. 154 Einstein 1926, S. 149. 155 Ibid.

272 _ Verismus. Altmeisterlichkeit. Expressive Figuration

156 Partiell hatte Dix bereits im Frühwerk christliche Themen aufgegriffen. Auf mehr oder weniger eindeutige christliche Konnotationen verweisen exemplarisch Pièta von 1912 (L 1912/1), Auferstehung des Fleisches von 1919 (L 1919/3) oder Tod und Auferstehung von 1922 (L 1922/2). 157 Vgl. Thoene 1938, S. 346 f.

167 Zu den Bildtypen: lci, Bd. 3, S. 122, Sp. 1, s. v. »Lukasbilder«. Zu der persönlichen Beziehung von Irmgard Bahle und Otto Dix vgl. Beck 2006, S. 26. 168 Raffael Schuster-Woldan: Lucas malt die Madonna, 1942, Öl auf Leinwand, 143 × 121 cm, Deutsches Historisches Museum, Sammlung Haus der Deutschen Kunst. http://www.gdk-research.de/de/ obj19362729.html (Aufruf: 22. Mai 2019).

158 Vgl. ibid. 159 lci, Bd. 3, S. 121 f., s. v. »Lukasbilder«. 160 Ibid., S. 121, Sp. 2. 161 Vgl. ibid. 162 Da Lukas als Schutzpatron der Malergilde fungiert, ist der Stier zugleich ihr Symboltier. 163 Otto Dix: Madonna am Wasser von 1942 (L 1942/1). Aufnahme in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Gemälde durch Rainer Beck, Coswig; Otto Dix: Mutter mit Kind (Irmgard Bahle) von 1942 (L 1942/6). 164 Otto Dix: Madonna vor Stacheldraht und Trümmern mit Paulus und Petrus (Triptychon) von 1945 (L 1945/1a-b). 165 Lexikon der Symbole und Attribute in der Kunst, hrsg. v. Hildegard Kretschmer, Stuttgart 2011, S. 123, s. v. »Farben«. 166 Wandtext in der Sammlungsausstellung, Zeppelin Museum Friedrichshaften, 2016.

169 Dieser Ansicht wird auch seitens des Zeppelin Museums, Friedrichshaften, entsprochen. Vgl. Wandtext in der Sammlungsausstellung, Zeppelin Museum Friedrichshaften, 2016. 170 So etwa in: Schwarz u. Schwarz 1986, Kapitel iii.5. »Cranach« in der Verbannung, S. 70–77. 171 Vgl. Dix 1945, oda; Colmar 2016, S. 200. 172 Vgl. Lorenz 2013, S. 597. 173 Vgl. Colmar 2016, S. 200. 174 Fréderique Goerig-Hergott: Otto Dix, Madonna vor Stacheldraht, 1945, in: ibid. 175 Ibid. 176 Vgl. das Kapitel »Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der ›Inneren Emigration‹«? im vorliegenden Band. 177 Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band.

Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

»Ich nehme gern alte, scheinbar abgenutzte Stoffe auf, weil die sofort verständlich sind. Die persönlich-menschliche Anteilnahme an Dingen interessiert mich viel mehr als das Ästhetische – sie schließt das Brutal-Schockierende als Kunstwirkung ein.«1 Zeitgleich mit dem Verlassen der Stadt Dresden gab der Künstler das für ihn so charakteristische gesellschaftskritische Sujet auf. Das von dem Kunsthistoriker Willi Wolfradt als »aufhetzende Sachlichkeit« und ferner als veristisch titulierte Werk unterlag folglich seit 1933 einer grundlegenden motivischen Kehrtwende.2 Anstelle von Milieudarstellungen der 1920er Jahre, in deren Fokus primär der Mensch respektive menschliche Eigenschaften standen, rückte zunehmend das Motiv der Landschaft in facettenreichen Typen in den Fokus. So stellte das Gros seiner Werke nicht länger Kriegsgeschädigte, Prostituierte und ihre Freier sowie kritisch-sezierende Porträts dar, sondern primär Landschaften, Porträts sowie christliche Motive in weitaus geringerem Umfang.3 Wenngleich Otto Dix’ Landschaftsmotive bereits in seinen früheren Schaffensphasen und im Fall der Schlachtfeld-Darstellungen vereinzelt auch in den 1920er Jahren darstellte, impliziert die Hinwendung zur Landschaftsmalerei 1933 dennoch

274 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

eine neuartige und hinsichtlich der malerischen Anfänge heterogene maltechnische Qualität.4 Die Abkehr vom zeitkritischen Sujet hin zum einschlägigen Motiv der Landschaft markiert einen dezidierten Umbruch. Hatte der Maler vormals Menschen in ihren sozialen Milieus dargestellt, bildete er nun das Milieu meist ohne darin er­kennbare Menschen ab und nahm damit seine eigene landschaftliche Umgebung in den Blick. »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« stellt die quantitative Umkehrung vom Figurenbild hin zur Landschaft um 1933 heraus und lo­ka­lisiert den Umbruch explizit auf das Jahr 1933. So entwickelte sich ein Genre vom Beiwerk zum zentralen Motiv. Die Kriegsdarstellung der 1920er Jahre transformierte in Werken wie schützengraben (1920–23) und der krieg (1929–32) zur »Kriegslandschaft« und schließlich mit dem Jahr 1933 in eine vermeintlich pure Landschaft ohne zeitreflexive oder gar kritische Ebene. An die Stelle der Kriegsszenarien traten nach der offiziellen Ablehnung von Dix’ Kriegsdarstellungen im April 1933 insbesondere von Ambiguität geprägte landschaftliche Darstellungen.5 Dass die inhaltliche Motivation des Malers weniger im Motiv, sondern vielmehr in einer hintergründigen Intention besteht, verdeutlicht Dix eigene Stellungnahme im August 1947: »Die wenigsten [Menschen] haben aber den Sinn, der zum Erleben von Malerei gehört, nämlich den Augensinn. Und zwar einen Augensinn, der Farben und Formen als lebendige Wirklichkeiten im Bilde sieht. Denn nicht die Gegenstände, sondern die persönliche Aussage des Künstlers über die Gegenstände ist wichtig im Bild. Also nicht das Was, sondern das Wie. Nicht laute Diskussion, sondern schweigend. Bescheidenheit ist das erste, das der Künstler vom Betrachter verlangt, denn das, was am Kunstwerk erklärbar ist, ist wenig, das Wesentliche an ihm ist nicht erklärbar, sondern allein schaubar.«6 Das vorliegende Kapitel reflektiert in diesem Sinne die Gattung Landschaft zwischen 1933 und 1945 im Spiegel der kunstpolitischen und künstlerischen Gegebenheiten. Dabei rufen Dix’ Darstellungen beim Publikum vielfach ein werkimmanent Ambiges und nur vermeintlich nicht Erklärbares hervor, das durch die Analysen deutbar wird. Dix’ Frage nach dem Wie mündet in ein Warum. Er selbst erklärte: »Landschaften habe ich in der Nazizeit massenhaft gemalt. Hier war ja weiter nichts. Also raus in die Landschaft und Bäume gezeichnet. […] Ich bin verbannt worden in die Landschaft.«7 Die eingehende Analyse von Sujet und Ikonografien wie auch die Gründe für Dix’ künstlerischem Umbruch und die Abkehr vom erfolgreichen Künstlerdasein sind ebenso Gegenstand der Darstellung wie die Beantwortung der Frage, welche Maßgaben für die Kunst während der Diktatur vorherrschend waren.



Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«? _ 275

Mit dem Umzug veränderten sich Dix’ Wohnort und sein Arbeitszentrum. Bei den unmittelbar nach dem Umzug ab Spätsommer 1933 in Randegg und ab 1936 in Hemmenhofen entstandenen Landschaften handelt es sich vorwiegend um naturalistisch anklingende, realistische Darstellungen, deren Motivgrundlage zumeist der lokalen Umgebung entstammte. Darin setzte sich Dix mit der Gegend des Hegaus auseinander, die er zunächst zeichnerisch erkundete. Anschließend begann er, Federund Silberstiftzeichnungen, insbesondere Baum- und Pflanzenstudien, sowie ein erstes Landschaftsgemälde anzufertigen.8 Es handelt sich um das Gemälde hohentwiel mit hohenkrähen von 1933, dem eine gesonderte Position zukommt, da es sich nach Beginn der Diktatur um die früheste ambige Landschaftsdarstellung handelt und somit den Auftakt einer neuen Schaffensphase markiert. Damit kommt ihm eine sinnbildliche Scharnierfunktion zwischen zwei staatlichen Systemen, zwei Lebensorten und dem Umbruch der Hauptgattung vom Porträt zur Landschaft zu. Das Gemälde fand in der bisherigen Dix-Forschung keine Erwähnung, sodass die kompositorischen und symbolisch aufgeladenen Elemente vor diesem Hintergrund im zeitpolitischen Zusammenhang auf ihre Eigenschaft als politische Ikonografien der Überprüfung bedürfen. Die eingehende Analyse erfolgt im vorliegenden Kapitel unter dem Aspekt der Ambiguität. Die Ambivalenz von künstlerischen Bezügen und neusachlichem Abtasten wird ausgehend von Dix’ motivisch-ikonografischen Entscheidungen hinterfragt. Ein Oszillieren zwischen der Dokumentation der ihn umgebenden Landschaft und seinem sezierenden Kommentar wird der Untersuchung von Motiven wie Baum und Wald, Raben, Berg, Schnitter sowie dem Regenbogen und weiteren, teilweise christlich konnotierten Ikonografien zugrunde gelegt. Auf eine zeitkritische Auseinandersetzung mit seiner politischen Gegenwart verweisen etwa dämonische Himmelsszenarien, das dunkle Kolorit oder abweisende Bildkompositionen. So sind Gemälden wie hegaulandschaft am abend von 1939, weiler hinter bohlingen von 1939 und abendstimmung bei wangen von 1939 düstere, bedrohliche oder morbide Bildstimmungen und individuelle Dramaturgien beigefügt (Taf. 9, Abb. 57). Die wiederholte Einbindung regionaler Wahrzeichen wie Bergen ist darüber hinaus auf die Aspekte Heimat und Regionalismus hin zu überprüfen, sodass auch diese im Zeichen eines zeitpolitischen Kontextes beleuchtet werden.9 Zunächst fertigte Otto Dix Studien zur Hegaulandschaft und widmete sich zeitgleich dem Motivrepertoire der Seenlandschaft, die er vornehmlich bis 1944 abbildete.10 Regional unterschiedliche Landschaftsmotive gingen aus Reisen in die Schweiz, die Sächsische Schweiz, in das Engadin oder nach Böhmen hervor.11 Erst später entwickelte Dix seine realitätsnahe Auslegung in Hemmenhofen hin zu einer individuellen Komposition:

276 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

57  Otto Dix. abendstimmung bei wangen 1939, Mischtechnik auf Holz, 68 × 79 cm, Privatbesitz

»Ich mache meistens Landschaft, viel Baum- und Häuserstudien, um vom ›Motiv‹ unabhängig zu werden und die Landschaft frei zu erfinden. Denn es ist selten, daß man ein Motiv so vorfindet, wie man’s beim Malen brauchen kann. Es ist ja notwendig, daß man viele Überschneidungen und Gegensätze schafft, die das Bild erst lebendig machen. Ich scheue mich heute nicht, die Ufer des Bodensees mit Felsen und Gebirgen zu versehen, die es hier gar nicht geben kann. Aber schließlich ist der künstlerische Ausdruck das wesentliche, nicht die ›Naturwahrheit‹ (die der Spießer und der Schulmeister erfunden hat).«12 Die Typologie in den Landschaften der 1930er und 1940er Jahre weist variantenreiche Formen auf.13 So fertigte Dix Landschaftsporträts, die einer vedutenhaften Wiedergabe der regionalen Landschaft gleichkommen, wie das Gemälde randegg – abendstimmung von 1936 verdeutlicht (Taf. 1).14 Zudem entstanden kompositorisch idealisierte Landschaften wie die Gemälde durchblick auf den see von 1940 oder ideale bodenseelandschaft von 1939, in denen Dix über die tatsächlichen Gegebenheiten hinaus topografische Elemente hinzukomponierte (Abb. 58).15 1939 konstatierte er, dass diese späteren Landschaften keine Veduten, sondern frei erfundene Idealkompositionen seien und dass der »künstlerische Ausdruck« impulsgebend wirke.16 Sowohl die Landschaftsporträts als auch die teilweise frei komponierten Landschaften weisen als Überschaulandschaft vielfach einen erhöhten Standpunkt der Rezipienten auf. Später versetzte Dix diese in die Natur,



Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«? _ 277

58  Otto Dix. durchblick auf den see 1940, Mischtechnik (ohne weitere Angaben), Vaduz, Otto Dix Stiftung

indem er zum Ende der 1930er Jahre vermehrt Naturausschnitte abbildete. Hierbei handelte es sich meist um Bäume und Waldszenarien, die ohne einen erkennbaren gesamtlandschaftlichen Zusammenhang gezeigt sind.17 Gemälde wie der bannwald oder lärche im engadin zählen zu diesem Typus (Abb. 59, Taf. 10). Über die vorangehenden Landschaftsformen hinaus ist verschiedenen Gemälden wie der hegaulandschaft am abend von 1939 oder aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) von 1940 aufgrund der bildimmanenten Stimmung durch Farbwerte, Lichteffekte, Elemente wie den Regenbogen oder dämonisch wirkende Wolkenformationen eine Ambiguität immanent.18 Diese Naturszenarien zeigen vielfach düstere, spannungsvolle Bildstimmungen, wobei Dix formalästhetische, motivische und atmosphärische Elemente etwa der Romantik einbindet. Der Einsatz von kippenden Perspektiven und fragmentierten, ineinander verschachtelten Bildgründen belässt die Rezipierenden vor dem Bild, verwehrt den Einstieg und weckt zugleich das Begehren, Ursprung und Inhalt dieser aufgeladenen Kompositionen zu erfahren. So ist hier zu untersuchen, inwiefern der Maler Ambiguität als das Unerklärliche oder lediglich verschleierte Narrative einsetzte. Können die in der Malerei der Romantik verhandelten Atmosphären im Sinne einer »schönen Stimmung« auch aus Dix’ Bildern extrahiert werden? Inwiefern stehen die Zuschreibungen von Unbehagen und Entrückung im Verhältnis hierzu und wie verhielt sich Dix mit seiner Malerei gegenüber dem Begriff der Erhabenheit?19 Eine Metaebene scheint existent, deren reale Narration jedoch zunächst verborgen, oft sogar unklar bleibt. Anhand

278 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

59  Otto Dix. der bannwald 1942, Mischtechnik auf Holz, 81 × 99 cm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

von Beispielen wie dem aufbrechenden eis ist der politische Bezug als Narrativ überliefert, sodass das Unerklärliche in den Kontext einer realen Gegebenheit gesetzt werden kann und das Unbehagen somit eine auf historischen Begebenheiten beruhende Zuschreibung erhält. Dieses Changieren zwischen erhaben gezeigter Natur und Naturgewalt, aufgeladenen Bildatmosphären, irreführenden Kompositionen und einer infrage stehenden inhaltlichen Situation ist hier als ambigue zu begreifen. Zwar hatte Dix seine figuralen Kompositionen und insbesondere die Allegorien oftmals in landschaftliche Szenarien gebettet, seine Landschaftsgemälde enthielten jedoch – von den allegorischen Darstellungen wie der heilige christophorus iv von 1939 (Taf. 11) abgesehen – eine kaum sichtbare figurale Staffage, wenn überhaupt Bildpersonal eingebunden war. Die Marginalisierung menschlicher Figuren wie auch ihre Auslassung steht in starkem Kontrast zum Œuvre der Weimarer Zeit. Auch dieses werkimmanente Kippmoment findet unter dem Aspekt der Ambiguität Besprechung. Da Dix vormals Menschen in ihren Milieus abbildete und fortan mit den Landschaften sein eigenes Milieu fokussierte, besteht in der selbstreflexiven Betrachtung ein weiterer Untersuchungsaspekt. Um 1940 begann Dix schließlich, einige seiner Landschaften explizit mit figürlicher Staffage zu gestalten. Insbesondere die Gemälde begräbnis von 1941, schlittschuhläufer auf dem bodensee von 1941 (Abb. 60, Abb. 61) und weitere Landschaften mit dörflichen Ereignissen wie das Bild erntewagen von 1941 zeigen solche Staffagen.20



Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«? _ 279

60  Otto Dix. begräbnis 1941, Mischtechnik auf Leinwand auf Holz, 75,1 × 100,5 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser, Eigentum der Stiftung Gunzenhauser

61  Otto Dix. schlittschuhläufer auf dem bodensee 1941, Mischtechnik auf Sperrholz, 65,5 × 85,2 cm, Vaduz, Otto Dix-Stiftung

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landschaftsbegriff Inwieweit es sich bei Dix landschaftlichem Œuvre tatsächlich um eine reine Wiedergabe von Landschaft handelt oder der Begriff hier als zeitpolitischer Rekurs zu fassen ist, steht zu beleuchten. Darunter sind die sich in diesen Darstellungen abzeichnenden Bezüge und kunsthistorischen Einflüsse zu fassen. Zugrunde liegt hierbei die Beleuchtung der Beweggründe für die jeweilige Entscheidung, die im zeitpolitischen Zusammenhang steht. »Im landläufigen Sinne und in seiner Umsetzung ins Bild meint [der Begriff Landschaft] einen Teil der Erdoberfläche, so wie ein Einzelner sie wahrnimmt. Das, was unabhängig vom Subjekt da ist, also die äußere Natur, wird anders bezeichnet als das, was ihm erscheint. Landschaft ist ein Teil der sichtbaren Natur, in der Landschaft wird Natur von einem ästhetischen Betrachter wahrgenommen, da sie als ganze nicht sinnlich zu erfahren ist. In dieser Bestimmung sind zwei Bedingungen enthalten, die das Naturverhältnis dessen, der ›Landschaft‹ wahrnimmt, charakterisieren. Indem nämlich ein historisches Subjekt das, was es an Natur sieht, begrifflich von der Natur unterscheidet, mit und von der es ja lebt, steht es ihr selbstbewusst und seine Existenz von ihrer deutlich unterscheidend gegenüber.«21 Die hier von Matthias Eberle formulierte Differenzierung von Natur- und Landschaftsbegriff ist insofern für Dix’ künstlerische Entwicklung grundlegend, als die Natur in seinen Arbeiten nur im Sinne der Landschaft und der subjektiven Erfahrung und Darstellung durch den Maler existiert. In der vorliegenden Arbeit wird folglich der Begriff Landschaft insofern zugrunde gelegt, als die ebenso Dix’ unmittelbare Umgebung in der Nähe des Bodensees und in Dresden adressiert ist wie seine Berufs- und Lebensrealität in der politischen Landschaft. Darüber hinaus wird Dix im zeitlichen und zeitpolitischen Landschaftskontext begriffen. Eberle schreibt weiter: »Will [das historisches Subjekt] eine Vorstellung vom Wesen der Natur und seinem Verhältnis zu ihr erhalten, muß es den Teil, den es wahrnimmt, zum Abbild der ganzen Natur machen. Somit ist das Subjekt der Landschaft als nicht mehr in der Natur lebend und hoch reflektiert charakterisiert.«22 Die Natur ist in Dix’ künstlerischem Entwicklungsprozess auf eine Natur der Dinge und damit auf die zugrunde liegende Realität, die hinter den abgebildeten Dingen steht, zu beziehen. Dies betrifft gleichermaßen Darstellungen von Menschen,

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Landschaften und christlichen Motiven, die jeweils eine zugrunde liegende Realität im Sinne zeitpolitischer und künstlerischer Einflüsse und Aussagen verkörpern. Der Begriff der Realität bindet folglich sowohl die Landschaft als Lebensrealität als auch die werkimmanente Selbstreflexivität und zeitprägende gesellschaftspolitische Gegebenheiten ein. Insofern ist allen drei hier der vergleichenden Analyse zugrunde gelegten und im reziproken Verhältnis zur jeweiligen Zeitpolitik untersuchten Bilder gemein, dass sie symptomatisch für den jeweiligen Entstehungskontext stehen. »›Gegenüberstehen‹ und ›Umformen‹ […] die beiden wichtigsten Kennzeichen der ästhetischen Naturbetrachtung und der Landschaftsmalerei. Landschaft ist nicht einfach eine Wahrnehmung der Erdoberfläche, sondern ein geistiger Akt, in dem mit Hilfe von Naturbeobachtung, Selbstreflexion und Stimmung der wahrgenommene Teil zum Abbild der ganzen Natur umgebaut und erlebt wird. […] Landschaft ist, so gesehen, Natur, die man ›durch einen Filter von Ideen und Wertungen, Stimmungen im weitesten Sinne‹ erblickt.«23 Eberles Betrachtung auf Dix’ Arbeit ist dahingehend zutreffend, als der Beobachtung der Natur respektive der ihn umgebenden Landschaft ein selbstreflexives Moment innewohnt, das in der Fokussierung der regionalen Landschaft als sein eigenes Milieu erkennbar ist. Das Spiel mit Bildstimmungen – rekurrierend auf kunsthistorische Vorbilder unterschiedlicher Epochen – gibt dabei nicht zuletzt Aufschluss über das subjektive Verhältnis des Malers zu seinen Sujets, indem er entrückte Bildräume, kippende Perspektiven, überzeichnete Farbwerte sowie von Zerstörung oder Morbidität gezeichnete Motive abbildete. Dix’ Landschaftsbegriff während des Nationalsozialismus ist in die zwei Bereiche »ambige Landschaft« und Verkaufs- oder Auftragsarbeit zu gliedern. Letztere zeichnet sich entsprechend ihrer Funktion teilweise durch den Verzicht auf kritische Kommentare und somit eine wenig kritische Gestaltungsweise aus. Die »ambige Landschaft« impliziert ein Konglomerat aus drei einander reziprok bedingenden Faktoren. Die Bezugnahme auf künstlerische Vorbilder unterschiedlicher Epochen stellt die eigene Meisterschaft unter Beweis und beschreibt zudem ein Vexiermoment im Sinne seiner stilistischen, kompositorischen und motivischen Traditions-Hinterfragung. Dabei wirkte sich die sinnbildliche kulturpolitische Landschaft unmittelbar auf Dix’ berufliche Existenz aus und beeinflusste den künstlerischen Umbruch hin zum vielfach von Morbidität und Ambivalenzen geprägten Landschaftssujet. Diese Ambiguitäten wie auch die Modifikation der Altmeisterlichkeit sind dabei dem realistischen, neusachlichen Œuvre der 1920er Jahre entlehnt. Bildimmanente künstlerische Bezüge weisen dabei in Kombination mit dem fortbestehenden Realismus eine spezifische und für Dix’ Gestaltungsweise charakteristische Ästhetik

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auf. Diese Bezüge scheinen der historischen Definition Goethes oder Schillers im Sinne einer positiv konnotierten Landschaftsrezeption und -präsentation zwar entlehnt zu sein, im Hinblick auf die ambigen Landschaften entbehren sie jedoch des Positiven. Die »[Doppelfunktion von] Landschaft als Naturinterpretation und der Naturekenntnis« zeigt sich etwa in der Analyse des Gemäldes aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) von 1940 im vorliegenden Kapitel.24 Ein zentraler Gegenpol zu Dix’ Landschaftsrezeption und Darstellung besteht sowohl im Ausgangspunkt der Klassik als auch in Joachim Ritters Beispiel Petrarcas, der bei der Besteigung des Mont Ventoux »die freie Betrachtung zur Natur als innerliche Bewegung der Seele zum Ziel des ›seligen Lebens‹« und damit seine eigene Subjektivität neu begreift.25 Im Unterschied zu Ritters Definition der Landschaftswahrnehmung, die auf einer subjektiven und mentalen Erweiterung fußt, bildet Dix die Landschaft als Gegenstand seiner Realität und als Objekt ab, an dem er seinen Realismus manifestiert und zum Ausdruck bringt. Was der Maler in der Weimarer Zeit am Beispiel seiner Dresdner Umgebung abbildete, waren die veristischen Milieudarstellungen und damit die Menschen in der lebendigen Stadt. Nach dem Umzug wandelte sich mit dem Lebensumfeld das entsprechende motivische Repertoire hin zur meist menschenlosen Landschaft, sodass sich hieran verschiedene Facetten der existenziellen Realität abzeichnen. Einerseits spiegelt sich darin das von den Nationalsozialisten abgelehnte Œuvre der 1920er Jahre, andererseits bildet sich auch der Wohnortwechsel motivisch ab. Ferner sind es die Femeschauen, die seit Beginn der Diktatur auch Dix’ Arbeiten als Beispiele der »Entartung« exponierten, woraufhin sich für ihn die Frage nach den verbliebenen Möglichkeiten stellte, als Maler fortzubestehen. Über diese Faktoren und Einflüsse hinaus sind die Landschaften jedoch vielfach Moment der subjektiven Reflexion. Diese zeigt sich einerseits in den eingebundenen motivischen, kompositorischen und stilistischen Ambiguitäten und andererseits in den künstlerischen Bezügen, die gleichermaßen als Abtasten der kunstpolitischen Gegebenheiten und der offiziellen Konstituierung einer »deutschen Kunstgeschichte« und »deutschen Kunst« zu werten ist. So ist Norbert Elias’ soziologisch geprägter Landschaftsbegriff, demzufolge »die Entwicklung des menschlichen Bildes von dem, was wir als ›Natur‹ erleben, […] eine Seite der Gesamtentwicklung der menschlichen Gesellschaft« ist, hinsichtlich Dix’ Lebensrealität und des Transfers in die Malerei interessant. Elias gibt die Landschaftsdarstellung als Abbild sozialer Strukturen und Lebensräume in Form »der Felder, der Höfe und Dörfer, der Flüsse, Berge und Wälder« wieder, in dem »[alles zum] alltäglichen Lebensraum [gehörte]«.26 Wanderungen in der Landschaft des Hegau wie auch in Böhmen waren die Grundlage für zahlreiche Studien und die somit entstehenden Landschaftsgemälde. Zugleich hielt er jedoch unzeitgemäße Zustände fest, indem er etwa vormoderne, an die Renaissance erinnernde Höfe und Dörfer darstellte.

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Insofern abstrahierte Dix die realen gesellschaftlichen Gegebenheiten und fügte seinen Darstellungen eine artifizielle, historisierend anmutende und auf künstlerische Vorbilder Bezug nehmende Gestaltungs- und Lesart bei. »Landschaft tritt […] erst dort in Erscheinung, wo es gelungen ist, die Raumkontinuität und Raumtotalität der erscheinenden Wirklichkeit mit der Form einer individuellen, hochreflektierten Realitätserfahrung zu verbinden.« In dieser Hinsicht referiert Eberle auf die geistige und kognitive Leistung der Landschaftsbetrachter und verweist hier auf die Dürer-Rezeption Franz Winzingers: »Die Landschaftsaquarelle beweisen, daß er nun [nach der ersten Italienreise] fähig geworden war, die Einzelheiten der Natur: Berg, Wald und Fluß zu jener Einheit zusammenzusehen, die wir als ›Landschaft‹ bezeichnen. Dürer steht damit der Welt als Einzelwesen betrachtend und schauend ›gegenüber‹, er erscheint weitgehend abgelöst von ihr.«27 Im Verhältnis hierzu erscheint Dix’ Standpunkt dahingehend vergleichbar, als er die Landschaft in der Entrückung wiedergibt, die als reflektierte Distanz erkennbar ist und insofern seine subjektive Entkoppelung zeigt. Die reflektierende Distanz ergibt sich durch die Einbindung von Überschauperspektiven, fragmentierten Bildebenen und die besondere Gestaltung und Überzeichnung von Motiven etwa durch kompositorische Anordnung, Farbigkeit und Größenverhältnisse. Über diese, die Landschafts-Wahrnehmung des Malers betreffende Beobachtung hinaus sind stilistische, kompositorische und motivische Bezüge auf Dürer erkennbar, die im vorliegenden Kapitel beleuchtet werden. »Da die Träger der ästhetischen Landschaftsschau vor allem die bildenden Künstler sind, muß ihre Lebenspraxis und deren Verhältnis zu der ganzen Gesellschaft untersucht werden. Denn das Verhältnis eines Malers zur Natur ist Funktion seiner Arbeitsweise und seines Verhältnisses zur Gesellschaft. Seine Sicht und Auffassung der Natur leitet sich nicht einfach aus seinem persön­ lichen Naturempfinden her […].«28 Ein kategorischer Unterschied zwischen meiner Betrachtung und Eberles Landschaftsrezeption und Begriffsdefinition besteht darin, dass an den Beispielen von Otto Dix nicht die Ästhetik des »schönen« Sujets oder des »Kunstschönen« im Fokus steht, sondern vielmehr morbide Erscheinungsformen den zentralen Gegenstand bilden. Die Landschaft verwendet Dix offenbar als selbstreflexives Transfer-Motiv. Dabei widerstrebt seine Ästhetik einem Begriff von Schönheit im Sinne ausponderierter Bildräume, Kompositionen oder motivischer Setzung und Inszenierung insofern, als Dix

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ambige Vexierbilder kreierte und einsetzte. Eine grundlegende Analogie in Bezug auf Eberles Grundlagenwerk individuum und landschaft. zur entstehung und entwicklung der landschaftsmalerei von 1984 besteht in der Koppelung des menschlichen Individuums mit der Landschaft, wobei die Lesart in unterschiedlichen Facetten erfolgt. So basiert der Subjektivitäts-Begriff Eberles auf der unausweichlichen Bindung desselben an die Gesellschaft und unterliegt die Wahrnehmung des Individuums der gesellschaftlichen Prägung. Aufgeführt sind etwa »Kulturlandschaften, Stadt- oder Industrielandschaften und [diese werden in Verbindung gebracht] mit dem Lebensprozess der Gesellschaft direkt als [gestaltendem] Faktor.«29 Mit dem Begriff des »realen Subjektes« geht Eberle auf Schiller zurück, der »das Phänomen eines ästhetischen Naturverhältnisses also nicht nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Entwicklungsstand der Gesellschaft, sondern auch mit einem hochreflektierten Verhältnis des Menschen zu sich selbst [begreift]. Nicht nur muß Natur weitgehend unterworfen sein, sondern auch die Menschen müssen sich ihr frei gegenüberstehen, sich also nicht mehr durch sie (das handelnde Subjekt) bestimmt erleben. So ist im Rahmen der Untersuchung also auch nach dem Entwicklungsstand der zweiten, inneren Natur des Menschen zu fragen, nach seinem Denken, seiner Sensibilität und den Formen seiner Wahrnehmung.« Dix’ eigenen Standpunkt hinsichtlich der Verknüpfung von Außen und Innen anvisierend, tritt die Übereinstimmung beider Ansätze deutlich hervor. Die Prägung durch gesellschafts- und kunstpolitische Einflüsse ist sowohl durch die Entlassung, den Umzug und weitere erzwungene Gegebenheiten wie auch die künstlerische Entwicklung markiert. So sind die Einflüsse auf den Maler ersichtlich, prägen seine Arbeiten inhaltlich und sind zudem in der Art der Darstellung der gezeigten Motive sichtbar.

das schlachtfeld als politische landschaft. zum gemälde flandern (1934–1936) Das Werk von Otto Dix ist bekannt für seine gesellschaftskritischen Darstellungen der 1920er Jahre. Seine Hauptthemen in dieser Zeit sind Milieu- und Bordellszenen sowie Kriegsdarstellungen. In dieser Phase gibt es ein Motiv, das nicht als eigenständiges Genre reflektiert, sondern in seiner rahmenden Funktion dargestellt wird: die Landschaft. Ein wichtiger Umbruch im Leben von Dix impliziert einen der bedeutendsten Wendepunkte in seinem Werk. Das sich abzeichnende Sujet und Medium



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der scheinbar reinen Landschaft wurde von den äußeren Einflüssen begleitet, die sich im politischen System, in den sozialen und kulturellen Entwicklungen manifestierten. Ab 1933 wandte sich der veristische Künstler im Gegensatz zu seinem Werk der 1920er Jahre einem scheinbar unpopulären Genre zu und schuf fortan Landschaftsbilder, die an Alte Meister erinnern. Zwar hatte Dix bereits Mitte der zwanziger Jahre Techniken aus dieser Tradition verwendet, nach der sogenannten »Machtergreifung« der Nationalsozialisten wurden jedoch Unterscheidungsmerkmale zum landschaftlichen Motivrepertoire Mitteleuropas dominant. Dix entwickelte antiklassische Perspektiven und Bildmotive, die einerseits Darstellungsweisen historischer Vorbilder adaptieren und sich andererseits von diesen unterscheiden. Das neue Sujet basiert auf seinen Darstellungen von Kriegsszenarien, die sich zu einer spezifischen Form der Landschaft entwickelten. Im Folgenden wird der Begriff »Kriegslandschaft« verwendet, der sich in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von Dix’ Œuvre bis Mitte der 1930er Jahre entwickelt. Tatsächlich schuf der Maler ein ganzes Landschafts-Œuvre, das durch bewusste Mehrdeutigkeiten in Motiv, Komposition und Stil, so zum Beispiel in der Darstellung der Naturgewalten oder der Verwendung historischer Anachronismen, eine unruhige, ja bedrohliche Atmosphäre vermittelt. Obwohl sich Dix mit diesen Darstellungen auf historische Bild- und Motivtraditionen beruft, gelingt es ihm, ein ganz spezifisches Gefühl des Unbehagens zu vermitteln, das eben diese Traditionen in Frage stellt und sich als schwer definierbar erwiesen hat. Daher habe ich den Begriff der »ambigen Landschaft« eingesetzt, um den spezifischen Merkmalen dieser besonderen Landschaftsdarstellungen näherzukommen. Sowohl die »Kriegslandschaft« als auch die »ambige Landschaft« erscheinen im Kontext des Topos der sogenannten »Inneren Emigration«. Wie diese drei Komponenten zueinander in Beziehung stehen und die Bedeutung des Phänomens und der Idee einer Erinnerungslandschaft kontextuell bedeutet, wird im Rahmen des vorliegenden Kapitels diskutiert. Die Art und Weise, der Zeitpunkt und der Grund, weshalb sich der Künstler dazu entschloss, mit seinem charakteristischen Fokus zu brechen und sich dem traditionellen, aber für ihn ungewohnten Genre zuzuwenden, beschreibt die Hauptmotivation der Untersuchung. Zwischen 1918 und 1933 fertigte Otto Dix 205 Gemälde, von denen 23 Abbilder von Natur und Landschaft enthalten.30 Hierzu zählen lediglich Elemente, die im weitesten Sinne Hinweise auf Naturphänomene und Landschaftsmotive implizieren. Dies sind sowohl Bäume, Zweige, Blumen und Bouquets als auch Himmelsdarstellungen. Vornehmlich sind Elemente wie Zimmerpflanzen, Zweige und Gewächse dargestellt. Diese als Natur-Rezeptionen zu deuten weicht jedoch von dem hier zugrunde gelegten Natur- und Landschafts-Begriff ab, weshalb sie nicht weiterführend betrachtet und analysiert werden. Das unter Einbindung von Natur-

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und landschaftlichem Motiv entwickelte Werk ist hingegen primär in Porträts, Stillleben sowie Landschaften im Kriegskontext zu kategorisieren.31 Da es zwingend als zeitreflexiv zu erachten ist, bildet das Sujet der »Kriegslandschaft« den zentralen Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen.32 Im Kontext der politischen Betrachtung sind für die Schaffensphase zwischen 1918 und vor 1933 folglich die Darstellungen mit Bezug auf den Ersten Weltkrieg besonders hervorzuheben. Die »Kriegslandschaft« wird durch das »Schlachtfeld« und die menschlichen Körper konstituiert, wodurch der Mensch – im Kriegsgeschehen und damit als Akteur im Feld – als maßgebliches motivisches Gestaltungselement in Dix’ Landschaftsmalerei während der Weimarer Republik fungiert. In dieser Zeit entstanden mit Bezug auf die Kriegstagebücher und die 1924 im Verlag der Galerie Nierendorf publizierte Kriegsmappe zahlreiche Kriegsdarstellungen sowie wenige Gemälde, die aufgrund der Lokalisierung im »Schlachtfeld« weitgehend als landschaftlich zu begreifen sind.33 In den Jahren der Weimarer Republik, die in der Dix-Rezeption bislang als zentrale Schaffensphase gelten, brachte der Maler folglich ein zentrales Landschaftsmotiv hervor, das durch seinen ausdrücklichen Kriegsbezug gekennzeichnet und als »Kriegslandschaft« zu bezeichnen ist. An Gemäldebeispielen wie dem von Kira van Lil ausführlich besprochenen schützengraben oder dem Triptychon der krieg treten – wie bereits in den Porträtdarstellungen der Weimarer Republik sowie in der Zeit des Nationalsozialismus – künstlerische Vorbilder unterschiedlicher Jahrhunderte zutage.34 So attestiert Olaf Peters dem schützengraben eine Adaption der romantischen Landschaftsmalerei. Ebenso sind es Verweise auf Francisco de Goya, die neben dem druckgrafischen Medium zudem in der Thematik und motivischen Umsetzung derselben begründet liegt und darüber hinaus in der Tatsache, dass Nierendorf ein 1924 vergriffenes Buch zur Druckgrafik des spanischen Künstlers zur Verfügung stellte.35 »Der ›Schützengraben‹ fungiert als Vorlage für die Mitteltafel des Triptychons und Dix schreibt dem gesamten Bild eine Komposition des Kreises bzw. des Rades ein, die als ästhetische Konkretion von Nietzsches Philosophem der ewigen Widerkehr zu bewerten ist.«36 Darin verarbeitet sieht der Autor »Cranachs Dresdner ›Katharinen-Altar‹ von 1506 (Staatliche Kunstsammlungen, Dresden), die ›Pasquino-Gruppe‹ – in deren Adaption auf der rechten Seitentafel Dix ein Selbstbildnis liefert – oder Grünewalds ›Isenheimer Altar‹ von 1513 (Musée d’Unterlinden, Colmar)«.37 Das Gemälde flandern von 1934–1936 kontextualisiert Peters mit Dix’ »Rückgriff auf Nietzsches Bild vom ›Zenit des Großen Mittags‹ die Perspektive einer vom Willen geleiteten Überwindung des ewigen Kreislaufs«.38



Das Schlachtfeld als politische Landschaft. Zum Gemälde »Flandern« (1934–1936) _ 287

62  Otto Dix. bei langemark (februar 1918), 1924, Radierung, 19,8 × 14,7 cm

Am Beispiel der Mappe der krieg sind insbesondere drei Motiv-Schwerpunkte erkennbar, die eine Verbindung zwischen landschaftlichem Element und Kriegsbezug unterstreichen.39 Bereits 1947 hatte Will Grohmann einen Bezug zwischen Dix’ Radierungen und Goyas desastres de la guerra hergestellt, die dem Kunsthistoriker zufolge »eine gewaltige Anklage des Verbrechens Krieg« ist.40 Besondere Elemente wie das Baummotiv kehren in dieser wie auch späteren Werkphasen wieder.41 Dieses wie auch die landschaftliche Ebene und florale Darstellungen bilden die Kernbezüge in den filigran in das Metall geritzten Radierungen von Otto Dix. Das Blatt bei langemarck, februar 1918 impliziert sowohl die landschaftliche Ebene des Schlachtfeldes, die sich als hügelige Niederung bis an den Horizont ausdehnt, als auch zerstörte Bäume, die wie zerborstene Spitzen aus dem Erdboden emporstechen (Abb. 62). Im Vordergrund sind tote und skelettierte Körperfragmente zwischen die Erdhügel und schmalen Baumstämme gemischt, wodurch die Zerstörung durch das Kriegsgeschehen im Gesamtbild deutlich hervortritt. Das florale Motiv tritt im Blatt tod und auferstehung deutlich hervor (Abb.  63).42 Der Soldatenkörper ist auch hier teilweise skelettiert, erscheint wie in die Erde gebettet und von den filigran emporstrebenden Pflanzen flankiert. Dabei stehen den Leichnam umgebende Gräser und Blumen in Analogie zum Titel des Blattes, indem sie eine Begräbnis-Darstellung andeuten. Mit der Kombination aus dem Toten respektive der personifizierten Vergänglichkeit und dem Aspekt

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63  Otto Dix. tod und auferstehung 1924, Radierung, 23,3 × 18,8 cm

von Werden und Entstehung, visualisiert durch die Pflanzen, ist die Darstellung im Vanitas-Kontext zu lesen. Die Technik der Kaltnadelradierung unterstreicht hier durch die zart gekratzte Linienführung die Zerbrechlichkeit des Vergehenden und gleichsam des aufstrebenden, im Werden begriffenen Neuen. Ein charakteristisches Element besteht in der Verflechtung von landschaftsbildenden Kriegsgeschehen – dies sind sowohl Abbilder der Zerstörung, Leichname, Waffen und andere Kriegsmomente – als Suggestion einer Landschaftsdarstellung. Diese Verwebung stellt die Grundlage für den Begriff der »Kriegslandschaft« dar. Ihre zentrale Eigenschaft besteht in der Konstituierung von Landschaft durch Elemente des Krieges. Das bedeutet, dass die oben genannten Charakteristika des Krieges sowie zahlreiche andere – in leidlich heroischem Ausmaß, hingegen realitätsnah und subjektiv Wahrgenommenes aufzeigend – vom Künstler als landschaftsprägendes Motiv eingesetzt wurden. Somit gehen geografische und topografische Darstellungen wie Berge, Seen, Dickicht, Bäume und weite Ebenen oftmals nachweislich auf tatsächliche Regionen und Orte zurück. Dies belegen Arbeiten mit ortsspezifischen und zeitlich konkretisierenden Angaben wie exemplarisch bei langemarck, februar 1918 oder flandern.43 Dix’ »Kriegslandschaften« implizieren Analogien zu tradierten Kompositionen der Landschaftsmalerei. So stellen neben regionalen Landschaftselementen gewaltige meteorologische Szenarien elementare Bestandteile dar. Bei diesen vermeintlichen



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Naturelementen handelt es sich jedoch tatsächlich um Darstellungen von Leichenansammlungen, Granattrichtern, zerstörten Architekturen oder Kriegsposten, die den jeweiligen Bildraum komponieren und strukturieren. Als beispielhaft gilt das Gemälde flandern (Taf. 5). Ausgehend von den expliziten »Kriegslandschaften« an den viel besprochenen Beispielen schützengraben und der krieg handelt es sich hierbei um ein Werkbeispiel, das den Übergang von der »Kriegslandschaft« der Weimarer Zeit hin zum Nationalsozialismus markiert. Es handelt sich um die letzte Schlachtfelddarstellung in dieser Folge, die mit explizitem Bezug auf den Ersten Weltkrieg entstand. Wenngleich Dix seine Arbeit an dem Gemälde erst im Jahr nach der sogenannten »Machtergreifung« aufnahm, ist es dennoch repräsentativ für das Sujet der »Kriegslandschaft« und ist im Zuge des politischen und motivischen Umbruchs von zentraler Bedeutung. Auf einem erodierten Boden mit verwüsteten Bäumen und überfluteten Granatenlöchern sind im Gemälde flandern unbestimmte Haufen von kauernden, reglosen und toten Körpern ausgebreitet.44 Die umgebende Landschaft – gemalt in Anlehnung an die Techniken der Alten Meister – dient als beleuchteter Hintergrund, der zunächst das zentrale Sujet einrahmt: eine Gruppe von Soldaten, die sich im Vordergrund versteckt. Während die Männer still liegen und sogar als schlafend angesehen werden könnten, lassen sich ihr Schmerz und ihr Leid an den Spuren der Kämpfe und der völligen Zerstörung ablesen, die in der Landschaft um sie herum hinterlassen wurden. Die verschanzten menschlichen Figuren drängen sich aneinander und werden zu prägenden Elementen in dieser Landschaft. Ihre amorphen Silhouetten bilden die einzigen weichen Umrisse in dieser apokalyptischen Szenerie aus scharfen, spitzen oder verworrenen Formen. Die menschlichen Körper sind kaum von dem Boden zu unterscheiden, auf dem sie ihr Leben verloren haben. Dieser wird in immer helleren, weicheren Farben dargestellt, bis die kombinierte Materialität und Topographie, bestehend aus Mensch und Erde, einem sehr lebendigen Himmel weicht. Die Formation von Hügeln, Seen und Wolken stellt eine Landschaft dar, die topografische und meteorologische Elemente suggeriert. Je genauer das Auge des Betrachters hinschaut, desto deutlicher wird, dass diese scheinbar natürlichen Elemente aus mit Wasser gefüllten Granattrichtern, zersplitterten Bäumen, Rauchschwaden und den kauernden Körpern bestehen, die in dieser offenen Ebene ungeschützt erscheinen. Fast die Hälfte der Leinwand wird von der seltsam beleuchteten Landschaft eingenommen, die den Blick des Betrachters von der Gruppe der Männer im Vordergrund in eine verschwommene Ferne lenkt. Die Technik des sfumato löst den Horizont auf; der Himmel besteht aus hellen Pastellfarben und leuchtend roten Farbtupfern, die wie mit Blut auf die linke Seite gespritzt sind. Mit seinem breiten Spektrum an meteorologischen Phänomenen zitiert Dix die Traditionen von

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Kunstwerken wie beispielsweise den dramatischen Himmel des deutschen Malers Albrecht Altdorfer (um 1480–1538) in seiner berühmten alexanderschlacht (schlacht bei issos) (Abb. 9). Indefinite Hügel bestehend aus kauernden, leblosen und toten menschlichen Körpern bilden eine Melange mit dem erodierten, zerborstenen Erdboden. Die umgebende Landschaft erscheint den Rezipienten und Rezipientinnen zunächst als eine erhellte Kulisse, deren Funktion im rahmenden Beiwerk des zentralen Motivs besteht. Eine kauernde Figurengruppe im Bildvordergrund, bei der es sich um bewegungslos niedergebeugte Soldaten handelt. Die Soldaten bilden in ihrer notleidenden, menschenunwürdigen Situation inmitten der zerstörten Landschaft den Bildmittelpunkt. Während sie still dazusitzen scheinen und lediglich als schlafend betrachtet werden könnten, vergegenwärtigen ihre Körper und Physiognomien ebenso wie die von Kämpfen vollständig zerstörte Landschaft das Leid, die Schutzlosigkeit und die Furcht der Menschen, die wie auf dem Schlachtfeld zurückgelassen erscheinen. Die verschanzten menschlichen Figuren manifestieren in sich ein formgebendes Element, indem sie als amorphe, organisch wirkende abgerundete Umrisslinien in deutlichem Kontrast zu den kantigen und spitzen Bildbestandteilen stehen. Als menschliche Körper sind sie kaum von dem Boden zu unterscheiden, auf dem sie oder ihre Kameraden ihr Leben ließen. Die Körper manifestieren sich in Hügeln zwischen den mit Wasser gefüllten Granattrichtern. Auf diese Weise ist die Landschaft – bestehend aus einer kombinierten Topografie aus menschlichen Leibern und dem Erdboden – bis zum Horizont geformt, an dem sie mittels changierender Farbtöne und sfumato in ferne Gebirgsebenen und meteorologische Szenarien übergeht. Die meteorologischen Phänomene kontrastieren in ihren lebendigen, hellen Farbtönen und der Dynamik ihrer Komposition zum Schlachtfeld. Sie sind überdies so detailreich ausmodelliert, dass sie den Rezipientinnen und Rezipienten aufgrund ihrer Farb- und Formkomposition als ästhetisches Naturphänomen erscheinen. Dieser Erfahrung des »Schönen« und Ästhetischen gegenüber steht das Irdische, das sich im Kriegsschauspiel, toten Leibern und einer ans Apokalyptische erinnernden Szene manifestiert. »Vermoderte Wesen hocken, liegen, wachsen aus dem Humus von Blut und Hirn. Verjährte Totenschädel, aus denen bereits neuer vergesslicher Frühling Blüten spriessen lässt. Grünlich schimmernde Wassergräben durchsickern die Landschaft. Im Hintergrund, sehr raumtief wie eine Bühne, leuchtet die zerstörte Stadt und im Gewässer spiegelt sich Unter- oder Aufgang der Sonne. Natur, Menschen und Dinge sind ineinander verwoben. Die tote Hand neben dem knorrigen Ast, der in der Oede – ehe es ganz hell oder ganz dunkel wird – aufragt, mit einem Dornenkranz umwunden: ein gekreuzigter Baumstumpf.



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Nach allen Ehrungen von Seiten offizieller Würdenträger hatte Dix den unbekannten Soldaten des vergangenen und kommenden Krieges solches Ehrenmal errichtet.«45 Das zwischen 1934 und 1936 entstandene und heute im Besitz der Neuen Nationalgalerie, Berlin, befindliche Gemälde flandern beschrieb Peter Thoene 1938 im Zusammenhang mit der Züricher Ausstellung der Galerie Wolfsberg 1938. Der Titel des Bildes definiert die lokale Verortung des Schauplatzes in der belgischen Region Flandern und verweist auch auf das Narrativ historischer Begebenheiten im Sinne der Schlachten zwischen dem Deutschen Reich und den französischen, russischen, britischen und (ab 1917) amerikanischen Alliierten während des Ersten Weltkriegs ab 1914. Da es sich um die Wiedergabe und damit das Narrativ eines Kriegsereignisses handelt, in dem Soldaten im Front-Kontext gezeigt sind und damit ein historisches Ereignis thematisiert wird, zugleich aber eine szenische Darstellung des Kriegszustandes unter Auslassung bedeutender Persönlichkeiten oder glorifizierender Absichten abgebildet ist, implementiert das Gemälde gleichermaßen Aspekte der Historien- und Genremalerei. Entgegen dieser Auslegung besteht in der konstruierten Landschaft jedoch zugleich eine weitere signifikante Bildgattung. Einerseits ist es die Landschaft, die durch den Granateinschlag geformt wurde, andererseits sehen wir in flandern eine Landschaft, die aus topografischen Elementen wie Bergen und Seen in Zusammenhang mit Wetterelementen wie Wolken besteht, deren Topografie jedoch ebenso in allen Bildgründen aus Verschlägen, sogar Körper- und Leichenansammlungen gepaart mit Rauchwolken besteht. Die zunächst als Beiwerk entschlüsselte Landschaft wandelt sich bei der genauen Betrachtung schließlich in ihr Gegenteil – als prägende Bildgattung. Das Werk beruft sich sowohl auf die Tradition der Historienmalerei als auch auf die der Genremalerei. Auch wenn keine der dargestellten Personen namentlich bekannt ist, erlaubt die Tatsache, dass Dix als Soldat aktiv am Krieg teilgenommen hat, eine Lesart des Gemäldes mit dokumentarischem Gehalt. Diese Lesart verifiziert die Anerkennung als Historiengemälde. Anders ausgedrückt – die Darstellung zeigt ein Kriegsszenario und darin eine Alltagssituation: Sich seinem Schicksal ergeben, in einem Unterstand ausharren, zwischen Granatenlöchern kauern und auf das Ende des Krieges warten. Diese Verhaltensweisen sind als Elemente der Genremalerei in Bezug auf den Kontext des Krieges lesbar. Elemente wie die Darstellung historischer Einschläge, Motivrepertoire und versteckte Details, meteorologische Phänomene, Farbkontraste und die Komposition als altmeisterliches Meisterwerk sind offensichtlich sorgfältig konstruiert. Die Landschaft ist hier nicht mehr nur ein Beiwerk, das die zentralen Themen unterstützt, sondern wird mit einer größeren Bedeutung aufgeladen, zum Mittelpunkt und zu einer eigenen Kategorie. Es wird deutlicher, dass die Land-

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schaft in diesem Fall nicht nur eine Kulisse ist, sondern eine reiche Quelle der Bedeutung. Die Darstellung zeigt einen Kriegsschauplatz. Im Gegensatz zur Ästhetik der Himmelsgestaltung inszeniert Dix den Krieg, der in den aufgetürmten dunklen Leichen gipfelt. Die Darstellung verknüpft flandern mit einer historischen Erzählung über eine reale Schlacht, doch die Szene ist frei von jeglicher Heldenfigur oder glorifizierenden Absichten. Ein Erkennungsmerkmal ist vielleicht schon im Titel zu erkennen. flandern bezieht sich auf eine Provinz in Belgien, die während des Ersten Weltkriegs Schauplatz der schlimmsten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und den alliierten Truppen Frankreichs und Großbritanniens war. In vier Kampagnen über vier Jahre hinweg verloren die Gegner auf den Schlachtfeldern dieses kleinen Landes, das zwischen den Gebieten Frankreichs und Deutschlands eingekeilt war, Hunderttausende von Soldaten. Die Felder von Flandern sind im Deutschen sprichwörtlich geworden als das Land, »wo der Tod reitet«.46 Als »Kriegslandschaft« in der gleichnamigen belgischen Region ist Flandern Teil der autobiografischen Erfahrung des Malers Otto Dix. Er diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und bediente als Ersatzreservist ein Maschinengewehr. Dix schilderte und dokumentierte die Schrecken des Krieges, seine Unmenschlichkeit und Zerstörungskraft. Diese Thematik ist in zahlreichen Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken umgesetzt und bildet einen wesentlichen Teil von Dix’ Œuvre zwischen 1918 und Mitte der 1930er Jahre. In seiner Bildwelt ist die menschliche Figur meist eine Chiffre für Furcht und Gebrochenheit durch existenzielles Leid und Zerstörung. Mit dieser flandrischen »Kriegslandschaft« ist die autobiografische Erfahrung des Malers Otto Dix als Teilnehmer am Ersten Weltkrieg verknüpft. Als ErsatzReservist am mg war er an der Schlacht in Flandern beteiligt und damit unmittelbar in der Kriegs-Landschaft präsent. Die dortigen Erfahrungen, Gräuel und das zerstörerische Wesen des Krieges bildete er in zahlreichen Gemälden und Grafiken insbesondere zwischen 1918 und 1933 ab. Zum Leitmotiv des Ausdrucks von Angst, Schrecken, Grenzerfahrung und Zerstörung avanciert der Mensch. In den reglosen Körpern, die die Landschaft motivisch konstituieren, manifestiert sich die zentrale Werkentwicklung. Waren es im Fall des schützengrabens noch offensichtliche Soldatenkörper, die die Komposition prägten, wirkt das Bildpersonal in flandern im Verborgenen als ambiges Motiv. Das Gemälde flandern definiert somit den chronologischen Abschluss der »Kriegslandschaften« und impliziert den motivischen und stilistischen Umbruch im Werk des Künstlers. In den darauffolgenden Jahren – bis 1945 – findet ein Wandel insbesondere im Motivrepertoire statt. Es ist nicht allein das zentrale Motiv des oftmals karikierend und übersteigert dargestellten Menschen im sozialen Milieu, sondern auch der historienhafte Charak-



Das Schlachtfeld als politische Landschaft. Zum Gemälde »Flandern« (1934–1936) _ 293

ter der »Kriegslandschaft«, was bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 keine Benennung mehr im Œuvre des Künstlers fand. Dix lenkte seinen absoluten Fokus vom Menschen im Kontext sozialer Milieus und signifikanter Charakteristika hin zu Landschaften unter Verzicht auf jedwedes erkennbare, menschliche Bildpersonal. flandern definiert das zeitliche Ende der »Kriegslandschaften« und markiert einen Wendepunkt im Schaffen des Künstlers, was sowohl die Motive als auch den malerischen Stil betrifft. In den folgenden Jahren bis 1945 fällt vor allem die Veränderung der Thematik auf. Das ehemals zentrale Motiv der Menschen in ihrer individualisierten, manchmal grotesken und oft karikierenden, ein bestimmtes soziales Milieu akzentuierenden Erscheinung wurde aufgegeben wie auch das Landschaftsmotiv als Kulisse für offensichtliche Kriegsszenarien. Der absolute Fokus des Malers verlagerte sich von der ehemals essenziellen menschlichen Gestalt im sozialen Kontext auf Darstellungen der Landschaft als Milieu wie auch Porträt. Was früher ein Beiwerk war, wurde zum zentralen Inhalt. Die Landschaft entwickelte sich als vorherrschendes Ausdrucksthema im Werk von Otto Dix. Das Gemälde als »Kriegslandschaft« und gesellschaftskritisches Medium der Kriegsgräuel, das zwischen 1934 und 1936 entstanden ist, stellt in dieser Zeit einen Ausnahmefall dar. Ab 1933 malte Dix vor allem autonome Landschaften, die an die klassische Vedute erinnern und damit ein neues Kapitel in seinem Werk aufschlagen. Was als neues Sujet erscheint, entpuppte sich als eng mit der Kunstgeschichte verknüpft. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Landschaftstypen, die bedeutende Analogien zu Elementen der Landschaftsmalerei der Renaissance, des Klassizismus oder der Romantik implizieren. Sowohl in der Komposition als auch in der Semantik setzen die Werke von Dix eine Vertrautheit der Rezipierenden mit der Geschichte der Landschaftsmalerei voraus. Trotz erheblicher formalästhetischer Parallelen unterscheidet sich Dix von seinen historischen Vorgängern. Seine mehrdeutigen Landschaften sind insofern eine kontrastierende Form der Landschaftsmalerei, als seine Darstellungen in erster Linie visuell und erzählerisch geschlossen erscheinen. Die wichtigsten Unterschiede erschließen sich jedoch nicht auf den ersten Blick, da durch bestimmte Stilelemente und dunkle, ahnungsvolle Atmosphären scheinbar kontemplative Momente vorherrschen, die nach bewährten künstlerischen Prinzipien aufgebaut sind. Erreicht wird dies durch formalästhetische Elemente wie Farbe, Komposition und das spezifische Motivrepertoire, das Dix maltechnisch in altmeisterlicher Manier einsetzt. Anhand ausgewählter Beispiele werden nachfolgend Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Stils, der Motive und ihrer kompositorischen und ästhetischen Darstellung aufgezeigt. Dix’ Gemälde randegg im schnee mit raben von 1935 verdeutlicht im Vergleich mit Pieter Bruegels d. Ä. (1525/1530–1569) Gemälde die jäger im schnee von 1565 insbesondere die technische Vergleichbarkeit einschließlich

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64  Pieter Bruegel der Ältere. die jäger im schnee oder heimkehr der jäger (winter), 1565, Öl auf Holz, 117 × 162 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum

der gewählten Farbtemperatur sowie die kompositorischen Merkmale (Taf. 12, Abb. 64). Die Lektüre von randegg mit vögeli von 1936 im Vergleich mit Jakob Philipp Hackerts Landschaftsansichten aus dem 18. Jahrhundert gibt Aufschluss über Parallelen, aber auch Kontraste in der klassizistischen Landschaftsdarstellung. Im Vergleich mit diesen kunsthistorischen Referenzen sind Dix’ Landschaftsbilder wie aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) von 1940 mit einem realen Narrativ unterfüttert und gesellschaftskritisch geprägt, sodass seine Dekodierung erst im Zuge der intensiven Rezeption möglich wird. Um die kritischen Aspekte in den besprochen Werken aufzuzeigen, werden konkrete Hinweise auf Gemälde, deren soziokulturelle Einbettung und wiederum Motive, Symbole, Kompositionen und andere Komponenten im vorliegenden Kapitel diskutiert.



