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German Pages [644] Year 1998
ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE REIHE B: DARSTELLUNGEN · BAND 27
V&R
ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Joachim Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz
R E I H E B: D A R S T E L L U N G E N
Band 27
Hartmut Fritz Otto Dibelius
GÖTTINGEN • VANDENHOECK & RUPRECHT · 1998
Otto Dibelius Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur
von
Hartmut Fritz
Mit einer Bibliographie der Veröffentlichungen von Otto Dibelius
G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1998
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufhahme Fritz, Hartmut: Otto Dibelius: ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur / von Hartmut Fritz. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1998 (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte: Reihe B, Darstellungen; Bd. 27) ISBN 3-525-55727-2
© 1998 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
9
EINLEITUNG
11
1. F o r s c h u n g s s t a n d u n d Zielsetzung
11
2. Dibelius als Integrationsfigur u n d als B r e n n p u n k t der Zeitgeschichte
14
3. B i o g r a p h i s c h e u n d sozialgeschichtliche Einleitung
17
4. H i s t o r i s c h e H i n f ü h r u n g
19 KAPITEL 1
KIRCHE ZWISCHEN SELBSTBEHAUPTUNG
UND
SELBSTERNEUERUNG 1. Dibelius als Geschäftsführer des Vertrauensrates ab 1918 1.1 Der Vertrauensrat und sein Geschäftsführer
23
1.2 Dibelius als Geschäftsführer des „Werbe-Ausschusses"
27
1.3 Volkskirchenräte, Volkskirchenbund, Volkskirchendienst
29
1.4 Gegen Bekenntniskirche und freie Volkskirche
32
1.5 Der Religionsunterricht und die Schulfrage
42
1.6 Die Kirche steht „über den Parteien"
47
1.7 Die Wahlen zur Nationalversammlung
52
1.8 Die Massenpetition „Für die christliche Schule"
71
1.9 Auseinandersetzung mit der staatlichen Kirchenpolitik
79
1.10 Kirchliche Ausgleichsversuche gegenüber dem Staat
89
1.11 Auf dem Weg zur neuen Kirchenverfassung
99
2. Dibelius als Geschäftsführer des „Propaganda-Ausschusses" ab 1 9 2 0 2.1 Der Versailler Vertrag und seine Folgen in den östlichen Abtretungsgebieten
105
2.2 Gründung und Grundsätze des Propaganda-Ausschusses
109
2.3 Ausweitung der Propagandatätigkeit
112
2.4 „Staatsgrenzen und Kirchengrenzen"
115
2.5 Die Polonisierungsversuche von Julius Bursche
118
2.6 Die internationale kirchliche Konferenz von Uppsala (März 1921)
122
2.7 Dibelius und die ökumenische Bewegung
126
3. Dibelius als Geschäftsführer des Religionspädagogischen Instituts ab 1 9 2 3 3.1 Gründung des Religionspädagogischen Instituts
130
3.2 Das Religionspädagogische Institut bis 1934
134
3.3 Die Schulfrage und die Ausbildung von Lehrern und Pfarrern
138
6
Inhaltsverzeichnis KAPITEL 2 K I R C H E ALS N E U E A U T O R I T Ä T ZWISCHEN STAAT U N D POLITIK
1. D i b e l i u s i m A m t des Generalsuperintendenten der K u r m a r k 1.1 Das Amt des Generalsuperintendenten 1.2 Benennung und Einsetzung in das Amt des Generalsuperintendenten 1.3 Anfangsschwierigkeiten im Amt 1.4 Die evangelische Kirche der Kurmark 2. „ D i e K i r c h e baut sich aus der G e m e i n d e a u f " 2.1 Gemeindekirche statt Synoden- und Behördenkirche 2.2 Dibelius' Rundreise durch die Kurmark 2.3 Dibelius' Rundbriefe und die Ephoralkonferenzen 2.4 Die Kurmärkischen Kirchentage 2.5 Generalevangelisation statt Generalvisitation 3. „ D a s J a h r h u n d e r t der K i r c h e " 3.1 Auf dem Weg zum Jahrhundert der Kirche' 3.2 Das „Jahrhundert der Kirche" als Tatsache 3.3 Die Manifestationen des „Jahrhunderts der Kirche" 4. D a s J a h r h u n d e r t der K i r c h e ' zwischen K r i t i k u n d Z u s t i m m u n g 4.1 Konfessionelle Kritik 4.2 Theologische Kritik 4.3 Kirchliche Zustimmung zum Jahrhundert der Kirche' 5. D i e geistliche L e i t u n g der K i r c h e 5.1 Die geistliche Leitung in Unabhängigkeit von Kirche, Staat und Gesellschaft 5.2 Die geistliche Leitung in Unabhängigkeit von der Parteipolitik 5.3 Die geistliche Leitung und das Führerprinzip
145 150 158 161 167 169 173 176 183 187 195 211 221 241 259 265 280 291
KAPITEL 3 EKKLESIONOMIE ZWISCHEN THEONOMIE U N D
AUTONOMIE
1. D i b e l i u s u n d die Friedensfrage 1.1 Völkerbund und Friedensfrage 1.2 „Friede auf Erden?" 1.3 Zustimmung und Auseinandersetzung 1.4 Die Friedensfrage und der Kampf um den preußischen Kirchenvertrag 1.5 Die Friedensfrage und der „Fall Dehn" 2. D i b e l i u s u n d die Dialektische T h e o l o g i e 2.1 Karl Barth: „Quousque tandem...?" 2.2 Die „Not" und die „Verantwortung" der Kirche 2.3 Klärungsversuche und Verständigungsbemühungen 2.4 Dibelius' Predigt am „Tag von Potsdam" - die Vorgeschichte und die Folgen 2.5 Zum Differenzpunkt zwischen Barth und Dibelius 2.6 Der Fortgang der Beziehung zwischen Barth und Dibelius
313 321 328 343 350 355 363 372 384 435 454
Inhaltsverzeichnis
7
3. Dibelius und die Gottlosenbewegung 3.1 Freidenkertum und Gottlosenbewegung
460
3.2 „Wir bilden die evangelische Front!"
465
3.3 Heinrich Vogel: „Die christliche Solidarität mit dem Gottlosen"
473
EPILOG 1. Dibelius zwischen Tradition und Moderne 2. Restauration? 3. „Obrigkeit?" 4. Problemskizze
485 492 496 506
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 1. Ungedruckte Quellen 2. Veröffentlichte Quellen und Darstellungen 3. Literatur über Otto Dibelius
515 519 540
OTTO DIBELIUS - BIBLIOGRAPHIE 1. Eigenständige Veröffentlichungen 2. Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen; Geleitworte 3. Predigten, Andachten, Gedenkworte
543 548 560
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 1. Allgemeine Abkürzungen 2. Abkürzungen der Literaturangaben 3. Verkürzt zitierte Periodica
569 571 575
REGISTER 1. Biographische Angaben 2. Ortsregister 3. Sachregister 4. Personenregister
579 629 631 635
VORWORT
Mit dem Gedenkvortrag, zu dem Klaus Scholder am 100. Geburtstag von Otto Dibelius (1880-1967) von der Berliner Kirche eingeladen worden war, wurde das Eis des Schweigens gebrochen, das sich sehr schnell über Werk und Wirken des ersten Berlin-Brandenburgischen Bischofs gelegt hatte. Der Bischof ist nicht nur in seinem Amt alt geworden, die politischen und kirchlichen Zeitläufte und die theologischen Entwicklungen ließen ihn auch alt aussehen; eine Beschäftigung mit ihm schien weder opportun noch lohnend zu sein. Klaus Scholder hat es jedoch verstanden, mit wenigen Strichen das Leben und Wirken von Otto Dibelius in seinem lebens- und zeitgeschichtlichen Zusammenhang nachzuzeichnen und wieder interessant werden zu lassen. Es sind dabei Linien zutage getreten, deren Wurzeln weit zurückreichen und denen genauer nachzugehen sich die vorliegende Studie zur Aufgabe gemacht hat. Dabei wurde nicht nur das Hauptwerk von Otto Dibelius untersucht und kritisch gewürdigt: „Das Jahrhundert der Kirche", das 1926 in der Mitte des Lebens von Otto Dibelius entstanden und auch als die Mitte seines Denkens und Wollens zu begreifen ist; es wird auch die konservative Modernität seines Staat-Kirche-Verständnisses in den Auseinandersetzungen dieser Zeit in den Blick genommen. Überdies regt die Beschäftigung mit Otto Dibelius zum kritischen Verstehen dessen an, welche bis in die Gegenwart hineinwirkende Gestalt die Evangelische Kirche hierzulande angenommen hat. Es stellen sich dabei die Fragen nach der Zuordnung von Struktur und Institution, Botschaft und Ordnung der Kirche - Fragen, die immer neu und die Kirche erneuernd für die Zukunft beantwortet werden müssen, Fragen, die also offen gehalten werden müssen, damit die Kirche eine öffentliche Kirche sein und bleiben kann. Unter dem Titel „Von der Staatskirche zum Jahrhundert der Kirche'" wurde diese Studie von der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen im Jahr 1995 als Dissertation angenommen. Vielen ist für persönlichen Rat und sachkundige Hilfe zu danken: In erster Linie nenne ich dabei Professor Dr. Joachim Mehlhausen, der bei der Begleitung dieses Vorhabens sein reges und anregendes Interesse mit der Ermutigung zu eigenen Wegen und mit großer Geduld verband und der dem ordinierten Studenten und Gemeindepfarrer ein später und geschätzter Lehrer wurde. Stellvertretend für viele Rat- und Hinweisgeber in den Archiven nenne ich Archivdirektor Dr. Hartmut Sander mit seinem Mitarbeiterstab im Berliner Evangelischen Zentralarchiv (darunter besonders Frau Christiane Mokroß und Herr Henner Grundhoff); ebenso gilt mein Dank Pfarrer Dr. D. Hinrich Stoevesandt und seiner Frau im Basler Karl Barth-Archiv, von wo aus die theologisch und persönlich höchst interessante Polarität zwischen Otto Dibelius und Karl Barth mit reichlichen Quellenfunden ausgeleuchtet werden
10
Vorwort
konnte. Meinem Vater, Gymnasialprofessor und Pfarrer Rolf Fritz, danke ich für das mühevolle Transkribieren von handschriftlichen Quellen und für das mehrmalige und unermüdliche Korrekturlesen. Bei der Erstellung der Register hat sich Sven Gallas, Pfarrer ζ. A. zur Dienstaushilfe im Leonberger Dekanat, sehr verdient gemacht. Die Erstellung des druckfertigen Manuskripts wäre ohne die EDV-sachkundige und verständnisvolle Unterstützung von Frau Rosemarie Wawra nicht möglich gewesen. Der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte bin ich besonders zu Dank verpflichtet dafür, daß sie diese Studie in die renommierte Reihe ihrer Veröffentlichungen aufgenommen hat. Zuvorkommende Hilfe habe ich bei der Betreuung der Veröffentlichung durch den Herausgeber, aber auch durch Frau Gertraud Grünzinger Μ. A. und Herrn Akad. Direktor Dr. Carsten Nicolaisen in der Münchener Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft erfahren. Das möglichst lückenlose Aufspüren und wissenschaftliche Aufbereiten der weit verstreuten gedruckten und ungedruckten Quellen geschah immer auch in dem Bewusstsein, daß hier nicht nur ein „Gegenstand" zu behandeln war, sondern daß es dabei auch um die Annäherung an eine Person und eine Persönlichkeit von kirchlichem „Urgestein" ging. Ob man in einer wissenschaftlich-kritischen Bemühung nicht nur dem Werk, sondern auch einer diesem Werk zuzuordnenden Person gerecht werden kann und ob oder inwieweit dies auch Aufgabe von Wissenschaft sein kann, mag offen bleiben. Trotzdem und gerade deshalb waren mir Hintergrundgespräche wichtig und wertvoll, die ich mit noch lebenden Zeitgenossen führen und sie auch dokumentieren konnte; ich denke an Begegnungen ζ. B. mit Martin Niemöller oder Kurt Scharf, aber auch mit Frau Johanna Grüneisen, der Tochter von Otto Dibelius und der zeitweiligen Mitarbeiterin ihres Vaters. „Die Grundfarben der Geschichte sind nicht Schwarz und Weiß, ihr Grundmuster ist nicht der Kontrast eines Schachbretts; die Grundfarbe der Geschichte ist grau, in unendlichen Schattierungen." Unendliche Schattierungen - was Thomas Nipperdey am Schluss seines Opus magnum über die Geschichte sagt, gilt sicherlich auch für die Entwicklung einer Vita und so auch für die Lebensgeschichte und das Lebenswerk eines Kirchenmannes wie Otto Dibelius. Dieses Buch ist unseren Kindern Niko, Nora, Matthias und Antje gewidmet. Sie gehören einer Generation an, die wohl kaum in dem Bewusstsein aufgewachsen ist, in einem „Jahrhundert der Kirche" geboren zu sein; diese Generation wird aber die Aufgabe haben, die öffentliche Gestalt der Kirche auch über die Schwelle dieses Jahrhunderts hinweg sachgemäß zu bewahren und zeitgerecht zu bewähren. Leonberg, 31. März 1998
Hartmut Fritz
EINLEITUNG
1. Forschungsstand
und
Zielsetzung
O t t o Dibelius w a r einer der wichtigsten und wirkungsvollsten M ä n n e r der kirchl i c h e n Z e i t g e s c h i c h t e i m 2 0 . J a h r h u n d e r t , viel b e a c h t e t u n d u m s t r i t t e n bis i n die j ü n g s t e Z e i t 1 h i n e i n . W i e k a u m ein a n d e r e r h a t e r die d r e i p o l i t i s c h e n u n d k i r c h l i c h e n K r i s e n - u n d W e n d e p u n k t e d e u t s c h e r G e s c h i c h t e in d e r e r s t e n H ä l f t e d e s 2 0 . J a h r h u n d e r t s n i c h t n u r als Z e i t g e n o s s e m i t e r l e b t , s o n d e r n ist i h n e n a u c h als K i r c h e n m a n n in v e r a n t w o r t l i c h e n P o s i t i o n e n b e g e g n e t u n d h a t a n d e r e n V e r a r b e i t u n g s s t r a t e g i e n m i t g e w i r k t . E s h a n d e l t s i c h dabei u m d i e K r i s e n - u n d W e n d e p u n k t e n a c h d e r R e v o l u t i o n i m J a h r 1 9 1 8 / 1 9 , n a c h der „ M a c h t e r g r e i f u n g " des Nationalsozialismus i m Jahr 1933 und nach der Befreiung v o n der nationalsozial i s t i s c h e n G e w a l t h e r r s c h a f t u n d d e m Z u s a m m e n b r u c h des D e u t s c h e n R e i c h e s i m J a h r 1 9 4 5 . Insofern w a r Dibelius tatsächlich ein evangelischer K i r c h e n m a n n „im U m b r u c h der Zeiten"2. 1 Bis in die jüngste Zeit hinein gab es mehrere Vorschläge, Straßen oder Plätze in Berlin nach dem ehemaligen Berliner Bischof zu benennen. Anlässlich des 100. Geburtstages von Dibelius regte die Berliner Kirche an, die Charlottenburger Jebensstraße, in der das Gebäude des früheren Evangelischen Oberkirchenrats steht, entsprechend umzubennen. In den 80er Jahren sollte ein Platz in Berlin den Namen von Dibelius erhalten. Obwohl Dibelius am 15.5.1958 „aus Anlaß der Vollendung des 78. Lebensjahres und des hundertjährigen Bestehens des Evangelischen Johannesstiftes in Berlin-Spandau" (vgl. R. STUPPERICH, 100. Geburtstag, 1980, S.207) aus der Hand des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy BRANDT den Ehrenbürgerbrief entgegennehmen konnte (während sein Nachfolger Kurt SCHARF lediglich mit der Ernst-REUTER-Medaille abgefunden wurde), verweigerte später der Berliner Senat bzw. die jeweils regierende Koalition in Berlin die Verwirklichung solcher Vorschläge. Im Jahr 1989 entbrannte erneut aus solchem Anlass ein durch A. v. JÜCHEN initiierter Leserbriefstreit über Beurteilung und Bedeutung von Dibelius (vgl. A. v. JÜCHEN, Diskussion, 1989). Im Jahr 1995 hat es der Berliner Verkehrssenator gegen einen wachsenden öffentlichen Widerstand nicht mehr gewagt, den Vorschlag einer Kommission zu verwirklichen, wonach die Karl-Liebknecht-Straße (Stadtbezirk Mitte) oder der Platz um die Marienkirche, die an dieser Straße liegt, nach O t t o Dibelius umbenannt werden sollte (vgl. H . WINKLER, Dibelius, 1995, S.8). 2 So lautet der Untertitel der von Robert STUPPERICH herausgegebenen und im Jahr 1989 erschienenen Biographie: „Ein evangelischer Bischof im Umbruch der Zeiten". Es ist das große Verdienst von STUPPERICH (der als Provinzialvikar von Dibelius am Anfang der 30er Jahre in dessen persönlicher Nähe gearbeitet hatte), dass er die weit verzweigte literarische Tätigkeit von Dibelius in einer - wenn auch korrektur- und ergänzungsbedürftigen - Bibliographie zusammengestellt hat (vgl. R. STUPPERICH, Dibelius [1970], S.45-71 und R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.677-694); STUPPERICH zählt dabei insgesamt lediglich 386 Titel. Im Anhang dieser Studie ist deshalb die um nicht wenige Titel erweiterte Bibliographie von O t t o Dibelius beigefügt. - Die Problematik einer rein verlaufsgeschichtlich und deskriptiv darstellenden Biographie im Allgemeinen, die Problematik eines solchen Unternehmens gerade im Fall von Dibelius im Besonderen kommt in diesem Opus magnum zum Vorschein: Das Leben und Wirken von Dibelius wird zwar umfassend dargeboten, aber ohne dass dabei die inneren Zusammenhänge und auch Wider-
12
Einleitung
Die profane Zeitgeschichtsschreibung hat im Blick auf die Begründungs- und Erklärungszusammenhänge für die schließliche Vormachtstellung des Nationalsozialismus in Deutschland einen „Paradigmenwechsel" 3 vorgenommen - weg vom Ende der Weimarer Republik hin zu ihren Anfängen, in denen die unbestreitbaren Leistungen dieser ersten deutschen Republik begründet, in denen aber auch schon die das Scheitern dieser Republik begünstigenden Strukturdefekte angelegt waren. Wenn nicht alles täuscht, dann ist auch in der Erforschung der kirchlichen Zeitgeschichte das Interesse an der wissenschaftlichen Erhellung und Aufarbeitung des „Kirchenkampfs" dieser Horizonterweiterung gefolgt, so dass die Geschichte des Kirchenkampfs nicht ohne deren „Vorgeschichte" 4 verstanden werden kann. Dass diese Vorgeschichte schließlich wiederum eine besondere Geschichte ist - ausgestattet mit eigenem Rang und eigenständigem Gewicht, das ist die Frucht dieser Erkenntnis, die sich in wichtigen und unverzichtbaren Gesamtdarstellungen der kirchlichen Zeitgeschichtsforschung 5 niedergeschlagen hat. Das Recht und die Notwendigkeit dieser Erkenntnis soll in der vorliegenden Arbeit weitergeführt, vertieft und in der brennpunktartigen Konzentration auf die Person von Otto Dibelius exemplifiziert werden. Der Gefahr einer zur Hasprüche, ohne dass die Wahrnehmungsfähigkeiten und -defizite des „ H e l d e n " deutlich hervortreten. So entstand ein weitgehend harmonisierendes Heldenepos, das mehr in die Breite als in die Tiefe geht, das den „ H e l d e n " zur Hauptfigur der Geschichte macht und das ihn monolithisch und eindimensional in die Zeitgeschichte stellt, ohne dass die sozialgeschichtlichen Verflechtungen, sein vergangenheitsverhaftetes Festgelegtsein u n d zugleich auch sein „progressiver" kirchlicher Impetus deutliche Konturen gewinnen können. Bei dem riesenhaft zu bewältigenden Material und bei den vielen aneinander gereihten Richtigkeiten, die das Werk fast ausnahmslos darbietet, ist es vielleicht sogar zwangsläufig, dass die Leserin oder der Leser manche eigentlich erst richtig profilierenden Details vermissen muss. Dabei scheint der A u t o r der persönlichen N ä h e des nachgeborenen Zeitgenossen und Freundes zu sehr verpflichtet - wenn nicht gar erlegen - zu sein, u m auch der kritischen Distanz R a u m geben zu können. - Vgl. auch die Rezensionen v o n W. SCHMITHALS p e r Tagesspiegel v. 14.12.1989, S.19), W.-D. ZIMMERMANN (Nähe, 1990, S.243) und v o n J.-Chr. KAISER (Rezension, 1992, S.428-431). 3 H . MÖLLER, Republik, 1987, S.4. 4 Vgl. P. MASER, Kirchenkampf, 1992, S.16. Als solche „Vorgeschichte" behandelt auch K . SCHOLDER „ D i e Kirchen in der Weimarer Zeit" in dem z u m „Klassiker" avancierten ersten Band seiner leider unvollendet gebliebenen Kirchenkampf-Geschichtsschreibung (vgl. K . SCHOLDER, D i e Kirchen und das Dritte Reich, B d . l , 1977, S.3-274). - V o n katholischer Seite wurde diese zeitliche Erweiterung der Kirchenkampfgeschichte auch von H . HÜRTEN nachvollzogen (vgl. H . HÜRTEN, Katholiken, 1992). 5 D a z u sind, abgesehen von der bereits erwähnten Arbeit von K . SCHOLDER, zu zählen: K.W. DAHM, Pfarrer u n d Politik, 1965 (mentalitätsgeschichtlich orientiert); J. JACKE, Kirche zwischen Monarchie u n d Republik, 1976 (verfassungsgeschichtlich orientiert); J . WRIGHT, U b e r den Parteien, 1976 (Darstellung der Evang. Kirche in ihrer vernunftrepublikanischen Einstellung); K . NOWAK, Evangelische Kirche und Weimarer Republik, 1981 (politik- und ideengeschichtlich orientiert), und A . LlNDT, D a s Zeitalter des Totalitarismus, 1981. Die zuletzt genannte Studie gibt einen kurzgefassten, aber trotzdem präzisen und materialreichen Uberblick bis in die Zeit des 2. Weltkrieges, wobei - wie bei dem theologiegeschichtlich orientierten Werk v o n K . SCHOLDER - die katholische Kirche, darüber hinaus aber auch die Ökumenische Bewegung in den Blick g e n o m m e n ist. - O b w o h l von Dibelius in den Gesamtdarstellungen ein verschieden akzentuiertes Bild gezeichnet ist, fehlt bisher noch eine zusammenhängende monographische Darstellung seines Wirkens.
Forschungsstand und Zielsetzung
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giographie neigenden, biographisch orientierten „Engführung" der Geschichtsbetrachtung und der Gefahr einer Sichtweise, die nur Einzelbeobachtungen summiert und so eine Gesamtschau mehr verdeckt als ermöglicht, muß begegnet werden. Dies kann dadurch geschehen, dass ein möglichst reichhaltiges und facettenreiches zeitgenössisches Material herangezogen wird, um das breite Umfeld einer biographischen und kirchlichen Entwicklung, ihre Kohärenz oder auch Interdependenz gegenüber der gesamten Kirchen- und Theologiegeschichte sowie der entsprechenden Politik-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte in den Blick zu bekommen. Daran kann zugleich deutlich werden, wie durch eine bestimmte Wahrnehmung und Deutung von Wirklichkeit eine zeitgeschichtliche Gestalt von eben dieser Wirklichkeit geprägt ist und wie sie zugleich eben diese Wirklichkeit zu gestalten versucht, wie sich in der Person äußere Umstände spiegeln, aber auch durch die Person äußere Umstände gestaltet werden 6 . Der entdeckende und manchmal auch aufdeckende, der beobachtende, beschreibende und dann auch urteilende Historiker steht dabei allerdings in einer Spannung, die angenommen und durchgehalten werden will: Er darf sich nicht auf Kosten der Geschichte als aufgeklärter und besserwisserischer Kopf zu profilieren suchen, und er darf genausowenig aus Ehrfurcht vor der Geschichte den jeweiligen Zeitgeist und die zeitbedingte Mentalität der darin handelnden Personen und Generationen als rechtfertigenden oder mildernden Umstand entscheiden lassen. Vielmehr fordern die Fragestellungen von damals in ihrer Zeitgebundenheit und auch - mutatis mutandis - in ihrer Zeitlosigkeit uns heute heraus, wiederum in aller heutigen Zeitgebundenheit und Parteilichkeit eigene sachgemäße, gegenwartsbezogene und zukunftsweisende Antworten zu finden 7 . Das bestimmende Thema, dem sich Dibelius in seinem kirchlichen Wirken an erster Stelle verschrieben hat, ist die kirchliche und politische Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat. Gleichsam von diesem archimedischen Punkt aus hat er nahezu alle theologischen, kirchlichen und politischen Problemstellungen seiner Zeit verstanden und angegangen.
6 In der Einleitung zu seiner Otto-BRAUN-Biographie weist H . SCHULZE auf die verfehlte Alternative zwischen Geschichts- und Gesellschaftswissenschaft oder von „Individuum oder Gesellschaft" hin: „Die Biographie besitzt ihre Aufgabe auch im Rahmen einer Sozialgeschichte, denn gerade sie ist in der Lage, jene Wechselbeziehung zwischen dem Gesellschaftlichen u n d dem Individuellen zu erfassen und eine überragende Einzelpersönlichkeit in ihrer Eigenschaft als T y p und Spiegel der äußeren Umstände auf der einen, als eigenverantwortlichen Bewahrer oder Veränderer jener U m s t ä n d e auf der anderen Seite darzustellen" (H. SCHULZE, Braun, 1977, S.33). 7 Natürlich muss man dabei - so weit dies möglich ist - einer zeitgeschichtlichen Gestalt mit allen wissenschaftlich-methodischen Mitteln der Quellenbefragung und Quellenauswertung gerecht zu werden versuchen; trotzdem kann dies nicht nur aus der Position des unbeteiligten, unbewegten und unberührten Zuschauers geschehen. Ein Plädoyer für die erkennbar und nachp r ü f b a r parteiische Haltung findet sich bei K. BARTH in seiner kritischen Würdigung von Fr. NAUMANN und Chr. BLUMHARDT: „Unparteiisch ist der unbeteiligte Zuschauer, der niemand und nichts ernst nimmt. Einen Menschen ernst nehmen, heißt ihn verstehen im Zusammenhang dessen, was ihn bewegt hat. U n d das bedeutet den bewußten Verzicht auf Unparteilichkeit" (K. BARTH, Vergangenheit [1919], S.38).