»Altdeutsch – Bruegel-ähnlich«. Zur Rezeption »alter Stoffe« in Otto Dix’ Gemälde »Randegg im Schnee mit Raben« (1935) _ 295

»altdeutsch – bruegel-ähnlich«. zur rezeption »alter stoffe« in otto dix’ gemälde randegg im schnee mit raben (1935) Hinsichtlich der Bezüge auf Alte Meister im Werk von Otto Dix entwickelte ­Birgit Schwarz bereits 1986, wie Dix mit künstlerischen Vorbildern in seinen eigenen Arbeiten verfuhr: »Während seines ganzen Lebens war Dix ein eifriger Museumsgänger, und er besaß eine umfangreiche Bibliothek mit kunsthistorischer Literatur. Als ein Augenmensch speicherte er das Gesehene in seinem Gedächtnis. Im gegebenen Moment, bei der Planung eines neuen Gemäldes, griff er es – bewußt oder unbewußt – wieder auf. 1961 schilderte er seine Vorgehensweise so: ›Ich sammle fortwährend, und aus dem Gesammelten wird das Ganze. Ein Bild ist bei mir nie auf Anhieb fertig […]‹«47 Bereits 1927 definierte Dix die seinem Werk immanenten Bezüge etwa zur Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts: »Jedenfalls liegt für mich das Neue in der Malerei in einer Steigerung der eben bei den Alten Meistern bereits im Kern vorhandenen Ausdrucksformen.«48 Seit 1933 verweisen seine Arbeiten neben den in den 1920er Jahren erkennbaren technischen Bezügen auch motivisch auf das Repertoire von Vorbildern wie Albrecht Dürer, Matthias Grünewald, Pieter Bruegel d. Ä. oder der sogenannten Meister der Donauschule wie Lucas Cranach, Albrecht Altdorfer oder Wolf Huber (1485–1553).49 Ferner sind Verweise auf idealtypische oder romantische Landschaften – so von Jakob Philipp Hackert (1737–1807), Joseph Anton Koch (1768–1839) und Caspar David Friedrich – erkennbar. Dabei sind nicht allein Adaptionen künstlerischer Vorbilder erkennbar, sondern auch Dix’ Abgrenzung von ihnen. Zwar stellt er sich deutlich in die Maltradition verschiedener Vorbilder, die 1933 in Max Doerners malmaterial und seine verwendung im bilde als »Techniken Alter Meister« und »altdeutsch« beschrieben sind;50 parallel setzt Dix jedoch seinen Realismus gegen tradierte Kompositions- und Darstellungsweisen. So sind etwa Farbwerte übersteigert, Kontraste überzeichnet, Bildräume antiklassisch gegliedert und Kompositionen gekippt, verschachtelt oder durch Fragmentierung ineinander verschränkt. Dieser Kunstgriff manifestiert sich in einer manieristisch anmutenden Übersteigerung von Farben und Proportionen sowie in der Aufhebung von kanonisch tradierten Kompositionsformen und Perspektiven, wie zahlreiche Überschaulandschaften in Dix’ Werk belegen – etwa das Gemälde kornfelder und bäume bei iznang von 1938 mit erhöhtem Betrachterstandpunkt und optisch in den Bildraum kippenden Bäumen oder randegg mit vögeli von 1936, dessen Binnengliederung einer fragmentierten Struktur unterliegt. Bildkompositorische wie

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auch semantische Charakteristika zeigen sowohl Adaptionen als auch Dissonanzen gegenüber Landschaftsdarstellungen aus Renaissance, Klassizismus und Romantik. Diese sind Gegenstand der drei nachfolgenden umfassenden Vergleichsanalysen, denen es obliegt, das Dichotome von künstlerischer Adaption und Virtuosität in Dix’ Arbeiten herauszustellen. Welche Rolle eine Traditionsausbildung hinsichtlich der im Nationalsozialismus populären Altmeister-Beispiele einnimmt und welche formalästhetischen und motivischen Verweise Dix aufgriff, ist dabei von grundlegendem Interesse. Welche zeitpolitischen Konsequenzen sich aus dem reziproken Verhältnis der politischen Situation für die auf verschiedene Epochen der Kunstgeschichte rekurrierende Malerei ergeben, ist schließlich eine zentrale Frage.51 Auch im Rahmen seiner Landschaftsmalerei orientierte sich der Maler zwischen 1933 und 1945 insbesondere an altmeisterlichen Maltechniken, Motivrepertoires und kompositorischen Besonderheiten. Fritz Löffler (1899–1988) beschreibt Dix’ Hinwendung zu den historischen Vorbildern als gezielt Bezug nehmend auf künstlerische Vorbilder: »In welchen Formen sollte er als Realist, von seinem alten Themenkreis geschieden, die ihm jetzt vom Schicksal zugeteilten Landschaften verwirklichen. Er tat das in einer Form, die wir schon mehrmals bei ihm fanden, er wendete sich den Alten Meistern zu und nicht den Landschaftsmalern des 19. Jahrhunderts. Den jungen Cranach, Altdorfer, Wolf Huber, Hans Baldung Grien, aber auch Bruegel empfand er als Wahlverwandte.«52 Die im Œuvre des Künstlers als neu zu klassifizierende Landschaft ist sowohl maltechnisch als auch stilistisch im Zusammenhang epochaler Rückbezüge zu begreifen. Dabei fächert sich das Motiv der Landschaft in unterschiedliche Kategorien auf, in das Landschafts- und Baumporträt, Landschaftsdarstellungen mit Architektur, Friedhofs-Landschaften und konstruierte Landschaften. Im Fokus der nachfolgenden Betrachtungen steht zunächst Dix’ Gemälde randegg im schnee mit raben, an dem beispielhaft die Relevanz der Renaissance anhand konkreter Vergleichsbeispiele erörtert wird. Das Gemälde stammt aus dem Jahr 1935 und ist in Mischtechnik auf Hartfaserplatte gemalt. Das hochformatige Bild misst 80 × 70 cm und ist im unteren Bildteil monogrammiert und datiert.53 Bereits im Jahr der Entstehung schrieb Dix an Josef Nierendorf, dass das Bild seiner Frau Martha gehöre und daher unverkäuflich sei. Es war Teil der Ausstellung zwei deutsche maler. otto dix und franz lenk, die von Januar bis März 1935 in der Berliner Galerie Nierendorf stattfand, ehe Dix im selben Brief um umgehende Rücksendung bat.



»Altdeutsch – Bruegel-ähnlich«. Zur Rezeption »alter Stoffe« in Otto Dix’ Gemälde »Randegg im Schnee mit Raben« (1935) _ 297

Das Bild ist in vier Bildgründe gegliedert, wobei Vordergrund und Himmel jeweils etwa ein Drittel der gesamten Bildfläche einnehmen, Mittel- und Hintergrund das übrige Drittel. Dargestellt ist eine winterliche Landschaft mit dem Dorf Randegg, in deren Vordergrund eine Szene mit Raben gezeigt ist. Die Betrachtenden blicken hinab über einen schneebedeckten Hang, auf dem rechts ein Baum und eine Mauerbegrenzung erkennbar sind. Von der oberen linken Bildhälfte nach rechts unten strebend sind sieben schwarze Rabenvögel im Flug gezeigt, deren Physiognomie mit teilweise leicht geöffneten Schnäbeln und einer dynamischen Körperhaltung energisch erscheint. An der oberen Bildkante tummeln sich fünf der Vögel und setzen zum Landeanflug an. Ein Rabe ist zielgerichtet mit geschwungenen Flügeln abgebildet, ein weiterer Vogel ist unterhalb des Baumes mit ausgestreckten Beinen beim Landen gezeigt. Das Ziel der Vögel stellt eine offene Stelle in der sonst geschlossenen Schneedecke dar, ein gelb-brauner Fleck, aus dem von kleineren Spritzern umgebene Gräser emporstechen. Eine genaue Bestimmung dieser Kerbe ist aufgrund der undefinierten Umrisse und changierender Farben kaum möglich. Die Färbung und die organische Form des kleinen dunklen Flecks in der fast monochromen Schneeschicht rufen jedoch die Assoziation einer verwesenden Beute hervor. Der Umstand, dass es sich bei Raben um Aasfresser handelt, unterstützt diese Annahme. Über dem Spalt im Schnee und den sich tummelnden Rabenvögeln reckt sich ein eingeschneiter Baum mit kahlen Ästen empor. Die Rinde des Baumes sowie kleinste Verästelungen, gekappte Astpartien und Stammteile sind klar konturiert. Die Krone erstreckt sich vom unteren Bildteil bis in den oberen Bereich hinein, reicht bis an die Mittelachse der Bildfläche heran und schließlich über die rechte Bildkante hinaus. Dahinter ragt eine felsige Mauer aus der Schneedecke empor. Im Mittel- und Hintergrund angeordnete Häuser, Bäume und Felder sind durch die Äste hindurch erkennbar. Angrenzend an den Vordergrund ist die Ansicht auf das Dorf gezeigt, das sich in Form von Gebäuden, Gärten und der Straße an den Abhang schmiegt. Eine verschneite Straße mit Kurve sowie die daran angrenzenden Häuserfassaden stellen den Übergang vom Vorder- in den Mittelgrund dar. Die Straße ist nur partiell sichtbar, sie verläuft zwischen den Häusern durch die Ortschaft und mündet in die Landschaft, wo sie am äußeren Bildmittelgrund die Grenze zum Hintergrund bildet. Neun gelbe, rotbraune oder dunkelbraune Backstein-, Naturstein- sowie Holz- und Fachwerkhäuser säumen die Straße. Ihre Dächer sind gänzlich schneebedeckt und mit Eiszapfen geziert. Die Fassaden sind so deutlich ausmodelliert, sodass selbst die Beschaffenheit von verwendeten Baumaterialien, Backsteinformationen, Fenstersimse und Fensterläden erkennbar sind. An den Dächern sind Details wie Schornsteine, aufeinandergelagerte Schneeschichten oder Giebelschatten unter den Firsten sichtbar. Verschiedene Bildgegenstände verweisen auf die Anwesenheit

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von Menschen. Es stehen Schuppen in den schneebedeckten Gärten, Leitern lehnen an Dächern, Holzfuder, Baumaterialien, Räder, Zäune und Strohballen sind abgebildet und vor einer Scheune verstreutes Stroh nährt die ansässigen Spatzen. Alle Tore, Türen und Fenster der Häuser sind hingegen verschlossen oder abgedunkelt. Auch steigt kein Rauch aus den Schornsteinen auf. Menschen sind zunächst nicht erkennbar. Dadurch wird den Betrachtenden zunächst der Anblick eines winterlichen, jedoch unbelebten Dorfes suggeriert. Bei eingehender Betrachtung des Mittelgrundes ist allerdings eine Figurenstaffage im Ortszentrum erkennbar. Es handelt sich um drei schemenhaft wirkende, kaum erkennbare Figuren. Eine Gestalt ist mit dem Entfachen eines Feuers befasst, die zweite ist einen Fuhrkarren mit Rindergespann begleitend dargestellt. Eine dritte Figur ist mit einem Gehstock ausgestattet und lediglich als hellgraue Silhouette im Hintergrund des Karrens erkennbar. Die Position der Figuren und die in die Landschaft übergehende Straße im Bild stellen die Übergangsebene zwischen Bildmittel- und Hintergrund dar. Diese Grenze wird zudem durch die abgetönten und zunehmend diffuser erscheinenden Farben hervorgehoben. Der Hintergrund ist bestimmt durch eine hügelige, zur rechten Bildhälfte aufstrebende Landschaft, die durch verschneite Felder sowie Laub- und Nadelbäume gekennzeichnet ist. Ein signifikantes Merkmal der Landschaft ist die winterliche, dunstig wirkende Atmosphäre. Sie findet in der gelb-grau-braun changierenden Darstellung des Himmels ihre Fortführung. Otto Dix verwendete in seinem Gemälde mit winterlicher Landschaft eine Mischtechnik bestehend aus Öl- und Temperafarben mit lasierendem Duktus auf Hartfaserplatte. Die primären Farben sind Braun-, Gelb-, gedeckte Rot- sowie Grüntöne, wobei die Farben nicht gesättigt sind, sondern überwiegend mit der Beimischung von Schwarz, Weiß oder Grau abgetönt wurden. Vom Vorder- über den Mittel- bis hin zum Hintergrund wirken die Sättigung und die Intensität der Farben aufgrund der Vergrauung zunehmend getrübt und erscheinen in der räumlichen Tiefe zunehmend blasser. Insbesondere in Verbindung mit der lasierenden Technik erscheint die Vergrauung sehr intensiv, da ein übergreifender, warmer Grundton die Farbtemperatur der Bildelemente prägt. Mittel- und Hintergrund sind daher bestimmt durch den einheitlichen Grundton, die Untermalung und die halbdeckende Lasur, wodurch ein matter Schleier über der Landschaft suggeriert wird. Fließende Übergänge dominieren hier den Bildraum und relativieren die Intensität der Hell-Dunkel-Kontraste. Auch das natürliche indirekte Licht – motivisch hervorgerufen durch das neblige Milieu und technisch visualisiert durch die gedeckten Farben – erzeugt eine Abschwächung der Farbintensität und mindert bestehende Farbkontraste. Farbperspektivisch bestimmt folglich ein übersteigertes sfumato die Bildgründe und gewährt damit lediglich eine begrenzte Fernsicht in die Landschaft. Neben dem perspektivischen Aspekt der Weite im Bild werden auf



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diese Weise auch die vorherrschenden klimatischen Umstände zum Ausdruck gebracht. Die wirksamsten Farbkontraste sind im Vordergrund durch das Wechselspiel vom Weiß des schneebedeckten Hanges und dem Schwarz des Rabengefieders in Verbindung mit dem warmen Braun und Gelb der angrenzenden Häuserfassaden enthalten. Zudem sind mit dem Orange-Rot der Ziegelwand und der grünen Tür des vorderen Hauses komplementäre Farbkontraste gegeben, die aufgrund der Abtönung jedoch keine starke Wirkung erzeugen. Ein orange-rot gefächertes Buschwerk säumt darüber hinaus die Straße durch das Dorf. Das Feuer im hinteren Bildmittelgrund wird farblich und formal durch diese Büsche und ebenso durch Baumkronen im Mittelgrund aufgegriffen. Aufgrund des dezent ausgeprägten Hell-Dunkel-Kontrastes in den Bildelementen ist trotz der Detailgebundenheit keine gesteigerte Plastizität gegeben. Lediglich die Schattierungen im Gefieder der Vögel, in der Rinde des Baumes und der Häuserfassaden weisen eine latent plastische Wirkung auf. Aufgrund der starken Trübung durch die Lasur erscheint diese jedoch gemäßigt. Des Weiteren treten die Bildelemente aufgrund der ihnen immanenten zeichnerische Malweise und ihrer Größe vor den vergleichsweise malerisch gestalteten kleinformatigen Hintergrundmotiven hervor. Durch den optischen Mangel an Plastizität ist in stilistischer Hinsicht eine volkstümliche Tendenz im realistischen Sinne enthalten. Im Hinblick auf die Forderung nach »Volkstümlichkeit« in der Kunst seitens der Nationalsozialisten, erscheint Dix’ Auswahl der Motive hier zunächst nicht explizit kritisch.54 Zwischen dem schneebedeckten Abhang und den räumlich darunter angeordneten Gebäuden ist eine präzise Separierung der Ebenen vorherrschend. Dadurch wird die Schau über das Dorf und die Landschaft suggeriert und eine Beziehungslosigkeit zwischen den Bildebenen vermittelt. Die Binnengliederung der Bildgründe ist nicht fließend, sondern in Flächenfragmenten als Vorder-, Mittel-, Hintergrund und Himmel scherenschnittartig hintereinandergesetzt. Die bildimmanente Überblicksperspektive bildet den räumlichen Ausgangspunkt zur Gemälderezeption. Ausgehend vom erhöhten Betrachterstandpunkt wird der Blick steil auf die Gebäude des Dorfes gelenkt und perspektivisch frontal in die hügelige Landschaft geführt. Ungeachtet der Bildelemente sind jedoch weder ein konkretes Bildzentrum noch ein Fluchtpunkt aufgezeigt. Die Tatsache, dass kein zentraler Orientierungspunkt im Bild offeriert wird, beruht neben der Komposition von Farbe und Motiv auf dem axialen Richtungsverlauf respektive der Binnengliederung. Die kompositorische Ausrichtung der Bildelemente ist dezentral und erzeugt eine optische Grenze zwischen dem Abhang im Vordergrund und der dahinter liegenden Straße.

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Bedingt durch die perspektivische Überschau und die Fragmentierung und hintereinander gestaffelten Bildfragmente wirkt der formale Bildaufbau unruhig und der Fokus variiert angesichts der dynamischen, disharmonisch-unausgewogenen Achsenverteilung zwischen der linken und der rechten Bildseite. Exemplarisch zeigt sich dies im Mittelgrund anhand der diametral verlaufenden Primärachse, die durch den Straßenverlauf und die aneinandergereihten Dachfirste gebildet wird. Wiederum in entgegengesetzter Richtung verläuft ein kurzer Straßenabschnitt als kurze Achse, auf welcher der Rinderkarren gezeigt ist. Bei der Komposition der Blickachsen handelt es sich demzufolge um eine Zackenformation, die ein müheloses Lesen des Bildes verhindert. Schließlich ist weder eine präzise Horizontale noch eine eindeutige Vertikale als Hauptachse in der Gemäldekomposition erkennbar. Auf den Einsatz rechter Winkel wurde gänzlich verzichtet, wodurch den Betrachtenden eine instabile Bildsituation unter Auslassung eines kompositorischen Gleichgewichtes vorgeführt wird. Dieser Aspekt findet seine Entsprechung in der motivischen Dezentralität, da auch anhand der Bildelemente kein zentrales Thema oder konkretes Narrativ verhandelt wird. So erscheint auch der thematische Schwerpunkt des Gemäldes nicht definierbar. Die Betrachtenden werden dazu verleitet, in jedem Malgrund Bildelemente als zentrale Fixpunkte in Erwägung zu ziehen und verbleiben dabei ziel- und ergebnislos. Das Verhältnis der einzelnen Bildteile zum Ganzen ist durch die zuvor benannten stilistischen Faktoren der Perspektive, Farbigkeit und Größe bestimmt. Dabei ist der räumliche Einstieg durch den mit Schnee bedeckten Baum auf dem Hügel und die im Flug dargestellten Vögel gegeben. Als Repoussoir steigert dieses raumgreifende Motiv den Tiefeneindruck im Bild. Der Baumstamm ist vertikal in drei Partien gegliedert und das vordere Glied ist in halber Stammhöhe gefällt, sodass die schneebedeckte Schnittstelle wie eine Wunde offengelegt ist. Zusätzlich ist ein mächtiger Ast wie abgehackt gekappt und die dunkle Schnittstelle zeigt abweisend zur rechten Bildkante. Die dunklen Äste wirken in der fahlen winterlichen Atmosphäre nackt und wie überlange Gliedmaßen, deren Bewegungsverläufe schonungslos überstreckt wiedergegeben sind. Daher erscheinen die weitreichenden Verästelungen destabilisierend und mit morbider Disposition. Des Weiteren strebt ein großer Ast inmitten der Baumkrone empor, ohne an den Stamm angegliedert zu sein. Dieser Sachverhalt ruft eine surreale Wirkung des Baumes hervor, dessen Erscheinungsbild aufgrund der unruhige Achsenverläufe geprägt ist. Die Elemente des Vordergrundes wirken demzufolge abweisend auf die Betrachtenden und verwehren es – etwa durch die zum rechten Bildrand weisende Ast-Schnittstelle – optisch am Bildinhalt teilzuhaben. Auch die Wunde am Stamm und die organisch anmutende Blessur der Schneefläche rufen ambige Assoziationen hervor. Auf subtile Weise wird die Funktion des



Rezeption von Pieter Bruegels Gemälde »Die Jäger im Schnee« (1565) _ 301

Repoussoirs als tradiertem Stilmittel zum Zweck der Einbindung der Rezipierenden infrage gestellt. Seine Wirkung ist in Dix’ Gemälde nicht auf eine Integration der Rezipierenden ausgerichtet, die Zurschaustellung des gefällten Stammelementes und des gekappten Astes wirken vielmehr wie ein warnender Hinweis. Diesen Effekt unterstreichen auch die Elemente der im Schnee klaffenden Wunde und der symbolisch-metaphorisch aufgeladenen Raben. Sie verkörpern im Sinne der romantischen Vanitassymbolik Tod und Vergänglichkeit, wodurch auch die von den Vögeln anvisierte Kerbe im Schnee eine vom Zerfall gekennzeichnete Konnotation erhält.55 Durch die undefinierbare, organisch anmutende Furche im Schnee wird zudem das Motiv der Verletzungen des Baumes aufgegriffen.

rezeption von pieter bruegels gemälde die jäger im schnee (1565) In Anbetracht der stilistischen und kompositorischen Maßstäbe in Dix’ Malerei treten notwendigerweise kunsthistorische Vorbilder in den Fokus. Die Motivwahl, die stilistische Ausarbeitung und insbesondere die Malweise visualisieren Dix’ Orientierung an Alten Meistern wie Pieter Bruegel d. Ä., der als primäre Referenz für Dix’ Landschaftsgemälde randegg im schnee mit raben gilt.56 Das Werk Pieter Bruegels war Otto Dix gut bekannt, darauf lassen die Bruegel-Monografie von Gustav Glück in seiner Bibliothek und persönliche Notate ebenso schließen wie sein Besuch des Museo Nazionale di Capodimonte in Neapel 1925, bei dem Dix’ Aufmerksamkeit insbesondere dem Werk Bruegels galt.57 Gestaltungsspezifische Parallelen zu Dix’ Gemälde bestehen etwa in Bruegels Überschaulandschaften mit erhöhtem Vordergrund, dem Blick über das Dorf und in die weite Landschaft. Ferner sind es maltechnische und kompositorische Elemente, welche die Anlehnung an ein spezifisches Gemälde erkennbar machen: die jäger im schnee von 1565 (Abb.  64). Das Gemälde ist in Öl auf Eichenholz gemalt, beträgt in den Maßen 117 × 162 cm, ist rückseitig signiert und in römischen Ziffern auf das Jahr 1565 datiert.58 Es ist Teil eines Zyklus von fünf Jahreszeitendarstellungen, wobei die Anzahl nicht gesichert und die Reihenfolge der Bilder nicht eindeutig geklärt ist.59 So wird das Winterbild entweder als Darstellung des Jahresanfangs oder -endes eingeordnet. Gezeigt ist eine winterliche Landschaft, in die die Betrachtenden hinabschauen. Vom vorderen Bildrand zur Bildmitte hinstrebend sind drei dunkel gekleidete Jäger in Rückenansicht zu sehen, die von hochgewachsenen Bäumen gesäumt werden. Vom linken Bildrand sind Backsteinhäuser in den Hintergrund fluchtend angeordnet. Drei weitere Dörfer sind im äußeren Mittelgrund und im Hintergrund des Bildes erkennbar. Auch am rechten Bildrand, im Mittelgrund des Gemäldes, sind steinerne

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Architekturen erkennbar, neben Häusern eine Brücke und eine Wassermühle. Die linke Bildseite ist im Mittelgrund von einem See und einem fließenden Gewässer dominiert und im Hintergrund bestimmen die steilen Felsen eines Gebirges das Bild. Zudem zählen Menschen, Tiere, Bäume, ein sich in den Hintergrund schlängelnder Flusslauf sowie die teils flächige, teils gebirgige Landschaft zum motivischen Bildrepertoire. Es handelt sich bei der Landschaftsszene um eine Mischlandschaft, deren Verortung nicht geklärt ist. Das Rhônetal und der Genfer See, oder aber die Gegend um Innsbruck sowie die niederländischen Ebenen und fantastische Landschaften wurden als mögliche Lokalisierungsvarianten vorgeschlagen, jedoch wurde keines der landschaftlichen Mischmodelle eindeutig bestätigt. Auch hier findet die entscheidende Handlung im vorderen Bildteil statt. Wie im Titel angekündigt, handelt es sich um Jäger, die – gekennzeichnet durch ihre Jagdausrüstung wie Spieß, Fangeisen und Beutel sowie die Jagdhunde unterschiedlicher Rassen und einen erbeuteten Fuchs – durch den Schnee stapfen. Am linken Bildrand sind ein Mann und eine Frau gezeigt, die vor dem Haus ein Feuer schüren, ein Kind steht dabei, eine Frau tritt mit einer geschulterten Garbe aus der Tür und ein weiterer Mann trägt einen Tisch entlang der Szene. Bei ihm handelt es sich um die einzige Figur im Bild, deren Gesicht dem Betrachter zugewandt ist. Durch ein schräg herabhängendes Schild mit der Aufschrift »Dit is In den Hert«, zu deutsch »Zum Hirsch«, ist das Haus als Wirtshaus erkennbar. Herold beschreibt zudem die bildliche Szene auf dem Wirtshausschild als Darstellung der Hubertus- und Eustachius-Szene, also als Szene zweier Jagdpatrone. Von diesem Wirtshaus ausgehend ist die Landschaft perspektivisch in Form eines Hanges, auf dem Wohnhäuser aneinandergereiht angeordnet sind, abfallend. Auf diese Weise werden Vorder-, Mittel- und Hintergrund miteinander verwoben, wenngleich aufgrund der scherenschnittartigen Isolierung des Vordergrundes und der räumlichen Staffelung eine optische Disparität der Gründe vorherrschend ist, die auch in Dix’ Gemälde erkennbar ist. Auch im Mittelgrund sind Menschen bei der Arbeit oder beim Vergnügen respektive bei sportlichen Aktivitäten dargestellt. So trägt eine weibliche Figur ein Reisigbündel von der rechten Bildseite über eine Brücke zur linken hinüber. In der unmittelbar an den Vordergrund angrenzenden, tiefer gelegenen Ebene sind zwei weitere Frauen auf dem Eis abgebildet, wobei die eine die andere auf einem Schlitten zieht. Ein Armbrustschütze ist links von beiden Frauen gezeigt, der Jagd auf die schwarzen Vögel in den Baumkronen macht. Im äußeren Bildmittelgrund sind Menschen als dunkle Silhouetten dargestellt, die Schlittschuh laufen und dabei stürzen, einander auf dem Schlitten ziehen, Eisstockschießen oder Bandy – ein Vorläufer des heutigen Eishockeys – spielen. Dass Schlittschuhlaufen, Eisstockschießen und gemeinhin winterliche Aktivitäten zum festen Motivrepertoire Bruegels zählen, belegt sein Gemälde winterlandschaft mit eisläufern und vogelfalle von 1565, in dem der Fokus auf Figuren bei der winterlichen Frei-



Rezeption von Pieter Bruegels Gemälde »Die Jäger im Schnee« (1565) _ 303

zeitbeschäftigung liegt. Eine vergleichbare Situation zeigt darüber hinaus Hendrick Averkamp (1585–1634), womit die Popularität des Sujets in den Niederlanden des 16. und 17. Jahrhunderts deutlich wird. Im Gemälde die jäger im schnee ist links neben dem See ein Rinderkarren gezeigt, der von einem Menschen begleitet wird. Im hinteren Bildmittelgrund liegt ein Dorf mit Kirche. In einem Hof links hinter der Kirche hat sich ein Unglück ereignet. Ein Kaminbrand ist entfacht und Feuer steigt aus dem Kamin auf. Zwar sind die Menschen in dieser Ebene lediglich schemenhaft dargestellt, es ist jedoch erkennbar, dass sie mit dem Löschen beschäftigt sind.60 Bruegels Komposition ist im linken Bildteil durch das Wirtshaus und die Szene des Feuerschürens davor sowie die rhythmisierten Vertikalachsen der aufstrebenden Bäume gerahmt. Im rechten Bildteil stellt der spitz emporragende Gebirgszug die Begrenzung dar. Somit ist der linken Bildseite eine Nahsicht und der rechten eine Fernsicht immanent, sodass der Blick der Betrachtenden über die mannigfaltige Detailhaftigkeit im weitläufigen Mittelgrund und darin über Bäume, Wege und Flussläufe zum Gebirge geleitet wird.61 Nähe und Weite sind für die Betrachtenden überdeutlich wahrnehmbar und steigern die perspektivische Schau über die Landschaft. Dieses Changieren zwischen Nähe und Distanz kehrt in Dix’ Gemäldekomposition wieder, ebenso wie der Fokus auf dem Baummotiv. Ihm kommt im Kontext von Bruegels Œuvre eine gesonderte Eigenschaft zu, indem die Bäume als kompositorische Elemente den Bildraum rhythmisieren und strukturieren.62 Im Gemälde die jäger im schnee bilden sie eine vertikale Achse und trennen rahmend den Vordergrund von den übrigen Bildgründen. Dennoch geleiten sie den Betrachter im Gegensatz zu Dix’ Baummotiv in das Bild hinein. Da die vertikal emporsteigenden Bäume des Vordergrundes über das Bildfeld hinausstreben, sind die Kronen am oberen Bildrand gekappt. Somit entsteht ein kompositorischer Höhensog im Bild und damit ein axiales Pendant zur flachen Landschaft im Bildmittel- und Hintergrund. Die bildimmanente Bewegungsrichtung ist durch die diagonal ins Bild strebenden Jäger und die Anordnung der fluchtenden Häuserreihe gegeben, wodurch eine gesteigerte Tiefenwirkung des Dargestellten entsteht.63 Die räumliche Wirkung entfaltet sich zudem durch Überschneidungen und Größenkontraste. Eine klare Einteilung der Bildgründe und eine offene Sicht in die weite Landschaft erzeugen eine erfahrbare Raumsituation, wenngleich den Rezipierenden durch die perspektivische Schau über die Landschaft und durch den räumlichen Abstand zu den Bildelementen eine distanzierte Position im Bildgefüge zugeschrieben wird. Dix überspitzt diese durch Überschneidungen erzeugte Raumgestaltung hingegen in seiner Darstellung, indem er die Bildelemente ineinander verschachtelt und den Betrachtenden somit den Zugang zum Bild versperrt. Das Gebüsch an der vorderen Bildkante und die drei Jäger in der Rückenansicht dienen im Gemälde die jäger im schnee als

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Repoussoir-Element, das den Rezipierenden den optischen Einstieg ins Bild ermöglicht. Zudem wendet der Mann mit dem Tisch vor dem Wirtshaus dem Betrachter sein Gesicht zu, sodass ein Gegenüber suggeriert und der Betrachter dadurch in die Szene eingebunden wird.64 Der Übergang vom Vorder- in den Mittelgrund erscheint bei Bruegel ebenso wie bei Dix steil abfallend, sodass keine offensichtliche Verbindung zwischen beiden Bildgründen ersichtlich ist.65 Im Gegensatz zu dessen abweisend wirkender Landschaft erzeugen die hintereinander gereihten Jäger aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe und der zunehmenden Verjüngung einen perspektivischen Sog im Bild, wodurch der schneebedeckte Abhang entgegen der flächigen Darstellung eine plastische Wirkung erhält. Darüber hinaus wird durch die figurale Staffage, die Farbigkeit und die motivische Darstellung in allen Ebenen ein Zusammenhang der Bildgründe hergestellt. Beispielsweise kehren die spitz zulaufenden Dachgiebel formal in der Gebirgsformation des Hintergrundes wieder. Zudem sind die Seen im Mittelgrund in ihrem Tonwert vergleichbar mit der Farbigkeit des Himmels. Auf diese Weise sind verschiedene Farb- wie Formwiederholungen im Bild gegenwärtig, die über die fluchtende Landschaft hinaus eine Einheit der Bildgründe vermitteln. Simultan zur weit in den Hintergrund fluchtenden, auf die Wiedergabe einer natürlichen Atmosphäre hin ausgerichteten Landschaft ist der inhaltliche Bildfokus deutlich am Menschen und seinen Lebensbereichen orientiert. Im Vordergrund lassen insbesondere die drei Protagonisten mit der Jagdbeute auf den Menschen als thematischen Schwerpunkt schließen. Zudem zeigen die am Feuer arbeitenden Menschen vor dem Wirtshaus eine Bevölkerung, in der die Arbeit grundlegend zum Lebensunterhalt beiträgt. Einen wichtigen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens stellt folglich insbesondere die handwerkliche Arbeit dar. Die vereiste Wassermühle am unteren Gewässer, die Architektur der Dörfer inklusive der Häuser, Höfe und Kirchen sowie der Karren mit Rindergespann bilden den immer wiederkehrenden zivilisatorischen Fokus in der Landschaft. Auch die von den Menschen mitgeführten Arbeits- und Freizeitutensilien sind handwerklich hergestellte Produkte, die jeweils eine bestimmte Funktion erfüllen. Neben der Arbeit als Lebensmittelpunkt und den damit einhergehenden Nöten bedeutet jedoch das winterliche Treiben auf dem Eis das Ausleben einer Freizeitkultur, die ebenso zum festen Bestand der dörflichen Gesellschaft und Lebenskultur zählt. Dass eine menschliche Staffage bei der Freizeitbeschäftigung in der Landschaft dargestellt ist – wie im Fall des Gemäldes schlittschuhläufer auf dem bodensee von 1941 gegeben –, ist in Dix’ landschaftlichem Werk zwischen 1933 und 1945 eine Besonderheit. Der scheinbar narrative Charakter des Gemäldes ­randegg im schnee mit raben suggeriert hingegen eine gegensätzliche Situation, da das Bild-



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personal nicht sichtbar dargestellt ist. Dem Publikum wird zwar eine Dorfsituation eröffnet, ihr ist jedoch kein offensichtlich erkennbares menschliches Leben immanent. Der narrative Impetus basiert lediglich auf der Szene im Vordergrund mit Raben, Baum und Beute im Schnee. Indem Dix das menschenleer erscheinende Dorf darstellt, wird eine signifikante, unbehagliche Situation erzeugt. Den Betrachtenden kommt dabei eine spezifische Position zu. Sie erfahren bei der Betrachtung des Gemäldes ein Gefühl des Unbehagens, das unter dem Aspekt der Ambiguität weiterführend erläutert wird. Auf diese Weise wird die »persönlich-menschliche Anteilnahme« schließlich auf Seiten des Rezipierenden hervorgerufen.66 Dix verwendete eine Temperauntermalung mit Weißhöhung auf getöntem Grund, auf die er lasierende oder halbdeckende Holzölfarben auftrug. Diese Vorgehensweise ist, wie vormals beschrieben, an die techniken alter meister nach Max Doerner angelehnt.67 Bruegels Malweise erscheint aufgrund der Lasurtechnik und der vergleichbaren Farbwerte als signifikantes Vergleichsbeispiel. Die lasierende Öl-Maltechnik auf Holztafeln wurde von beiden Malern angewandt. Dem Gemälde randegg im schnee mit raben ist aufgrund der Lasur ein warmer Grundton immanent, der auch in Bruegels Gemälde die jäger im schnee mit mäßigender Wirkung erkennbar ist, sodass bestehende Farbkontraste gedämpft erscheinen. Zudem ist in beiden Bildern ein sfumato vorherrschend, das die bestehenden Farbwerte in den Bildgründen aufgrund der farblichen Abtönung zunehmend vergraut und darüber hinaus die Horizontlinie mit dem Farbwert des Himmels changieren lässt. Es besteht in beiden Gemälden schließlich ein Qualitätskontrast zwischen dem Vordergrund und den weiteren Bildebenen. Die Sättigung der Farben ist im Vordergrund hoch und wird durch die Vergrauung im Mittel- und Hintergrund kontinuierlich gemildert. Bruegels wie auch Dix’ Motive weisen mit Ausnahme vereinzelter Bildelemente keine gesteigerte Plastizität auf, sondern sind vielmehr flächig und klar konturiert dargestellt. Wie in der Bildbeschreibung angedeutet, ist das von Dix gewählte Kolorit zudem in den vorderen Bildebenen durch eine annähernde Lokalfarbigkeit geprägt. Die Raben, der Baum und auch die Häuser weisen zwar leichte Schattierungen auf, insbesondere die übergreifende Schneedecke unterstreicht jedoch die Intensität der Farbe an sich und steigert somit den Eindruck eines Lokalkolorits. Sowohl in den Darstellungen der mitteleuropäischen Renaissance als auch in Dix’ Gemälden stellen genrehafte Elemente wie die Raben oder der Fuhrwagen wiederkehrende Motive dar, wie etwa das Gemälde erntewagen und kornernte mit aufziehendem gewitter.68 In Hinsicht auf die Binnengliederung treten sowohl Gegensätze als auch Übereinstimmungen zwischen Bruegel als Vorbild und Otto Dix’ Landschaftsrezeption zutage. Der primäre kompositorische Gegensatz zu Bruegels Landschaftsdarstellung mit dörflichem Arrangement besteht darin, dass der Blick der Betrachtenden in

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randegg im schnee mit raben nicht zielgerichtet durch das Dorf und die Landschaft geleitet, sondern durch die en face oder im Profil gezeigten, ineinander verschachtelten Häuser und die unruhigen Achsenverläufe im Bild versperrt wird. Auch in Bruegels Bildkomposition sind mannigfaltige Achsenverläufe gegeben, allerdings wirken horizontale und vertikale Primärachsen sowie die fluchtende Fernsicht relativierend auf das dynamisch axiale Arrangement im Mittelgrund. Die perspektivische Staffelung der Bildgründe im Gemälde randegg im schnee mit raben ist an den von Bruegel postulierten Bildaufbau angelehnt. In Dix’ wie auch Bruegels Gemälde ist eine Überschauperspektive gegeben, die dem Betrachter zugleich eine detaillierte Vordergrundszene zeigt und den Blick über das gestaucht wirkende Dorf frontal in die Landschaft führt. Dix’ Bezugnahme auf Bruegels Malerei zeigt sich besonders an der jeweils narrativ anmutenden Vordergrundszene der Gemälde. Der Vordergrund ist sowohl bei Dix als auch bei Bruegel aufgrund der kompositorischen und inhaltlichen Signifikanz dominant. In Bruegels Darstellung bilden die Jäger, die Bäume und der Brombeerbusch das Repoussoir. Ebenso wie bei Bruegel wird in Dix’ Darstellung durch den Baum und die Raben eine gesteigerte Tiefenwirkung im Bild erzeugt, die durch die perspektivische Überschau intensiviert wird. Die Komposition und die Gestaltung des Repoussoirs stellen die tradierten kompositorischen Normen jedoch in Frage. Es ist keine figürliche Staffage sichtbar. Anstelle der Menschen treten die schwarzen Vögel, die in Bruegels Gemälde lediglich als nebensächliche Motive fungieren, als Protagonisten in Dix’ Gemälde auf. Die geringe Größe der abgebildeten Menschen im äußersten Mittelgrund verweist ferner demonstrativ auf ihre eingeschränkte Relevanz im Bildkontext. Die Raben wirken in Leserichtung als einleitende Bildelemente. Da die Vögel raumgreifend und chaotisch im Bild angeordnet sind, steht ihre Funktion als Stabilität vermittelndes, einleitendes Motiv jedoch infrage. Sie wirken aufgrund der heterogenen Anordnung als zerstreute Fragmente, sodass der gezielte Einstieg und das Lesen des Bildes erschwert werden. Der Baum als vermeintlich konstantes Element des Repoussoirs ist entgegen der Leserichtung am rechten Bildrand angeordnet. Sein gewundener Stamm, die Darstellung der abgehackten Äste, das Gewirr der feinen Verästelungen und der inmitten des Baumes ohne Anbindung an den Stamm eingefügte Ast erzeugen eine marode sowie surreale Wirkung. Der Ambiguitäts-Aspekt erscheint hier von besonderer Bedeutung. So wirken die Vordergrundmotive im Verhältnis zu den dahinter angeordneten Bildteilen monumental, während die Hintergrundmotive unbedeutend klein erscheinen. Der Baum und die sieben Vögel sind alle Bildebenen überdeckend komponiert, sodass etwa die menschliche Staffage bei Dix im Verhältnis marginal erscheint. Wenngleich die Vögel über die Bildfläche verstreut sind, so ist das Raumvolumen des Vordergrundes durch ihre raumgreifende Wirkung dennoch



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erheblich. Zudem implizieren sie die einzige Bewegung im Bild. Dennoch wirken die dynamisch angeordneten Raben sowie die raumgreifenden Verästelungen der Baumkrone weder unmittelbar noch spannungsgeladen, sondern vielmehr erstarrt. Wenngleich ein konkretes Narrativ durch das Raben- und Baummotiv hier nicht gegeben ist, signalisieren ihre Anordnungen im Bild, die filigrane Ausgestaltung und die annähernde Momenthaftigkeit, in der die Vordergrundmotive dargestellt sind, einen kompositorischen Schwerpunkt und Fokus. So lässt die Szene lediglich einen metaphorischen Hintergrund erahnen und beinhaltet kein konkretes Thema. Auch im Gemälde hohentwiel mit hohenkrähen von 1933 bildet Dix Rabenvögel ab, die rings um einen Baum versammelt sind, sich im Flug befinden oder bereits im Landeanflug auf einen Punkt auf der Wiese sind (Abb. 1). Wenngleich im Moment der Bewegung dargestellt, ist ihre Erscheinung auch in diesem Bildbeispiel weder unmittelbar noch spannungsgeladen. Sie erscheinen ebenso erstarrt wie die übrigen Bildelemente. Dennoch kommt ihnen im Zusammenhang mit dem zentral angeordneten Baummotiv eine gesonderte Relevanz zu. Die negativ konnotierte, kulturell wie narrativ aufgeladene Symbolik des Raben als Sinnbild des Lasters, der tristia, als Unheilverkünder und Todesbote beruht auf seiner Eigenschaft als Aasfresser, der schwarzen Farbe seines Federkleids, seiner krächzenden Stimme und etwa der biblischen Anknüpfung an Noahs Aussendung.69 Die Vögel sind im Vanitas-Zusammenhang mit der Verkörperung von Vergänglichkeit und Tod konnotiert. Sie stehen damit im motivischen Kontext der Darstellungs- und Wirkungsweise des Baumes. Beide Motive – Raben und Baum – sind nahezu identisch in den Gemälden hohentwiel mit hohenkrähen und randegg im schnee 1935 abgebildet, in dem sie einen metaphorischen, auf symbolische Narration verweisenden Charakter haben und bildbestimmende Elemente sind.70 Anhand der Zeichnungen krähen von 1933, 1934 und 1935 wird Dix’ gestalterische Auseinandersetzung mit dem Motiv deutlich.71 Darin erfasst er sowohl den physiologischen Detailreichtum der Tiere als auch ihre Bewegungsweisen in Kompositionsskizzen. Sie sind in den Fassungen der Jahre 1933 und 1934 in den Landschaftszusammenhang eingefügt, wobei auch hier das Baummotiv als Bezugspunkt der Vögel eingebunden ist. Signifikant erscheint, dass im Gemälde von 1933 der Anflug und das Aufpicken die zentralen Handlungsmomente sind, die sich im Detail im Gemälde randegg im schnee wiederfinden. Die Silberstiftzeichnung von 1934 zeigt den Abflug aus dem Baum und die Gruppendynamik, wie sie sowohl in randegg im schnee als auch in hohentwiel mit hohenkrähen abgebildet sind. Dass Dix seine Söhne als Raben Hugin und Munin bezeichnete, wie aus einem Brief an Tochter Nelly 1938 hervorgeht, sei nur als Randnotiz erwähnt.72 Hieran wird trotzdem deutlich, dass im Verständnis des

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Malers ein alltäglicher Umgang mit mythologischen Zuschreibungen – wie hier am Vogelbeispiel gegeben – präsent war. Titulierte er seine Söhne als die Raben Odins und somit nach der nordischen Mythologie und belegte sie so mit einer semantischen Konnotation als dessen Gefährten (wobei hier eine Selbstreferenz zu vermuten ist), ist eine ikonografische Lesart der Rabenvögel im Motivrepertoire der Landschaftsmalereien umso naheliegender. Über die familiäre Bezugnahme widmet sich Dix mit der germanischen Mythologie einem Feld, das einen Trend in der Zeit des Nationalsozialismus darstellt. Über die Rezeption »altdeutscher« Stile und Malweisen hinaus transportiert der Maler folglich auch inhaltliche Themen, die ihre Entsprechung in der nationalsozialistischen »völkischen« Ideologie fanden. Über die motivisch bedingten Narrative hinaus bilden stimmungsprägende Faktoren wiederkehrende Elemente in Dix’ Landschaftsdarstellungen dieser Zeit. Wie sie konstituiert sind und welche Einflüsse am Beispiel des Gemäldes randegg im schnee mit raben fruchtbar gemacht wurden, zeigt abermals der Vergleich mit Pieter Bruegels Arbeit. Die Wirkung der atmosphärischen Stimmung, die unter anderem durch meteorologische Erscheinungen erzeugt wird, ist ein wichtiger Aspekt in Dix’ wie auch in Bruegels Landschaftsdarstellungen. Der niederländische Jahreszeitenzyklus ist aufgrund der dargestellten klimatischen Veränderungen sowie verschiedener Wetterverhältnisse wie Bewölkung, Regen, Gewitter, Sturm oder Sonnenschein ein signifikantes Beispiel wechselnder Lichtverhältnisse sowie der damit einhergehenden Vegetationssituation, hervorgerufen durch die klimatischen Bedingungen.73 So ist der Winterlandschaft im Gemälde die jäger im schnee eine authentische Diffusität immanent, die auf eine kühle Atmosphäre vor dem erneuten Schneeeinfall schließen lässt. Die Lasurtechnik verstärkt diesen Eindruck. Im Gemälde randegg im schnee mit raben wird den Betrachtenden eine vergleichbare klimatische Situation suggeriert, sodass aufgrund der diffusen Wetterverhältnisse kein Ende der dunklen Jahreszeit wahrnehmbar ist. Zudem ist trotz des temperiert wirkenden Lasurtons eine bedrückend kalte Stimmung im Bild vorherrschend, die jedoch nicht auf den klimatischen Verhältnissen beruht, sondern auf einen zivilisatorischen Anknüpfungspunkt verweist. Die Ursache für die in Dix’ Gemälde vorherrschende bedrückende Stimmung ist unklar. Die Stimmung wird neben den atmosphärischen Eigenschaften primär durch den metaphorischen Wert der Vordergrundszene widergespiegelt. Sowohl die wie abgehackt wirkenden Aststümpfe und die morbiden Verästelungen in der Baumkrone wie auch die Raben als narrativ geprägte Unheilbringer und die undefinierbare Stelle im Schnee sind Elemente einer Morbidität verkündenden Bildsprache.74 Das Milieu in Bruegels Darstellung beruht neben der winterlichen Atmosphäre insbesondere auf der Modellierung der menschlichen Staffage. Die Jäger gehen beispielsweise geduckt, in dunkler Bekleidung und mit wenig Beute durch den Schnee,



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sodass sowohl ihr Handwerk als auch ihre Mühsal gezielt zum Ausdruck gebracht wird. Die narrative Ebene ist für das Gemälde Pieter Bruegels d. Ä. daher ein grundlegender Bestandteil. Im Bild die jäger im schnee sind es eben die Wildschützen, die von der Jagd heimkehren und damit einen wichtigen Teil zum Lebensunterhalt der Gemeinschaft beitragen. Daneben ist es jedoch auch das Ausleben einer Freizeitkultur, das den menschlichen Alltag und das Leben in und von der Natur prägt. In Anbetracht des narrativen Aspekts der Jäger, die ihre Jagdbeute heimbringen, ist in Bruegels Darstellung motivisch wie auch inhaltlich eine volkskünstlerische Tendenz gegeben, die sich insbesondere in der wenig plastischen Malweise mit Lokalkolorit widerspiegelt.75 Dix gibt in Opposition zu Bruegel das Bestehen einer narrativen Situation im Vordergrund lediglich vor, obgleich sie kein thematisches Fundament beinhaltet. In der Motivkonstellation bleibt somit unklar, worum es sich bei der Beute handelt, aus welchem Grund sich die Vögel derart aufgebracht tummeln und welche Funktion dem Baum zukommt. Da die benannten Motive aufgrund ihrer dominanten Größe und raumgreifenden Erscheinung die zentralen Bildelemente sind und die ihnen zukommende Bedeutung im Bildkontext nicht geklärt ist, werden die Betrachtenden zunächst zu eigenständigen Interpretationen verleitet und schließlich gezielt über die inhaltliche Intention im Unklaren gelassen. Im Kontext mit den fehlenden menschlichen Protagonisten sowie der thematisch intransparenten, bedrohlich wirkenden Vordergrundszene wird auf diese Weise eine makabre Sterilität im Bild vermittelt.76 Insbesondere das nur schwer erkennbare Bildpersonal führt dazu, dass die Landschaft entrückt erscheint. In Anbetracht des Œuvres der zwanziger Jahre erscheint diese menschenleere Form der Darstellung merkwürdig. Dieser werkimmanente Aspekt, die kompositorische Zergliederung der Bildelemente wie auch die diffuse Atmosphäre und der narrative, symbolisch aufgeladene Gehalt der Motive verweisen auf eine scheinbar verschlüsselte Botschaft; das Bild avanciert zur Projektionsebene. Die Betrachter werden jedoch regelrecht vom Bildinhalt ferngehalten respektive durch die abweisenden und den Zugang zum Bild verwehrenden Vordergrundmotive auf den Platz vor dem Bild verwiesen. Im Verhältnis von Dix’ Bezug auf »alte, sofort verständliche Stoffe«77 stellt Bruegels Gemälde die jäger im schnee ein spezifisches Vergleichsmoment dar. Dem Bild sind weder mythologische noch religiöse Unklarheiten immanent, die das Lesen des Bildes erschweren. Den Betrachtenden ist es demzufolge möglich, sich an der Jahreszeit zu orientieren und die narrative Struktur insbesondere mittels der figuralen Staffage und ihrer unschwer erkennbaren Tätigkeiten zu erfassen.78 Irene Herold beschreibt die Darstellungsweise Bruegels: »In geradezu enzyklopädischer Fülle gibt der Künstler Einblick in das Alltagsleben seiner Zeit und visualisiert gleichzeitig den zeitgenössischen Topos von der ›verkehrten Welt‹.«79

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Zwar gibt Dix mit seinen von Agrarwirtschaft, Ortschaften oder Wegen geprägten Landschaftsdarstellungen ebenfalls Einblicke in eine Art Alltagsleben, allerdings intensiviert er den hier benannten Topos von der »verkehrten Welt« anhand der bildimmanenten Ambiguität. Eine in zahlreichen Landschaftsdarstellungen zu diagnostizierende Menschenleere, eindrucksvolle meteorologische Phänomene, übersteigerte Farb- und Raunkompositionen, das vielfach eingesetzte visuelle Spiel von Nähe und Distanz oder konkret auf Verfall und Vergänglichkeit verweisende Motive zählen zu den konstitutiven ambigen Elementen. Da die Jäger richtungsweisend in das Bild hineingehen und somit eine diagonale dynamische Komposition entsteht, wird dies mit dem Beginn des Jahreszyklus in Verbindung gebracht.80 Entgegen dieser Annahme handelt es sich nach Klaus Demus jedoch um ein ExodusMotiv, da die Jäger vor dem in die Ferne führenden Abgrund stehen, die Szene verlassen und damit eine Abschiedskonnotation gegeben ist.81 Dieser Annahme entspricht auch die Tatsache, dass die Betrachtenden am abrupt endenden Abhang nicht mehr weitergehen, sondern nur noch in die tiefliegende Landschaft blicken können.82 Es existieren verschiedene Auffassungen über die Rolle der Figuren in Bruegels Landschaftsdarstellungen der Jahreszeitenserie, die von der Marginalität des Menschen im Naturkontext über die Darstellung des Menschen im untergeordneten Verhältnis zur Natur bis hin zur humanistischen Betrachtungsweise reichen.83 Die Formulierung des Kunsthistorikers Justus Müller Hofstede zur späten Überschaulandschaft sieht die Rolle der menschlichen Figur im Naturkontext im Zusammenhang mit dem Rationalen: »[…] Bruegel [brachte] das Wiederspiel von vernünftiger, menschlicher Belebung und Größe der Natur in einen bildlichen Ausgleich […]. Was als genremäßiges, bedeutungsloses Auftreten der Bauern erscheint, was wie eine Auflösung der spezifischen ikonographischen Motive der Tradition wirkt, ist die neue Veranschaulichung der Welt in Tätigkeit und Muße. […]«84 Um Nutzen aus der Natur erzielen zu können, richten sich Menschen nach den Gegebenheiten der sich stets im Wandel befindenden Natur. Dieses Verständnis von Aneignung und Fruchtbarmachung geht aus den Jahreszeitenbildern Bruegels hervor. Dieser Gesichtspunkt ist grundlegend für den Jahreszeitenzyklus und somit auch für Bruegels Gemälde die jäger im schnee. Anhand der Darstellungen wird insbesondere ersichtlich, dass der Mensch in der Natur lebt. Durch die Nutzung natürlicher Rohstoffe wie Lehm für den Hausbau, Stroh und Holz zum Dämmen und Heizen sowie Tiere als Nahrungsmittel und Triebkräfte im landwirtschaftlichen Kontext ist zudem wahrzunehmen, dass Menschen ebenso von der Natur leben.



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Der Aspekt der Arbeit ist der wichtigste Bestandteil, der das Leben mit der Natur in der dörflichen Gemeinschaft ermöglicht. Bruegel bindet jedoch ebenso das Vergnügen im Sinne verschiedener winterlicher Aktivitäten ein und verweist somit auf einen humanistischen Aspekt im Sinne des Wohlergehens der Bevölkerung. Aus diesen Angaben geht bereits eine kulturpolitische Tendenz hervor. Der jahreszeitenzyklus basiert auf einer Weltanschauung, in welcher der christliche Glauben ebenso wie humanistisches Gedankengut und naturwissenschaftliches Interesse eine zentrale Rolle spielen.85 Wenngleich der Gemäldezyklus der jahreszeiten als Referenz der autonomen Landschaftsmalerei anerkannt ist, handelt es sich nicht um eine reine Landschaftsdarstellung.86 Darauf lassen insbesondere das Thema der Jagd, die figürliche Staffage und die im Bild gegenwärtige Zivilisation schließen. Hinzufügend zu den stilistischen Anknüpfungspunkten zum Menschen in der Natur ist auch der historische Aspekt der Jagd und die damit einhergehende gesellschaftliche Legitimation relevant. Im 16. Jahrhundert war es der adeligen Herrschaft vorbehalten, Jagd auf Wildschweine und Hirsche zu machen, worin auch die vorwiegende Thematik der zeitgenössischen Jagdabbildungen bestand. Den einfachen Bauern, wie Bruegel sie zeigt, oblag hingegen die Aufzucht der Jagdhunde für die Herren. Ferner war es ihnen gestattet, Jagd auf Niederwild, also auf Füchse, Hasen oder Vögel zu machen. In der Jagdhierarchie bestand daher ein Konfliktpotenzial, das sich im Süden Deutschlands zu Beginn des 16. Jahrhunderts anhand von Aufständen zeigte.87 Dieser Hierarchie zufolge sind die Jäger im Schnee aufgrund der mitgeführten Beute – eines Fuchses – als einfache Bauern zu identifizieren. An der Körperhaltung der Jäger ist die Mühsal ihrer Tätigkeit erkennbar und in diesem Kontext erscheint der erbeutete Fuchs als kleiner Fang, der in Anbetracht der klimatischen Bedingungen und der Anzahl der Jäger verschwindend gering ist. Herold konstatiert, dass diese Darstellung auf »Bruegels Einschätzung der menschlichen Existenz und Gesellschaft, […] der Schwere des Daseins und der Härte der sozialen Realität [schließen lässt]«.88 Die Jäger in ihrem Milieukontext zu zeigen, widerspricht einer Huldigung der Herrschaft und ist vielmehr Ausdruck einer die sozialen Verhältnisse kommentierenden und somit kritischen Sicht, die – wenngleich es sich um eine bäuerliche Genremalerei handelt – im Medium der Malerei gesellschaftliche Diskrepanzen manifestiert. Im Kontext von Bruegels eigener Herkunft als Sohn einer Landwirtsfamilie erscheint die Darstellung zudem als subjektives Statement. Die politischen Einflussfaktoren und die öffentliche Ablehnung seiner Kunst sind ausschlaggebend für Otto Dix’ Rückzug in die Landschaft. In diesem Kontext erscheint die Landschaftsdarstellung im Sinne eines Spiegels der inneren Haltung plausibel.