14
Einleitung
Unter diesem Gesichtspunkt der Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat unternimmt die vorliegende Studie den Versuch der Verbindung einer verlaufsgeschichtlichen und zugleich problembezogenen Darstellung des kirchlichen und öffentlichen Wirkens von Otto Dibelius in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur. Es handelt sich also sowohl um eine thematische als auch um eine biographische Ausschnittvergrößerung des kirchlichen Wirkens von Dibelius. Dabei kann es natürlich nicht ausbleiben, dass die biographischen, zeitgeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Linien über den angegebenen Zeitraum ausgezogen werden müssen und manche Seitenblicke auf benachbarte Themen nicht ausgespart werden dürfen. In der Person von Otto Dibelius, in seinem biographischen Werden und kirchlichen Wirken, spiegelt sich auch das Werden, Wollen und Versagen unserer Kirche bis in unsere Tage hinein. Wenn man Dibelius aus seinen eigenen biographischen, zeit- und sozialgeschichtlichen Voraussetzungen und Bedingtheiten zu verstehen versucht, bekommt man ein Stück weit ein Erklärungsmodell an die Hand, mit dem unsere heutige Kirche von ihrer Herkunft her besser einzuordnen ist. Die Antworten, die dieser zweifellos bedeutende Kirchenmann gegeben hat oder auch schuldig geblieben ist, werden so zu Fragen an uns selber im Blick auf die in der Gegenwart und für die Zukunft zu gestaltende Kirche. 2. Dibelius als Integrationsfigur
und als Brennpunkt der
Zeitgeschichte
Als einer von wenigen, wenn nicht überhaupt als einziger, hat Dibelius die bereits genannten Wendepunkte der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in kirchenleitender Funktion und Position erlebt. Er war als Geschäftsführer des vom Berliner Evangelischen Oberkirchenrats (EOK) ins Leben gerufenen Vertrauensrates mit den Problemen, Kämpfen, Ängsten und Ergebnissen der kirchlichen Neuordnung nach der Revolution von 1918 befasst; als Generalsuperintendent der Kurmark erlebte er das Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933, in dem er zwangsweise und vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde; und er war als Mitarbeiter im Einigungswerk von Theophil W U R M 8 , als Mitverfasser sowohl der „Freiburger Denkschrift" 9 (Januar 1943) als
Vgl. dazu besonders J. THIERFELDER, Einigungswerk, 1975. Vgl. EBD., S.221; H. THIELICKE, Stunde Null, 1979; D. BONHOEFFER, G S VI, S.588ff.; M . SCHREIBER, Pereis, 1989, S.176ff. - Die Mitarbeiter an dieser Denkschrift waren W a l t e r BAUER, Franz BÖHM, Constantin v o n DLETZE, O t t o Dibelius, W a l t e r EUCKEN, Carl GOERDELER, A d o l f LAMPE, Gerhard RITTER, Helmut THIELICKE und Erik WOLF (vgl. EBD. S.158ff.; H. THIELICKE, Gast, 1984, S.188ff.). Zu diesem Kreis gehörte außerdem auch Eugen GERSTENMAIER, der spätere Leiter des Hilfswerks. Die Denkschrift war eine vorbereitende gemeinschaftliche Sammelarbeit zu Fragen einer rechtsstaatlichen Neuordnung f ü r die Zeit nach der Beseitigung HlTLERs; als eine entschlossene Stimme der Bekennenden Kirche, des politischen W i derstands und des „anderen Deutschland" ist sie dennoch einem weithin konservativen Staatsverständnis, in der J u d e n f r a g e " sogar teilweise noch dem nazistischen Zeitgeist, verhaftet (vgl. H. THIELICKE, Stunde Null, 1979, S . 2 1 f f , 146ff.). 8 9
Dibelius als Integrationsfigur und als Brennpunkt der Zeitgeschichte a u c h der „Stuttgarter Schulderklärung" ( O k t o b e r 1945) 1 0 e i n W e g b e r e i t e r
15 des
k i r c h l i c h e n N e u b e g i n n s i m Jahr 1945 u n d s t a n d als B i s c h o f v o n B e r l i n u n d als M i t g l i e d i m z w ö l f k ö p f i g e n Rat der E v a n g e l i s c h e n K i r c h e i n D e u t s c h l a n d s e i n e r Kirche sofort wieder zur Verfügung. D i e fast u n e r s c h ö p f l i c h s c h e i n e n d e A r b e i t s k r a f t v o n D i b e l i u s w u r d e o f t bew u n d e r t , w e n n a u c h d a m i t e b e n s o o f t die K l a g e ü b e r d i e A m t e r h ä u f u n g e i n h e r ging; d i e s s o l l d e n B l i c k aber darauf n i c h t verstellen, dass D i b e l i u s i n s e i n e r Laufb a h n A m t e r nicht b e k l e i d e t hat, die andere i h m z u g e d a c h t hatten: Z u m e i n e n w a r D i b e l i u s v o n e i n e r k i r c h l i c h e n L o b b y i n P o m m e r n auserseh e n , 1 9 1 4 f ü r das A m t des H o f - u n d D o m p r e d i g e r s i n B e r l i n 1 1 z u k a n d i d i e r e n . Z u m a n d e r n s c h e i n t D i b e l i u s i n b e s t i m m t e n K r e i s e n 1 9 3 2 sogar als R e i c h s k a n z ler i n der N a c h f o l g e v o n BRÜNING i m G e s p r ä c h 1 2 g e w e s e n z u sein. U n d z u m d r i t t e n w u r d e n e b e n T h e o d o r HEUSS a u c h D i b e l i u s als K a n d i d a t f ü r das z u m erst e n M a l z u b e s e t z e n d e A m t des B u n d e s p r ä s i d e n t e n der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h land vorgeschlagen13. In drei Z e i t a b s c h n i t t e n also hatte m a n es D i b e l i u s z u g e t r a u t , a u c h p o l i t i s c h e A m t e r z u b e k l e i d e n . In d i e s e n drei s o u n t e r s c h i e d l i c h e n Z e i t a b s c h n i t t e n w a r D i b e l i u s „ z u H a u s e " u n d k o n n t e als R e p r ä s e n t a n t o d e r als I n t e g r a t i o n s f i g u r d e r jew e i l i g e n Z e i t gelten; l e d i g l i c h i n der Z e i t des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s w a r f ü r i h n k e i n P l a t z . M a n w i r d die Frage i m B e w u s s t s e i n h a l t e n m ü s s e n , i n w e l c h e r W e i s e
10 Vgl. Das Schuldbekenntnis von Stuttgart, Vortrag im Süddeutschen Rundfunk, Herbst 1965, (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, A 5). - Zur Mitverfasserschaft des Schuldbekenntnisses bzw. zur Endredaktion durch Dibelius vgl. M. GRESCHAT, Schuld, 1982, S.lOOff., und M. GRESCHAT, Zeichen, 1985, S.44; vgl. auch K. HERBERT, Aufbruch, 1989, S.61ff.; M. LÖTZ, Kirche, 1992, S.40ff. 11 Vgl. B. DOEHRING, Lebensweg, 1952, S.84; Pfarrer Hans O t t o DIBELIUS, der Sohn von Wilhelm DIBELIUS und ein Neffe von O t t o Dibelius, berichtet allerdings, dass Dibelius sich einer Probepredigt vor dem Kaiser und der Berliner Domgemeinde - die er dem Alphabet folgend vor DOEHRING hätte halten müssen - dadurch entzog, dass er sich wegen Krankheit entschuldigen ließ. Der Kaiser, ein Freund von schnellen Entschlüssen, berief sofort DOEHRING ZU seinem Hofprediger, ohne die anderen Kandidaten und Bewerber gehört zu haben. 12 Diese erstaunliche Nachricht, für die es weder in der Literatur noch in den schriftlichen Quellen einen Beleg gibt, kann und soll hier lediglich so zitiert werden, wie sie in einer RIASSendung aus Anlass des 80. Geburtstages von Dibelius am 15.5.1960 verbreitet worden ist: „Sein Name war 1949 allen Ernstes als der eines Kandidaten für den Posten des Bundespräsidenten erörtert worden, - gewisse Parallele zu einer ähnlichen Situation 1932, als er als möglicher Nachfolger BRÜNINGS genannt wurde" (Glückwunschsendung zum 80. Geburtstag von Bischof Dibelius am 15.5.1960, in RIAS 119.01-20 U h r und RIAS Π 21-22 Uhr). 13 In einer Zeit, in der man auf die konfessionelle Ausgewogenheit bei der Besetzung öffentlicher Amter größte Rücksicht nehmen musste, wurde - nachdem die katholische Kirche mit ADENAUER repräsentiert war - an Dibelius die Bitte herangetragen, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Vgl. HEUSS an Dibelius v. 23.9.1949 (BA KOBLENZ N L Heuss / 122); dort bezieht sich HEUSS auf ein Schreiben von Dibelius an Elly HEUSS-KNAPP, die gerade zur Erholung weggefahren war: „Ihr Brief wird sie sicher sehr bewegen; denn der Gedanke, daß wir beide als Gegenkandidaten auftreten würden, hat sie sehr beschäftigt. Ich habe ihr aber gesagt, Dibelius wird nicht kandidieren, weil er die Kirche im Osten nicht im Stich lassen wird, dieselbe Argumentation, die Sie ihr vorgetragen haben. Nach meiner Meinung würden Sie selber freilich für die Aufgabe persönlich allerhand mitgebracht haben."
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Einleitung
er zu einem typischen Vertreter auch des jeweiligen Zeitabschnitts geworden (oder es auch geblieben) ist und ob sich in aller Variabilität und Bewegung des politischen Geschichtsverlaufs eine erkennbar kontinuierliche Linie herausgebildet und durchgehalten hat. Von Dibelius ist gemeinhin aus der letzten Phase seines Lebens und Wirkens bekannt, dass er die Westoption der ADENAUER-Politik mit all ihren macht- und militärpolitischen Implikationen letztlich akzeptiert und in einer Nacht- und Nebelaktion den Militärseelsorgevertrag der E K D mit der Bundesregierung 1 4 unterzeichnet hat (1956). Als Beispiel für die verklammernde Sichtweise der politischen Option und des kirchlichen Standpunkts von Dibelius sei ein Wort von J . MOLTMANN zitiert: „Unter der Führung des ebenso unbeugsamen wie unbekümmerten ADENAUER entstand der Wiederaufbau: ,Keine Experimente'. Unter der Führung des ebenso unbeugsamen wie unbelehrbaren Bischofs Dibelius wurden die evangelischen Landeskirchen so wiederhergestellt, wie sie vor 1933 gewesen waren. Auch die bewunderten Führer der ,Bekennenden Kirche' bauten keine neue Kirche aus den bekennenden Gemeinden von unten auf, bruderrätlich wie im Widerstand organisiert, sondern besetzten die herkömmlichen Landeskirchenämter und gössen ihren neuen Wein in diese alten Schläuche." 15 Von diesem Negativ-Bild her wurde Dibelius in unterschiedlicher Akzentuierung und mit verschiedener Vehemenz attackiert und etikettiert: Besonders von der östlichen Seite aus wurde er als „Atombischof", „Nato-Priester" oder als „Handlanger des widerwärtigen ADENAUER-Militarismus und -Faschismus" 1 6 apostrophiert. Im Jahr 1959/60, also kurz vor dem Mauerbau, entbrannte dann noch einmal die Diskussion um Dibelius auf Grund seiner kleinen Schrift „Obrigkeit"; dort wiederholte er seine schon früher längst veröffentlichte und bekannte Anschauung, dass der heutige moderne Staat nicht mehr Obrigkeit im Sinne von R o m 13 und im Sinne LUTHERS zu nennen sei 17 . In dem klischeehaften Bild von Dibelius vereinigen sich verschiedene Etikettierungen vom selbstherrlich und autoritär regierenden Kirchenfürsten und v o m Restaurator der Kirche, dem unerbittlichen Antikommunisten, über den Nato14 Vgl. J . VOGEL, Wiederbewaffnung, 1978; K. HERBERT, Aufbruch, 1989, S.246ff. - Der Militärseelsorgevertrag hatte bei Dibelius nicht nur die Intention, die „Verantwortung der Kirche für den Christen als Soldat" wahrzunehmen, sondern enthielt auch eine deutschlandpolitische Komponente; Dibelius verfolgte damit auch das Ziel, „auch mit den Streitkräften der D D R einen derartigen Vertrag abschließen zu können" (Erklärung des Bischofs im SFB v. 12.3.1957, in: D R A FRANKFURT, Band-Nr. 901 263). 15 J. MOLTMANN, Gott, 1979, S.272f. - Seit 1945 war Dibelius Mitglied der C D U . Seine Affinität zur Bonner CDU-Politik stand sicherlich Pate bei der frühen Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, wogegen z.B. Heinrich GRÜBER aus grundsätzlichen Erwägungen heftig protestierte. GRÜBER lehnte 1955 mit dem Hinweis auf seinen damaligen Protest auch die Entgegennahme des „Vaterländischen Verdienstordens" der D D R ab, während z.B. Heinrich VOGEL sich ohne Bedenken 1960 mit dem „Vaterländischen Verdienstorden" der D D R und 1973 mit dem Großkreuz zum Bundesverdienstkreuz schmücken ließ (vgl. H . GRÜBER, Erinnerungen, 1968, S.363f.; G . BESIER, GAufs. I, 1994, S.179 u. GAufs. II, 1994, S.169). 16 Vgl. DER SPIEGEL 13, Nr.46 v. 11.11.1959, S.22. 17 Zur Debatte um die „Obrigkeitsschrift" von Dibelius s. unten S.458f., 483ff. u. 496ff.
Biographische und sozialgeschichtliche Einleitung
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und Atom-Bischof und den „Mord- und Brandprediger"18 bis hin zum erzreaktionären Klerikalfaschisten19 und zum „Wendemanager der evangelischen Kirche"20. Die angesprochenen Etikettierungen stammen fast ausschließlich aus dem Arsenal politischer Nomenklatur. In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, dass man Dibelius höchstens in zweiter Linie gerecht wird, wenn man sich solcher in ihrem Pauschalurteil nur wenig hilfreichen Etikettierungen bedient, dass er vielmehr in erster Linie „kirchlich" verstanden und interpretiert werden will und muss. „Die Träger bestimmter Vorurteile verkörpern die gewichtigste Geschichtsquelle ihrer Epoche."21 Aus diesem Aphorismus von F . R E N N E R ergibt sich für jede Geschichtsschreibung die Aufgabe, in umfassender Weise die Geschichte selber mit ihren Quellen und die dabei mitredende Situation und die mitgemeinte Intention aufzuspüren, um so die zur sekundären Geschichtsquelle gewordene Wirkungsgeschichte von Klischees und Vorurteilen zu differenzieren und zu korrigieren. Dazu ist es nötig, auf den Zeitabschnitt in Dibelius' Leben und Wirken zurückzugreifen, in dem sich sein genuines Kirchenverständnis im kirchlichen und politischen Kontext der Zeitgeschichte herausgebildet hat. Sein Buch vom Jahrhundert der Kirche' (1926), in der Mitte seines Lebens geschrieben, ist für Dibelius die Mitte seines Denkens und Wirkens geworden und geblieben. In der relativ kleinen Spanne zwischen der November-Revolution von 1918 und den frühen 30er Jahren wurde der Lern- und Denkprozess weitgehend abgeschlossen, von dem her Dibelius seine politischen und kirchlichen Handlungsmuster und Denkmodelle auch in der ganzen Folgezeit ableitete und damit das evangelische Kirchentum bis hinein in die Gegenwart mitbestimmte. 3. Biographische
und sozialgeschichtliche
Einleitung
Dibelius ist aufgewachsen in einer Beamten-Familie, die aus einem pommerschen Pastoren-Geschlecht stammt. Das nationale Bürgertum, dessen Einstellung und Mentalität weitgehend auch die protestantische Kirche mitbestimmte, hatte seinen Frieden mit dem „preußischen Militarismus" geschlossen. Mit den drei Einigungskriegen B I S M A R C K S kam das Bürgertum seinem nationalen Ziel, der deutschen Einheit, nahe. Das Bürgertum der Revolution von 1848 wurde geschwächt, indem es sich spalten ließ in einen nationalen und einen demokratischen Flügel. Das nationale Bürgertum, dem auch der Mehrheitsprotestantismus angehörte, wurde nicht nur in den Staat integriert, sondern übernahm zusammen mit dem 18 Vgl. Dibelius' Rundbrief an die Geistlichen und die kirchlichen Mitarbeiter in der Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg v. 17.3.1957 (Sammlung Winterhager BERLIN). Vgl. vor allem Chr. STAPPENBECK, Übergangsperiode, 1981, passim. 20 Η. PROLINGHEUER, Kirchenwende, 1991, S.80. 21 Felix RENNER, Aphorismen (DtPfrBl 84, 1984, S.175).
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Einleitung
Militär auch eine staatstragende Funktion. Die Kirche war v o m Staat geprägt und gleichzeitig staatstragend. Die Kirche kam so in ein „Nahverhältnis zur bestehenden Ordnung und ihren etablierten Gruppen, sie konservierte damit die Werte patriarchalisch-ständischer Welt" 2 2 . Damit war eine innerlich verpflichtende Staatsloyalität verbunden. Die evangelische Kirche stand also sozial- und mentalitätsgeschichtlich dem Bürgertum nahe, das wirtschaftlich liberal eingestellt und politisch national ausgerichtet war. Das Nationalbewusstsein, das im Deutschland des 19. Jahrhunderts das Signum der Modernität trug, führte zur staatlichen Einigung des Kaiserreichs auf der BlSMARCK'schen Grundentscheidung für die „kleindeutsche Lösung", wobei durch den Ausschluss Österreichs der Protestantismus eine konfessionelle Vormachtstellung erhielt. Aus dem ehemaligen Dual von Thron und Altar wurde die Trias von Thron, Altar und Nation. Im Glauben an die Nation erfüllte sich die Sinnsuche nach persönlicher Identität und zugleich überindividueller Ganzheit, wobei gerade der Protestantismus in Deutschland sich als besonders „trendanfällig und trendverstärkend" 2 3 erwies. Die „moderne" Nationalbewegung hatte sich schon im 19. Jahrhundert v o m Eliten- zum Massenphänomen entwickelt. Diese konservative Modernität war besonders im protestantischen Bereich eingebettet zwischen vagierender Religiosität, pausbackigem Atheismus und resignativem Agnostizismus 2 4 . Sie kam im „Geist von 1914" noch einmal dadurch zur „Blüte", dass sie sich mit der Kriegsbereitschaft aller gesellschaftlichen Schichten vermischte. Freilich entpuppte sich diese Blüte als eine trügerische und gefährliche Scheinblüte, deren „Frucht" darin bestand, dass man vor den Ursachen und Folgen des Zusammenbruchs des Kaiserreichs und der Niederlage der unbesiegten und unbesiegbaren Armee die Augen verschloss. N o c h einmal versuchte man sich an das Nationalbewusstsein zu klammern und sah in ihm nicht nur das die Wunden heilende Mittel, sondern auch das religiös überhöhte, heilige Ziel der Volksgemeinschaft. Doch es trug nicht mehr die fortschrittliche Kraft der Modernität in sich, sondern verkam zur subalternen Sehnsucht nach Rückkehr in den Raum bewährter und bewahrender Tradition. Dibelius' Schulzeit fiel in eine Phase der Reaktion auf die gemäßigte Reformund Modernisierungspolitik des preußischen Kultusministers Adalbert FALK. Zu der konservativen Umorientierung gehörte die Anweisung, dass der tägliche Unterricht wieder mit Religion zu beginnen sei. Die zunehmende Konfessionalisierung ging einher mit den parteipolitischen Folgen des Sozialisten-Erlasses des Kaisers vom Jahr 1889 25 .
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T h . NlPPERDEY, U m b r u c h , 1988, S.77f. T h . NlPPERDEY, Gesellschaft, 1988, S.599, vgl. auch S.612. Vgl. EBD., S.605. Vgl. M. NEUGEBAUER-WÖLK, Wählergenerationen, 1987, S.22ff.
Historische H i n f ü h r u n g
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Dibelius k o m m t selber auf seine biographisch-präexistenten Wurzeln 2 6 zu sprechen. Danach wirkten an seiner religiös-kirchlichen wie politischen Sozialisation neben dem Elternhaus bestimmte Persönlichkeiten einflussreich und maßgebend mit. Zu nennen sind: besonders sein Onkel Franz DIBELIUS, der Oberhofprediger in Dresden, der in Sachsen den Kinder-Gottesdienst eingeführt hatte und dem Neffen ein großes Vorbild für die eigene kirchliche Kinder- und Jugendarbeit 2 7 war; sein Konfirmator, der spätere Magdeburger Generalsuperintendent Max STOLTE, vermittelte eine abgeklärte Religiosität; durch den NlTZSCHBiographen Willibald BEYSCHLAG wurde Dibelius zum Theologiestudium 2 8 ermutigt, obwohl er liebend gern die höhere Postlaufbahn oder die Offizierskarriere 29 eingeschlagen hätte; im akademischen R a u m der Berliner Universität wurde Adolf v. HARNACK, in dessen Seminar Dibelius als Senior fungierte 3 0 , eine bestimmende und prägende Figur; sein Einfluss weckte und förderte das Interesse für Geschichte und war für historisch-kritische Genauigkeit und lebendige Vermittlung der Historie beispielgebend. Vor allem aber war es Adolf STOECKER, der als feuriger Redner den jungen Theologiestudenten begeisterte und ihn zum spontanen Eintritt in den national ausgerichteten „Verein deutscher Studenten" (VdSt) veranlasste. Hier fand Dibelius einen Geist und ein Betätigungsfeld vor, in dem er mit Leben erfüllen konnte, worüber er in seiner Abiturientenrede gehandelt hatte, über GEIBELs berühmt-berüchtigtes Wort: „ U n d es wird an deutschem Wesen / einmal noch die Welt genesen." 31
4. Historische
Hinführung
Die Revolution 3 2 v o m 9. N o v e m b e r 1918 beendete den ersten Weltkrieg und führte zum Zusammenbruch des seit 1871 bestehenden deutschen Kaiserreichs. Sie machte zugleich den Weg frei für die vielen politischen und gesellschaftlichen 26 Ein Christ ist immer im Dienst, 1961, S.9ff. (im Folgenden abgekürzt: Christ, 1961); A u s meinem Leben (1933/34), S.62ff (Sammlung Grüneisen BERLIN). 27 EBD., S.58. 28 EBD., S.63. 29 „Nächst dem Offizier genoß niemand größeres Ansehen im Wilhelminischen Deutschland als der höhere Beamte" (J. RÖHL, Beamtenpolitik, 1977, S.287-311, Zitat S.299). 30 Vgl. die Rede von Bischof D . D r . Dibelius zur HARNACK-Gedenkfeier in der D o m g r u f t kirche a m 7. Mai 1951 ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 12). 31 Vgl. Aus meinem Leben (1933/34), S.51 (Sammlung Grüneisen BERLIN). 32 Inwieweit die Ereignisse v o m N o v e m b e r 1918 tatsächlich eine „Revolution" genannt zu werden verdienen, war schon unter den damaligen Zeitgenossen umstritten (vgl. dazu die Aussagen von T h e o d o r WOLFF, Ernst TROELTSCH, Friedrich MEINECKE und Walther RATHENAU in: R. RÜRUP, Revolution, 1968, S.48f.). D e m Urteil von RÜRUP ist darin zuzustimmen, dass es sich tatsächlich u m eine Revolution handelte, „die nicht nur aktuelle Mißstände angriff, sondern prinzipieller N a t u r war". Freilich fand das radikal-demokratische P r o g r a m m der Revolution keine basis-demokratische Mehrheit. Die Weimarer Republik war ein Konsens- und K o m p r o missergebnis; sie bedeutete zwar einen Fortschritt gegenüber dem Obrigkeitsstaat u n d dem Kaiserreich, aber am „Ende der Revolution stand ihre Negation": „Die Geschichte der Revolution ist eine Geschichte ihrer fortschreitenden Zurücknahme" (EBD., S.50).