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65  Pieter Bruegel der Ältere. die krüppel um 1568, Öl auf Holz, 18, × 21,5 cm, Paris, Musée du Louvre

Auch Pieter Bruegels Lebenssituation war geprägt vom Umbruch des Zeitalters, der Bedrohung durch Kriege und vom wirtschaftlichen Niedergang, der sich unter anderem im Kontext des niederländischen Kunstmarktes und der politischen Entwicklungen niederschlug.89 Die zeitgenössischen politischen und gesellschaftlichen Umstände, in denen Bruegel lebte, waren geprägt von Umbrüchen im kirchlichen Sektor wie auch in Anbetracht der wirtschaftlichen und klimatischen Ausnahmesituationen.90 Wenngleich ein gesellschaftspolitischer und biografischer Vergleich der Künstler in Bezug auf den Umfang dieser Arbeit zu weit führen würde, stellen die soziokulturellen Inhalte in Bruegels wie auch Dix’ sozialkritischem Œuvre markante Übereinstimmungen dar. So beinhaltet das seit 1942 als verschollen beziehungsweise zerstört geltende Gemälde kriegskrüppel von 1920 zentrale figürliche Übereinstimmungen mit Bruegels Gemälde die krüppel von 1568, wodurch die Orientierung am historischen Vorbild offenbar wird (Abb. 11, Abb. 65). Hierin wird Dix’ Anerkennung der Malerei des Niederländers als maßgeblicher Landschaftsmaler erkennbar. Über die stilistischen Faktoren hinaus bestehen signifikante Parallelen zwischen Otto Dix’ neusachlichem Standpunkt und der humanistischen Weltanschauung im 16. Jahrhundert und damit hinsichtlich einer inhaltlichen Hintergrundebene. In diesem Kontext gewinnt erneut die Malerei Pieter Bruegel d. Ä. an Bedeutung. In Analogie zu Bruegels Gemälden beschreibt auch Dix mit seinen Bildern einen situativen



Altmeisterliche Adaption vormoderner Architekturen _ 313

Charakter der Landschaften. Der Kunsthistoriker und ehemalige Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Werner Schmidt konstatierte diesbezüglich in seiner Rede zur Verleihung des Rembrandt-Preises an Dix in Salzburg 1968: »Man darf wohl soweit gehen, auch in manchen Landschaften Zeugnisse über das politische […] Geschehen zu sehen. Ähnlich wie Bruegel gestaltet Dix die Natur zeichenhaft und gab darin die Kunde von jenen Jahren.«91 Sowohl in Bruegels als auch in Dix’ Vita und Malerei ist ein sozial- und gesellschaftskritischer Impetus gegenwärtig, der die Kunst beider Maler über die Differenzen der Jahrhunderte miteinander verbindet. Hinsichtlich der Frage, was die Rezeption neuzeitlicher Maler für Otto Dix’ Malerei während des Nationalsozialismus leistete, sind daher die Topologie sowie die Legitimation der Malerei durch die stilistische Einbindung kunsthistorischer Vorbilder wesentliche Aspekte. Sein künstlerisches Wirken dieser Phase deklariert die Kunsthistorikerin Ulrike Lorenz als Sozialkritik, die in den Farben deutscher Renaissancemeister betrieben wird und mit irritierenden Stilzitaten legitimiert wird.92 Demzufolge sind den Landschaftsmalereien zahlreiche altmeisterliche Reverenzen immanent, die anhand der vorangehenden, exemplarisch aufgeführten Bildanalogien zu Bruegel, Dürer und Altdorfer als Vertreter der Donauschule bestätigt werden. Otto Dix begriff sich selbst als in der Tradition der Kunst stehend.93 Über diese Darstellung zur intrinsischen Motivation des Malers im Hinblick auf seine Gestaltungsweise hinaus zeigt sich die intendierte Bezugnahme auf Bruegels Winterlandschaft konkret an Dix’ Notat von 1949. Zu seinem Gemälde winter in randegg von 1934 schrieb der Maler: »altdeutsch – Bruegel-ähnlich.«94

altmeisterliche adaption vormoderner architekturen Über das Beispiel Bruegels hinaus sind es verschiedene Vertreter der Neuzeit und Renaissance im nordalpinen Raum, deren Einflüsse auf das landschaftliche Werk von Otto Dix zwischen 1933 und 1945 deutlich hervortreten. Dix’ Landschaften vermitteln aufgrund der perspektivischen wie kompositorischen Anordnung den Eindruck einer Kombination der schiefen Ebene im Vordergrund – als Referenz an mittelalterliche Raumprinzipien – und des neuzeitlichen Anklangs in Form der perspektivischen Überschau.95 Neben der formalen Analogie und dem signifikanten Pinselstrich bestehen zudem altmeisterliche Bezüge in den Motiven.96 Exemplarisch wird dies an Darstellungen von Albrecht Dürer (1471–1528) und Rembrandt van Rijn (1606–1669) im Verhältnis zu Dix’ regionalen architektonischen Motiven deutlich. Über die motivische Bezugnahme hinaus sind die Künstlerbeispiele dahingehend relevant, als dass sie von den Nationalsozialisten als altdeutsch rezipiert

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66  Albrecht Dürer. innsbruck von norden um 1495, Aquarell, Spuren von Deckfarben, mit Deckweiß gehöht, 12,7 × 18,7 cm, Wien, Albertina

und zur Propaganda der »völkischen« Ideologie verwendet wurden. Im Zuge der Nationalisierungsprozesse seit der Reichsgründung 1871 stellt Julius Langbehns rembrandt als erzieher von 1885 eine soziokulturell prägende nationalistische Schrift dar, die in der Zeit des Nationalsozialismus zu den populären kunsthistorischen Referenzen zählte. Nachdem Langbehn seine »Leitgedanken« als historischen Abriss auf einer Seite mit propagandistisch-puritanischem Sprachduktus aufzeigte und historische Aspekte paraphrasierte, heißt es zu Rembrandt:97 »Unter allen deutschen Künstlern aber ist der individuellste – Rembrandt. Der Deutsche will seinem eigenen Kopfe folgen, und niemand tut es mehr als Rembrandt. In diesem Sinne muß er geradezu der deutscheste aller deutschen Maler und sogar der deutscheste aller deutschen Künstler genannt werden. […] Rembrandt ist das Prototyp des deutschen Künstlers.«98 Die Darstellung randegg – abendstimmung (frühlingsabend) von 1936 zeigt ein Dorf mit Schloss auf einer Anhöhe, wobei es sich um den ersten Wohnsitz der Familie Dix im Hegau handelt. Stilistisch ist insbesondere anhand der Farbgebung und -temperatur sowie des feinen Pinselstrichs und Duktus ein Bezug auf die erläuterte altmeisterliche Technik gegeben. In Anbetracht des Bildausschnitts und der motivischen Details tritt die gestalterische Nähe zu Papierarbeiten Dürers in den Betrachtungsfokus.99 Die vergleichende Betrachtung von Dürers aquarellierter Zeichnung innsbruck von norden (um 1495) mit Dix’ ­Sepiazeichnung



Altmeisterliche Adaption vormoderner Architekturen _ 315

67  Otto Dix. schloss randegg 1936, Feder mit Tusche über Rötel, teilweise aquarelliert auf Karton, 50,5 × 72 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser

schloss randegg von 1936 legt die Orientierung offen. Motivwahl und -gestaltung, stilistische Ausarbeitung, Farbauftrag und Strichführung führen sie vor Augen (Abb. 66, Abb. 67). Zu letzterer Zeichnung ist voranzustellen, dass sie auf das Motiv der 1925 in einer Auflage von 36 Blatt gefertigten Kaltnadelradierung schloss randegg zurückgeht. Dix greift das Motiv schloss randegg aus der Weimarer Zeit 1936 wieder auf und bezieht sich daneben auch in zahlreichen anderen Zeichnungsreferenzen auf Vorbilder aus Früher Neuzeit, Renaissance und dem Goldenen Zeitalter mit eindeutig regionaler Ausrichtung. Als auffallend erscheinen hier die Zeichenhaftigkeit, Perspektive und Motivik, die an künstlerische Vorbilder anknüpfen. Es handelt sich um die Darstellung der Ortschaft Randegg mit der Burg als auf dem Berg thronendes Element im linken Bildfeld, in dessen Vordergrund Hausdächer, Häuserfassaden, Buschwerk, Bäume und Garten abfallend angeordnet sind. Im Hintergrund erstrecken sich eine gebirgige und zum Teil bewaldete Landschaft sowie zwei schemenhaft gezeigte Ortschaften in der Ferne.100 Volker Gebhardt schreibt Dürers Darstellungen ihre Eigenschaft als »topographische Landschaften« zu, »die dem gesteigerten Informationsbedürfnis der Bürgerlichen Gesellschaft entsprachen […]«.101

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68  Albrecht Dürer. wassermühle im gebirge mit zeichner um 1494, Zeichnung mit Wasser- und Deckfarben, 13,3 × 13,2 cm, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

So zeigen Dürers ansicht von innsbruck und Dix’ schloss randegg von 1936 regionale Darstellungen im deutschsprachigen Raum, Profilansichten von Orten in der sie umgebenden Landschaft und weisen zudem deutlich hervortretende Übereinstimmungen in Bezug auf Komposition, plastische Modellierung sowie die durchscheinende Textur und den Detailreichtum auf. Die filigran gestaltete Ansammlung, Staffelung und Farbgebung der Häuserfassaden spiegelt sich auch in Dix’ Gemälde randegg – abendstimmung wider.102 Dürers zeichnung wassermühle im gebirge mit zeichner (um 1494) zeigt eine steinerne Architektur der Wassermühle in zeitgenössischer Bauart (Abb. 68).103 Dix’ Zeichnung sägemühle allensbach impliziert eine vergleichbare regionale Darstellungsweise (Abb. 69).104 Anhand der Architektur des Holzhauses und des verwitterten Materials tritt ihr Alter zutage. Einerseits gilt das Motiv als spannungsvolles Objekt zur Ausübung des zeichnerischen Handwerks, andererseits hat Dix hiermit einen vorindustriellen Zustand aufgegriffen und sich neben den kunsthistorischen Traditionen (die Darstellung verweist auf einen



Altmeisterliche Adaption vormoderner Architekturen _ 317

69  Otto Dix. sägemühle in allensbach 1941, Bleistift auf chamoisfarbenem Zeichenpapier, 241 × 318 mm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

nicht zeitgenössischen Baustil) auch an heimat- und regionalistischen Tendenzen orientiert.105Allen benannten Zeichnungen ist gemein, dass weder zivilisatorische Anknüpfungspunkte gegeben sind, die auf Dix’ Zeitgenossenschaft hinweisen, noch Personen abgebildet sind, die einen entsprechenden Hinweis implizieren. So sind keine Maschinen (etwa Traktoren), Werkzeuge, Automobile oder Ähnliches abgebildet, die auf eine zeitgenössische Einbettung hinweisen könnten. Lediglich das bauernhaus von 1939 weist im Schuppen eine Werkbank oder einen Tisch sowie einen handbetriebenen Wetzstein und eine schemenhafte Wäscheleine auf, wodurch wiederum kein Aufschluss über die zeitliche Gebundenheit gegeben ist. Aufgrund der Vielzahl vergleichbarer Darstellungen scheint es, als hätte Dix diese Elemente gezielt ausgelassen. Es handelt sich zudem meist um Holz- oder Fachwerkhäuser (andere Materialien sind nicht ersichtlich), oftmals mit Schuppen, deren Zustand von Witterung und Alter gezeichnet sowie teilweise marode ist. Weitere Elemente sind die hölzernen Lattenzäune und Gatter, Misthaufen oder umliegendes Geröll. Den vormodernen Vergleichsmomenten ist gemein, dass die Werke sowohl von Dürer als auch von Rembrandt in vorindustrieller Zeit entstanden. Insofern sind die Darstellungen wassermühle im gebirge mit zeichner und die windmühle als repräsentativ im Sinne einer zeitgenössischen Architekturform zu betrachten. Dix

318 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

fokussiert in seinen Zeichnungen offensichtlich gezielt vormoderne Ansichten ohne zeitgenössischen Bezug. Das weitreichende Fehlen von zivilisatorischer Infrastruktur in seinen Darstellungen zählt ebenso zu den Charakteristika wie die Tatsache, dass landwirtschaftliches Gerät, die beschriebene Architektur und weitere Attribute vorindustriell gestaltet sind. Die politische Tragweite dieser Beobachtung wird unter dem Aspekt der Heimat- und regionalistischen Tendenz aufgegriffen und vertieft.

otto dix zitiert die klassizistische landschaftsmalerei Bildkonzeptionelle Ansätze aus Klassizismus und Romantik sind in Dix’ Landschaftsmalerei ebenso präsent wie die aufgezeigten Renaissance-Bezüge erkennbar sind. Sie bilden die Voraussetzung für die nachstehenden vergleichenden Werkanalysen, in denen ermittelt wird, wie die Bezugnahmen gestaltet sind. Die Entstehungsmomente von Klassizismus und Romantik dienen dabei als soziokulturelle Grundlage zur Überprüfung stilistischer, motivspezifischer, kompositorischer und semantischer Gestaltungsweisen. Die literarischen und künstlerischen Entwicklungen zur Zeit Friedrichs ii. von Preußen (1712–1786) spiegelten dessen Ansinnen, die französische Klassik im Deutschen Reich zu etablieren, wieder. Asmus Jacob Carstens (1754–1798) – ein norddeutscher Maler, der an der Kopenhagener Akademie ausgebildet worden war – formulierte das künstlerische Selbstverständnis auf der Basis der »Vernunft und deren Verbreitung unter der Menschheit, […] in engstem Zusammenhang mit der Hoffnung auf konkrete Veränderung der Verhältnisse«.106 Dabei stehen die etwa durch die Philosophie Immanuel Kants (1724–1804) dargestellten »Gegebenheiten der menschlichen Natur« im Fokus, die in der subjektiven, bewussten Erfahrung des Menschen und bestimmt durch Raum und Zeit bestehen. Die Aufgabe des Künstlers bestand demnach darin, sie sichtbar zu machen.107 Als »Gattungsvernunft in der Kunst« gefasst, war es Carstens, der »die Beförderung der Ideen der Freiheit und Selbständigkeit des Menschen« forderte.108 Eine »resignative Einstellung der Zeitgenossen zu ihren Welt und Gesellschaft gestaltenden Möglichkeiten« sowie »ein Gefühl von Ehrfurcht […] gegenüber [der sukzessive durch die Gesellschaft zerstörten und gerade deshalb »liebevoll studierten«] Natur« bilden hier Grundlagen. Carl Ludwig Fernow (1763–1808) setzte die »Funktion« von Natur und Kunst zudem gleich, die Eberle gleichsam als »Gegensatz zum Alltag« begreift: »Dieselbe Wirkung hat die idealistische Darstellung landschaftlicher Naturscenen auch in der Kunst; und was ihr, an lebendigem Reiz […] für das sinnliche Wohlgefühl abgeht, ersetzt sie der Einbildungskraft durch den in ihren

Das Gemälde »Randegg mit Vögeli« (1936) _ 319



Komposizionen enthaltenen poetischen Sinn; durch das Idealistische, das ihre Darstellungen über die Wirklichkeit erhebt, und den Geist in eine dichterische Welt versetzt.«109 Andererseits wird die kulturelle Hinwendung zu »Empfindsamkeit, Betonung der Gefühle und Lockerung der tradierten Formen« an vorbildhaften literarischen Beispielen wie Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), Christoph Martin Wieland Herder, aber auch William Shakespeare (1564–1616) und antike Mythen nach Homer oder keltische Pendants wie Ossian aufgezeigt.110 Die Zeichen tendierten folglich zur Romantik. Gegenüber dem vernunftorientierten Klassizismus legten Romantiker wie Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773–1798) »Demut und fromme Bescheidenheit gegenüber der Schöpfung und der Kunst der Altvorderen« zugrunde.111 Als Vorbilder dienten hier das italienische und deutsche Mittelalter.112 Im Sinne der chronologischen Entwicklung beider Kunstströmungen wird zunächst Dix’ Bezugnahme auf klassizistische Bildinhalte, Motive und Kompositionen in den Blick genommen, worauf eine detaillierte Betrachtung im Verhältnis zu Elementen der Romantik folgt. Ausgehend von der vergleichenden Werkanalyse zu Dix’ Gemälde randegg mit vögeli von 1936 und Jakob Philipp Hackerts landschaft mit wasserfall von 1773 wird nachfolgend die These erörtert, dass Dix in seiner Landschafts­ malerei Bezug auf klassizistische Gestaltungs- und Kompositionsweisen nahm und darin das Prinzip der »idealen Landschaft« als Lehre des 18. Jahrhunderts verhandelt.113 Die Auswahl der Werke basiert auf konzeptuellen Maßstäben, da die angeführten Exponate exemplarisch für eine spezifische Kompositionsstruktur stehen und als beispielhaft für den Klassizismus im stilistischen Zusammenhang mit Dix’ Landschaften anzuerkennen sind. Die Auswahl der Werke basiert auf der Verwandtschaft der Kompositionsstruktur, wobei die Rezeption klassizistischer Bildmuster in Dix’ Landschaften von Bedeutung ist.

das gemälde randegg mit vögeli (1936) In Mischtechnik mit lasierendem Duktus auf Pressholz gemalt, misst das Gemälde randegg mit vögeli 70 × 78 cm und ist an der unteren linken Bildkante monogrammiert und datiert (Taf. 15). Dargestellt ist eine Landschaft mit Hügeln, Gebirgszügen und Dörfern, die aus der perspektivischen Überschau zu sehen ist. Die Darstellung ist in verschiedene Bildgründe gegliedert, wobei es sich um eine Staffelung in den Vorder-, den Mittel-, den Hintergrund und den Himmel handelt.

320 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

Darüber hinaus sind Mittel- und Hintergrund wiederum segmentiert, sodass eine Unterteilung in insgesamt sechs Ebenen vorliegt. Der Vordergrund ist durch den Ausschnitt eines grasbewachsenen Hügels an der linken unteren Bildkante gestaltet. Die einzelnen Halme sind mit zeichnerischer Genauigkeit dargestellt und lassen aufgrund der Farbigkeit und des Pinselstrichs eine glatte Oberflächenbeschaffenheit wie auch eine Wölbung der Halme erkennen. Mit hellen Lichtreflexen und changierenden Gelb-, Braun- und Grüntönen wird eine plastische Wirkung erzeugt. Diese vordergründige Ebene im Bild suggeriert eine räumliche Situation, in die sich die Rezipierenden einzuordnen vermögen. Ausgehend von diesem Betrachterstandpunkt erstreckt sich der Ausblick in ein Tal mit Anhöhe im Mittelgrund und in die weite, von einem Gebirgszug am rechten Bildrand und im Hintergrund gesäumte Landschaft. Die Kuppe im Mittelgrund stellt durch die zentrale Anordnung im Bild eine kompositorische Besonderheit dar. Neben großflächig mit Gräsern bewachsenen Arealen sind darauf drei landwirtschaftlich bestellte Ackerflächen dargestellt. Im Betrachterblickfeld sind Vertiefungen im Erdboden – erzeugt durch die Bearbeitung mit landwirtschaftlichem Gerät – fluchtend angeordnet: Sommerfeld, Winterfeld und Brachfeld bilden die Dreifelderwirtschaft ab.114 Die linke Ackerfläche ist mit braun-gelb herausgearbeiteten Ackerfurchen durchzogen. Das mittlere Areal weist braun-grüne Einkerbungen auf; die rechts angeordnete, mit Gras überwucherte Brachfläche ist in Braun- und Orangetönen dargestellt und zeigt lediglich andeutungsweise ackerbauliche Spuren. Diese landwirtschaftliche Darstellung verweist zudem auf den jahreszeitlichen Kontext. Während das Sommerfeld nach der Ernte als Stoppelfeld verbleibt, wird im Herbst das Winterfeld gesät. Das Brachfeld hingegen liegt für ein Jahr zur Regeneration unbestellt da. Da das Wintergetreide sprießt, ist der beginnende Frühling dargestellt. Darüber hinaus sind die Kronen aller Laubbäume im Bild ohne Blätter wie im März oder April dargestellt. Neben den Weideflächen und den drei aneinandergereihten, farblich separierten Feldern sind Büsche und Bäume sowie eine Baumzucht auf dem Hügel erkennbar. Es handelt sich um unterschiedliche Pflanzenarten in verschiedenen Altersstadien, die in variierender Dichte auf der Bergkuppe angeordnet sind. Insbesondere die Bäume sind mit feinem zeichnerischem Duktus ausgearbeitet. Auf den Ackerflächen nahe der unteren Bildkante sind vier Bäume quadratisch angeordnet. Die Krone des rechten vorderen Baumes ist gekappt. Dieses Detail ist kompositorisch derart eingebunden, dass der Blick diagonal über den Vordergrund auf die Baumgruppe geleitet wird und auf diese Schnittfläche fällt. Hierin besteht eine Analogie zum morbide anklingenden Baummotiv des Gemäldes randegg im schnee mit raben und seinen gekappten Ästen. Auch ist hierin ein Verweis auf die im rechten Bildteil tätigen Holzfäller gegeben.



Das Gemälde »Randegg mit Vögeli« (1936) _ 321

Im weiteren Bildverlauf geht die Wölbung des Hügels im Mittelgrund in eine diagonal aufstrebende Baumreihe über, die als dicht bewaldeter Gebirgszug bis ans obere Drittel der rechten Bildkante reicht. In Rot-, Orange- und Brauntönen bilden die Baumkronen des Waldes eine zusammenhängende, wolkig durchscheinende Fläche. An den Kronen der hoch gelegenen Bäume ist eine deutliche Lichtdurchlässigkeit erkennbar, da der helle Farbton des Himmels durch die Verästelungen dringt. Die Bäume sind trotz ihrer zusammenhängenden Darstellung im Detail erkennbar, sodass die filigran gestalteten Äste ungeachtet der großen Distanz zu den Betrachtern gut sichtbar sind. Am äußeren rechten Bildrand sind zwei herausstechende Bäume im Halbschatten dargestellt. Durch die kahle Beschaffenheit, die schwarze Rinde und ihre überlangen Astglieder erscheinen sie verkohlt, leblos, brüchig und marode. Zwischen dieser offensichtlich toten Vegetation und der Baumgruppe auf dem Hang erstreckt sich eine kahle Stelle im Wald. Abgeschlagene Bäume, Baumstümpfe und eine rauchende Feuerstelle verweisen auf die Rodung dieses Areals. Als marginale Staffage sind zudem zwei Holzfäller bei der Arbeit auf der Anhöhe auszumachen. Die eine Figur holt mit der Axt zum Schlag aus, um einen großen Ast zu bearbeiten. Die andere Person steht hinter einem aufgebockten Holzstück und ist offenbar im Begriff, es zu zersägen. Es handelt sich um die einzige Staffage im Bild und ihre Physiognomie ist aufgrund der geringen Größe lediglich schemenhaft erkennbar. Weder Menschen noch Tiere sind darüber hinaus motivisch in das Bildrepertoire eingearbeitet, wenngleich insbesondere die Landwirtschaft unweigerlich auf die Gegenwart von Menschen, Vieh und landwirtschaftlichem Gerät verweist. Zudem sind Häuseransammlungen, eine Allee und Felder im Mittel- sowie im Hintergrund erkennbar. Ein im Mittelgrund eingesetztes sfumato erzeugt die diffusen Lichtverhältnisse des Hintergrundes. In der rechten Bildhälfte ist die Fortsetzung des unregelmäßig beschaffenen, bewaldeten Gebirgszuges dargestellt. Vereinzelt ragen die Spitzen hochgewachsener Nadelbäume zwischen den unbelaubten Baumkronen respektive der homogenen rot-braunen Fläche hervor. In der linken Bildhälfte, hinter dem zentral angeordneten Hügel, ist ein Tal abgebildet, dessen primäre Struktur durch Äcker und Weiden in Grün-, Rot- und Brauntönen in der ebenen Fläche gebildet wird und das den Übergang vom Mittelin den Hintergrund beschreibt. Klar definierte sowie unterschiedlich strukturierte Wiesen und Felder stellen ein signifikantes Motiv im Mittel- wie auch im Hintergrund dar. Fünf rot-braune Satteldächer sind hinter der Bergkuppe und vor dem Detail eines Teiches erkennbar. Im Hintergrund dieser Häuseransammlung ist eine Allee gezeigt, die in die vergraute Ferne – hin zu einem kaum erkennbaren Dorf – fluchtet. Am linken Bildrand sind die Windungen eines Flusslaufes sichtbar, an dessen Uferzonen wiederum Bäume abgebildet sind.

322 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

Im Verhältnis zur Farbgebung des Mittelgrundes erscheint die Hintergrundlandschaft vergleichsweise fahl und durch das eingesetzte sfumato sowie den erhöhten Weißanteil abgeschwächt. Ein großflächiger Schatten liegt auf diesem Bereich und bewirkt, dass das Profil eines Dorfes – gekennzeichnet durch rot-graue Hausdächer und einen emporragenden Kirchturm – lediglich als Silhouette in der flachen Ebene ersichtlich ist. Zudem liegt im äußersten Hintergrund, am Fuß des Berges, ein weiteres Dorf, das aufgrund der geringen Größe, Diffusität und blasser Farbigkeit lediglich schemenhaft anhand des emporragenden Kirchturms auszumachen ist. Dahinter erstreckt sich ein zerklüfteter Gebirgszug am Horizont, der lediglich in groben Zügen modelliert ist. Seine Farbigkeit verbindet die Landschaft mit dem Farbwert des Himmels. Es handelt sich um den Vögeli, den den Bildtitel prägenden Berg im Hegau. Seine Gestaltung in blauen, gelben und zart hellroten Pastelltönen erscheint homogen zum anklingenden Abendrot. Es erscheint paradox, dass der im Titel genannte Protagonist – der Berg Vögeli – im Hintergrund verblasst und der Landschaft Unkundige ihn vielleicht fälschlicherweise in dem detailreich gestalteten Hügel im vorderen Mittelgrund vermuten. Das regionale Wahrzeichen im Bildtitel zu erfassen, ihn aber visuell verschwinden zu lassen, deutet auf ein Kippmoment hin. Die nicht Regionskundigen sind durch die alleinige Bildbetrachtung nicht befähigt, Zuschreibungen zum Vögeli zu machen und ohne weitere Informationen zu ermitteln, worum es sich bei diesem Begriff tatsächlich handelt. Mit der zunehmenden Abtönung und durch die fragmentierte, perspektivisch gestaffelte Komposition wird eine immense Distanz zwischen dem Betrachterstandpunkt und den Bildelementen des Mittel- und Hintergrundes erzeugt. Die zeichnerische Malweise ist insofern eklatant, als alle Bildelemente bis hin zur Horizontlinie des Gebirges im Hintergrund erkennbar sind. Dix untergliederte die verschiedenen Bildgründe insofern, als von der zeichnerischen Detailgenauigkeit im Vordergrund über die detaillierten Bildelemente im Mittelgrund, den skizzenhaften Ausdruck im Hintergrund bis hin zur Schemenhaftigkeit in der Ferne eine sukzessive Vereinfachung der formalen Darstellungsweise stattfindet. Mit der Lasurtechnik und dem warmen, vom sfumato gekennzeichneten Grundton wird diese kompositorische Staffelung unterstrichen, die zugleich eine Leichtigkeit suggerierende Bildstimmung wiedergibt. Die Betrachter blicken von dem gräsernen Vorsprung mit klarer Sicht ins Tal, in dem sich ein Qualitätskontrast zwischen dem vorderen Mittelgrund und den Hintergrundebenen inklusive des Himmels offenbart. Da der Himmel mit einer hellen Grundierung und feinen orange-gelben bis hin zu blau-changierenden Lasuren überdeckt ist, geht eine milde Wirkung von ihm aus. Dieser Bereich definiert das einzige Moment, in dem der Blick unverschränkt in den hellen Hintergrund geleitet wird: auf den Protagonisten Vögeli. Die Lasur erzeugt überdies eine warme Tonalität im



Das Gemälde »Randegg mit Vögeli« (1936) _ 323

Bild und der irdische respektive landschaftliche Bereich ist von braun-grünen Farbwerten geprägt. Die Farbrigkeit der unterschiedlichen Bildgründe ergibt ein quantitatives Wechselspiel, indem ein Helldunkel-Rhythmus die Flächen unterteilt. Helle, gehöhte Segmente folgen kompositorisch auf dunklere respektive farbgesättigte Bereiche. Dieser Rhythmus wiederholt sich in den nachstehenden Bildgründen. Die farbkompositorische Binnengliederung entsteht darüber hinaus durch die Flächenstruktur des Gemäldes, die mit der Farbeinteilung einhergeht. Die Bildebenen sind ineinander verschachtelt, sodass kein fließender Übergang vom Vorder- über den Mittel- bis hin zum Hintergrund stattfindet. Klare, auf der Farbkomposition beruhende optische Grenzen bewirken die Zergliederung und Staffelung des Gemäldes in die eingangs benannten sechs Bildebenen. Über die farbgebundene Fragmentierung hinaus sind die verschiedenen Bildgründe durch diagonal zackenförmig zueinander verlaufende Hauptachsen geprägt. Sie grenzen die Bildebenen voneinander ab und definieren zugleich die Übergänge vom Vorder- zum Mittelgrund und wiederum zum Hintergrund. Diese Gestaltungsweise ist charakteristisch für Dix’ Malerei dieser Zeit. So wird im Vergleich zur Raumstruktur in anderen Arbeiten des Malers wie dem Gemälde flandern von 1936 ersichtlich, dass die Fragmentierung der Bildgründe in verschiedenen Sujets verwendet wird (Taf. 5).115 Durch den Wechsel der Perspektive entsteht ein optischer Sog im Bild, der die Wirkung einer weit fluchtenden Landschaft suggeriert. Darin besteht ein Unterschied zu Dix’ Gemälde randegg im schnee mit raben, da randegg mit vögeli lediglich den leicht gestauchten vorderen Mittelgrund mit fragmentierter Kuppe im Zentrum zeigt. Die dahinter fluchtende Landschaft enthält hingegen keine Raffung der Bildebenen und -elemente. Die fluchtende Landschaft und der in die Weite geleitete Blick werden neben der vorgegebenen Luftperspektive auch durch die Verteilung von Haupt- und Nebenachsen im Bild erzeugt. Beginnend mit einer abfallenden Diagonale, die den Vordergrund und zugleich das Podest bildet, auf dem der Betrachterstandpunkt manifestiert ist, ist der Einstieg ins Bild gegeben. Es folgt der Hügel in Form zweier gegeneinander strebender Linien, die wie die Schenkel eines Dreiecks dessen Winkel erzeugen. Eine klar erkennbare Ackerfurche auf dem ansteigenden Hügel bildet zudem eine vertikale Achse im Bild, die durch die Bergkuppe respektive die spitz zulaufenden Bäume dahinter zum Himmel aufweist. Der rotbraune Wald strebt hingegen als weiterführende, aufsteigende Diagonale zur rechten Bildkante. Im Hintergrund der angrenzenden Talebene verläuft eine annähernd horizontale Achse. In Kombination mit den abgetönten warmen Farbwerten vermittelt die Horizontale dem Betrachter eine stabile, in sich ruhende Wirkung der Landschaft. Die Gebirgszüge im Mittel- und Hintergrund sind als

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leicht aufstrebende Diagonale von der rechten hin zur linken Bildkante gespannt. Da die Horizontlinie durch die changierenden Farben im äußersten Hintergrund nahezu verblasst, erscheint diese Achse jedoch sekundär für die Bildkomposition. Der Bildaufbau ist neben den diagonalen Hauptachsen geprägt durch vertikale und vielfältig ausgerichtete diagonale Nebenachsen. Das Verhältnis der Bildteile zueinander, beruhend auf der Farbperspektive sowie der der Komposition von Perspektive und Fläche, suggeriert einen realen Blick in die Landschaft, indem sich die Größe der gestaffelten Motive im Bild proportional reduziert. Der prägnanteste Größenkontrast besteht zwischen der Grasfläche im Vordergrund und den übrigen Bildebenen. Dieser Bereich weist gegenüber den dahinter angeordneten Bildflächen und Elementen einen makrostrukturellen Charakter auf. Es handelt sich um einen optischen Vorsprung im Bild, der der Funktion des traditionellen Repoussoirs entspricht. Mit diesem von Otto Dix in die Landschaft komponierten Stilelement wird den Betrachtenden der optische Einstieg sowie ein Standpunkt im Bild offeriert und die Tiefenwirkung im Bild verstärkt. Über die mannigfaltigen Nebenachsen und die separierten Bildebenen hinaus ist eine weite Schau in die Landschaft und eine Verbindung des Repoussoirs entlang der Kuppe im Mittelgrund mit dem Hintergrund gegeben. Dabei handelt es sich um die ungehinderte Durchsicht vom gräsernen Vorsprung auf den Vögeli auf der linken Bildseite. Diese Eigenschaft des Bildaufbaus beruht auf der Überschau, die den in luftiger Höhe über dem Tal positionierten Betrachter mit dem vergrauten Gebirge und dem daran anschließenden Himmel verbindet. Sie ist als optische Klammer zwischen dem weiß-gehöhten Vordergrund, der hellen Bergkuppe im Mittelgrund und dem hellen Hintergrund evident. Dagegen erscheinen die Motive des Mittelgrundes von sekundärer Bedeutung. Aufgrund der Überschau und der Fragmentierung wirkt die Landschaft zwischen dem Vorder- und dem Hintergrund unzugänglich. Darauf verweist die geringe Größe des Bildpersonals, das zunächst weder sichtbar ist noch einen identifikatorischen Anhaltspunkt für die Betrachtenden bietet. Da der Blick über die Landschaft hinweg gelenkt wird, hat das Bild kein konkretes Zentrum. Zwar stellt der Hügel im Mittelgrund ein kompositorisch und farblich hervorgehobenes Element dar und ruft auch die Anordnung der Ackerflächen in der Bildmitte einen kompositorischen Schwerpunkt hervor, doch sind die Motive auf dem Hügel geringfügig dezentral angeordnet und derart filigran gestaltet, dass sie zunächst keine gesteigerte inhaltliche Relevanz vermitteln. So wird der Blick über die Kuppe hinweg in die Ferne geleitet, wo das Bildthema – der Berg – jedoch als blasse Silhouette erscheint und damit nicht als regionales Wahrzeichen hervorgehoben oder für nicht Ortskundige direkt erkennbar ist. Es besteht folglich ein Kippmoment, das auf der Diskrepanz zwischen der mit dem Titel des Gemäldes verbundenen Erwartung und dem tatsächlich gestalteten Motiv beruht.

Jacob Philipp Hackerts Malerei im Vergleich _ 325



70  Jacob Philip Hackert. landschaft mit wasserfall 1773, Öl auf Leinwand, 63,5 × 87,6 cm, Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

jacob philipp hackerts malerei im vergleich Abgesehen von der Landschaftsmalerei von Pieter Bruegel d. Ä. sind in Bezug auf die klassizistische Landschaftsmalerei kaum explizite Analogien zwischen Dix und etwaigen Vorbildern in den Gemälden ersichtlich oder in der Forschung benannt. Dennoch sind in stilistischer und formalästhetischer Hinsicht Parallelen zwischen seinen Landschaftsgemälden und der Stilepoche des Klassizismus erkennbar. Der nachstehende Vergleich beleuchtet sowohl Berührungspunkte als auch Unterschiede zwischen Dix’ Arbeit randegg mit vögeli und dem exemplarisch herangezogenen Gemälde landschaft mit wasserfall des deutschen Landschaftsmalers Jakob Philipp Hackert (Abb. 70). Hierbei liegt der Fokus auf dem inhaltlichen Wert der Landschaft von Otto Dix und auf der Frage, welche Rolle die klassizistische Landschaftsmalerei bei der Stilprägung des einstigen Veristen Dix einnimmt. Jakob Philipp Hackert fertigte das 63,5 cm × 87,6 cm große Gemälde landschaft mit wasserfall 1773 in Öl auf Leinwand. Der Bildaufbau des Gemäldes ist durch eine ausgewogene Ponderation geprägt. Gestaffelt ist es in Vorder-, Mittelund Hintergrund, die in der Summe etwa die Hälfte der Bildfläche bilden. Der helle Himmel stellt die größte zusammenhängende Fläche dar, da er die obere Bildhälfte

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ausfüllt. Das Motivrepertoire des Vordergrundes enthält als Repoussoir einen hochgewachsenen, weit ins Bild ragenden Baum an der linken Bildkante. Sein Stamm ist verschattet und mit mannigfaltigen Büschen und Gräsern gesäumt. An der rechten unteren Bildkante sind verschiedene Pflanzen im Halbschatten dargestellt. Im vorderen Bildzentrum, das zugleich den Mittelpunkt im unteren Bildbereich einnimmt, ist eine Gruppe von sechs Menschen gezeigt. Vier Frauen, ein Säugling und ein Mann sind mit bäuerlicher Bekleidung und drei gefüllten Körben ausstaffiert, wobei lediglich der Mann mit dem Rücken zum Betrachter steht. Zudem steht ein Hund dabei, der sich einer weiteren Gruppe von vier Figuren im Mittelgrund zuwendet. Dort ragt von der linken Bildseite eine Landzunge in ein Gewässer hinein. Darauf ist die zweite Personengruppe mit einem Holzboot und zwei Rudern dargestellt. Vom linken Mittelgrund ausgehend bis zur rechten Seite begrenzt eine zerklüftete Felskante, die variierend mit Bäumen und verschiedenen Pflanzen bewachsen ist, das Gewässer. Zwischen den beiden Figurengruppen fließt am hinteren Bildmittelgrund ein Wasserfall von der Felskante herab. Im Hintergrund der Felskante tritt zwischen den Büschen und Bäumen ein rot gedecktes Haus mit flachem Giebel hervor. An der rechten Bildkante sind darüber hinaus ein Feld und eine marginale figürliche Staffage erkennbar. Mit dem Hintergrund setzt ein starkes sfumato ein. Erkennbar sind das Ursprungsgewässer, das in den Wasserfall mündet, sowie Wälder, Felder und ein emporragender Berg an der rechten Bildkante. Die changierende Vergrauung geht mit den Farbwerten des Himmels einher, sodass eine Horizontlinie kaum erkennbar ist. Farbtechnisch ist der Grundton des Gemäldes durch die von Hackert verwendete Lasurtechnik geprägt, wodurch eine Analogie zu Dix’ altmeisterlicher Maltechnik ersichtlich wird. Die zeichnerische Genauigkeit im Vorder- und vorderen Mittelgrund sowie die gesättigten, von Rot- und Grüntönen bestimmten Farbwerte stimmen hinsichtlich des Sättigungsgrades mit Dix’ Mittelgrunddarstellung in randegg mit vögeli überein. Die helle und freundliche Atmosphäre ist vergleichbar mit dem ersten Eindruck bezüglich Dix’ Gemälde. Auch das stark ausgeprägte sfumato im Hintergrund, das den Farbton des Himmels in sich aufnimmt, bildet hinsichtlich der von Dix’ eingefügten Vergrauung eine Analogie. Über die zarten Farbtöne und die sommerliche Wetterdarstellung hinaus stellte auch Hackert in seinem Œuvre verschiedene Wetterszenarien dar, wie anhand des Gemäldes landschaft mit gewitter deutlich wird (Abb. 71). Im Vergleich mit Dix’ Gemälde gewitter im riesengebirge (Taf. 13) wird deutlich, dass die Naturgewalten zwar unterschiedlich modelliert sind, beide Künstler in ihrem Bildrepertoire jedoch vergleichbare Naturszenarien aufgreifen. Hackerts Komposition der Bildelemente erzeugt eine ausgewogene und harmonische Wirkung auf die Betrachtenden. Aufgrund der vorherrschenden Zentralperspektive sind alle Bildebenen in ausgewogener Proportionalität sichtbar. Die Bäume



Jacob Philipp Hackerts Malerei im Vergleich _ 327

71  Jacob Philipp Hackert. landschaft mit gewitter 1767, Öl auf Leinwand, 100 × 135,5 cm, Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

in der linken Bildhälfte und der Berg in der Hintergrundebene auf der rechten Bildseite rahmen die weite Landschaft und verleihen der Gesamtkomposition eine optische Stabilität. Zudem unterstützen diese Vordergrundmotive die Tiefenwirkung des Bildes und leiten den Blick zunächst auf die zentrale Figurengruppe und schließlich in die Ferne, wodurch die Funktion des Repoussoirs erfüllt wird. In Bildern wie vorfrühling am bodensee bei gaienhofen von 1942 kippt Dix die offene, auf Harmonie bedachte Komposition gänzlich um, indem er den Bildraum vollständig mit dem Repoussoir ausfüllt. Daraus resultiert eine geschlossene, eher abweisend wirkende Darstellung (Taf. 14). Der Bildausschnitt in Hackerts Gemälde ist jedoch so gewählt, dass alle Bildelemente einen formalen wie optischen Gegenspieler haben. Auf diese Weise stehen sich der emporragende Baum an der linken Bildkante und die verschatteten Pflanzen am Berg im Hintergrund korrespondierend gegenüber. Die oberen, lichtdurchschienenen Äste kehren in der Anordnung von fünf Vögeln vor dem blauen Himmel auf der rechten Bildseite wieder. Aufgrund der sanften Farbwerte sind keine eklatanten Farbkontraste vorherrschend. Daher sind auch auf stilistischer Ebene keine signifikanten Gegensätze gegeben, sodass eine durchweg harmonische Landschaft mit sommerlichem Arrangement gegeben ist. Im Vergleich zur klassizistischen Landschaftsrezeption erscheint der perspektivische und kompositorische Bildaufbau in Dix’ Gemälde gegensätzlich. Anstelle einer gleichmäßigen, zentralperspektivischen Ausrichtung gestaltet Dix einen ­Perspektivenwechsel: Anknüpfend an die Überschauperspektive im Vorder-

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grund sind die hinteren Ebenen zentralperspektivisch wiedergegeben. Dadurch wirken die Landschaftssegmente wie ungleich aneinandergesetzt und die Landschaft erscheint nicht linear. Dix kehrt die klassische Bildkomposition Hackerts regelrecht um. Anstelle einer harmonisch fließenden Binnengliederung setzt er die Bildgründe exakt umrissen hintereinander, wodurch die Übergänge zwischen den Bildebenen hart und definiert erscheinen. Darüber hinaus verhindern die als Flächenfragmente aufgegliederten Bildebenen den Blick in die weite Landschaft. Auf diese Weise entsteht der Anschein einer weniger auf Harmonie bedachten, rationalen Sicht auf die Landschaft. Entsprechend der klassischen Binnengliederung ist eine klare Aneinander­ reihung der Bildgründe vom Vorder- über den Mittel- bis hin zum Hintergrund gegeben. Beginnend mit dem Vordergrundelement erscheint die traditionelle Gestaltungsform des Repoussoirs in Dix’ Gemälde modifiziert, indem sie auf das Motiv eines Grashügels reduziert ist. Entgegen der rahmenden Elemente in Hackerts Gemälde ragt in Dix’ Landschaft lediglich der Vorsprung von der linken Kante ins Bild. Es ist weder die rahmende Eigenschaft noch die konturlose Überleitung in den Mittelgrund gegeben, sodass nicht von einem klassischen Bildeinstieg auszugehen ist. Als formales Zentrum nimmt in Dix’ Darstellung die Wölbung der Kuppe das untere Bilddrittel ein und verhindert durch die zentrale Anordnung im Bild zugleich den Blick in den anschließenden Bildgrund. Demgegenüber ist durch die klar gegliederte Bildstruktur des Gemäldes landschaft mit wasserfall ein Bildzentrum definiert, das weniger durch raumgreifende Proportionen hervorsticht, sondern aufgrund des Lichteinfalls, der Farbigkeit und primär durch die Gegenwart von menschlicher Staffage. Dix kippt das klassische Ideal buchstäblich um. Anstelle des freien Bildzentrums malte er einen Berg, anstelle der Zentralperspektive verwendete er Vogelschau- und Zentralperspektive im Wechsel und erzeugte damit eine perspektivische Kipp-Landschaft. In der verschachtelten und damit vereitelten Schau in die Landschaft besteht daher ein grundlegender Gegensatz zur offenen, gut lesbaren Komposition des klassizistischen Gemäldes. Zusätzlich zu den kompositorischen Unterschieden wirken sich auch die jeweilige Beleuchtung und die Verwendung der Bildmotive auf die Beschaffenheit und damit auf die Wirkung der Gemälde aus. Dix’ Arbeit weist eine gleichmäßige natürliche Beleuchtung auf, die insbesondere die zentralen Ebenen und Motive ausleuchtet und eine süßlich überhöhte Farbigkeit hervorruft. Das Spiel von Licht und Schatten ist primär in den zeichnerisch modellierten Details durch filigrane Schlagschatten ausgearbeitet, wie am Beispiel der Bäume auf dem Berg erkennbar ist. Die Überschauperspektive und der Fragment-Charakter der Bildelemente vermitteln eine große Distanz zwischen den Betrachtenden und den Bildmotiven. Insbesondere die Eigenfarbe der Flächen erzeugt qualitative Farb- und damit auch grobe Helldunkel-Kontraste. Im Gegen-

Grundlagen des Klassizismus im Kontext _ 329



satz dazu wird lediglich im filigranen Detail ein gesteigertes Helldunkel entfaltet, dessen Wirkung im Gros jedoch gering ist. landschaft mit wasserfall zeigt eine natürliche Ausleuchtung, welche die sommerliche Atmosphäre unterstreicht. Lediglich der Bildraum im Vordergrund sowie der pflanzenbewachsene Felshang im rechten Bildmittelgrund sind von Schattenpartien geprägt. Sie wirken als dunkle Flächen kompositorisch ausgleichend gegenüber den hellen Bildbereichen. Das Helldunkel erscheint aufgrund der Detailgenauigkeit der Blätter in den Baumkronen und weiterer filigraner Motive differenziert ausgearbeitet. Neben der Hervorhebung durch die Komposition erhellt das natürliche Licht im Gemälde landschaft mit wasserfall besonders die Lichtung mit der zentralen Figurengruppe zwischen den verschatteten Bäumen und Pflanzen. Auf diese Weise kommt der Gruppe eine gesteigerte Bedeutsamkeit als figurales Bildzentrum zu. Die Figuren interagieren und sind als Fischer oder pausierende Landarbeitende in die Landschaft eingebunden. Ihre Physiognomie ist aufgrund der Positionierung in den Vorder- und Mittelgrund meist gut erkennbar. Auch die Architektur – vorwiegend im Mittelgrund klassizistischer Landschaften vorkommend – verweist auf die harmonische Kontextualität des menschlichen Milieus mit der Natur. Die idealisierende Wirkung der Landschaft inklusive der figürlichen und architektonischen Staffage unterstreicht den Habitus einer heroischen Landschaft. Sowohl die figürliche als auch die architektonische Staffage ist in Anlehnung an das arkadische respektive italienische Vorbild – Gestalten aus der antiken Mythologie sowie römische Ruinen in der heroischen Landschaft – konzipiert. Künstlerische Vorbilder wie Nicolas Poussin (1594–1665) oder Claude Lorrain (1600–1682), dessen Werke Hackert neben den Gemälden niederländischer Landschaftsmaler bereits während seiner Zeit in der Zeichenklasse ab 1758 kopierte, brachten diese Darstellung der idealen Landschaft zur Vollendung.116 Abweichend von der antikisierenden Staffage mit oftmals mythologischen Motiven stattet Hackert diese Landschaft mit einer regionalen Variante figürlicher Staffage, deren Bekleidung, Habitus und Architektur aus. Wenngleich keine konkrete Ortszuschreibung erfolgt, steht dennoch die profane Darstellung im Fokus. Die Darstellung erscheint als eine Reminiszenz Hackerts an seine Erfahrungen während seiner Frankreich- und Italienaufenthalte.117

grundlagen des klassizismus im kontext Nach Erik Forssman bestand das klassizistische Ansinnen darin, sich aus der Kunst heraus insbesondere auf der Grundlage der Antike zu definieren.118 Die Kunst war folglich nicht mehr der Religion verpflichtet respektive streng an sie gekoppelt,

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sodass diese Eigenständigkeit respektive Eigengesetzlichkeit den Leitgedanken der klassizistischen Lehre darstellte. So bildete die Verbindung von menschlichem Geist und Schicksal mit Naturelementen eine eigenständige Betrachtung. Die Zuschreibung des Wassers als Verkörperung der menschlichen Seele und der Wind als Sinnbild menschlichen Schicksals am Beispiel Johann Wolfgang von Goethes (1749– 1832) im gesang der geister über den wassern in der wüste von 1779 ist hier insofern exemplarisch gewählt, als Dix vergleichbare Elemente wie jene tradierten poetischen Sprachbilder in seinem landschaftlichen Motivrepertoire als Entlehnung motivisch-atmosphärischer Bildkonzepte des Klassizismus verwendete.119 Bei Goethe heißt es in der letzten Strophe: »Seele des Menschen Wie gleichst du dem Waßer. Schicksaal des Menschen Wie gleichst du dem Wind.«120 Im zeitlichen Zusammenhang mit der Französischen Revolution führt Martin Warnke Joseph Anton Kochs Tagebucheintrag zum Anblick und Erleben des Rheinfalls in Schaffhausen 1791 auf und konstatiert die Reziprozität von Zeitgeschehen und künstlerischer Stellungnahme, in der es heißt: »Im Abgrund siedet schäumend der tobende, schneeweiße Fluß, dessen stark geschleuderte donnernde Wellen sich wild zertheilen und hoch himmelan steigen […]. Das erhabene Schauspiel bewegte meine durch falsche Götter unterdrückte Seele aufs Äußerste, gleich dem wilden Strome wallte mein Blut, pocht mein Herz. Es schien mir, als rief der Gott des Rheines vom zackigen Fels mir zu: Steh auf! handle! sei thätig mit standhafter Kraft! Stemme sich gewaltig gegen Despotismus! reiß auseinander die schimpflichen Bande, die dich fesseln! Sey unerschütterlich wie der Fels, den ich bekämpfe, in der Vertheidigung der Freiheit der Menschheit!«121 Eine entsprechend in das Jahr 1791 datierte Zeichnung erkennt Warnke als der schriftlichen Aufzeichnung gemäß an und dass sich hierin die Zeit der Französischen Revolution als »Sieg des Beweglichen über das Starre« manifestieren könne.122 Der tosende Wasserfall als wilde Natur fungiert an dieser Stelle also als Metapher für das Zeitgeschehen und weist als solche einen politisch-ikonografischen Impetus auf.123 Dem entsprechend diesem Tagebucheintrag 1796 entstandenen Gemälde sei hingegen eigen, »dass von einer freiheitsdurstigen Gewalt des Wasserfalls nicht mehr die Rede sein kann«.124 Folglich fand eine Mäßigung und gestalterische Abschwächung bei Koch statt. Gemäß dieser von politischer Dynamik zu harmonischer Wiedergabe entwickelten klassizistischen Landschaftsformung und -wiedergabe ist auf Johann Wolfgang von Goethe zu verweisen. Dieser postulierte, die Kunst



Grundlagen des Klassizismus im Kontext _ 331

»hat ihre eigne Tiefe, ihre eigne Gewalt; sie fixiert die höchsten Momente der natürlichen Erscheinungen, indem sie das Gesetzliche darin anerkennt, die Vollkommenheit der zweckmäßigen Proportion, den Gipfel der Schönheit, die Würde der Bedeutung, die Höhe der Leidenschaft […]. Der Künstler gibt, dankbar gegen die Natur, die auch ihn hervorbrachte, ihr eine zweite Natur, aber eine gefühlte, eine gedachte, eine menschlich vollendete zurück«.125 Nachdem die Lehre von der schönen und idealen Natur – die ursprünglich auf den Menschen bezogen war – auf die Landschaft angewandt wurde, erhielt am Ende des 18. Jahrhunderts der Begriff der »idealen Landschaft« den obersten Rang. Diese Position wurde insbesondere durch die Abwertung und Ablehnung der empirischen Naturempfindung propagiert, die als direkte Referenz auf die Naturerfahrung der Romantiker zu verstehen ist.126 Der Archäologe und Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann (1717– 1768) legte die Grundlagen einer modernen Antikenrezeption und thematisierte erstmals den Gegensatz von griechischer und römischer Antike. Wickelmanns theoretisches Idealbild des Künstlers sind die Denkenden, die ihre Ideen allegorisch darstellen und so eine für die gebildeten Rezipierenden eine verständliche Bildsprache verwenden. Diese Malerei ist bestimmt von zentralen Gegenständen, die oftmals aus der antiken Mythologie herrühren. Zudem sind es die mimetische Naturnachahmung und die Einbindung schöner menschlicher Staffage, die nackt oder plastisch drapiert dargestellt sowie klar konturiert wiedergegeben sind.127 Auf der Grundlage von Winckelmanns Ansichten leitet Forssman die primären Faktoren der künstlerischen Ausformung in einer reduzierten Darstellung anhand von fünf Topoi her:128 1. »Der Mensch ist der dominierende Gegenstand aller bildenden Kunst. 2. Schönheit verwirklicht der Künstler, indem er seine Figuren in einer klar gezeichneten Kontur einschließt. 3. Die Draperie bzw. die Kleidung der Figuren ist ein plastisches bzw. koloris­ tisches Gestaltungsmittel. 4. Charakter und Ausdruck gibt der Künstler durch verhaltene Abweichungen vom Bild des Menschen in Ruhe zu erkennen, unbeherrschte Bewegungen und Gesten beeinträchtigen die Schönheit. 5. Als Reaktion auf diese Gestaltungsweise empfindet der Betrachter vor den griechischen Werken ebenso wie vor solchen, die ihnen nachstreben, eine edle Einfalt und stille Größe.«129 In Anbetracht dieses auf dem Prinzip des »Idealen« basierenden Leitfadens erscheint Dix’ Malerei der 1930er und 1940er Jahre in einem gegensätzlichen Licht.

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In seinen Landschaften greift er signifikante Attribute der klassizistischen Landschaftsmalerei auf, die zunächst prägnant erschienen. So fügte er dem Gemälde randegg mit vögeli etwa ein sfumato bei, dessen Stärke mit Hackerts Vorgabe vergleichbar ist; in der warmen Bildatmosphäre sowie der zeichnerischen Handschrift sind ebenso Übereinstimmungen mit dem feinen Duktus des klassizistischen Gemäldes erkennbar. Klare Umrisslinien prägen die motivischen Elemente und definieren somit den präzisen Pinselstrich. Im Kontext mit dem Kolorit und der feinen Malweise erschienen die Bildelemente zudem plastisch modelliert. Hinsichtlich der formalen Binnenstruktur lässt Dix prägnante motivische Eigenschaften des Klassizismus erkennen. So gestaltete er – wenn auch modifiziert – ein Repoussoir, die kompositorische Ebene weist einen gegenüber der idealtypischen Landschaftsdarstellung differenzierten Charakter auf und figürliche Staffage ist in die Landschaft ebenso eingebunden wie Architektur. Zentrale Motive stellen zudem die Berglandschaft im Hintergrund sowie insbesondere das Motiv des Baumes dar. In Anbetracht der vorangestellten motivischen Elemente sowie des Sujets und technischer Aspekte tritt demzufolge Dix’ Kenntnis der klassizistischen Landschaftsmalerei zum Vorschein. Seine vielzähligen Museumsbesuche und seine reichhaltige kunsthistorische Bibliothek unterstreichen diesen Aspekt.130 Die tradierten Motive fügt er jedoch kontrastierend mit der historischen Komposition in sein Gemälde ein. Die Landschaftsgemälde der 1930er Jahre unterscheiden sich von jenen des 18. Jahrhunderts insbesondere in der Beschaffenheit der Attribute wie auch in ihrer Anordnung im Bild. Sie sind zwar mit dem klassizistischen Ideal vergleichbar – jedoch gegensätzlich in die Bildkomposition eingesetzt. Folglich stellte Otto Dix eine kontrastierende Umformung der klassizistischen Maßstäbe an und entwickelte auf diese Weise eine eigene stilistische Rezeption am Sujet der Landschaft. Anstelle einer am Menschen orientierten Kunst setzt Dix eine offensiv menschenleer wirkende Landschaft ins Zentrum seiner Gemälde, wodurch dem Betrachter die Wiedererkennung verwehrt wird. Eine Momentaufnahme scheint auch bei Dix’ gegeben, die zunächst keine unvorhergesehenen Bewegungen und Gesten aufweist. Erst bei eingehender Betrachtung wird diese ungestört wirkende Momentaufnahme getrübt, indem die Waldarbeiter rodend in die Natur eingreifen. Es ist demzufolge nicht das Ziel von Otto Dix, eine »edle Einfalt und stille Größe« zu erzeugen. Waldarbeiter während ihrer Tätigkeit darzustellen reflektiert vielmehr einen Gegenwartsbezug sowie die Fokussierung tatsächlich forstwirtschaftlichen Umgangs mit der Ressource Baum und Wald in der Natur. Die Suggestion einer Klassikrezeption manifestiert sich entsprechend lediglich oberflächlich aufgrund formalästhetischer Faktoren. Inhaltlich und motivisch betrachtet verhält sich Dix’ Ansatz heterogen zum Vergleichsbeispiel. Mit den angewandten stilistischen und formalen Gestaltungsmitteln wendet sich Dix gegen die von Winckelmann

Zur bildimmanenten Stimmung _ 333



geprägte klassizistische Landschaftsformel wie auch die Weltanschauung, in deren Zentrum der Mensch visuell wie auch geistig mäandert. Dix’ Landschaften lösen bei näherer Betrachtung entgegen der Empfindung einer idyllischen Wirklichkeit ein subtiles Unbehagen aus, umso mehr, als es sich um die Darstellung des eigenen Milieus in der landschaftlichen Abgeschiedenheit und damit eine Selbstreferenz handelt.131

zur bildimmanenten stimmung Im Gegensatz zur klassizistischen Landschaft stellt Dix kein ersichtliches inhaltliches Bildthema oder Narrativ her. In seinem Gemälde heroisiert er vielmehr das augenscheinlich Nicht-Heroische. Diese These wird durch die Kompositionsstruktur und auch die Motivwahl im Bild unterstützt. Das zentrale, im Bildtitel verankerte Motiv des Berges Vögeli tritt dabei fast unkenntlich gestaltet in den Hintergrund. Zudem erscheint figürliche Staffage in Dix’ Landschaften der 1930er und 1940er Jahre – mit Ausnahme der christlichen Darstellungen und vereinzelter Ernte-Darstellungen – nur partiell, wie am Beispiel der Holzfäller deutlich wird. Die Figuren interagieren nahezu im Verborgenen und erhalten dadurch eine besondere Stellung im Bild, da die Landschaft zunächst menschenlos erscheint. Bei eingehender Betrachtung sind jedoch Spuren der Zivilisation sowie kaum sichtbare Figuren erkennbar. Zudem bindet Dix den Architekturstil der Region in seine Landschaft ein. Der geringen Größe zum Trotz sind die spitzen Giebel und die roten Dächer dennoch auszumachen. Dieses Motiv impliziert eine Vergleichbarkeit zwischen der klassizistischen und Dix’ Landschaftsmalerei. Dix tituliert die von ihm gemalte Landschaft bereits mit der präzisen Ortsangabe randegg mit vögeli und verweist mit seinen Motiven auf einen regionalen Impetus, sodass die gezeigte Darstellung eine mimetische Orientierung an der vorgefundenen Landschaft wiederzugeben scheint. Zugleich handelt es sich um die Grenzregion nahe des Bodensees und der Schweiz – es ist die deutsche Grenzregion, die sinnbildlich für die territorialen Ansprüche des nsRegimes gelesen werden kann. Details von Wäldern, Feldern, Infrastruktur und die Lokalisierung von Ortschaften sind zwar marginalisiert, als Elemente jedoch deutlich erkennbar. Warnke erläutert, dass Abbildungen von Landschaft mit Agrarbezug in Form von Felderwirtschaft, Wäldern, Wasserläufen und anderen Elementen bereits im 16. Jahrhundert einer herrscherlichen Dimension unterstehen.132 Dies geht zurück auf die »Landmarke«, die bis ins 16. Jahrhundert gebräuchlich war, um Grenzen zu definieren. Landschaftliche Elemente wie Wälder, Flüsse und andere Landmarken markierten demnach vielfach Grenzverläufe.133 Diese sind unter dem Begriff »natürliche Grenze« geläufig, wenngleich ihre Beschaffenheit auf einer vom

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Menschen geformten Landschaft basiert.134 Die Gestaltung von Landschaft wird somit als Ergebnis politischer Entscheidungen dargestellt, die einem agrarpolitischen Gestaltungswillen folgen.135 Zwar ist in Bezug auf Dix nicht davon auszugehen, dass hier ein subjektiver Besitzanspruch angedeutet wird, das Gegenteil im Sinne seiner Unzugehörigkeit zu der Landschaft erscheint plausibel. Die Thematisierung der Landschaft inklusive zentraler Wahrzeichen ist im Zusammenhang mit der geografischen Einbettung relevant. Grenzsituationen und damit die Abgrenzung von Machtansprüchen können sich anhand von Gebirgen, Gewässern, Gräben oder Ähnlichem manifestieren. Die hier gezeigten Gebirgszüge nehmen sowohl Bezug auf die Wahrzeichen der Region – namentlich etwa der Vögeli – wie auch nebst Bodensee auf nationale Grenzmarkierungen zur Schweiz.136 Der inhaltliche Schwerpunkt in Dix’ Gemälde randegg mit vögeli ist nicht eindeutig bestimmbar. Weder die Titelgebung noch die Bildkomposition mit der axialen Ausrichtung, die Anordnung vermeintlich zentraler Bildelemente wie die Anhöhe im Mittelgrund oder die kaum als solche identifizierbare menschliche Staffage beschreiben ein klar definiertes Narrativ. Vielmehr erscheint die positive Wirkung im Bild signifikant – resultierend aus der Diffusität der Farbwerte im oberen Bilddrittel und im Kontrast zu den filigranen Bildmotiven, die gewissermaßen die Zerstörung der Natur durch die Forstarbeiten zeigen. Die Bildstimmung ist zunächst einladend und verheißungsvoll. Aufgrund der räumlichen Erhöhung im Bereich des Himmels wird die Schau in die Ferne und zugleich auf die Landschaft hinab gerichtet. Über die Verbindung des weiß gehöhten gräsernen Vordergrundes mit der hellen Kuppe und dem in Pastelltönen gestalteten Himmel in der Ferne wird eine nahezu idyllische und ruhige Grundstimmung im Bild erzeugt. Zivilisatorische Spuren in der weiten Landschaft erzeugen – bedingt durch die dezent wirkenden warmen Farben – eine Assoziation von Ebenmaß und Einklang mit der umgebenden Natur. Der vordere Mittelgrund ist mit dunkleren, gesättigten Farbwerten gestaltet und zeigt angesichts der motivischen Darstellung im Detail und der mit dem lichten Himmel kontrastierenden Farbgebung inhaltliche Ungereimtheiten auf. Die inhaltliche Situation verursacht aufgrund der Bilddetails Irritationen hinsichtlich des ersten positiven Eindrucks und der Stimmung. Lediglich in den filigranen Bildelementen treten Einzelheiten hervor, die den Einklang von Mensch und Natur schmälern. Am rechten Bildrand, weitab vom Bildzentrum, ist das marginale Bildpersonal dargestellt. Nahezu heimlich und im Verborgenen mutet die Darstellung der beiden Forstarbeiter an, wie sie die Rodung des Waldes mit Äxten, Sägen und Feuer vorantreiben. Im Kontext der übrigen, ebenmäßig erscheinenden Landschaft hat dieser Bildabschnitt bei der genauen Betrachtung eine störende Wirkung. Die Brand-



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rodung verdeutlicht das gewaltsame menschliche Eingreifen in die Natur. Die Szene ist proportional zum Bildmaß und dem umliegenden Landschaftsmotiv jedoch derart marginal, dass sie erst bei genauem Hinsehen für die Betrachtenden erkennbar wird. Zusätzlich erzeugen insbesondere die im Halbschatten an der rechten Bildkante angeordneten Bäume und die Schnittfläche der abgeschlagenen Baumkrone im vorderen Mittelgrund ein morbides Flair und stellen damit einen Gegenpol zur süßlichen Bildstimmung dar. Die mangelnde Einbindung figürlicher Staffage in die landschaftlichen Sujets der 1930er und 1940er Jahre steht in deutlichem Kontrast zu Dix’ am Menschen orientierten Gattungsschwerpunkt der 1920er Jahre. Die Nebensächlichkeit der figuralen Staffage wirkt deshalb gezielt trivial, überspitzt und plakativ. Der Maler verkehrt das Größenverhältnis der einst fokussierten Porträtierten in ihren sozialen Milieus ins Gegenteil: Das Milieu – Dix’ eigenes Milieu zur Zeit der Gemälde-Fertigstellung – ist in der Landschaft abgebildet und unproportional zum Bildpersonal als große, mächtige Natur wiedergegeben. Das Motiv des Menschen spielt darin eine untergeordnete Rolle. Zu seiner subjektiven Situation und dem Verhältnis von Landschaftsmalerei zum charakteristischen, am Menschen orientierten Fokus nach 1933 äußerte der Maler noch 1965: »Landschaften habe ich in der Nazizeit massenhaft gemalt. Hier war ja weiter nichts. Also raus in die Landschaft und Bäume gezeichnet, paar Bäume – so Sachen. Ich bin verbannt worden in die Landschaft. Landschaft. Zuerst war sie neu für mich. Jetzt habe ich sie so oft gesehen, jetzt nehme ich sie gar nicht mehr zur Kenntnis. Sie interessiert mich eigentlich auch gar nicht sehr. Menschen, Menschen viel mehr.«137 Nun band er im angeführten Gemäldebeispiel paradoxerweise allerdings Menschen in die Landschaft ein, hatte sich aber offensichtlich gegen ihre Sichtbarkeit in der Landschaft entschieden. Insofern eine Nicht-Sichtbarkeit intendiert war, hätte er auf das Figurenpersonal auch gänzlich verzichten können, das tat Otto Dix jedoch nicht. Vielmehr setzte er die Forstarbeiter in den Mikrokosmos ihrer Tätigkeit und band diese Szenerie in den Makrokosmos der gewaltigen Natur ein, wodurch er eine Zuschreibung ihrer Relevanz im Gesamtgefüge aufzeigt. Das Neue an der Landschaft – der Eindruck des Neuen war dem Wohnortwechsel und der veränderten Lebenssituation geschuldet – war Dix zufolge also Motivation und Antrieb zur Anfertigung der Arbeiten. Wenngleich er später kein gesteigertes Interesse an der Landschaft hatte, belegen vielzählige Landschaftsdarstellung in Zeichnungen, Studien und Gemälden jedoch die intensive, bis 1945 anhal-