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Einleitung
Neuerungen, die schon während der Kaiserzeit teils behutsam und taktvoll, teils drohend und drängend an die Tür zu einer neuen Zeit angeklopft hatten. Bestand für das kaisertreue Deutschland noch in den letzten Kriegstagen die Hoffnung bzw. die Erwartung einer Demokratisierung der Monarchie 33 , so macht sich jetzt die Bitterkeit über die vergangenen Kriegsjahre und der Wille, ein neues Deutschland zu schaffen, explosionsartig Luft in der Ausrufung der Republik durch Philipp SCHEIDEMANN und in der erzwungenen Abdankung des deutschen Kaisers und der deutschen Landesfürsten34. Die Revolution ist da, - was wird aus der Kirche? Während sich der Katholizismus über den Wechsel der Zeiten hinweg eine gewisse Krisenresistenz bewahren konnte, stürzte der Zusammenbruch des Kaiserreiches die evangelische Kirche in eine so noch nie dagewesene Existenzkrise. Das Konsensgefüge von „Thron und Altar", von Staat und Kirche war zerbrochen. Aus der innerkirchlichen Pluralität von theologischen Richtungen, kirchenpolitischen Gruppierungen, konfessionellen Positionen und diakonisch-sozialen Bemühungen konnte der Kirche nun eine weitere Gefahr, die Gefahr schwächender Zersplitterung, erwachsen. Mit der Revolution von 1918 verlor die preußische Landeskirche wie jede andere der 28 evangelischen Landeskirchen in Deutschland ihren obersten Bischof, den „summus episcopus". Obwohl sich seit Einführung der preußischen Union im Jahr 1817 durch die Synodalgeschichte der Kirche und die Einrichtung des Evangelischen Oberkirchenrats in Berlin (1850)35 eine langsame Verselbständigung des Kirchenwesens angebahnt hatte und das politische Oberhaupt nicht mehr die alles entscheidende Figur im kirchlichen Kräftespiel darstellte, wurde dem Aufbau der Kirche mit ihrer hierarchischen Spitze auch ihre rechtliche Stütze entzogen. Die evangelischen Kirchen hatten mit einem Mal ihr staatliches Fundament verloren, auf das sie sich fast 400 Jahre lang im landesherrlichen Kirchenregiment verlassen konnten und mit dem sie sich weitgehend arrangiert hatten. Zu der rechtlichen Krise kam die politische Krise, da mit der Ausrufung der Republik durch die Ubergangsregierung auch sofort die Trennung von Kirche und Staat proklamiert worden war. Schon seit Mitte November stand an den Berliner Anschlagsäulen mit großen Lettern das Thema „Revolution und Kirche" 36 angeschrieben. Die Revolution, so vielschichtige Motive und Erwartungen in ihr lebendig waren und geweckt wurden, hatte zunächst ein gemeinsames plakatives und allgemeinverständliches Thema: die Kirche. Am Beispiel der Kirche sollte und konnte am deutlichsten und am schnellsten erkennbar sein, dass tatsächlich eine neue Zeit begonnen hatte; denn die evangelische Kirche als eine geVgl. Gott und die deutsche Zuversicht, S.21ff. Vgl. G.A. RITTER/S. MILLER, Revolution, 1975, S.68ff. - SCHEIDEMANN hatte die Republik ausgerufen ohne Wissen und gegen den Willen von EBERT, um der Proklamation einer sozialistischen Republik durch die Kommunisten zuvorzukommen. 35 Vgl. R. STUPPERICH, Kirchenkampf, 1992, S.27. 36 Vgl. A. DEISSMANN in: EvWoBr. 1, 1918/19, Nr.93/94 v. 30.11.1918, S.l. 33
34
Historische Hinführung
21
sellschaftlich-politische Institution verkörperte wie die Person des Kaisers und des landesherrlichen summus episcopus am sinnfälligsten die alte, nun in das Grab der Vergangenheit versunkene Zeit. „Revolution und Kirche" - das Programm war vorgegeben. Die politische und rechtliche Krise, mit der die bestehende altpreußische Kirche - und von ihr soll hier im Folgenden die Rede sein - durch die Revolution in eine fast aussichtslose Lage gekommen war, mußte auf eine politische und rechtliche Weise beantwortet werden. War eine solche Antwort zu finden? Wer sollte und konnte diese Antwort geben, mit welchem Recht und mit welcher Autorität? Wie sollte gehandelt werden, mit welcher Legitimation und mit welchem Ziel?
KAPITEL 1
KIRCHE ZWISCHEN SELBSTBEHAUPTUNG UND SELBSTERNEUERUNG
1. Dibelius als Geschäftsführer 1.1 Der Vertrauensrat und sein
des Vertrauensrates ab 1918
Geschäftsführer
Bereits fünf Tage nach dem revolutionären Umsturz, am 14. November 1918, erging durch Pfarrer GAY (Chemnitz) und Professor RADE (Marburg), den liberal-protestantischen Herausgeber der .Christlichen Welt', ein Aufruf zur Bildung von „Volkskirchenräten". Am 18. November konstituierte sich in Berlin ein Pfarrer-Rat1; ebenfalls Mitte des Monats wurde in Berlin die Gründung eines „Volkskirchendienstes" beschlossen, und in Göttingen rief Prof. A. TLTIUS die Gemeinden zur Einrichtung eines „Volksbundes zur Pflege evangelisch-kirchlichen Lebens"2 auf. Ungezählte schon bestehende evangelische Organisationen und Vereinigungen nahmen sich des Themas „Kirche" an; Arbeitsgemeinschaften entstanden auf Gemeindeebene und wurden im Lauf der Zeit in Zusammenschlüssen auf regionaler Ebene gebündelt3. Ihnen allen gemeinsam war zum einen die Sorge um die Kirche und die für notwendig gehaltene Reaktion auf die kaum anders als feindselig zu verstehende Absicht, mit der die Revolution die Kirche in eine Existenzkrise zu stürzen drohte; zum andern wollte man die Krise auch als Chance nützen zur Bildung einer wirklichen „Volkskirche", was auch immer damit gemeint sein konnte. Mit einer mehr oder minder affektiven Abwehr und Abkehr gegenüber der seitherigen Staats- und Behördenkirche4 war der Ruf nach 1 Vgl. Schreiben des Evangelischen Pfarrer-Rats Groß-Berlin an den E O K v. 2 2 . 1 1 . 1 9 1 8 (EZA BERLIN, 7/852, pag.61). Unterschrieben ist diese Eingabe v o n den Pfarrern THIESSEN, Dr. WESSEL (dem im Januar 1 9 1 9 kurzzeitig eingesetzten Regierungsvertreter oder Staatskommissar in der Preußischen Landeskirche) und NEUBAUER. Vgl. dazu auch G . WlRTH, Kirche, 1988, S.25f. 2 Vgl. C h W 32, 1918, Sp.466f. und Sp.485f. 3 Vgl. K J 46, 1919, S.324. 4 A l s Beispiel dazu sei H . STEPHANS Artikel in der ,Christlichen Welt' genannt, in dem es heißt: „Wer aber sind die Berufenen? ...Nicht scheinen es zu sein die mit dem alten System verbundenen und dadurch stark belasteten landeskirchlichen Behörden. Sie schweben heute in der Luft, denn sie werden nicht mehr v o n oben und noch nicht durch Popularität v o n unten her gehalten; sie werden mit dem besten Willen vorläufig nur Hilfe leisten, aber kaum die Führung übernehmen können" ( C h W 32, 1918, Sp.480). „Jetzt wacht in allen guten Protestanten eine
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
einer nun zu schaffenden Volkskirche verbunden. Wenn im Zusammenhang damit überhaupt nach einer kirchlichen Instanz verlangt wurde, dann war es der Wunsch nach einer möglichst schnellen Einberufung der preußischen Generalsynode, wie es sogar im kirchlich-konservativen ,Reichsboten' durch Reinhard MUMM5 empfohlen wurde. Doch es kam ganz anders. Gerade der Evangelische Oberkirchenrat, also die landeskirchliche Oberbehörde in Berlin, die „nicht mehr von oben und noch nicht ...von unten her gehalten" 6 wurde, ergriff nun entschlossen die Initiative. Er war es denn auch, der letztendlich gestärkt an Ansehen und Einfluss aus dieser Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit und Schwäche, der Krise und des Kampfes hervorging 7 . Nicht nur die uneinheitlichen Aktivitäten auf der Gemeindeebene riefen den Berliner E O K auf den Plan, sondern auch der forsche Vorstoß der Preußischen Ubergangsregierung, die am 13. November zwei Ziele der Umwälzung im reaktionären Preußen proklamierte: „Befreiung der Schule von jeglicher kirchlicher Bevormundung. Trennung von Staat und Kirche" 8 . Eine besonders kirchenfeindliche Brisanz bekam diese Proklamation dadurch, dass neben Konrad HAENISCH (SPD) auch Adolf HOFFMANN (USPD) dem preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vorstand. Man kannte die feindselig-agitatorische Haltung des „Zehn-Gebote-Hoffmann" 9 , der sich als einer der Propagandisten der Kirchenaustrittsbewegung und als Vorsitzender der Berliner Freireligiösen Gemeinde in kirchlichen Kreisen einen unauslöschlich-berüchtigten Namen 1 0 gemacht hatte. heiße Sorge und helle Glut der Liebe - man schmiedet aber auch das zähe Eisen der Kirche am besten, so lange es heiß ist" (Sp.484). 5 Vgl. EBD., Sp.486. 6 H . STEPHAN in EBD., Sp.480. 7 Damit ist einem der Ergebnisse zuzustimmen, die die gründliche, materialreiche und bis heute unentbehrliche Untersuchung von J. JACKE (Kirche, 1976) erbracht hat. Gleichzeitig wird allerdings das Beurteilungsschema der detailliert und kenntnisreich beschriebenen Vorgänge in Kirche und Staat in Frage zu stellen sein, wonach die institutionelle Bestandssicherung der Kirche eo ipso restaurativen Charakter habe und dies zugleich Ursache und Beweis für den inneren Niedergang des Protestantismus und den Verlust seiner Vorrangstellung ausmache. Dieses Beurteilungsschema kehrt ja bei verschiedenen Autoren und in unterschiedlichen Variationen und Akzentuierungen wieder bzw. war schon bekannt in der Gesamtbeurteilung des Kirchenkampfes oder auch im Urteil über den Ertrag der kirchlichen Neuordnung nach 1945. 8 Zit. nach J . JACKE, Kirche, 1976, S.45. Innerhalb der von der Revolutionsregierung selbst gesetzten Aufgaben, das alte Preußen „in einen völlig demokratischen Bestandteil der einheitlichen Volksrepublik" zu verwandeln, waren die beiden genannten Zielsetzungen unter allen anderen die sicherlich zunächst signifikantesten (vgl. H . SCHULZE, Braun, 1977, S.231ff.). 9 Der Ausdruck geht zurück auf das Buch von HOFFMANN: „Die Zehn Gebote und die besitzende Klasse" (1891, 1922). 10 Dieser „Adolf HOFFMANN geisterte ... wie das drohende Gespenst eines Hannibal ante portas über die kirchliche Bühne der zwanziger Jahre" (K.-W. DAHM, Pfarrer, 1965, S.136, vgl. auch K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.23). Allerdings war dieses Gespenst auch später noch „lebendig" und diente als Rechtfertigungsgrund bei der kirchlichen Neuordnung nach 1945: Auf der ersten Berlin-Brandenburgischen Provinzialsynode nach 1945 begründete Dibelius die Notwendigkeit einer schnellen Konstituierung der Kirchenleitung (um einem Eingreifen des Staates
Geschäftsführer des Vertrauensrates ab 1918
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A m 18. November kam das Kollegium des E O K , erweitert um den Generalsynodal-Vorstand, zusammen, um die neue Lage zu beraten. Der damalige Weltliche Vizepräsident des E O K , Reinhard MOELLER, machte den Vorschlag, dem gemeinsamen Kollegium aus Konsistorialbehörde und Synodalinstanz ein Gremium zur Seite zu stellen, das die wesentlichen kirchlichen Gruppierungen umfassen und so das Kirchenvolk repräsentieren sollte 11 . Damit wurde für alle zukünftigen Beratungen eine Verbreiterung der Basis geschaffen; gleichzeitig war dieses Organ politisch unbelastet und in seinen rechtlichen Befugnissen weder abhängig noch begrenzt. In Anlehnung an die damalige Räte-Bewegung erhielt das Gremium den Namen „Vertrauensrat". In einer noch am selben Tage herausgegebenen Ansprache an die Gemeinden wurde dann die Berufung des Vertrauensrates angekündigt; die Gemeinden wurden mit dieser Kundgebung zu einheitlichem, gesammeltem Vorgehen innerhalb der Kirche aufgerufen. Nachdem sich ein Zwölf-Männer-Gremium unter der Leitung von Prof. Wilhelm KAHL 12 am 29. November konstituiert hatte, trat der neugebildete Vertrauensrat am nächsten Tag zu seiner ersten Sitzung zusammen. Dabei wurde die Abfassung einer Rechtsverwahrung 13 gegenüber den Trennungsabsichten der Regierung beschlossen und daraus eine Kanzelabkündigung an die Gemeinden verfasst. D a die Rechtsverwahrung „zu lang und zu wenig volkstümlich", mithin zur Verlesung von den Kanzeln nicht geeignet erschien, verfassten einige Mitglieder der Versammlung daraus einen „besonderen, kurzen, knappen, packenden Aufruf" 1 4 an die Gemeinden. Weiterhin wurde die Bildung von Sachausschüssen 15 beschlossen, die umgehend ihre Arbeit aufnehmen sollten. Innerhalb weniger Tage hatte sich damit ein kleines Not-Kirchenparlament gebildet, das innerkirchlich mit den Volkskirchen-Bestrebungen zunächst konkurrierte und von dem noch nicht klar war, inwieweit es in den künftigen Verhandlungen mit dem Staat als rechtmäßiges Gegenüber akzeptiert werden würde. Zudem ergab sich die Notwendigkeit, die Arbeit der Ausschüsse und des Vertrauensrates mit den Absichten von E O K und Generalsynodal-Vorstand zu koordinieren. Deshalb fasste das Zwölf-Männer-Gremium in seiner ersten Sitzung einen wichtigen Beschluss: „Der Evangelische Oberkirchenrat wird gebeten, den bzw. der sowjetischen Besatzungsmacht zuvorzukommen) mit der Erinnerung an Adolf HOFFMANN, der 1918 für kurze Zeit Pfarrer WESSEL als Staatskommissar und Regierungsvertreter in den evangelischen Kirchenbehörden ernannt hatte (vgl. Provinzialsynode 1946, S.36f.). 11 Diesem Vorschlag standen EOK-Präsident VOIGTS und auch der Präses der Generalsynode WlNCKLER zunächst skeptisch gegenüber (vgl. J . JACKE, Kirche, 1976, S.49; Christ, 1961, S.130). 12 Wilhelm KAHL war ein namhafter Kirchenrechtler, gehörte dem Generalsynodal-Vorstand an und war später Reichstagsabgeordneter der D V P . 13 Vgl. Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918. 14 Gedrucktes Protokoll der Sitzung (EZA BERLIN, 7 / 8 5 2 , pag.173, S . l l ) . 15 Trennungs-Ausschuss (7 Mitglieder), Verfassungs-Ausschuss (11 Mitglieder), UnterrichtsAusschuss (8 Mitglieder), Werbe-Ausschuss (12 Mitglieder, für 15 Mitglieder konzipiert) - Stand v. 13.12.1918 (vgl. Mitteilungen N r . l ) ; Die Ausschüsse konnten selbständig Sachverständige „und mehrere Frauen" (EBD.) ohne Stimmrecht kooptieren, während zugezogene Sachverständige des E O K volles Stimmrecht in den Ausschüssen haben sollten.
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Pfarrer Lie. Dr. Dibelius-Berlin dem Ausschuß als Geschäftsführer für einige Monate zur Verfügung zu stellen..., der Präsident D. VOIGTS (sagte) die Erfüllung der Bitte zu." 1 6 Der Geschäftsgang sah folgendes vor: Die Arbeitsausschüsse „sollen ihre Sitzungen dem Geschäftsführer des (Zwölfer-)Ausschusses mitteilen. Haben sie reife Gegenstände, so machen sie dem Geschäftsführer Mitteilung, der das Weitere veranlaßt." Aber nicht nur die Ergebnisse der Beratungen sollten über den Geschäftsführer weitergeleitet werden, sondern die Ausschüsse sollten jeweils vor den Beratungen ihre Verhandlungsgegenstände bekanntgeben: „Von den Tagungen der Ausschüsse soll vorher stets dem Präsidenten des Evangelischen Ober-Kirchenrats und dem Vorsitzenden des Generalsynodal-Vorstandes Mitteilung gemacht werden." Für den Geschäftsführer wurde also nicht eigens eine Geschäftsordnung oder ein Dienstauftrag bestimmt. Man wies ihm lediglich eine Scharnierfunktion zwischen der Tätigkeit der Arbeitsausschüsse und dem gemeinsamen Kollegium aus E O K und Generalsynodal-Vorstand zu. Freilich suchte man, die Arbeitsausschüsse, die „möglichst freien Spielraum haben" 17 sollten, gleichzeitig an die lange Leine der Behörde zu nehmen; zu neu war doch diese Art von Gremienarbeit und Beratungen, die dem herkömmlichen Protokoll der Kirchenbehörde enthoben waren; und man war sich keineswegs sicher, wie das Experiment mit dem Vertrauensrat ausgehen werde bzw. ob die ganze Sache dem E O K nicht aus der Hand gleiten könnte. Der Geistliche Vizepräsident des E O K , LAHUSEN, unterbreitete Dibelius noch am Abend des 30. November die Bitte des Zwölfer-Ausschusses 18 . Schon am nächsten Tag meldete sich Dibelius im Gebäude des E O K , in der Charlottenburger Jebensstraße. Während für die Sitzungen der Arbeitsausschüsse ausdrücklich vom E O K die Bereitstellung geeigneter Räume zugesagt worden war, dachte man nicht daran, auch dem Geschäftsführer des Vertrauensrates entsprechende Arbeitsbedingungen im EOK-Gebäude einzuräumen. Der Geschäftsführer war ja nur dazu da, für den Informationsfluss zwischen Vertrauensrat und Behörde zu sorgen; nicht mehr als Handlangerdienste wurden von ihm erwartet, nicht eigenes produktives Handeln. Ganz anders entwickelte sich die Arbeit nun unter Dibelius' Regie 19 . In seinem Pfarrhaus in der Heilbronnerstraße richtete er sich ein eigenes Büro ein. Erst nach einigen Monaten konnte er sich einen Raum im EOK-Gebäude frei-
E Z A BERLIN, 7/852, pag.173, S.12; die folgenden Zitate EBD. EBD., S.14. 18 Vgl. Christ, 1961, S.130. 19 Möglich wurde dies auch dadurch, dass Missionsdirektor AXENFELD für den Winter 1918/19 einen Kollegen von der Berliner Mission zur Vertretung in der 15.000 Seelen-Gemeinde und zur Entlastung v o n Dibelius abgeordnet hatte (vgl. AXENFELD an Dibelius v. 21.5.1919, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Nachlass-Splitter N r . l : Briefe an Pfarrer Dibelius als Geschäftsführer des Vertrauensrates, pag.8. D i e in diesem Band erhaltene Korrespondenz mit den Geistlichen und Gemeinden erstreckt sich bis in den Mai 1919; im Folgenden abgekürzt mit: „ E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp."). 16
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kämpfen, und bald beschäftigte er dort drei Sekretärinnen20. Dibelius hatte als Geschäftsführer Zutritt zu allen Sitzungen der Arbeitsausschüsse und des kirchenleitenden Gremiums; die Rolle des Geschäftsführers des Vertrauensrates entwickelte Dibelius von seiner internen Scharnierfunktion zu einer Drehscheibe von Informationen, Meldungen und Rückmeldungen nach außen hin. Damit konnte Dibelius wie sonst kaum ein anderer die Lage des Jahres 1918/19 als einer der bestinformierten Männer der altpreußischen Kirche überschauen und nahm, wie es ihm in einer Zuschrift attestiert wurde, eine „zentrale Stellung im Kampf durchwogten Leben unserer Kirche" 21 ein. Abgesehen von seinen koordinierenden und kontrollierenden Aufgaben als Geschäftsführer des Vertrauensrates sah Dibelius sein eigenes Betätigungsfeld besonders im Rahmen des Werbeausschusses, dessen Arbeit er als treibende Kraft voranbrachte 22 . 1.2 Dibelius als Geschäftsführer des „ Werbe-A usschusses " Bereits in der ersten Sitzung des Werbeausschusses am 4.12.1918, bei der Pfarrer D. Otto EVERLING23 zum Vorsitzenden gewählt wurde, ergriff der neue Geschäftsführer die Initiative und unterbreitete schriftlich dem 12-köpfigen Gremium Vorschläge, nach denen sich die Arbeit des Werbeausschusses gestalten solle. Drei präzise Aufgabenstellungen wurden genannt: 1. „Fühlungnahme mit den kirchlichen Vereinen" 2. „Belebung der Gemeinden" 3. „Schaffung einer Korrespondenz für die Geistlichen"24.
Vgl. Christ, 1961, S.130f. An den Geschäftsführer v. 9.4.1919 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.243). 22 Ursprünglich hatte der Zwölfer-Ausschuss die Bildung von insgesamt neun Arbeitsausschüssen vorgeschlagen: neben dem Trennungs-, Verfassungs- und Unterricht-Ausschuss auch je einen Ausschuss für die Beziehungen zu den Arbeitern, zur katholischen Kirche und zu den Frauenverbänden, dann je einen Ausschuss zur Vorbereitung der Wahlen für die Nationalversammlung und zur Sicherung des theologischen Nachwuchses und einen Presse-Ausschuss. Während die anderen Ausschüsse, der Trennungs-, Verfassungs- und Unterrichts-Ausschuss, Idar umrissene Aufgaben hatten, wies man dem Werbeausschuss die Öffentlichkeitsarbeit des Vertrauensrates zu, in der zum Teil die Anliegen der übrigen vorgeschlagenen Ausschüsse eingeschlossen sein sollten. Was man damals unter „Öffentlichkeitsarbeit" verstand, äußerte das Mitglied des Werbeausschusses, Pfarrer D . STOCK, in einem internen Referat (EZA BERLIN, 7 / 9 5 3 , pag.l5ff. / K J 47, 1920, S.57f.) ganz unverblümt: „Die Gemeinde der kommenden Zeit darf sich der geschicktesten Agitationsmittel, soweit sie sittlich berechtigt sind, nicht mehr entschlagen. Kirchliche Versammlungen werden nur die erwünschte Teilnahme haben, wenn die Agitation auf geschickte Weise betrieben wird." Das Referat wurde später umgearbeitet in den Artikel „Die Arbeitsorganisation der Einzelgemeinde" (Mitteilungen N r . l l v. 20.6.1919), in dem dann allerdings der zitierte Satz fehlt. V o r der Veröffentlichung wurde vorsichtshalber eine Unbedenklichkeitserklärung beim E O K eingeholt (vgl. Protokoll der Sitzung des Werbeausschusses v. 19.2.1919, in: E Z A BERLIN, 7 / 9 5 3 , pag.164). 23 EVERLING war damals der geschäftsführende Direktor des Evangelischen Bundes (vgl. W . FLEISCHMANN-BlSTEN, D e r Evangelische Bund, 1989, S.92ff.). 24 Protokoll der Sitzung ( E Z A BERLIN, 7 / 9 5 3 , pag.5). In der 2. Sitzung des Werbeausschusses am 10.12.1918 bekam Dibelius die Zustimmung zu seinen Vorschlägen. 20 21
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Es ging Dibelius darum, den lebendigen Zusammenhang zwischen der Arbeit in Berlin und den kirchlichen Kreisen in den Provinzen herzustellen und zu erhalten. Wenn der Dortmunder Pfarrer TRAUB noch meinte, diesen Zusammenhang durch persönliche Besuche von Mitgliedern des Vertrauensrates in der Provinz 25 herstellen zu können, so gab Dibelius diesem Anliegen durch die Verbreitung von gedruckten Informationen eine weit größere Durchschlagskraft. Es erschienen „in zwangloser Folge" ab dem 17.12.1918 in den ersten beiden Monaten sechs Nummern und im Zeitraum bis zum 15.9.1919 weitere sechs Ausgaben der im Evang. Preßverband gedruckten „Mitteilungen aus der Arbeit der dem Evang. Oberkirchenrat und dem Generalsynodalvorstand beigeordneten Vertrauensmänner der Evangelischen Landeskirche. Herausgegeben von ihrem Geschäftsführer, Pfarrer Lie. Dr. Dibelius". Diese ,Mitteilungen' wurden über alle Geistlichen der Landeskirche auch an weitere Interessenten verteilt und fanden Verbreitung auch über die Grenzen der altpreußischen Landeskirche hinaus. Ausdrücklich wurde dazu aufgefordert, dass es zu einem lebendigen Austausch der Meinungen und Anregungen kommen solle. Zuschriften nahm der Geschäftsführer unter der Adresse des Berliner Oberkirchenrats entgegen. Nachdem das Unternehmen auch finanziell26 abgesichert war, waren die entscheidenden Weichen gestellt. Die Arbeit konnte beginnen. Die Herausgabe der ,Mitteilungen' sah Dibelius als Teil der jetzt notwendigen Werbearbeit 27 der Kirche. Zur „Mobilisierung der Gemeinden" sollten überall
25 TRAUB hatte schon in der konstituierenden Sitzung des Vertrauensrates zu erwägen gegeben, „ob es sich, um die kirchlichen Kreise in der Provinz über die Aufgaben und die Tätigkeit des Vertrauensrates und seiner Ausschüsse auf dem laufenden zu erhalten, nicht empfehle, ein und das andere Mitglied in die Provinzen zu entsenden. Die Erhaltung des lebendigen Zusammenhangs mit den kirchlichen Kreisen sei für das dem Vertrauensrat unentbehrliche Ansehen und Vertrauen des Landes von hoher Bedeutung" ( E Z A BERLIN, 7 / 8 5 2 , pag.173, S.16). D e m gleichen Ziel diente auch die personelle Aufstockung des Vertrauensrates auf 40 Mitglieder, wobei besonders auch „Persönlichkeiten aus den Provinzen ...und außerdem 2 bis 5 Frauen als Vertrauensmänner (sie!)" zu berücksichtigen seien (EBD., S.14). - TRAUB wurde im Zusammenhang mit dem „Fall JATHO" nach einem Disziplinarverfahren 1912 aus dem pfarramtlichen Dienst entlassen; als Bekämpfer der Orthodoxie hatte er ein liberal-fortschrittliches Image und blieb „trotz aller äußeren Unbotmäßigkeit meines schwäbischen Stiftskopfes gegen eine preußische Zentralbehörde" (G. TRAUB, Erinnerungen, 1949, S.84) der kirchlichen, aber auch durch seine Mitgliedschaft in der Vaterlandspartei der nationalen Sache verbunden. Für den Neuaufbau der Kirche nach 1918 erschien er der kirchlichen Oberbehörde als theologisch-liberales Aushängeschild unentbehrlich. A m 15.11.1918 wurde er deshalb wieder in A m t und Würden gesetzt und wenige Tage später in den Vertrauensrat berufen (vgl. E . R . HUBER / W . HUBER, Staat ΙΠ, S.799ff.). U m seine weitere Mitarbeit zu sichern, erhielt TRAUB vom E O K auch eine Einladung zur Kasseler Vorkonferenz am 27.2.1919, die den ersten Kirchentag in Dresden (September 1919) vorbereiten sollte (vgl. LAHUSEN an TRAUB v. 17.2.1919, in: B A KOBLENZ, N L T r a u b / 2 6 ) . 26 Statt eines ursprünglich geplanten Kollektenverfahrens wandte sich der Werbeausschuss direkt an den E O K - das Schreiben v. 16.12.1918 wurde von Dibelius verfasst und von EVERLING nur unterschrieben - mit der Bitte, „den Werbeausschuß zu ermächtigen, die durch fortlaufende Ubersendung von Material an die Mitarbeiter in den Provinzen entstehenden Kosten liquidieren zu dürfen" ( E Z A BERLIN, 7 / 8 5 2 , pag.114). Dieser Bitte entsprach der E O K mit einem Schreiben v. 21.12.1918 (EBD.). 27 Schreiben des Werbeausschusses v. 16.12.1918 ( E Z A BERLIN, 7 / 8 5 2 , pag.ll3f.).
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„aufklärende Vorträge" 28 über die kirchliche Lage gehalten werden; Flugblätter 29 sollten bereitgestellt und verteilt werden; vor allem sollte durch die zentrale Lenkung der Bewegung von Berlin aus die „Einheitlichkeit" gewährleistet und „gegen zentrifugale Tendenzen" 30 angegangen werden. Bei alledem waren Rückmeldungen aus den Gemeinden erwünscht, um der ganzen Bewegung das suspekte Odium einer von oben verordneten Aktion zu nehmen. Denn darüber sollten sich die Geistlichen und die Gemeinden der Landeskirche im Klaren sein: „Das Neue, das kommen wird und kommen muß, kann nur ,νοη unten her', nur aus dem Gesamtwillen der Kirche geboren werden." 31 1.3
Volkskirchenräte, Volkskirchenbund,
Volkskirchendienst
In den Anfangstagen nach der Revolution regte sich tatsächlich „von unten her" in Versammlungen und Gruppenbildungen allseits kirchliche Betriebsamkeit. Es war die Reaktion auf die drei Revolutionsziele, die von der provisorischen sozialistischen Regierung proklamiert wurden und die die Kirche plötzlich in höchste Existenznot stürzten: 1. Trennung von Staat und Kirche einschließlich der Aufhebung der Staatszuschüsse bis spätestens 1. April 1919 (16. November); 2. Aufhebung der geistlichen Schulinspektion und Abschaffung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach in den Schulen Preußens (27./29. November); 3. Erleichterung des Austritts aus der Kirche und den jüdischen Kultusgemeinden (13. Dezember) 32 .
28 Dibelius bat alle Generalsuperintendenten, ihm für solche Vorträge geeignete Pfarrer oder Vertrauensmänner zu nennen; vgl. z.B. das Antwortschreiben des Generalsuperintendenten der Rheinprovinz, Karl KLINGEMANN, v. 10.12.1918; die Liste nennt u.a. Pfarrer H . NIEMÖLLER aus Elberfeld, Pfarrer DÜSSE aus Essen oder auch Sup. DlESTEL aus Sigmaringen/Hohenzollern (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.ll4f.). 29 Dazu zählte Dibelius vor allem auch den von Johannes SCHNEIDER schon im Sommer 1918 gehaltenen Vortrag „Was leistet die Kirche dem Staat?"; noch Jahre später argumentierte Dibelius mit derselben Frage (vgl. Staat ohne Kirche?, in: EvMark 1929, S.194; RdBr. v. 24.3.1932). Mit dem Vorsitzenden des Werbeausschusses und dem Begründer und Leiter des Evang. Preßverbandes, August HINDERER, bildete Dibelius eine „Flugblatt-Kommission", „die fortan die nötig werdenden Flugblätter beschaffen soll" (Sitzung des Werbeausschusses v. 10.12.1918). Die Werbearbeit sollte zusammen mit der Arbeit der Volksmission und Evangelisation eine untrennbare Doppelaufgabe erfüllen: „Aufklärung über die künftige Lage der Kirche, voll Werbekraft und Zukunftsfreudigkeit, und daneben Evangelisation, die Glauben weckt und Glauben stärkt. Denn nur über den Glauben geht dem deutschen Volk der Weg zur Kirche" (Dibelius in: Mitteilungen N r . l v. 17.12.1918). 30 Dibelius ging es darum, „daß auch die amtliche Kirche innerhalb der Bewegung unserer Tage im Vordergrunde bleibt und die Gemeinden nicht den Eindruck gewinnen, als sei die ganze Arbeit, die jetzt geschieht, mehr privater Natur." Dies sei „zugleich das beste Schutzmittel gegen zentrifugale Tendenzen, an denen es vor allem im Westen nicht fehlt" (Dibelius an E O K v. 16.12.1918, in: E Z A BERLIN 7/852, pag.ll3Rf.). 31 32
„Zum Geleit" (Mitteilungen N r . l v. 17.12.1918). Vgl. E. STANGE, Kampf, 1920, S.5f.; Literatur zur Kirchenaustrittsbewegung EBD, S.46ff.
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
Aber nicht ängstliche Lähmung machte sich daraufhin in der Kirche breit, die kirchenfeindlich-rigiden Revolutionsziele hatten vielmehr einen bemerkenswerten, in der Kirche bisher noch nie gekannten Solidarisierungseffekt 33 zur Folge. So berichtete Dibelius: „...,Volkskirchenräte', ,Volkskirchendienste', ,Kirchliche Arbeitsgemeinschaften', ,Kirchliche Volksbünde' - überall schießen die neuen Organisationen aus dem Boden." 3 4 Man nimmt sich in der Zeit der N o t der Sache der Kirche an. Doch so willkommen die Initiativen auf der Ebene der Gemeinden 35 waren, so skeptisch wurden solche Aktivitäten - besonders anfänglich - von der Berliner Zentralbehörde und dem Geschäftsführer des Vertrauensrates beurteilt. Denn das massive Vorgehen der beiden preußischen Kultusminister ließ keine Einzelkämpfer und keine Alleingänge, keine Abweichler und keine kirchlichen Zersplitterungen zu 36 . 33 Dabei ergaben sich teilweise erstaunliche „Koalitionen"; vgl. die v o n Vertretern aller Parteien getragene Entschließung der Brandenburgischen Provinzialsynode v o m 18.11.1918 (PrBl 51, 1918, Sp.546 u. 571). In einer gemeinsamen Versammlung traten in der Berliner Philharmonie der Führer der kirchlichen Rechten, Wilhelm PHILIPPS, und der Herausgeber des kirchlich-liberalen Protestantenblatts, Alfred FISCHER, gemeinsam auf, wobei sich „ihre Vorträge...ausgezeichnet ...ergänzten" (PrBl 52, 1919, Sp.2). Unter den Professoren ÜEISSMANN und FASSBENDER hat sich sogar „ein Interkonfessioneller Ausschuß zur Wahrung der gemeinsamen Interessen in den politischen K ä m p f e n " gebildet (EBD., Sp.12); und in der Forderung nach der Einberufung eines Kirchentages waren sich M. RADE, Herausgeber der ,Christlichen Welt', und J . GAUGER, Herausgeber des Gemeinschaftsblattes ,Licht und Leben', einig (EBD., Sp.33f.); zu der sonst bestehenden Gegensätzlichkeit zwischen der pietistischen Gemeinschaftsbewegung GAUGERs und der liberalprotestantischen Linie RADEs vgl. J. RATHJE, Welt, 1952, S.280. 34 Mitteilungen N r . 3 v. 30.12.1918. 35 Vgl. dazu G . MEHNERT, Kirche, 1959, S.115-128; G . KÖHLER, Auswirkungen, 1967, S.63-84; K . NOWAK, Kirche, 1981, S.63-68; K . MEIER, Volkskirche, 1982, S.9-12. 36 Bezeichnend ist dafür, mit welch sorgenvoller Aufgeregtheit der Präsident des Königlichen Konsistoriums der Provinz Brandenburg, STEINHAUSEN, sich bemüßigt fühlte, dem E O K „gehorsamst" von einem Vorgang Mitteilung zu machen, der sich am 15. N o v e m b e r im Amalienhaus in Berlin zugetragen hatte. Dorthin seien von Prof. DUNKMANN u.a. die Professoren MAHL1NG, KAHL und SEEBERG, Missionsdirektor AXENFELD, Oberpräsident a.D. von HEGEL, Lie. D . MUMM, die Pfarrer DROSS, von der HEYDT, PHILIPPS und FISCHER sowie der Rechtsanwalt D r . KRAEMER eingeladen gewesen, u m „die Bildung eines ,Kirchenrats' im Sinne der jetzt üblichen Organisationen" vorzubereiten (vgl. Schreiben v. 16.11.1918, in: E Z A BERLIN, 7/852, pag.60). Es war ein geschickter Schachzug, dass dann der E O K selber einen Vertrauens-Rat gebildet u n d dabei Männer hinzugezogen und in die Verantwortung genommen hat, die schon vorher ihr Interesse an der kirchlichen Neugestaltung der Revolutionszeit gezeigt hatten. Nicht weniger als sieben der erwähnten Männer wurden v o m E O K in das Vertrauensmänner-Kollegium berufen: MAHLING, von HEGEL, MUMM, FISCHER, KRAEMER, SEEBERG und PHILIPPS. Prof. KAHL gehörte ohnehin als Mitglied des Generalsynodal-Vorstands dem kirchenleitenden G r e m i u m an; er wurde dann z u m Vorsitzenden des Zwölfer-Ausschusses und auch z u m Vorsitzenden des U n terrichtsausschusses gewählt. - Immer wieder war Kritik an der Zusammensetzung des Vertrauensrates zu hören; sie entzündete sich vor allem daran (und wurde oft mit entsprechenden Vorschlägen versehen), dass im Vertrauensrat fast nur Persönlichkeiten aus Berlin, aber nicht auch aus den Landgemeinden oder den Provinzen vertreten seien. Dibelius beschied solche Kritik u n d Vorschläge mit dem Hinweis auf das ganz praktische Erfordernis, dass der Zusammentritt des Vertrauensrats schnell und in kurzen Abständen erfolgen müsse und seine Arbeit nicht durch lange Anfahrtswege seiner Mitglieder behindert werden dürfe. Lediglich mit der Berufung von Pfarrer TRAUB (Dortmund), dem der Gemeinschaftsbewegung nahestehenden Pastor MICHAELIS
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Tatsächlich sah man bei den Volkskirchendiensten und den Volkskirchenbünden diese Gefahr eines kirchlichen Alleingangs nicht. Der „Berliner Volkskirchendienst" 37 , der sich später zum „Deutschen Volkskirchendienst" erweiterte, gab klar zu erkennen, dass die Neuordnung der Kirche, wie es Alfred FISCHER bekräftigte, „nicht von freien Vereinigungen, die jetzt wie Pilze aus der Erde schießen, gemacht werden kann, sondern dass die vorhandenen geordneten Instanzen der Kirche die Begründung und Ausgestaltung des kirchlichen Lebens in die Hand nehmen sollten" 38 . Der Volkskirchendienst verstand sich also nicht als Konkurrenz zu den Bestrebungen der Kirchenleitung und überließ das Feld den „vorhandenen geordneten Instanzen der Kirche". Aus dieser Position heraus kam es auch zu einer wechselseitig ergänzenden Zusammenarbeit 3 ' zwischen Vertrauensrat und Volkskirchendienst, die vor allem auch im Vorfeld der Wahlen zur Nationalversammlung und beim Entwurf für die neue Kirchenverfassung zum Tragen kommen sollte. Ebensowenig wie der Volkskirchendienst bedeutete die von Prof. TlTIUS ins Leben gerufene Volkskirchenbund-Bewegung in den Augen des Geschäftsführers des Vertrauensrates eine Gefahr für die Kirche; denn die Volkskirchenbünde wurden nicht von einem freireligiösen Geist getragen und hatten keine frei-kirch(Bielefeld) und dem schlesischen Grafen v. SEIDLITZ-SANDRECZKI habe man eine Ausnahme gemacht. „Auch diese drei fehlen in den Sitzungen oft, und um diesen die Teilnahme an den Sitzungen zu ermöglichen, müssen die Sitzungen fortwährend vertagt oder verschoben werden" (Dibelius an Pfarrer Th. KNOLLE/Wittenberg v. 13.12.1918, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.128). 37 Der „Berliner Volkskirchendienst" entstand aus der Versammlung, von der Präsident STEINHAUSEN in seinem Schreiben V. 16.11.1918 an den E O K (EZA BERLIN, 7/852, pag.60) berichtete. Der Schatzmeister des „Volkskirchendienstes", der Präsident des Zentralausschusses für Innere Mission D . SPIECKER, wurde ebenfalls in das Vertrauensmänner-Gremium berufen (vgl. das Verzeichnis der Mitglieder des Vertrauensrates in: E Z A BERLIN, 7/852). 38 Zit. nach J . RATHJE, Welt, 1952, S.261 (FISCHER am 3.12.1918). 39 Der Vertrauensrat gliederte sich nach dem Muster des Volkskirchendienstes in verschiedene Arbeitsausschüsse. Der Volkskirchendienst, der auf die schon seit 1916 bestehende Konferenz Deutscher Evangelischer Arbeitsorganisationen zurückging, ging sofort nach Ausrufung der Revolution in den nun gebildeten Ausschüssen an die Arbeit „zur Beantwortung der Frage des Verhältnisses von Staat und Kirche, für kirchliche Verfassungsfragen, für Jugendunterricht, zur Belebung der Einzelgemeinden, für soziale Wohlfahrtspflege, für volkstümliche Verkündigung des Evangeliums durch Wort und Schrift, für internationale, interkonfessionelle, politische Beziehungen" (vgl. Korrespondenz des Ev. Preßverbandes für Deutschland v. 22.11.1918; O . DIBELIUS, Volkskirchenräte, 1919, S.206). Die Zusammenarbeit beider Gremien geht auch daraus hervor, dass die Protokolle des Volkskirchendienstes an den Geschäftsführer des Vertrauensrates zur Kenntnis gegeben wurden; von dort wurden sie dann in den Geschäftsgang weitergeleitet (vgl. H . SPIERO an Dibelius v. 26.2.1919, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.206). Umgekehrt ließ Dibelius in der Sitzung des Werbeausschusses v. 30.12.1918 eine Aufgabe an den Volkskirchendienst zur Erledigung überweisen, nämlich: „gegen die auf dem Schloßplatz täglich betriebene Verhetzung (sc. der Kirche) Gegenmaßnahmen zu ergreifen" (EZA BERLIN, 7/953). - D a der Vertrauensrat sowohl personell als auch inhaltlich nach dem Vorbild des Volkskirchendienstes konstituiert und in seine Ausschüsse gegliedert wurde, hatte er aus der Sicht des E O K eher den Charakter eines Notbehelfs als die Qualität einer originären Idee, hinter der die Kirchenleitung mit vollem Herzen gestanden hätte. Dieser Aspekt ist in der Darstellung von J . JACKE (Kirche, 1976, S.47-54) übersehen.
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liehen Bestrebungen. Sie fügten sich in den verfassungsmäßig vorgegebenen und gebotenen Ordnungsrahmen von Einzelgemeinde und Landeskirche ein. Das revolutionäre Potential, das man in den großen Mitgliederzahlen der Volkskirchenbünde hätte vermuten können, erwies sich als eine der Kirchenleitung willkommene Bewegung von unten, die sich auch bereitwillig einer Mobilmachung von oben öffnete. So berichtete Dibelius in seinen ,Mitteilungen' beifällig, dass fast in allen Provinzen die Volkskirchenbund-Bewegung große Fortschritte mache: die größten Zusammenschlüsse seien in Ostpreußen mit 190.000 und in Hannover mit 150.000 Mitgliedern zu verzeichnen, und man „wird rechnen dürfen, daß schon heute 600.000 evangelische Christen in Volksbund-Organisationen zusammengefaßt sind"40. Die Volkskirchenbünde, die auch außerhalb Preußens gegründet wurden, strebten innere Reformen der Kirche an im Sinn der Belebung einer nun vom Staat befreiten Kirche. Insofern waren sie willkommene Bundesgenossen auf der Linie, die auch die kirchenleitenden Gremien in Berlin verfolgten41. 1.4 Gegen Bekenntniskirche
und freie
Volkskirche
Gegenwind aber bekam der „offizielle" Berliner Kurs, den Dibelius als Geschäftsführer des Vertrauensrates auf breiter Ebene durchzusetzen versuchte, aus zwei durchaus verschiedenen Richtungen. Beiden Richtungen lagen ernstzunehmende Gegenvorschläge zu den Absichten und Einsichten der Berliner Kirchenbehörde zugrunde. 1.4.1 Keine Bekenntniskirche Die erste dieser beiden Richtungen machte sich für die Schaffung einer „Bekenntniskirche" stark; sie trat in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung, da sie nicht in programmatischer und organisatorischer Form hervortrat. Man musste ihr deshalb auch nicht in öffentlichen Verlautbarungen begegnen. Gleichwohl gehört sie mit zum Spektrum der damals virulent gewordenen Bewegungen und Uberle40 Mitteilungen N r . 8 v. 12.3.1919; Dibelius war ein Liebhaber v o n großen Zahlen, w e n n sie nur werbewirksam waren; auf Genauigkeit kam es ihm nicht so sehr an: ungefähr einen Monat später gab er die Gesamtzahl der Volkskirchenbund-Mitglieder f ü r ganz Preußen mit 500.000 an (vgl. Volkskirchenräte, 1919, S.208). 41 Kritisch äußerte sich Prof. BREDT über den Volkskirchenbund, dem er in Marburg in der Erwartung beitrat, dass das bunt gescheckte Gemisch der 28 Landeskirchen zu einer einheitlichen „Deutschen Kirche" zusammengeschlossen werden könnte: „Diese volkskirchliche Bewegung hatte ganz Deutschland erfaßt, und ich Schloß mich ihr sofort mit Eifer an. Ich dachte, es handele sich um eine wirklich volkstümliche Bewegung, um nunmehr eine einheitliche evangelische Kirche v o n Deutschland zu schaffen. Schon bald aber wurde mir klar, daß es sich nur um die Machenschaft der kirchlichen Behörden handelte, um das ,Kirchenvolk' bei der Stange zu halten. Die Pastoren bemächtigten sich der Bewegung und hielten jede Regung nieder, die den kirchlichen Behörden nicht genehm war. D e r Oberkirchenrat und die Konsistorien retteten sich wesentlich mit diesem Beruhigungsmittel über die schwersten Zeiten hinüber, und irgendwelche Bedeutung hatte die Bewegung nicht. Sie lief sich bald still aus und war meine erste Enttäuschung auf diesem Gebiet" 0 . V . BREDT, Erinnerungen, 1970, S.153).
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gungen. Sie findet ihren Niederschlag in den Zuschriften, die den Geschäftsführer des Vertrauensrates erreichten. Dort wird - wenn auch nur in zahlenmäßig geringem Umfang - das gewichtige Thema angerührt und zur Durchführung empfohlen, nämlich den Neubau der Kirche nicht von institutionellen Ordnungsprinzipien, sondern vom Bekenntnis 42 her anzugehen. Ein westpreußischer Pfarrer forderte in seinem Schreiben noch vor Weihnachten 1918 vom Vertrauensrat eine Stellungnahme zur Bekenntnisfrage43, ohne deren Beantwortung der Neubau der Kirche eine verhängnisvolle Wirkung haben müsse. Eine Kirche müsse gebaut werden unter Ausschaltung der juristischen Bürokratie auf dem Fundament des lutherischen Bekenntnisses, das zugleich auch gemeindebildendes Prinzip sei. Wenn in der kommenden Kirche ebenso wie früher Glaube und Unglaube gleichberechtigt nebeneinander bestehen könnten, dann würden gerade die gläubigen Kreise eine Beute der Sekten werden. Deshalb solle die konsequente Durchführung der Kirchenzucht eine klare Linie schaffen zwischen Gläubigen und Ungläubigen unter Preisgabe einer flächendeckenden Volkskirche; die Unkirchlichen dürften nicht in die Wählerlisten aufgenommen werden. Der Schreiber hält dabei die Möglichkeit eines Schrumpfungsprozesses innerhalb der Kirche sogar für wünschenswert: „Besser weniger, aber treue Mitglieder! ... Es wäre wünschenswert für die Zukunft der Kirche, wenn ihr viele Unkirchliche aus Steuerrücksichten den Rücken kehrten. Eine solche Reinigung ist eine Lebensnotwendigkeit für die Kirche." 44 Der Neubau einer bekenntnistreuen Kirche müsse von der Gemeinde, ja sogar fast ausschließlich von den Landgemeinden aus erfolgen; herauskommen würde dabei eine selbständige, staats- und juristenfreie Volkskirche, u.U. auch im Sinne einer Freikirche 45 . Unter den wenigen überlieferten Antwortbriefen auf die Zuschriften an den Geschäftsführer des Vertrauensrates befindet sich die Replik von Dibelius auf diese vehementen Einlassungen, mit denen der Schreiber sich „einig mit vielen hunderten von Pfarrern und Gemeinden" 46 wusste. Bereits am 28.12.1918 machte Dibelius in seiner Antwort deutlich, dass es im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht um die Bekenntnisfrage, sondern um die Frage der Einheit und Geschlossenheit der Kirche gehe: „Die Aufstellung der Bekenntnisfragen würde vielleicht im gegenwärtigen Augenblick die unerwünschte Wirkung haben, daß die Kirche, statt nach außen geschlossen aufzutreten, sich in inneren Kämpfen verzehrt." 47 Doch das eigentliche Motiv für die Zurückstellung der Bekenntnisfrage war für Dibelius die umstrittene Frage der weiteren Staatsdotationen, auf die jetzt alles Augenmerk gerichtet werden müsse: „Das Wesentliche sind die Zuschüsse des Staates. Kommen sie in Fortfall, so müssen andere Einnahmen beschafft werden, d.h. 42 Beispiele für die Forderung nach einer Bekenntniskirche in: M. GRESCHAT, Revolutionsjahr, 1974, S.163ff., 180ff. 43 E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.160 (Schreiben v. 23.12.1918). 44 EBD., pag.159 (Schreiben v. 8.3.1919). 45 Vgl. EBD., pag.160 (Schreiben v. 23.12.1918). 46 EBD., pag.154 (Schreiben v. 29.12.1918). 47 EBD., pag.156 (Schreiben v. 28.12.1918).
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im Wesentlichen: Die Kirchengemeinden müssen dafür in Anspruch genommen werden." Im Blick auf die künftige Kirchenverfassung meinte Dibelius seinen Kollegen beschwichtigen zu können, indem er ihn vertraulich wissen ließ, dass es „gerade Mitglieder des Oberkirchenrats (sind), die für den Fortfall der Behörden nachdrücklich eintreten, und ich habe persönlich den Eindruck, daß diese Auffassung siegen wird." 4 8 Die vereinheitlichende und vereinnahmende Sammlungspolitik der Behördenkirche gab auch Gelegenheit für die Klage manch eines verbitterten Herzens. Wenn in diesem Zusammenhang von der Kirche mehr Bekennermut eingefordert wurde, dann war das auch mit deutlichem Widerspruch zu den an der erfolgreichen Bestandssicherung und Machterhaltung der Kirche orientierten Aktivitäten verbunden. So heißt es da, die organisierte Kirche habe die Fragen der sozialen Gerechtigkeit 49 vernachlässigt und die Mission, die Krüppelpflege und die Alkoholfrage nur der privaten Liebestätigkeit überlassen, jede freie Glaubensregung gewaltsam niedergehalten, dem Religionsunterricht Fesseln angelegt und Lehrern und Schülern die Freudigkeit am Unterricht 50 genommen; man müsse deshalb von der Kirche erwarten, „daß sie das einsieht und ihre Schuld mit Bekennermut bekennt, während leider von solcher Bußstimmung in den öffentlichen Kundgebungen nichts zu spüren ist.... Dies Gericht wird auch an der Kirche, die ja mit dem Reiche Gottes keinesfalls sich deckt, nicht vorübergehen, wenn sie nicht ernstlich Buße tut und sich dem Reiche Gottes wieder annähert." „Hoffentlich", so schließt die an Dibelius adressierte ernste Mahnung, „bekommen Sie solche Zuschriften recht viele. Sie sind das Salz und sauer notwendig zur Reinigung!" 5 1 In einem „Volksbund kirchentreuer evangelischer Christen" hat Pastor FORELL sozialdemokratisch orientierte Bergarbeiter in seiner Gemeinde, „seine lieben Roten", gesammelt. „Meinen Roten", so schreibt FORELL an Dibelius im Blick auf das diskutierte Urwahlrecht in der Kirche, „ist das ganz gleichgültig.... Die Hauptsache ist ihnen, daß in ihrer Kirche das Gotteswort rein verkündet und die Sakramente rein verwaltet werden. Und ist das nicht auch wirklich die Hauptsache?" Für sich selber erklärt FORELL sein völliges Unverständnis für die 48 EBD., pag.157. Die Haltung von Dibelius deckt sich mit der des ,Reichsboten': „Wir warnen vor einer Kirchenpolitik der Ubertreibung und Einspännerei. Das Gebot der Stunde fordert von uns jetzt nicht Stellungnahme des Gewissens zur Bekenntnisfrage, sondern lediglich praktische und besonnene Schritte zur Erhaltung der einheitlichen Volkskirche bei der Neuordnung ihres Verhältnisses zum Staat. Eine Vermengung beider Gesichtspunkte führt nur zu einer bedenklichen Erschwerung der Lage" (zit. in: ChW 33, 1919, Sp.335). 49 Ein fundiertes Plädoyer für Gerechtigkeit und soziale Grundsätze trägt Pfarrer A. BLEIER (Charlottenburg) vor. BLEIER wünscht sich „eine Volkskirche, in der alle Volksschichten sich wohl fühlen können"; dies wäre „geeignet, einen Teil des Mißtrauens zu beseitigen und zu zeigen, daß die Kirche Ernst damit macht, sozial zu denken und zu handeln und Jesu Weisung entsprechend sich hingezogen zu fühlen zu Armen und Gedrückten" (BLEIER an Dibelius v. 25.2.1919, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.16). 50 EBD., pag,196f. 51 EBD., pag.l96f. Vgl. auch EBD., pag.222, wo bittere Klage geführt wird über Versagen und Schuld der Kirche, über ungerechte Personalpolitik des Konsistoriums usw.