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tende Auseinandersetzung des Malers mit der Bodenseeregion und damit dem ihn umgebenden Milieu. Es wird deutlich, dass Dix’ Interesse an der Darstellung von Menschen in ihren Milieus – wie am Beispiel der Forstarbeiter gezeigt – grundsätzlich auch während des Nationalsozialismus fortbestand. Allerdings sind sie nun Teil der Landschaft und die Landschaft ist nicht mehr rahmendes Beiwerk für den Menschen. Bislang wurde nicht analysiert, aus welchem Grund Dix seine Landschaften nahezu ohne menschliche Staffage gestaltete respektive sie als Marginalien bis zur Unkenntlichkeit modellierte, obwohl sein besonderes Interesse den Menschen in ihrem Milieu galt.138 Aus welchem Grund findet das vormals primäre Bildthema nahezu keine Erwähnung in Dix’ landschaftlichem Bildrepertoire? Und weshalb band Dix figürliche Staffage in seine Landschaftsdarstellungen ein, auch wenn sie mit bloßem Auge kaum erkennbar sind? Ein Ansatz besteht in Dix’ Hinterfragung der eigenen Gegenwart und Partizipation an der neuen Lebenssituation nach dem 7. April 1933. Entbunden seines Amtes als Professor und abgewandt vom Lebenszentrum Dresden erscheint die Abkehr von der Porträtmalerei durch äußere Einflüsse bedingt. Die menschliche Gegenwart buchstäblich zu verschleiern mutet in diesem Zusammenhang als Ausdruck einer subjektiven Überprüfung der neuen Umgebung beziehungsweise der neuen Wohn- und Lebenssituation an. Auch die Staffelung der Bildgründe in Fragmente unterschiedlicher Farbwerte verortet die Betrachtenden in einer isolierten Bildebene. Aufgrund der räumlichen Separierung im Vordergrund ist es für sie nahezu unmöglich, visuell zum Geschehen im Wald vorzudringen. Die Überschauperspektive ermöglicht den Einblick in die ambigue Situation im vorderen Mittelgrund zwischen offerierter harmonischer Atmosphäre und den en detail gezeigten Geschehnissen. Was im vergrauenden Mittel- und Hintergrund geschieht, ist hingegen nicht erkennbar. In Anbetracht der Lebens- und Arbeitsverhältnisse von Otto Dix erscheint der Blick vom Podest über die weite Landschaft in die Ferne inklusive der farblichen Qualitätskontraste als selbstreflexives Moment: Entrückt von allen Geschehnissen und in die Natur, sinnbildlich auf den fernen Berg zurückgezogen beobachtet er die vorherrschenden Begebenheiten in der ihn umgebenden Landschaft von einem separierten Standpunkt aus. Zukünftige Entwicklungen liegen sinnbildlich in der Ferne.

otto dix und die romantik. das gemälde aufbrechendes eis (1940) Die vorangehenden Kapitel haben gezeigt, dass Dix seine Landschaftsrezeption sowohl auf affirmative wie auch auf negierende Weise gezielt anhand von Epochen respektive Künstlern ableitete. Die Romantik, die als Begriff das widersprüchliche Spektrum im Natur- und Landschaftsgefühl der Aufklärungstheorien im 17. und



Otto Dix und die Romantik. Das Gemälde »Aufbrechendes Eis« (1940) _ 337

18. Jahrhundert spiegelt – indem »Wahrheit und Handfertigkeit« nicht rational und empirisch verstanden sind, sondern im Sinne Caspar David Friedrichs einer »Göttlichkeit und Gemütlichkeit« folgen – stellt in dieser analytischen Trilogie das Finale dar.139 Nach Friedrich soll die Kunst eine Brücke zwischen den Betrachtern und der Natur herstellen. Die Motive der »heiligen Natur« dienen dabei »zur Andacht und Erbauung, zur Selbstfindung des Menschen […]«.140 Entsprechend stehen sowohl bildkompositorische Charakteristika als auch semantische Impulse in einem Verhältnis von Konsens und Dissonanz zur erhabenen, sublimen Landschaft. Dix fertigte das Gemälde aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) (Taf. 3), das 65 × 85 cm misst und am unteren rechten Bildrand monogrammiert und datiert ist, 1940 in Mischtechnik auf Holz. In vier Ebenen untergliedert zeigt Dix einen Vorder-, einen Mittel-, einen Hintergrund und den Himmel. Himmel und Mittelgrund nehmen jeweils ein Drittel der Bildfläche ein. Vorder- und Hintergrund ergeben flächenproportional in der Summe ebenso ein Drittel. Das Bild zeigt den Blick vom Ufer aus auf ein zugefrorenes Gewässer, dessen Eisfläche in Schollen zerbrochen ist. Am Südufer ist eine hügelige Landschaft sichtbar, an deren Fuß ein Dorf auszumachen ist. Die Kirche im Ortszentrum ist vom gleißenden Licht eines Regenbogens umhüllt, der in den stark bewölkten, dunklen Gewitterhimmel hinaufzusteigen scheint. Die Landzunge und das Gewässer fluchten in den Hintergrund der linken Bildhälfte und vergrauen zunehmend. Anhand des Bildtitels ist eine Lokalisierung des Dargestellten gegeben. Es handelt sich um die schweizerische Gemeinde Steckborn, die geografisch parallel zum deutschen Hemmenhofen – dem Wohnort der Familie Dix seit 1936 – am gegenüberliegenden Ufer des Bodensees angesiedelt ist.141 Der Vordergrund besteht vom linken Bildrand abfallend aus einem gräsernen braun-changierenden Uferbereich, der zur rechten Bildseite hin in die zerklüftete Eisfläche des Sees übergeht. An der Uferkante ist dunkelblaues, nahezu schwarzes Wasser mit bewegter Oberfläche erkennbar. Darauf schwimmen vereinzelte, in der Größe variierende Eisbrocken und Schollen, deren hellgrau-blau changierende Farbigkeit weiße Höhungen aufweist. Ihr Farbton wiederholt sich in der Eisdecke auf dem See und wird mit zunehmender Entfernung heller. Die großflächige Eisdecke ist mit groben dunklen und feinen hellen Rissen durchzogen, die bis zum Steckborner Ufer sichtbar sind. Zudem sind an beiden Ufern aufgeschwemmte Eisschollen dargestellt. Im Hintergrund sind die Risse und Kanten im Eis lediglich anhand von feinen Weißhöhungen erkennbar und verunklären schließlich in der Vergrauung. Im Detail wird darüber hinaus ersichtlich, dass die Eisfläche im äußersten Hintergrund mit hellen Lichtreflexen versehen ist und eine glatte, unbeschadete Oberfläche zeigt. Menschliche Staffage ist in keinem der Bildgründe sichtbar. Auf der ansteigenden Landschaft des Hintergrundes sind neben der Ortschaft deutlich h ­ ervortretende,

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das Dorf säumende Kronen vereinzelter Bäume wie auch Wälder abgebildet. Zudem sind zwischen den Baumreihen auf der rechten Bildseite Felder gezeigt. Die Häuser sind mit roten Dächern sowie weißen Fassaden gestaltet und stellen ein einheitliches Abbild dar. Die Gemeinde liegt am Ufer des Sees sowie auf der Anhöhe eines Berges, dessen Profil bis in dunkle Wolkenformationen hinaufragt und optisch mit ihnen verschwimmt. Von der rechten Bildkante bis ans linke Bilddrittel ist eine Gewitterfront dargestellt, deren große, schwere Cumulonimbus- und Nimbostratus-Wolken über den Bergkuppen und somit über der Gemeinde lasten. Im linken Bilddrittel reißt die Wolkendecke auf und das helle Blau des Himmels sowie eine weiße Wolke schimmern durch die massiven dunklen Wolken. Dieses meteorologische Szenario ist jedoch wie von einer dunklen Aureole bekränzt, sodass der linke Bildrand wiederum in obskurem Grau erscheint. Über das Aufbrechen der Wolkenfront hinaus ist in der Bildmitte vor dem Wolkenband der End- respektive Anfangspunkt eines Regenbogens sichtbar. Er scheint jedoch vor den dunklen Wolken zu verblassen und weist insbesondere am Auftreffpunkt an der Erde – auf dem Eis – eine erhöhte Farbintensität auf. Latent dezentral, aber dennoch im Zentrum des vertikal aufstrebenden Regenbogens ist die Kirche des Dorfes angeordnet, sodass die aufstrebende Achse des lichtumfluteten Turms an der oberen Bildkante regelrecht gekappt erscheint. Die Malweise ist vergleichbar mit den zuvor angeführten Bildbeispielen von Otto Dix, wobei die Bildfläche mit teils deckenden oder halbdeckenden Temperaund Holzölfarben, Lasuren sowie in Teilen pastos aufgetragenen Höhungen versehen ist. Das Farbschema des Gemäldes ist übergreifend in dunklen Farben und Farbnuancen gestaltet sowie in spezifischen Bildregionen unter der Verwendung von Weiß in der Lasur, dem durchscheinenden Gips- oder Kreidegrund sowie gezielten Glanzlichtern im Detail definiert.142 Die zeichnerischen Hervorhebungen wirken klar konturiert auf dem lasierten Grund. Insbesondere an der Uferregion im Bildvordergrund sind die weißen Konturlinien sowohl der Grashalme wie auch der Wasser- und Eisstruktur deutlich sichtbar. Aufgrund des hellen Farbtons und der Linienführung werden sowohl die Stofflichkeit der einzelnen Halme, des Wassers und des Eises wie auch der jeweilige Bewegungsverlauf zum Ausdruck gebracht. Auch die Details in den Hintergrundebenen sind aufgrund der feingliedrigen weißen Pinselstriche als Häuser, Baumkronen und Äste oder Stämme definiert. Alternierende Bildebenen wie die Felder mit strukturierter Oberfläche gehen auf einen gröberen Pinselstrich zurück. In den Wolken tritt schließlich ein malerischer Duktus zum Vorschein, der Assoziationen mit Alten Meistern wie Rembrandt (1606–1669) – wie am Beispiel landschaft im sturm (Datierung unbekannt) durch das malerische clair-obscur der Wolkenformation visualisiert ist oder Albrecht Altdorfers ­a lexanderschlacht im Sinne des meteorologischen Szenarios mit der durch



Otto Dix und die Romantik. Das Gemälde »Aufbrechendes Eis« (1940) _ 339

die Wolkenformation brechenden gleißenden Sonne – hervorruft (Abb. 9).143 Dem Wolkenmotiv ist ein stark ausgearbeitetes Helldunkel immanent, das – anders als die so oft von Dix verwendeten Kontraste – nicht die Gegenwirkung von Licht und Schatten postuliert, sondern auf seiner Einheit beruht und dadurch eine gesteigerte Plastizität erzeugt. Am äußeren linken Rand der Wolkenformation, welche die Landschaft vom rechten Bildrand ausgehend überdeckt, ist eine annähernd weiße Lichtreflexion gezeigt. Sie durchdringt die vorgelagerten Wolkenschichten, wodurch die plastische Wolkenstruktur im Detail herausgearbeitet ist. Trotz der überwiegend dunklen, grau-blauen, nahezu schwarzen Bildflächen ist Dix’ Gemälde durch die Lasuren von einem warmen Grundton gekennzeichnet. Somit ist die von dunklen Rissen gezeichnete Eisschicht durch eine leichte Eingilbung der Bildfläche geprägt, die im vorderen Bereich zu grünen bis hin zu leicht roten Nuancen führt. Das changierende Braun der grasbewachsenen Uferregion im vorderen Bildbereich kehrt in der Landschaft um den Ort in der gegenüberliegenden Uferregion – und dort insbesondere in den rot-braunen Baumkronen – wieder, sodass im Bild eine dunkle optische Klammer enthalten ist. Das dunkel irisierende Grau des Himmels und das tiefblaue Wasser bilden ebenso eine Farbwiederholung, die eine rahmende Wirkung erzeugt. Diese blau-grauen Farbpartien kontrastieren mit den rot-braunen Bildebenen im Vorder- und vorderen Hintergrund. Die Spektralfarben des Regenbogens sind auf die Primärfarben reduziert. Sie bilden den farblichen Höhepunkt und einen starken Kontrast zu den übrigen Farbwerten des Gemäldes. Sein flimmerndes Rot, Orange, Gelb und Blaugrün wirkt vor dem dunklen Malgrund transparent und gleißend hell. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass eine zugrunde liegende weiße Lasur die Leuchtkraft der darüber aufgetragenen Farben unterstreicht. Mit filigranem weißem Pinselstrich aufgetragen überlagern der Kirchturm und die vom Licht scheinbar erhellten Motive den Lichtkegel des Regenbogens. Diese Bildelemente erscheinen in der Komposition wie vom Regenbogen erleuchtet, wenngleich sie maltechnisch in umgekehrter Abfolge aufgetragen sind. Das Eigenlicht des Regenbogens entfaltet bei näherer Betrachtung eine surreale Wirkung, da in der düsteren Atmosphäre keine natürliche Lichtquelle für seine Leuchtkraft vorhanden ist. Daher kann es sich nicht um die Abbildung einer real wahrgenommenen Situation handeln. aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) enthält im Gegensatz zu anderen Landschaftsdarstellungen von Dix keine Überschauperspektive. Die Bildkomposition ist zentralperspektivisch ausgerichtet und eröffnet ein Blickfeld von der Uferkante im Vordergrund über den zugefrorenen See. Am gegenüberliegenden Ufer erscheint der Dorfkern, der im Licht des Regenbogens steht, zunächst als Bildzentrum. Dies wird von einer dichten, dunklen Wolkendecke umspannt, die im linken Bildteil aufbricht und den Blick in ein zartes Blau-Grau frei gibt.

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Neben der Farbkomposition lenken die kompositorische Anordnung und die axiale Ausrichtung den Fokus auf den Regenbogen mit Kirchturm. Über die gesonderte Farbgebung hinaus scheint die Kirche im Licht des Regenbogens in der Mitte des Bildes sowie im kompositorischen Zentrum verankert zu sein. Ausgehend vom Vordergrund bilden die Kanten der zerborstenen Eisfläche variierende diagonale Achsenverläufe im Bild. Sie verweisen nicht konkret auf die Kirche, sondern auf die gehäuften Eisschollen, die als pastose Farbschichten am Ufer vor dem Dorf gezeigt sind. Mit dem Regenbogen, der als breiter Strahl von der Mitte der oberen Bildkante bis zur Eisfläche am Ufer des Sees vor dem Dorf verläuft, ist zudem eine leicht schräge Vertikale gegeben. Dabei handelt es sich um die einzige vertikale Achse im Gemälde. Die einzige annähernd horizontale Kompositionslinie bildet das unterhalb der Bildmitte verlaufende Seeufer. Die Vertikale und die Horizontale stellen die kompositorischen Hauptachsen dar und kreuzen einander unterhalb des Kirchturms auf der zuvor benannten, in Schollen zerklüfteten Eisfläche im Uferbereich. Durch dieses axiale Kreuz im Bildzentrum wird die Bildfläche kompositorisch in vier nahezu identische Abschnitte zergliedert. Die axiale Schnittstelle markiert den Auftreffpunkt des Regenbogens auf der Erdoberfläche, von dem ein seltsames Leuchten ausstrahlt. Wider der natürlichen Gegebenheiten ist die Lichtquelle auf dem Eis zu verorten. Von diesem Punkt ausgehend weisen sowohl die himmelwärts gerichteten Eisschollenhaufen im Uferbereich als auch die gebündelten Farben des Regenbogens vertikal empor. Da die sakrale Architektur in die zentrale Lichtquelle eingefasst ist, liegt eine Vergleichbarkeit mit dem von Alten Meistern wie Antonio da Correggio (1489–1534) verwendeten, symbolisch aufgeladenen »sakralen Leuchtlicht« nahe.144 So wird die Lichtquelle im Gemälde die heilige nacht (Abb. 72) durch den Säugling verkörpert. Dix verwendete keine figürliche Staffage und verortete seine Lichtquelle entgegen des kunsthistorischen Vorbildes schlicht in der Eisfläche des zugefrorenen Bodensees. Hier zeigt sich eine modifizierte Rezeption des »sakralen Leuchtlichtes«.145 Dix profaniert mit der Lichtquelle das ursprünglich sakral determinierte Licht. Der vom emporstrebenden Regenbogen umgebene Kirchturm fügt der Szene wiederum einen sakralen Symbolgehalt zu. Der Umstand, dass das Leuchtlicht nicht von der Kirche, sondern von einer vermeintlich unbedeutend erscheinenden Eisschicht ausgeht, widerstrebt zwar dem sakralen Kompositionsgedanken, doch erstrahlt die Kirche aufgrund dessen im Bildzentrum des Gemäldes. Die eingehende Betrachtung legt darüber hinaus offen, dass verschiedene Faktoren im Bild Unklarheiten aufwerfen. So erscheint es auffällig, dass Dix über die Verwendung eines klassischen Repoussoirs – im Sinne eines für die Betrachter geebneten Bildeinstiegs – hinwegsieht und auch keine rahmenden Bildelemente am linken oder rechten Bildrand einfügt. Das bedeutet, dass ein visueller Zufluchtsort nicht gegeben ist. Die dunklen Risse in der zusammenhängenden Eisschicht destabi-



Vergleichsanalyse von Caspar David Friedrichs »Eismeer« (1823–1824) _ 341

72  Antonio da Coreggio. die heilige nacht um 1528/30, Öl auf Pappelholz, 256,5 × 188 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

lisieren die Binnengliederung zudem und entwickeln im Kontext mit dem dunklen Primärton, dem herrschenden Unwetter sowie der fehlenden kompositorischen Bildbegrenzung auf der rechten wie linken Seite eine bedrohliche Wirkung. Die destabilisierenden Risse im Eis, die axial auf das Dorf verweisen, versinnbildlichen Gefahr und zeigen die Unmöglichkeit einer Überquerung auf. Das Eis am gegenüberliegenden Ufer erscheint noch unberührt und ungebrochen und wird dabei aufgrund der ihm immanenten Symbolbeleuchtung glorifiziert.

vergleichsanalyse von caspar david friedrichs eismeer (1823–1824) Hinsichtlich der stilistischen Mittel greift Dix auf Bildmuster der Romantik zurück. Das Werk ist geprägt durch eine bildimmanente Dramatik, die primär durch die Kompositionsstruktur sowie die motivisch-symbolische Komponente und die ambige Atmosphäre suggeriert wird. Die Bildschwerpunkte sind mit verschiedenen Aspekten im Sinne des Symbolismus und der stilistischen Umsetzung in der Romantik zu ver-

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gleichen. Anhand konkreter Vergleichsgemälde treten Dix’ symbolische, motivische und stilistische Zitate zum Vorschein. Dementsprechend stehen die angeführten Naturphänomene sowie die daraus hervorgehende Bildstimmung in Zusammenhang mit den kompositorischen und motivischen Merkmalen der Romantik. So bilden die in Eisschollen zergliederte Oberfläche des Sees, das Motiv des Regenbogens und die dramatische Stimmung konkrete Bezugnahmen zur Malerei Caspar David Friedrichs. Sowohl in der Literatur als auch in der Landschaftsgestaltung und insbesondere in der Landschaftsmalerei fanden Naturphänomene seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert ihren Ausdruck. Von den Literaten Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773– 1798) und Johann Ludwig Tieck (1773–1853) wurde die Relation von Kunst und Religiosität in drei Ebenen gegliedert. Als ästhetische Wahrnehmung der christlichen Religion im Zeitalter der Aufklärung, als Erhebung der Malerei zum Göttlichen und ferner zum Ausdruck unerfüllter Sehnsucht und Entfremdung.146 Einhergehend mit der Naturerfahrung und dem besonderen Interesse an der unberührten, ursprünglichen Natur wurde danach getrachtet, den Zusammenhang eines geistigen und weltlichen Ganzen wiederherzustellen.147 Die Hinwendung zur Religion ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Aspekt.148 Diese innere Haltung basierte auf den Erfahrungen der Aufklärung, der Französischen Revolution und epochalen Zäsuren, die mit dem Überkommenen brachen und das Gefühl für den Verlust der Ursprünglichkeit verstärkten.149 Schlagworte wie Enthusiasmus, Schwärmerei oder Melancholie charakterisieren die romantische Erfahrung sowie den poetischen Impetus und stehen dem wissenschaftlich-empirischen Weltbild der Aufklärung damit gegenüber.150 Das Vertrauen auf die innere Kraft des Individuums, die äußere Realität zu transzendieren, bildete das geistige Zentrum der Romantik.151 Die Romantik bezog sich dabei auf mittelalterliche Thematiken im Sinne des Einbezugs von Religion und Natur und reformierte die tradierte christliche Ikonografie in oftmals profane Motive.152 Als ein kompositorisches Äquivalent zu Dix’ Linienführung ist Caspar David Friedrichs Gemälde eismeer (um 1823/1824) anzuerkennen (Abb. 73). Das Bild zeigt eine winterlich-polare Situation, in deren Zentrum eine Anhäufung von Eisund Erdplatten gezeigt ist, die den Vorder- und den Mittelgrund ausfüllt.153 Die Platten sind teilweise mit gischtähnlichen Schneeansammlungen gesäumt und variieren in ihrer Tonalität zwischen dunklen und hellen, grauen bis braunen, grünen und gelben Farbnuancen. Im Detail sind auf der linken Bildseite fünf längliche, schmale Baumstämme erkennbar, die aus der Eisoberfläche emporstreben. Im rechten Bildbereich durchstößt ein zerschelltes Schiffsheck die Eismassen. Den Hintergrund bildet eine weite verschneite Ebene, die zugleich die gerade Horizontlinie definiert. Lediglich vereinzelt aufgetürmte Schollenberge sind schemenhaft in dieser Ebene erkennbar. Der Himmel knüpft mit seinem hellen Eisblau an den Hintergrund an



Vergleichsanalyse von Caspar David Friedrichs »Eismeer« (1823–1824) _ 343

73  Caspar David Friedrich. eismeer um 1823/24, Öl auf Leinwand, 96,7 × 126,9 cm, Hamburger Kunsthalle

und wird durch seine einheitliche Farbigkeit geprägt. Lediglich am oberen Bildrand bricht die Homogenität in Form eines weiß-changierenden Wolkenfeldes auf. Dieser helle Bereich bildet das kompositorische Pendant zum zentralen Motiv der Schollenansammlung im Vorder- und Mittelgrund. Abgesehen von der Gliederung der Bildgründe und motivischen Details in Dix’ Darstellung verwendet auch Friedrich eine hervorstechende, bilddominierende Achsenkomposition in seinem Gemälde. Zunächst erscheint die Komposition als willkürliche Anhäufung von Eisschollen, die als ein Gerüst dynamisch variierender Achsen zwei Drittel des Bildraumes einnehmen. Die Komposition wirkt als überproportionales Repoussoir, dessen Ausmaße mehrere Bildebenen umfasst. Da die Platten den optischen Weg in die Eislandschaft versperren, wird die tradierte Repoussoir-Funktion als einleitendes, tiefenwirksames Bildelement geradezu aufgehoben. Die emporklaffenden Schollen erzeugen eine bedrohliche Situation. Zudem sind keine landschaftlich auflockernden Motive wie beispielsweise ein offenes Gewässer dargestellt, wodurch zusätzlich eine isolierte Situation suggeriert wird.154 Lediglich der am Himmel sichtbare helle Lichtreflex verleiht dem Gemälde eine optische Aufhellung in der bedrückend wirkenden Atmosphäre.

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Die Komposition der Eisplatten ist zwischen dem Vorder- und dem Mittelgrund heterogen. Im Vordergrund sind die Schollen vornehmlich horizontal gegliedert und im Mittelgrund sind sie diagonal aufeinander lastend oder entgegenlaufend angeordnet. Johannes Grave beschreibt die Gesamtanordnung des Berges als eine »eingefrorene Spiraldrehung«. Sie wiederholt sich im Hintergrund und durchbricht die nahezu ebenmäßige Horizontlinie.155 Die Schollen rufen eine bildimmanente Unruhe hervor, die – von Peter Rautmann als Konfliktstruktur bezeichnet – den Betrachtern eine spezifische Stimmung der Verlorenheit in der monumentalen Plattenkonstruktion suggeriert.156 Den Gemälden von Dix und Friedrich ist folglich eine prägnante Achsenkomposition im jeweils zentralen Blickfeld gemein. Zwar handelt es sich bei Dix’ Variante der winterlichen Landschaft um eine flächige Ausrichtung der Achsen, wohingegen Friedrichs Darstellung einen plastischen Berg zeigt, in der Konsequenz stimmen beide Kompositionen jedoch formal überein. Den Betrachtenden ist es jeweils unmöglich, die als Hindernis konzipierte Achsenkomposition zu überwinden. Neben den kompositorischen Bezügen bestehen auch im Verweis auf die marginalisierte menschliche Zivilisation Übereinstimmungen. So zeigt Friedrich das Schiffsheck zwischen den Eisschollen auf der Mittelachse der rechten Bildseite. Auch die hervortretenden Baumstämme auf der linken Seite, deren Zugehörigkeit jedoch nicht eindeutig erschlossen werden kann, verweisen auf die Gegenwart von Menschen und Landschaft.157 Beide Bildelemente, die Baumstämme wie auch das Schiff sind von solch marginaler Größe, dass sie in der Forschung als »auf die Nichtigkeit der menschlichen Bestrebungen hinweisend« beschrieben sind.158 Menschliche Staffage ist darüber hinaus nicht ins Gemälde integriert. In der Marginalität der zivilisatorischen Verweise wie auch in der Nicht-Einbindung von Bildpersonal besteht folglich eine Analogie zwischen Dix’ Darstellung und der Abbildung des Romantikers Friedrich. Naturelemente und Landschaft werden proportional übersteigert beziehungsweise dienen als motivischer Schwerpunkt. Zugleich tritt der Mensch verhältnismäßig in den Hintergrund und Aspekte wie Erhabenheit der Natur und Demut ihr gegenüber geraten in den semantischen Fokus. Da in der Romantik von der Vernunft und damit auch vom moralisch basierten ErhabenheitsVerständnis nach Schiller und Kant Abstand genommen wurde und »das Gefühl« zum Leitmoment avancierte, steht in der künstlerischen Ausdrucksform das Sublime im Vordergrund.159 Darüber hinaus besteht ein besonders hervorzuhebendes Merkmal in der Gewalt-Konnotation, die in beiden Gemälden gleichsam in der zackenförmigen Komposition der Eisschollen gegenwärtig ist. Die motivisch erzeugte Dramatik wird in Dix’ Gemälde durch das drohende Unwetter sowie die fragile Eisschicht des Untersees zum Ausdruck gebracht. In Friedrichs Darstellung wird dieser Ein-



Vergleichsanalyse von Caspar David Friedrichs »Eismeer« (1823–1824) _ 345

druck mit dem zerschellten Schiff und den aus dem Eis ragenden Baumstämmen untermauert. Lediglich in symbolischer Hinsicht ist eine Loslösung aus der isolierten Situation möglich. So legt etwa Matthias Eberle zur der Bildstruktur zugrunde liegenden Emblematik bei Friedrich dar, dass »[die] Vermittlung zwischen der eigenen, an das Hier und Jetzt gebundenen Existenz und der die Phantasie und die Einbildungskraft herausfordernde Ferne160 […] denn wohl auch das Generalthema der Friedrichschen Kunst [ist]. […] Der Betrachter von Friedrichs Gemälden steht also in den Bildern einer Welt gegenüber, deren Sinn für den Menschen nicht mehr ohne weiteres einsichtig gemacht werden kann«.161 Im Zusammenhang mit dieser auf Transzendenz und Kontemplation hin ausgerichteten Lesart sind die eingesetzten Bildmotive und ihre ikonografische Komponente ebenso als grundlegend zu erachten wie der Einsatz von Bildstimmungen und aufgeladenen Atmosphären in beiden Gemälden. Die Kompositionen sind jeweils auf eine das Bildzentrum definierende Lichterscheinung hin ausgerichtet. Friedrich tauchte seine Darstellung in ein gleichmäßiges, diffuses Licht, das eine kalte Atmosphäre suggeriert. In Form eines diffusen Wolkenfeldes, über dem die Sonne im Zenit steht, wird der Mittelpunkt an der oberen Bildkante lokalisiert, wodurch ein natürliches Leuchtlicht gegeben ist, das aufgrund der kompositorischen Brisanz jedoch einen besonderen Status im Bild innehat.162 Demgegenüber steht Dix’ vermeintlich symbolisches Leuchtlicht, das aus der Eisschicht vor dem Steckborner Ufer heraustritt und durch den herausstrahlenden Regenbogen und die sakrale Architektur als emporzeigender Verweis auf das himmlische Gotteshaus übersteigert wird. Das Finale bildet diese Darstellung im Kontext der Gewitterfront, die über dem Dorf lastet und in starkem Kontrast zur Farbigkeit der Lichterscheinung des Regenbogens steht. Im Sinne einer christlich-ikonografischen Auslegung als überirdische Erscheinung ist den Lichtquellen in Dix’ wie auch Friedrichs Gemälde eine Hoffnungs-Konnotation immanent. Die symbolische Auslegung mag hingegen differieren. Die Untersuchung hat bisher ergeben, dass Dix’ Gemälde aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) Bezüge zu Friedrichs eismeer hinsichtlich der kompositorischen sowie der motivischen Darstellung aufweist. Der folgenden Analyse obliegt es nun, die kunsthistorische Relevanz dieser Übereinstimmungen festzustellen und die Frage zu beantworten, auf welche Weise Dix die stilistischen und motivischen Bildeigenschaften aufgreift und sich zur Motivtradition des Transzendentalen in der Landschaftsmalerei positioniert.

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zur christlichen ikonografie von regenbogen, kirchenmotiv und kreuz-komposition Vergänglichkeit symbolisierende Motive fanden ihre Verwendung besonders in Zeiten der politischen und gesellschaftlichen Zerrüttung wie in Kriegsjahren oder anderen Bedrohungen, etwa durch Epidemien.163 Verbildlichungen oder literarischen Mahnung im Hinblick auf den Tod zum Nachdenken über die Flüchtigkeit des Lebens sowie zur moralischen Reflexion über Eitelkeit und Hochmut fanden in Vanitas-Stillleben einen fruchtbaren Nährboden. Zugleich wurden die Menschen im Zuge der protestantischen Weltablehnung zur melancholischen und tugendhaften Empfindung angeregt.164 Melancholie und Tugend sind demnach primäre Parameter des Vanitasbegriffs. Mit der Aufklärung erfährt die Darstellung der einst als Kulisse einer theologischen Reflexion fungierenden Landschaft eine inhaltliche Kehrtwende. Die Landschaftsmalerei entwickelte sich zu einem mentalen Stimmungskatalysator, der die Landschaft mit der Melancholie verschmolz.165 Mit der Romantik rückten reflexive Aspekte wie Andachtsmomente und Kontemplation in den Fokus. So wurden Naturmotive und Landschaftskompositionen von Malern der Romantik wie Carl Gustav Carus oder Caspar David Friedrich mit semantischer Aufladung abgebildet. Am Beispiel des Mond-Motivs wird etwa die politische Zuschreibung während der Restaurationszeit als zukunftsweisendes Symbol deutlich, das im Sinne des Lichtscheins in der Dunkelheit und damit als Verheißung einer helleren Zeit verstanden wurde. Auch die Maler der Romantik banden dieses Motiv ein, verfolgten hingegen keine politischen Aussagen, sondern folgten vielmehr einem Interesse, das an der Natur und der Andacht und somit religiös ausgerichtet war.166 In diesem Zusammenhang kommt dem von Nina Hinrichs besprochenen Begriff der Erhabenheit in der Romantik eine tragende Funktion zu.167 Als Charakteristikum für Bildstimmungen und bildimmanente Atmosphären verwendet, nimmt dieser Begriff Bezug auf die künstlerische Intention und motivische Gestaltung wie auch die Bildrezeption und die bei den Betrachtern evozierte Wirkung. So legt die Autorin dar, dass das »Gefühl an Bedeutung [gewann] und dem in der Aufklärung gültigen Diktum der Vernunft entgegengesetzt [wurde]. Dadurch wurde auch die moralische Belegung der Erhabenheit, die in Kants und Schillers Theorien formuliert ist, zunehmend obsolet«.168 Und weiter: »Die von Kant und Schiller vertretene Idee der geistigen Erhebung durch metaphysische Gedanken und der damit verbundenen moralischen Souveränität des Menschen wurde von Friedrich nicht übernommen.«169 Den Begriff der Erhabenheit habe Friedrich demnach in Abgrenzung zu den angeführten Philosophen verwendet und ohne eine konkrete Definition vielmehr »im Sinne von ›bedeutsam‹, ›groß‹, ›schön‹, ›überlegen‹ und ›edel‹ und häufig mit religiöser Belegung« verwendet.170 Dabei wurde das Erhabene in der



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Kunst mit religiöser Konnotation versehen und dadurch als positiv konnotiertes Andachtsmoment verstanden. Auf diese Weise grenzte sich Friedrich einerseits von Kants Kunstauffassung ab, nach der die Kunst ein vermittelndes Medium zwischen Natur und Mensch bildet und lediglich die Natur und »Naturobjekte« selbst als erhaben erachtet werden können, andererseits besteht ein Unterschied zu Schillers »erhabener Empfindung«, die durch die Kunst hervorgerufen werden kann. Hier stellt Hinrichs den »Aspekt des sympathetischen Leidens im Rahmen der Kunstrezeption [heraus]«, von dem sich Friedrich in der Vermittlung des Schönen, Großen und Andächtigen abgrenzte. Motivisch bedingt könnte Dix’ Gemälde aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) als Religiositäts-Verweis begriffen werden und damit auch im Erhabenheits-Diskurs von Friedrich oder Schiller begriffen werden. Die konkrete Symbolik des Regenbogenmotivs sowie das implizite Leuchtlicht, der Anordnung der Kirche und ihr metaphorisches Erscheinungsbild legen diese Lesart nahe. Ein weiteres zentrales Motiv stellen die zusammenlaufenden Primärachsen – die vertikale und die horizontale Mittelachse – dar, deren Überschneidung die Form eines Kreuzes ergibt. Die bildimmanente bedrohliche Atmosphäre ist dabei als Reverenz auf atmosphärische Landschaftsdarstellungen der Romantik lesbar, wobei es der Analyse obliegt zu zeigen, inwiefern Dix’ Gemälde Bezugnahmen auf romantische Parameter aufweist und der Maler tatsächlich eine religiöse Rezeption anvisierte. In diesem Zusammenhang bringt das reale Narrativ das sprichwörtliche Licht ins Dunkel. Dieses wie auch die bildimmanente Menschenleere und Düsternis sowie der seltsam leere Bildmittelgrund stellen eine Zuschreibung des Erhabenheits-Begriffs nach Kant, Schiller und Friedrich jedoch infrage. Daher werden die primären Motive des hier im Verhältnis zur jeweiligen Motivtradition, Zuschreibung und Verwendung in der Romantik untersucht. Das Regenbogenmotiv wurde bereits von germanischen Stämmen wie auch in der griechisch-römischen Mythologie und in biblischen Zusammenhängen verwendet.171 Er galt etwa als »Verbindungsbrücke von den Göttern zur Erde« respektive biblisches Symbol für den Bund Gottes mit den Menschen.172 Gerd Heinz-Mohr legt im lexikon der symbole von 1998 dar: »Die Bibel betont mehr den Zeichenund Botschaftscharakter als den Gesichtspunkt der Brücke. Nach 1. Mose, 9 11 ff. ist der R. das Garantiezeichen Gottes an Noah, daß die Erde von keiner Sintflut mehr heimgesucht werden wird […]«, wodurch die Symbolik moralisierend und damit normativ wie auch zukunftsweisend angelegt ist. Das Regenbogenmotiv mit darauf thronendem Gott oder Christus in Endzeit-Darstellungen fand dagegen Verwendung in der offenbarung des johannes (Offb. 4,3) und weist »entweder auf die bleibende Bundestreue Gottes oder auf einen neuen Bund für den neuen Himmel und die neue Erde [hin]«.173 Exemplarisch zeigt Hans Memlings Darstellung der

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74  Joseph Anton Koch. gewitterlandschaft mit heimkehrendem reiter und regenbogen um 1830, Öl auf Leinwand, 75,7 × 103 cm, Stuttgart, Staatsgalerie

Vision des Evangelisten Johannes auf Patmos (1474–1479) den von zwei Regenbogen-Aureolen eingefassten und in der himmlischen Architektur thronenden Christus in der oberen linken Tafelseite. Zwar bildet Dix in seiner Landschaft keine apokalyptische Darstellung im Sinne einer vom Regenbogen bekränzten oder darauf thronenden Gestalt Christi oder Gottes ab. In Anbetracht des realen Zeitbezugs und der von Otto Dix verhandelten politischen Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs und damit der Entstehungszeit des Gemäldes erscheint die Endzeit-Zuschreibung und -semantik am Motiv des herabschmetternden Regenbogens jedoch betrachtenswert. Zwar rekurriert Dix nicht auf die »Zeichen […] eines neuen Bundes für den Himmel und die neue Erde«, aber indem er sich der Symbolik bedient, verwendet der Maler die tradierten Mechanismen zur Abbildung einer Umbruchsituation mit endzeitlicher Konnotation. Eine Adaption des symbolischen Fundus mit metaphorischer Neuzuschreibung scheint gegeben. Ferner ist das Motiv mit Blick auf Dix’ farbspezifische Darstellung der Lichterscheinung und den symbolischen Zusammenhang relevant. Hildegard Kretschmar führt mit Bezug auf Gottfried von Viterbo (12. Jahrhundert) aus: »Blau – Sintflut, Rot – künftiger Weltbrand, Grün – neue Erde« und ergänzt zur Drei-Zahl die Dreifaltigkeits-Konnotation. Die sieben Spektralfarben seien demnach »auf die sieben Gaben des Hl. Geistes oder auf die sieben Sakramente« bezogen.174 Die von Dix für seine profane Darstellung getroffene Farbwahl und Reduktion auf die changierenden Primärfarben mündet zwar nicht in eine konkrete theologische



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75  Caspar David Friedrich. gebirgslandschaft mit regenbogen um 1809/10, Öl auf Leinwand, 69 × 102 cm, Essen, Museum Folkwang

Auslegung. Durch die motivische Übersteigerung, die mit der Überlagerung von Kirche und farbigem Regenbogen gezeigt ist, suggeriert der Maler jedoch eine symbolisch im christologischen Sinne angelegte Aufladung des Dargestellten. Zurückgehend auf die kunsthistorische Entwicklung, Prägung und Kanonbildung der hier besprochenen Bildelemente, nahm Dix Bezug auf derartige Motive, Kompositionen und Zuschreibungen, wie am Beispiel des Gemäldes aufbrechendes eis deutlich wird. So rekurriert seine Landschaftsrezeption und -konzeption sowohl auf die Bildund Symboltradition der Romantik wie auch auf mittelalterliche Vorläufer.175 In der klassizistischen wie auch der romantischen Landschaftsmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts wurde das symbolisch aufgeladene Motiv unterschiedlich konnotiert eingebunden. Als beispielhaft gelten hier etwa die gewitterlandschaft mit heimkehrendem reiter und regenbogen (um 1830) von Joseph Anton Koch (1868–1938) sowie Caspar David Friedrichs gebirgslandschaft mit regenbogen um 1810 (Abb. 74, Abb. 75). So wird das Andachts- oder Erhabenheitsmoment in der Landschaftsmalerei der Romantik durch Symbole wie Regenbogen oder Gebirgsmassive, wie etwa in Johann Anton Kochs (1768–1839) Malerei, im Verhältnis zur Stellung der Figuren im Bild verdeutlicht. So beschreibt Matthias Eberle dieses Verhältnis als Aufhebung der Einheit des Raumes und zugleich als Gleichwertigkeit der Bildelemente: »Diese beiden Motive [Gebirgsmassiv und Regenbogen] unterstützen nicht etwa die Handlungen und Gesten der Figuren, sie stehen ihnen gegenüber. Die Figuren verhalten sich zur Natur, sie stehen ehrfürchtig, distanziert, erwartend

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vor ihr. Sie zeigen ein Verhältnis von Menschen an, die dem Erhabenen und Göttlichen der Natur gegenüber durch die Ahnung darum innerlich größer werden, sie zeigen aber nicht das Verhältnis von Heroen, die in Einstimmung mit der Natur und deren innerer, göttlicher Ordnung leben. […] Mit der Verwandlung der individuellen Form zum Typus, mit der gleichartigen und deutlichen Zeichnung und der Betonung der Lokalfarbigkeit eines jeden Körpers, mit der Ordnung der einzelnen Motive zu ›Gattungsauftritten der Natur‹ (Koch), in denen das Typische von Ebene, Hügelland und Gebirge sichtbar wird, mit der Betonung des in sich geschlossenen Kreislaufs der Natur (Wolken über den Bergen, Abfließen des Wassers, Sammeln, Aufsteigen des Rauches), mit der Vermeidung alles Zufälligen und Vereinzelten im Raum wie in der Zeit, erreicht der Künstler die erwünschte Freiheit von der Wirklichkeit, von der individuellen, sinnlichen, empirischen Erfahrung. Gleichzeitig ist solche Auffassung Ausdruck der Hoffnung auf Freiheit durch den Geist, durch das Denken und Nachvollziehen von erhabenen Ideen, nach denen die Welt des Bildes gestaltet wird.«176 Indem Dix eine menschenleere Landschaft mit den verankerten Motiven Regenbogen und Gebirge im fernen Hintergrund zeigt, schafft der Maler eine Distanz zwischen den Bildbetrachtenden und dem Gesehenen. Auch hier ist es keine Heroisierung des Menschen, die von der Darstellung ausgeht. Aufgrund der mangelnden figuralen Staffage im Bild kann vielmehr auf ihre untergeordnete Rolle in der Natur geschlussfolgert werden. Da es sich um den Hemmenhofener Abschnitt des Untersees handelt, ist es naheliegend, dass eine real wahrgenommene Perspektive des Malers gezeigt ist und es sich damit um eine »empirische Erfahrung« handelt. Ob man jedoch von einer »Freiheit von der Wirklichkeit« sprechen kann, lässt sich erst anhand der zugrunde liegenden Gegebenheiten zur Entstehungszeit und am Entstehungsort des Gemäldes 1940 erkläent. In der Farbkomposition zu aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) erscheint der farbintensive, leuchtende Regenbogen als prägnantes, hervorstechendes Motiv in einer menschenleeren Landschaft. Im Verhältnis zu Darstellungen Caspar David Friedrichs stellt Dix keinen vollendeten Bogen im Sinne einer Brücke zwischen himmlischer Sphäre und der irdischen dar, wie dies Friedrich im Gemälde gebirgslandschaft mit regenbogen zeigt. Dix zeigt einen herabschmetternden Lichtstrahl, der von der Eisfläche emporstrahlt und abrupt an der oberen Bildkante endet. Da die Spektralfarben als kompakter Strahl von der Eisfläche emporleuchten und von den Quellwolken des Gewitterhimmels absorbiert zu werden scheinen, kontrastiert die Ausmodellierung des Regenbogens zur ebenmäßigen Gestaltung der filigranen Lichtgestalt in Friedrichs Darstellung. Seine



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Wiedergabe der Gebirgslandschaft steht mit der menschlichen Naturerfahrung wie auch religiöser Konnotation im thematischen Zentrum. Kompositorisch entfaltet der Regenbogen dabei eine die figürliche Staffage rahmende und in der düsteren Gewitterlandschaft beschützende Assoziation, die wiederum den göttlichen Bund mit den Menschen und somit eine Andachtskonnotation visualisiert.177 Hinsichtlich dieser inhaltlichen Ausgangslage erscheint der christologische Kontext des von Dix angeführten Bildmotivs zweifelhaft in seiner Metaphorik. Zwar ist eine symbolische Übereinstimmung mit der romantischen Motivtradition wie auch der Bezug zur Motivtradition des Regenbogens gegeben, die kompositorische und motivische Gestaltung und das theoretisch zugrunde liegende Ansinnen erscheinen bei Dix jedoch heterogen. Der Regenbogen widerspricht einer behütenden Erscheinung mit heilbringender Assoziation und zeigt vielmehr einen Rekurs auf die apokalyptische Zuschreibung, indem die Konnotation vielmehr eine bedrohliche ist. Durch die Abbildung der Kirche im Zentrum des Regenbogens und die farbige Hervorhebung im Bildzentrum tritt dieses Bildelement besonders hervor. Eine christliche Semantik scheint hier gegeben, indem die sakrale, vom Regenbogen umhüllte Architektur sowohl raum- als auch farbspezifisch zum zentralen Motiv avanciert. In Kombination mit der bildatmosphärischen Düsternis und der bedrohlichen meteorologischen Szene ist eine Adaption des Erhabenheits-Aspektes der romantischen Landschaftsmalerei naheliegend. Die Betrachter sind räumlich weit entfernt von der fernen Kirche. Die räumliche Distanz geht einher mit dem feinen Pinselstrich, der die Architektur lediglich schemenhaft andeutet. Der Kirchturm ist nicht en détail wiedergegeben, sodass die kompositorische Einbindung des kleinformatigen Gotteshauses einer heroischen und glorifizierenden Zuschreibung widerstrebt. Zwar ist sie vom Leuchtlicht des Regenbogens erfasst und angestrahlt, ursächlich geht das Licht jedoch nicht von ihr aus. Die farbige Überhöhung und zentrale Anordnung könnten als Glorifizierung des Kirchenmotivs rezipiert werden, allerdings findet sich eine symbolische Erhöhung weder in der Distanz des Motivs zum Repoussoir noch in den architektonischen Details wieder. Die Pointierung von sakralen Architekturen in horizontalen Bildkompositionen ruft erneut einen Vergleich mit der Malerei der Romantik auf, mündet jedoch vielmehr in eine ambige Lesart. So stellt sich die Frage, ob der Maler hier tatsächlich eine symbolische Aufladung im religiösen Sinne intendierte oder sich der stilistischen Mittel als Mechanismen zur Erzeugung einer erhabenen Wirkung im Sinne einer »schönen Stimmung« nur bediente. In diesem Fall steht zu untersuchen, welches Interesse Dix mit dieser Adaption verfolgte. Im starken Kontrast hierzu steht die überhöhende Emblematik von Kirchen und Kathedralen in der Romantik. Anhand des Gemäldes abtei im eichenwald (um 1809/1810), wird die von hoch gewachsenen Eichen flankierte und von Ver-

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76  Caspar David Friedrich. abtei im eichenwald um 1809-1810, Öl auf Leinwand, 110,4 × 171 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

gänglichkeit und Verfall geprägte Ruine als Vanitas-Emblematik im Bildzentrum deutlich (Abb.  76). In Kombination mit dem diffusen Licht prägt das zerfallene Bauwerk als »Zeichen von Vergangenem […] und Vergänglichkeit« die Bildstimmung.178 Anstelle einer idealen und harmonischen Staffelung der Bildgründe inklusive eines ausgeprägten Repoussoirs wie im vergleichbaren klassizistischen Sujet Jakob Philipp Hackerts generiert Friedrich die Semantik seiner Komposition durch das zentrale Bildmotiv, die horizontale Bildstaffelung und die diffuse, stimmungsprägende Beleuchtung. Das Bildzentrum manifestiert sich in der monumentalen Kirchenarchitektur, die – zusammen mit dem dunstigen Licht und der daraus resultierenden Atmosphäre – zugleich den inhaltlichen Schwerpunkt darstellt. Hinsichtlich der atmosphärischen Darstellung überschneiden sich Dix’ und Friedrichs Sujets, da die Landschaftsdarstellungen ihre Wirkung aufgrund der suggerierten Stimmung entfalten. Die bei den Betrachtern hervorgerufene individuelle Erfahrung beruht jeweils auf der bildimmanenten Stimmung. Nach Friedrichs Standpunkt besteht die »erste Forderung eines Kunstwerks« in der Auslösung einer »schönen Stimmung« beim Betrachter, indem »er ein Gefühl der Übereinstimmung [zwischen Mensch und Natur], der inneren Verwandtschaft beförderte. Ebenso wollte er mit seiner Kunst den Menschen sich selbst, seinem Wesen näherbringen, ihn lehren, seine inneren Regungen zu ehren und als seine eigene Kunst zu begreifen«.179 Hierzu kontrastiert Dix’ Auffassung jedoch. Während Friedrich mit seinem Gemälde kreuz im gebirge von 1812 die programmatische christliche Ikonografie der Romantik ein-



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77  Caspar David Friedrich. kreuz im gebirge um 1812, Öl auf Leinwand, 45 × 38 cm, Düsseldorf, Kunstpalast

bezog, um eine positive Wirkung beim Beschauer zu evozieren (Abb. 77), postulierte Dix’ mit vergleichbaren Motiven im Gemälde aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) eine düstere Landschaft. Er schreibt dem Dargestellten eine mit der symbolischen Aufladung in der Romantik vergleichbare Meta-Ebene zu, kippt sie aufgrund der fortbestehenden Düsternis jedoch in das atmosphärische Gegenteil. So ist die Landschaft als ambig zu begreifen. Mit der kompositorischen Zergliederung des Gemäldes durch das Achsenkreuz bringt Dix erneut eine religiöse Tendenz zum Ausdruck. Die kunsthistorische Motivtradition des Kreuzes besteht insbesondere im Kontext der christlichen Bildsprache. Dieses Symbol steht sinnbildlich für Synthese und das Maß sowie die Einheit von Polaritäten wie Himmel und Erde.180 Die Darstellung zeigt eine Reduktion der romantischen Ikonografie auf, indem das Kreuz lediglich als axiale Ausrichtung im Gemälde gegenwärtig ist und von einem konkret dargestellten Symbol abgesehen wurde. Eine vergleichbare Kreuz-Komposition ist Friedrichs Gemälde wanderer über dem nebelmeer von 1818 zu entnehmen, in dem die Figur des Wanderers die vertikale Achse darstellt und die Horizontale in der waagerechten Wolken- und

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78  Caspar David Friedrich. wanderer über dem nebelmeer um 1817, Öl auf Leinwand, 94,8 × 74,8 cm, Hamburger Kunsthalle

Gebirgsformation besteht (Abb. 78). Anhand der von Dix ins formale Bildzentrum gesetzten sakralen Architektur wird der kompositorische wie motivische Bezug auf Bildstrukturen der Romantik deutlich. Weitere Gemälde der Romantik verweisen auf die unzweifelhafte Religiosität in Friedrichs Sujets, die auf der Verbreitung von Kruzifixdarstellungen beruht. Charakteristische Arbeiten wie die kolorierte Federzeichnung altarentwurf mit der komposition zum kreuz im gebirge (um 1817) sowie das Gemälde das kreuz im gebirge von 1807/1808 bringen die Relevanz des Motivs als sakrales Symbol sowie sein weit verbreitetes Vorkommen und damit die Nähe zur tatsächlichen lebensweltlichen Erfahrung des Betrachters besonders zum Vorschein (Abb. 79, Abb. 80). Das Kreuz steht jeweils im Bildzentrum und wird durch den Einsatz kompositorischer Stilmittel hervorgehoben. Beyer erläutert das Programm des Gemäldes das kreuz im gebirge ferner – zusammen mit dem Rahmen betrachtet – als zu einer heilsgeschichtlichen Aufladung der Landschaft verdichtet.181 Die Darstellung in der Federzeichnung kreuz vor regen­b ogen im gebirge eint zudem die Symbole des Regenbogens und des Kreuzes, indem



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79  Caspar David Friedrich. altarentwurf mit der komposition zum kreuz im gebirge um 1817, Feder und Pinsel in Schwarz, 27 × 20,7 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Kupferstich-Kabinett

80  Caspar David Friedrich. das kreuz im gebirge (tetschener altar), 1807/08, Öl auf Leinwand, 115,7 × 111,5 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister

die horizontalen Achsen einander überschneiden und eine homogene Linie bilden. Die Elemente treffen im Mittelpunkt der symmetrisch dargestellten Landschaft aufeinander. Die Vereinigung der Sinnbilder überhöht die theologische Semantik und unterstreicht zugleich die Bedeutsamkeit der religiösen Motive im Kontext der Landschaftsmalerei der Romantik. Die bereits beschriebene Relativität, die Dix’ Regenbogen hinsichtlich der religiösen Manifestation anhaftet, weitet sich im Kontext des Kreuzes mit dem symbolischen Licht aus. Zwar ist die Kreuzform im Gemäldekontext unweigerlich der traditionellen christlichen Ikonografie nachempfunden, die Verwendung des Motivs in Dix’ Landschaft leitet jedoch zu einer heterogenen Aussage. Die vertikale und horizontale Achse kreuzen einander, der Schnittpunkt und die axiale Fortführung werfen jedoch Widersprüchlichkeiten auf, indem keine Fortführung in der irdischen und ebenso wenig in der himmlischen Ebene geschieht. Da das Leuchtlicht aus dem Schnittpunkt der Achsen und damit aus der Eisschicht – nicht aus der sakralen Architektur – hervortritt und der Regenbogen in Richtung des Himmels verblasst, ist auch der göttliche Impetus der einander kreuzenden Achsen infrage zu stellen.