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Behörden- und Gremienarbeit in der gegenwärtigen Lage: „Mir persönlich sind alle Synoden ziemlich wurscht. Was wir brauchen sind seeleneifrige Pastoren und Oberhirten mit brennendem Herz und klugem Verstand." 52 Ein anderer Amtsbruder sieht ebenfalls in der Ausrichtung auf das Bekenntnis die einzige Möglichkeit für die Bewahrung der Kirche vor dem „wilde(n) Zeitgeist". Verstärkt müssten Bekenntnis-Gottesdienste mit Predigten über das Apostolikum in einer deutlichen, mutigen und bekenntnisfrohen Sprache gehalten werden. Dies sei eine Stärkung all der treuen Glieder der Kirche, „die ihre Knie nicht beugen vor dem Baal der Revolution" 5 3 . In einer anderen Zuschrift macht der Superintendent von Kassel den Vorschlag, die Volkskirche unter dem Bekenntniswort: .Jesus Christus der Herr" zu einigen 54 . Diese Stimmen sind in ihrer Verschiedenartigkeit darin eins, dass sie die Erneuerung und Erhaltung der Kirche von der Pflege einer kleinen, bekenntnistreuen Kerngemeinde erwarten; sie wollen die Kirche, unbesorgt um Wahlen und Synoden, um Verfassung und finanzielle Absicherung, vor dem Anpassungsdruck des revolutionären Zeitgeistes 55 bewahren und sehen in den eilfertigen Bemühungen um ihren institutionellen Bestand einen Irrweg, ja einen Götzendienst. Die Anhänger dieser Richtung sahen in der Bildung einer Bekenntniskirche die kirchlich angemessene Antwort auf das Staatskirchentum der vergangenen Zeit 56 . 1.4.2 Keine freie Volkskirche Aus einer ganz anderen Richtung kam ein zweiter Gegenvorschlag: das Neuordnungskonzept von Martin R A D E 5 7 mit der von ihm ins Leben gerufenen ,Volkskirchenrats-Bewegung'. Auch sie wollte sich nicht der Linie der kirchenleitenden Gremien in Berlin anschließen. Tatsächlich empfand man die Zielvorstellung der Volkskirchenräte, eine „Freie Evangelische Volkskirche, in der christliche Frömmigkeit und christliches Gemeindeleben besser aufgehoben sein soll als zuvor", als eine Gefahr für den
EBD., pag.32, vgl. pag.6. EBD., pag.190. 54 EBD., pag.116. 55 Im Blick auf eine Demokratisierung der Kirche durch Einführung von Urwahlen und des Frauenwahlrechts gibt Pfarrer KRAUSE aus Liamo/Westpreußen zu bedenken, Konzessionen an den Zeitgeist seien für die Kirche nie heilsam: „Bei der zunehmenden Unkirchlichkeit wäre die Nachäffung des allgemeinen, gleichen etc. Wahlrechts durch die evang. Kirche der T o d der Glaubenskirche" (EBD., pag.159). 56 D e n Präambelstreit um den Bekenntnisvorspruch zur Verfassung kann man als - freilich gründlich missglückten - Versuch werten, das bekenntniskirchliche Element auf volkskirchlicher Ebene zu verankern (vgl. dazu unten S.102. - Auch weiterhin war die Sehnsucht nach der Bekenntniskirche lebendig; sie erst könne nämlich das Staatskirchentum beenden. Prof. HILBERT (Leipzig) gebrauchte dafür folgendes Bild: „Die Kirche kann nicht mehr wie ein Weichtier in fremde Schalen sich bergen; sie muß in sich selbst ein Rückgrat bilden" (PrBl 59, 1926, Sp.466). 57 Vgl. dazu Chr. SCHWÖBEL, Rade, 1980, S.200ff.; DERS., Rade, 1985, S.170. 52 53
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Bestand des landeskirchlich verfassten Kirchenregiments. „Jetzt oder nie", so heißt es nämlich in dem Aufruf von RADE zur Bildung von Volkskirchenräten, „mag die Pastorenkirche der Laienkirche, die Konsistorialkirche der Gemeindekirche weichen. Jetzt oder nie mag zwischen den ,Kirchen' und ,Sekten' die Schranke fallen. Jetzt oder nie mag den Frommen, Sinnigen, Einsamen unter den Kirchenfremden eine Tür sich öffnen zu ungeahnter Gemeinsamkeit, zu fröhlichem Geben und Nehmen. Keine charakterlose Union, kein Religionsgemenge: ein großer Rahmen nur die Kirche, innerhalb dessen religiöses Leben der mannigfaltigsten Art Raum hat, je bewußter, treuer, imponierender desto besser." 58 Diesem öffentlich vorgetragenen Programm sollte nun durch den Geschäftsführer des Vertrauensrates ebenfalls öffentlich begegnet und widersprochen werden. Zwar wollte man gern mit allen Gruppen zusammenarbeiten, die die Neuordnung der Kirche der einheitlichen Führung der Zentralbehörde überließen und die im Dienst der Einheit und Geschlossenheit der Landeskirche standen. Aber in den ersten Tagen der Revolution fürchtete man nebst Adolf HOFFMANN nichts mehr als kirchliche Zersplitterung und eigenmächtiges Vorgehen von selbsternannten kirchlichen Einzelkämpfern. Die Sache drängte offenbar so sehr und schien so brisant, dass Dibelius eigenmächtig und ohne Auftrag 5 9 zur Feder griff. Mit der Uberschrift „Volkskirchenräte" nahm er auf der ersten Seite der dritten Folge seiner ,Mitteilungen' vom 30.12.1918 den kirchlichen Gegner ins Visier. Ohne genau über die Hintergründe und Zielsetzungen dieser Volkskirchenräte zu informieren, ging er zum Angriff über gegen alle Organisationen, die „unbekümmert um Rechte und Pflichten der verfassungsmäßigen Organe" handeln, „wenn sie kirchliche ,Notabeinversammlungen' 6 0 zur Gründung einer ,Freien evangelischen Volkskirche' für 58 M . RADE in seinem Gründungsaufruf in der ,Christlichen Welt' a m E n d e des Jahres 1918 ( C h W 32, 1918, Sp.499). 59 D e r Artikel in den ,Mitteilungen' war bereits im D r u c k , als Dibelius sich für seinen Vorstoß in der Sitzung des Werbeausschusses am 30.12.1918 Rückendeckung geben ließ: „ D e r Vorsitzende berichtet über Bestrebungen, unter Beiseiteschiebung der verfassungsmäßigen O r g a n e der Kirche eine .Freie evangelische Volkskirche' zu gründen. D e r Werbeausschuß billigt, daß der Geschäftsführer zu diesen Versuchen durch einen warnenden Artikel in N r . 3 der Mitteilungen Stellung g e n o m m e n hat." (vgl. E Z A BERLIN, 7/953, pag.14) A u c h von kirchenamtlicher Seite bekam Dibelius nachträglich für seinen Artikel Schützenhilfe, als der Geistliche Vizepräsident des E O K LAHUSEN schrieb: „... so erfreulich das Reden und Arbeiten, das Miteinanderraten und -planen in der Kirche ist, - mich dünkt, es droht auch eine Gefahr, und zwar eine ähnliche Gefahr, wie sie uns im vaterländischen Leben viel Unheil gebracht hat... Ist die Kirche des Worts nicht wieder in Gefahr, eine Kirche der Worte zu werden, wie man gesagt hat? ...Wir wollen miteinander u n d voneinander lernen. U n d die Kirche soll ja nicht von oben gemacht werden, sondern aus der Mitte unseres christlichen Volkes heraus entstehen. N u r daß die einzelnen nicht nach ihrem eigenen Sinn zu bauen anfangen, bevor die großen schweren Fragen geklärt sind! D a n n könnte schließlich das Ergebnis sein: lauter einzelne kleine Kirchlein, Vereine u n d Gemeinschaften z u m Segen für einzelne F r o m m e , aber die evangelische Kirche wäre dem großen deutschen Volksleben gegenüber einflußlos und machtlos. So hätten ja die Feinde der Kirche ihr Ziel erreicht" (Neujahrsansprache in: Mitteilungen N r . 5 v. 20.1.1919). 60 „Notabelnversammlungen" nannte man sonst die Zusammensetzung der synodalen Organe in der alten, nun als überholt geltenden Kirche. Dibelius spielt hier darauf an, dass Martin
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ganz Deutschland ausschreiben" 61 . Dibelius meinte, der Segen erwünschter kirchlicher Mitarbeit von Gemeinden und freien Organisationen werde sich in Gestalt der Volkskirchenräte in einen Fluch verkehren, der für die Gesamtkirche „unermeßlichen Schaden" anrichte. In hervorgehobenem Drucksatz stellte der Geschäftsführer dann diesen Absichten die Grundsätze wirklich „fruchtbare(r) Arbeit" entgegen: Das Vorgehen der Volkskirchenräte „verstößt gegen die beiden Grundsätze, von denen die kirchliche Arbeit dieser Tage unbedingt beherrscht sein muß: Wahrung der kirchlichen Einheit und Wahrung des Rechtszusammenhanges zwischen dem Neuen und dem Alten!" Aufschlussreich sind dann die Begründungen für diese beiden Grundsätze der Wahrung kirchlicher Einheit und der rechtlichen Kontinuität: im einen Fall werden die Grundsätze mit der düsteren Zeitlage begründet, im anderen Fall ist in der ungeklärten Machtfrage innerhalb des Staates und in der noch ungeklärten Zuordnung von Staat und Kirche die Begründung für diese Grundsätze zu sehen. „Nur eine einige Kirche kann den Riesenaufgaben gerecht werden, die Gott der Herr in einer Zeit beängstigender Verwirrung des inneren Volkslebens der Kirche befohlen hat!" Und: „Wer eigenmächtig etwas Neues schafft, gibt einem Staat, der sich von der Kirche trennen will, die willkommene Waffe in die Hand: Die neue Kirche ist die alte nicht mehr, gegen die ich Verpflichtungen eingegangen war; die neue Kirche ist die alte nicht mehr und hat daher kein Recht mehr auf den kirchlichen Besitz; mein ist alles, was bisher der Kirche war!" 6 2 Die Begründungen für die Einheit und Rechtskontinuität kirchlicher Neuordnung bezieht Dibelius von den außerkirchlichen Größen „Volk" und „Staat" und definiert damit „Kirche" als eine immer schon und immer noch und jetzt erst recht an Volk und Staat gewiesene und gebundene Institution. Mit der innerkirchlich disziplinierenden Forderung nach einem die Einheit und Rechtskontinuität wahrenden Vorgehen der Kirche sind zugleich weitere Implikationen verbunden: zum einen muss in der Auseinandersetzung mit dem Staat auf die
RADES liberal-protestantische .Christliche Welt' zusammen mit den dem Pietismus und der Gemeinschaftsbewegung nahestehenden Münsteraner Professoren Otto SCHMITZ und Karl HEIM die Einberufung eines allgemeinen Kirchentags forderte, auf dem und von dem aus dann die Weichen zu innerkirchlichen Reformen zu stellen seien. Dibelius dreht unterschwellig den „Spieß" um, indem er suggeriert, dass mit einem solchen Kirchentag, solchen „Notabelnversammlungen", nicht etwas Neues in der Kirche entstehe, sondern das Alte und Gewesene nur in neuem Gewand fröhliche Urständ feiere. - Tatsächlich waren es bemerkenswerte und klangvolle Namen, mit denen schon zu Anfang zur Bildung von Volkskirchenräten aufgerufen wurde: z.B. Prof. D . O t t o BAUMGARTEN (Kiel), Prof. D . Martin DIBELIUS (Heidelberg), D . Erich FOERSTER (Frankfurt a.M.), Prof. D. Wilhelm HERRMANN (Marburg), Prof. D. Adolf JÜLICHER (Marburg), Johannes KÜBEL (Frankfurt), Dr. Max MAURENBRECHER (Weimar), D. Friedrich NAUMANN (Berlin), O t t o NUSCHKE (Berlin), D. Rudolf OTTO (Marburg), Prof. D. Martin RADE (Marburg), Pfarrer RLEMENSCHNEIDER (Nordhausen), D . Walter SIMONS (Marburg), Lie. Friedrich SLEGMUND-SCHULTZE (Berlin), Dr. Wilhelm STAPEL. 61 Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918. 62 EBD.; fast wortgleich finden sich die Ausführungen, ebenfalls aus dem Dezember 1918 stammend, in: Die Trennung von Kirche und Staat, S.19.
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Wahrung des Besitzstandes der Kirche geachtet werden63; zum anderen verzichtet die Kirche gegenüber dem Staat nicht auf die Macht des Rechtes64; zum dritten ist Dibelius der Meinung, dass die Kirche in Wahrung ihrer eigenen Rechtskontinuität auch den revolutionären Staat auf seine Rechtskontinuität behaften und damit die staatliche Revolution wenn nicht verhindern, so doch mildern und bremsen kann. Der Staat, der sich seinem revolutionären Programm zufolge von der Kirche trennen wollte, wird nun seinerseits von der Kirche gebunden, so dass letztlich die Kirche vom Staat, aber nicht der Staat von der Kirche getrennt sein wird. Eine geschlossene, nicht in einzelne Teile gespaltene und zerstrittene Kirche wird dadurch innerhalb der gesellschaftlich relevanten Gruppen zu der - einzigen Macht, die die totale Revolution verhindern kann. Der Revolution ist - dank der Kirche - ihre revolutionäre Spitze abgebrochen, sie hat ihre anfänglich Furcht und Schrecken einflößende Wirkung verloren. Ein revolutionärer Staat, der das Trennungs-Programm auf seine Fahne geschrieben hat, darf nicht auch noch die Kirche revolutionieren; und die Kirche selber muss allen innerkirchlich-revolutionären Ansätzen entschieden entgegentreten. Mit der Abwehr der befürchteten Revolution in der Kirche versuchte man so zugleich auch die das überkommene Recht bewahrenden Tendenzen im Staat zu fördern: die Kirche darf auch nicht von innen her in den Sog der Revolution gerissen werden, sie selber schreibt sich sogar die Aufgabe zu, die Wirkungen der Revolution auf Volk und Staat zu begrenzen. „Es gibt nur ein solches Bollwerk: das ist die Kirche!" 65 Dibelius war in dieser Hinsicht von der Gefährlichkeit der VolkskirchenratsBewegung überzeugt. Mit einem Appell schließt deshalb der Artikel des Geschäftsführers gegen die Volkskirchenräte: „in dieser entscheidenden Stunde (nicht) Zeit und Kraft an Aussichtslosigkeiten zu verschwenden, deren Ende Verärgerung und Zerrissenheit ist. Darum laßt uns die junge Freudigkeit der ,Volkskirchenräte' nicht an zwecklose und gefährliche Projekte verausgaben, sondern laßt uns sie anleiten, daß sie Arbeit, fruchtbare Arbeit tun!" 66
63 Wer der Kirche die Waffen einer klaren Rechtsgrundlage „aus der H a n d schlägt, gefährdet den gesamten Besitz der Kirche. Wer eigenmächtig neue Kirchengebäude zu zimmern versucht, belastet sich mit einer Verantwortung, die er nicht zu tragen imstande ist!" (EBD.) M a n wollte damit dem Staat nicht den V o r w a n d für die Behauptung zuspielen, die Kirche habe sich selber aus dem staatskirchen-rechtlichen Gefüge verabschiedet und selber die Trennung v o m Staat herbeigeführt. Dies hätte Folgen auf dem vermögensrechtlichen Gebiet haben können - so argumentierte auch Prof. KAHL noch auf der außerordentlichen Generalsynode 1920 (vgl. Generalsynode 1920, S.442). 64 „... auch das Recht ist eine Macht. Eine Kirche, die sich auf eine klare Rechtsgrundlage stützt, wird im K a m p f mit einem kirchenfeindlichen Staat nicht so leicht unterliegen" (EBD.). 65 D i e Trennung von Staat und Kirche, 1919, S.14. - GenSup. KESSLER kritisierte diese Schrift: nicht wenige historische Irrtümer, zu spezielle Weissagungen, teils zu viele, teils zu wenige Forderungen (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.103). 66 Mitteilungen N r . 3 V. 30.12.1918.
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Schon Anfang Dezember 1918 versuchte Dibelius brieflich 67 , Martin R A D E von seinem Vorhaben abzuhalten. Auch hier wird die Wahrung der Rechtskontinuität begründet mit der Notwendigkeit der Sicherung des kirchlichen Besitzstandes und deshalb nachdrücklich die innerkirchliche Einheit beschworen68. Reichte dieser Brief gleichsam noch die Hand zur gemeinsamen Arbeit an derselben Sache, so war der zweite Brief von Dibelius, geschrieben zur Zeit der Abfassung des Artikels gegen die Volkskirchenräte in den Mitteilungen', weit ernster gehalten und warnte noch einmal eindringlich vor unkontrollierbarem kirchlichem Wildwuchs und kirchenregimentlicher Anmaßung der Volkskirchenräte: „Wir brauchen nicht Streit und Verärgerung und Verschwendung von Kräften an eine völlig aussichtslose Sache, sondern Kräfte zu gemeinsamer Tat und Aufrechterhaltung der Einheit."69 Postwendend antwortete R A D E am 31.12.1918, wohl noch in Unkenntnis des ganz auf Konfrontation eingestellten Gegenartikels in den ,Mitteilungen', und stellte gekränkt klar: „Ich denke 1. nicht daran, die Einheit der Kirche zu gefährden, im Gegenteil. Ich bin 2. durchaus dafür, daß die neue Kirche den Rechtszusammenhang mit der alten nach Kräften wahre." 70 R A D E zeigte sich allerdings nicht davon überzeugt, dass von Berlin aus der Wille zur Einberufung eines demokratisch repräsentativen Volks-Kirchentags oder einer verfassunggebenden Kirchenversammlung zu erwarten sei, und äußerte die Sorge, „daß mit konsistorialen Künsten die Kirche um eine große Frucht von der Katastrophe gebracht wird" 71 . Es ist letztlich nicht auszumachen, inwieweit der scharfe Gegenartikel von Dibelius gegen die Volkskirchenräte dazu beitrug, dass das Programm der Volkskirchenräte in der Folgezeit - im Gegensatz zu der Arbeit der Volkskirchenbünde72 - keine bedeutende Rolle 73 mehr spielte. Ein Grund ist wohl darin zu 67 Dibelius an RADE V. 5 . 1 2 . 1 9 1 8 , zit. in J. RATHJE, Welt, 1952, S.261; vgl. G . MEHNERT, Kirche, 1959, S.127f. 68 W i e eine A n t w o r t darauf liest sich der Satz RADEs in der letzten N u m m e r der ,Christlichen Welt' im Jahr 1 9 1 8 ( C h W v. 26.12.1918): „Und w i r wünschen durchaus, daß die neue Volkskirche sich als Rechtsnachfolgerin der alten durchsetzen möge, damit alles, was diese an billigen Ansprüchen hat, auf jene übergehe." D o c h dann fährt RADE fort: „Wir n u r können es nicht f ü r unsere besondere Aufgabe halten, diese konservierende Tendenz zu verstärken" ( C h W 32, 1 9 1 8 , Sp.499). 69 Dibelius an RADE v. 2 8 . 1 2 . 1 9 1 8 , zit. in ]. RATHJE, Welt, 1952, S.262; vgl. A.NAGEL, Rade, 1996, S.176. 70 RADE an Dibelius v. 3 1 . 1 2 . 1 9 1 8 (EBD.). Die .Christliche Welt' bejaht in einem Artikel v o n H. STAHN ebenfalls die beiden Grundsätze und verweist darauf, dass in dem Vorschlag eines pommerschen Pfarrers ein ganz anderer Sprengstoff enthalten sei. Dessen Vorschlag ging dahin, die Landeskirche aufzulösen und mit entsprechender Vermögensbeteiligung aufzuteilen in eine lutherische, eine reformierte und eine liberale Richtung (vgl. C h W 33, 1 9 1 9 , Sp.87-90). 71 J. RATHJE, Welt, 1952, S.263. 72 In den Mitteilungen N r . 8 v. 12.3.1919 berichtet Dibelius - auf G r u n d einer Zuschrift aus Königsberg v. 2 2 . 2 . 1 9 1 9 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.31) - lobend und aufmunternd über die Ausweitung der Volkskirchenbund-Bewegung, namentlich in Ostpreußen und Hannover. - A u f einen im Kirchenkreis Wittenberge/Brandenburg „lückenlos organisierten" Volksbund konnte Sup. SCHOWALTER am 2 1 . 3 . 1 9 1 9 verweisen (EBD., pag.214).
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sehen, dass diese Bewegung größtenteils auf die akademisch-universitäre Ebene 74 beschränkt blieb. Ein weiterer Grund lag sicherlich auch in der alle selbständigen Initiativen geschickt neutralisierenden und klug integrierenden Sammlungspolitik des E O K , ferner in seinem Entschluss, sich die Forderung nach Einberufung eines gesamtprotestantischen Kirchentages 75 und einer verfassunggebenden Kirchenversammlung in Preußen zu Eigen zu machen 76 . Der in den Volkskirchenräten vermutete revolutionäre Sprengstoff für den Bestand der Landeskirche war entschärft. Der kirchliche Liberalismus, der in der Revolution von 1918 weit mehr eine kirchliche Chance als nur eine lästige Krise oder bedrohliche Katastrophe sah, konnte sich nicht auf breiter Ebene durchsetzen. Martin RADE zog sich deshalb wieder aus der unmittelbaren Kirchenpolitik 77 zurück und wandte sich als Abgeordneter der D D P der staatlich-säkularen
73 Von der Delegiertenversammlung des schlesischen Pfarrvereins wurde z.B. berichtet, dass dort „alle Bestrebungen über Volkskirchenräte, Volkskirchentage u. dgl. abgewiesen und der Neuaufbau auf Grund der den heutigen Verhältnissen entsprechend umgeänderten Kirchengemeinde- u. Synodalordnung gefordert" wurde; der Vertrauensrat solle die Neuordnung der Kirche baldmöglichst in Angriff nehmen, „damit alle wilden Reformbewegungen, die am liebsten alles Bestehende über den Haufen werfen wollen, beizeiten abgedämmt werden" (EBD., pag.60, Schreiben an Dibelius v. 30.1.1919).- Pfarrer RIEMENSCHNEIDER aus Nordhausen/Harz, der selber den Gründungsaufruf für die Volkskirchenräte unterschrieben hatte, berichtet am 3.4.1919, dass vier seiner Amtsbrüder die Bildung eines Volkskirchenbundes abgelehnt hätten mit der Begründung, „es sei von oben her vor Neugründungen gewarnt und diese Warnung sei noch nicht zurückgenommen worden" (EBD., pag.202). 74 Abwegig erscheint deshalb auch die Bemerkung von G . WlRTH, die Bildung von Volkskirchenräten sei ein Vorgang gewesen, „dessen Nähe zur Bildung und zur Aktion der Arbeiterund Soldatenräte unverkennbar" sei (G. WlRTH, Kirche, 1988, S.24). - Zeitlebens hegte Dibelius, wohl aus dieser Ur-Erfahrung der Auseinandersetzung mit den universitären Befürwortern von Volkskirchenräten, das Vorurteil, zumindest den Verdacht, dass die akademischen Lehrer der Theologie keinen Sinn für die empirische Gestalt und die realen Verantwortungen der „Kirche" hätten. 75 „Die der Kirche drohenden schweren Gefahren ließen das sehnsüchtige Verlangen nach Einheit mächtiger denn je hervortreten. Die Volkskirchenbewegung griff die Frage auf. Der Gedanke einer kirchlichen Nationalversammlung wurde laut. Die Berufung eines Kirchentages wurde in weiten Kreisen als unumgängliches Bedürfnis empfunden.... Der Kirchenausschuß hat die Anregung sofort aufgenommen" und die Vorbereitung des Kirchentages in rechtlich gesicherte Bahnen gelenkt in dem Bestreben, „daß für die Wahrung der gemeinsamen Interessen aller im Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß bisher bereits zusammengeschlossenen Landeskirchen sobald wie irgend möglich eine einheitliche rechtlich geordnete Vertretung geschaffen werden müsse, die von dem Vertrauen des ganzen evangelischen Volkes getragen ist" (Auf dem Wege zu einem deutschen evangelischen Kirchentag, in: Mitteilungen Nr.10. v. 15.5.1919). 76 Die behördliche Vorbereitung durch den E O K zog sich in den Augen vieler zu lange hin. In einem „Notschrei" aus Posen v. 23.12.1918 wurde die Forderung erhoben, dass noch vor der Wahl zur Nationalversammlung die Generalsynode und die Provinzialsynoden einzuberufen seien, von denen dann erst die kirchlichen Behörden ihr Mandat erneuern lassen müssten: „man hört hier das bittere Wort, die Behörden wollten sich künstlich durch die Vertrauensräte im A m t erhalten, es bliebe beim alten Fortwursteln etc. (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.168). 77 A n M. RADE und dem Standortwechsel seines kirchenpolitischen Handelns könnte man gut exemplifizieren, was das zunächst undeutliche und vieldeutige Wort „Kirchenpolitik" in den drei von J . MEHLHAUSEN dargebotenen Definitionen heißt und wie diese Definitionen bestätigt
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Politik zu, ohne dabei die Kirche aus den Augen zu verlieren, freilich auch ohne den weiterhin misstrauischen Blicken aus den Reihen der führenden Kirchenmänner entzogen zu sein. Jedenfalls konnte Dibelius bereits im Frühjahr 78 1919 mit Genugtuung auf das Scheitern der Bewegung der Volkskirchenräte verweisen: „Wer gemeint hatte, über die offizielle Kirche mit ihren rechtlich gesicherten Einrichtungen und Körperschaften hinwegschreiten und in freien Organisationen aus eigenem Recht eine neue, freie Volkskirche gründen zu können, der sah sich bald enttäuscht." 79 Die Volkskirchenräte-Bewegung habe ihr Ziel in „eine(r) Art ecclesia invisibilis", die nur auf unsicherem Rechtsboden vorzustellen sei 80 ; demgegenüber habe sich nun die sichtbare Kirche bewährt und durchgesetzt: „so ist der wichtigste Gewinn für das kirchliche Leben in den ersten Monaten nach der Revolution nicht etwa eine neue Führung der Gemeinden und der Kirchen durch freie volkskirchliche Organisationen gewesen, sondern im Gegenteil eine Neubelebung der organisierten Kirche, unabhängig von der volkskirchlichen Bewegung in ihren mannigfaltigen Formen." 8 1 Die Volkskirchen-Bewegung habe insgesamt zur Belebung der Gemeinden beigetragen, das erkennt Dibelius an. Aber alles, was in ihr an neuem, eigenständig-programmatischem Gedankengut enthalten war, wurde von der pragmatischen Politik des institutionellen Kirchenwesens entweder adaptiert oder abgewehrt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das im August 1919 von Johannes SCHNEIDER herausgegebene ,Kirchliche Jahrbuch' die ursprünglich als so gefährlich eingeschätzten Volkskirchenräte keiner ausdrücklichen Erwähnung mehr für wert hielt 82 . Wie zwischen Szylla und Charybdis musste Dibelius als Geschäftsführer des Vertrauensrates das Schiff der Kirche hindurchsteuern und einen Mittelkurs halten - zwischen den bekenntnisorientierten Bestrebungen, die keine Konzessionen an den Zeitgeist zuzulassen bereit waren, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite der Forderung nach einer freien und freigeistigen Volkskirche, die einer konsequenten Demokratisierung der Kirche von unten das Wort redete. Dibelius setzte deshalb kompromisslos auf die Stärkung des bestehenden institutionellen und zentralistischen Kirchenregiments und verteidigte diese Option mit dem Argument, dass jede andere noch so gut gemeinte Bekenntnis-orientierte oder Demokratie-inspirierte Programmatik eine Schwächung der kirchlichen Powerden und ihre Entsprechung finden auch in diesem geschichtlichen Kontext (vgl. J. MEHLHAUSEN, Kirchenpolitik, 1988, S.275-302). 78 Vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.232: Mit Datum vom 30.4.1919 zeigte Friedrich THIMME, der Bibliothekar des Herrenhauses, die erfolgte Drucklegung des von ihm herausgegebenen Sammelwerkes „Revolution und Kirche" an und dankte Dibelius für die „mir außerordentlich wertvolle Mitarbeit". THIMME plante die Herausgabe eines weiteren Sammelbandes unter dem Titel „Christentum und Sozialismus", der allerdings nicht mehr zur Ausführung kam. 79 Volkskirchenräte, 1919, S.207. 80 EBD., S.209. 81 EBD., S.208. 82 Vgl. K J 46, 1919, S.324.
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sition dem Staat gegenüber zur Folge habe. Das Ziel, das unter allen Umständen erreicht werden sollte, war ein verbindliches Arrangement einer selbständigen Kirche mit dem Staat, um einem wie auch immer gearteten Diktat des Staates zu entgehen. Die Grundsätze der Einheit der Kirche und ihrer Rechtskontinuität standen dabei im Dienst jener Anschauung, die sich in diesen Tagen bei Dibelius herauszubilden begann, dass nämlich Kirche nicht aus ihrem eigenen Wesen 83 gestaltet werden müsse oder könne, sondern dass das Kirche-Sein der Kirche, ihre innere und äußere Schwäche oder Stärke, sich allein in ihrer rechtlichen und institutionellen Stellung gegenüber dem Staat erweise. Die doppelte innerkirchliche Gefahr, die von den Bekenntnisgruppen für die volkskirchlich geprägten Gemeinden, dann aber besonders von Seiten der Volkskirchenräte 84 für den Bestand der verfassten Landeskirche drohte, schien zunächst gebannt. N u n galt es, auch den Feind außerhalb der Kirche ins Visier zu nehmen. Zum einen ging es dabei um die vorläufige Revolutions-Regierung, die die Kirche besonders in der Frage des kirchlichen Religionsunterrichts an den Schulen durch die Erlasse der beiden preußischen Kultusminister Konrad H A E N I S C H und Adolf H O F F M A N N auf den Plan rief. Zum andern bot sich die Gelegenheit, im Für und Wider gegenüber den Parteien Einfluss auf die bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung und zur Preußischen Landesversammlung zu nehmen. 1.5 Der Religionsunterricht und die Schulfrage Die Revolutions-Parole: „Trennung von Staat und Kirche" sollte durch die beiden Schul-Erlasse der preußischen Kultusminister vom 27. und 29. November ihre erste Konkretion erfahren. Trennung von Staat und Kirche hieß hier: Trennung von Kirche und Schule. Der erste Schul-Erlass ordnete die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht bzw. der geistlichen Ortsschul-Inspektion 85 an. Nament83 Erst nachdem absehbar war, dass die rechtliche und institutionelle Existenz der Kirche auch im neuen Staatswesen als gesichert gelten konnte, erklärte Dibelius: „Ist aber die Kirche eine Größe eigener Art, so muß sie auch ihre Verfassungsformen aus... ihrem eigenen Wesen heraus entwickeln." (Evangelische Grundsätze [1919/20], S.5). Die Kirche als „eine Größe eigener A r t " in ihrem Gegenüber z u m Staat ist also der „aus ihrem eigenen Wesen" zu entwickelnden Verfassungsform vorgeordnet; der rechtliche und institutionelle Status der Kirche hat Priorität vor ihrer eigenen Ordnung und Gestalt, Verfassungsform und Verfassungsnorm. 84 „Für ,Volkskirchenräte' u. dgl. ist in den Gemeinden nur unter der Voraussetzung Platz, dass sie ordnungsmäßig gebildete Hilfsorgane des Pfarrers und der kirchlichen Körperschaften sind, denen von diesen ein bestimmter Kreis von Aufgaben zugewiesen wird" (Die Arbeitsorganisation der Einzelgemeinde, in: Mitteilungen N r . l l v. 20.6.1919). 85 Die geistliche Schulaufsicht bedeutete die Aufsicht der Ortsgeistlichen über den von den Lehrern an den Volksschulen erteilten Religionsunterricht. Ein Amtsbruder schrieb an Dibelius: „Ich bin Lehrerssohn und weiß, wieviel Widerspruch diese überlebte Einrichtung in Lehrerkreisen findet" ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.136); „soll die Kirche leiden u. schweren Schaden nehmen durch die .Tausende von Pfarrern', die .sich krampfhaft an diese Einrichtung (geistl. Ortsschulinsp.) klammern'?" (EBD., pag.135; die zuletzt als Zitat gekennzeichneten Worte stammen offenbar aus einer Zuschrift von Dibelius) - Mit der Revolution sah der Preußi-
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lieh der zweite Erlass sah vor, den konfessionellen Religionsunterricht als ein für Schüler und Lehrer verpflichtendes und verbindliches Lehrfach zu streichen, das Schulgebet und religiöse Feiern in der Schule abzuschaffen. Eine nachgeschobene ministerielle Erklärung legte abmildernd den Sinn dieser Maßnahmen daraufhin aus, dem Religionsunterricht an der Schule einen absoluten Freiwilligkeitscharakter zu geben und von der Schule jeglichen religiösen, aber auch jeglichen antireligiösen Gewissenszwang fernzuhalten 86 . In den Forderungen, die der Werbeausschuss am 10. Dezember 1918 formulierte, heißt es dagegen: „Wir wollen, daß bei jeder Verhältnisform von Staat und Kirche unser öffentliches Schulwesen auf der Grundlage christlicher Bildung und Gesittung staatsrechtlich gesichert und der Religionsunterricht das Herzstück der gesamten Schulerziehung bleibt. Eine öffentliche Erziehung, deren Mittelpunkt ein religionsloser Moralunterricht ist, erscheint völlig unzureichend und zersetzend für die Grundlagen unserer deutschen Kultur." 8 7 Bereits in der zweiten Nummer seiner ,Mitteilungen' nahm sich Dibelius selber dieses Themas an. Die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht billigte Dibelius 88 ebenso wie die Aufhebung der Verpflichtung für die Lehrer, Religionsunterricht erteilen zu müssen (Erlass vom 29.11.1918). Doch ließ er keinen Zweifel daran, dass besonders der zweite Schul-Erlass die religions- und kirchenfeindliche Politik des Kultusministeriums offenbare. Als unumstößliche „Tatsache" habe zu gelten, „daß der Erlaß in seiner Gesamtheit nichts Geringeres ist als ein Attentat auf die deutsche Schule in ihrer geschichtlich gewordenen Gestalt, ja ein Attentat auf die Grundlagen unserer christlich-deutschen Kultur" 8 9 . Die behauptete kirchenfeindliche Tendenz des Erlasses wird in Dibelius' Beurteilung also sogar noch dadurch überboten, dass mit diesem Erlass nicht nur die Kirche getroffen werde, sondern „die deutsche Schule" und die „christlich-deutsche Lehrerverein endlich die Zeit gekommen, da man das Joch der kirchlichen Aufsicht innerhalb der Schule abschütteln und die Schule aus ihrer babylonischen Gefangenschaft (vgl. Psalm 126) befreien und in die weltliche Freiheit entlassen könne: „dann reifen alte Blütenträume, und langgenährte Hoffnungen erfüllen sich; dann wird unser Herz voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein." (zit. in: Der Kampf um die evangelische Schule in Preußen, 1920, S.19). - D a die Weimarer Republik kein Reichsschulgesetz erlassen konnte, setzte sich die Auseinandersetzung um die kirchliche „Einsichtnahme in den Religionsunterricht" fort, die der Berliner Lehrerverein als „Glaubenskontrolle" scharf ablehnte (vgl. Preußische Lehrerzeitung v. 6.8.1932 und Der Tag v. 29.10.1932). - Eine überzeichnende Darstellung der geistlichen Schulaufsicht bietet R. KÜHNL, Weimarer Republik, 1985, S.129ff. 86 Ergänzende Anweisung v. 18.12.1918 zu dem Schul-Erlass; der Erlass mit dieser ergänzenden Anweisung wurde im Wortlaut abgedruckt in: Mitteilungen Nr.2 v. 23.12.1918. Dibelius gab in denselben ,Mitteilungen' die agitatorisch-einseitige Interpretation des Erlasses durch den „Evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen" wieder; darin heißt es: „Nicht im Zeichen der Religions- und Gewissensfreiheit segelt diese Verfügung, durch die die gesetz- und verfassungsmäßigen Grundlagen des gesamten Volksschulunterrichts in Preußen geändert werden, sondern im Zeichen einer nur wenig verhüllten Feindschaft gegen Religion und Christentum überhaupt." 87 Der Kampf um die evangelische Schule in Preußen, 1920, S.17. 88 Vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag. 135. 89 „Für die christliche Schule!" (Mitteilungen Nr.2 v. 23.12.1918, die folgenden Zitate EBD.).
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sehe Kultur" auf dem Spiel stehe und dass damit ein „Volk, das zu neun Zehnteln christlich denkt und christlich empfindet, in unerhörter Weise vergewaltigt" werde. Die Kirche, zu deren Sprachrohr sich Dibelius hier macht, übernimmt damit die Anwaltsrolle für die deutsche Schule und die christlich-deutsche Kultur. Wieder wird zu diesem Zweck die Einheit und Geschlossenheit aller evangelischen Christen beschworen, ja schon als gegeben behauptet: „In tausend anderen Fragen zersplittert sich die evangelische Kirche in ein Vielerlei der Meinungen. In dieser Frage sind die evangelischen Christen alle eins. O b positiv oder liberal, ob lutherisch oder reformiert, ob in Stadt oder Land, ob in Ost oder West - zu einer Kampffront treten wir alle zusammen und nehmen den Fehdehandschuh auf, den man uns hingeworfen hat. Wir wollen kämpfen, kämpfen mit allen Mitteln, um die deutsche christliche Schule!" Denn, so begründet Dibelius seinen Kampfruf, es geht nicht nur um die Kirche, es geht um den Bestand oder den Untergang des Volkes und seiner Kraft. Die Schulerlasse dienten Dibelius so als Anlass oder gar als Vorwand, die in der evangelischen Bevölkerung weithin bereits verinnerlichten Feindbilder zu verstärken und sich zum Anwalt der deutschen Kultur aufzuspielen und so die revolutionäre Ubergangsregierung zu attackieren: „Eine neue Generation soll heranwachsen im Geist französischer Diesseitigkeit. Geschieht das, dann bricht unseres Volkes innerste Kraft zusammen. Seiner Seele beraubt, steht es haltlos in der Welt. Denn kein Volk kann sich aus eigener Kraft eine neue Weltanschauung geben. Wir stehen innerlich vor dem Nichts. Und Deutschland geht unter - für immer!" Durch Protestversammlungen von Lehrern und Eltern und entsprechenden Resolutionen an das Kultusministerium soll erreicht werden, dass besonders der 2. Schul-Erlass wieder zurückgenommen wird 90 . In Erinnerung an den Kulturkampf und die Kreuzzüge werden sogar der Wille Gottes und die Sache Jesu in Anspruch genommen, um das evangelische Kirchenvolk zur Einheit und zum Kampf zu rufen: „Einst hat Rudolf VlRCHOW das Wort vom .Kulturkampf' geprägt. Es sollte ein Schlagwort sein, das seine Freunde als Kämpfer für die Kultur kennzeichnete und das die Gegner brandmarkte als Kämpfer gegen die Kultur. Wir nehmen das Wort auf in neuem Sinne. Was man jetzt entfesselt hat, ist ein Kampf gegen die Grundlagen der christlich-deutschen Kultur. Wir treten ein in diesen Kampf als Kämpfer für dies von den Vätern ererbte heilige Gut. Wir erheben den alten Kreuzfahrerruf: ,Gott will es! Gott will es!' Es gilt nicht uns und unserer Sache! Es geht um die Königsherrschaft Jesu im deutschen Volk! Kein evangelischer Christ wird zurückbleiben in diesem Kampf! Und der Sieg - der Sieg wird unser sein!" 91 90 A m liebsten hätte es Dibelius gesehen, wenn nicht die Kirchenbehörde, sondern die Bevölkerung mit einem Schulstreik gedroht hätte, um die Regierung zum Einlenken zu zwingen (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.106). 91 Mitteilungen Nr.2 v. 23.12.1918. Bereits am 13.12.1918 schreibt Dibelius an Pastor KLEINOD in Liegnitz: „Die Überführung des Schulwesens in das naturalistisch-materialistische Fahrwasser ist eine Vergewaltigung der christlich gesinnten Eltern, die wir uns nicht gefallen zu
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Mit dieser merkwürdigen Mischung aus Zukunftsangst und Untergangsstimmung, Kulturkampfatmosphäre und Kreuzfahrerbegeisterung versuchte Dibelius hier, die Massen zu mobilisieren gegen eine Revolutions-Regierung, die „die Erziehungsschule zur Lernschule veräußerlicht" und der ehemals christlichen Schule den „Geist des Materialismus" und den „Geist der Diesseitigkeit" 92 einzuimpfen beabsichtigt. Dankbar konnte Dibelius berichten, dass der Berliner Volkskirchendienst bereits Mitte Dezember 800 evangelische Lehrer und Lehrerinnen in die Dreifaltigkeitskirche zu einer Protestkundgebung versammelt habe, bei der auch D. LAHUSEN im Namen des E O K das Wort ergriff93. U m der Sache eine noch größere Durchschlagskraft zu geben, nahm Dibelius selber die Anregung des Berliner Pädagogik-Professors Ferdinand Jakob SCHMIDT94 auf, die Regierung durch eine groß angelegte Unterschriftenaktion unter Druck zu setzen: „Es soll den Machthabern zum Bewußtsein kommen, daß es Millionen sind, die zur christlichen Schule, wie sie bisher bestanden hat, mit festem Entschluß sich bekennen."' 5 Schneller als erwartet, längst bevor Dibelius dieses Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, war schon „der erste Sieg der kirchlichen Bewegung unserer Tage über die kirchenfeindliche Politik der neuen Regierung" 96 zu vermelden. Der Schul-Erlass wurde knapp einen Monat nach seiner Verkündung von Minister HAENISCH wieder zurückgenommen bzw. seine Durchführung „bis zur Entscheidung durch die preußische Nationalversamnmlung" 97 außer Kraft gesetzt.
lassen brauchen und uns um unseres Volkes willen nicht gefallen lassen dürfen. Da muß Fanfare geblasen werden zum Angriff auf der ganzen Linie. Es muß proklamiert werden, daß die Regierung einen Kulturkampf begonnen hat und daß wir den Fehdehandschuh im Bewußtsein unseres höheren sittlichen und geschichtlichen Rechts voll Zuversicht aufnehmen. Je fester wir sind, je rücksichtsloser wir reden und handeln, je mehr wir fordern, um so mehr wird die Regierung, die sich ohnehin in ihrem Sattel nicht besonders sicher fühlt, zum Einlenken bereit sein." (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.106). Schon die Forderungen der Kirche sprechen die Warnung aus vor einem „Kulturkampf mit unübersehbaren Folgen" (vgl. Die Wahlen zur Nationalversammlung, in: Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918). Das Gespenst eines drohenden Kulturkampfes geisterte, auch noch nach dem Rücktritt von Adolf HOFFMANN, immer wieder durch die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche, wodurch die Mehrheitsparteien sich stets zu der Beteuerung veranlasst fühlten, dass ein Kulturkampf weder beabsichtigt sei noch in ihrem Interesse liege. Mitteilungen Nr.2 v. 23.12.1918. EBD. A m 12.1.1919 fand eine zweite Versammlung in der Dreifaltigkeitskirche statt, die dafür eintrat, „daß der Religionsunterricht ein organischer Bestandteil des öffentlichen Schulunterrichts sein und bleiben muß" (Mitteilungen Nr.5 v. 20.1.1919). 94 Die Protest-Resolution von SCHMIDT wird zitiert in: DtPfrBl 23, 1919, S.4 / M. GRESCHAT, Revolutionsjahr, 1974, S.105. 95 Mitteilungen Nr.2 v. 23.12.1918. 96 „Der erste Sieg!" (Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918). 97 Zit. in: Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918. - Mit Blick auf diese kirchliche Siegesmeldung erklärte der Solinger Pfarrer H. HARTMANN, der später zur U S P D stieß, bitter: „Man versteht die neue Zeit noch nicht, man übersieht die Folgen nicht. Man stellt es offiziell als einen Sieg dar, wenn der berüchtigte Erlaß HOFFMANNS über den Religionsunterricht von HÄNISCH wieder zu92 93
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Die von den ,Mitteilungen' vermittelte Siegesfreude galt nicht nur der Aufhebung des Erlasses; Dibelius wollte vielmehr diesen Sieg als einen beispielhaften Erfolg von „Mut und Tatkraft" gewertet wissen und als einen schlagenden Beweis dafür, „daß die Kirche noch eine Macht im Leben des Volkes ist, daß die Bedrohung der Heiligtümer unseres Volkes einen Widerstand auf den Plan ruft, dem die neuen Machthaber sich nicht gewachsen fühlen" 98 . Dibelius suggeriert den Eindruck, als ob die Zurücknahme des Erlasses ganz auf das Konto der evangelischen Kirche ginge", als ob die Kirche als Sachwalterin der „Heiligtümer" des Volkes allgemein anerkannt sei und sich als solche erneut bewährt habe. Bestärkt durch diesen „ersten" Sieg blickt Dibelius nun bereits voraus auf die weiteren Etappen der Auseinandersetzung mit der angeschlagenen Ubergangsregierung. Im Stil eines militärischen Tagesbefehls heißt es bald danach: „Nun gilt es, mit neuer Freudigkeit zu handeln! Eine neue Frist ist uns gegeben. Die Frist muß ausgenutzt, unser Volk muß über den Wert der christlichen Schule mit Ernst und Eifer aufgeklärt werden. Dann wird auch in der Entscheidungsschlacht der Sieg bei unseren Fahnen sein!"100 Dass dabei nicht bloß die restaurativen Kräfte in der Kirche angesprochen, gesammelt und aktiviert werden sollen, sondern dass die politische Siegesfreude in eine allgemeine kirchliche Aufbruchstimmung einmünden soll, gibt Dibelius klar zu erkennen: „Freilich wollen wir nicht nur Altes verteidigen. ...Wir kleben nicht am Alten. Auch wir wollen vorwärts! Doch davon ein andermal!" Fürs erste war, zumindest vorläufig, ein Stein des Anstoßes aus dem Weg geräumt; doch musste die Schulfrage und die Frage des kirchlichen Unterrichts an der Schule in der noch zu wählenden Nationalversammlung und der Preußischen Landesversammlung abschließend geregelt werden. Das Thema „Kirche und Schule"101 wurde so aus der Sicht von Dibelius die öffentlichkeitswirksame Konkretion und der Spezialfall der neuen Verhältnisbestimmung und Zuordnung von „Staat und Kirche", mithin die Nagelprobe auf die kirchenfreundliche oder die kirchenfeindliche Durchführung der Trennung von Staat und Kirche.
rückgenommen wurde. Man weiß nicht, daß HÄNISCH von sich aus den Erlaß zurücknahm, weil er v o n vornherein nicht einverstanden war" ( C h W 33, 1919, Sp.133). 98 Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918. 99 J . JACKE hat überzeugend nachgewiesen, dass die Zurücknahme der schulpolitischen Erlasse (wie auch dann die Suspendierung der Trennungsfrage bis zur gesetzlichen Regelung durch die Nationalversammlung) weniger das Verdienst der evangelischen Kirche war als vielmehr dem Einfluss der katholischen Kirche und ihrer Zentrums-Partei zuzuschreiben ist. Es muss also in dieser Hinsicht von einer „interkonfessionellen Abwehrfront" gesprochen werden (vgl. J . JACKE, Kirche, 1976, S.66ff.). Später weist Dibelius selber auf die Mitwirkung der katholischen Kirche bzw. des Zentrums beim Protest gegen die Schul-Erlasse hin (vgl. Der Schulaufsichtserlaß ungültig, in: Mitteilungen Nr.5 v. 20.1.1919, und: Der Kampf um die evangelische Schule in Preußen, 1920, S.7 u. 13; vgl. auch C h W 33, 1919, Sp.133). 1 0 0 „Der erste Sieg!" (Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918); das folgende Zitat EBD. 1 0 1 Unter dem Stichwort „Kirche und Schule" wurde in der Folgezeit besonders in rechtsstehenden Kreisen das Thema „Kirche und Staat" und die Frage der Trennung v o n Staat und Kirche verhandelt; vgl. z.B. die Rubrik „Kirche und Schule" im .Reichsboten'.
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1.6 Die Kirche steht „über den Parteien " Im Vertrauensrat bestand kein Zweifel darüber, dass bei den für den 19. bzw. 26. Januar 1919 angesetzten Wahlen zur Nationalversammlung und zur Preußischen Landesversammlung auch die entscheidenden Weichen für den weiteren Weg der Kirche gestellt werden. Bald schon kündigte Dibelius deshalb an, dass in seinen .Mitteilungen' als erstes auf die Bedeutung dieser Wahlen hingewiesen werde, dass ferner darin eine politische Parole und kirchliche Forderungen an die politischen Parteien zu lesen seien102. Oberhofprediger v. DRYANDER hat in einer umständlichen Sprache die Forderungen der Kirche formuliert, die dann vom Vorsitzenden des Ausschusses, Direktor EVERLING, noch einmal sprachlich umgearbeitet und sachlich ergänzt wurden 103 . In Fettdruck wird den Forderungen eine Präambel vorangestellt, die von Pfarrer TRAUB redaktionell überarbeitet wurde. Sie lautet: „Es ist nicht Aufgabe der Kirche, sich für eine einzelne, bestimmte politische Partei zu entscheiden. Sie steht über den Parteien. Aber sie wünscht, daß diejenigen Parteien unterstützt werden, die für Recht und Ordnung und für die Interessen der evangelischen Kirche im Sinne der folgenden Forderungen entschlossen eintreten"104. Damit ist zum ersten Mal in der nachrevolutionären Zeit der parteipolitische Standort der Kirche durch eine Kurzformel zum Ausdruck gebracht. Dass diese Formel nicht politische Abstinenz oder Neutralität der Kirche signalisiert, sondern als politische Integrations-Formel mit einem hohen Anspruch auf politischen und gesellschaftlichen Einfluss versehen ist, zeigt die Geschichte der evangelischen Kirche in der ganzen Zeit der Weimarer Republik.