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81  Caspar David Friedrich. der einsame baum 1822, Öl auf Leinwand, 55 × 71 cm, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Da die Wolken erst im äußersten Hintergrund der linken Bildhälfte aufbrechen, erscheint ein theologischer Gehalt im Sinne eines göttlichen Lichts am Himmel abwegig.

ambiguität zwischen erhabenheit und apokalypse Zwar ist der Verzicht auf bildbegrenzende Motive im Vordergrund sowie zu den Außenkanten hin auch in Friedrichs Gemälden wie der einsame baum von 1822 gegeben und das Bild wirkt somit ausschnitthaft, die unausgewogene Bildkomposition mit der motivischen Leere im Bildzentrum bei Dix, das düstere Himmelszenario sowie die inhomogene Achsenkomposition der zerborstenen Eisfläche und die abgetönten, dunklen Primärfarben entfalten jedoch eine gegensätzliche Bildwirkung (Abb. 81).182 Die zerklüftete Eisfläche und das Gewitter lassen die Szene verlassen und ausweglos erscheinen. Mit den Motiven und der damit einhergehenden Stimmung wird darüber hinaus ein reales Narrativ transportiert. Die Emblematik erscheint aufgrund des Kontrastes zwischen der Bildstimmung und der ikonogra-



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fischen Darstellung irritierend und erschwert die Möglichkeit einer präzisen Interpretation. Die Stimmung wird insbesondere durch das aufziehende schwere Wintergewitter erzeugt. Die Düsternis weist in ihrer flimmernden Erscheinung eine Vergleichbarkeit mit der Apokalypse-Darstellung El Grecos in seinem Gemälde die öffnung des fünften siegels von 1608–1614 auf. Es scheint, als erzeugten die dunklen, opulenten Wolken in den übrigen Bildebenen und -elementen vergleichbar dumpfe Farbtöne. Der dunkle Grundton wird lediglich von der hervorscheinenden Farbigkeit des Regenbogens und der aufbrechenden Wolkenschicht der linken Bildseite durchbrochen. Wie im Vergleich mit Friedrichs Malerei erläutert, verweist Dix auf die Emblematik der romantischen Landschaftsmalerei, weicht allerdings in seiner Motivauslegung vom Vorbild ab. Dennoch ist die angeführte Bildstimmung ein markantes Stilmittel, um auf die Bildrezeption einzuwirken. Insbesondere durch die Distanz zwischen dem Vordergrund – also sowohl dem Maler- als auch Betrachterstandpunkt – und dem Lichtspiel-Ereignis im Hintergrund und dem Himmel wird eine gesteigerte Distanz im Bild bewirkt. Indem Dix eine Landschaft mit kahler, zerborstener Ebene gestaltet, die überdies das zentrale Bildfeld definiert, werden tradierte Gewohnheiten der Bildbetrachtung infrage gestellt: Die leere, flache, zerbrochene Ebene visualisiert den Mangel an assoziierter Sicherheit, etwa durch rahmende Bildelemente, wodurch der Eindruck von Unbehagen und Tristesse entsteht. Zwar vermittelt auch Dix’ Landschaftsgemälde eine dynamische Atmosphäre, allerdings steht nicht die »schöne Stimmung beim Betrachter« im Zentrum.183 Dass der Maler nicht allein eine Stimmung der Erhabenheit und der Kontemplation evoziert, sondern Bezüge auf konkrete Begebenheiten aufzeigt, wird angesichts des realen Narrativs zur Entstehungszeit des Bildes und damit des Zweiten Weltkriegs deutlich. Was im Sinne der romantischen Rezeption christlicher Ikonografie ein Symbol des Göttlichen war, unterzog Dix einer Modifikation in der Semantik, um einen profanen Inhalt zu kommentieren. Dabei dominieren das von Dix’ an die Betrachter adressierte Unbehagen und die Empathielosigkeit, der ikonografische Aspekt verblasst hingegen. Hinzu kommt Dix’ Einbindung einer ambivalenten, rätselhaften und kaum definierbaren Bildatmosphäre. Gassen erläutert, dass verschiedene Faktoren wie Umweltkatastrophen oder Kriege die Stimmung in vielen Gemälden des 20. Jahrhunderts prägen, ohne dabei konkret als Schlachtenbilder aufzutreten. Er fügt hinzu: »Es ist mehr eine Stimmung als ein Wissen, das sich in den apokalyptischen Landschaften, den traditionellen Bemühungen des Genres entsprechend, ausdrückt – die apokalyptische Landschaft als ein Reflex der Kunst auf die heutige Natur.«184 Daraus geht hervor, dass endzeitliche Landschaften reziprok zu den jeweilig vorherrschenden Zeitumständen sowie einschneidenden Ereignissen wie Kriegen eingesetzt wurde.185 Vor diesem Hintergrund tritt Dix’ künstlerische

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Produktion notwendigerweise erneut in den Fokus. Sowohl die »Kriegslandschaft«, wie am Beispiel flandern gegeben, wie auch die »ambige Landschaft« – beispielsweise im Gemälde gewitter im riesengebirge (Taf. 13) – sind in Gassens Sinne als apokalyptisch zu kategorisieren. Während Flandern sowohl motivisch als auch den Titel betreffend auf den Ersten Weltkrieg Bezug nimmt, zeigt der zerschmetterte Baum in gewitter im riesengebirge eine bedrohliche Situation, ohne dabei als konkretes Schlachtenbild zu fungieren. Die Ambiguität wird allein durch landschaftliche Elemente evoziert. Lediglich im Hintergrund ist mit dem fernen, farblich mit dem primär von Schwarz und Rottönen geprägten Bild kontrastierenden, in Blautönen gefassten Gebirge die Tendenz einer meteorologischen Veränderung impliziert. Eine Hoffnungs-Konnotation erscheint gegenüber dem gewaltigen Gewitter gegeben. Dass Dix hiermit eine Reflexion der Zeit des Zweiten Weltkriegs anstellte, erscheint vor dem Hintergrund von Datierung, Gestaltung und Gewaltrespektive Morbiditätskonnotation naheliegend. Ferner sei auf den Diskurs um Dix als »artifex vartes« hingewiesen.186 Die von Dietrich Schubert Dix zugeschriebene Seher-Konnotation manifestiert sich in den Gemälden selbstbildnis im malkittel mit glaskugel und palette von 1931 sowie lot und seine töchter von 1939 – hier mit Bezug auf das 1945 zerstörte Dresden, die aufgrund ihrer Motivik als visionär interpretiert worden sind.187 Die bildimmanenten Faktoren Menschenleere und spezifisch wirksame Bildstimmung im Beispiel gewitter im riesen­gebirge muten in diesem Sachzusammenhang weniger visionär oder mystifizierend an denn primär als Form eines zeitspezifischen, selbstreferenziellen Phänomens. Insbesondere aufgrund der persönlichen Situation durch die anhaltende Verfemung im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 sowie Dix’ Rückzug in eine von ihm als Verbannung bezeichnete Region erscheinen die oftmals ohne erkennbare figurale Staffage gestalteten Landschaftsgemälde als Abbilder einer intrinsischen Auseinandersetzung.188 Mit der ambigen Bildatmosphäre gibt Dix eine symbolträchtige, in letzter Konsequenz düstere und Fragen aufwerfende Darstellung wieder. Dabei kontrastiert die Darstellung mit Friedrichs Bestreben, sich die Natur subjektiv und mit religiösem Ansinnen anzueignen.189 Die vermeintlich religiösen, den Motiven und formalen Kompositionen der Romantik entlehnten Darstellungen sind dabei vielmehr auf ihren christologischen Wert hin zu hinterfragen denn als solche zu definieren. Die bildkonzeptuellen Differenzen zwischen Dix und der romantischen Malerei bilden die zeitbedingten historischen Unterschiede im geistig-weltanschaulichen Fundament beider Akteure – Otto Dix und Caspar David Friedrich – ab. So rezipierten Friedrich wie auch Philipp Otto Runge (1777–1810) in ihrer Malerei Dichtungen von Novalis, den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel sowie Ludwig Tieck, weshalb die Landschaften oftmals mit religiösen Inhalten versehen wurden. Auf diese Impulse der Romantik rekurriert Dix in seinen Landschaftsgemälden



Aufgebrochenes Eis. Das reale Kriegs-Narrativ in der politischen Grenzsituation zwischen Deutschland und der Schweiz _ 359

lediglich strukturell. Er nutzte die bildkonzeptuellen Mechanismen von Komposition, Stil, Motivik und Ikonografie, Erhabenheit sowie Ambiguität, die als Seh-Tradition durch die Rezeption der Romantik geprägt wurden und als solche Anerkennung erfuhren. Zugleich versah Dix seine Darstellungen mit abweichender Konnotation, indem er nicht auf die Literaten der Romantik Bezug nahm, sondern der existenzialistischen Philosophie Friedrich Nietzsches (1844–1900) nahestand, deren Anhänger er schon seit 1911 war und dies auch Zeit seines Lebens blieb.190 Neben der philosophischen und für Dix weltanschaulichen Grundlage legte er – wie am Beispiel des Gemäldes aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) deutlich wird – reale Narrative als motivischen Inhalt zugrunde. Seine Motive sind insofern als politisch ikonografisch lesbar, als Dix konkrete Zeitbezüge darin einband und sie mit stilistischen Mitteln wie auch symbolisch aufgeladenen Motiven kommentierte. So erscheinen die von Dix aufgezeigte beklemmende Düsternis und Friedrichs »schöne Stimmung« in der Landschaft jeweils im Kontext geistiger Zeitgenossenschaft konsequent. In der vergleichenden Betrachtung der zugrunde liegenden weltanschaulichen wie auch inhaltlich verhandelten ikonografischen Ebenen offenbaren sich die Landschaftsmalereien beider jedoch als gegensätzlich.

aufgebrochenes eis. das reale kriegs-narrativ in der politischen grenzsituation zwischen deutschland und der schweiz während des zweiten weltkriegs Friedrich bildet im Gegensatz zu Koch eine »nationale Landschaft« ab. Dies konstatiert Matthias Eberle, da Friedrich konkrete geografische und damit auch territoriale Zuschreibungen seiner Landschaften – wie am Beispiel des Gemäldes der einsame baum erkennbar – wiedergibt. »[Die Darstellung] der Gesamtnatur auf nationaler Grundlage ist eines der wichtigsten realistischen Momente in Friedrichs Naturvorstellung.«191 Dix bildete in seinen Hegau-Landschaften das eigene regionale Umfeld und Milieu und die dort ausgekundschafteten, vielfach in Studien skizzierten Regionen ab. Mit dem Lebens- und Arbeitsort ist die geografische Nähe zur Schweiz gegeben.192 Diese Grenzregion ist in zahlreichen Landschaftsgemälden abgebildet, indem Dix aus der Hemmenhofener Perspektive Schweizer Orte wie Stein am Rhein und Steckborn wie auch den angrenzenden Untersee in den Blick nahm. So ist den Bildern sowohl der Malerstandpunkt im »Deutschen Reich« als auch das Gesehene – die Schweiz – und das Dazwischen in Form des Bodensees immanent. Damit zeigt er die territorialen Grenzen zwischen dem Deutschen Reich und dem Schweizer Nach-

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barland auf. Aber handelt es sich aus diesem Grund um eine nationale Landschaft? Und muss dies mit einem patriotischen Grundgedanken einhergehen? Diese Fragen ergeben sich unweigerlich bei der Betrachtung des Gemäldes aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn). Im Hinblick auf das reale Narrativ, das der Darstellung zugrunde liegt sowie unter Berücksichtigung der verwendeten Ikonografien und motivischen Semantiken wird sowohl der territorialen Frage als auch der inhaltlichen Bedeutung der Bildelemente und der Gesamtkomposition nachgegangen. Mit Bezug auf die immanente politische Ikonografie und das von Warnke angeführte Beispiel Roelant Saverys und dessen Auftragslandschaften für Kaiser Rudolf ii., deren Rezeption als »Beschreibung von Grenzgebieten« möglich ist, bildet das Gemälde aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) eine Parallele, da es als Grenzlandschaft zu kategorisieren ist.193 Zwar handelt es sich nicht um eine Auftragsarbeit mit dem Ansatz, hieran einen territorialen Anspruch abzubilden, wie am Beispiel Saverys gegeben. Dennoch referiert das geografische Moment auf regionale, zeitpolitische Besonderheiten. So sind die politische Landschaft und damit die militärischen Interessen und territorialen Expansionsbestrebungen der Nationalsozialisten Ausgangpunkt des von Dix dargestellten Narrativs. Zwar handelt es sich nicht um Grenzsituationen, deren Manifestation durch Grenzsteine oder ähnlich konkrete Signale gekennzeichnet sind. Regionale Merkmale wie die gezeigten Gebirgszüge und der Untersee (und besonders sein aufbrechendes Eis) verweisen jedoch explizit auf die Verortung in der binationalen Grenzsituation. Diese bildete Dix vielfach ab, sodass hiermit ein Reflexionsprozess in Bezug auf Lebensort und Region mit dokumentarischer wie auch kommentierender Eigenschaft gegeben ist. In Anbetracht der Entstehungssituation des Gemäldes wird der unheimliche Bildcharakter in das Licht einer realen, die Zeitumstände betreffende Erfahrung gesetzt. Von seinem Fenster im Hemmehofener Atelier aus blickte der Maler auf den Untersee und die sich am gegenüberliegenden Ufer befindende Schweizer Gemeinde Steckborn, die in diesem wie auch in dem Gemälde blick auf steckborn von 1944 zur Protagonistin avanciert. Zwar ist hier keine offensive Gesellschaftskritik gezeigt, das Gemälde enthält jedoch unterschwellig Hinweise auf die Zeitumstände. Als der Untersee, der südwestliche Ausläufer des Bodensees, 1940 zugefroren war, wurde das Eis auf Befehl des Schweizer Generals Guisan (1874–1960) aufgebrochen, um einen Angriff der Deutschen ebenso wie die Flucht von Menschen in die Schweiz zu verhindern.194 Vor diesem historischen Hintergrund erscheint die Bildkomposition als Versinnbildlichung der Schutz- und Perspektivlosigkeit nicht regimekonformer Menschen auf nationalsozialistischem Terrain. Die letzte ungehinderte Verbindung zwischen dem ns-Regime als Apparat politischer Verfolgung



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und einer neutralen Nation als physischer und geistiger Ausweg wurde zerstört. Die Schweiz als Fluchtpunkt geriet somit sinnbildlich in unerreichbare Ferne. Für Otto Dix bedeutete die Nähe zur Schweiz eine berufliche Perspektive, denn noch im Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs zeigte der Kunstsalon Wolfsberg in Zürich die Ausstellung sonderausstellung otto dix.195 Edwin Wolfensberger stellte Arbeiten wie flandern, die sieben todsünden oder der triumph des todes von 1934 aus, die zeitgleich im benachbarten Deutschland – gemäß dem Falle, sie wären in öffentlichem Besitz gewesen – als »entartet« verfemt worden wären.196 Die politische Emblematik der Brücke wurde von Warnke im Sinne der verbindenden Eigenschaft zweier Ufer sowie »militärischer und ökonomischer Brennpunkte« aufgezeigt. Dieser Zuschreibung folgend, kann das zwischen den Ufern Hemmenhofens und Steckborns zerborstene Eis als äquivalentes, verbindendes Element betrachtet werden – wenn auch in diametraler Hinsicht.197 Das zugefrorene Gewässer entspricht der verbindenden Brücken-Ikonografie, die durch das Aufbrechen jedoch in ihr destabilisiertes ikonografisches Gegenteil verkehrt wurde. Auch das meteorologische Szenario unterstreicht die Lesart des Gebrochenen: Das natürliche, durch die aufbrechende Wolkendecke im linken Bildfeld dringende Licht verschwimmt im diffusen Grau der umliegenden Atmosphäre, sodass die unversehrte Eisfläche der fernen Hintergrundebene nur schwach erhellt wird. Dieser sekundäre Lichteinfall erscheint als verschleierte Sicht in eine ferne, nicht greifbare Realität. Vergleichbare, wenn auch weniger konkret zuzuordnende Zeitbezüge machte Dix durch Düsternis, Dramatik und seltsame, zwischen Hoffnungskonnotation und ihrem Gegenteil changierende Bildstimmungen in Gemälden wie blick auf steckborn anschaulich. Hieran wird nicht zuletzt deutlich, dass eine erneute Wende im Œuvre von Dix stattgefunden hatte. Sie ist weniger im Motivischen als vielmehr im Duktus und damit an der stilistischen Herangehensweise sowie am Aufbrechen der an altmeisterlichen Vorbildern orientierten Technik erkennbar. Erst mit Ende des Zweiten Weltkriegs halten erneut offensiv zeitkritische Elemente Einzug in das Werk des Malers.198 Die narrative, motivische wie auch kompositorische Dramatik im Gemälde aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) reflektiert neben der dargelegten politischen Ebene auch Dix’ Lebensrealität im zeitpolitischen Kontext. Wenngleich er als Maler seit 1933 fortwährend diskriminiert und verfemt worden war, hatte er sich gegen das ausländische Exil entschieden und explizit seine Abneigung gegen eine Emigration in die Schweiz geäußert.199 In der Darstellung des buchstäblich Zerbrochenen tritt seine persönliche Betroffenheit zum Vorschein. Der Konflikt mit der Identität als deutscher Maler – gekoppelt an die im Kapitel »Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)« dargelegten Zeitumstände und Dix’ Verortung darin – und die von »völkischer« Ideologie und Faschismus

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geprägte politische Gegenwart formen die ambigen, politischen Landschaftsdarstellungen des Malers. Die vielfach von Dix zum Ausdruck gebrachte Menschenleere ist im Verhältnis zum Erhabenheits-Begriff zu beleuchten, da sie im Zusammenhang mit gewaltigen Naturszenarien steht und somit die Betrachter adressiert. Im Hinblick auf die ganzheitliche Landschaftsmalerei nach dem gestalterischen Maßstab der ausführenden Künstler ist auch der Aspekt der Erhabenheit zu betrachten, der in zahlreichen Landschaftsdarstellungen erlebbar ist und eng an die Position der Rezipierenden Maler und der Betrachter gebunden ist. Am Beispiel Joseph Anton Kochs (1768– 1839) führt Eberle die figurale Staffage als Beispiel für die Vergegenwärtigung einer »Ahnung von der Größe und Erhabenheit der Natur [an].« Und weiter heißt es: »In allen Fällen arbeitet Koch dabei aber so, daß sich der Betrachter der Kleinheit seiner physischen Existenz und der Beschränktheit seiner Möglichkeiten bewußt wird, etwa durch die Größe des Lokals oder die deutlich gegebene Distanz zu einer großen und erhabenen Vergangenheit. Aus diesem beabsichtigten Gegenüberstehen führen die Staffagefiguren den Betrachter dann ins Reich der Ideen, die verdeutlichen ihm den Geist, die Bedeutung der Gegend. Indem der Betrachter nun diese reflektiert, erfährt er sich in der Reflexion als frei.«200 Auf diese Weise basieren Kochs Darstellungen im Verhältnis zu Friedrich rational »auf idealen Setzungen des Geistes gegenüber der Natur«. Letzterer begreift eher die metaphysische Kontemplation im Sinne von »Andacht und Erbauung« als Immanenz seiner Landschaftsmalerei.201 Eberle beschreibt Friedrichs Standpunkt insofern, als er »darauf [besteht] daß nicht Setzung der Vernunft, also eine Idee, Form und Inhalt des Bildes bestimmen, sondern die ehrfürchtige, demütige Wendung zur Natur, deren mögliche Botschaft der Künstler für den Menschen ermitteln soll«.202 Die im Verhältnis zum Menschen gezeigte Natur bildet eine gewaltige Größe ab. Diese von Eberle als Erhabenheit der Natur bezeichnete Verhältnismäßigkeit funktioniert insofern, als das Größenverhältnis die Demut der Menschen gegenüber der großen Natur impliziert.203 Insofern steht er als geistiger Gegenpol den Klassizisten, die die »Herrschaft des Geistes als Form über die Natur« forcieren, ebenso gegenüber wie der forcierenden, ebenso gegenüber wie der der historischen Landschaftsmalerei etwa Johann Anton Kochs. Dieser Rezeptionsweise, in der das Bildpersonal den identifikatorischen Anknüpfungspunkt für die Bildbetrachter impliziert, entspricht auch die Wirkungsweise in Dix’ Landschaftsdarstellung – allerdings als ambiges Vexierbild. Die Betrachter und Interessenten an Otto Dix’ Landschaftsmalerei waren in Kenntnis



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über die charakteristische, am Menschen orientierte Malerei der 1920er Jahre. Dies zeigt etwa der Brief des Heeresbauamtes Magdeburg, in dem es heißt: »Ihre Arbeiten bis 33, soweit sie auf größeren Ausstellungen oder durch Kunst-Zeitschriften veröffentlicht wurden, glaube ich so ziemlich zu kennen.«204 Zwei Kippmomente zeigen sich hieran: Einerseits verkehrte der Maler seinen Tätigkeitsschwerpunkt – das Porträtieren von Menschen – ins Gegenteil, indem er den Fokus seit 1933 auf die Landschaftsmalerei legte. Andererseits schrieb er den menschlichen Figuren darin die Position als marginalisiertes Beiwerk zu oder band erst gar keine ein. Die Figuren sind vielfach so kleinformatig und treten hinter anderen Bildelementen wie Bäumen, Vögeln oder fragmentierten Bildebenen zurück, sodass sie zunächst unsichtbar erscheinen. Erst bei der genauen Betrachtung aus nächster Nähe treten sie zum Vorschein, wie das Beispiel randegg im schnee mit raben zeigt. Legt man die bei Eberle angeführte Einführung der Betrachter in das »Reich der Ideen«, in die »Verdeutlichung des Geistes« und die Kenntlichmachung der »Bedeutung der Gegend« als Schablone auf Dix’ Malerei, so ergibt sich eine alternative Lesart. Aufgrund der gestalterischen Mechanismen von Bildaufbau, Marginalisierung von Bildpersonal und Aufzeigen unwetterartiger oder Düsternis widerspiegelnder Bildstimmungen kommt der »Bedeutung der Gegend« vielfach eine abweisende, bedrohliche Lesart zu. Bei Dix treten fragmentierte, verschachtelte oder leere, von düsterer Atmosphäre gezeichnete Bildräume an die Stelle einer Einladung der Betrachter in den Bildraum. Das gestalterische Moment der Marginalisierung respektive Unsichtbarkeit der Figuren entspricht dabei einem Nicht-Wiederfinden der Betrachter im Bild. Die Betrachter stehen dem gezeigten Unwetter und damit der Naturgewalt mit ambiger Atmosphäre, die das motivische Zusammenspiel evoziert, gegenüber. Somit ist ein Moment der Kontemplation gegeben, das aber nicht zu einem ganzheitlichen Naturerlebnis oder mentaler Erweiterung führt. Die unklare Bildstruktur und das nahezu im Verborgenen wirkende Narrativ komplizieren den Bildzugang. Anders als in Carl Rottmanns Landschaften wie ein aquädukt in der campagne romaine von 1826–1927, in der Figurenpersonal ausgespart ist, um die Natur hervorzuheben und somit »das Verhältnis des Menschen zur Natur« und damit die Größe und Anmut der Natur zu verdeutlichen, ist der Verzicht auf Figurenpersonal bei Dix als Menschenleere zu bezeichnen.205 Dabei ist das Erhabene der Natur oder wie bei Dix der Landschaft in beiden Fällen wirksam, jedoch mit unterschiedlicher Konnotation. Das idealisierte Schöne respektive Erhabene und Andachtsvolle aus Klassizismus und Romantik wird bei Dix durch das Düstere, Morbide, Bedrohliche ersetzt. Die bedrohliche Atmosphäre ist einschüchternd und die seltsame Bildkomposition lässt die Betrachter im Unklaren über das Gezeigte. Im Einsatz und in der inhaltlichen Zuschreibung von Bildpersonal scheiden sich die aufgezeigten Epochen jedoch. So ist es im Klassizismus die Konnotation

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als Ausdrucksträger eines Bildes, wohingegen in der Romantik die Natur zum Ausgangspunkt und Erkenntnismoment avanciert. Hier steht die »Vermittlung zwischen Natur und Mensch, Beschauer und Kunst« – und dies primär anhand von Naturmotiven – im Fokus.206 Menschen sind eher im Moment der Bildrezeption und damit der dargestellten Natur und Landschaft als transzendentalem Motiv denn als Betrachtende im Moment der Kontemplation. Eberle erläutert: »Die Natur wird Trägerin der Geschichte, welche aus ihr herausgelesen werden muß. So stehen die Figuren auf dem Bilde der Natur reflektierend und beinahe schon in Anschauung verloren gegenüber, von ihr Hinweise für das eigene Handeln erwartend.«207 Insofern sind die Figuren in Dix’ ambiger Landschaftsmalerei vielfach als Element der Kontemplation mit selbstreferentieller Implikation des Malers zu betrachten. Die zeitpolitischen Gegebenheiten, ihre Auswirkungen auf Otto Dix und der Lebensort in der ländlichen Abgeschiedenheit können als maßgeblich für das geänderte Motivrepertoire betrachtet werden. Dabei spiegelt die Abkehr vom Menschen als Hauptmotiv hin zur Landschaftsmalerei das einschneidende Moment wider, umso eindrücklicher, als der Maler selbst äußerte: »Ein schönes Paradies. Zum Kotzen schön […] ich müßte in der Großstadt sein. Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh.«208 Das Werk aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) ist insofern als zeitkritisch zu fassen, als nicht allein eine Wiedergabe der BodenseeLandschaft oder gar eine sachliche Dokumentation der zeitlichen Begebenheiten vorherrschend ist. Die Motive weisen auf einer weiteren Ebene ikonografische Bezüge in christlicher und politischer Hinsicht auf, die eine reflexive und kommentierende Darstellung des zeitlichen Entstehungskontextes implizieren. In Hinblick auf das meteorologische Phänomen des Unwetters – anknüpfend an die benannten christlich-ikonografischen Bezüge – steht seine politische Ikonografie im Fokus, die durch das zugrunde liegende reale Narrativ untermauert wird. Rainer Donandt stellte 2011 am Beispiel der Französischen Revolution die SturmIkonografie in den Zusammenhang mit politischen »Stürmen«: »Vor dem Hintergrund der Bild- und Bedeutungstradition stellt es einen scharfen Bruch dar, wenn die Parteigänger der Französischen Revolution in SturmMetaphern geradezu schwelgen: ›Die Revolution ist ein Orkan‹, schreibt Georg Forster 1793, ›wer kann ihn hemmen? […] Was geschieht muß geschehen. Ist der Sturm vorbei, so mögen sich die Überlebenden erholen und der Stille freuen, die darauf folgt.‹ Das Paradigma des Sturmes hatte als Mahnung zur Beständigkeit ausgedient und wurde zur Apologie der Veränderung herangezogen. […] Seither gehören Sturmvergleiche wie andere meteorologische Sprachbilder nicht nur ›zum rhetorischen Kolorit von Umstürzen aller Art‹, sondern ebenso ins Repertoire der Kritiker und Warner.«209



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Angesichts des in Dix’ Darstellung zugrunde liegenden realen Narrativs ist Donandts Zuschreibung auf diese politischen Einflüsse übertragbar. Dix’ politischikonografisches Motivrepertoire zum aufbrechenden eis (mit regenbogen über steckborn) basiert neben vermeintlich christlichen Verweisen wie Kirchturm, Regenbogenmotiv und Kreuzkomposition in Relation zum realen Narrativ zudem auf meteorologischen Szenarien wie Wolkenformationen, die durch sie bedingte Düsternis sowie ferner auf dem aufbrechenden Eis und der Menschenleere. Ein wichtiges Motiv in seinen politischen Landschaften sind zudem die zahlreich dargestellten Baum- und Waldtypen wie in den Analysen zu randegg im schnee sowie randegg mit vögeli angeführt.

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Otto Dix in einem Gespräch um 1960, zit. nach: Löffler 1981, S. 43; Karlsruhe 1986, S. 26; Schmidt 1978, S. 199.

17 Vgl. Beck 2006, S. 170 f.

2

Vgl. Wolfradt 1924, S. 12.

3

Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band.

4

Vgl. Schwarz u. Schwarz 1996, S. 73 f.

19 Der Ambiguitäts-Aspekt sowie die Analysen zu den Werkbezügen zu Renaissance, Klassizismus und Romantik sind Gegenstand des vorliegenden Kapitels. Zur »schönen Stimmung« vgl. Andreas Beyer: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik, München 2011 (Becksche Reihe Wissen, 2558), S. 52.

5

Eine Ausnahme bilden hier Dix’ Gemälde Flandern von 1934–1936 sowie allegorische Darstellungen mit Kriegsbezügen wie Triumph des Todes von 1934. Hinsichtlich der Entlassung vgl. Killinger 1933, dka. Siehe auch: Nürnberg 1977, S. 71; Löffler 1981, S. 44; Ehrke-Rotermund 1994, S. 128 f.; Schwarz u. Schwarz 1996, S. 71.

1

6

Brief von Otto Dix an Theo Piana, 19.8.1947, zit. nach: Lorenz 2013, S. 875–876.

7

Otto Dix, zit. nach: Schmidt 1978, S. 199.

8

Dies belegt eine Reproduktion des Gemäldes Hohentwiel mit Hohenkrähen aus dem Jahr 1933 (nicht in Löffler 1981). Die Fotografie ist Bestandteil des Wilhelm Arntz Archivs des Getty Research Institutes (gri ). Vgl. gri N6490.A714 Photo Collection 20th Century, Arntz, Wilhelm Box 141.

9

Vgl. das Kapitel »Gekippte Heimat – zum Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei« im vorliegenden Band.

10 Vgl. Löffler 1981, S. 48; Löffler 1977, S. 104. Die Ortschaft Hemmenhofen ist nahe dem Untersee, dem westlichen Ausläufer des Bodensees gelegen.

18 Vgl. Kicherer 1984, S. 41 ff.

20 Vgl. Löffler 1981, S. 56. 21 Eberle 1984, S. 8. 22 Ibid. 23 Ibid., S. 9. Eberle nimmt hier Bezug auf Herbert Lehmann: Die Philosophie der Landschaft, in: Studium Generale, 4/5/1950, S. 182–195 u. S. 185, sowie Helmut Rehder: Die Physiognomie der unendlichen Landschaft, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literatur, Wissenschaft und Geistesgeschichte, 19/1932. 24 Ibid. Hier wird Wolfgang Goethes Naturbegriff wie folgt zitiert: »Wenn man nun gleich wieder die Natur ansehen und wieder finden und lesen kann, was jene gefunden und mehr oder weniger nachgeahmt haben, das muß die Seele erweitern, reinigen und zuletzt den höchsten anschauenden Begriff von Natur und Kunst geben. Ich will auch nicht mehr ruhen, bis mir nichts mehr Wort und und Tradition, sondern lebendiger Begriff ist.« J. W. Goethe, Notiz vom 27. Juni 1787 aus der ersten italienischen Reise, in: Werke (Cottasche Gesamtausgabe, Bd. 27), S. 55, in: ibid.

11 Vgl. Löffler 1981, S. 48 u. S. 50–51; Löffler 1977, S. 105.

25 Vgl. Joachim Ritter: Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft, Münster 1963 (Schriften der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster, Bd. 54).

12 Brief von Otto Dix an Ernst Bursche vom 23. Juni 1939, zit. nach: Ehrke-Rotermund 1994, S. 149; Schubert 2014, S. 120 und Löffler 1981, S. 48.

26 Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft, Neuwied u. Berlin 1969, S. 342; vgl. hierzu auch: Eberle 1984, S. 9.

13 Weiterführende Betrachtungen und Varianten der Typologisierung von Dix’ Landschaften stellen in der einschlägigen Literatur besonders folgende Publikationen dar: Beck 2006, S. 169 ff.; Kicherer 1984, S. 39 ff.

27 Franz Winzinger: Albrecht Dürer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1971, S. 39, zit. nach: Eberle 1984, S. 11.

14 Vgl. ibid., S. 40.

29 Ibid.

15 Vgl. Beck 2006, S. 170.

30 Aktualisiertes Werkverzeichnis der Gemälde, Otto Dix Stiftung, Vaduz, Stand: April 2017.

16 Brief von Otto Dix an Ernst Bursche vom 23. Juni 1939, zit. nach: Ehrke-Rotermund 1994, S. 149; Löffler 1981, S. 48.

28 Ibid., S. 14.

31 Es handelt sich bei den Gemälden unter Einbezug von Naturelementen oder landschaftlichem Verweis um

Anmerkungen _ 367

fünfzehn Porträts, vier Stillleben und drei Kriegslandschaften. 32 Reine Landschaftsdarstellungen zählen nachweislich kaum zu Dix’ Motivrepertoire dieser Werksphase. Die einzig evidente Landschaftsdarstellung weist vermutlich Landschaft mit wei­dendem Vieh von 1919 auf. Da über die Information zur Technik keine Werkdaten, Abbildungen und Provenienzen im Verzeichnis der Gemälde nach dem vorliegenden Stand enthalten sind, ist die Information jedoch nicht fundiert. Otto Dix: Landschaft mit weidendem Vieh von 1919 (L 1919/17). 33 Diese Schaffensphase ist lediglich durch marginale Landschaftsverweise im Sinne von Hintergrundlandschaften und vereinzelten Motiven als Naturverweise geprägt. Radierungen wie Tod und Auferstehung, die sich durch florale Elemente auszeichnen, sowie Bei Langemarck, Februar 1981 und Granattrichter mit Blumen (Sommer 1916, Champagne), die in zwei Fällen eine vom Kriegsgeschehen gezeichnete Landschaft abbilden, weisen somit einen landschaftlichen Zusammenhang auf. Zu den tatsächlich ausgeführten Gemälden zählen lediglich die vier Malereien Landschaft mit weidendem Vieh von 1919, Der Schützengraben von 1923, Tiere in Phantasielandschaft von 1923 (L 1923/13) und das Tritychon Der Krieg. 34 Vgl. Van Lil 2009. 35 Vgl. Peters 2002, S. 382. 36 Ibid., S. 384. 37 Ibid., S. 385. 38 Ibid., S. 386. 39 Vgl. zu den fünf Radiermappen, die 1924 im Verlag Nierendorf verlegt wurden: Schubert 2002. 40 Vgl. Will Grohmann: Nochmals Dix und Dresden, Süddeutsche Zeitung, 44/47, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 7b. 41 Bei Langemarck, Februar 1918, abgebildet in Der Krieg. 24 Offsetdrucke nach Originalen aus dem Radierwerk von Otto Dix, hrsg. v. Verlag Karl Nierendorf, Berlin 1924, S. 9, Nr. 9 (Erste Mappe/vii; Karsch 1970/76; Schubert 2002, S. 48). In seinen Radierungen band Dix das Landschaftsmotiv ein, vgl. Leuchtkugel erhellt die Monacu-Ferme von 1924 (Erste Mappe/vii; Karsch 1970/86; Schubert 2002, S.  60); Zerfallener Kampfgraben von 1924 (Erste Mappe/ix, Nierendorf 1924, Nr. 3; Karsch 1970/78; Schubert 2002, S. 50); Verlassene Stellung bei Neuville von 1924 (Zweite Mappe/I; Karsch 1970/80; Schubert 2002, S. 54); Sturmtruppe geht unter Gas

vor von 1924 (Zweite Mappe/ii, Nierendorf 1924, Nr. 23; Karsch 1970/81; Schubert 2002, S. 55); Verlassene Stellung bei Vis-en-Artois von 1924 (Zweite Mappe/V; Karsch 1970/84; Schubert 2002, S. 58); Leuchtkugel erhellt die Monacu-Ferme von 1924 (Zweite Mappe/vii, Nierendorf 1924, Nr. 6; Karsch 1970/86; Schubert 2002, S. 60); Nächtliche Begegnung mit einem Irrsinnigen/Nächtliche Begegnung mit einem Irrsinnigen im Dorfe Angres (Dritte Mappe/ii, Nierendorf 1924, Nr. 12; Karsch 1970/91; Schubert 2002, S. 67); Verschüttete (Januar 1916, Champagne) von 1924 (Erste Mappe/ii; Nierendorf 1924, Nr. 13; Karsch 1970/71; Schubert 2002, S. 43); Trichterfeld von Dontrien von Leuchtkugeln erhellt von 1924 (Erste Mappe/iv; Nierendorf 1924, Nr. 14; Karsch 1970/73; Schubert 2002, S. 45); Bei Langemarck, Februar 1918 von 1924 (Erste Mappe/vii; Nierendorf 1924, S. 9, Nr. 9; Karsch 1970/76; Schubert 2002, S.  48); Verlassene Stellung bei Neuville von 1924 (Zweite Mappe/I; Karsch 1970/80; Schubert 2002, S. 54); Mahlzeit in der Sappe (Lorettohöhe) von 1924 (Zweite Mappe/iii; Nierendorf 1924, Nr. 11; Karsch 1970/82; Schubert 2002, S. 56); Verlassene Stellung bei Vis-en-Artois von 1924 (Zweite Mappe/V; Karsch 1970/84; Schubert 2002, S. 58); Leuchtkugel erhellt die Monacu-Ferme von 1924 (Zweite Mappe/vii; Nierendorf 1924, Nr. 6; Karsch 1970/86; Schubert 2002, S. 60); Toter Sappenposten (Zweite Mappe/ viii; Nierendorf 1924, Nr. 17; Karsch 1970/87; Schubert 2002, S. 61); Nächtliche Begegnung mit einem Irrsinnigen im Dorfe Angres von 1924 (Dritte Mappe/ii; Nierendorf 1924, Nr. 12; Karsch 1970/91; Schubert 2002, S. 67); Trümmer von Langemarck von 1924 (Dritte Mappe/V; Nierendorf 1924, Nr. 5; Karsch 1970/94, Schubert 2002, S. 60); (Sommer 1916, Champagne) / Granattrichter mit Blumen (Frühling 1916) von 1924 (Dritte Mappe/vi; Nierendorf 1924, Nr. 21; Karsch 1970/93; Schubert 2002, S. 69); Abend in der Wijtschaete-Ebene (Nov. 1917) von 1924 (Dritte Mappe/vii; Nierendorf 1924, Nr.  16; Karsch 1970/96; Schubert 2002, S. 72); Maschinengewehrzug geht vor (Somme, November 1916) von 1924 (Karsch 1970, S. 258, Nr. 110; Schubert 2002, S. 90, Fünfte Mappe/I), Essenholen bei Pilkem (Fünfte Mappe/iii; Karsch 1970/112; Schubert 2002, S. 92); Die Schlafenden von Fort Vaux (Gas Tote) von 1924 (Fünfte Mappe/vi; Karsch 1970/113; Schubert 2002, S. 95). 42 Ferner handelt es sich um: Tod und Auferstehung, vgl. Nierendorf 1924, S. 24, Nr. 24; ­florale Elemente sind ferner abgebildet in: Gastote (Templeux la Fosse, August 1916) von 1924 (Erste Mappe/iii; Nierendorf 1924, Nr. 15; Karsch 1970/72; Schubert 2002, S.  44); ­Granattrichter mit Blumen (Sommer 1916, Champagne) / Granattrichter mit Blumen (Frühling 1916); Gesehen am Steilhang vor Clery zur Somme von 1924 (Dritte Mappe/viii; Nierendorf 1924, Nr. 10; Schubert 2002, S. 73).

368 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

43 Vgl. Nierendorf 1924, S. 9, Nr. 13; Otto Dix: Flandern von 1934–1936 (L1936/1). 44 Die nachfolgenden Untersuchungen zum Ge­ mälde Flandern (1934–1936) sind Bestandteil der Publikation: Ina Jessen: Alternative Exile. The Landscape Paintings of Otto Dix as Media of »Inner Emigration«, in: Uwe Fleckner, Yih-Fen Hua u. Shai-Shu Tzeng (Hrsg.): Memorial Landscapes. World Images East and West, Berlin u. Boston (Mnemosyne, Schriften des Warburg-Kollegs, Nr. 7), S. 127–147. Dietrich Schubert verweist auf Flandern im Kontext der Antikriegsliteratur von Henri Barbusses und Remarque und kontextualisiert Dix’ Schlachtfelddarstellung ausführlich mit einem direkten Zitat aus Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues von 1928. Vgl. Schubert 2019, S. 115.

55 Vgl. Riese 2009, S. 300, s. v. »Vanitas«. 56 Im Folgenden wird die Schreibweise Pieter Bruegel d. Ä. verwendet. »Die Schreibweise des Familiennamens variiert: Pieter der Ältere schrieb sich zunächst Bruegel. So lautete auch der Eintrag in die Antwerpener Gildenliste der Maler von 1551 »Pieter Bruegels«. Seit 1559 signierte der Künstler jedoch in römischen Majuskeln mit »bruegel«. […] Sein Sohn Pieter der Jüngere signierte vor 1616 mit »Bruegel«, danach mit »Breughel«, der zweite Sohn Jan der Ältere dagegen mit »Bruegel.« Irene Herold: Pieter Bruegel der Ältere. Die Jahreszeiten, München, London u. New York 2002, S. 111. 57 Vgl. Schuppli 1995, S. 14. 58 Vgl. ibid., S. 14 u. S. 89.

45 Vgl. Thoene 1938, S. 346 f.

51 Vgl. hierzu das Kapitel »Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix Selbstvergewisserung einer ›deutschen‹ Maltradition« im vorliegenden Band.

59 Fünf Gemälde des Zyklus existieren: Der düstere Tag von 1565; Die Heuernte von 1565; Die Kornernte von 1565; Die Heimkehr der Herde von 1565; Die Jäger im Schnee von 1565. In zeitgenössischen Dokumenten sind hingegen sechs Bilder verzeichnet, wie im Kassa-Buch des Erzherzog Ernst (1552–1612), dem Statthalter der Niederlande zwischen 1593 und 1595: »6 taffeln von den 12 monats Zeiten«. 1659 erschien der Zyklus im Inventar der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662), worin jedoch lediglich fünf Bilder aufgeführt waren. Es wird schließlich von insgesamt sechs Bildtafeln ausgegangen, von denen vier rückwärtig signiert sind und die für einen Saal im Haus des Auftraggebers bestimmt waren. Als Auftraggeber der Jahreszeitendarstellungen ist der Antwerpener Bankier und Kaufmann Niclaes Jongelinck (1517–1570) bekannt, der als Zeitgenosse Bruegels die größte Kunstsammlung in den Niederlanden besaß. Vgl. Von Bruegel bis Rubens. Das Goldene Zeitalter der flämischen Malerei (hrsg. v. Ekkerard Mai u. Hans Vlieghe), Ausstellungskatalog, Wallraf-Richartz-Museum u. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Köln u. Antwerpen 1992, S. 162; Vgl. Herold 2002, S. 14, S. 89 u. S. 105.

52 Löffler 1981, S. 47 f.

60 Vgl. ibid., S. 79 u. S. 82.

53 Vgl. hierzu: Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Josef Nierendorf, ohne Ort, ohne Datum [1938], Otto Dix Archiv, 1935-8. Heute zählt das Gemälde zum Bestand des Kunstmuseums Stuttgart. Vgl. Kunstmuseum Stuttgart. Die Sammlung (hrsg. v. Ulrike Groos u. Eva-Maria Froitzheim), Sammlungskatalog, Bielefeld 2015, S. 91.

61 Vgl. ibid., S. 82 f.

46 Der Brockhaus Geschichte. Personen, Daten, Hintergründe, Mannheim 2007, S. 930–939, bes. S. 933, s. v. »Erster Weltkrieg«. 47 Karlsruhe 1986, S. 30; Schmidt 1978, S. 234. 48 Otto Dix: Objekt gestaltet Form, in: Berliner Nachtausgabe, 3. Dezember 1927, zit. nach: Schmidt 1981, S. 205; Lorenz, in: Gera 2011, S. 19. 49 Vgl. zu Techniken Alter Meister: Doerner 1933, 1941, 1976. Zu Dix’ Altmeisterlichen Bezügen siehe: Schwarz u. Schwarz 1996, S. 57–77; Dictionary of Art, hrsg. v. Jane Turner, Bd. 8, Grove Dictionaries Inc., New York 1996, S. 513–15, s. v. »DonauSchule«; Gebhardt 2004, S. 347–348. 50 Vgl. Doerner 1933, S. 261 ff.

54 Vgl. Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, hrsg. v. Karlheinz Barck et al., Bd. 5/7, Stuttgart u. Weimar 2003, S. 181, s. v. »Volkstümlichkeit«.

62 Vgl. ibid., S. 108. 63 Vgl. ibid., S. 82. 64 Vgl. ibid., S. 107. 65 Vgl. ibid., S. 83. 66 Vgl. Otto Dix in einem Gespräch um 1960, zit. nach: Löffler 1981, S. 43.

Anmerkungen _ 369

67 Vgl. Doerner 1933.

89 Vgl. ibid., S. 13 f. u. S. 109.

68 Vgl. Kicherer 1984, S. 39. Zu Dix’ Gemälden: Otto Dix: Erntewagen von 1941 (L 1941/14); Kornernte mit aufziehendem Gewitter von 1941 (L 1941/16).

90 Vgl. ibid., S. 13 f.

69 Vgl. Kretschmer 2016, S. 335–336, s. v. »Rabe«; Luther-Übersetzung: 1. Mos. 8,7. 70 Vgl. Jessen 2013, S. 22 ff. 71 Vgl. Lorenz 2013, ie 8.2.1, ie 8.2.2, ie 8.2.3, ie 8.2.5. 72 Vgl. Brief von Otto Dix, ohne Ort, an Nelly Dix, ohne Ort [1938], Otto Dix Archiv 1938-21. 73 Vgl. Herold 2002, S. 107.

91 Werner Schmidt: Ansprache zur Verleihung des Rembrandt-Preises der J. W. v. Goethe-Stiftug an Otto Dix 1968, Salzburg 1969, S. 17, zit. nach: Beck 2006, S. 173. 92 Vgl. Ulrike Lorenz: Maler ohne Muse? Anmerkungen zu Leben und Werk von Otto Dix, in: Dix 2011, S. 13–50, S. 19. 93 Dies belegt das Zitat: »Jedenfalls liegt für mich das Neue in der Malerei in einer Steigerung der eben bei den Alten Meistern bereits im Kern vorhandenen Ausdrucksformen.« Otto Dix: Objekt gestaltet Form, in: Berliner Nachtausgabe, 3.12.1927, zit. nach: Schmidt 1981, S. 205; Lorenz 2011, S. 19.

74 Vgl. Kretschmer 2016, S. 335 f., s. v. »Rabe«. 75 Riese 2009 a, S. 305, s. v. »Volkskunst«.

94 Otto Dix, zit. nach: Löffler 1981, S. 48; Kicherer 1984, S. 39.

76 Vgl. Löffler 1981, S. 56.

95 Vgl. Beck 2006, S. 170.

77 Vgl. ibid., S. 43.

96 Vgl. Doerner 1928, S. 345.

78 Vgl. Herold 2002, S. 14.

97 Langbehn 1938, S. 45.

79 Ibid., S. 8.

98 Ibid., S. 55. Zum Individualismus heißt es bei Langbehn 1938: »Individualismus ist das herrschende Prinzip der Welt, soweit diese vom menschlichen Standpunkt aus beurteilt werden kann; zugleich aber ist es herrschendes Prinzip des Deutschtums. Durch einen derartigen direkten Bezug zum innersten Kern des Weltlebens wird Deutschland, wie es dies geographisch schon ist so auch geistig und künstlerisch zu einem Reich der Mitte gestempelt […].« Ibid., S. 48.

80 Vgl. Wolfgang Stechow: Pieter Bruegel The Elder (about 1525–1569), New York 1969, S. 98; vgl. Herold 2002, S. 105. 81 Vgl. Klaus Demus: Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä., Katalog der Gemäldegalerie, Kunsthistorisches Museum, Wien 1981, S. 99 f.; Herold 2002, S. 106.

99 Vgl. Kicherer 1984, S. 40. 82 Vgl. ibid. 83 Vgl. Justus Müller Hofstede: ›Zur Interpretation von Pieter Bruegels Landschaft – Ästhetischer Landschaftsbegriff und Stoische Weltbetrachtung‹, in: Otto von Simson u. Matthias Winner (Hrsg.): Pieter Bruegel und Seine Welt. Berlin 1979, S. 73 ff. u. S. 138 ff.; Wien 1981, S. 91; Herold 2002, S. 107 f.

100 Das hier beschriebene, im Besitz der Otto Dix Stiftung befindliche Blatt weist unterhalb der Radierung den Auflagenvermerk 21/36 auf, mittig ist der Titel platziert: Schloß Randegg, die Signatur folgt rechts mittels des Monogramms dix 25. Ätzspuren sind an den Gravuren sichtbar, der Plattenabdruck zeichnet sich im Papier ab.

84 Müller Hofstede 1979, S. 140.

101 Gebhardt 2004, S. 348.

85 Vgl. Herold 2002, S. 109.

102 Insbesondere anhand von Dürers Aquarell Drahtziehmühle um 1494 wird die regionale architektonische Analogie und zudem die Parallelität in der perspektivischen Ausrichtung zu Dix’ Darstellungsweise nochmals unterstrichen. Auch Rembrandts Radierungen wie Die Windmühle von 1641 und Die Hütten am Kanal / Ansicht von Diemen von 1645 sowie Matthaeus Merians d. Ä. Darstellung einer

86 Vgl. ibid., S. 14. 87 Vgl. ibid., S. 86 f. 88 Ibid., S. 88.

370 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

Flusslandschaft weisen starke stilistische und formalästhetische Parallelen zu den von Dix gezeichneten Architekturen auf. Diese sind etwa durch die Gestaltung von alternden Baumaterialien, Hölzern, die baulichen Charakteristika und etwa Lattenzäunen charakterisiert. Abb. siehe: Matthaeus Merian d. Ä.: Flusslandschaft, in: Hollstein’s German, Engravings, Vol. xxvi, S. 117. In Die Windmühle und Dix’ Zeichnung Sägemühle in Allensbach von 1941 ist jeweils eine Architektur ohne menschliche Staffage in landschaftlicher Einbettung – bei Dix lediglich von einem Baum gerahmt – wiedergegeben. Übereinstimmungen bestehen auch hier in der Gebäudestruktur, da in beiden Fällen eine hölzerne Architektur gezeigt ist, die material-, alters- und witterungsbedingte Anzeichen aufweist. Die Architektur in Matthaeus Merians d. Ä. Darstellung einer Flusslandschaft reiht sich in diesen Vergleich ein (Abb. siehe: Matthaeus Merian d. Ä., Flusslandschaft, in: Hollstein’s German, Engravings, Vol. xxvi, S. 117). Rembrandt, Die Windmühle von 1641, Radierung, ohne Maßangabe, Berlin, Tafel 47, Abb. 146; Rembrandt, Die Hütten am Kanal / Ansicht von Diemen, ohne Jahr, Radierung, ohne Maßangabe, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, vgl. Horst Gerson, Rembrandt. Gemälde, Gesamtwerk, Gütersloh 1969, S. 100, Abb. a., Matthaeus Merian d. Ä., Flusslandschaft, in: Hollstein’s German, Engravings, Vol. xxvi, S. 117. 103 Albrecht Dürer, Wassermühle im Gebirge mit Zeichner um 1494, Zeichnung mit Wasser- und Deckfarben, 13,3 × 13,2 cm, Kupferstichkabinett smpk, Berlin, in: Dürer, Holbein, Grünewald. Meisterzeichnungen der deutschen Renaissance aus Berlin und Basel (hrsg. v. Kupferstichkabinette Basel und Berlin) Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Basel u. smpk Kupferstichkabinett, 1997–1998, S. 117. 104 Sägemühle in Allensbach von 1941 (Lorenz 2003 ie 7.9.10). 105 Die Darstellung vorindustrieller Baustile, unzeitgemäßer Landmaschinen, ackerbaulicher Strukturen und anderer Motive geht zeitlich einher mit Dix’ zeitgenössischen motivischen Entwicklungen, die während des ns mit dem Heimat-Begriff versehen propagiert wurden und der »Blut-und-Boden«-Ideologie entsprachen. Dies wird durch zahlreiche Papier- und Gemäldebeispiele wie Böhmisches Dorf von 1942, Wangen von 1939 und Die Kapelle von 1941, Bauernhaus von 1939 sowie Bauernhäuser von je 1939 untermauert. Lorenz 2003, ie 7.13.16, ie 7.18.1, ie 7.18.2, ie 7.19.17, ie 7.19.7, ie 7.19.9, ie 7.19.11. 106 Eberle 1984, S. 205. 107 Vgl. ibid. 108 Ibid., S. 215.

109 Carl Luwig Fernow, zit. nach: Eberle 1984, S. 217. 110 Eberle 1984, S. 200. 111 Ibid., S. 205. 112 Ibid. 113 Vgl. Grundbegriffe 2003, S. 90. s. v. »Klassizismus«; ibid. S. 624, s. v. »Ideale Landschaft«. 114 Brockhaus Enzyklopädie, hrsg. v. F. A. Brockhaus GmbH, Bd. 5, Leipzig u. Mannheim 2006, S. 664, s. v. »Dreifelderwirtschaft«. 115 Bei dem Gemälde Flandern von 1936 handelt es sich neben Die sieben Todsünden von 1933 und Triumph des Todes von 1934 um eines der letzten offensiv gesellschaftskritischen Gemälde von Otto Dix nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. 116 Vgl. Wolfgang Krönig u. Reinhard Wegner: Jakob Philipp Hackert. Der Landschaftsmaler der Goethezeit, Köln, Weimar u. Wien 1994, S. 5; Riese 2009 a, S. 181, s. v. »Landschaftsmalerei«. 117 Aus den Angaben zu Hackerts Biografie gehen die präzisen Daten zu mannigfaltigen Darstellungen aus Frankreich- und Italienaufenthalten hervor. Vgl. Krönig u. Wegner 1994, S. 5 ff. 118 Vgl. Erik Forssman: Edle Einfalt und stille Grös­se. Winckelmanns Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst von 1755, Freiburg i. Br., Berlin u. Wien 2010 (Rombach Wissenschaften. Quellen zur Kunst, Bd. 32), S. 88. 119 Vgl. Eberle 1984, S. 249. 120 Johann Wolfgang von Goethe: Gesang der lieblichen Geister in der Wüste. Die Ursprüngliche Fassung in der Zürcher Handschrift 1779, in: Alfred Cattani, Bruno Weber (Hrsg.): Zentralbibliothek Zürich. Schatzkammer der Überlieferung, Zürich 1989, S. 188 f. 121 Beenken, Das Neunzehnte Jahrhundert in der deutschen Kunst, München 1944, S. 159 f., zit. nach: Warnke 1992, S. 119. 122 Warnke 1992, S. 118. 123 Matthias Eberle verweist auf das geistige Ideal, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts »in der wilden, großen Natur gefunden wird«. Eberle 1984, S. 209.

Anmerkungen _ 371

124 Warnke 1992, S. 117. Rekurriert wird hier auf das Gemälde: Joseph Anton Koch: Wasserfall, 1796, Öl auf Leinwand, 99 × 75 cm, Hamburger Kunsthalle.

146 Vgl. Grundbegriffe 2003, S. 247, s. v. »Religion / Religiosität«. 147 Vgl. Einem 1978, S. 68.

125 Johann Wolfgang von Goethe: Diderots Versuch über die Malerei, Artemis Gedenkausgabe, S. 210, zit. nach: Herbert von Einem: Deutsche Malerei des Klassizismus und der Romantik 1760 bis 1840, München 1978, S. 68.

148 Vgl. Grundbegriffe 2003, S. 253, s. v. »Religion / Religiosität«.

126 Grundbegriffe 2003, S. 90. s. v. »Klassizismus«; ibid. S. 624, s. v. »Ideale Landschaft«.

149 Vgl. Beyer 2011, S. 12. Nähere Erläuterungen zum geschichtlichen Kontext, die im Sachzusammenhang der vorliegenden Arbeit zu weit führen würden, sind bei Beyer und Einem gegeben.

127 Vgl. Forssman 2010, S. 88.

150 Vgl. ibid., S. 11 ff.

128 Vgl. ibid., S. 77. 129 Ibid., S. 78 f.

151 Als philosophische Wegbereiter gelten unter an­de­rem Jean-Jaques Rousseau, die Brüder Schlegel, Jean Paul und insbesondere Novalis. Vgl. ibid., S. 12.

130 Vgl. Karlsruhe 1986, S. 30.

152 Vgl. ibid., S. 12 ff.

131 Vgl. Stuttgart 2012.

153 Vgl. Johannes Grave: Caspar David Friedrich und die Theorie des Erhabenen. Friedrichs Eismeer als Antwort auf einen zentralen Begriff der zeitgenössischen Ästhetik, Weimar 2001, S. 17.

132 Vgl. Warnke 1992, S. 13 f. 133 Vgl. Otto Maull: Politische Grenzen, Berlin 1928, S.  5 ff,; Ulrich Ante: Politische Geographie, Braunschweig 1981, S. 104 ff., zit. nach.: Warnke 1992, S. 15. 134 Vgl. ibid., S. 15. 135 Vgl. ibid., S. 13 f.

154 Vgl. ibid., S. 17. 155 Vgl. ibid., S. 18. 156 Vgl. Peter Rautmann: C. D. Friedrich. Das Eismeer. Durch den Tod zu neuem Leben, Frankfurt a. M. 1991 (Monographie-Reihe Kunststück, Bd. 10234), S. 13 f.; Grave 2001, S. 19.

136 Ibid., S. 14 f. 157 Vgl. Grave 2001, S. 17. 137 Otto Dix, Hemmenhofen 1965, zit. nach: Löffler 1977, S. 101–102. 138 Vgl. ibid., S. 20. 139 Vgl. Grundbegriffe 2003, S. 317 ff., s. v. »Ro­man­ tisch / Romantik«; zu Wahrheit und Handfertigkeit, Göttlichkeit und Gemütlichkeit vgl. Eberle 1984, S. 234.

158 Vgl. ibid., S. 19. 159 Vgl. Eberle 1984, S. 208. Zum Begriff der Erhabenheit nach Burke, Schiller und Kant sowie in der Romantik vgl. Hinrichs 2011, S. 55–92, S. 56; vgl. Hinrichs 2011, S. 56. 160 Caspar David Friedrich: Bekenntnisse, ausgewählt u. hrsg. v. Kurt Karl Eberlein, Leipzig 1924, S. 203.

140 Eberle 1984, S. 237. 161 Eberle 1984, S. 229. 141 Vgl. Löffler 1977, S. 104. 162 Vgl. Schöne 1954, S. 150. 142 Vgl. Stuttgart 1991, S. 291 f. 143 Vgl. Gerson 1969, S. 138 f., Abb. 200, Taf. S. 59. 144 Vgl. Wolfgang Schöne: Über das Licht in der Malerei, Berlin 1954, S. 150. 145 Vgl. ibid., S. 150.

163 Bereits in Altarbildern des Mittelalters und der Re­ naissance zählten Vanitassymbole wie der Totenschädel und die halb heruntergebrannte Kerze zu den Bestandteilen. Vgl. dazu Görel Cavalli-Björkman: Hieronymus in der Studierstube und das Vanitasstilleben, in: Leselust. Niederländische Malerei von Rembrandt bis Vermeer, hrsg. v. Sabine Schulze, Aus-

372 _ Rückzug in die Landschaft. Otto Dix in der »Inneren Emigration«?

stellungskatalog, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Stuttgart 1993, S. 47.

Fundamente der Kunstgeschichte, Bd. xvi), S. 37, zit. nach: Hinrichs 2011, S. 55–92, S. 70.

164 Vgl. ibid.

180 Vgl. Lexikon der Symbole 1971, S. 164, s. v. »Kreuz«.

165 Vgl. Grundbegriffe 2003, S. 469, s. v. »Trauerspiel und Vanitas-Landschaft«.

181 Vgl. Beyer 2011, S. 50.

166 Eberle 1984, S. 250. Zur religiösen Deutung in der Romantik siehe besonders: Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Gefühl als Gesetz, München 2008; Helmut Börsch-Supan: Die Bildgestaltung bei Caspar David Friedrich, Phil.-Diss., München 1960; Helmut Börsch-Supan u. K. W. Jähning: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, München 1973. 167 Vgl. Hinrichs 2011. 168 Ibid., S. 70. 169 Ibid., S. 72. 170 Ibid.

182 Zur Bildbegrenzung bei C. D. Friedrich vgl. Eberle 1984, S. 228 f. 183 Vgl. ibid., S. 52. 184 Ibid., S. 199. 185 Vgl. ibid., S. 197. 186 Vgl. Dietrich Schubert: Otto Dix, Reinbek 1980, S. 105. 187 Dietrich Schubert beschreibt Dix als »Seher des drohenden Unheils, neuen Wahnsinns und neuer Kriege«. Ibid., S. 105; vgl. auch Schubert 2019, S. 120; Peters 1998, S. 75. Vgl. Otto Dix: Selbstbildnis im Malkittel mit Glaskugel und Palette von 1931 (L 1931/1); Lot und seine Töchter von 1939 (L 1939/2).

171 Vgl. Kretschmer 2008, S. 340, s. v. »Regenbogen«; Lexikon der Symbole, hrsg. v. Gerd Heinz-Mohr, München 1998, S. 264 f., s. v. »Regenbogen«.

188 Vgl. Otto Dix, zit. nach: Philipp Gutbrod: Otto Dix. Lebenskunst, Ostfildern 2009, S. 80.

172 Vgl. ibid.

189 Vgl. Eberle 1984, S. 234.

173 Vgl. ibid.

190 Die Verehrung Nietzsches vergegenwärtigt die 1912 entstandene Gipsbüste des Philosophen, die 1937 in der Ausstellung Entartete Kunst eingesetzt wurde und deren Verbleib unbekannt ist, sowie das Gemälde Die Sieben Todsünden, in dem Dix die warnenden Worte »Die Wüste wächst: weh dem der Wüsten birgt.« integrierte und damit auf Nietzsches »Zarathustra« und die »Dionysos-Dithyramben« verweist. Friedrich Nietzsche: Götzendämmerung. Der Antichrist, Ecce Homo, Gedichte, Stuttgart 1964, S. 538; EhrkeRotermund 1994, S. 136 f.; Löffler 1981, S. 8; Löffler 1977, S. 107.

174 Kretschmer 2008, S. 340, s. v. »Regenbogen«. 175 Vgl. Wandtext zur Ausstellung »Hodler, Dix, Valloton«, Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen (2012); vgl. Beyer 2011, S. 12 ff. 176 Eberle 1984, S. 222, 224. 177 Vgl. Kretschmer 2008, S. 340, s. v. »Regenbogen«; Heinz-Mohr 1998, S. 264 f., s. v. »Regenbogen«. 178 Vgl. Kretschmer 2008, S. 350 f., s. v. »Ruine«. 179 Eberle 1984, S. 234. Das bei Nina Hinrichs aufgeführte Zitat C. D. Friedrichs entspricht einem Gegenpol zu den rationalen Standpunkten etwa Immanuel Kants: »Willst du wissen, was Schönheit sey? Befrage die Herrn Aesthetiker; bei Theetisch kann es dir nützen. Vor der Staffelei aber mußt du es fühlen was schön ist.« G. Eimer u. H. Rath (Hrsg.): Caspar David Friedrich. Kritische Edition der Schriften des Künstlers und seiner Zeitzeugen I. »Äußerungen bei Betrachtung einer Sammlung von größtentheils noch lebenden und unlängst verstorbenen Künstlern«, Frankfurt a. M. 1999 (Frankfurter

191 Zit. nach Peter Rautmann: Der Hamburger Sepiazyklus – Natur und bürgerliche Emanzipation bei C.D. Friedrich, in: Hinz et al.: Bürgerliche Revolution und Romantik. Natur und Gesellschaft bei C.F. Friedrich, Gießen 1976, S. 73–110, S. 79, zit. nach: Eberle 1984, S. 239. 192 Die Distanz von Hemmenhofen bis zur Landesgrenze zur Schweiz beträgt zirka 8 km. Der Untersee trennt Deutschland und die Schweiz als natürliche Grenze voneinander. Die Distanz zwischen Hemmenhofen und der gegenüberliegenden Schweizer Gemeinde Steckborn beträgt in der Luftlinie zirka 2 km. 193 Vgl. Warnke 1992, S. 19 f.

Anmerkungen _ 373

194 Vgl. Wandtext zur Ausstellung »Hodler, Dix, Valloton«, Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen 2012; Helmut Fiedler: Aufbrechendes Eis – Die Seegfrörne von 1940 im Spiegel der Kunst, in: Hegau. Zeitschrift für Geschichte und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee, Themenband »Kunst- und Künstlerschaft Hegau«, hrsg. v. HegauGeschichtsverein e.V., Jahrbuch 73/2016, Singen/ Hohentwiel 2016, S. 191–204, S. 195. Der hier angeführte Passus ist teilweise Gegenstand in: Jessen 2019, S. 97–107.

201 Vgl. ibid., S. 237. 202 Vgl. ibid., S. 226. 203 Vgl. ibid., S. 208. 204 Heeresbauamt 1937, dka; Heeresbauamt 1937-1, dka. 205 Vgl. Eberle 1984, S. 221. 206 Vgl. ibid., S. 235.

195 Vgl. Graf 2013. 207 Ibid., S. 226. 196 Vgl. Ehrke-Rotermund 1994, S. 127; Graf 2013, S. 260. 197 Vgl. Warnke 1992, S. 19 f. 198 Dieser Sachverhalt wurde bereits in Auszügen erläutert in Jessen 2019, S. 97 ff. 199 Vgl. Rainer Beck: »Flucht ist immer falsch«. Inneres Exil als Emigration, in: Chemnitz 2012, S. 26. 200 Eberle 1984, S. 208.

208 Dix, zit. nach: Gutbrod 2009, S. 80. 209 Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Bd.  2, München 2011, S. 407–413, bes. S. 411, s. v. »Sturm« (Rainer Donandt). Donandt zitiert darin: Georg Forster: Briefe, hrsg. v. Gerhard Steiner, Bd. iv, Frankfurt a. M. 1970, S. 107–121; Alexander Demandt: Metaphern für Geschichte: Sprachbilder und Gleichnisse im historisch-politischen Denken, München 1978, S. 136.

Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

Da geradezu offensiv auf die Menschenlosigkeit hingewiesen wird, stellt sich die Frage, worauf das fehlende Bildpersonal in Dix’ Gemälden zurückzuführen ist. Aufgrund des scheinbar menschenleeren Raumes wird der inhaltliche Fokus geradewegs und unweigerlich auf die Funktion des Menschen im Kontext der gezeigten Landschaft geleitet. Die neusachliche Feingliedrigkeit und Detailtreue der Bildelemente im Spiel bildimmanenter Atmosphären bewirkt, dass sich die Betrachter auf die Suche nach menschlichen Spuren und damit nach einem Anhaltspunkt zur Identifikation begeben, auf der sie schließlich auch fündig werden. Je konzentrierter die Bildbetrachtung und der Versuch, die Bildkomposition zu durchdringen, desto deutlicher kristallisiert sich der Abstand zum Dargestellten heraus. Der Einstieg in die Bildinhalte ist nicht selten hinderlich, da die Betrachterinnen und Betrachter nicht in den Bildraum vorzudringen vermögen, sondern von kompositorischen Entscheidungen wie Überschauperspektive in Kombination mit fragmentierten Bildräumen und gegeneinander kippenden Perspektiven vor das Bild beziehungsweise auf den oftmals am jeweiligen unteren Bildrand dargestellten optischen Vorsprung verwiesen ­werden.

376 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

»Indem der Blick des Beschauers diese verrätselte und doch zugleich auf ihn bezogene Welt durchstreift, [so Matthias Eberle] wird er ständig zu Transzendierung und Verinnerlichung seiner Existenz gezwungen. Er hat sich als Einzelwesen zu begreifen, das Erfüllung nur dadurch finden kann, daß es sich als Teil eines Unendlich-Allgemeinen, als Glied eines übergreifenden, großen Prozesses fühlt.«1 Diese Beschreibung der romantischen Malerei und geistigen Ausrichtung Caspar David Friedrichs kann aufgrund der Analysen im vorliegenden Kapitel als Schema auf Dix’ Landschaftsmalerei übertragen werden. Bildatmosphärisch bedingte Ambiguitäten weisen musterhafte Übereinstimmungen in Bezug auf das selbstreflexive Moment auf. Bildprägende Faktoren wie die visuelle und thematische Undurchdringlichkeit beruhen auf den tatsächlichen kompositorischen Gegebenheiten im Bild, die Dix mit einer intensiven Empathielosigkeit zum Ausdruck bringt und den Rezipierenden damit zugleich seine künstlerische Herkunft aus dem Realismus der Neuen Sachlichkeit, basierend auf dem Diskurs der Wirklichkeitsverhältnisse von Darstellungen und den Funktionen der Kunst unterbreitet.2 Bei der flüchtigen Betrachtung erscheinen die Landschaften klar komponiert und es wird suggeriert, dass es thematisch lediglich um die Abbildung einer Landschaft geht. Stets wiederkehrende Aspekte wie der verschachtelte, fragmentierte Bildaufbau, aus dem kein konkretes Bildzentrum zu ermitteln ist, erschweren jedoch die Erschließung des Gesehenen. Je eindringlicher die Betrachtung eines Bildes tatsächlich ist, desto mehr Rätsel wirft es auf. Die motivischen Bildelemente erscheinen fragwürdig, intensive Farbkontraste stechen hervor und die Distanz zwischen den Betrachtenden und dem Dargestellten wirkt immens. Die Landschaft ist unerreichbar und erscheint aufgrund stilistischer Überhöhungen oftmals surreal. Die bildimmanente Distanz, die abweisende Stimmung und die wenig greifbaren inhaltlichen Fakten sind als ambig zu fassen. Der Seherfahrung kommt demzufolge eine wichtige Rolle im Werkkontext zu. Dies deutet Dix selbst an, indem er anweist: »Wer Augen hat zum Sehen, der sehe!«3 Mit der unüberbrückbaren Distanz zwischen dem Rezipierenden und der gezeigten Landschaft wird eine sinnbildliche Kohärenz zwischen beiden hergestellt. Die Abkapselung des Betrachtenden erscheint als Äquivalent zur persönlichen Situation von Otto Dix. In die Landschaft gezogen und der eigens gewählten Berufung – der offensiv kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Gegebenheiten im Medium der Malerei – beraubt, spiegelt die Entscheidung für das Sujet Dix’ Handlungsunfähigkeit in Bezug auf die gesellschaftspolitische Situation und den eigens vorgefundenen Zustand. Die Landschaft wie im Gemälde randegg mit vögeli ist Hauptmotiv und zugleich in unerreichbarer Ferne für die Betrachtenden, das Dorf



Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft _ 377

in randegg im schnee mit raben wirkt verriegelt und abweisend. Angesichts der Tatsache, dass es sich noch 1935 um den Wohnort des Künstlers handelt, erstaunt die Beziehungslosigkeit, die in der Rezeption des Bildes ersichtlich wird und die in der visualisierten Distanz zwischen Maler und Dorf begründet ist. Dix malte die Landschaft nicht nur, um sein malerisches Geschick unter Beweis zu stellen und die Bilder zu verkaufen, sondern mittels Motiven, Malweise und künstlerischen Bezügen eine kritische Tendenz zum Ausdruck zu bringen.4 Neben technischen, formalästhetischen und stilistischen Bezügen zu kunsthistorischen Vorbildern zeigt sich, dass die signifikante Stimmung mit ambiguer, endzeitlicher Konnotation bildprägend in Dix Landschaftsdarstellungen ist. Formal suggeriert Dix eine mimetische Abbildung von Natur oder Person. Während des Rezeptionsvorgangs treten jedoch Eigenschaften zutage, die auf des Bildes Funktion als eine Art Kippfigur hinweisen. Die in dieser Arbeit als antiklassisch beschriebenen Kompositionen manifestieren in sich sowohl motivische, perspektivische, auf den Größenkontrast bezogene wie auch form- und farbspezifische Charakteristika. Als Kipp-Eigenschaft ist an dieser Stelle also nicht das mechanische Kippen oder die funktionale Form eines aufklappbaren Bildes gemeint, sondern vielmehr das Moment des metaphorischen und ikonografischen Vexierens, das während des Rezeptionsvorgangs in Erscheinung tritt. Exemplarisch sei nochmals das Gemälde randegg im schnee mit raben angeführt, das zunächst lediglich als Landschaftsszene mit Dorf erscheint. Anhand der Raben, des Flecks im Schnee, des verwachsenen Baumes sowie der vermeintlichen Menschenleere treten jedoch eigenartige, vorgeblich ein Narrativ abbildende Bildbestandteile hervor. In Zusammenhang mit kompositorischen Faktoren wie Überschauperspektive, diffuse Farbigkeit, Fragmentierung der Bildebenen und verschränkte Kompositionen, die eine Distanz zwischen Bildinhalt und Rezipienten bewirken, wird die narrative Suggestion jedoch verwehrt. Sie wird nicht aufgelöst und damit scheitert der Rezeptionsvorgang in Hinblick auf diese plakative, vermeintlich inhärente Inhaltsebene. Die Landschaft bleibt ambigue. Menschliche Staffage ist in den meisten Landschaftsreferenzen, als marginale Motivik eingebunden, nicht direkt sichtbar, sondern lediglich im Bild zu vermuten. Hierin manifestiert sich der werkspezifisch dominante Kontrast, da Dix mit dem Jahr 1933 sein populäres wie charakteristisches Sujet der Porträt- und Figurenmalerei gegen die zumeist menschenleer gezeigte Landschaft eintauschte. So sind zahlreiche zivilisatorische Anklänge wie schemenhafte Ortschaften, ferne Kirchtürme, bestellte Felder oder Ackerbau sichtbar, Bildpersonal ist– wenn überhaupt präsent – hingegen meist aufgrund der marginalen Größe leicht zu übersehen. Entsprechend zeigt das Gemälde randegg mit vögeli drei Holzfäller während der Arbeit. Sie sind farblich an die umgebende Baum- und Bergstruktur angeglichen und wegen

378 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

ihrer geringen Größe für die Rezipierenden kaum erkennbar, sie treten hinter der Weite der Landschaft optisch zurück. Insofern die Betrachtenden am inhaltlichen Durchdringen und somit vom vermeintlichen Bildinhalt und Geschehen fern- und abgehalten werden, findet sowohl auf bildimmanenter, formalästhetischer Ebene wie auch vor dem Bild eine Entrückung im Sinne von Unzugänglichkeit, Unklarheit und damit Verschlossenheit des Dargestellten statt. Eine vom Maler intendierte abweisende Funktion der Gemälde scheint gegeben. »Der Übergang vom offensichtlichen zum verborgenen Aspekt soll oft vom Schein zur Wirklichkeit, von der Oberfläche zur Tiefe führen. Die von holländischen Protestanten geschaffenen Vexierbilder vom Teufelspapst suggerieren, dass das Kirchenoberhaupt in Wirklichkeit der Antichrist war.5 Der Griff zur Mehrdeutigkeit kann also den Glauben an den bloßen Schein kritisieren und eine Ermunterung darstellen, dessen Schleier zu lüften, um eine höhere Ebene der Wirklichkeit zu erkennen. Aus dieser Warte heißt das ›doppelte Sehen‹ überwundene Verblendung und echtes Sehen.6 Eine solche Umwandlung des Blicks erhielt in Momenten religiöser, politischer oder wissenschaftlicher Krisen entscheidende Bedeutung.«7 Im Verhältnis zu Gambonis Darstellung kommt die Landschaftsmalerei von Otto Dix als Suggestion der unverfänglichen Bildgattung daher. Mit ambigen, Unheil vermittelnden Bildstimmungen zeigt der Maler bereits tiefergehende Betrachtungsebenen seiner Motive. So bildet neben den als politisch zu begreifenden Motiven von Unwetter, zerborstenen Bäume oder giftigen Farbanmutungen nicht zuletzt der Zeitbezug das Vexierbild-Moment in diesen Arbeiten, die im Zuge seiner Entlassung, Verfemung, der eingeschränkten Partizipation an der Kunstwelt wie auch des Zweiten Weltkriegs entstanden. Uneindeutig kommentierte Dix die ihn umgebende Landschaft, die sein Milieu war und schrieb ihr negative Konnotationen zu, die das reziproke Verhältnis der Werkentwicklung und der zeitpolitischen Einflüsse anzeigen. Eindeutig bildet dies etwa das Gemälde aufbrechendes eis ab. Dix bewirkte mit der Landschaftsgattung und darin tradierten Techniken und Sujets – in Kombination mit charakteristisch neusachlichen Elementen wie Farbigkeit oder Komposition – eine Form der Manipulation normativ geprägter und historisch tradierter Seh- und Rezeptionsweisen.8 Besonders zum Vorschein kommt die damit einhergehende Ambiguität im Zusammenhang mit Darstellungsweisen der Romantik. In Bezug auf die Metaebene am Beispiel dieser Epoche erläutert Gamboni:



Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft _ 379

»Mehrdeutigkeit und Sinnoffenheit gelten als charakteristische Merkmale romantischer Kunst. Mit ihrer Hilfe lassen sich tradierte Sichtweisen, Normen und Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen. Ambiguität, verstanden als ein Oszillieren zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten der Betrachtung und der Bedeutung eines Kunstwerks, konstituiert jene Transformationsprozesse, die im frühen 19. Jahrhundert den Aufbruch in eine neue Darstellungsform begleiten.«9 Das hier beschriebene Oszillieren zeigt sich in Dix’ Arbeiten auf verschiedenen Ebenen: Eine Betrachtungsmöglichkeit besteht im Kippspiel der Epochen. Aufgrund der altmeisterlichen Anmutung erinnern die Darstellungen zunächst wenig an Gemälde des 20. Jahrhunderts. Grund hierfür ist die stilistische Gestaltung der Bildelemente – der Architekturen etwa – die eher frühneuzeitlich und somit historisierend als aus Dix’ zeitgenössischer Umgebung stammend erscheinen. Die Lesart als Referenz auf Bruegel kippt folglich durch Faktoren wie Menschenleere, fragmentiert verschachtelte Bildgründe und die inhaltliche Verschlossenheit des Bildes randegg im schnee mit raben. Dies ist als neusachliche Beigabe und somit Dix’ charakteristische künstlerische Praxis zu verstehen. Eine weitere Betrachtung besteht in der subjektiv-referenziellen Eigenschaft der Darstellung. Hierin zeigt sich zugleich ein Aktualitätsbezug, da Dix während der Arbeit am Gemälde in Randegg lebte. Das Bild vermittelt nicht den Anschein, als identifizierte sich der Maler mit dem Gezeigten im Sinne eines Wohn- und Lebensortes. Vielmehr sind Menschenleere, diffuse Atmosphäre und ambige Symboliken mit den Begriffen Abgeschiedenheit, Entrückung oder Desillusion konnotiert. Die vielfach eingesetzte ambige Atmosphäre, beispielsweise erzeugt durch die Wiedergabe meteorologischer Phänomene wie auch dezidiert konnotierter Symbole – so etwa das Kreuz, sakrale Architekturen, Regenbogen oder Ruine – suggerieren als weitere Möglichkeit der Betrachtung eine narrative Ebene. Mit dem Einsatz von atmosphärisch wirksamen, subtilen Inhalten wie auch expliziten Symboliken gibt Dix zugleich Mehrdeutigkeit und Sinnoffenheit vor. Dementsprechend besteht eine strukturelle Parallele zwischen Dix’ Landschaftsmalerei und jener der Romantik. Dadurch, dass die Rezipierenden jedoch mit negativ konnotierten Inhalten wie Sturm, Morbidität, konkreter Todessymbolik oder disharmonischen Kompositionen konfrontiert sind, kippt die formal romantisierende Ebene inhaltlich in ihr Gegenteil. Da keine Auflösung der paradoxen Narration erfolgt, wird der Rezeptionsvorgang in die Irre geleitet. Die Ambiguität der Landschaftsdarstellungen impliziert nicht allein den um 1800 durch Goethe, Schlegel und Novalis aufgebrachten ästhetischen Aspekt und die vermeintlich symbolische atmosphärische Aufladung der Landschaft nach dem

380 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

Vorbild der Romantik, sondern zugleich eine (selbst-)reflexive Ambiguität in Bezug auf die künstlerische Praxis während des Nationalsozialismus. Dix verhandelt seine Lebensrealitäten in der Gattung der Landschaftsmalerei. Diese steht im reziproken Verhältnis zu seiner zeitgenössisch politischen Situation. Es handelt sich damit um eine kunst- respektive kulturpolitische, zeit- und selbstreflexive Metaperspektive, die am Beispiel von Otto Dix’ Malerei – wie an den vorangehenden Bildbeispielen dargelegt – eröffnet wird.10 Obwohl nicht alle Bildelemente in Dix’ Landschaftsmalerei VexierbildMomente darstellen, besteht die von Gamboni besprochene Multistabilität in drei Parametern auch in Dix’ Œuvre zwischen 1933 und 1945, sodass hier von Kippund Vexierbildern die Rede ist: in der klassisch angelegten Form der Landschaftsdarstellung, der formalästhetisch antiklassisch komponierten Umsetzung sowie in der inhaltlich konstitutiven Ebene. Sie ist durch die »Aktivität des wahrnehmenden Subjekts« im Zusammenhang mit kunsthistorischen Lesarten und unter Einfluss der zeitpolitischen Entwicklungen und Ereignisse bedingt.11 Ein wesentliches Kriterium in Dix’ Landschaften ist die untergeordnete Rolle menschlicher Staffage. Ein daraus resultierender relevanter Forschungsaspekt besteht in der Vergleichbarkeit moderner Landschaftsmalerei mit historischen Darstellungsweisen, in denen es – wie am Beispiel der Romantik – der Betrachtenden bedurfte, um die Landschaft als Projektion menschlichen Bewusstseins erachten zu können.12 In diesem Zusammenhang erscheint der Aspekt der Menschenlosigkeit – wie in den Analysekapiteln herausgestellt – bedeutsam. Im signifikanten Kontrast hierzu steht in den Bildreferenzen zwischen 1918 und 1933 meist eine konkrete Person oder Persönlichkeit in ihrem Milieu, das Aufzeigen sozialer Gegebenheiten und damit ein sozialkritischer Impetus im Fokus des Malers und des Betrachtenden. In Dix’ Bildnissen geht das Milieu mit der jeweils porträtierten Person einher. In den Landschaften kehrt sich dieses Prinzip um und das Milieu – und zwar Dix’ eigenes Milieu – nimmt die Stellung des Protagonisten ein, während die Staffage unsichtbar, hintergründig und trivial wirkt. Wie aus den vorangehenden Analysekapiteln ersichtlich wird, scheint es so, als wäre die Einbindung figürlicher Staffage kein Hauptanliegen des Malers. Die demonstrative Nicht-Einbindung beziehungsweise Nicht-Sichtbarkeit der menschlichen Staffage erschließt sich jedoch erst unter der Berücksichtigung der Rezipierenden, denen somit eine wichtige Funktion zukommt.13 Im Kontext der Werke der Weimarer Republik wirft die Malerei nach 1933 die Frage auf, worauf die fehlende menschliche Staffage zurückzuführen ist. Im Vergleich mit seiner Bildproduktion während der Weimarer Republik tritt diese Leerstelle, das Fehlen menschlicher Akteure im Bild selbst, deutlich hervor. Stattdessen wird hier über das Setzen von Hinweisen auf Zivilisation, Orte oder landwirtschaftliche Tätigkeit, eine Anwesenheit von Menschen nur angedeutet. Damit rückt der



Illumination, Regionalismus und der Tod. Das Gemälde »Hegaulandschaft am Abend« (1939) _ 381

inhaltliche Fokus auf den Lebensraum und die Funktion menschlicher Gegenwart in der gezeigten Landschaft, statt auf tatsächliche Akteure darin. Zugleich wird dieser diffusen An- oder eben Abwesenheit über die neusachliche Feingliedrigkeit der Bildelemente ein Kontrast entgegengesetzt, der die Szene visuell fassbar zu machen scheint. Im Zusammenspiel erzeugen diese beiden Elemente aber ein permanentes Kippen und Osszilieren zwischen Eindeutigkeit und Vagheit. Oder anders gesagt, hier zeigt sich die von Dix strategisch zum Ausdruck gebrachte Ambiguität. In Bezug auf die Funktionsweise eines Kunstwerks stellt Gamboni die Rezipierenden als zentrale Position heraus: »Trotz des Reichtums der Mittel und Vorgehensweisen muss betont werden, dass das wichtigste Instrument der Schöpfer von Mehrfachbildern der Zuschauer selbst bleibt, mit seiner Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit zu entwickeln und ein ›Betrachter‹ im vollen Sinne zu werden.«14 Auf die Malerei von Otto Dix der 1930er und 1940er Jahre transferiert und im Kontext der vorliegenden Fragestellung begriffen, umschließt der Begriff des »›Betrachters‹ im vollen Sinne« die Erfassung der motivischen, ikonografischen wie subjektiven und politischen Umbruchphase. Diese Lesart legt folglich eine interdisziplinäre Rezeption zugrunde, die insbesondere politischer, historischer respektive kunsthistorischer Ausprägung ist. Dix produzierte verschiedene Typen »ambiger Landschaft, die ein zeitspezifisches Phänomen darstellen, da sie zwischen 1933 und 1945 in bestimmten Jahren mit signifikanten Ereignissen korrelieren. Dabei wäre der von Gamboni angeführte »Vorwurf der seelischen Störung [hier als Begründung für die Motivation zur Produktion des Malers verstanden], der sich umso leichter auf die Wahrnehmung verborgener Bilder [richtet]«15 irrelevant, da einerseits die Vielzahl der so entstandenen ambigen Landschaften auf eine aktive Rolle und Schaffensphase des Malers hinweist. Andererseits wird hieran ein produktives Verhandeln kunsthistorischer Tradition und zeitgenössischen Kunstverständnisses zum Ausdruck gebracht.

illumination, regionalismus und der tod. das gemälde hegaulandschaft am abend (1939) Bildbeispiele mit figürlicher Staffage weisen meist spezifische Symboliken auf. So ist die Figur des Landwirtes mit Sense – und damit die des Schnitters, des Sensenmannes – als Figuration des Todes ein wiederkehrendes Motiv. hegaulandschaft am abend wurde 1939 fertiggestellt und damit sechs Jahre nach der Ernennung

382 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der unmittelbar darauf folgenden Auflösung des Reichstages, der Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und Einführung der nationalsozialistischen Diktatur mit allen bereits 1933 aus den politischen Entwicklungen resultierenden Konsequenzen für den Maler (Taf. 9).16 Damit entstand das Gemälde auch sechs Jahre nach der Entlassung aus seiner Professur, dem Umzug von Dresden in den Hegau und der ersten Femeschau entartete kunst in Dresden. Ferner fanden die für Dix’ Werk in der öffentlichen Wahrnehmung einschneidende aktion und Femeschau entartete kunst ab 1937 sowie entsprechende Auseinandersetzungen über die Annehmbarkeit beziehungsweise Ablehnung seiner zeitgenössischen Malerei in der Presse statt. Außerdem war er im Zusammenhang mit dem Attentat auf Adolf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller verdächtigt und kurzzeitig inhaftiert worden.17 Demnach ist der Entstehungsort im eigens von Martha Dix als Bauherrin bei dem Dresdner Architekten Arnulf Schelcher in Auftrag gegebenen und 1936 bezogenen Atelierhaus in Hemmenhofen zu lokalisieren.18 Die Familie hatte es bezogen, nachdem sie zwischen 1933 und 1936 übergangsweise im Schloss Randegg bei Hans Koch gelebt hatte. Das Gemälde hegaulandschaft am abend impliziert mit Rekurs auf die bildwissenschaftliche Methode der politischen Ikonografie, den Terminus der politischen Landschaft nach Martin Warnke sowie die Begriffe »Heimat« und »Ambiguität« in formalästhetischer wie inhaltlicher Hinsicht signifikante Aspekte, die als charakteristisch für Dix’ landschaftliches Œuvre dieser Zeit zu lesen sind und zudem die Kernthese sowie kaleidoskopische Anknüpfungspunkte dieser Arbeit herausstellen. Die Darstellung zeigt eine düstere Landschaft, wie dies vielfach im landschaftlichen Œuvre dieser Schaffensperiode gegeben ist. Die Komposition ist horizontal angelegt, gewinnt dadurch räumlich an Tiefe und zeigt im Vordergrund eine Landschaft mit Getreidefeld und Bildpersonal. Die weit fluchtende Tiefe wird dadurch unterstützt, dass weder an der rechten noch an der linken Bildkante rahmende Elemente eingefügt sind. Dadurch wird das kompositorische Bildzentrum mitsamt der Berge im Hintergrund zusätzlich betont. Im Mittelgrund erstrecken sich eine Niederung mit Gewässer sowie eine Ortschaft vor einer sanft geschwungenen, in Nebel gehüllten Gebirgskette im Hintergrund. Die Finsternis der irdischen Bildelemente steht in Kontrast zum Himmel, dessen Beschaffenheit in einer gleißenden Farbigkeit besteht. Als Übergang von der landschaftlichen zur meteorologischen Ebene erscheinen die Berge, da ihre Farbgebung in den darüber aufsteigenden Wolken fortgeführt wird. Pointierende Merkmale bestehen in der Farbigkeit, in Temperaturkontrasten, motivisch-symbolischen Zuschreibungen und der kompositorischen Struktur. So



Illumination, Regionalismus und der Tod. Das Gemälde »Hegaulandschaft am Abend« (1939) _ 383

sind im dunklen Vordergrund Gräser in unterschiedlich gedeckten Grüntönen definiert. Vom rechten Bildrand schreitet ein Landwirt entgegen der Leserichtung, der auf seiner rechten Seite eine Sense schultert und mit legerem Hemd und Hose als Arbeitsbekleidung sowie einem Hut ausstaffiert ist. Dahinter erstreckt sich ein kultivierter Acker, ein weites Getreidefeld, das horizontal nach dem ersten Viertel der Bildfläche endet. Der Betrachtendenstandpunkt ist leicht erhöht, sodass sich hinter dem Feld ein Tal mit zwei Seen und drei Ortschaften anschließt, das aufgrund der immensen Distanz zunächst als Auenlandschaft wirkt. Die Niederung geht in eine Gebirgslandschaft über, die anhand des Berges Hohenstoffeln im rechten Hintergrund sowie dem Bildtitel zufolge als Hegaulandschaft identifizierbar ist. Die zum Bestand der Otto Dix Stiftung zählende Bleistiftzeichnung hegaulandschaft zeigt einen dem Gemäldeausschnitt entsprechenden Bildausschnitt, wobei das Getreidefeld im Vordergrund und der Schnitter, die im Gemälde manifestiert sind, fehlen. Bei der Zeichnung handelt es sich um eine reine Überschau ohne Repoussoir, sodass die Mittelgrundlandschaft und die anschließende Hintergrundlandschaft – der Galgenberg vorne links, nachfolgend in Leserichtung der Hohenstoffeln, der Hohentwiel und der Hohenhöven – im Fokus stehen. Ein meteorologisches Szenario und Nebelschwaden sind hier nicht skizziert, allerdings sind weite Teile lediglich als Umrisslinien abgezeichnet, sodass das Blatt lediglich Studiencharakter aufweist. Bemerkenswert ist die Datierung, da Dix das Blatt um 1943 entwarf und dennoch das bereits zuvor 1939 in Öl gestaltete Motiv aus eben derselben Perspektive darstellte.19 Eine Diffusität umgibt die fernen Berge, die aufgrund von Perspektive und Distanz als zentrale Bildelemente wirken. Ferner bewirkt die Einbettung des Bergmotivs in den Nebel eine organische, wellenähnliche Formation und Binnengliederung. Am Horizont sind graue Wolkenbänder dargestellt, die vor dem glühend abgebildeten, gelb-orange changierenden Himmel als Kontrast in der Farbtemperatur bestehen. Die Tonalität des Himmels geht zu den Bildkanten in ein warm-pigmentiertes Blau über, das von dunkleren, rot-braun-violetten Wolkenformationen am oberen Bildrand gerahmt ist. Das gleißende Licht der untergehenden Sonne – der Landwirt impliziert aufgrund seiner Bekleidung, der Physiognomie des geduckten Ganges sowie des schräg gehaltenen und damit folglich leeren Kruges, dass das Tagewerk vollbracht und es Abend ist – bildet vor dem Nebel um die Berge den stärksten Signalwert im Bild. Hinzu kommt, dass die Darstellungen im Vorder- und Mittelgrund derart dunkel gehalten sind, dass sich hier ein Kontrast in Bezug auf Farbe und Präzision im Pinselstrich manifestiert, wobei der Vordergrund filigran gestaltet ist und die fernen Ebenen einen flächigen Duktus aufweisen. Nebel und Licht bilden im landschaftlichen Werk von Otto Dix ein signifikantes Element im Zusammenhang mit der Konstruktion atmosphärischer Gegebenheiten. So setzte der Maler in Gemälden wie hegaulandschaft am abend Nebel-

384 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

82  Otto Dix. randegg bei gewitter 1934, Öl auf Leinwand, 69 × 79 cm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

bänder kompositionsbestimmend als Ebenen ein. Sowohl farblich als auch axial auf die horizontale Ebene bezogen, wird hieran ein wiederkehrendes Kompositionsschema deutlich. In den Gemälden randegg bei gewitter von 1934 und wald im riesengebirge von 1942 setzt Dix den Nebel im Hintergrund insofern ein, als dadurch topografische, witterungsspezifische Besonderheiten abgebildet werden, wie in der gebirgigen Landschaft um Randegg gegeben. Ferner implizieren die perspektivische Anordnung, die Distanz der Betrachtenden zum jeweiligen Bildgrund sowie eine schemenhafte Darstellungsweise in den Hintergrundebenen kompositorische Wiederholungen (Abb. 82, Abb. 83).20 Darüber hinaus sind die Nebel vielfach einem sfumato vergleichbar, das Dix als sanften Übergang der Bildgründe einbindet, in denen die Farbwerte unter Beimischung von Weiß gemildert sind, deren Intensität somit geschwächt ist und die Wirkung pudrig und pastellähnlich erscheint. Zwar wird mit den formalen Mitteln der Malerei hier eine Milderung der Motivwirkung erzeugt, diese erscheint im Zuge des kompositorischen Gegensatzes zum gleißenden Himmel und dem Repertoire an filigranen Motiven im Vordergrund jedoch stark kontrastierend respektive ist als stilistisches Gegensatzelement eingesetzt, um die bildimmanenten Kontraste zu stärken. Ähnlich verhält sich die verblaute Gebirgsebene mit der ikonografischen Bildsprache (Schnitter, Feuer, Eruption), wodurch die sanfte Semantik als ambige, diffuse Atmosphäre erscheint und vom Bildinhalt somit eine mystifizierend konnotierte Wirkung ausgeht.



Illumination, Regionalismus und der Tod. Das Gemälde »Hegaulandschaft am Abend« (1939) _ 385

83  Otto Dix. wald im riesengebirge 1941, Mischtechnik auf Leinwand auf Holz, 81 × 100 cm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

Licht, Nebel und Diffusität sowie der meteorologische Fokus und seine farbliche Gestaltung – und darin besteht die inhaltliche Relevanz – bewirken eine finstere, gleißende Atmosphäre. Der atmosphärische Aspekt – hier als Ikonografie der politischen Landschaft zu erachten – ist als stilistisches Mittel zur Erzeugung besonderer Bildstimmungen mit mystisch anmutendem Impetus zu betrachten. Ambige, oftmals düstere Atmosphären finden in zahlreichen Gemälden des Malers Widerhall, die in Kombination mit anderen Bildelementen wie dem Baummotiv, divergierenden meteorologischen Elementen, Lebewesen wie Vögeln, jahreszeitlichen Spezifika und dezidiert vormodernen Motiven wie Architekturen das Repertoire definieren. Sie sind im Kontext der zugrunde gelegten These der politischen Ikonografie zuzurechnen. Die natürliche Lichtquelle in hegaulandschaft am abend bildet – neben der Flächenproportion im Bild auch aufgrund des Farbkontrastes zum vorher benannten Bildgrund – einen Darstellungsschwerpunkt. Durch die Lasurmalerei sind die Farbübergänge fließend gestaltet, wobei die Wolken als strukturbildendes Motiv eingebunden sind. Der Himmel bildet somit strukturell eine Wiederholung der fließenden Nebelgebirge im darunter liegenden Bildbereich. Da die Sonne als Lichtquelle hinter dem Gebirgszug verortet und somit nicht im sichtbaren Bildraum angeordnet ist, handelt es sich um eine indirekte Lichtquelle. Die Wirkung des Himmels ist zugleich dämonisch, was durch die vom gleißenden Abendlicht der Sonne

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konturierten und kontrastierend hierzu diffus eingehüllten Bergkette zum Ausdruck gebracht wird. Die Wolkenbänder beschreiben den Übergang vom Irdischen in den Bereich des Himmels und sind zunächst als schmale Wolkenbänder respektive -bändchen erkennbar, ziehen sich jedoch in einer Formation als Rauchschwaden über die rechte Bildseite empor zur oberen Bildkante und akkumulieren sich dort kompositorisch in weniger definierter Form. In dieser kompositorischen Struktur wirken die Berge als vulkanische Ebene, deren Eruption und rauchig-­feurige Ausdünstung die Wolkenbildung am Himmel zu manifestieren vermag. Hierauf verweisen die signalfarbigen Wolken, deren gleißende Beschaffenheit – insbesondere gestärkt durch den Duktus- und Farbkontrast im Verhältnis zu den verblauten Gebirgszügen – als Glut und ferne Feuerherde anmuten. In Dix’ Wiedergabe von meteorologischen Verhältnissen und Szenarios manifestiert sich eine deutliche Hinwendung zu und Orientierung an kunsthistorischen Vorbildern wie hier an Malern der mitteleuropäischen Renaissance. Als kunsthistorischer Vergleich sei an dieser Stelle auf Albrecht Altdorfers landschaft bei sonnenuntergang von 1522 wie auch auf das meteorologische Phänomen und die Lichtprägung im Gemälde ­a lexanderschlacht (schlacht bei issos) von 1529 hingewiesen (Abb.  84). Das Gemälde bildet aufgrund der kumulierenden Wolkenstruktur zwar ein wesentlich dramatischeres Himmelsszenario ab, weist aber zugleich eine Farbigkeit auf, die stark mit den Blautönen kontrastierend zwischen Rot-, Orange- und Gelbtönen changiert, gleichsam an der Horizontlinie angesiedelt ist und demzufolge als Vergleichsbeispiel trägt. Die landschaft bei sonnenaufgang ist eine ruhige, stille Szene changierender Farb- und damit Lichtverhältnisse. In Dix’ Darstellung tragen die horizontale Komposition – die meisten Landschaften sind horizontal komponiert – sowie die Wellenformation der Berge zur ruhigen Wirkung des Gezeigten bei. Die Farben sind auch hier mit konvergierendem Kontrast gewählt, sodass Blau- und Orangetöne direkt gegeneinandergesetzt sind und – wie in allen drei Beispielen – komplementär wirken. Eine entscheidende Analogie besteht in der bildimmanenten Atmosphäre, die aufgrund der Anordnung der Bildelemente wie den bei Altdorfer gezeigten, mit herabhängenden Flechten bewachsenen Bäumen oder der durch die von Dix dargestellten Nebel erzeugten Diffusität in Kombination mit den nachstehend erläuterten Symbolbezügen als mystisch oder gar mit morbider Tendenz zu beschreiben ist. Während im Hintergrund der hegaulandschaft am abend ein gleißender Abendhimmel und hierzu kontrastierend die verblauten Berge gezeigt sind, tritt der im Vordergrund schreitende Landwirt aufgrund der ihn definierenden Farbigkeit visuell in den Hintergrund und wird erst beim genauen Hinschauen erkennbar. Wieder ist die figurale Staffage erst bei gründlicherer Betrachtung erkennbar, wenngleich sie nicht aufgrund ihrer Größe, sondern der ihr zugeschriebenen Far-



Illumination, Regionalismus und der Tod. Das Gemälde »Hegaulandschaft am Abend« (1939) _ 387

84  Albrecht Altdorfer. gebirgslandschaft bei sonnenuntergang um 1522, Deckfarben über brauner Feder auf weißem Papier, 20 × 13,2 cm, Universität Erlangen, Graphische Sammlung

bigkeit optisch zurücktritt. Die Wiedergabe mit geschultertem Werkzeug entspricht nach Jutta Held der Tendenz der Ständebilder etwa des 18. Jahrhunderts.21 Ferner entspricht Dix’ Figur des Landwirts Monatsbild-Darstellungen wie Pieter Bruegels Jahreszeitenzyklus und darin den Darstellungen der arbeitenden Landbevölkerung. Deutlich wird dies am Beispiel die jäger im schnee von 1565 anhand der Jäger, die ihr Werkzeug in gleicher Weise transportieren. Mit seinem Motivrepertoire ordnet sich Dix folglich in eine kunsthistorische Tradition ein. Zwar ist auch im Aufzeigen des jahreszeitlichen Rhythmus einer Sommerlandschaft und der entsprechenden landwirtschaftlichen Bestellung eine Analogie zu historischen volkstümlichen Monatsbildern erkennbar. Dabei ist Dix’ Darstellung jedoch kein Aufzeigen der zeitgemäßen landwirtschaftlichen Gegebenheiten, Produktions- und Handlungsweisen zu unterstellen.22 Vielmehr handelt es sich in Dix’ zeitgenössischem Kontext um die Konstruktion eines vormodernen Bildes von der Landwirtschaft respektive vom Landwirt. Der heimkehrende Landwirt

388 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

in hegaulandschaft am abend nimmt insbesondere aufgrund seiner Größe, der Perspektive und Proportionalität der Gemäldeelemente sowie der detailreichen Ausstaffierung eine gesonderte Rolle in den Landschaftsgemälden dieser Schaffensphase ein. Seine Statur ist gezeichnet von Alter und körperlicher Arbeit. Der gebeugte Gang, die geduckte Haltung, der Krug in seiner Linken und die geschulterte Sense mit aufrecht strebender Sichel auf der rechten Seite visualisieren Mühsal und seine physische Anstrengung. Dennoch ist sein Haupt aufrecht und der Blick führt als horizontale Achse in Schrittrichtung. Im Gegensatz zu einer mimetisch am Bild eines spezifischen Landwirts, landwirtschaftlichen Arbeiters oder seiner Handlungsweisen orientierten Darstellung tritt hier ein alternativer Ansatz in den Fokus der Betrachtung. Die Figur mit geschulterter Sense im narrativ-symbolischen Zusammenhang ist als schreitender Schnitter zu dekodieren. Da die Personifikation des Todes bereits im biblischen Kontext mit Getreide und Sichel (Hiob 5,26; Apk. 14,14) respektive seit dem 13. Jahrhundert mit Sense ausstaffiert wurde, die Sterbenden analog als Garben betrachtet wurden, deren zeitliche Verortung im Sommer gebräuchlich war und ist, ergibt sich hieraus eine dezidierte Konnotation von Otto Dix’ Darstellung:23 der mit Sense ausstaffierte Schnitter vor dem reifen Getreidefeld im Spätsommer. Die Schnitter-Ikonografie steht in Verbindung zu den bildimmanenten atmosphärischen, ambigen Gegebenheiten. Die trotz der primären Anordnung im Bildvordergrund nahezu schemenhaft erscheinende Gestalt steht aufgrund der symbolischen Konnotation als Schnitter respektive Tod in Zusammenhang mit dem Hintergrund der von Nebeln umhüllten Berge vor dem starkfarbigen, leuchtenden Himmel. Seine Silhouette ist vom gleißenden Licht erhellt, wodurch die Figur formal eine gesonderte Hervorhebung aus der Dunkelheit erfährt. Hier findet also eine latente Wiederholung der Berge und Gebirgskette vor dem kontrastierend gefärbten Himmel statt. Ferner impliziert und visualisiert der gleißende Himmel die vormals benannte Konnotation von Feuer, Glut und Rauchschwaden. Demzufolge besteht eine symbolbezogene Verbindung beider Bildelemente – des Landwirtes als Personifikation des Todes und des zu den übrigen Bildebenen stark kontrastierenden Himmels mit symbolischer Entsprechung – indem eine dem Vanitas-Gedanken vergleichbare Konnotation zwischen der Ikonografie des Todes und dem auf das Ende des Tages respektive des Lebens hinweisenden meteorologischen Szenario besteht.

bäume und wälder. das neue typenporträt nach 1933 Ein hervorzuhebendes motivisches Element in Otto Dix’ Landschaften mit weitreichenden kunsthistorischen Bezügen stellen Bäume dar. Im Zusammenhang mit dem



Bäume und Wälder. Das neue Typenporträt nach 1933 _ 389

vorliegenden Band erschließen sich gestaltungsspezifische Analogien zu Dix’ menschlichen Porträts. Damit reiht sich der Maler einerseits in eine Motiv- und Darstellungstradition ein, andererseits lösen überzeichnete Baummotive in variierenden Typen die überzeichneten Figurendarstellungen in seiner Werkentstehungs-Chronologie ab. Daher bilden Baum- und Wald-Motive im Kontext ausgewählter Vergleichsmomente und zeitgebundener Lesarten den nachstehenden Untersuchungsgegenstand. Sowohl in Hinsicht auf Neuzeit und Renaissance als auch im Motivrepertoire von Klassizismus und Romantik ist der Baum oder Wald ein wiederkehrendes Leitmotiv der Landschaftsmalerei. Hinsichtlich der Motivzuschreibung erläutert Gerd Heinz-Mohr die Kontextualität von Mensch und Baum sowie den Kreislauf des Seins: »Der Baum hat wie der Mensch eine aufrechte, zum Himmel weisende Gestalt. Er verkörpert in seiner immer wieder erneuten Lebenskraft den beständigen Sieg über den Tod. Sein Jahreslauf, sein offenbares Abgestorbensein und Neuerstehen, Blätterreichtum, Blüten und Früchte und schließlich wieder die Rückkehr zu offenbarer Unfruchtbarkeit liefern viele Analogien zum Leben und Sterben, Blühen und Früchtebringen oder Früchteverweigern des Menschen.«24 In Dix’ künstlerischen Bezugnahmen treten sowohl die Auswahl des jeweiligen Baumtypus, die gestalterischen wie auch formalästhetischen und technischen Charakteristika hervor. Über die Fokussierung der Landschaft hinaus steht die Porträtierung von Bäumen in kausalem Verhältnis zur motivischen Abkehr von menschlichen Protagonisten. Die zahlreichen, für den Maler so charakteristischen Porträts der 1920er Jahre bildeten zugleich seinen sozialkritischen Blick auf die dargestellte Person in ihrem jeweiligen Milieu und damit eine Rezeption der sozialen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ab. Mit der Aussparung der Menschen als Hauptmotiv und der Hinwendung zum Baummotiv kommt diese Entwicklung einem Tausch der Protagonisten gleich. In Anbetracht der Entsprechung von Baum und Mensch erläutert Madeleine Schuppli die Analogie zwischen Dix und der Romantik: »Bei Dix wie beim Romantiker wird klar, dass eine natürliche Landschaft in genau derselben Art wirken kann wie eine aus Körpern gebildete Landschaft. Ein zerschundener menschlicher Körper, wie auch ein zerschundener Baum, beinhaltet die gleiche Aussage.«25 Detailgenaue Darstellungen wie im Gemälde lärche im engadin von 1938 lassen den Baum als Solitär in seinem Milieu erscheinen und zugleich aufgrund von sezierender Detailgenauigkeit und Überzeichnung eine parallele Darstellungs-

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struktur zu den genannten Typenporträts der Weimarer Zeit erkennen (Taf. 10). Am Beispiel des Gemäldes die irrsinnige von 1925 treten etwa die filigrane Motivwiedergabe der überzeichneten Frauengestalt und die starkfarbigen Kontraste deutlich hervor. Dix bezieht den Gegenstand des Baumes in unterschiedliche Kontexte seines landschaftlichen Œuvres ein, wie in randegg im schnee mit raben, in randegg mit vögeli mit dem in der Marginalität bestehenden Gehölz oder am zerschmetterten Baum in gewitter im riesengebirge von 1940 deutlich wird. Eklatant ist die von Krankheit und Verfall geprägte Konnotation seiner Motive, die er vielfach überspitzt darstellt. Damit bringt Dix wiederum seine charakteristisch neusachliche Prägung und den entsprechenden Tenor zum Ausdruck. Obwohl als zentrales, variantenreiches Bildelement in den Kompositionen abgebildet, vermitteln die Darstellungsmodi zumeist eine endzeitliche Wirkung. Dix stellte seine Bäume in überspitzten Formen dar: Überlange Astglieder, gekappte Baumkronen, überproportional emporragende Stämme und Verästelungen sowie eine mit dem übrigen Bildrepertoire kontrastierende dunkle Rindenfarbe rufen eine eindrucksvolle, morbide Wirkung hervor. Selbst die zurückgestutzten Äste der vier Bäume vor dem Vögeli haben eine schmerzhafte Suggestion, da sie an amputierte Gliedmaßen erinnern.26 Es scheint, als kompensiere Dix sowohl die Lebensenergie als auch den Tod in Gestalt der Bäume und rekurriere damit auch auf den existenziellen Kreislauf des menschlichen Seins wie dies bei Gerd Heinz-Mohr beschrieben ist.27 Dabei verweisen kaum sichtbare, im Größenverhältnis zu Natur und Landschaft marginale menschliche Staffagen auf ihre vermeintlich geringe Relevanz im Gemäldezusammenhang. Zugleich wirken die vielfach starkfarbig-expressiven Kompositionen im Zerfall begriffen, spiegeln somit motivisch und formalästhetisch den Gedanken des memento mori (Bedenke, dass Du sterben musst) und damit die Vergänglichkeit des Seins wider.28 Dix verwendet mit seinem landschaftlichen Motivrepertoire ab 1933 verschiedene aufgrund ihrer kompositorischen Einbindung und der Gestaltung auffallende Bildelemente. Wie dargelegt konstituiert er sein eigenes Motivrepertoire der Vergänglichkeit menschlichen Seins mit Elementen wie dem Regenbogen oder den Raben, die das Fundament einer oftmals düsteren Bildstimmung bilden. Neben dem vorweg erläuterten Repertoire zieht Dix ebenso Symbole mit offenkundiger TodesKonnotation für seine Landschaften heran. Deutlich wird dies anhand des Leichenzugs im Gemälde begräbnis von 1941 und des als Schnitter begriffenen Landwirts in hegaulandschaft am abend von 1939. Inwiefern Bäume einer vergleichbaren Lesart unterliegen, wird im vorliegenden Kapitel diskutiert. In Anbetracht von Dix’ Klassizismus-Bezug treten weltanschauliche und ideelle Unterschiede hervor. Die Rolle des Motivs in der klassischen Landschafts-



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rezeption erscheint dazu differenziell und wird besonders am Beispiel Hackerts ­ ouachen erkennbar, da dieser den Baum in seinen Federzeichnungen, Aquarellen, G und Ölgemälden immer wieder in den Bildfokus rückt. Sein Bestreben ist es, »das schönste jeder Art in der Natur zu wählen«,29 sowie die Auffassung, dass ein Künstler nie »eine verstümmelte Natur nachahmen [dürfe]; sogar wenn er kranke und sterbende Natur nachahmt, muss er auch hier das Schönste zu finden wissen, und sowohl bei nachgeahmten als komponierten Bäumen muss alles schön, lachend, freundlich und lieblich sein«.30 Somit verweist Hackert darauf, dass das klassische Ideal im Fokus steht und »die abzubildende Natur zwischen Arkadien, Heroismus und Idylle [changiert]«31 und im selben Moment die Wiedergabe eines unansehnlichen Bildmotivs verweigert. Überdies wurden im Klassizismus klare Kriterien verfolgt, die einen schönen Baum charakterisieren: »Die Gestalt eines schönes Gärtner-Baumes ist, daß er über dem untern dicken Stamm sich zu einer Gabel von Zweigen bildet. Dieses mit sehr schön geschwungenen und variierten Ästen bildet wirklich auch einen schönen Baum für den Landschaftsmaler.«32 Die Künstler der Romantik wendeten sich gegen den klassizistischen, am Beispiel Hackerts dargelegten didaktischen Ansatz zur Gestaltung von Bäumen, nahmen ihn als unzeitgemäß wahr und verurteilten ihn als »verstaubte, verzopfte Pedanterie«.33 Mit Zuschreibungen von Endlichkeit und Vergänglichkeit gezeichnet, verkörpern Bäume einen Romantik-Begriff, wie er im Nationalismus des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus auch in der ns-Propaganda verwendet wurde. Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die Naturphilosophie Bilder aus der Natur auf, um ein scheinbar organisches Ideal von Gesellschaft zu veranschaulichen. Dix’ Gemälde lärche im engadin visualisiert die Lesart von Landschaft und Baum als Natur-Subjekt. Gezeigt ist das in schrillen Farbentönen gestaltete Porträt einer aufrecht emporstrebenden und hochgewachsenen Lärche in welkem Zustand, mit tropfenden, teilweise abgestorbenen Ästen. Ein weites Tal breitet sich in den Hintergrund aus. Die Darstellung veranschaulicht weder ein religiöses Ansinnen noch eine nationalistische Zuschreibung. Während der Ära der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wurden Nadelbäume wegen ihres schnellen Wachstums und der Möglichkeit, sie im industriellen Maßstab zu nutzen, in großen Monokul-

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turen gepflanzt. So stand die Wahrnehmung dieser Baumart mit der wirtschaftlichen Planung und dem kapitalistischen Denken in Verbindung. Sie diente daher weder als repräsentatives Motiv für den Wald verschiedener Baumarten noch als Spiegelbild einer normativen Familienstruktur und Gesellschaft.34 Dennoch schreibt der Maler der solitären Lärche hier die Protagonisten-Rolle zu und das in einer Zeit, in der die Eiche im Zuge der nationalsozialistischen Propaganda instrumentalisiert wurde. Solitär, Typenporträt, überzeichnete Farbkomposition und Vereinzelung prägen die Darstellung. Mit diesem Typus kontrastierend wurde der aus verschiedenen Baumarten bestehende Mischwald vom späten 19. Jahrhundert ausgehend als Beispiel für einen friedlichen und funktionierenden Organismus angesehen. Er galt etwa als Vorbild für die ideale Familie oder eine größere Gemeinschaft, in der jedem Menschen ein fester Platz und eine Rolle zugeschrieben wurde.35 Die nationalsozialistische »Blut-und-Boden«-Ideologie rationalisierte die Analogie des Waldes zu einer einzigen Vorstellung vom Menschen als Baum und vom Wald als Gruppe gleicher und einheitlicher Teile. Dieses »völkische« Konzept bezog sich auf den Menschen als Ganzes, etablierte Kriterien der äußeren Erscheinung als Unterscheidungsmerkmal für die Zugehörigkeit zu oder den Ausschluss aus einer »starken« Gemeinschaft und wurde damit als propagandistisches Element verwendet.36 Bäume und Wälder erscheinen in Dix’ Gemälden nach 1933 in hyperrealistischen Farbkompositionen und überzeichneten Formen.37 Der Farbaspekt ist insofern elementar, als Dix’ Schaffensperioden der Weimarer Republik und des National­ sozialismus durch ihn verbunden sind. Den Arbeiten ist eine toxische Komponente immanent, die auf der Leuchtkraft und Intensität sowie starken Kontrasten gegenüber düsteren Teilen basiert. Auf diese Weise entsteht eine unnatürlich anmutende Patina in zahlreichen Gemälden wie aufbrechendes eis, randegg mit vögeli oder lärche im engadin, die mit dem Begriff des Magischen Realismus zu fassen ist.38 Schrille, grelle und kontrastierende Farbkompositionen erzeugen beunruhigende Bildwirkungen, die im Gegensatz zu naturalistischen Landschaftsdarstellungen stehen. Hierdurch stehen sie in Opposition zu politisch gewollten Landschaftsbildern wie anhand von Werner Peiner (1897–1984), Otto Gross (1898–1970) oder Willie Paupie (1898–1981) und anderen deutlich wird.39 Zeitpolitische Verweise bestehen darüber hinaus in realen Narrativen, die der Maler subversiv abbildet. Diesbezüglich stellt der Friedhof in der Literatur und insbesondere in Olaf Peters’ Deutung im zeitgenössischen Kontext ein Element von gesellschaftspolitischer Tragweite dar. Das Gemälde judenfriedhof in randegg im winter mit hohenstoffeln von 1935 zeigt eine verschneite Winterlandschaft, in die der Betrachter aus leicht erhöhter Position hinabblickt (Abb. 2). Der Blick wird in ein Tal mit Dorf und auf einen Berg auf der rechten Seite geleitet, auf dem ein dunkler Baum steht. Die linke Bildhälfte wird von dem



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Friedhof bestimmt, der auf einem Hügel liegt, die Vegetation erscheint leblos. Peters erläutert, dass die Landschaft und der Friedhof ineinander übergehen und somit thematisch Tod und Vergänglichkeit implizieren. Zudem werden der judenfriedhof und die mächtige Eiche ins Bildzentrum gerückt, sodass beide zugleich miteinander verbunden und voneinander getrennt erscheinen. Anhand des Friedhofs sowie des als »deutsche Eiche« konnotierten Baumes wird zudem vehement die Gegensätzlichkeit der Motive im Sinne des gesellschaftlich vernichtenden Widerspruchs im »Dritten Reich« zum Ausdruck gebracht.40 Demzufolge geht aus den Landschaften nicht allein eine Vergänglichkeitsmetaphorik hervor, sondern ebenso eine Bedeutungsebene politischen Ausmaßes, die Dietrich Schubert als »Möglichkeit politischer Metaphorik«41 fasst, indem er formuliert: »Das Gemälde ist Symbol der Zeit.«42 Mit dieser Darstellung ist Dix in einer Motivtradition zum Eichbaum und ihrer historischen, literarischen wie kunsthistorischen Symbolik etwa mit politischer Zuschreibung begriffen. »Die Eiche wird seit altersher immer als Zeichen des menschlichen Lebens gedeutet. Das Leben des [E]inzelnen wie das einer ganzen Nation wird von ihr verkörpert. So schrieb in seinen Kommentaren zu seinen ›Idyllen‹ Wilhelm Tischbein über einen Eichbaum, man könne sich bei diesem leicht: ›einen Mann denken, der mit Muth und Kraft den Stürmen des Schicksals widerstanden und sich bei allen harten Schlägen des Ungemachs, dennoch bis in das späte, ehrwürdige Alter erhalten hat.‹43«44 So wurde sie etwa deutsch-national als Einheit repräsentierend konnotiert sowie als religiöse Emblematik im Sinne der »Vermittlung zwischen Mensch und Gott, Erde und Himmel« verstanden.45 Damit steht sie in scharfem Kontrast zum jüdischen Friedhof, einer dünn verschleierten Andeutung der tödlichen gesellschaftlichen und politischen Konfrontation während des »Dritten Reiches«.46 Diese Gegenüberstellung zeigt, dass Dix seine Landschaften jenseits allgemeiner Metaphern der Vergänglichkeit allen Lebens mit spezifischen und zeitgenössisch politischen Bedeutungen auflud, die hier als kritischer Kommentar zu lesen sind. Umso deutlicher tritt der zeitpolitische Bezug zutage, da Dix den jüdischen Friedhof im selben Jahr malte, als das gesetz zum schutze des deutschen blutes und der deutschen ehre vom 15. September 1935 Gültigkeit erlangte beziehungsweise die sogenannten »Nürnberger Rassegesetze« in Kraft traten, in denen alle jüdischen Menschen als minderwertig erklärt und ihnen sowohl die bürgerlichen Rechte als auch die Existenzberechtigung im Deutschen Reich abgesprochen wurde. Die erschütternde Wirkung dieser rechtlich manifestierten Menschenverachtung

394 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

und -vernichtung zeigte sich in den Verbrechen gegen alle jüdischen Menschen während des Holocausts.47 Zu diesem Zeitpunkt lebte der Maler selbst zunächst in der jüdischen Gemeinde Randegg und wenig später unweit entfernt in Hemmenhofen, sodass davon auszugehen ist, dass er sich mit den politisch-antisemitischen Entwicklungen und allgegenwärtigen Ereignissen auseinandersetzte und ein Statement mit den Mitteln seiner Malerei verfasste.

dialektische metaphorik. endzeitstimmung zwischen moosen, flechten und granattrichtern Anhand des Gemäldes vorfrühling am bodensee bei gaienhofen zeigen sich deutlich Otto Dix’ künstlerische Vorbilder sowie die Weiterentwicklung von seinen »Kriegslandschaften« zur »ambigen Landschaft«. Grundlegend ist jeweils die Einbindung des Baum- und Flechtenmotivs (Taf. 14). Der vom linken Rand in den Bildraum ausladende Baum nimmt als Motiv die gesamte Fläche ein und lässt kein alternatives Motiv als zentrales Objekt zu. Die Oberflächenbeschaffenheit des Baumes ist durch eine bemooste, in großen Teilen abgeplatzte Rinde geprägt, sodass das nackte Holz weitestgehend freigelegt ist. Die Äste ranken und winden sich gekrümmt in den Bildraum und enden in feinen, krallenähnlichen Auswüchsen. Weiter unten hängen organische Fäden schlaff von den filigranen Verästelungen herab. Die Baumwurzeln umkrallen Steinbrocken am Seeufer und sind nicht in der Erde verwurzelt. Einer der drei Hauptstämme ist abgebrochen und die Bruchkante ragt spitz empor. Ein großer Ast, das Gegenstück des zerbrochenen Stammes, liegt neben feineren Ästen am Ufer. Er ist vertrocknet, vom Wasser ausgespült und leblos. Der Verfalls- und Sterbensprozess ist unwiderruflich. Wenngleich der Titel auf den jahreszeitlichen Kreislauf, beginnendes Leben und Erneuerung im Vorfrühling hinweist, ist der Baum vom Tod gezeichnet, visualisiert und vermittelt Zerfall und Endzeitstimmung. Das Gemälde weist bereits in den zugrunde liegenden Studien eine auf­ge­ fä­cherte, raumgreifende wie unruhige Achsenkomposition auf.48 Darin sind in schneller Schraffur sowohl die schräg gewachsenen, teilweise abgebrochenen Baumstämme angelegt wie auch die im Hintergrund angeordneten strauchartigen Baumkronen und das Seeufer.49 In der Zeichnung weiden am see modellierte Dix die Plastizität des Protagonisten – des Baumes im Vordergrund – deutlich aus, änderte für die Umsetzung in Öl jedoch ein weiteres Mal die Komposition der Bildelemente dahingehend, dass die Stämme im Verhältnis zur Studie abweichend angeordnet sind (Abb. 85).50 Hier wählte der Maler eine dynamischere, in der Diagonale steilere



Dialektische Metaphorik. Endzeitstimmung zwischen Moosen, Flechten und Granattrichtern _ 395

85  Otto Dix. weiden am see um 1942, Bleistift, Feder und Pinsel in Tusche auf weiß grundiertem Alabasterkarton, 49,5 × 58,5 cm, Privatbesitz

86  Albrecht Altdorfer. landschaft mit doppelfichte vor 1520, Radierung, 11 × 16,2 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

Komposition. Auch hier steht der Baum als zentrales Motiv im Fokus. Dies bildet sich anhand der modellierten Form und Struktur, der axialen Komposition im Bildfeld sowie der Farbgebung ab. Die Form ist geprägt von diagonalen Ästen und Verästelungen, die über das Bildfeld ragen. Sie erscheinen verdreht und verknöchert, sind partiell abgebrochen, von kahlen Stellen durchzogen. Versehen sind sie mit schlaff herabhängenden Moosen und Flechten auf der Rinde sowie den wie Krallen verkrümmten freiliegenden Baumwurzeln am steinernen Ufer. Der hiermit erzeugte Eindruck des Morbiden wird unterstrichen durch ein farbliches Changieren aus Gelb, Grün und Blau, kontrastierend zu Rot-, Braun- und Orangetönen sowie Grau und Weiß. Die erzielte Farbwirkung erscheint giftig, insbesondere, da eine Kohärenz zwischen den stark kontrastierenden Farben mit den organischen Strukturen besteht. Diese endzeitliche Fragilität in der Bildwirkung ist bereits bei neuzeitlichen Künstlern auszumachen. Zeichnungen und Druckgrafiken Albrecht Altdorfers, Lucas Cranachs, Wolf Hubers und darüber hinaus Albrecht Dürers scheinen für Dix’ Baumdarstellungen vorbildhaft zugrunde gelegen zu haben. In der Darstellung landschaft bei sonnenuntergang treten insbesondere die zu Dix’ lärche im engadin analogen Farbwerte mit intensivem Kolorit hervor. Zudem besteht eine deutliche Übereinstimmung im dramatisch umgesetzten Motiv des Baumes. In Altdorfers Radierung landschaft mit doppelfichte ist es ins Bildzentrum vor einer Gebirgslandschaft mit Ortschaften gerückt sowie vor einem in kraftvollem Helldunkel gezeichneten Wolkenszenario gezeigt (Abb. 86). Dix’ Federzeichnung tal im engadin von 1938 – die dem Gemälde lärche im engadin als Studie zugrunde liegt – und Albrecht Altdorfers Federzeichnung landschaft mit dop-

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pelfichte (um 1517–1522) entsprechen sich sowohl in der Komposition der Bildelemente als auch in der technischen Ausmodellierung. Beide zeigen das Fichtenmotiv im Vordergrund, das jeweils von einer weiten Ebene mit Flusslauf gesäumt ist und in den gebirgigen Hintergrund übergeht. Auch hier sind die Stämme, Äste und das Wurzelwerk jeweils auf ödem, steinernem Grund angeordnet, wodurch eine kahle, abweisende und lebensunwirkliche Situation zum Ausdruck gebracht wird. Die Linienführung sowie das filigran ausgeführte Helldunkel in der motivischen Umsetzung lassen starke Übereinstimmungen beider Federzeichnungen erkennen. Am Baummotiv der sogenannten Maler der Donauschule zeigt Volker Gebhardt Attribute wie Flechten oder auch die damit einhergehenden bildatmosphärischen Aspekte auf. »Die Bäume – vorzugsweise Fichten und Tannen – sehen wie zerrupft aus, Flechten hängen tief herab; manchmal wirken sie wie mit Eiszapfen behängt. Die Bäume bekommen etwas Kreatürlich-Individuelles und sind vielfach anthropomorphe Ausdrucksträger, die gestisch Stimmungen erzeugen […]. Der Gegensatz der Phantasielandschaften der Donauschule zur bis dahin erst kurzen Tradition deutscher Landschaftsdarstellung könnte nicht größer sein. […] Die für die Donauschule typischen Landschaften sind in Finsternis gehüllt. […] Altdorfer erzeugte bereits in diesem Kleinformat [Albrecht Altdorfer, S­ ebastiansaltar, Grablegung Christi, Öl auf Holz, 1518, Wien, Kunsthistorisches Museum] den Eindruck einer Weltlandschaft, wie sie in seinem berühmtesten Bild, der ›Alexanderschlacht‹, zum eigentlichen Bildthema wurde.«51 Mit seiner Darstellung von Moosen und Flechten nimmt Dix einerseits Bezug auf die benannten künstlerischen Vorbilder, andererseits greift er auf die in seinen »Kriegslandschaften« oftmals verwendete Darstellung zurück. Bereits der schützengraben zeigt eindrücklich, dass die zerrissene und zerfetzte Bekleidung des zentralen, regelrecht aufgespießten toten Soldaten in Fragmenten herabhängt (Abb.  6). Dies ist formal betrachtet eine motivisch-strukturelle Parallele zu den herabhängenden Moosen im Gemälde vorfrühling am bodensee bei gaienhofen. Im organischen Gewand der Natur zitieren diese Elemente zerborstene Leiber, Waffen und weitere zerstörte Dingformen, die anhand der Bildelemente allerdings nicht eindeutig identifizierbar sind. Das Triptychon der krieg zeigt vergleichbare Darstellungen am aufgespießten Leichnam der zentralen Figur in der Mitteltafel (Taf. 4). Zerfetzte Körper, aus denen fragmentartig fließend die inneren Organe heraus- und herabhängen, sind ferner im vorderen Mittelgrund gegeben. Auch sie bilden Analogien zu den Moosen und Flechten der ambigen Baumdar-



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stellungen während des Nationalsozialismus. Das Gemälde flandern nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderposition ein – nicht zuletzt, da es eine Gattung im Übergang von der »Kriegslandschaft« zur »ambigen Landschaft« darstellt. Auch hier implizierte Dix Fragmente von Stoffen wie Bekleidung, Decken, Schutz- und Zeltvorrichtungen, die über Baumstümpfen und abgeschlagenen Ästen hängen und als triefende, faserige Konglomerate im Bild aufgeführt sind. Baumelemente und herabhängende, faserige Elemente bilden eine Melange, die in Dix’ Landschaftskompositionen und -konstruktionen ihre Wiederholung findet, wie am Beispiel des Gemäldes vorfrühling am bodensee bei gaienhofen und den dort gestalteten herabhängenden Moos-Elementen aufgegriffen.52 Hierin ist bereits der Übergang zwischen »Kriegslandschaft« und ambiger Darstellung markiert, da es sich um Moose handelt, die am (lebendigen) Baum erkennbar sind. Zwar ist kein Textil- oder gar Leichenfragment gezeigt, allerdings ist die formale Darstellung kohärent mit dem vorangestellten Beispiel flandern als »Kriegslandschaft«. Die in den Darstellungen der Baum- mit Textil- oder zivilisatorischen Fragmenten transportierte Konnotation ist eng an den Darstellungskontext von Kriegsgemälden geknüpft: Zerstörung, Tod, Verderben, kollektive und individuelle wie Dix’ persönliche Betroffenheit, Furcht und Angst, Schutzlosigkeit, Vertreibung, Exil und damit überregionale Konsequenzen zeigen sich sinnbildlich in den Darstellungen. Zudem ist der Zerstörung des Lebensraumes und der Bedrohung, Verletzung und Tötung von Menschen eine Hoffnungs- und Handlungsunfähigkeit immanent, die etwa am Beispiel flandern in Form der kauernden Soldaten ihren bildlichen Ausdruck findet. Organischen, von Bäumen herabhängenden, flechtenartigen Fragmenten und aus dem Boden hervorkragenden Ästen kommt eine symbolische Lesart zu. Der Baum und die beigefügten Attribute sind folglich wichtige Ausdrucks- und Stimmungsträger in Dix’ Bildern, deren Emblematik im Sinne von Leben und Vergehen und – mit teilweise rätselhafter Bedeutung – als atmosphärisch wirkende Faktoren eingesetzt sind. Ebenfalls auf die Kriegs- und Schlachtfelddarstellungen rekurrierend, geht aus dem Gemälde wald im riesengebirge von 1942 die Äquivalenz von Menschenund Baumdarstellungen einher. Dix’ Kriegserfahrung stellt somit das motivische Binde­glied zwischen den Werkphasen der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus sowie der Nachkriegszeit ab 1945 dar. Es handelt sich um den Ausschnitt einer von Nadelbäumen, Wirtschaftspfaden und gerodeten Flächen geprägten Gebirgslandschaft. Kurvenförmig nimmt die Gebirgsdarstellung im Mittelgrund am linken Bildrand ihren Auftakt und zugleich Abschwung, sie wird als Anhöhe im rechten Bildfeld hinführend auf eine Kuppe fortgesetzt. Im Vordergrund sind wild gewachsene Nadelbäume erkennbar sowie ein Baumstumpf, dessen zugehöriger Stamm

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offensichtlich nicht vom Menschen gefällt ist, sondern auf natürlich bedingte Prozesse verweist. Im Hintergrund setzt sich die Walddarstellung in dunstiger Atmosphäre fort, wobei vereinzelte Baumwipfel in zackiger, chaotisch angelegter Formation aus der Nebelebene hervorstechen. Diese Komposition in der Ferne lässt Parallelen zu den im Gemälde flandern aufstrebenden Trümmern erkennen, die eine vergleichbar hervorstechende, wie zerfaserte Achsenführung ohne eindeutiges Gliederungsschema implizieren (Taf. 5). Die dunstige Atmosphäre vor der roten Sonne in wald im riesengebirge unterstreicht dieses Szenario und entzieht dem Dargestellten eine eindeutige, inhaltliche wie lokale Zuschreibung. Die einzelnen Bäume in wald im riesengebirge sind mit unterschiedlichen Charakteristika versehen – zerborsten und mit kargen, herabhängenden Ästen oder hochgewachsen und mit ausgeprägtem Buschwerk ausgestattet. Der Stamm an der rechten unteren Bildecke ist der Betrachtendenposition am nächsten und gehört zu einem zerstörten Baum (Abb. 83). Der dahinter angeordnete Baum ist auf halber Höhe gebrochen, sodass längere Äste wie erschlafft zu Boden weisen. Hier ist die Gliederung des Baumes gut erkennbar, da die Äste ihr Tannengrün bereits verloren haben. Hinsichtlich der Frage nach der Motivation des Künstlers ist an diesem Gemäldebeispiel kaum sein Interesse an der Darstellung einer Ideallandschaft oder einer schönen, harmonischen Stimmung zu nennen. Dagegen sprechen die zerstörte Flora, der aufgewühlte Erdboden, der offenkundig keine Möglichkeit zur Verwurzelung bietet, sowie die Bildatmosphäre. Letztere entsprechen eher den Kriegsund Schlachtfeld-Darstellungen, da die Bildelemente in orange-rotem Licht und die Bäume fragil und zerstört wiedergegeben sind. In diesem Zusammenhand ist Martin Warnkes Darlegung anzuführen, derzufolge der Baum in »stürmischen Zeiten« auch als Widerstandszeichen Verwendung fand und bedeutete, »daß man auch in stürmischen Zeiten biegsam und schmiegsam sein kann, oder sei es, daß man Härte und Widerstandskraft beweisen wollte«, und weiter, dass »ein gebrochener Ast, ein Sturmopfer, auf Bürgerkriege und vergangene Gefahren« verweisen kann.53 In Anbetracht des Zweiten Weltkriegs, währenddessen das Gemälde entstand, offenbart sich der Kriegs- und Krisenkontext. Anhand dieses Gemäldebeispiels wird die Überleitung von der bereits definierten »Kriegslandschaft« zur ambigen Landschaft abermals ersichtlich. Zwar ist keine menschliche Staffage eingebunden, dennoch sind konkrete kompositorische und atmosphärische Parallelen erkennbar, die Vergleichsmomente implizieren und auf einen Zusammenhang von Menschenleere und dem Einsatz charakteristischer Baumporträts verweisen. Im Vergleich der »Kriegslandschaft« flandern wird die Äquivalenz geschundener Soldatenleiber mit dem Baummotiv und der bedrohlichen Bildatmosphäre deutlich. Ansammlungen von Bäumen in der ambigen Landschaft



Dialektische Metaphorik. Endzeitstimmung zwischen Moosen, Flechten und Granattrichtern _ 399

stehen Bergen aus kauernden Menschen und getöteten Soldaten in der »Kriegslandschaft« gegenüber; zerbrochene Bäume und tote menschliche Leiber bilden strukturelle Parallelen; die benannten, in der weiten Ebene hervorstechenden Bäume entsprechen den aufkragenden Elementen im Schlachtfeld, beide bilden eine unvermittelte Achsenkomposition aus. Das Wechselspiel aus Nähe und Distanz und damit die perspektivische Ausrichtung ist ebenso vergleichbar (wie auch in zahlreichen anderen Gemäldebeispielen) und ferner sind Übereinstimmungen in der Pastosität des Duktus, dem Detailreichtum und der Tatsache der vorherrschenden Landschaft gegeben. Zusätzlich sei auf die Atmosphäre, bedingt durch die meteorologische Situation im Wechselspiel mit den angeführten Bildelementen, verwiesen. Zwar nimmt das Himmelsszenario in wald im riesengebirge einen wesentlich geringeren Raum ein und die Färbung ist weniger differenziert wiedergegeben als dies in flandern der Fall ist. Ausschlaggebend für die Beobachtung der atmosphärischen Übereinstimmungen ist jedoch die daraus hervorgehende Wirkung. Diese basiert auf den Schneisen der Zerstörung und den zerschellten Bäumen, ergänzt durch die Farbigkeit der jeweiligen meteorologischen Darstellung. So hüllt das Licht der untergehenden Sonne die Gebirgslandschaft mit Nadelbäumen in ein rotes Licht mit Signalwirkung und prägt somit die Bildstimmung. In flandern ist die blutrote Farbe im linken Bildfeld im Kontrast zur blau-gelb changierenden Tonalität des übrigen Himmels bildbestimmender Bestandteil. Der allumfassenden, rot pigmentierten Atmosphäre in der Gebirgslandschaft steht folglich die rote Himmelsfarbe als Spiegel des Schlachtfeldes gegenüber. Am Sujet der Landschaft zeichnen sich folglich sehr verwandte Ikonografien ab, deren politische Narrative in der Eindeutigkeit ihrer Lesbarkeit durch die motivischen Kontexte variieren.