102 „Sie werden dort auch eine Art politischer Parole für die National-Versammlung finden. Die ersten Sätze dieser Losung sind mit wesentlicher Genauigkeit geprüft und festgestellt worden. Die dann folgenden Forderungen, die wir an die politischen Parteien stellen, sind zunächst in einer von DRYANDER herrührenden Fassung gegeben, deren Stoff nicht gerade volkstümlich ist. Es folgt dann eine nochmalige schlagendere Zusammenfassung aus der Feder EvERLINGs" (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.105). 103 „Die Wahlen zur Nationalversammlung" (Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918). Die Forderungen DRY ANDERS werden im Kleindruck wiedergegeben; dass sie überhaupt - im Grunde überflüssigerweise - noch abgedruckt wurden, zeugt mehr von dem Respekt des Ausschusses gegenüber der alten, verehrungswürdigen „Exzellenz" (ein vom König verliehener Titel) als von der öffentlichen Brauchbarkeit seiner Formulierungen. Dibelius berichtet von zeitraubenden Vorarbeiten bei der Formulierung einer „politische(n) Losung" (vgl. EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.91). Im Normaldruck erscheinen dann vier Forderungen in der redaktionellen Fassung von EVERLING: „Wir fordern" die Freiheit der Religionsausübung; „Wir erwarten" die vorgängige Verständigung zwischen Staat und Kirche über die Änderung ihres bisherigen Verhältnisses; „Wir verlangen" die Erhaltung der Kirche als einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit eigenem Besteuerungsrecht, Besitzstandswahrung bzw. ausreichender Entschädigung durch den Staat; „Wir wollen" den Religionsunterricht als das „Herzstück der gesamten Schulerziehung" und die Erhaltung der theologischen Fakultäten. 104 Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918, vgl. Protokoll der Sitzung des Werbeausschusses v. 10.12.1918 (EZA BERLIN, 7/953, pag.7, Hervorhebung durch Vf.).
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung D i e P r ä a m b e l des W e r b e a u s s c h u s s e s , i n d e r i n p r o g r a m m a t i s c h e r W e i s e d e r
K i r c h e e i n S t a n d o r t „ ü b e r d e n P a r t e i e n " 1 0 5 z u g e w i e s e n w i r d , ist e i n e r w e i t e r e n Ü b e r l e g u n g w e r t : Z u n ä c h s t b e d e u t e t dieser V o r s p r u c h e i n e d e u t l i c h e A b g r e n z u n g g e g e n ü b e r d e r k a t h o l i s c h e n K i r c h e : die e v a n g e l i s c h e K i r c h e e n t s c h e i d e t sich n i c h t w i e die k a t h o l i s c h e K i r c h e , die i h r e p o l i t i s c h e V e r t r e t u n g i n d e r Z e n t r u m s p a r t e i hat, f ü r e i n e e i n z e l n e , b e s t i m m t e p o l i t i s c h e P a r t e i . U n t e r d e n v i e l e n P a r t e i e n o p t i e r t sie als K i r c h e w e d e r f ü r e i n e e i n z e l n e P a r t e i n o c h f ü r e i n e bes t i m m t e P a r t e i e n - G r u p p i e r u n g ; sie w ü n s c h t v i e l m e h r , dass d i e k i r c h l i c h gesinnt e n , e v a n g e l i s c h e n W ä h l e r i n n e n u n d W ä h l e r sich f ü r eine P a r t e i e n t s c h e i d e n , d i e ein staatspolitisches K r i t e r i u m (Recht u n d O r d n u n g ) u n d ein kirchenpolitisches K r i t e r i u m (weitgehende K o n g r u e n z mit den Interessen der Kirche) erfüllen. Sie s e l b e r , d i e K i r c h e , s t e h t ü b e r d e n P a r t e i e n , d . h . sie e r h e b t d e n A n s p r u c h , d i e E i n h e i t u n d d e n e i n h e i t l i c h e n W i l l e n eines i n P a r t e i u n g e n z e r r i s s e n e n V o l k e s d a r s t e l l e n z u k ö n n e n , so w i e die R e g i e r u n g i n d e r k o n s t i t u t i o n e l l e n M o n a r c h i e d e s d e u t s c h e n K a i s e r r e i c h e s sich a u c h „ ü b e r d e n P a r t e i e n " s t e h e n d 1 0 6 v e r s t a n d e n w i s s e n w o l l t e . D e r S t a n d o r t „ ü b e r d e n P a r t e i e n " ist z u g l e i c h e i n e E n t g e g e n s e t z u n g gegen d e n n e u e n r e p u b l i k a n i s c h e n P a r t e i e n - S t a a t u n d s u c h t d i e m o n a r c h i sche V e r g a n g e n h e i t a u c h f ü r die r e p u b l i k a n i s c h e Z u k u n f t f e s t z u h a l t e n 1 0 7 .
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1 0 5 Schon in einer Entschließung des Deutschen Evangelischen Gemeindetages, der unter der Leitung von Prof. M . SCHIAN stand, heißt es im November 1918 ganz ähnlich: „die evangelische Kirche steht über den Parteien. Sie will dem Geist des Friedens und der Versöhnung R a u m schaffen. A b e r die Liebe zu V o l k und Kirche zwingt uns, nur solchen Männern und Frauen unsere Stimme zu geben, die für Zucht und Ordnung, Recht und Gerechtigkeit eintreten, die zu unseren Forderungen der Erhaltung der sittlichen Grundlagen des Volkslebens ...eine klare und bejahende Stellung einnehmen" (KJ 46, 1919, S.42). - Leider hat es J . WRIGHT versäumt, in seinem sonst inhalts- und materialreichen Buch, in dem das Schlagwort „über den Parteien" sogar als Buchtitel verwendet wird, den Hintergrund und die Geschichte dieser (bis in die heutigen Tage aktuellen) Formel aufzuhellen. 1 0 6 Vgl. auch J.JACKE, Kirche, 1976, S.428, Anm.73. - Zum Kaiserreich seit 1871: „Das Reich ist ein unvollendeter Verfassungsstaat... W i e vorher in Preussen w i r d das parlamentarische Prinzip nicht verwirklicht. M a n spricht unkritisch von einer ,Regierung über den Parteien' oder kritisch von einer .Kanzlerdiktatur'." (Begleitheft zur Ausstellung „Preußen - Versuch einer Bilanz" [1981] im Kapitel „Preußen und das Reich nach 1871"; vgl. Fragen an die deutsche Geschichte, 1981, S.217). „Auch in der Monarchie sind natürlich Herrschgelüste bestimmter Gruppen keineswegs ausgeschlossen, aber die über den Parteien stehende Regierung w i r d hier i m m e r mehr auf einen Ausgleich der Gegensätze hinzuwirken bestrebt sein, als die Parteiregierung der Demokratie" („Unser Standpunkt zur Monarchie" von Prof. Dr. med. KORFF-PETERSEN, in: A k B l . v. 1.2.1919, S.143). - E. v. DRYANDER sieht in seinen Lebenserinnerungen die evangelische Staatsgesinnung und den monarchischen Staatsgedanken von LUTHER über FRIEDRICH den Grossen bis zu BISMARCK „nicht in wechselnden Parlamentsmehrheiten, sondern in der Person des über allen Parteien stehenden Herrschers geborgen" (Erinnerungen aus meinem Leben, 1922, S.208; vgl. EBD., 1926, S.226). Zum „Mythos vom Kaiser als einem unparteiischen Diener des ganzen Volkes" vgl. auch J . WRIGHT, Parteien, 1977, S.66. 1 0 7 In diesem Sinn proklamierte der DVP-Abgeordnete W . KAHL in der Nationalversammlung: „Wir stehen frei gegenüber der Zukunft, aber treu gegenüber der Vergangenheit". KAHL wünschte nicht einfach die Wiederherstellung der alten Monarchie, sondern die Einsetzung einer „volkstümlich-sozialen Monarchie" auf Grund „ordnungsmäßiger Kundgebung des Volkswillens". In dieser nicht näher bestimmten Staatsform sollte die Monarchie über den Parteien stehen, d.h. ihre Unabhängigkeit von den Parteien wahren, w i e es KAHL dann im Reichstag ausführte:
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kirchliche Motiv für die Proklamation einer Kirche, die „über den Parteien" steht, in Verbindung mit dem Ruf nach der Wiedereinsetzung einer monarchischen Staatsform ist in der Befürchtung zu sehen, der Bestand der Kirche könnte von der Parteipolitik abhängig und die Kirche zwischen den Mühlsteinen widerstreitender Parteiinteressen und wechselnder Parteimehrheiten zerrieben werden. Wenn die Kirche die Selbstprädikation „über den Parteien" auch noch für sich in Anspruch nahm, nachdem sie ihren Platz im demokratischen Parteienstaat gefunden und gesichert hatte, so war sie doch immer auch eine Ersatzformel für die verlorengegangene Monarchie und als solche sowohl eine antirepublikanische Erinnerung an den Monarchieverlust als auch eine vernunftrepublikanische Kompensation dieses Verlustes 108 Die Wendung „über den Parteien" entpuppt sich somit als ein der kirchlichen Bestandssicherung dienendes konservatives Relikt aus der vordemokratischen Zeit des monarchischen Obrigkeitsstaates109. In diesem Sinn ist dann tatsächlich ganz konsequent der monarchische Summepiskopat auf die Kirche übergegangen: Stand seither der Monarch als der Repräsentant der alten obrigkeitsstaatlichen Idee von einer neutralen und wertfreien Staatsmacht „über den Parteien", so tritt nun in der nachrevolutionären Zeit die Kirche an seine Stelle. In dieser Linie ist dann auch die „Vaterländische Kundgebung" des Königsberger Kirchentages 110 von 1927 zu sehen, in der mit der Formel „Die Kirche steht über den Parteien" eine Verbindung der vaterländisch-nationalen Volkstumsbewegung mit einer republikfreundlichen Haltung der Kirche111 angestrebt wurde. „Wir halten die Monarchie für die bessere Staatsform, weil sie eine von dem Parteiwesen unabhängige Staatsgewalt verbürgt und dadurch den Gedanken und das Wesen der Staatsautorität selbst klarer herausstellt." (K. ACHENBACH, Recht, 1972, S.224f.) - N o c h deutlicher brachte die D N V P den antirepublikanischen Affekt im Parteiprogramm vom Dezember 1918 zur Geltung, indem dort für den Staat eine monarchische Spitze als über den Parteien stehender „Faktor der Stetigkeit" angestrebt wird. 108 In der Person des kaiserlichen Feldmarschalls Paul von HlNDENBURG schien diese Haltung repräsentiert zu sein. Auf der Gedenkmünze zur Erinnerung an seine Wahl zum Reichspräsidenten (1925) wurde HlNDENBURGs .Ausspruch tradiert: „Für das Vaterland beide Hände, aber nichts für die Parteien" (vgl. Chr. Graf v. KROCKOW, Die Deutschen, 1992, S.135). 109 In dieser Wendung schwingt auch die Erinnerung an die August-Begeisterung von 1914 mit, in der das seither regional und parteipolitisch zerrissene deutsche Volk zum ersten Mal geeint schien und in der dann Kaiser WILHELM Π. der erstmals erlebten nationalen Geschlossenheit und Entschlossenheit Ausdruck verlieh in dem Ausruf: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!" (vgl. E. JOHANN, Ansprachen, 1977, S.125f.; G. BESIER, Kirchen, 1984, S.ll) Vgl. dazu auch Dibelius' Rückerinnerung nach 50 Jahren in: „Vortrag des Bischofs am 6.8.1964" im Sender RIAS in Berlin gehalten (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, A 5, Auszug in: So habe ich's erlebt, 1980, S.128-132, vgl. S.23). 110 Vgl. J. HOSEMANN, Kirchenbund, 1932, S.170; E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.783f. - Im April 1920 hat die Generalsynode in ihrer Kundgebung zur politischen Neutralität der Kirche die Kurzformel anklingen lassen, indem sie sagt, dass „die Kirche ihrem Wesen und ihrem Willen nach außerhalb des politischen Parteilebens" stehe (E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.746). 111 So sehr in dieser Kundgebung national-chauvinistische Töne angeschlagen wurden, so sehr empfand man das „über den Parteien" in dieser Kundgebung auch als ein fortschrittliches, vernunft-republikanisches Bekenntnis zum Weimarer Staat (vgl. RdBr. v. 23.6.1928). In seinem
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
Schon im Jahrhundert der Kirche' (1926, 61928) war zu lesen: „Wo...das Volkstum bejaht wird, wird auch der Staat bejaht, der sich zwar mit dem Volkstum nicht deckt, der ihm aber den Rückhalt gibt, den das Volkstum zum Leben braucht."!12 Wenn nun die Kirche diese Ortsbestimmung „über den Parteien" in die republikanische Zeit der demokratischen Parteienstruktur hinübernimmt und für sich selber beansprucht, dann trägt sie allerdings auch einen Selbstwiderspruch mit sich und in sich, auf den aufmerksam gemacht zu werden verdient. Denn der Anspruch der Kirche als einer Organisationsform „über den Parteien" entsprach nicht der kirchlichen Praxis: Einerseits machte die Kirche zur Wahrung ihrer Identität und zur Behauptung ihrer Existenz auch selber bestimmte politische Rundbrief vom 23.10.1928 schafft Dibelius Klarheit, wenn er dekretiert: „In der Königsberger Botschaft steht, daß die evangelische Kirche, getreu den Weisungen der Heiligen Schrift, Fürbitte tut f ü r Vaterland, Volk und Obrigkeit. ...Und eben darin m u ß zum Ausdruck kommen, daß wir uns dem Staat und seiner Regierung gegenüber unter die klaren Weisungen der Heiligen Schrift stellen!" Nicht Begeisterung für die Republik (vgl. SoSp. v. 17.7.1927), sondern loyale Anerkennung des Weimarer Staates, in dem - trotz und nach der Revolution - auch wieder R o m 13 zu gelten hat, ist das Ergebnis des Kirchentages: „Was der Königsberger Kirchentag vollzogen hat, ist vielmehr die endgültige Anerkennung des parlamentarischen Staats durch die evangelische Kirche" (SoSp. v. 3.7.1927). Dibelius wollte die „Pflege des Volkstums, in das uns Gott hineingestellt hat, die Stärkung des Heimatgefühls, eine neue Verwurzelung in die Scholle und eine bewußte Abkehr von der modernen Asphaltkultur" klar unterschieden wissen von dem Völkischen; das „Völkische, auf sich selbst gestellt und aus der Verbindung mit dem christlichen Glauben herausgenommen, verfällt einer Hemmungslosigkeit, die nicht minder verhängnisvoll ist als das, was dadurch bekämpft werden soll. Dieser Art Völkischen gegenüber kann es m.E. bei uns nur bestimmt Ablehnung geben" (RdBr. v. 3.4.1928). - In der Zeit des Kirchenkampfes verwies gerade Dibelius oft auf diese Kundgebung, um die seitens des NS-Staates in Zweifel gezogene nationale Zuverlässigkeit der Bekennenden Kirche unter Beweis zu stellen (vgl. z.B. Drei Randbemerkungen, 1937, S.5f.). - Im Blick auf die Wirkung des Königsberger Kirchentags gerade bei denjenigen, die dem Staat von Weimar reserviert gegenüberstanden, und im Blick auf seine Wirkungsgeschichte bis hinein in die Zeit des Kirchenkampfes lässt die Wertung durch K. SCHOLDER kritische Fragen offen, da SCHOLDER den Kirchentag nur einseitig nach dem - allerdings vorzüglich interpretierten - Vortrag von P. ALTHAUS über „Kirche und Volkstum" beurteilt (vgl. K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.140-144, 343); der zweite Vortrag von W. KAHL über „Kirche und Vaterland" in Anlehnung an R o m 13 wird - ebenso wie bei J. WRIGHT (Parteien, 1977, S.122f.) - nicht einmal erwähnt. Der Kirchentag versuchte immerhin, wenn auch in der nationalen Gedanken- und Gefühlswelt von Volk, Volkstum und Vaterland, eine neue, ausgewogene Verhältnisbestimmung zwischen Kirche und Staat im Sinn eines Vernunftrepublikanismus. (vgl. auch R K Z 77, 1927, S.236f.) Für die Ausgewogenheit standen die beiden Referenten ALTHAUS und KAHL. Die Wirkung beider Vorträge war in der kirchlichen und der profanen Presse diametral verschieden: Während KAHL „nur die vorkriegszeitlichen hergebrachten Anschauungen über Staat, Volk, Vaterland" vertreten habe, gründeten die Ausführungen von ALTHAUS „auf der neudeutschen Wertschätzung des Volkstums.., wie sie in der breiten Volkstumsbewegung von heute sich literarisch, politisch und wirtschaftlich geltend zu machen sucht. Das hat freilich zur Folge gehabt, daß die große deutsche Tagespresse, die den Winken eines öden, volksfremden Kulturliberalismus gehorcht, den ALTHAUS'schen Vortrag einfach totgeschwiegen hat." (Pfarrer W. VOGEL in: Sächsisches Kirchenblatt, 1928, Sp.l75f.) Gerade den staatsbejahenden Akzent der Königsberger Kundgebung führte man auf den Einfluss und auf den Vortrag von KAHL zurück (vgl. H . SCHLEMMER, Schulpolitik, 1928, S.12). - Zum Königsberger Kirchentag vgl. auch unten S.282ff. 112 Jahrhundert der Kirche, 1926, S.233 / H.-W. KRUMWIEDE, Quellen IV/2, S.105.
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Eigeninteressen geltend und fühlte sich verpflichtet, diese Interessen 113 im Geflecht von divergierenden Einzelinteressen zu vertreten; andererseits wehrte sie sich gleichzeitig vehement dagegen, wie eine Partei, ein Verein, eine Lobby oder eine bloße Interessenvertretung behandelt zu werden, w o natürlicherweise nur partikulare Interessen geltend gemacht werden können. Denn sie beansprucht ja als Volks-Kirche, die gemeinsamen, alle Einzelinteressen übergreifenden Belange des Volkes zu vertreten. Die Formel „über den Parteien" beinhaltet nahezu die Quadratur des Kreises und bedeutet „parteipolitische Neutralität, aber keineswegs politische Abstinenz". D e m entspricht das v o n K.-W. DAHM überlieferte,
durchaus selbstironisch gemeinte Dibelius-Diktum: „Die Kirche ist politisch neutral - aber sie wählt deutsch-national!" 114 Dibelius selber verband mit dem Postulat einer Kirche „über den Parteien" immer auch die Forderung, dass sich in möglichst jeder Partei Mitglieder und Mitarbeiter der Kirche engagieren sollten 115 . Diese Ansicht vertrat Dibelius nicht aus einer originär demokratischen Uberzeugung heraus oder aus einer Vorliebe für die Parteienstruktur des Staates; vielmehr stand dahinter die grundsätzliche Erwägung, dass die Parteien sich auf einen festen Mitglieder- und Wählerstamm sollten verlassen können, um nicht immer nur nach der wechselhaften Wählergunst schielen zu müssen. So verstand Dibelius auch seine eigene - durchaus nicht immer unkritische Mitgliedschaft in der DNVP, innerhalb deren er kurzzeitig den Vorsitz in dem „Ausschuss für Kirche und Schule" 116 führte und deren berufsständischen Reichsausschuss für evangelische Pfarrer er zusammen mit R. MUMM im Sommer 1919 gründete 117 . Wohl im Schlepptau von R. MUMM, der Anfang 1930 aus der 1 1 3 Als Beispiel für viele sei der Artikel von Friedrich LAHUSEN in dem von Dibelius herausgegebenen Flugblatt „Für unsere Kirche" ( N r . l ) erwähnt, in dem es heißt: „Fordert von eueren Abgeordneten die Vertretung der höchsten gemeinsamen Interessen, wie alle ihre eigenen weltlichen Interessen geltend machen! Fordert von ihnen, daß sie für unsere evangelische Kirche und Schule nachdrücklichst eintreten!" Die „höchsten gemeinsamen" Interessen der Kirche sollen also eingefordert werden, wie die anderen weltlichen, d.h. partikularen Interessen auch. Zur Kritik an dem Flugblatt und an diesem Artikel von LAHUSEN, besonders auch an den Worten: „Das alte Preußen ist dahin. Der barmherzige Gott aber will ein neues schaffen. Er will das zusammengebrochene Haus, in dem w i r so sicher und schön wohnten, aus den Trümmern neu auferbauen" (vgl. EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.24f., 79, 85, 197f., 233). 1 1 4 K.-W. DAHM, Pfarrer, 1965, S.104 u. S.151, Anm.374. Der .Reichsbote' verkündete ganz unbefangen: „Die Partei der Christen ist die Deutschnationale Volkspartei" oder poetisch gewendet: „Die kommende Wahl macht keine Qual. Der Christen volle Zahl wählt nur deutschnational!" (vgl. PrBl 61, 1928, Sp.197 bzw. Sp.251). 1 1 5 Vgl. z.B. Jahrhundert der Kirche, 1926, S.239; Nachspiel, 1928, S.96f. ; Christ, 1961, S.165. 1 1 6 Vgl. MUMM an Dibelius v. 25.4.1919 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.184). 1 1 7 Vgl. C h W 33, 1919, Sp.708; K. NOWAK, Kirche, 1981, S.223; D. FRJCKE, Parteien I, 1968, S.727. - Der Ausschuss nannte sich ab 1921 „Evangelischer Reichsausschuß der D N V P " (Vorsitz: Prof. W . KÄHLER, Sohn von Martin KÄHLER und Schwiegersohn von E. v. DRY ANDER) und w a r so etwas wie die „evangelische Partei" innerhalb der DNVP (vgl. R. MUMM, Gedanke, 1933, S.127; G. MEHNERT, Kirche, 1959, S.145; J.JACKE, Kirche, 1976, S.399, Anm.170 u. S.413f., Anm.130). Der Evangelische Reichsausschuss der D N V P veröffentlichte gedruckte „Nachrichten" und gab auch gedruckte „Vertrauliche Mitteilungen" heraus (vgl. z.B. StA OSNABRÜCK, С 1 Nr.97). - Ebenso gab es in der D N V P weitere berufsständische Ausschüsse bzw. Interessengrup-
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D N V P a u s t r a t u n d s i c h d e m C S V D a n s c h l o s s 1 1 8 , ging a u c h D i b e l i u s a u f D i s t a n z z u d e r H U G E N B E R G - P a r t e i , w a s i h m d a n n a u c h das A n g e b o t z u r S p i t z e n k a n d i d a t u r für d e n B e r l i n e r C S V D 1 1 9 eintrug. In demselben beschriebenen Sinn u n d unter den vermeintlich gleichen politischen u n d kirchlichen V o r z e i c h e n trat Dibelius d a n n s c h o n i m J a h r 1 9 4 5 d e r B e r l i n e r C D U b e i 1 2 0 . 1.7
Die
Wahlen
zur
Nationalversammlung
D a s e r s t e Z i e l , s o l a u t e t die A n k ü n d i g u n g v o n D i b e l i u s , „ist die M o b i l m a c h u n g d e r G e m e i n d e g l i e d e r z u r r e c h t e n A u s ü b u n g i h r e r W a h l p f l i c h t f ü r die N a t i o n a l v e r s a m m l u n g " , d e n n „ T e i l n a h m e a n d e r W a h l , A r b e i t f ü r die W a h l i s t . . . P f l i c h t des C h r i s t e n , ist heilige P f l i c h t g e g e n V a t e r l a n d u n d K i r c h e . " 1 2 1 W i e k a n n m a n n u n aber v o n Seiten der K i r c h e den Gemeindegliedern „zur rechten A u s ü b u n g i h r e r W a h l p f l i c h t " v e r h e l f e n , u n d w i e lässt s i c h dies m i t d e m G r u n d s a t z i n E i n k l a n g b r i n g e n , dass die K i r c h e „ ü b e r d e n P a r t e i e n " steht?
pen, z.B. einen Reichsarbeiterausschuss und einen Reichsausschuss für kaufmännische Angesteile und Privatangestellte (vgl. A. STUPPERICH, Volksgemeinschaft, 1978, S.21ff.), sowie einen Reichspresseausschuss und einen Reichsfrauenausschuss (vgl. W. LIEBE, Volkspartei, 1956, S.36). 1 1 8 Vgl. G. OPITZ, Volksdienst, 1969, S.149f. ; A E L K Z 65, 1932, Sp.862 u. Sp.910; SoSp. v. 4.9.1932. - Anlässlich des Parteiausschlussverfahrens gegen den DNVP-Reichstagsabgeordneten Walther LAMBACH im Jahr 1928 hat Dibelius seiner eigenen Partei gegenüber gedroht, dass fast die gesamte evangelische Geistlichkeit den Deutschnationalen den Rücken kehren werde, wenn die D N V P sich von den gewerkschaftlich orientierten Christlich-Sozialen trennen und den großkapitalistisch-monarchistischen HUGENBERG-Kurs einschlagen sollte (vgl. M. DÖRR, Volkspartei, 1964, S.421, Anm.62; zum Fall LAMBACH vgl. EBD., S.394ff., 560ff.). - Heftig polemisierte der Evangelische Reichsausschuss der D N V P gegen den zum C S V D übergelaufenen MUMM und bezichtigte ihn der „Zentrumshörigkeit" (vgl. Vertrauliche Mitteilungen des Evang. Reichsausschusses der D N V P , Nr.6 v. Nov./Dez. 1931, S.2, in: StA OSNABRÜCK, Rep. Erw. С 1, Nr.97). 1 1 9 Vgl. Christ, 1961, S.165. 1 2 0 Dibelius wird neben dem früheren preußischen Kultusminister Dr. O t t o BOELITZ als Mitbegründer der Berliner C D U genannt; in dieser Eigenschaft könnte er auch Einfluss genommen haben auf den schwierigen Prozess der Namensgebung der Partei. Die Bezeichnung „Union" statt „Partei" war eine frühe Anregung und Festlegung aus Berlin (vgl. dazu: A. GURLAND, C D U / C S U , 1980, S.86f. u. S.205f., Anm.205; W. BECKER, C D U , 1987, S.182 u. S.398); diese Bezeichnung lässt sich unschwer mit dem christlichen, kirchlichen und politischen Einheitsgedanken „über den Parteien" bei Dibelius verbinden. Seine eigene Landeskirche trägt ja ebenfalls den Unions-Begriff in ihrer Selbstbezeichnung, was Dibelius nicht nur als Ausdruck für die konfessionelle, sondern auch für die organisatorisch-institutionelle und regionale Verklammerung seiner Kirche verstand. 1 2 1 Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918. Bei Dibelius finden sich keine Äußerungen zu der im politischen Raum noch unentschiedenen und umstrittenen Frage, ob der künftige Staat die Gestalt einer Räte-Republik oder einer sich auf Parteien stützenden und sich auf allgemeine Wahlen gründenden, demokratisch verfassten Republik haben soll. Unter dem Einfluss von Friedrich EBERT hat sich die Mehrheits-Sozialdemokratie für die letztere Option entschieden, während die linksradikale U S P D und die aus dem Spartakus-Bund hervorgegangene K P D unter Führung von Rosa LUXEMBURG und Karl LIEBKNECHT (beide am 15.1.1919 ermordet) für die Minderheitsdiktatur von Räten kämpften. - Durch die Ausblendung dieser Alternative sah die Kirche, und mit ihr auch Dibelius, die demokratische Parteien-Republik immer nur auf dem Hintergrund der seitherigen monarchischen Staatsform und war blind für die staatspolitische Bedeutung und für die gar nicht selbstverständliche Errungenschaft der aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangenen Nationalversammlung.