400 _ Vexierbilder und Rezeptionsformen der politischen Landschaft

1

Eberle 1984, S. 243.

17 Vgl. unter anderem Schubert 2019, S. 121.

2

Vgl. Grundbegriffe 2003, S. 149 ff., s. v. »Realismus, realistisch«.

3

Brief von Otto Dix an Hans Kinkel, um 1947, zit. nach: Bauer 2003, S. 14; vgl. hierzu: Kicherer 1984, S. 19.

18 Vgl. Brief von Arnulf Schelcher, Dresden, an Otto Dix, ohne Ort, 6. Juni 1935, dka, nl Dix, Otto, I, B 3c.; Dörthe Jakobs u. Oliver Mack: Museum Haus Dix. Ein Künstler-Wohnhaus im Wandel der Zeiten, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege 42-2/2014, Stuttgart 2014, S. 89–95.

4

Dafür spräche auch die Information von Jan Dix, dass die Landschaften für Martha Dix gemalt wurden. Interview zwischen Jan Dix und Andrea Dix mit der Autorin in Öhningen am 8. August 2016.

5

6

Siehe Beispiele in Jean-Hubert Martin (Hrsg.): Une image peut en cacher une autre. Arcimboldo – Dali – Raetz, Ausstellungskatalog, Galeries nationales du Grand Palais, Paris 2009, z. B. Kat.-Nr. 257, 145– 148, 142 f., 264 u. 266, zit. nach: Gamboni 2010, S. 216. Für eine exemplarische Darlegung dieser Sichtweise siehe Michel Weemans: Herri met de Bles’s Sleeping Peddler. An Exegetical and Anthropomorphic Landscape, in: The Art Bulletin, 88/2006, S. 459–481, in: Gamboni 2010, S. 217.

7

Gamboni 2010, S. 215 f.

8

Vgl. Doerner 1941. Dass Dix im Besitz von Max Doerners Band Malmaterial und seine Verwendung im Bilde war, geht aus der in der Otto Dix Stiftung, Vaduz, vorhandenen Bücherliste des Malers hervor.

19 Vgl. Lorenz 2003, ie 7.5.40 Hegaulandschaft um 1943, Bleistift auf chamoisfarbenem Zeichenpapier, 242 × 316 mm, Modus: Skizzenbuch, ie xvi.017, Otto Dix Stiftung, Vaduz; vgl. L1943/13, L1944/16. 20 Otto Dix: Randegg bei Gewitter von 1934 (L  1934/8); Otto Dix: Wald im Riesengebirge von 1941 (L 1941/12). 21 Vgl. Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Bd.  1, München 2012, S. 119, s. v. »Bauer« (Jutta Held). 22 Vgl. ibid., S. 120, s. v. »Bauer«. 23 Vgl. lci, S. 330, Sp. 1, s. v. »Tod«; Kretschmer 2011, s. v. »Schnitter«. 24 Heinz-Mohr 1971, S. 44, s. v. »Baum«. 25 Ibid., S. 29. 26 Vgl. Schuppli 1995, S. 29.

9

Reinhard Wagner: Von Klapp-Bildern und Kipp-Figuren. »Tournez s’il vous plaît« – ein Schlüsselmotiv in Goethes Wahlverwandtschaften, in: Krieger u. Mader 2010, S. 109–124, S. 109.

10 Zur Kontextualisierung von Ambiguität und zu der kulturgeschichtlichen Epoche der Romantik vgl. Krieger u. Mader 2010, besonders Wagner 2010, S. 109 ff. 11 W. J. T. Mitchell: Picture Theory, Essays on Verbal and Visual Representation, Chicago u. London 1994, S. 45–57, in: Gamboni 2010, S. 213.

27 Vgl. Heinz-Mohr 1991, S. 44–48, s. v. »Baum«. 28 Vgl. Kicherer 1984, S. 48 ff. 29 Friedmar Apel (Hrsg.): Johann Wolfgang von Goethe. Ästhetische Schriften 1806–1815, Bd. 19, Frankfurt am Main 1998, S. 582; Hermann Mildenberger: Die Baumporträts, in: Jakob Philipp Hackert. Europas Landschaftsmaler der Goethezeit (hrsg. v. Hubertus Gaßner u. Andreas Stolzenburg), Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle 2008, S. 269. 30 Ibid.

12 Vgl. Gassen, in: Gassen u. Holeczek 1985, S. 198. 31 Mildenberger 2008, S. 269. 13 Vgl. zum Rezeptions-Aspekt: Kemp 1992. 32 Apel 1998, S. 269. 14 Gamboni 2010, S. 217. 33 Ibid. 15 Gamboni 2010, S. 219. 16 Vgl. Werkverzeichnis der Otto Dix Stiftung, Vaduz, Stand: April 2017; L 1939/13; L 1935/10.

34 Vgl. Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, Bd. 2, München 2014, S. 537 f., s. v. »Wald« (Albrecht Lehmann).

Anmerkungen _ 401

35 Ibid., S. 535–540, S. 537., s. v. »Wald«. 36 Vgl. ibid., S. 538. 37 Vgl. Löffler 1981, S. 48. 38 Vgl. ibid., Otto Dix: Lärche im Engadin von 1938 (L1938/8). Zum Begriff »Magischer Realismus«: Franz Roh: Nach-Expressionismus – Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei, Leipzig 1925. 39 Landschaftsdarstellungen der benannten drei Maler wurden sowohl im zentralen ns-Organ Die Kunst im Dritten Reich abgebildet und besprochen als auch im Rahmen der Grossen Deutschen Kunstausstellung ausgestellt. Vgl. Robert Scholz: Wegbereiter eines neuen malerischen Stils. Zu den Gemälden von Werner Peiner und Paraskewe Bereskine, in: Die Kunst im Dritten Reich, Illustrierte Monatsschrift für freie und angewandte Kunst, hrsg. v. Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der nsdap, Franz Eher Nachf., 4/1938, S. 120–127; Walter Horn: Deutsche Bauernmalerei, in: ibid., 11/1937, S. 18–25; A.H. (lediglich Angabe der Initialen, vermutlich handelt es sich um Adolf Hitler), Grosse Deutsche Kunstausstellung, in: Die Kunst im Dritten Reich, Illustrierte Monatsschrift für freie und angewandte Kunst, hrsg. v. Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der nsdap, Franz Eher Nachf., 1. Jg 9/1937, S. 6–28. Werner Peiner war mit insgesamt 13 Landschaftsdarstellungen auf der Großen Deutschen Kunstausstellung 1937 und 1938 vertreten, siehe: http://www. gdk-research.de (Aufruf: 20. April 2019); von Otto Gross wurden dort 1938 und 1939 zwei Landschaftsgemälde gezeigt, siehe: http://www.gdk-research.de/ (Aufruf: 20. April 2019), von Willy Paupie waren es zwischen 1937 und 1943 (ausgenommen 1942) 6 Landschaftsdarstellungen, siehe: http://www.gdkresearch.de (Aufruf: 20. April 2019).

40 Vgl. Peter Rautmann: Der Hamburger Sepiazyklus. Natur und bürgerliche Emanzipation bei Caspar David Friedrich, in: Berthold Hinz: Bürgerliche Revolution und Romantik. Natur und Gesellschaft bei Caspar David Friedrich, Gießen 1976, S. 73 ff.; Peters 1998, S. 136 f. u. S. 142. 41 Schubert 2019, S. 113. 42 Ibid., S. 114. 43 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Idylle I und ii , Text nach den Manuskripten zu den 44 Bildern im Schloß zu Oldenburg, hrsg. v. H.W. Keiser, München 1970, S. 50. 44 Eberle 1984, S. 245. 45 Vgl. ibid., S. 245. 46 Vgl. Peters 1998, S. 136–142. 47 Vgl. Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, in: Reichsgesetzblatt (rgb l), 1935, S. 1146 f. 48 Otto Dix: Vorfrühling am Bodensee bei Gaienhofen von 1942 (L 1942/12). 49 Vgl. Lorenz 2003, ie 7.21.23 Skizzen zu Vorfrühling am Bodensee bei Gaienhofen, um 1941, Bleistift auf chamoisfarbenem Zeichenpapier, 315 × 221 mm, Otto Dix Stiftung, Vaduz. 50 Vgl. Weiden am See von 1942 (Lorenz 2003, ie 7.21.24), Verweis: Löffler 1942/12. 51 Gebhardt 2004, S. 347. 52 Auch in den allegorischen Darstellungen – wie am Beispiel Triumph des Todes von 1934 (L 1934/1) – treten vergleichbare Attribute auf. 53 Warnke 1992, S. 148.

Gekippte Heimat. Zu Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei

Mit seiner Fokussierung der Landschaft unter weitgehender Ausblendung jeglicher Industrie und kulturellen Charakteristika hat Dix über Bezüge zur Romantik und anderern Bildtraditionen hinaus regionalistische Elemente in seinen Arbeiten einge­ bunden. Inwiefern diese Aspekte auf den Topos der »Heimat« referieren und damit in Verbindung zu zeitgenössischen Trends stehen, ist Gegenstand des vorliegend Kapitels. Die Heimatbewegung hatte nach der Reichseinigung 1871 ihren Auftakt genommen und manifestierte sich neben der allgegenwärtigen Heimatmalerei in einem Heimatkult, der beispielsweise das Aufkommen von Heimatmuseen sowie die Aufnahme von Heimatkunde in den schulischen Lehrplan in Deutschland umfasste.1 Die regionalistisch geprägte Heimatmalerei brachte eine vormoderne Welt im Sinne von Ursprünglichkeit und unangetasteter Natur als landschaftliche Idealvorstellung zum Ausdruck. Die darin begriffene Utopie war Ausdruck einer Gegenbewegung zur Industrialisierung und Urbanisierung. »Eine wichtige ideolog. Aktivität der nat. Bewegungen im Europa des 19. Jh. bestand zunächst in der Verlagerung der Gefühlswerte von H. auf Vaterland (z.B. Lieder, nat. Legenden, hist. Feiertage, lokale Helden, Bräuche) und in

404 _ Gekippte Heimat. Zu Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei

einer damit einhergehenden Übertragung von Aktivierungsmöglichkeiten von der lokalen auf die nat. Ebene (etwa in Form dörfl. Kriegerdenkmäler im Zusammenhang national-patriot. Kriege). Gerade in Hinblick auf die individuelle Vorstellungswelt der Personen ist die gefühlsmäßige Aufladung des H.-Begriffs eng verbunden mit der in Europa mit der Renaissance einsetzenden, dann durch die philanthrop. Aufklärung und die Romantik fortgesetzten und intensivierten Entdeckung und Ausgestaltung der Landschaft als (Selbst-)Erfahrungsraum und Schutzraum der Subjektivität (J. Ritter). Erst dieser Wandel des Naturgefühls, spürbar in Malerei, Musik und Literatur (J.-J. Rousseau, Goethes ›Werther‹), trug der Selbstverortung der Menschen in landschaftlich definierten Räumen erheblich bei. […] H. wird so zu einem Gegenmodell gegenüber Industrialisierung und Urbanisierung. Insbesondere in (klein-)bürgerl. Perspektive wurde nun H. mit ländl. Leben in traditionellen Formen gleichgesetzt: ›Heimatkunstbewegungen‹ traten gegen die als ›dekadent‹ empfundene Moderne an, obwohl diese sich – so z.B. die Expressionisten – in ihrer Suche nach ausdrucksstarken archaischen Formen ebenfalls von der Volks- und Heimatkunst anregen ließ. Heimatkunde begann in dieser Zeit – beginnend mit den Ansätzen einer ›am Volk›‹ orientierten Lebensform um 1880 und dann fortgesetzt in der ›Deutschen Bewegung‹ vor und nach dem Ersten Weltkrieg – ihren rückwärts gewandten ›altfränkischen‹ Charakter.«2 Der Heimatbegriff und die damit verwobenen Aspekte Regionalismus und Heimatstil – die in Bezug auf das landschaftliche Œuvre von Otto Dix zur Zeit des Nationalsozialismus relevant und zu überprüfen sind – bilden werkspezifisch eine wichtige Betrachtungsebene. Neben der Abwendung von industriellen und urbanen Charakteristika weisen Dix’ Landschaften einprägsame Stereotype der Region wie die Berge Hohenstoffeln oder Hohentwiel auf, die in seiner Malerei nach 1933 wiederkehrend eingesetzt wurden, wodurch diese motivische Ausrichtung als Regionalismus zu verstehen ist. Anhand der Motivik des vorliegenden Bildbeispiels wird deutlich, dass Dix einen Bezug zur regionalistischen- und Heimatmalerei herstellte, der sich in der regionalen Landschaftsdarstellung und dezidierter Einbindung lokaler Wahrzeichen – wie hier der Galgenberg, Hohenstoffeln, Hohentwiel und Hohenhöven – sowie bäuerlichen Elementen manifestierte. Zwar bot das Landschafts-Sujet gattungsspezifisch keine gesteigerte Angriffsfläche, trotz seiner motivischen Angleichung wurde der Maler jedoch auch aufgrund dieser künstlerischen Erzeugnisse diskreditiert, so etwa 1935 im rechtsradikalen Organ der Reichsführung ss  das schwarze korps, da ihm aufgrund seiner Hinwendung zur Landschaftsmalerei Opportunismus unterstellt wurde.3



Gekippte Heimat. Zu Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei _ 405

87  Werner Peiner. deutsche erde 1933, Öl auf Holz, 115,6 × 66,8 cm, Privatsammlung

Folgt man dem volkskundlichen Standpunkt Wilhelm Heinrich Riehls, der 1854 in seiner Schrift land und leute postulierte, »die Kraft eines Volkes speiste sich aus den Reserven der von Menschenhand noch unberührten Natur«,4 so stimmt Dix’ Malerei teilweise mit diesem Ideal überein. Details wie ackerbauliche Strukturen, Dörfer und marginales Bildpersonal sind zwar Bestandteil verschiedener Landschaftsdarstellungen, sie treten jedoch meist hinter die Wahrnehmung von Bergen, Bäumen, Seen oder meteorologischen Szenarien als Natur- oder Landschaftselemente zurück. Ferner sind diese Elemente in vormodernen Zuständen wiedergegeben, wodurch dem Dargestellten per Definition ein Heimatbezug zuzuschreiben ist. Diese zivilisatorischen Indizien sind in Dix’ Einbindung in der üppigen Landschaft so nebensächlich, dass sie bedeutungslos erscheinen. Zugleich wird durch die hervorstechende Landschaft oftmals eine Patina der Natürlichkeit vorgegaukelt.5 Die Dominanz der Landschaft und der Verweis auf eine im zeitgenössischen, industriell-fortschrittlichen Kontext ersichtliche Rückständigkeit (Ackerbauer, rodende Männer, Fachwerkhäuser, keine Infrastruktur, teilweise Verzicht auf erschlossene Natur) führen zur Wiedergabe einer vormodernen Wirklichkeit. Sie entstanden in einer Zeit der Propaganda nationalsozialistischer »Blut-und-Boden«-Ideologie und sind partiell vergleichbar mit vorindustriellen Darstellungen anerkannter Künstler, so Werner Peiners deutsche erde (um 1933) (Abb. 87).6 Darin durchschreitet ein Landwirt nach nationalsozialistisch-arischem Idealbild, ausgestattet mit vorindustriellem Pflug und Kaltblütern, den bestellten, goldenen Acker in idealisierter Landschaft. Hieran wird die Propaganda von Landwirtschaft als Sinnbild des deutschen Territoriums wie auch eine Nostalgie der Rückbesinnung auf vermeintliche Traditionen deutlich, wodurch tatsächlich jedoch eine vormoderne Landwirtschaft

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postuliert und in Propagandaschauen wie der grossen deutschen kunstausstellung lanciert wurde. In der Zeitschrift die kunst im deutschen reich wurde eine deutsche Kunstgeschichte am Beispiel der Landschaft postuliert, die konkrete »völkische« Symbole wiedergab, transportierte und propagierte. Der in Peiners Gemälde gezeigte Landwirt mit Pflug stellt ein solches Motiv dar.7 Nach Angaben von Dieter Pesch und Martin Pesch 2014 geht folgende Interpretation zur Darstellung des Pflügenden bei der Feldarbeit auf Peiner zurück: »[Ein] Landmann im Glauben an Deutschlands Zukunft und Wiederaufstieg, der bei Gefahr drohendem Gewitterhimmel unentwegt seine Feldarbeit verrichtet, wissend, dass gerade unser Reichskanzler seine Haupt- und Fundamentalsorge der Landwirtschaft angedeihen lässt.«8 Anhand des von Otto Dix dargestellten pflügenden Landwirts in den Gemälden landschaft mit kartoffelernte und reichenau von 1940 und bodenseelandshaft bei stein am rhein mit burg hohenklingen von 1942 zeigt sich eine Nähe zu Peiners vormoderner Motivgestaltung, die der »Blut-und-Boden«Ideologie entspricht. Auch daher ist die Betrachtung, inwiefern die Begriffe Heimat, Regionalismus oder »völkische« Tendenz auf Dix’ Landschaftsmalerei zutreffen, naheliegend. Der Annahme folgend, dass Otto Dix’ Landschaftsdarstellungen eine selbstreflexive Ebene im Sinne der Reziprozität von Künstlerschaft und zeitlichem Zusammenhang zugrunde liegt, sind ambige Bildbestandteile wie die Menschenleere, kunsthistorische Rezeptionsweisen infrage stellende oder ihnen widersprechende antiklassische Farb- und Bildraum-Kompositionen, die einem »völkischen« »Verbundenheitsgefühl« widerstrebt haben dürften. Dix, der populäre Porträtist der Zwanzigerjahre, wandte sich von seinem primären Sujet ab und verkehrte seinen Fokus der gesellschaftlichen Milieus in eine innere Dimension. Konträr zur angeführten Definition zur Heimat handelt es sich dabei nicht um eine »innere Dimension« der Partizipation und Identifikation, sondern vielmehr um die Visualisierung der eigenen Umwelt, des eigenen Milieus in der buchstäblichen Landschaft. Dies trifft sowohl in sozio- und kunstpolitischer Hinsicht zu als auch auf die realen Gegebenheiten des Lebens in Randegg und später Hemmenhofen. Im Kontext hierzu ist Dix’ persönliche Positionierung zur Heimat respektive zu seinem Standort in der vergleichsweise abgeschiedenen Bodenseeregion ab 1933 – nach dem Wegzug aus der Wahlheimat Dresden – im Zuge seiner Äußerung »Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh« zu beleuchten.9 Die in der europäisch ausgeprägten regionalistischen und deutschen Heimatmalerei begriffene Abkehr von der Großstadt findet bei Dix nicht allein einen motivische Ausdruck, da er 1933 seinen Hauptwohnsitz



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nach Randegg und 1936 nach Hemmenhofen verlagerte. Auch sein Motivrepertoire tauschte Dix von den zahlreichen Milieudarstellungen der Großstadt gegen die verschiedenen Landschaftstypen ein. Während sich zahlreiche Künstler in die Landschaft zurückzogen, um in Künstlerkolonien wirksam zu sein, gehörte Dix keiner Künstlergemeinschaft in der Bodenseeregion an, sondern wirkte dort unabhängig. Dies lässt den Heimatbegriff in Bezug auf Dix im Sinne einer »inneren Dimension« der identitätsstiftenden Zugehörigkeit mit freiheitlicher Konnotation paradox erscheinen. »In ethnolog. und anthropolog. Hinsicht reflektiert H. zunächst ein Bedürfnis nach Raumorientierung bzw. Zugehörigkeit, nach einem Territorium, das für die eigene Existenz, Identität, Stimulierung und Sicherheit bieten kann (P. Leyhausen *1916, †1999). Dabei sind die Auffassungen darüber, ob der Mensch hier eine gewisse Sicherheit braucht oder er aber gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass er sich über diese Raumzugehörigkeit hinwegsetzen kann (H. Plessner: ›Exzentr. Positionalität‹), jedoch unterschiedlich und zeitbezogen.«10 Im Kontext der anthropologischen Auslegung als Ort der Sicherheit könnte insbesondere Hemmenhofen mit dem Atelierhaus als Ort des Rückzugs gelten, wofür auch die stetig steigende Werkentstehungszahl zwischen 1933 und 1945 spricht.11 Die Konstituierung und zugleich Rezeption von »Heimat« während des Nationalsozialismus stellt eine Fortführung des seit der Reichsgründung 1871 aufgekommenen und erstarkten Nationalismus dar, die sich zur Zeit der Weimarer Republik in der parteipolitischen Etablierung völkischer Ideologie durch die nsdap sukzessive manifestierte. Per Definition lässt sich »[…] die teils kompensator., teils ideologisierende Funktion von H. [besonders deutlich] an der nat.-soz. Ideologie ablesen. Der Nationalsozialismus stellte insbes. das rückwärts gewandte Moment von H. heraus, wenn er aufgrund der einerseits zentralisierenden, andererseits Expansion ist. Tendenzen und unter den Anforderungen von Parteidiktatur, Gleichschaltung industrieller und rüstungswirtschaftl. Interessen insgesamt weit weniger heimatfreundlich als angenommen war. So hatte bereits in der Vorgeschichte der faschist. Bewegung der Bezug auf eine jeweils besondere und affektiv ausgelegte H. zunächst die Funktion eines Rückzugsraums […] Als Auseinandersetzungen in den nach dem Versailler Vertrag von Dtl. abgetretenen territorialen Gebieten (ElsassLothringen, Oberschlesien, Memelland) verschärfend hinzutraten, erfuhr der H.-Begriff eine zunehmende Politisierung. An diese konnten dann die Nationalsozialisten mit Schlagwörtern wie »Blut und Boden«, ›Volkstumskampf‹,

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›H.-Front‹ oder ›H.-Verteidigung‹ die Kriegs-, Verteidigungs- oder Vernichtungspropaganda anschließen«.12 Die ideologische Instrumentalisierung des Heimatbegriffs im Nationalsozialismus bildet sich in der Konstituierung einer »deutschen Kunst« ab. Diese wurde maßgeblich durch Schauen wie die grosse deutsche kunstausstellung (1937–1944) und Periodika wie die kunst im dritten reich propagiert. Zudem wurden die polarisierenden Femeschauen inszeniert, um den als »entartet« diskreditierten Objekten eine seitens der Nationalsozialisten ideologisch vertretene und gar als »deutsch« glorifizierte Maßgabe gegenüberzustellen. So waren Arbeiten wie Hans-Albert Simon-Schaefers Gemälde arkadische landschaft ab 1937 in der grossen deutschen kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München zur Schau gestellt worden und dienten als historische Referenzen zu Propa­ganda­zwecken und Etablierung einer nationalsozialistischen Kunstgeschichtsschreibung. Der Katalog zur Ausstellung sowie die in der Dissertationsschrift von Marlies Schmidt aufgeführten Bildreferenzen verweisen auf mannigfaltige Tra­di­ tions­bezüge.13 Die Tatsache, dass sich Künstlerinnen und Künstler um die Teilnahme an der grossen deutschen kunstausstellung zu bewerben hatten und die Schau von 1937 bis 1944 Bestand hatte, verweist auf die breite Akzeptanz dieser Institution. In den dort gezeigten Bildprogrammen, die deutlich auf die »völkische« Ideologie rekurrierten oder darauf beruhten, erweist sich auch eine ideologische Indienstnahme der als bildende Künstlerinnen und Künstler tätigen und akzeptierten Personen. Dix war weder auf der grossen deutschen kunstausstellung vertreten noch wurde anerkennend Bericht über ihn in den entsprechenden Organen erstattet. Dieser Umstand wird einerseits darauf zurückzuführen sein, dass sich der Maler nicht um die Teilnahme an der Münchener Schau beworben hatte und liegt andererseits in seiner Verfemung als Beispiel eines »Vertreters der Verfallserscheinung der Systemzeit«14 begründet. Dennoch adaptierte der Maler in seinen Landschaften teilweise eben solche Elemente, die als beispielhaft für die nationalsozialistische, »völkische« und als heimatlich konnotierte Kunst anerkannt waren. Der Begriff der Heimat ist aufgrund der regionalistischen Bezugnahme von Otto Dix in seinen Landschaftsdarstellungen folglich ein relevanter, zu überprüfender Bezugspunkt.15 Das dictionary of art bildet hinsichtlich des sogenannten »Heimatstils« primär die Schweiz – und damit Dix’ unmittelbare regionale Nachbarschaft – ab, indem die bis zum Zweiten Weltkrieg aufkommende Heimatbewegung mit entsprechenden Kunsterzeugnissen kontextualisiert wird. Die Schweiz geht hier aus



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einer eurozentrierten Einbettung hervor. In Anbetracht der nachstehend erläuterten zunehmenden Nationalisierung und Patriotisierung in Deutschland – beginnend im 19. Jahrhundert, verstärkt in den 1910er und 1920er Jahren und in die Diktatur mündend – ist hier eine parallele Entwicklung auszumachen. Daher erfolgt an dieser Stelle zunächst die Definition des Terminus »Heimatstil« am Beispiel der Schweiz: »Heimatstil was at its height in Switzerland in the years leading up to, and during, World War ii, advocating a nationalist culture based on the traditional rural society, as opposed to the grandeur and modern functionalism of cosmopolitan urban culture. It was believed that architecture and the decorative arts should reflect […] typically Swiss values as modesty, honesty and being at one with nature. These national characteristics, turned into material form, should make an impact on a new, more natural way of life that was inherently tied to the notion of country. Heimatstil saw as beautiful only that which was in accordance with the essence of the inhabitants of a particular region. […] A formal language was developed that was intended to express the relationship between form and function and to encompass and appeal to reason and to emotion. This language was linked to Biedermeier and craft traditions, but the idea was not merely to imitate historical traditions, but to adapt them in a manner appropriate to the time. […] To this end, they pursued political and ideological interests, for example the identification and regeneration of rural culture, or the legalization of economic and political measures that protected farmers and craftsmen or, as in the case of Heimatwerk, promoted job creation in the economically deprived mountain areas. […] The Swiss Heimatstil of the 1930s and 1940s should be seen as a reaction to an internal political crisis ans to the external political threats of the time. Switzerland was searching for a new national identity, which it discovered an a combination of an ideology of growth and a cultural conservativism. Heimatstil, advocating modernity modifiedby traditionalism, reflected this basic national consensus.«16 Zwar stehen hier Architektur und ›decorative arts‹ im Fokus, allerdings sind die erläuterten gattungs- und stilspezifischen Charakteristika entsptrechend auch auf die in Deutschland während des Nationalsozialismus populäre Malerei zu beziehen und anzuwenden. Dix’ Rekurs auf die Volks- und Heimatkunst, die wie im dictionary of art in besonderem Maße auf regionale Architekturen bezogen definiert ist, spiegelt sich in seinen Gemälden in einer ebenso regionalistischen wie vorindustriell geprägten Architekturdarstellung. Dies belegt etwa der Vergleich mit der fotografischen Doku-

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mentation von Orten, Straßen, Plätzen und Häusern in der Zeitschrift deutsche volkskunst, die gemäß dem Titel auch inhaltlich als national ausgerichtet zu kategorisieren ist. Der erste Band – von Sigurd Dzenitis (Bibliothek im Museum der Arbeit, Hamburg) auf 1913 datiert – nimmt zwar Bezug auf »Volkskunst in Hessen-Kassel und Oberhessen« und ist damit nicht Dix’ Lebens- und Wirkungsort zuzuschreiben. Da solche Bände zu unterschiedlichen Regionen erschienen, ist zu schlussfolgern, dass vergleichbare Schriften auch in der Bodenseeregion populär waren.17 Der Fokus auf den Nationalstaat und Patriotismus erstarkte in den darauffolgenden Dekaden nicht nur, sondern wurde durch den Nationalsozialismus zum ideologischen Leitgedanken ausgeweitet und propagiert.

heimatbezug zwischen konstruierter landschaft und pflügendem landwirt Nach Kenneth Clark, der 1938 als Patron der Londoner exhibition of 20th century german art wirkte und somit Position gegen das nationalsozialistische Verdikt der »Entartung« bezog, hängt »die Bereitschaft, mit der wir das Sinnbild als Wirklichkeit hinnehmen, von seinem Vertrautsein [ab]«. Die Landschaften von Otto Dix lassen an ihrer Wirklichkeitstreue zweifeln, indem das »Sinnbild« (hier die Landschaft) teils keinen hohen Vertrautheitsgrad aufweist.18 Hier ist auf die konstruierten Landschaften zu verweisen. Dix brachte mit dem Gestaltungsmittel der Konstruktion eine fiktive Landschaft etwa im Sinne nicht existenter Berge oder veränderter Gebirgsketten zum Ausdruck. Die beiden Gemälde bodenseelandschaft bei stein am rhein mit burg hohenklingen von 1940 und blick gegen stein am rhein von 1942 verdeutlichen diese variierenden Kompositionen (Abb. 88, Abb. 89).19 Die Studie bodenseelandschaft mit kirche und hohenklingen im hintergrund (um 1938) ist eindeutig als Vorarbeit für das Gemälde bodenseelandschaft mit stein am rhein mit burg hohenklingen von 1940 erkennbar. Bildausschnitt und Komposition entsprechen einander im vorderen und mittleren Grund von Zeichnung und Gemälde. In der Zeichnung verzichtet Dix auf den pflügenden Landwirt als Verweis auf das populäre »Blut-und-Boden«-Motiv. Im Gemälde fügte er eine modifizierte, konstruierte Landschaft ein. So betonte Dix 1939, dass die späteren Landschaften keine Veduten, sondern frei erfundene Idealkompositionen seien und dass der »künstlerische Ausdruck« impulsgebend wirke.20 Die Darstellungen differieren in der gezeigten Entfernung, sodass etwa die Ortschaft Stein am Rhein im Gemälde von 1940 wesentlich näher herangerückt scheint, sowie in der Ausrichtung in unterschiedliche Himmelsrichtungen. Das zuerst



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88  Otto Dix. bodenseelandschaft bei stein am rhein mit burg hohenklingen 1940, Mischtechnik auf Hartfaserplatte, 87 × 77 cm, Privatbesitz

genannte Gemälde zeigt den Untersee in östlicher Richtung und im zweiten Bild ist am äußersten rechten Bildrand die Burg Hohenklingen mit Blick nach Westen wiedergegeben. Erhebliche Kontraste bestehen zwischen der topografischen Gestaltung bei Dix und der tatsächlichen Topografie der wiedergegebenen Region. Die bodenseelandschaft bei stein am rhein mit burg hohenklingen lässt unterhalb der Ortschaft eine ausgedehnte Uferlandschaft sowie eine die Ortschaft verbindende, über den Rhein zum gegenüberliegenden Ufer führende Brücke erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite geht das Ufer in zwei teils bewaldete, aufstrebende Berge über, wo die im Titel benannte Burg erkennbar wird. Die Rheinbrücke verbindet somit zwei lichte, unbebaute Ebenen miteinander. Der mäandernde Strom erscheint aufgrund dessen einer Auenlandschaft vergleichbar; er windet sich um einen der Berge, an dessen Fuße sich eine weitere Ortschaft im hinteren Mittelgrund abzeichnet. Das von Dix angewandte sfumato ist in Pastelltönen gehalten – und steht somit in der Farbqualität den übrigen, satten Farben entgegen – sodass der türkisfarbene See am fernen Ufer des Hintergrundes in eine gelbe Uferlinie und -region übergeht und in zarten Rosa-Violetttönen die ferne Bergkette am Horizont einhüllt. Die topografisch im Blickfeld zum Bodensee existierenden Inseln (darunter die Insel Werd) hat Dix hier nicht abgebildet. Bei der am Fuße des Berges und am Seeufer gezeigten Ortschaft könnte es sich – der topografischen Anordnung zufolge – lediglich um die Ortschaft

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89  Otto Dix. blick gegen stein am rhein 1940, Mischtechnik auf Holz, 75 × 100 cm, Schaffhausen, Museum zu Allerheiligen, Depositum Vereinigung Schaffhauser Kunstfreunde und der Stadt Schaffhausen

Öhningen handeln. Da sie jedoch, abgesehen von einzelnen Gebäuden, nicht am Ufer lokalisiert ist, kann dies nicht zutreffen. Eine fotografische Luftaufnahme aus dem Jahr 1929 zeigt dieselbe Schaurichtung gen Untersee im Osten.21 An ihr wird ersichtlich, dass Dix weder die drei Bodenseeinseln in seinem Gemälde berücksichtigte noch ihm offenkundig daran gelegen war, die topografischen Gegebenheiten mimetisch oder naturnah abzubilden. Durch die konstruierte Landschaft ist der mimetische Wiedererkennungs- und Identifikationswert der Darstellungen ausgehebelt. Die beiden im Gemälde steil aufragenden Berge an der Nordseite des Rheins entsprechen nicht der realen Situation, das ferne Hintergrundufer gab Dix in vergleichsweise größerer Distanz wieder. Die am Fuße des Berges lokalisierte Ortschaft, erfand er offenkundig ebenfalls um 1940, da sie in der Fotografie nicht existent ist. Ferner gab er der Landschaft einen vorindustriellen Charakter, indem er die Stadtstruktur inklusive Architekturen und Infrastruktur durch ein verhältnismäßig marginales vormodernes Dorf ersetzte. Im Verhältnis zur Situation zur Entstehungszeit des Gemäldes handelt es sich folglich um eine Utopie. Der Landwirt mit Pflug und Ochse zeigt zudem Ähnlichkeiten mit dem 1933 entstandenen und in der grossen deutschen kunstausstellung gezeigten Gemälde deutsche erde von Werner Peiner.22 Hierdurch wird nicht allein eine vormoderne Wirkung erzielt, sondern im Zusammenhang mit der zeitgenössisch populären Landschaftsmalerei



Regionale Wahrzeichen als politische Ikonographie im Gemälde »Hohentwiel mit Hohenkrähen« (1933) _ 413

zugleich ein nostalgisch verklärt anmutender, regional- und heimatspezifischer Ausdruck deutlich. Die farbige Überzeichnung und die Marginalisierung des Motivs des pflügenden Bauern lassen das Gezeigte im Verhältnis der ns-Propaganda jedoch vielmehr parodistisch und als diametrales Beispiel zur »Blut-und-Boden«-Ideologie erscheinen.

regionale wahrzeichen als politische ikongrafie im gemälde hohentwiel mit hohenkrähen (1933) Das Motiv des Berges Hohentwiel ist Bestandteil zahlreicher Zeichnungen und Gemälde seit 1933. Dabei handelt es sich nicht allein um Vorarbeiten, die der Maler nach Angaben von Jan Dix für seine Familie und damit nicht für den Verkauf anfertigte.23 Im Rahmen der Ausstellung zwei deutsche maler. otto dix und franz lenk wurde nachweislich eine Zeichnung mit dem Titel hohentwiel im november von 1933 gezeigt, bei der es sich um die Vorzeichnung zu dem Gemälde hohentwiel mit hohenkrähen von 1933 handelt.24 Das entsprechende Gemälde wurde 1938 beim Kunstsalon Wolfensberg in Zürich ausgestellt und ist in der Forschung bislang nicht untersucht worden. Zwei von zehn Gemälden mit Schweizer Landschaftsmotivik, die nach Angaben von Felix Graf »allesamt sofort verkauft wurden«, wurden bei Wolfsberg gezeigt, darunter hohentwiel mit hohenkrähen.25 Angaben zu den Käufern machte Graf an dieser Stelle keine, auch konnten sie im Zuge der vorliegenden Arbeit nicht ermittelt werden. Dennoch weisen die Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen darauf hin, dass das landschaftliche Œuvre auf dem Kunstmarkt gehandelt wurde und ein gesellschaftliches Interesse an diesen Darstellungen bestand. Im Gemälde hohentwiel mit hohenkrähen treten erstmals regionale Wahrzeichen zutage, die Dix in den folgenden Jahren wiederkehrend zeichnerisch und malerisch in den Blick genommen hat. Das Gemälde ist nicht Bestandteil von Löfflers Werkverzeichnis zu den Gemälden des Künstlers Otto Dix (Abb. 1).26 Aufgrund der formalästhetischen und motivischen Besonderheiten ist es jedoch eindeutig Dix’ Œuvre zuzuordnen. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie mit umseitig fixierten Objektangaben aus dem Kunstarchiv Arntz – das seit 1984 Sammlungsbestandteil des Getty Research Institute ist – ermöglicht nun eine erste wissenschaftliche Bearbeitung des Gemäldes und neue Erkenntnisse in Bezug auf Dix’ Landschaftsmalerei seit 1933.27 Demnach ist etwa die Annahme, dass Dix erst 1934 damit begann, Landschaftsdarstellungen zu malen, widerlegt.28 Es impliziert charakteristische Aspekte kompositorischer und motivischer Natur, die in den folgenden Jahren wiederholt vom Künstler eingesetzt wurden. Zudem wird den Rezipierenden – mit

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Ausnahme des zentralen Motivs der Burgruine sowie marginalisierter Straßen und Pfade – eine vermeintlich von Menschenhand unberührte Natur offeriert. Das Bild zeigt aus erhöhter Perspektive eine gebirgige Landschaft mit hervorstechenden meteorologischen Verhältnissen. Zwei zentrale Berge im rechten vorderen und linken hinteren Mittelgrund sowie eine in die Ferne erstreckte Hügellandschaft kennzeichnen die übergeordnete Bildkomposition, die in zwei Teile gegliedert ist. Die linke Bildseite weist vollständig in den Hintergrund und in die Ferne; sie ist durch eine helle Erscheinung gekennzeichnet und unter klarem Himmel lokalisiert. Die rechte Bildseite steht im Kontrast dazu, sie ist durch changierende Hell-DunkelPartien, Größen- und Strukturkontraste charakterisiert und unterhalb eines unwetterartigen Himmels gezeigt. Die kompositorische Binnengliederung ist gekennzeichnet durch die Fragmentierung in einzelne Bildelemente und -gründe. Dabei wirken die Bildbestandteile wie wahllos zusammengefügt – nicht als ein harmonisches Ganzes – und erscheinen mit oszillierender, unruhiger Bildwirkung. Die Vegetation verweist auf eine jahreszeitliche Verortung im Sommer oder Herbst. Ausschlaggebend für die jahreszeitliche Zuschreibung ist die ausgeprägte Flora, in der saftige, helle Wiesen und Gräser sowie belaubte Bäume das Gesamtbild prägen. Paradox wirken in diesem Zusammenhang zahlreiche kahle Baumkronen, die inmitten der Vegetation als karge und leblose Elemente der rechtsseitigen Komposition wirken. Da an der Reproduktion keine Farbigkeit des Gemäldes erkennbar ist, obliegt die Deutung der jahreszeitlichen Zuschreibung lediglich der motivischen Beschreibung. Obwohl das Kolorit aus der Fotografie nicht ersichtlich wird, lässt die jeweilige Beschaffenheit und Modellierung der Bildelemente diesen Schluss zu. Ohne die Einbindung eines Repoussoirs wird der rezipierende Blick aus der Überschau entlang eines grasbewachsenen Hügels mit unebenem Pfad im rechtsseitigen Vordergrund geleitet. Ein raumgreifend gestalteter Baum mit ausgeprägten Verästelungen ist hierauf verortet. Er bildet aufgrund der zentralen Anordnung im Bild, der plastischen Gestaltung und seiner amorphen und übersteigerten Verzweigungen ein zentrales Element in der Gesamtkomposition. Vierzehn schwarze Rabenvögel sind um den Baum geschart und implizieren im Kontext des toten Baumes eine metaphorische Symbolwirkung. Der Pfad führt zu einem düsteren Waldstück, bestehend aus drei Tannen und einer kleineren Baumgruppe, gesäumt von Gehölzen, Buschwerk und kleineren, kargen Laubbäumen. Dahinter erschließt sich ein hoher Fels – der Berg mit der gleichnamigen mittelalterlichen Burg Hohenkrähen im Landkreis Konstanz – aus südöstlicher Himmelsrichtung.29 Die Burgruine ist mit der Felsanordnung verwoben und beide Ebenen weisen anthropomorphe Eigenschaften auf. Sowohl das Mauerwerk der Ruinen als auch die spitz zulaufende Felsanordnung weisen Physiognomien leidender Gesichter auf, die anhand von Scharten und Fensteraussparungen in der Architektur und Klüften in den Steinformationen



Regionale Wahrzeichen als politische Ikonographie im Gemälde »Hohentwiel mit Hohenkrähen« (1933) _ 415

zum Ausdruck gebracht sind. Zwar ist eine deutlich menschliche Physiognomie nicht erkennbar, wie dies etwa bei Salomon de Caus’ gigant in richmond gardens von 1624 gezeigt ist, bei dem die menschliche Assoziation trotz des steinern imaginierten Körpers, der Gestik und Mimik deutlich hervortritt, dennoch sind den genannten Elementen emotional konnotierte Ausdrucksformen zuzuschreiben. Dadurch besteht eine Ambiguität zwischen dem Felsen respektive der Ruine und den beobachtenden, wachenden und leidend dargestellten Gesichter.30 Laub- und Nadelbäume sind auf allen Ebenen vorhanden und über dem verschatteten Berggipfel regnen üppige Wolken eines Unwetters ab. Der abschüssige linke Berghang weist verstreut angeordnete Büsche auf, wodurch die Binnengliederung aufgelockert wird. Vom dunklen, verschachtelten rech­ten Bildpart bilden sie eine Überleitung zur lichten linken Bildseite. Am Fuß des Hanges ist ein weiterer karger Baum mit üppigen Verästelungen in der Krone dargestellt, dessen morbide Erscheinung an die bereits benannten Bäume anklingt. Wie gekappt erstreckt sich hieran anschließend bis zum Horizont im linken Bildfeld eine fragmentierte, hügelige Felderlandschaft mit gewundenen Straßenläufen und einem weiteren erhabenen Felsen. Menschliche Staffage ist in keinem Bildgrund vorhanden, jedoch anhand der Ruinenarchitektur, des Pfades als infrastrukturelle Referenz im Vordergrund und der Agrarlandschaft als zivilisatorische Verweise existent. In der rechten Hälfte des Gemäldes hohentwiel mit hohenkrähen von 1933 ist die Ruine der Burg auf dem Berg Hohentwiel deutlich erkennbar.31 Hierbei handelt es sich – neben Hohenwehen, Hohenstoffeln und Hohentwiel – um eines der vier regionalen Wahrzeichen des Hegaus.32 Michael Losse gibt eine fundierte Beschreibung der Burganlage: »Die weitgehend in Phonolithbruchstein aufgeführte Burg nimmt den Gipfel und, v.a. im Westen, Teile der Hänge des Bergkegels ein, der mit dem westlich anschließenden Höhenrücken in halber Höhe durch einen schmalen, beiderseits steilen Sattel verbunden ist. Letztlich gliedert sich die Burg in drei Teile: Unter-, Mittel- und Oberburg. Ähnlich wie im Falle der Burg Hohenwehen kann die Burg hier nur charakterisiert, nicht aber detailliert beschrieben werden. Zum einen ist ein großer Teil der Ruinen heute überwachsen, zum anderen gibt es bislang kein genaues Aufmaß der Burg. Viele Bauteile sind in den existierenden Plänen nicht erfaßt; das gilt v.a. für die Mittelburg (Hinweis aus Kastellans Axel Trotter; um so wichtiger sind die Grobskizzen von Dobler 1986). Zusätzliche Informationen bieten einige Abbildungen der Burg aus dem 16. Jh. Zahlreiche Details zeigt ein Heinrich Satrapitanus zugeschriebener, auf den ersten Blick recht schematisch wirkender Holzschnitt von 1512. Insbesondere aber die

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Darstellung im 1555 erschienenen sog. Ehrenspiegel (Augsburg), gibt Auskunft über einzelne Bauten der Burg, die innerhalb des Bildes beschriftet sind.«33 Dix bildete drei der vier Berge wiederholt in seinen Landschaftsdarstellungen ab, so in den Gemälden der hohenstoffeln von randegg aus gesehen von 1934, randegg mit hohentwiel von 1936 oder randegg mit hohenstoffeln und hohentwiel von 1937, hegauberge mit getreidefeldern und hohentwiel von 1944, hohentwiel im winter von 1944 oder hohentwiel von 1944.34 Das Mauerwerk der Burgruine am Hohentwiel geht scheinbar fließend in die Felsformationen des Berges über, sodass der Eindruck erweckt wird, hierbei handele es sich um eine organische Einheit. Diese Beobachtung ist kongruent mit Warnkes Reflexion, dass »Burgen [als]einst markanteste Zeichen einer politisch besetzten Landschaft an die Erde zurückfallen« und als Einheit von »Berg und Bau, Landschaft und Menschenwerk« erachtet werden.35 Der Aspekt der im ursprünglichen Sinne (vor dem frühen Mittelalter) als Gemeinschaftsburgen konzipierten Stätte impliziert die Funktion als »Zufluchtstätten für alle Bewohner der Gegend«.36 Die hier dargestellte Burgruine ist ebenso wie die umliegenden Ebenen menschenleer. Sie ist verfallen und weist wie die gelenkartig überdehnten Äste der Bäume und die Rabenvögel eine morbide Wirkung auf. Im Verhältnis zu der ursprünglichen Konnotation als Ort mit und für die Bewohner wird hier eine diametrale Situation gezeigt, die lediglich einen historischen Bezug zu ihrer ursprünglichen Funktion herzustellen vermag. Die Gegenwart – insofern es sich um das von Dix wahrgenommene Bild der Gegenwart handelt – verhandelt eine abweisende, zwielichtige Sicht auf die Landschaft und darin die Burg. Die von Warnke angeführte Funktion einer Burg um 1100, die Bewohner vor ihren Feinden zu schützen, zugleich Feinde besser besiegen sowie Schwächere unterdrücken zu können, ist im Zusammenhang mit der hier gezeigten Burganlage ebenfalls irrelevant.37 Vielmehr ist sie als Wahrzeichen im landschaftlichen Gefüge lokalisiert. Warnke beschrieb in Bezug auf das KyffhäuserDenkmal den Wunsch, »[…] das Denkmal fernab von jeder Stadt auf einem Berg weithin sichtbar werden zu lassen und dem Betrachter damit – ganz in der Tradition von Empfindsamkeit und Romantik – starke Naturerlebnisse zu vermitteln, um ihn für die Botschaft des Monuments doppelt empfänglich zu machen. Durch seine isolierte und zugleich dominante Lange im ›Herzen‹ des Reiches, in freier Landschaft, also in einer dem Alltag entrückten Umgebung und verbunden mit der als unverfänglich erfahrenen Natur, sollten der Ewigkeitsanspruch und die umfassende Geltung des Denkmals zur Wirkung kommen«.38



Regionale Wahrzeichen als politische Ikonographie im Gemälde »Hohentwiel mit Hohenkrähen« (1933) _ 417

Mit dieser Darstellung wird auf ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal Bezug genommen, das aufgrund seiner Funktion und der hier angeführten Rezeption interessant ist. Zwar unterscheidet sich die Funktion des Denkmals insofern von der des Wahrzeichens, als es sich beim Kyffhäuserdenkmal unter anderem um eine plastische Gestaltung Friedrichs I. und Wilhelms I. im wilhelminischen Geist handelt. Das bei Dix gezeigte Motiv des Berges mit Burg Hohentwiel ist dagegen ein regionales Erkennungszeichen, das – auch aufgrund seiner historischen Funktion – als Wahrzeichen gilt und somit etwa in zahlreichen bildlichen Darstellungen als zentrales Motiv fungierte. Dennoch ist aufgrund der Gestaltungsweise von Otto Dix der semantische Wert der Burgdarstellung im kompositorischen Zusammenhang zu hinterfragen. Umgeben vom drohenden Unwetter ragt die Burg hinter der Szene mit Raben und Baum empor. Die Scharten und Fensteröffnungen gleichen eher starrenden Blicken als dass sie auf ihre eigentliche architektonische Funktion hinweisen. Sie wirkt eher verschlagen denn als heroisches Symbol. Dix kehrt das Wahrzeichen, das in seiner Eigenschaft als repräsentatives Merkmal identitätsstiftend wirken sollte, semantisch in sein Gegenteil um. Zwar sind sowohl Hohentwiel mit Burg als auch Hohenkrähen und damit die Hegaulandschaft als solche erkennbar, allerdings ist die Funktion des Gemäldes nicht auf identitätsstiftende Repräsentation und Regionalismus im nationalistischen Sinne hin angelegt. Zur Erläuterung der Bergmetaphorik führt Warnke den spanischen Diplomaten und Emblematiker Saavedra Fajardo mit Rekurs auf Ezechiel 6.3 an. »Die Berge sind die Fürsten dieser Erde, da sie dem Himmel am nächste und den übrigen Werken der Natur überlegen sind. Die Berge sind auch den Fürsten vergleichbar durch die Farbigkeit, mit der ihre großen Eingeweide mit unerschöpflichen Quellen den Durst der Felder und Täler löschen und sie so mit Blättern und Blumen kleiden; dies ist eben auch die einem Fürsten angemessene Tugend. Durch sie, mehr als durch andere, ist der Fürst Gott ähnlich, der ja auch allen immer reichlich schenkt.«39 Wenn der Berg hier als Synonym für die Herrschaft erachtet respektive von Warnke als Gigantismus bezeichnet wird – wie hier am Beispiel des Fürsten-Vergleichs – sei an dieser Stelle auf die Monumentalität als Repräsentation des Staates, etwa auf territorialer Ebene, hingewiesen. Sie ist äquivalent auch auf Dix’ Landschaftsgemälde zu beziehen. Berge, Bäume, Gewässer, Wiesen, Ackerbau und Ortschaften – all diese Elemente der Natur und Landschaft bilden (mit Ausnahme Schweizer Landschaftsdarstellungen) Regionen des »Deutschen Reiches« ab und stellen dadurch eine territoriale Markierung auf der einen Seite dar. Auf der anderen Seite steht die Betrachtungs-, Wahrnehmungs- und Darstellungsweise des Malers,

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die eine Beleuchtung der künstlerischen Tätigkeit wie auch des subjektiv gebundenen Zeitkontextes erfordert. Allein im Verzeichnis der Zeichnungen und Pastelle sind 22 Papierarbeiten aufgeführt, in denen Otto Dix das regionale Wahrzeichen des Bergs Hohentwiel erfasste. Teilweise handelt es sich dabei um Studien zu Gemälden, die eine eindeutige Zuschreibung ermöglichen, wie hohentwiel und hohenkrähen, dessen Entsprechung im gleichnamigen Gemälde auf der Hand liegt.40 Dix nahm den Berg aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick und legte besonderen Wert auf die Burgruine, wie an der motivischen Gestaltung und Ausarbeitung deutlich wird, da die architektonischen Bereiche oftmals mit filigranen oder stärker ausmodellierten Schattierungen versehen sowie kompositorisch in den Fokus gesetzt sind.41 Ferner weist die Titelgebung festung hohentwiel von 1938 auf die Pointierung des Motivs, das den kompositorischen Schwerpunkt in der Berglandschaft darstellt.42 Da Dix wie auch andere Künstler mit der vielfachen Darstellung des Wahrzeichens dessen kulturellen Wert in der Region spiegeln, kann hierin ein werkimmanenter Regionalismus gesehen werden. Betrachtet man die Burg als Mittel zur Herstellung herrscherlicher Distanz – wie Warnke dies zugrunde legt – ist die Darstellung der Ruine als usurpatorisches Symbol denkbar. Diese Überlegung kann jedoch deshalb widerlegt werden, weil es sich bei der Burgruine des Hohenkrähen bereits zur Entstehungszeit des Gemäldes um ein regionales Wahrzeichen gehandelt hat.43 Dix’ gestalterische Umsetzung bildet hier den entscheidenden Anknüpfungspunkt, wie in einem Zitat deutlich wird: »[N]icht die Gegenstände, sondern die persönliche Aussage des Künstlers über die Gegenstände ist wichtig im Bild. Also nicht das Was, sondern das Wie.«44 Die vom Maler gestaltete, den Bildelementen innewohnende Morbidität, manifest durch die atmosphärische Beschaffenheit und die Auswahl der Bildelemente, bedingt ihre Aussagekraft und Wirkung. Das Morbide kommt auch in den landschaftlichen Darstellungen von Dix Vorläufern der nordalpinen Renaissance zum Ausdruck. So hat Wolf Hubers Federzeichnung burg auf dem felsen (um 1503/1505) mit ihren organisch anmutenden Bildelementen eine entrückte Wirkung aufgrund der fast skizzenhaften Linienführung und der durch Schraffuren dargestellten flatterhaften Umrisslinien. Ferner wird dies durch die latente Schräglage des zentralen Felsens und die raumgreifenden, spitz zulaufenden Zweige der Bäume unterstützt. Warnke stellt fest, dass Burgen sowohl in Gemälden der italienischen wie auch nordalpinen Renaissance in einer sperrigen, schwer zugänglichen, feindlichen Landschaft wiedergegeben sind, wie an den Beispielen des Freskos Mantegnas in der Camera degli Sposi (um 1460) oder des St.-Wolfgang-Altars (um 1471–1481) von Michael Pacher deutlich wird.45 »Die Wege, die es hier gibt, sind mühsam gebahnt, die Bäume oft ebenso bizarr wie die Felsen; es sind zersplitterte, zerrissene, splis-



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sige Formationen, die auf ein eher beunruhigtes Naturverständnis schließen lassen können.«46 Die so von Martin Warnke beschriebene landschaftliche Wirkung ist äquivalent auf Dix’ Landschaftstypus und Effekt anzuwenden. Zwar rekurriert das Naturverständnis hier unter anderem auf Giottos Darstellung in der Arenakapelle und damit sowohl auf die Gegenüberstellung von Stadt- und Landschaftsdarstellung als auch auf ein kunsthistorisch weit zurückliegendes Vergleichsbeispiel.47 Dass die Landschaft den Betrachtenden jedoch Gefahr und Ungastlichkeit anstelle eines locus amoenus verheißt, stellt allerdings eine Dix’ Positionierung vergleichbare Ausgangslage dar. Wenngleich der titelgebende Berg Hohentwiel den motivischen Schwerpunkt des Bildes beschreibt, kristallisiert sich schnell der Baum im Bildvordergrund als ein weiteres zentrales Motiv heraus. Seine äußere Erscheinung und das wiederkehrende Motiv im Zusammenhang mit der übrigen Fauna irritieren den Rezeptionsvorgang. Ergänzend stellen die plastische Modellierung und die zentrale kompositorische Einbindung im Gemälde einen visuellen Anknüpfungspunkt dar. Seine hell-dunkel changierenden Äste wirken wie überlange Gliedmaßen, deren Bewegungsverläufe schonungslos überstreckt wiedergegeben sind. Daher erscheinen die weitreichenden Verästelungen destabilisierend und mit kränklicher Disposition, wodurch eine surreale Wirkung des Motivs erzeugt wird. Aufgrund der heterogenen Achsenverläufe wirkt das Erscheinungsbild disharmonisch. Der im Verfall begriffene charakteristische – da als wiederkehrendes Motiv in Dix’ Œuvre auftretende – Laubbaum ist durch eine immanente Todes- und Vergänglichkeitskonnotation geprägt. Die Krone ist karg, knöchern, verbogen und stellt keine Verbindung zum Himmel her. Seine Anordnung auf der abschüssigen Ebene weist zudem auf eine wenig solide Verwurzelung mit der Erde hin. Die symbolische Verbindung von Baum und Rabenvögeln unterstreicht diese Betrachtung.48 Die dem Bergmotiv immanente Verbindung von Himmel und Erde – metaphorische Gottesnähe und Unerschütterlichkeit – ist durch die Wolkenformation mit Regenschauer verzerrt.49 Die Burgruine ist dem realen Motiv nachempfunden und aufgrund des Unwetters gänzlich in Schatten gehüllt. In seiner Metaphorik ist auch das verfallene Bauwerk als Vergänglichkeits- respektive Vanitas-Symbol zu lesen, wobei die von Regen und Unwetter umgebene Ruine im Fokus steht.50 Die direkte Gegenüberstellung mit der linksseitigen Schönwetterfront intensiviert die triste Wirkung über den Symbolgehalt und die Signifikanz von Baum- und Rabenmotiv hinaus. Diese Diktion verweist auf den mehrschichtigen Inhalt dieses, wie auch zahlreicher weiterer Landschaftsgemälde, die von düsterer Stimmung, Tristesse und Ambiguität geprägt sind. Die Bildatmosphäre weist eine ambigue Wirkung auf, die einen grundlegenden Aspekt zur Rezeption dieser Landschaftsdarstellung bedeutet. Diese Atmosphäre

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beruht auf der bildimmanenten Perspektive, fragmentierten Bildebenen und -gründen, dem meteorologischen Szenario sowie der als ambig zu bezeichnenden Baumund Rabenszene vor der verwitterten Burgruine. Die Überzeichnung von Bildelementen wie dem morbiden Baum in den Gemälden hohentwiel mit hohenkrähen wie auch randegg im schnee mit raben, dessen verwelkter Zustand im landschaftlichen Milieu überdeutlich erkennbar ist, regt das Lesen des Motivs als ein inhaltlich zentrales stark an. Die Aufschlüsselung ist allein aufgrund des Bildinhalts jedoch nicht gegeben. In der Motivkonstellation bleibt somit über die Erklärung der Symbole hinaus unklar, welche Funktion dem Baum im Zusammenspiel mit dem Rabenmotiv zukommt. Im Kontext mit den fehlenden menschlichen Protagonisten und der atmosphärischen Aufladung wird auf diese Weise eine Sterilität im Bild vermittelt.51 Die disputable Metaphorik, die kompositorische Fragmentierung der Bildelemente und -gründe wie auch der vermeintlich symbolische Gehalt der Motive verweisen in letzter Instanz auf einen die Rezipierenden zurückweisenden Leitgedanken des Künstlers. Die Rezeption wird durch das fehlende Repoussoir, die Überschauperspektive, die entrückte Fragmentierung der Bildgründe und -elemente sowie die ambigue Wirkung und unerklärliche Atmosphäre stark beeinflusst und gestört. So lädt das Gemälde aufgrund der Bildelemente zum Lesen ein, es hält die Rezipierenden aufgrund der angegebenen Elemente jedoch vom Bildinhalt fern und vermittelt eine Stimmung des Unbehagens und der Irritation.

Anmerkungen _ 421

1

Vgl. Krüger 2014.

2

Brockhaus Enzyklopädie, hrsg. v. F. A. Brockhaus GmbH, Bd. 9, Leipzig u. Mannheim 2006, S. 222 f., s. v. »Heimat«.

3

Korps 1935, dka. Vgl. hierzu die ausführliche Darlegung in den Kapiteln »Femeausstellungen, Amtsenthebung und Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste« sowie »Innerdeutsche Ausstellungen und ausgewählte Aufträge« im vorliegenden Band.



4

Vgl. ibid.

5

Vgl. David Blackbourn: The Conquest of Nature. Water, Landscape, and the Making of Modern Germany, New York u. London 2006, S. 14.

6

7

Das Gemälde war ursprünglich als Geschenk an Adolf Hitler geplant. Vgl. Dieter Pesch u. Martin Pesch: Werner Peiner – Verführer oder Verführter. Kunst des Dritten Reichs, Hamburg 2014, S. 29. Neben dem Beispiel Peiners stellten etwa die Maler Walter Hoeck (1885–1956) und Carl Baum (vermutlich 1892–1966) das Motiv des pflügenden Bauern dar. Vgl. Walter Horn: Die Kunst unserer neuen Wirklichkeit. Zur Ausstellung »Deutscher Bauer – Deutsches Land« in Berlin, in: Die Kunst im Dritten Reich, Illustrierte Monatsschrift für freie und angewandte Kunst, hrsg. v. Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der nsdap, Franz Eher Nachf., 2. Jg. 1/1938, S. 44–49.

8

Pesch u. Pesch 2014, S. 29, ein Quellennachweis ist hier nicht gegeben.

9

Dix, zit. nach: Gutbrod 2009, S. 80.



tion‹ und Zeitkritik. Otto Dix in der Weimarer Zeit« im vorliegenden Band. Zum Begriff »völkisch: allg. svw. das Volk betreffend, dem Volk gemäß, zum Volk gehörig. Ab dem letzten Drittel des 19. Jh. bes. als Eindeutschung für »national« verwendet, diente der Begriff speziell zur Kennzeichnung eines das eigene Volk heraushebenden, meist antisemit. Nationalismus, was den Begriff nach der Zeit des Nationalsozialismus diskreditierte.« Brockhaus, 2006, Bd. 23, S. 197, s. v. »völkisch«.

16 Turner 1996, S. 311 f., s. v. »Heimatstil«. 17 Deutsche Kunst. Volkskunst in Hessen-Nassau und Oberhessen 1-1/[1913]. 18 Clark 1962, S. 4; vgl. Lackner u. Adkins 1988, S. 316. 19 Vgl. L 1940/11; L 1942/9. Stein am Rhein ist eine Gemeinde im Kanton Schaffhausen, Schweiz. 20 Vgl. Brief von Otto Dix an Ernst Bursche vom 23. Juni 1939, zit. nach: Ehrke-Rotermund 1994, S. 149. 21 http://www.schaffhausen-foto-archiv.ch/stein-amrhein-generalansicht.html (Aufruf: 28.  No­vem­ber 2017). 22 Vgl. Werner Peiner: Deutsche Erde von 1933, in: Mortimer G. Davidson: Kunst in Deutschland 1933–1945. Eine wissenschaftliche Enzyklopädie der Kunst im Dritten Reich, Tübingen 1991, Abb. 971; das Gemälde wurde 1938 in der Grossen Deutschen Kunstausstellung gezeigt: gdk1938-Saal-03, gdk1938-0703, http://www.gdk-research.de (Aufruf: 19. Dezember 2017). 23 Interview zwischen Jan Dix und Andrea Dix mit der Autorin in Öhningen am 8. August 2016.

10 Brockhaus Enzyklopädie, hrsg. v. F. A. Brockhaus GmbH, Bd. 9, Leipzig u. Mannheim 2006, S. 221, s. v. »Heimat«.

24 Vgl. Werkliste zur Ausstellung Otto Dix und Franz Lenk der Galerie Nierendorf, Berlin, Januar bis März 1935, Kat.-Nr. 39, in: Walter Ris 2003, S. 201.

11 Vgl. den Anhang »Otto Dix’ Werkentwicklung nach Bildgattungen (1918–1949)« im vorliegenden Band.

25 Vgl. Graf 2013, S. 264.

12 Brockhaus 2006, S. 223., s. v. »Heimat«. 13 Vgl. hierzu: Schmidt 2010, S. 937 ff. 14 Überwachungskarteikarte der Gestapo zu Otto Dix aus dem Bestand des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes, barch, R58/9606. 15 Zum Nationalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. Hinrichs 2011, S. 56; Kapitel »›Deutsche Tradi-

26 Vgl. gri N6490.A714 Photo Collection 20th Century / Arntz, Wilhelm Box 141; Löffler 1981. 27 Die Farbkomposition konnte am Beispiel Hohentwiel mit Hohenkrähen nicht betrachtet werden, da zum gegenwärtigen Forschungsstand lediglich eine Schwarz-Weiß-Fotografie im gri vorliegt. 28 Zu der Annahme, Dix habe 1934 erste Landschaftsgemälde angefertigt, vgl. Graf 2013, S. 259.

422 _ Gekippte Heimat. Zu Regionalismus in Otto Dix’ Landschaftsmalerei

29 Vgl. Michael Losse (Hrsg.): Burgen, Schlösser und Festungen im Hegau. Wehrbauten und Adelssitze im westlichen Bodenseegebiet, Singen 2001, S. 90–92 u. S. 94–101. 30 Vgl. Windham Windson, in: The Morning Post, London 1936. »Als die Nachricht von der Aufgabe der Besteigung des Mount Everest Europa erreichte, stand auch die Aufgabe der Besteigung des Berges Sanktionen bevor«, in: Narrenspiegel der Geschichte, 1983, Nr. 161. 31 Vgl. gri N6490.A714 Photo Collection 20th Century, Arntz, Wilhelm Box 141. 32 Vgl. Losse 2001, S. 91. 33 Ibid., S. 92. 34 Otto Dix: Der Hohenstoffeln von Randegg aus gesehen von 1934 (L1934/5); Randegg mit Hohentwiel von 1936 (L1936/7); Randegg mit Hohenstoffeln und Hohentwiel von 1937 (L1937/9); Hegauberge mit Getreidefeldern und Hohentwiel von 1944 (L1944/17); Hohentwiel im Winter von 1944 (L1944/21); Hohentwiel, 1944 (L1944/23). 35 Warnke 1992, S. 47; K. H. Clasen, Burg, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 3, Stuttgart 1954, Sp. 132, Sp. 134 u. Sp. 141, zit. nach: ibid.

39 Saavedra Fajardo: Idea de un Principe Politico Cristiano (1640), Bd. 2, Madrid 1927, S. 173, zit. nach: ibid., S. 48. 40 Vgl. Hohentwiel und Hohenkrähen von 1933 (Lorenz 2003 ie 7.6.1). 41 Vgl. hierzu exemplarisch: Lorenz 2003 ie 7.6.2, ie 7.6.3, ie 7.6.10, ie 7.6.11, ie 7.6.13, ie 7.6.14, ie 7.6.18. 42 Festung Hohentwiel von 1938 (Lorenz 2003 ie 7.6.9). 43 Im Zuge der im 19. Jahrhundert aufkommenden Burgen-Romantik wurde auch die Burgruine Hohenkrähen als touristisches Ziel populär. Vgl. Losse 2001, S. 92 f. 44 Brief von Otto Dix an Theo Piana, 19.8.1947, zit. nach: Lorenz 2013, S. 875 f. 45 Vgl. Warnke 1992, S. 52. Warnke referiert hier auf: Ausschnitt aus einem Fresko Mantegnas in der Camera degli Sposi, um 1460, Mantua, Palazzo Ducale; Felshitergrund, Ausschnitt aus dem St. Wolfgang-Altar von Michael Pacher, um 1471–1481, St. Wolfgang. 46 Ibid., S. 52.

36 Warnke 1992, S. 48.

47 Vgl. ibid.

37 Vgl. Otto Lehmann-Brockhaus: Lateinische Schriftquellen zur Kunst in England, Wales und Schottland vom Jahre 901 bis zum Jahre 1307, 5 Bde., München 1955–1960, Nr. 416, zit. nach: ibid., S. 49.

48 Vgl. Kretschmer 2016, S. 49 f., s. v. »Baum«. 49 Vgl. ibid., S. 52., s. v. »Berg«. 50 Vgl. ibid., S. 350 f., s. v. »Ruine«.

38 Monika Arndt: Das Kyffhäuser-Denkmal, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, Bd. 40, 1978, S. 78, zit. nach: ibid., S. 24.

51 Vgl. Löffler 1981, S. 56.

Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition

Weshalb ist Otto Dix ein deutscher Maler und was für eine Rolle spielt das bei der Untersuchung seines Schaffens zur Zeit des Nationalsozialismus? Mit dieser Frage wurde das Untersuchungsfeld des vorliegenden Bandes eingangs abgesteckt. Dix’ Œuvre und Wirken im Wandel förderte sehr besondere Porträt- und Figurenbilder sowie insbesondere Landschaftsdarstellungen, die das Hauptsujet mit dem Jahr 1933 radikal ablösten, in den Untersuchungsfokus. Im reziproken Verhältnis zwischen kunstpolitischem Diskurs und Dix’ künstlerischen Erzeugnissen wird insbesondere den Landschaftsgemälden dieser Zeit erstmals in der Dix-Forschung eine grundlegende Bearbeitung gewidmet. Der Maler entwickelte eine ganz neue Wirkungsweise, mit der er sich nicht in eine aktive Gegnerschaft zum Nationalsozialismus begab. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass er sein Motivrepertoire und die Härte seiner explizit das Sozialkritische pointierenden Arbeiten in eine subtile, teils subversive Formsprache transferierte. Das Sujet der Landschaftsmalerei mochte im Kontext trivial erscheinen. Die Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die Malerei und das Wirken von Otto Dix im reziproken Verhältnis zur ambivalenten, da ideologischen Rezeption der als »deutsch« konstruierten Kunst sowie zu den zeitpolitischen Ursachen und kunstpolitischen Entwicklung in der Zeit des Nationalsozialismus stehen. Ludwig Justi, Kunsthistoriker und Zeitgenosse,

424 _ Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition

empfahl Dix geradezu eine Aneignung der nationalsozialistischen Stoßrichtung in seiner Kunst: »Gelingt die gewünschte Umwandlung des Volkes, von der Wurzel an, so halte ich es für möglich, daß auch Sie einer solchen Wandlung nicht fern bleiben würden, da nach allen geschichtlichen Erfahrungen der begabte und gereifte Künstler zu gestalten pflegt, was sein Volk wahrhaft bewegt. […] Dies soll nicht etwa der Rat zu einer konjunkturhaften ›Umstellung‹ sein, sondern nur der Ausdruck meines Glaubens, daß jeder wirklich starke Künstler schließlich dem echten Willen der wahrhaften Grundgesinnung seines Volkes angehören wird.«1 Der vormalige Direktor der Nationalgalerie – der schließlich ebenfalls von seiner leitenden Position entfernt wurde – zeigt die Binarität in Dix’ zwischen Soziokritik und konservativen künstlerischen Techniken changierenden Œuvre auf. Er argumentiert ideologisch gemäß der ns-Propaganda, bezieht sich auf eine »wahrhafte Grundgesinnung« und somit auf Mechanismen, die sich in der Konstituierung einer national(sozialistisch)en Kunstgeschichtsschreibung widerspiegeln beziehungsweise diese assimilieren. Es sind Alte Meister wie die in den Analysen herangezogenen Maler Dürer, Cranach, Holbein, aber auch Caspar David Friedrich oder Klassizisten. Deren Werke wurden im Rahmen von ns-Periodika wie die kunst im deutschen reich als repräsentative, vorbildliche Vorgänger der zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler aufgeführt und deren Einflüsse auf anerkannte künstlerische Positionen in der grossen deutschen kunstausstellung deutlich unterstrichen. Die Propaganda »völkischen« Gedankenguts bündelte sowohl die politische Entwicklung des Landes als auch das zunehmende soziopolitische Interesse an einer »deutschen« Kunstgeschichtsschreibung. Die Tatsache, dass Dix bereits ab 1926 mit historischen Bezügen zu malen begann, sollte Grund genug sein, den Verdacht auf Dix’ vermeintliche Konformität oder Nähe zur nationalsozialistischen Doktrin zu entkräften. Zwar ist Dix’ Arbeiten nach 1933 aufgrund der motivischen wie stilistischen Herangehensweise eine ausgeprägte Altmeisterlichkeit immanent, die zur Herleitung eines Nationalismus bei Dix beiträgt. Die Annahme, dass daraus eine Nähe zur oder gar Konformität mit der nationalsozialistischen Kunstauffassung hervorgehe, ist aufgrund der von Dix bereits seit 1926 angewandten altmeisterlichen Maltechnik nicht zu bestätigen.2 Da zum Zeitpunkt der Machtübernahme 1933 noch ungeklärt war, ob die deutsche Kunst im »Dritten Reich« expressionistisch, altdeutsch oder neusachlich sein sollte, ist die Frage nach einer Annäherung von Dix an einen nationalsozialistischen Stil



Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition _ 425

folglich zu verneinen.3 Hinsichtlich der Rede des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels4 vom 7. Februar 1934 wird eine innerparteilich kontroverse Positionierung gegenüber der modernen Kunst deutlich: »Wir garantieren eine Freiheit der Kunst. Grundsätzlich muß auch für den nationalsozialistischen Staat der Standpunkt aufrechterhalten werden, daß die Kunst frei ist […].«5 In Anbetracht der tatsächlich erfolgten Aktionen und Repressionen gegenüber Künstlern und Künstlerinnen wie durch die Umsetzung der Ausstellung entartete kunst in München 1937 wird Goebbels’ Aussage als propagandistische Irreführung entlarvt. Schließlich gipfelte der tatsächliche Umgang mit der als »frei« deklarierten bildenden Kunst in einer radikalen Kunstverfolgung.6 Da die Definition eines »nationalen« Stils 1933 noch nicht klar gefasst war, liegt es auf der Hand, dass Dix nicht versucht haben kann, irgendeiner offiziellen Richtlinie oder einem ästhetischen Programm nachzueifern oder sich daran zu halten. Dix’ Hinwendung zur Landschaft im Jahr 1933 ist in diesem Zusammenhang als zeitreflexive Anpassung zu deuten. Es scheint, als entspräche der Maler von nun an nicht nur in Form der stilistischen Rückbezüge auf die als altdeutsch begriffenen künstlerischen Vorbilder, sondern hätte zudem auch die veristische Schärfe und den agnostisch sezierenden Blick auf die Gesellschaft, in der er lebte, gegen ein seichtes und gefälliges Sujet eingetauscht. Dieser Eindruck hat sich im Rahmen der Untersuchung nur ansatzweise bestätigt. Anhand des Œuvres von Dix und seiner Künstlerinnen- und Künstlerkollegen wie Otto Griebel wurde deutlich, dass der Konservatismus bereits ein zeitgenössisches Phänomen im Dresden der 1920er Jahre darstellte. Die vorliegende Untersuchung ergab, dass sich altmeisterliche Bezugnahmen in den Landschaftsdarstellungen, teils herrschaftlich anmutenden Porträts und auch in Attributen christlicher Ikonografie nach 1933 intensiviert haben. Als nunmehr ehemaliger Professor der Dresdner Akademie demonstrierte Otto Dix seine technische Virtuosität in bislang nicht da gewesener Weise. Die Werkentstehungszahlen der Gemälde haben belegt, dass Dix in der Zeit der sogenannten »Inneren Emigration« sogar unvergleichlich produktiv war. Vor dem Hintergrund der regionalen Motive und künstlerischen Bezugnahmen im Kontext der nationalsozialistischen Rezeption Alter Meister ist die Eingangsfrage insofern von zentraler Bedeutung, als Dix tatsächlich zu einer Art nationalem Landschaftsmaler avancierte. Damit bewegte sich der Maler in anerkannten und propagierten künstlerischen und kunsthistorischen Gefilden. Der vermeintliche Verzicht auf gesellschaftskri­ tische Darstellungen beförderte in der zeitgenössischen Rezeption von Dix’ Werk schließlich ein Kippspiel zwischen Anerkennung und Verfemung. So hat sich im Rahmen der Untersuchung bestätigt, dass das Klischee vom Pazifisten Dix zur Nährung und Manifestation der »Blut- und Boden«-Ideologie verwertet wurde. Seine

426 _ Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition

Partizipation am offiziellen Ausstellungswesen wurde zeitgleich sukzessive unterbunden. Dennoch – und auch das haben die Analysen herausgestellt – war Dix eine offiziell durch die Mitgliedschaft in der Reichskammer der Bildenden Künste, durch das Ankaufsgesuch des Heeresbauamts Magdeburg 1937 wie auch durch die Unterstützung durch private Sammler etablierte künstlerische Persönlichkeit. Die nach 1933 massiv angestiegenen Werkentstehungszahlen stellen zudem deutlich heraus, dass Dix auch in der Zeit des Nationalsozialismus befugt war, als Maler tätig zu sein. So wäre es ihm anderenfalls nicht möglich gewesen, ohne die Zuweisung von Kunstmaterialien auch in Kriegszeiten zu arbeiten. Hausdurchsuchungen durch die Gestapo haben verdeutlich, dass seine Malerei von offizieller Seite dennoch keineswegs unkritisch gebilligt wurde. Besonders drastisch zeigte sich dies durch die mutwillige Beschädigung des Gemäldes flandern im Atelier. Zwar stellte Dix seine Ausstellungsaktivitäten erzwungenermaßen ein wie die Ausstellungsschließung im Hamburger Kunstverein 1936 verdeutlicht. Seine künstlerische Tätigkeit wurde jedoch nicht unterbunden. Dix stand unter Beobachtung der Nationalsozialisten und zum Beispiel durch die Beschlagnahmungen und Femeschauen entartete kunst auch unter öffentlichem Druck, der fast unmittelbar mit Einsetzen der Diktatur 1933 begann. Daher ist der zeitgleiche, radikale Bruch mit seinem sozialkritischen Werk der 1920er Jahre als künstlerische Strategie zu lesen, die es dem Maler gestattete, kritisch Stellung zu nehmen und zugleich weitgehend unbehelligt weiter arbeiten zu können. Zeitpolitische Vexierbilder wie jene des jüdischen Friedhofs der Gemeinde Randegg oder politische Interventionen, die das reale Narrativ zum aufbrechenden eis zugrunde legen, stellen dabei eindrucksvolle, zunächst im Verborgenen wirkende und hier dekodierte Beispiele seiner eher subtilen Kritik dar. Nicht zuletzt auf die heutigen politischen Entwicklungen ist es zurückzuführen, dass eine neue Analyse und Rekonstruktion im Hinblick auf Künstlerpersönlichkeiten und die ihnen zugeschriebenen Mythen stattfinden kann und muss.7 In diesem Zusammenhang sei das Forschungsprojekt emil nolde. eine deutsche legende von Bernhard Fulda, Aya Soyka und Christian Ring verwiesen, in dessen Rahmen eine historische Aufarbeitung um Nolde, die Entstehung seiner Werke und sein politisches Wirken in der ns-Zeit erfolgte. Der vorliegende Band verfolgt mit der Rekonstruktion, die auf der Grundlage der konsultierten Quellenmaterialien basiert, ein vergleichbares Interesse: das Wirken von Otto Dix im Rahmen der kunstpolitischen Gegebenheiten in der ns-Zeit. Da Dix weder der nsdap zugehörig war noch nationalsozialistisch-völkisches Gedankengut vertrat, sondern dem Regime vielmehr kritisch gegenüberstand, besteht jedoch ein grundlegender Unterschied zwischen den jeweiligen Erkenntnissen zu Dix und Nolde.8 Ein verbindendes Element besteht jedoch in dem angedrohten Berufsverbot, das am Bei-



Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition _ 427

spiel Noldes umgesetzt wurde. Dix betreffend wurde es auf hoher politischer Ebene diskutiert, schließlich jedoch nicht durchgesetzt.9 Auch konnte im Hinblick auf Dix’ künstlerisches Wirken nicht bestätigt werden, dass eine Legendenbildung politischer Tragweite nach 1945 stattgefunden hat, die es grundlegend zu revidieren gilt. Juristisch unterlag der Maler allerdings nicht dem von ihm angegebenen Mal- und Ausstellungsverbot. Einem Berufsverbot unterlag der Maler nachweislich nicht, aber die Exklusion vom Kulturbetrieb ist anhand zahlreicher Quellen mit Bezug auf kunstpolitische Stimmen, Verkaufs- und Ausstellungskontexte belegt, was wiederholt die Einschränkungen und Repressionen aufzeigt, mit denen sich Dix konfrontiert sah. Insofern ist eine Beleuchtung des Begriffs »Innere Emigration« in Hinblick auf Otto Dix sinnvoll. Dieser wurde in der deutschen (Kunst-)Geschichte seit der Nachkriegszeit populär. Der Terminus geht auf den Schriftsteller Frank Thiess zurück, der ihn in einem Protestschreiben an den Reichsorganisationsleiter des kampfbundes für deutsche kultur Hans Kinkel im November 1933 einsetzte.10 Er definierte ursprünglich »die politisch-geistige Haltung derjenigen Schriftsteller, die während der nat. soz. Herrschaft in Deutschland ausharrten und mit den ihnen verbliebenen liter. Möglichkeiten bewusst gegen den Nationalsozialismus Widerstand leisteten. Als problematisch gilt die Anwendung des Begriffs auf die Haltung des ›Rückzugs ins Schweigen‹ oder die Flucht in unverbindlich-ästhet. Bereiche«.11 In Bezug auf Otto Dix ist der Begriff problematisch, da er verwendet wurde, um die geistigen und politischen Positionen derjenigen Schriftsteller zu definieren, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland geblieben waren und die bewusst jede Möglichkeit nutzten, sich dem System zu widersetzen. Auf Dix lässt sich nur insofern übertragen, als dieser während des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland blieb, obwohl er diskreditiert und seines Ansehens beraubt wurde. Insbesondere die Tatsache, dass Dix trotz der Verfemung nicht ins Exil ging, sondern unter dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland blieb und in dieser Zeit zwischen Annäherung und Subversion changierende Gemälde fertigte, lässt eine Übertragung des Begriffs vom Literarischen auf die bildende Kunst hier möglich erscheinen. Die Hinwendung zur Landschaftsmalerei scheint einerseits im Hinblick auf den Markt und Dix’ Käuferschaft fruchtbar gewesen zu sein. Andererseits verschaffte ihm dieses unangreifbare Sujet die Möglichkeit, weiterhin kritisch-­reflexive Kommentare abzugeben. Die von Justi vorgeschlagene Assimilation ist damit gewissermaßen ausgehöhlt: Zwar wandte sich Dix von seinen offensiven, kritischen Kommentaren ab, da seine reflexiven und anti-heroischen Darstellungen wie der

428 _ Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition

schützengraben in den Femeschauen öffentlich angeprangert worden waren und als Grund für seine Entlassung gedient hatten. Die Lesart der politischen Ikonografie seiner Landschaftsdarstellungen ermöglicht es jedoch, die Motive von Stürmen, sterbenden Bäumen, aufbrechendem Eis oder entrückten Kompositionen als zeitkritische Kommentare zu dekodieren. Im Moment der Diffusität, in dem die ambiguen Motivelemente, Perspektiven und Farbkompositionen keine Entschlüsselung ermöglichen, transportierte und projizierte der Maler eine atmosphärisch bedingte Sprachlosigkeit auf die Rezipierenden. Mit seinen motivischen und kompositorischen Gestaltungsmitteln griff er gewissermaßen die an »altdeutschen Traditionen« ausgerichteten Trends der Zeit auf. Darüber hinaus nahm er Bezug auf Elemente aus Heimatmalerei und Regionalismus, die in der ns-Zeit im Zuge der »Blut-und-Boden«-Ideologie propagiert wurden. Diesen Aspekt kombinierte Dix jedoch vielfach mit bedrohlichen oder seltsam zwischen Morbidität und Überzeichnung oszillierenden Atmosphären, in der Vergänglichkeit begriffenen Motiven und einer wiederkehrenden Menschenleere. Die Simultanität dieser verschlüsselten Kompositionen in der politischen, von Verfemung und Gleichschaltung geprägten Diktatur ist politisch ikonografisch dekodierbar. In diesem Kontext ist auch die Einbindung »alter Stoffe« zu begreifen. Stilistisch bezog sich Dix immer wieder auf unterschiedliche Epochen, sodass im Rahmen der vorliegenden Arbeit Beispiele der Renaissance, des Klassizismus und der Romantik hervorgehoben wurden. Hinter der stilistisch-altmeisterlichen Hülle verbarg sich jedoch eine zweite, inhaltliche Ebene. Die Analyse zu aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn) zeigte, dass Dix motivische und atmosphärische Bildeigenschaften der Romantik am Beispiel Caspar David Friedrichs in seine Gemälde transferierte. Im Gewand der Romantik als zeitgenössisch populärer Epoche brachte Dix im Gegensatz zu seinem Vorbild konkrete politische Geschehnisse zum Ausdruck, die in der vorliegenden Arbeit unter dem Aspekt des realen Narrativs gefasst wurden. Insofern stellte der Maler seine Arbeiten in den Zusammenhang künstlerischer Vorbilder und rezipierte damit zeitgenössisch gewollte und als »deutsche Tradition« begriffene Stile. Durch vielfach bedrohliche Atmosphären sowie die politische Bezugnahme auf der inhaltlichen Ebene grenzte sich Dix jedoch künstlerisch vom Nationalsozialismus und damit von der »Blut-und-Boden«-Ideologie ab. Sind es Vorbilder wie Dürer, Altdorfer, Cranach oder auch Friedrich, die in der nationalsozialistischen Monats-Zeitschrift die kunst im dritten reich als »deutsch« und vorbildhaft propagiert wurden, reflektierte Dix’ diese in seiner Auseinandersetzung mit der ihn umgebenden politischen Situation und seiner Verortung darin. Die Hinwendung zur sogenannten Altmeisterlichkeit ist bereits in die 1920er Jahren zu datieren. Mit der motivischen Abkehr von stark überzeichneten Modellen 1933 zeigt sich jedoch eine Intensivierung dieser stilistischen Ausprägung.



Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition _ 429

Diese steht im Spiegel der politischen Entwicklungen auf das künstlerische Wirken – einerseits als Ausdruck der Repression, andererseits als Auseinandersetzung mit der als »deutsch« propagierten, nationalsozialistischen Kunstgeschichts-Konstruktion. Die Ambiguität der Landschaften wird auch am Beispiel des Gemäldeauftrags bildnis frau rosa eberl deutlich. Bei dieser Darstellung zeigte Dix seine Virtuosität der Porträtmalerei und verwies darauf, dass seine Form der neusachlichen Sehund Darstellungsweise, sein sezierender Blick der 1920er Jahre keineswegs beendet war, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung erfahren hatte. Damit forderte er die als »deutsch« begriffene Tradition heraus und zeigte zugleich seine künstlerische Ausdrucks- und Gestaltungsstärke in einem Land und zu einer Zeit, in der es ihm nicht gestattet war, nach eigenen Maßstäben am kulturellen Betrieb zu partizipieren. Das um 1937 gestiegene Sammlerinteresse sowie ein offizieller Auftrag seitens des Heeresbauamtes Magdeburg können ebenso als existenzerhaltend bewertet werden wie die partiell dokumentierten Ausstellungsmöglichkeiten. Das insbesondere an seinen landschaftlichen Arbeiten wie auch den Auftragsporträts dokumentierte Interesse belegt die Anerkennung seiner Arbeiten. Ungeachtet der Auftragsarbeiten ist Dix’ Œuvre zwischen 1933 und 1945 am Sujet der Landschaft, des Porträts und der christlichen Darstellung auch als ein Abtasten der eigenen Identität als deutscher Maler zu begreifen. Sowohl die eigene Verfemung als auch die politischen Bezüge in seinen Arbeiten – etwa die Geschehnisse am Bodensee im Winter 1940 oder die Auseinandersetzung mit dem Motiv des jüdischen Friedhofs neben einer großen Eiche in kühler Winterlandschaft von 1935 – stellen exemplarisch den Gegenstand seiner malerischen Auseinandersetzung in der politischen Landschaft dar, in der sich die persönliche Anteilnahme besonders stark anhand der Menschenleere widerspiegelt. Dix malte seine unmittelbare Umgebung und stellte die Landschaft, in der er sich befand, aus der Ferne dar: Weder der Maler noch die Betrachtenden tauchen in die Szenerie ein, sodass die Landschaften ein Moment der Isolation, der Entrückung und eine gewisse Distanz bewahren. Obwohl oder vielleicht gerade weil Otto Dix sein eigenes Milieu abbildete, strahlen die Bilder eine elementare Fremdheit aus, die sich auch auf die Betrachter und Betrachterinnen überträgt. Diese fehlende Unmittelbarkeit, die das Œuvre der 1920er Jahre auszeichnet, lassen sich als Dix’ Ringen mit seiner neuen Umgebung und den veränderten persönlichen Lebensumständen lesen. Wie im vorliegenden Band gezeigt wurde, ist die Interpretation der Landschaftsbilder dieser besonderen Periode vielschichtig: Einflüsse verschiedener Epochen, die christlich und politisch anmutende Ikonografie und Dix’ charakteristischer hyperrealistischer Ausdruck prägen diese Werkphase. Er beobachtete und schilderte aus der Position eines gesteigerten Subjektivismus, sodass die Gemälde als Spiegelbilder dienen und zugleich sein Gefühl der Ausgrenzung aus dem offiziellen Kulturbetrieb

430 _ Im Zeichen des nationalsozialistischen Kunstgeschmacks? Otto Dix’ Selbstvergewisserung einer »deutschen« Maltradition

zeigen: »Ein schönes Paradies. So schön, dass ich kotzen könnte. Ich sollte in der Großstadt sein. Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh.« Der Maler wählte ein traditionelles Sujet und ließ das beliebte und charakteristische kritische Porträt der Gesellschaft, womit er als Künstler beachtet, berühmt und zugleich frühzeitig berüchtigt gewesen ist, hinter sich. Mit der Rückkehr zur Landschaftsmalerei bot Dix keinen Anlass zur Anklage. Allerdings steckt in dem scheinbar unumstrittenen Sujet eine kritische Position. Die Analyse der realen Narrative im Zusammenspiel mit der formalen Gestaltung, der Ästhetik und der Umsetzung der einzelnen Motive belegt das künstlerische Vorgehen von Dix. Wie erläutert, implizieren die Landschaftsdarstellungen des Malers die kritische Reflexion seiner kunsthistorischen Vorbilder, die politische Zensur und staatliche Propaganda und schließlich die Konfrontation mit seinem eigenen erzwungenen Schicksal. Es gelang ihm, sowohl in der ländlichen Abgeschiedenheit als auch in der politischen Landschaft seiner Zeit zu überleben, ohne dabei auf kritische Reflexion zu verzichten. Seine Beharrlichkeit, mit der ihm verbliebenen Freiheit zu arbeiten, manifestiert vielmehr das widerständige Tun gegen das nationalsozialistische Regime. So sind die Werke als Ausdruck von Otto Dix’ Identität als deutscher Maler in einer Zeit des Umbruchs und der politischen Unruhen zu lesen. Während der Maler seinen Blick auf das eigene Milieu, seine Erfahrungen und existenziellen Konflikte dokumentierte, zeigt das Ergebnis eine künstlerische Strategie, die ihm eine kritische Stellungnahme gestattete und ihm zugleich die Möglichkeit bot, in den permanent von Sanktionen bedrohten Zeiten als Maler weiterzuarbeiten und damit auch seine Existenz zu sichern.

Anmerkungen _ 431

1

Brief von Ludwig Justi an Otto Dix, 26. April 1933, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 12e. Auszugsweise auch zitiert in: Karcher 2002, S. 195, Kicherer 1984, S. 59 u. S. 67 u. Ehrke-Rotermund 1994, S. 145.

2

Vgl. Schubert in: Frank P. Pfertsch (Hrsg.): Konflikt, Berlin u. Heidelberg 2005 (Heidelberger Jahrbuch, Bd. 2004/24), S. 324 f.; Stuttgart 1991, S. 292.

3

Vgl. Schwarz 1996, S. 71.

4

Am 13. März 1933 wurde Goebbels von Adolf Hitler die Leitung des Propagandaministeriums übertragen. Vgl. hierzu: Jeuthe, in: Fleckner 2007, S. 189 u. S. 195.

5

Detail aus der Rede Joseph Goebbels’ anlässlich der Sitzung der Reichskulturkammer am 7. Februar 1934, zit. nach: Haftmann 1986, S. 222.

6

Vgl. ibid., S. 222.

7

Vgl. Bernhard Fulda, Christian Ring u. Aya Soyka (Hrsg.): Emil Nolde. Eine deutsche Le­gende. Der

Künstler im Nationalsozialismus. Essay und Bildband, München, London u. New York 2019; Bernhard Fulda, Christian Ring u. Aya Soyka (Hrsg.): Emil Nolde. Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus. Chronik und Dokumente, München, London u. New York 2019; vgl. auch: Fulda 2016. 8

Zu Dix’ Position gegenüber der ns-Kulturpolitik und Verfemung vgl. Brief von Otto Dix an Hugo Simons, 6. Juni 1946, Otto Dix Archiv 1946-6-6.

9

Vgl. hierzu das Kapitel »Zwischen Verfemung und Anerkennung (1933–1945)« im vorliegenden Band.

10 Vgl. Hans Mayer: Konfrontation der inneren und äußeren Emigration: Erinnerung und Deutung, in: Reinhold Grimm u. Jost Hermand: Exil und Innere Emigration, Third Wisconsin Workshop, Frankfurt am Main 1972, S. 42. 11 Brockhaus 2006, Bd. 10, S. 519, s. v. »Innere Emigration«.

ANHANG

Farbtafeln _ 435

Taf. 1  Otto Dix. randegg – abendstimmung (frühlingsabend), 1936, Mischtechnik auf Hartfaser, 60 × 80,5 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser, Eigentum der Stiftung Gunzenhauser

436 _ Anhang

Taf. 2  Otto Dix. bildnis frau rosa eberl 1940, Öl auf Holz, 103 × 80 cm, Städtische Kunstsammlung Freital

Farbtafeln _ 437

Taf. 3  Otto Dix. aufbrechendes eis (mit regenbogen über steckborn), 1940, Mischtechnik auf Holz, 65 × 85 cm, Schaffhausen, Museum zu Allerheiligen, Sturzenegger-Stiftung

438 _ Anhang

Taf. 4  Otto Dix. der krieg (Triptychon), 1929/32, Mischtechnik auf Holz, Mitteltafel: 204 × 204 cm, linker und rechter Flügel je: 204 × 102 cm, Predella: 60 × 204 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister

Farbtafeln _ 439

Taf. 5  Otto Dix. flandern 1934-1936, Mischtechnik auf Leinwand, 200 × 250 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

440 _ Anhang

Taf. 6  Otto Dix. bildnis der tänzerin anita berber 1925, Öl und Tempera auf Sperrholz, 120,4 × 64,9 cm, Kunstmuseum Stuttgart, Sammlung Landesbank Baden-Württemberg

Farbtafeln _ 441

Taf. 7  Otto Dix. der heilige lukas malt die madonna (selbstbildnis), 1943, Mischtechnik auf Holz, 212 × 175 cm, Friedrichshafen, Zeppelin Museum, Leihgabe der Otto Dix Stiftung, Vaduz

442 _ Anhang

Taf. 8  Otto Dix. frau und kind in trümmern 1946, Mischtechnik, 152,8 × 117 cm, Friedrichshafen, Zeppelin Museum, Leihgabe aus Privatbesitz

Farbtafeln _ 443

Taf. 9  Otto Dix. hegaulandschaft am abend 1939, Mischtechnik auf Holz, 60 × 85 cm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

444 _ Anhang

Taf. 10  Otto Dix. lärche im engadin 1938, Mischtechnik auf Holz, 105,5 × 72 cm, Kunstsammlung Gera, Dauerleihgabe der Sammlung Niescher

Farbtafeln _ 445

Taf. 11  Otto Dix. der heilige christophorus iv 1939, Mischtechnik auf Holz, 163 × 133 cm, Kunstsammlung Gera

446 _ Anhang

Taf. 12  Otto Dix. randegg im schnee mit raben 1935, Öl und Tempera auf Hartfaserplatte, 80 × 70 cm, Kunstmuseum Stuttgart

Farbtafeln _ 447

Taf. 13  Otto Dix. gewitter im riesengebirge 1941–42, Mischtechnik auf Leinwand, Öl auf Leinwand auf Holz, 85 × 65 cm, Privatbesitz

448 _ Anhang

Taf. 14  Otto Dix. vorfrühling am bodensee bei gaienhofen (alte weiden am see), 1942, Mischtechnik auf Leinwand, auf bespannter Tischlerplatte, 80 × 100 cm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

Farbtafeln _ 449

Taf. 15  Otto Dix. randegg mit vögeli 1936, Mischtechnik auf Pressholz, 70 × 78 cm, Vaduz, Otto Dix Stiftung

Quellen- und Literaturverzeichnis

werkverzeichnisse

literaturverzeichnis

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hamburg 2019 Welt im Umbruch. Kunst der 20er Jahre (hrsg. v. Kathrin Baumstark et al.), Ausstellungskatalog, Bucerius Kunst Forum, Hamburg 2019. hamburg 2018 Entfesselte Natur. Das Bild der Katastrophe seit 1600 (hrsg. v. Markus Bertsch u. Jörg Trempler), Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle 2018. hamburg 2008 Jakob Philipp Hackert. Europas Landschaftsmaler der Goethezeit (hrsg. v. Hubertus Gaßner u. Andreas Stolzenburg), Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle 2008. hamburg 2006 Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik (hrsg. v. Hubertus Gaßner), Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle u. Museum Folkwang, Essen u. München 2006. hamburg 1983 Verfolgt und Verführt. Kunst unterm Hakenkreuz in Hamburg 1933–1945 (hrsg. v. Sigrun Paas u. Hans-Werner Schmidt), Ausstellungskatalog, Hamburg u. Marburg 1983. innsbruck 2019 Egger-Lienz und Otto Dix. Bilderwelten zwischen den Kriegen (hrsg. v. Wolfgang Meighörner), Ausstellungskatalog, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, München 2019. karlsruhe 1986 Werke von Otto Dix (hrsg. v. Birgit Schwarz), Ausstellungskatalog, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1986 (Bildhefte der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Bd. 11). köln 1992 Von Bruegel bis Rubens. Das Goldene Zeitalter der flämischen Malerei (hrsg. v. Ekkerard Mai u. Hans Vlieghe), Ausstellungskatalog, Wallraf-Richartz-Museum u. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Köln u. Antwerpen 1992. linz 1965 Die Kunst der Donauschule 1490–1540 (hrsg. v. Otto Wutzel), Ausstellungskatalog, Stift St. Florian / Schloßmuseum Linz 1965. london 1992 Otto Dix, Ausstellungskatalog, Tate Gallery, London 1992. los angeles 1991 »Entartete Kunst«. Das Schicksal der Avantgarde im NaziDeutschland (hrsg. v. Stephanie Barron), Ausstellungskata-

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464 _ Anhang

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Zu den Ausstellungen unter Hinzuziehung von Dix’ Arbeiten (1931–1946): h t t p s : / / w w w. m o m a . o r g / c a l e n d a r / e x h i b i t i o n s / history?constituent_id=1559&locale=de&sort_ date=closing_date&page=&direction=fwd.

dix 1939-3, oda Brief von Otto Dix, O. O., an Martha Dix, O. O., 1939, Otto Dix Archiv 1939-14b.

archivmaterialien Otto Dix Archiv (Vaduz)

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dix 1939, oda Brief von Otto Dix an Martha Dix, o. O., o. J., [1939], Otto Dix Archiv 1939-1.

dix 1946-2, oda Brief von Otto Dix an Hugo Simons, 6. Juni 1946, Otto Dix Archiv 1946-6-6.

dix 1938-1, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Nelly Dix, o. O. [1938], Otto Dix Archiv 1938-21.

dix 1946-1, oda Brief von Otto Dix an Ursus Dix, 23. November 1946, Otto Dix Archiv 1946-11-23.

dix 1938-1, oda Brief von Otto Dix, Samaden im Engadin, an Josef Nierendorf, Berlin, 1. Januar 1938, Otto Dix Archiv 1938-1-1. Siehe auch in: dka, nl Dix, Otto, I, C 524l; Lorenz 2013, S. 816.

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dix 1939-2, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Hannah Koch, o. O., 1939, in: Otto Dix Archiv 1939-23.

dix 1938, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Martha Dix, Hemmenhofen, 21. Mai 1937, Otto Dix Archiv 1937-5-21. dix 1936-6, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Karl Nierendorf, o. O., 6. Januar 1936, Otto Dix Archiv 1936-1-16. dix 1936-5, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Martha Dix, o. O., o. J. [1936], Otto Dix Archiv 1936-17. dix 1936-4, oda Otto Dix an Martha Dix, o. J. [1936], Otto Dix Archiv 1936-1.

466 _ Anhang

dix 1936-3, oda Otto Dix, o. O., an Martha Dix, Hemmenhofen, o. J. [1936], Otto Dix Archiv 1936-12.

dix 1934, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Karl Nierendorf, Berlin, 1. September 1933, Otto Dix Archiv, 1933-9-1.

dix 1936-2, oda Brief von Otto Dix an Fritz Mühlenweg, 1. Dezember 1936, Otto Dix Archiv 1936-12-1.

dix 1932, oda Brief von Otto Dix an Will Grohmann, ohne Datum [1928], Otto Dix Archiv 1928–2.

dix 1936-1, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Josef Nierendorf, Berlin, 2. Dezember 1936, Otto Dix Archiv 1936-12-2.

dix 1932, oda Brief von Otto Dix an Martha Dix, 5. Mai 1928, Otto Dix Archiv, 1928–5–5.

dix 1936, oda Otto Dix, o. O., an Martha Dix, o. O., o. J. [1936], Otto Dix Archiv 1936-7. dix 1935-7, oda Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, ohne Datum [1938], Otto Dix Archiv, 1935-8. dix 1935-7, oda Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 20. Oktober 1935, Otto Dix Archiv 1935-10-20. dix 1935-6, oda Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 1. Dezember 1935, Otto Dix Archiv 1935-12-1. dix 1935-5, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Karl Nierendorf, Berlin, 1. August 1935, Otto Dix Archiv 1935-8-1. dix 1935-4, oda Otto Dix, o. O., an Martha Dix, o. O., o. J. [1935], Otto Dix Archiv, 1935-16. dix 1935-3, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Karl Nierendorf, Berlin, 3. Dezember 1935, Otto Dix Archiv 1935-12-3. dix 1935-2, oda Brief von Otto Dix, o. O., an Karl Nierendorf, Berlin, 2. Dezember 1935, Otto Dix Archiv 1935-12-2.

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dix 1935, oda Brief von Otto Dix an Karl Nierendorf, 1. Oktober 1935, Otto Dix Archiv 1935-10-1.

baerwind 1935-1, dka Brief von Rudi Baerwind, ns-Kulturgemeinde Mannheim, an Otto Dix, ohne Datum, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 12b.

dix 1934-2, oda Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 1. Oktober 1934, Otto Dix Archiv, 1934-10-1.

becker 1937-1, dka Brief von Andreas Becker / Galerie Dr. Becker, Köln, an Otto Dix, o. O., 13. Juli 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-58.

dix 1934-2, oda Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 1. August 1934, Otto Dix Archiv, 1934-8-1.

becker 1936, dka Brief von Andreas Becker / Galerie Dr. Becker, Köln, an Otto Dix, o. O., 23. Mai 1936, dka, nl Dix, Otto, I,C-58.

dix 1934-1, oda Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 2. Oktober 1934, Otto Dix Archiv, 1934-10-1.

becker 1937, dka Brief von Andreas Becker, Galerie Dr. Becker, Köln, an Otto Dix, o. O., 27. Juni 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-58.

dix 1934, oda Brief von Otto Dix an Josef Nierendorf, 10. Juli 1934, Otto Dix Archiv, 1934-7-10.

bursche 1935 Brief von Ernst Bursche an Otto Dix, 10. Januar 1935, dka, nl Dix, Otto, I C 66.



carnegie 1951, dka Brief von John O’Connor, Carnegie Institute, Pennsyl­ vania, an Otto Dix, Randegg, 8. Juni 1951, dka, nl Dix, Otto, I,C 12y. carnegie 1938, dka Brief von Charlotte Weidler an Otto und Martha Dix, 8. Juli 1948, dka, nl Dix, Otto, I,C 783. carnegie 1936-1, dka Brief von Charlotte Weidler, Carnegie Institute / German Representative, Berlin, an Otto Dix, Randegg, 17. Februar 1936, dka, nl Dix, Otto, I,C 12y. carnegie 1936, dka Brief von John O’Connor, Carnegie Institute, Pennsylvania, an Otto Dix, Randegg, 17. Februar 1936, dka, nl Dix, Otto, I,C 12y. dix 1934, dka Brief von Otto Dix an Martha Dix, ohne Datum [1934], Otto Dix Archiv, 1934–1–b. dix 1933-1, dka Brief von Otto Dix an die Preußische Akademie der Künste, 12. April 1933, Otto Dix Archiv, 1933-4-12. dix 1933-2, dka Brief von Otto Dix an die Preußische Akademie der Künste, 17. Mai 1933, Otto Dix Archiv, 1933–5–17. dresden 1933, dka Brief des Rates der Landeshauptstadt Dresden (Werner) an Otto Dix, 1. September 1933, dka, nl Dix, Otto, I,B 32. fechter 1935, dka Paul Fechter: Versuche mit Kunst, in: Deutsche Zukunft, 10. Februar 1935, S. 15, dka, nl Dix, I,B, mg-7a.

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grohmann 1947, dka Will Grohmann, Nochmals Dix und Dresden, Süddeutsche Zeitung, 15. März 1947, Nr. 2/44, in: dka, nl Dix, Otto, I,B 7b.

kkv 1938, dka Brief vom Kölnischen Kunstverein an Otto Dix, 28. Januar 1938, dka, nl Dix, Otto, I,C-58.

gutbier 1933, dka Brief von L. W. Gutbier / Galerie Ernst Arnold, Dresden, an Otto Dix, Dresden, 22. April 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-58.

korps 1935, dka Anonym, Otto Dix – »genesen«?, in: Das schwarze Korps, 26. Juni 1935, München 1935, S. 12, dka, nl Dix, I,B, mg-7a.

gute 1946, dka Briefliche Bestätigung von der Landesverwaltung Sachsen, Leiter der Volksbildung, Staatssekretär Gute, an Otto Dix, o. O., 1. November 1946, dka, nl Dix, Otto, I,B–33.

lebenslauf 1950, dka Lebenslauf von Otto Dix, 6. März 1950, dka, nl Dix, Otto, ib mg–7a.

heeresbauamt 1937-3, dka Brief vom Heeresbauamt Magdeburg (gez. Fr. Balke) an Otto Dix, Hemmenhofen, 13. März 1937, S. 2, dka, nl Dix, Otto, I,C-146. heeresbauamt 1937-2, dka Brief vom Heeresbauamt Magdeburg an Otto Dix, Hemmenhofen, 9. März 1937, dka, nl Dix, I,C-146. heeresbauamt 1937-1, dka Brief vom Heeresbauamt Magdeburg an Otto Dix, Hemmenhofen, 13. Februar 1937, dka, nl Dix, I,C-146.

lebenslauf 1965, dka Tabellarischer Lebenslauf von Otto Dix, 4. Oktober 1965, dka, nl Dix, Otto, ib mg-7a. lenk o. j., dka Brief von Franz Lenk an Otto Dix, o. J., dka, nl Dix, I, C 456. lenk 1935, dka Brief von Anneliese Lenk, o. O., an Otto Dix, o. O., 3. Juni 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C – 456.

468 _ Anhang

lenk 1935-1, dka Brief von Franz Lenk an Otto Dix, 19. Dezember 1935, dka, nl Dix, I,C 456. lührig 1933, dka Brief von Georg Lührig (1868-1957) an die Akademie der Künste, 3. Mai 1933, dka, nl Dix, I,B-32.

nierendorf 1934-4, dka Brief von Josef Nierendorf/Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 19. September 1934, dka, nl Dix, Otto, I,B 7c. nierendorf 1934-3, dka Brief von Josef Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 23. August 1934, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

michael 1933 Brief vom Sächsischen Ministerium für Volksbildung, i.A. gez. Michael, Dresden, an Otto Dix, 8. Mai 1933, dka, nl Dix, Otto, I,B 32.

nierendorf 1934-2, dka Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 15. August 1934, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

müller 1933-2 Brief von Richard Müller an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste, 21. April 1933, dka, nl Dix, I,B-32.

nierendorf 1934-1, dka Brief von Josef Nierendorf/Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 16. Juli 1934, dka, nl Dix, Otto, I,B 7c.

müller 1933-1, dka Brief von Richard Müller an Reichskommissar Manfred Killinger, 6. April 1933, dka, nl Dix, I,B-32.

nierendorf 1934, dka Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 26. März 1934, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

nierendorf 1937-1, dka Brief von Josef Nierendorf an Otto Dix, 20. Juli 1937, dka, nl Dix, Otto, 524l.

nierendorf 1933-2, dka Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 21. Oktober 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

nierendorf 1937, dka Liste zu Werken aus Kommissionsbestand der Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, Hemmenhofen, 28. Juli 1937, dka, nl Dix, Otto, 524l.

nierendorf 1933-1, dka Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 26. Juni 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

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nierendorf 1933, dka Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 6. Februar 1933, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l. niescher 1937, dka Brief von Fritz Niescher, Chemnitz, an Otto Dix, o. O., 3. November 1937, dka, nl Dix, Otto, I,C-527. rdbk, 1934 Brief vom Präsidenten der RdbK (gez. Hoffmann) an Bernhard Kretschmar, 4. August 1934, dka, nl Dix, I, B-32. reichskulturkammer 1934 Mitgliedsbuch der Reichskulturkammer von 1934 (Mitgliedsnummer M 9023), dka, nl Dix, I, B-29. schaffhausen 1934 Brief vom Kunstverein Schaffhausen an Otto Dix, Randegg, 11. September 1934, dka, nl Dix, Otto, I,B-12aa. schaller 1936-1, dka Brief von vom Kunsthaus Schaller, Stuttgart / L. Schaller G.m.b.H an Otto Dix, 7. April 1936, dka, nl Dix, Otto, I,B 12aa.

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schaller 1936, dka Brief vom Kunsthaus Schaller, Stuttgart / L. Schaller G.m.b.H. an Otto Dix, o. O. 11. Januar 1936, nl Dix, Otto, I,B 12aa.

nierendorf 1935-1, dka Brief der Galerie Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, Hemmenhofen, 29. November 1936, dka, nl Dix, Otto, 524l.

schaller 1935, dka Brief vom Kunsthaus Schaller an Otto Dix, o. O., 10. Oktober 1935, dka, nl Dix, I,B-12aa.

nierendorf 1935, dka Brief von Karl Nierendorf, Berlin, an Otto Dix, o. O., 6. Februar 1935, dka, nl Dix, Otto, I,C-524l.

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Quellen- und Literaturverzeichnis _ 469



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Die Primärachse bildet die qualitativen Haupt-Sujets Porträt, Landschaft sowie christliche Ikonographie / allegorische Darstellung ab. Die Sekundärachse bildet die Werkentstehung zwischen 1919 und 1949 quantitativ ab. Die quantitative wie auch die qualitative Erhebung sind chronologisch aufgeführt. Dieser liegt die Auswertung des gegenwärtig in der Aktualisierung befindlichen digitalen Werkverzeichnisses der Gemälde zugrunde. Eingeflossen sind demnach alle darin erfassten Gemälde.

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OTTO DIX' WERKENTWICKLUNG NACH BILDGATTUNGEN (1918–1949)

Bildnachweis

vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Archiv Museum Gunzenhauser: Taf. 1, Abb. 42, 60, 67. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Städtische Kunstsammlung Freital: Taf. 2. vg BildKunst, Bonn 2022, Sturzenegger-Stiftung, Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen: Taf. 3, Abb. 89. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, gnm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel u. Hans-Peter Klut: Taf. 4, Abb. 3, 47, 80. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Jörg P. Anders: Taf. 5, Abb. 81. Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Andres Kilger: Abb. 76. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Kunstmuseum Stuttgart: Taf. 6, 12, Abb. 14, 16, 24, 27, 38, 40, 46. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Otto Dix Stiftung, Vaduz: Taf. 7, 9, 14, 15, Abb. 29, 59, 61, 69, 82, 83. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Zeppelin Museum, Friedrichshafen: Taf. 8. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Sammlung Niescher, Kunstsammlung Gera: Taf. 10. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Kunstsammlung Gera: Taf. 11, Abb. 48, 55. vg Bild-Kunst, Bonn 2022: Taf. 13, Abb. 4, 5, 6, 7, 11, 12, 17, 18, 20, 22, 25, 30, 31, 32, 43, 56, 57, 58, 62, 63, 85, 87, 88. Getty Research Institute, Los Angeles (840001): Abb. 1, 36. Tom Gundelwein, vg Bild-Kunst, Bonn 2020: Abb. 2. Musée d’Unterlinden: Abb. 8. Bpk, Bayerische Staatsgemäldesammlungen: Abb. 9, 49, 53. Detroit Institute of Arts, Gift of Robert H. Tannahill, Bridgeman Images: Abb. 10. vg Bild-Kunst, Von der Heydt-

472 _ Anhang

Museum Wuppertal, Antje Zeis-Loi, Medienzentrum Wuppertal: Abb. 13. vg BildKunst, Bonn 2022, Pro Litteris, Zürich, 2020: Abb. 15. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Museum Folkwang Essen, artothek: Abb. 19, 75. Berlin, Bundesarchiv: Abb. 21. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Lindenau-Museum, Altenburg: Abb. 23. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Staatliche Kunstsammlungen Dresden: Abb. 26. vg Bild-Kunst, Bonn 2022, Nachlass Otto Griebel, Johannes Schmidt: Abb. 28, 34, 39, 41. vg BildKunst, Bonn 2022, Sprengel Museum Hannover: Abb. 32. Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Christoph Schmidt: Abb. 35. Hamburger Kunsthalle, bpk, Elke Walford: Abb. 37, 73, 78. Albertina, Wien: Abb. 44, 45, 66. governorate of the vatican city state-directorate of the vatican museums: Abb. 50. Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel u. Hans-Peter Klut: Abb. 51, 72. Gallerie degli Uffizi, Firenze: Abb. 52. khm-Museumsverband, Kunsthistorisches Museum Wien: Abb. 54, 64. rmn-Grand Palais, Musée du Louvre, Tony Querrec: Abb. 65. Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin: Abb. 68, 86. ksdw, Bildarchiv, Heinz Fräßdorf: Abb. 70, 71. Staatsgalerie Stuttgart, bpk: Abb. 74. Kunstpalast, Düsseldorf, Horst Kolberg – artothek: Abb. 77. Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Herbert Boswank: Abb. 79. Graphische Sammlung der Universität Erlangen: Abb. 84.

Gedruckt mit großzügiger Unterstützung der Otto Dix Stiftung, der International Music & Art Foundation, der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung sowie der Hans-Böckler-Stiftung.  

ISBN 978-3-11-071150-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076183-2   Library of Congress Control Number: 2022944825 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Covergestaltung: Gitti Krogel, Hamburg Einbandabbildung: Unbekannter Fotograf. BLICK IN DIE AUSSTELLUNG »ENTARTETE KUNST« (Gruppe 4), Berlin 1938 © Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo  Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg   www.degruyter.com