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In der Ausgabe der Mitteilungen' kurz vor den Wahlen vermittelte Dibelius in dem mit seinem Namen gekennzeichneten Artikel eine „politische Losung", die eine Engführung darstellt gegenüber der vom Werbeausschuss verabschiedeten Wahl-Präambel: Die Parteien werden nicht mehr auf ihre innen- und staatspolitischen Ziele, auf die politische und rechtsstaatliche Verwirklichung und Durchführung von „Recht und Ordnung" befragt, sondern sie werden unter dem einzigen Kriterium der Erfüllung und Entsprechung kirchlicher Forderungen und Interessen beurteilt. Gleichzeitig stehen bedenkenlos Anspruch und Wirklichkeit des politischen Standorts der Kirche in einer merkwürdigen Spannung nebeneinander, wenn Dibelius schreibt: „Es bleibt dabei: ,Es ist nicht Aufgabe der Kirche, sich für eine einzelne politische Partei zu entscheiden. Sie steht über den Parteien.' Aber ebenso bestimmt muß es dabei bleiben, daß der evangelische Christ auch mit dem Stimmzettel in der Hand für seine Kirche einzutreten die Pflicht hat, und daß es Aufgabe des Pfarrers ist, ihm dabei zu helfen und ihm Anstöße aus dem Wege zu räumen." 122 1.7.1 Die Wahlempfehlung von Dibelius Dibelius untersuchte deshalb die wichtigsten und wahlentscheidenden Parteien unter dem Gesichtspunkt von Nähe und Distanz zu der kirchlichen Interessenlage. E r benützte dafür eine Parteienbefragung, in der der „Deutsche Volkskirchendienst 1918" den Parteien vier Wahlprüfsteine 123 zur Beantwortung vorgelegt hatte. Während die Deutschnationale Volkspartei, die Nationaldemokrati-
1 2 2 „Vor der Entscheidung" (Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919). Die „Anstöße", die aus dem Weg zu räumen sind, beziehen sich auf die Sorge von Dibelius, ob die D N V P als ehemalige Partei der Junker und Großgrundbesitzer „auch bei den Ideinen Leuten Anklang" finden werde (Dibelius an GenSup. JACOBI in Magdeburg v. 18.12.1918, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.91). Hilfreich könne dann der Hinweis auf die Neugründung der D V P sein, „zu deren Führern Geh.Rat KAHL gehört, und die ebenso entschieden wie die Deutschnationale Volkspartei für die kirchlichen Forderungen eintritt" (EBD.), oder darauf, „daß auch die (sc. ehemaligen) Christlich-Sozialen sich (der D N V P ) angeschlossen haben und daß ein neuer sozialer Wille durch ihre Reihen geht" (Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919). Dibelius' Sorge war insofern berechtigt, als in der Öffentlichkeit nicht ganz klar war, ob es sich bei der D N V P um eine tatsächliche Partei-Neugründung handle oder lediglich um ein Sammelbecken und eine Nachfolgeorganisation der seitherigen konservativen Parteien (vgl. W. LIEBE, Volkspartei, 1956, S.8ff.). - Als Beispiel sei ein Gemeinde-Wahlaufruf genannt, den Dibelius von einer Gemeinde aus Holstein erhielt; dort heißt es: „Eine Kirchengemeinde soll gewiß keine Parteipolitik treiben, sie steht über den Parteien. Aber alle ihre Glieder sollen wissen: Das Schicksal des Vaterlandes, die Zukunft euerer Kirche und Schule ist mit in euere Hand gelegt" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.97; Dibelius beantwortete die Zusendung dieses Flugblattes am 6.1.1919). 1 2 3 Mit der Bitte um Stellungnahme a) zur Frage des christlichen Religionsunterrichts, b) zur Frage der kirchlichen Seelsorge in Heer, Marine, Krankenhäusern und Gefängnissen, c) zur Frage der Rechtsstellung der Kirche und des kirchlichen Besteuerungsrechts, d) zur Frage der Staatsdotationen und der Sicherung kirchlichen Eigentums (vgl. „Vor der Entscheidung", in: Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919, alle folgenden Zitate EBD.; vgl. auch das vom Evang. Preßverband herausgegebene Merkbuch: Die Stellung der Parteien zu den Kirchen- und Schulfragen, 1919) Zum Ganzen vgl. auch G. MEHNERT, Kirche, 1959, S.174ff., J. JACKE, Kirche, 1976, S.85ff. und J. MEHLHAUSEN, Trennung, 1994, S.140).
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s e h e P a r t e i u n d d i e Z e n t r u m s p a r t e i 1 2 4 die F r a g e n s u m m a r i s c h , a b e r z u r Z u f r i e d e n h e i t v o n D i b e l i u s b e a n t w o r t e t h a b e n , l i e ß e n die D e u t s c h e V o l k s p a r t e i
und
die b e i d e n s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n P a r t e i e n m i t i h r e n A n t w o r t e n ( n o c h ) a u f s i c h w a r t e n . I m e i n e n F a l l w i r d auf d e n W a h l a u f r u f d e r D V P v e r w i e s e n , i n d e m n u r allgemeine, aber keineswegs präzise Aussagen zur Trennungsfrage u n d z u m Relig i o n s u n t e r r i c h t z u f i n d e n sind. D a s S c h w e i g e n d e r S o z i a l d e m o k r a t e n
interpre-
t i e r t e D i b e l i u s j e d o c h a d m a l a m p a r t e m als F e s t h a l t e n a n i h r e m E r f u r t e r
Pro-
g r a m m v o n 1 8 9 1 u n d n a g e l t e sie d a r a u f fest; d a r i n w e r d e g e f o r d e r t : „ A b s c h a f f u n g aller
Aufwendungen
aus
öffentlichen
Mitteln
zu
kirchlichen
und
religiösen
Z w e c k e n . D i e k i r c h l i c h e n u n d r e l i g i ö s e n G e m e i n s c h a f t e n s i n d als P r i v a t v e r e i n i g u n g e n z u b e t r a c h t e n . W e l t l i c h k e i t d e r S c h u l e . O b l i g a t o r i s c h e r B e s u c h d e r öffentlichen Volksschulen."125
Lapidar und unmissverständlich folgerte
Dibelius
daraus für seine u n d der evangelischen C h r i s t e n W a h l e n t s c h e i d u n g : „ W i r w e r d e n n i c h t u m h i n k ö n n e n , f ü r die b e v o r s t e h e n d e n W a h l e n d a r a u s die K o n s e q u e n z e n zu ziehen."126
1 2 4 Die Fragen und Antworten wurden schon vorher in der Lutherischen Zeitung abgedruckt (AELKZ 52, 1919, Sp.20); in den .Mitteilungen' ist dieser Abschnitt lediglich erweitert durch den Wahlaufruf der D N V P und der D D P . 1 2 5 Dibelius zitiert dabei nur in Auswahl die Punkte Nr. 6 und 7 des Erfurter Programms (vgl. Programmatische Dokumente der deutschen Sozialdemokratie, 1984, S.190f.). Wenn Dibelius in dieser Phase der Auseinandersetzung die Sozialdemokratie auf ihr Erfurter Programm von 1891 behaftet und gegen den Satz polemisiert: „Religion ist Privatsache", dann ist diese Polemik weniger theologisch begründet als vielmehr staatskirchenrechtlich motiviert. Wenn nämlich Religion wirklich zur Privatsache erklärt wird, dann kann der Kirche von Staats wegen ihr Offentlichkeitsanspruch abgesprochen werden; dann muss der Staat der Kirche den Rechtstitel einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nicht übertragen und die Kirche wäre in ihrer staatskirchenrechtlichen Bedeutung auf die Ebene des Vereinsrechts zurückgestuft. - Der Kompromiss der Reichsverfassung (Art.137 W R V ) bestand dann schließlich in der Aufhebung der Staatskirche (Abs.l), was dem Trennungskonzept entsprach, und in der gleichzeitigen Einräumung des Korporationsrechts für die Kirche (Abs.5), das die fortdauernde Verbindung von Staat und Kirche begründete. 1 2 6 Hier hält Dibelius also eine Verständigung mit den Sozialdemokraten für unmöglich, obwohl er in einem kleinen Satz anerkennend davon spricht, dass „sich einzelne Stimmen aus sozialdemokratischem Lager für die Interessen der Kirche erhoben" haben, und damit leise an den Artikel in seiner vorigen Ausgabe der .Mitteilungen' (v. 30.12.1918) erinnert; dort wird das SPDMitglied Dr. DlETZ aus Baden zitiert, der den Ausspruch des jungen August BEBEL aus dem Jahr 1872 (,Christentum und Sozialismus können so wenig zueinander kommen wie Feuer und Wasser') in die „kulturhistorische Rumpelkammer" verwiesen und sich für die Beibehaltung des Religionsunterrichts ausgesprochen hat. Außerdem hatte DlETZ demselben Erfurter Programm eine Absage erteilt, das nun von Dibelius als Beweis für die kirchenfeindliche Haltung der S P D herangezogen wird. Während nämlich das Erfurter Programm die Religion zur „Privatsache" erklärte, zitiert Dibelius den Badener Sozialdemokraten mit den Worten: Die Religion bleibe eben „für die überwiegende Mehrheit unseres Volkes einschließlich der Sozialdemokraten eine Sache von weit größerer Bedeutung, als gar viele andere Privatsachen" (zu DlETZ vgl. auch K. NOWAK, Kirche, 1981, S.48 und die Dokumentation: Die Evangelische Landeskirche in Baden im „Dritten Reich", 1991, S.125 u. 223). - Später hat Dibelius in den Zuschriften an den Geschäftsführer des Vertrauensrates erfahren, dass auch viele Sozialdemokraten, sogar auch Anhänger der radikaleren U S P D , der Massenpetition „Für die christliche Schule" beigetreten seien (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.31 u. 216). Und zwei Jahre danach konnte Dibelius feststellen, dass die Sozialdemokraten deutlich angefangen hätten umzulernen: „Der ,Vorwärts' hat mehrfach Aufrufe
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D i e A n a l y s e der P a r t e i e n - A n t w o r t e n d u r c h Dibelius zielte auf eine eindeutige, s c h e r e n s c h n i t t h a f t e F r o n t b i l d u n g z w i s c h e n der politischen R e c h t e n u n d L i n k e n u n t e r V e r z i c h t auf sachdienliche Differenzierungen. I n d o k t r i n i e r u n g statt H i l f e z u r eigenen U r t e i l s b i l d u n g der W ä h l e r 1 2 7 schien Dibelius i m V o r f e l d dieser so entscheidungsvollen R i c h t u n g s w a h l geboten. N a c h d e m auf diese W e i s e „Klarh e i t " geschaffen w a r , w a s die evangelisch-christlichen W a h l m ö g l i c h k e i t e n betraf, m u s s t e es n u n g a n z auf die W a h l e m p f e h l u n g i m B l i c k auf die d e m o k r a t i s c h - l i b e rale M i t t e i m P a r t e i e n s p e k t r u m a n k o m m e n . D i e g r ö ß t e M ü h e m i t der B e a n t w o r t u n g d e r W a h l p r ü f s t e i n e hatte sich offensichtlich die D e u t s c h e D e m o k r a t i s c h e P a r t e i ( D D P ) gegeben. P u n k t für P u n k t w i r d jede einzelne F r a g e sachlich u n d klar b e a n t w o r t e t ; in d e m zusätzlich beigefügten W a h l a u f r u f d e r D D P v o m 1 5 . 1 2 . 1 9 1 8 ist sogar z u lesen: „ E i n e T r e n n u n g v o n Staat u n d K i r c h e ist n u r d e n k b a r u n t e r voller W a h r u n g der W ü r d e u n d u n t e r S i c h e r u n g d e r finanziellen Selbständigkeit der K i r c h e . " B e c k m e s s e r i s c h r ü c k t n u n aber Dibelius d e n A n t w o r t e n der D D P z u Leibe: D i e E r k l ä r u n g sei in d e r finanziellen F r a g e z w a r „durchaus befriedigend", aber i m B l i c k auf die Militärseelsorge sei sie „nicht g a n z so k l a r " , u n d die Stellung z u r Schulfrage e n t s p r e c h e „ n o c h n i c h t g a n z " den k i r c h l i c h e n E r w a r t u n g e n 1 2 8 . N o c h ist es also u n e n t s c h i e den, o b die D e m o k r a t e n für den evangelischen C h r i s t e n w ä h l b a r sind o d e r n i c h t .
zur Beteiligung an den Kirchenwahlen veröffentlicht. Im Preußischen Landtag hat die SPD geschlossen für die Bewilligung großer Staatsmittel gestimmt, um der Not in den Pfarrhäusern ein Ende zu machen. Wer hätte das alles vor zwei Jahren für möglich gehalten! Gottes Reich kann nicht untergehen. Und seine Wahrheiten setzen sich immer wieder durch. Und das ist eben die Wahrheit, daß ein Volk nicht ohne tiefen Schaden für seine Seele eine Kirche in Trümmer schlagen kann!" (WoSch. v. 23.1.1921). 1 2 7 Dibelius hatte offenbar kein großes Zutrauen zur „Mündigkeit" der Wähler. Deshalb schien ihm ein klares Freund-Feind-Schema am wirkungsvollsten; Differenzierung wäre auf Kosten der klaren Wahlempfehlung gegangen. Den Pfarrern, die ja in erster Linie die Empfänger der ,Mitteilungen' waren, legte er deshalb folgenden Rat nachdrücklich auf Herz und Gewissen: „Die Einzelheiten der Stimmabgabe müssen immer wieder durchgesprochen werden, im Privatgespräch und in Versammlungen, damit niemand aus Scheu vor dem Ungewohnten und Unbekannten der Wahlurne fernbleibt. Die Kennzeichnung der Stimmzettel, auf denen bekanntlich die Partei nicht vermerkt ist, muß klar und eindrücklich erfolgen. In vielen Fällen wird der Pfarrer offen sagen müssen, welches sein Stimmzettel sein wird. Denn viele Gemeindeglieder, namentlich die weiblichen, erwarten eine ganz klare und bestimmte Führung." Für den Gottesdienst am 19. Januar, dem „Tag der Entscheidung", empfahl Dibelius, „die Gemeinde in ein festlich geschmücktes Gotteshaus zu laden, in dem die Kirchenältesten auf dem Altarplatz sitzen, und dann unter dem Geläut der Glocken in geschlossenem Zuge zum Wahllokal zu schreiten ...da wird die Wahlhandlung zu einer Tat voll heiliger Verantwortung. Kein protestantischer Pfarrer wird am 12. und am 19. Januar predigen können, ohne davon zu seiner Gemeinde zu reden." Trotzdem fügte Dibelius hinzu: „Wir werden keine Wahlreden auf der Kanzel halten. Gott bewahre uns davor! Wir werden Evangelium predigen, Evangelium und weiter nichts!" 1 2 8 Die Erklärung der D D P lautete: „Es muß jedem Kinde die Gelegenheit geboten werden, den Unterricht in seinem Bekenntnis zu erhalten ohne Gewissenszwang für Eltern und Lehrer." Ganz ähnlich votierte schon NAUMANN in seinem programmatischen Artikel „Freier Staat und freie Kirche": „Ein Zwang darf aber nicht mehr stattfinden. Mit Zwang wird kein Glaube eingepflanzt, wie wir aus den bisherigen Ergebnissen des Unterrichts sehen können. Jedem Kinde aber, dessen Eltern es wünschen, muß wie bisher Religionsunterricht zur Verfügung gestellt wer-
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Nachdem vorher die Parteien nach ihren Wahlaussagen untersucht und beurteilt wurden, werden die sorgfältig gegebenen Antworten der DDP mit einem nicht in den Wahlaussagen belegbaren Odium der Unehrlichkeit und der Unglaubwürdigkeit versehen und einfach beiseitegeschoben: „Wichtiger aber als die Formulierung der Parteidiplomatie ist hier" - und Dibelius fügt hinzu: „ebenso wie bei den übrigen Parteien" - „die Haltung der führenden Männer und der führenden Blätter." Ohne die „führenden Männer" zu nennen oder sie gar zu würdigen - zu ihnen gehörten im evangelischen Lager immerhin Otto BAUMGARTEN, Friedrich NAUMANN, Rudolf OTTO, Martin RADE oder Ernst TROELTSCH 129
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lius nun auf die „führenden Blätter", auf angeblich das führende Blatt der DDP zu sprechen: „Tatsache ... ist, daß die deutsch-demokratische Partei sich unter Führung des ,Berliner Tageblatts' gebildet hat und daß die Versuche einzelner Gruppen, sich dies Blatt von den Rockschößen zu schütteln, ergebnislos geblieben sind." 130 Unter der offensichtlichen Voraussetzung, dass jedermann weiß, um welches angeblich verabscheuungswürdige Journal es sich hier handelt, dekretiert Dibelius ohne Umschweife und weitere Erklärungen: „Mit dem ,Berliner Tageblatt' aber kann es für einen evangelischen Christen kein Paktieren geben! Das ist das schwere Hindernis, das einem Eintreten kirchlicher Kreise für die demokratische Partei im Wege steht. Und jeder evangelische Christ, den sein Herz zu dieser Partei zieht, wird sich vor seinem Gewissen zu prüfen haben, ob dies Hindernis für ihn wirklich übersteigbar ist." 131 Die Entscheidung ist gefallen: Die Wahlempfehlung gegen die DDP liegt klar vor aller Augen. Dibelius versagte der demokratischen Partei das kirchliche „non obstat", obwohl deren Wahlaussage der damals propagierten Interessenlage der Kirche entsprochen hatte und deshalb durchaus eine kirchliche Unbedenklichkeitserklärung möglich gewesen wäre132. den. Das ist Kulturarbeit im höchsten Sinn des Wortes. N u r so entsteht die freie Kirche im freien Staate" (Die Hilfe 24, 1918, S.630). 1 2 9 GenSup. JACOBI an Dibelius v. 7.12.1918: „Wir hoffen, der Kirche ...eine Macht zuzubereiten, mit ihr auch auf die liberalen Parteien zu drücken und zu drohen: Stellt ihr nicht kirchlich-interessierte Kandidaten auf, so leiten wir die Bäche unserer Vereine in die rechtsstehenden Kanäle" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.82f.). Offenbar konnte und wollte Dibelius, wie die Auseinandersetzung mit den Volkskirchenräten zeigte, eben diese Kandidaten nicht als „kirchlich-interessiert" anerkennen (vgl. auch Fr. W. GRAF, Kulturprotestant, 1995, S.264). 1 3 0 Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919. Tatsächlich wurde schon am 30.12.1918 in einer Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses der D D P kritisiert, dass das ,Berliner Tageblatt' in der Öffentlichkeit „als Moniteur der Partei erscheint" (K. WEGNER, Linksliberalismus, 1980, S.21; zu weiteren Klagen über die Zeitung vgl. EBD. S.24, 43). A m 16.11.1918 erschien im .Berliner Tageblatt' unter der Überschrift „Die große demokratische Partei" der Aufruf zur Parteigründung (vgl. H . v. BASSI, Baumgarten, 1988, S.159f.). 1 3 1 Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919. 1 3 2 Man hätte eigentlich erwarten müssen, dass sich die Wahlpropaganda ganz gegen die sozialdemokratischen Parteien ausgerichtet hätte, so wie z.B. die Gemeinschaftsbewegung eine klare und unverblümte Wahldirektive ausgab: „Keiner darf einen Sozialdemokraten wählen. Die Sozialdemokratie hat sich vielfach ein Schafskleid umgelegt. D a hat uns der Sozialdemokrat Adolf HOFFMANN einen Dienst geleistet; er hat es schon jetzt nicht mehr für nötig gefunden, das
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1.7.2 Antisemitismus im Dienst des politischen Kalküls Mit Hilfe eines politischen, mit Emotionen aufgeladenen Reizwortes hatte Dibelius eine positive Wahlempfehlung zu Gunsten der D D P hintertrieben. Tatsächlich stand das zum MOSSE-Verlag gehörende ,Berliner Tageblatt' zusammen mit seinem Chefredakteur Theodor WOLFF 1 3 3 wie auch die ,Vossische Zeitung' oder die f r a n k f u r t e r Zeitung' der Demokratischen Partei nahe. Das Blatt galt „als Sprachrohr der liberalen bürgerlichen Intelligenz vornehmlich jüdischer Herkunft" und wurde „deshalb vielfach als Synonym für den .zersetzenden' Einfluß der Juden im politischen und kulturellen Leben Deutschlands diffamiert" 1 3 4 . Nachdem die deutschen Juden teilweise und zunächst ebenfalls v o m nationalistischen Geist von 1914 ergriffen waren, schien sich in den ersten Kriegsjahren die deutsch-jüdische Symbiose zu vollenden. Juden wurden zur Offizierslaufbahn zugelassen. D o c h mit wachsender Dauer des Krieges fand auch der Antisemitismus wieder Resonanz. Prominente Juden setzten sich für einen Verständigungsfrieden ein; man sah sie auf dem linken Flügel der Sozialdemokratie und der Unabhängigen. Dementsprechend wurde auf der anderen Seite des politischen Spektrums die Demokratie als jüdische Ausgeburt bekämpft; der Hass der Alldeutschen war gegen einen „Judenfrieden" und gegen „Judenwahlen" gerichtet 1 3 5 . Mit der Erfindung der „Dolchstoßlegende", an deren Verbreitung sich anfänglich auch Dibelius beteiligt hatte 1 3 6 , bot die Nachkriegszeit ohnehin einen reichen Nährboden für den weiter wachsenden Antisemitismus in Deutschland. So vermittelte die bloße Identifizierung von .Berliner Tageblatt' und D D P unausgesprochen den Eindruck, die demokratische Partei sei „verjudet" 137 und ein H o r t
lästige Schafskleid länger zu tragen; er hat jetzt schon getan, was die gesamte Sozialdemokratie später getan hätte: er zeigt sich als der antichristische Wolf" (Licht und Leben 31, 1919, S.21f.). Zur Verbindung von AntiSozialdemokratie und Antisemitismus vgl. EBD., S.420: „Das jüdische Element hat in der deutschen Sozialdemokratie seit Jahrzehnten nicht bloß eine hervorragende, sondern geradezu die bestimmende Rolle gespielt." Die politische Front wird dann den Lesern mit leuchtenden Farben ausgemalt: „Also Schwarz, R o t , Gold, die Jesuiten, die Sozialisten, die Juden, diese drei, sie sind die Säulen für die hohe Plattform, von der aus Matthias ERZBERGER als BISMARCKS würdigster Nachfolger Deutschland regiert. Wahrhaftig, wir Deutsche sind von Gott gestraft mit einer schlechten Obrigkeit" (EBD., S.444). 1 3 3 T h . WOLFF (1868-1943) trat im Krieg für einen Verständigungsfrieden ein und war Mitbegründer der D D P (vgl. G.A. RlTTER/S. MILLER, Revolution, 1975, S.309ff. ; zu seinem Schicksal während der NS-Diktatur vgl. M . RlCHARZ, Jüdisches Leben, 1982, S.467). 1 3 4 Vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S.113; H . v. BASSI, Baumgarten, 1988, S.163. 1 3 5 Vgl. T h . NIPPERDEY, Deutsche Geschichte I, 1990, S.412. 1 3 6 „Das Geschmeiß der Kriegsgewinnler und der rücksichtslose Materialismus sozialistischer Demagogie hat dem kämpfenden Volk das Rückgrat gebrochen" (Nationale Erhebung, 1919, S.55). 1 3 7 Aus dem Arsenal der antisemitischen Ressentiments (Bauernfängerei, Unehrlichkeit, Lügenrede, Sand-in-die-Augen-Streuen) stammen auch die unterschwelligen Verdächtigungen, mit denen die deutsche demokratische Volkspartei und ihre Herkunft aus der ehemaligen freisinnigen Partei charakterisiert wurde; „in der dreistesten Weise, viel schlimmer und ärger als die Sozialdemokraten", so berichtete GenSup. KESSLER, machten die Demokraten Jagd auf die evangelischen Stimmen und behaupteten auch noch, die D D P vertrete die evangelische Kirche (GenSup. KESSLER an Dibelius v. 9.1.1919, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.102). - Auch
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der intellektuell-kapitalistischen Kriegsgewinnler und der so verhassten Internationalen. Welche Emotionen, auf die wohl Dibelius mit seiner Erwähnung des ,Berliner Tageblatts' 138 abgezielt hatte, damit freigesetzt werden konnten, ist dem erschrockenen und kritischen Bericht von Pfarrer BLEIER aus Charlottenburg zu entnehmen: Wenn bei einer deutsch-nationalen Versammlung „schon der N a m e J u d e ' ein frenetisches Geheul auslöst, so zeigt das ein solches Maß von vergiftendem Haß und Volksverhetzung, daß man ... als Christ nur mit Empörung solchem sittlich zersetzenden, antisemitischen Treiben gegenüber stehen kann." 1 3 9 Das ,Berliner Tageblatt' markierte außerdem die Orientierungslinie, an der sich die politischen Geister der nachrevolutionären Parteienstruktur schieden. So heißt es in einem von Gottfried TRAUB und Max MAURENBRECHER unterzeichneten Aufruf zum Anschluss an die D N V P : „Unser Volk sehnt sich heraus aus der Zersplitterung der politischen Parteien. Darum fordern wir die bürgerlichen liberalen Kreise, die nicht zum ,Berliner Tageblatt' (Deutsche demokratische Partei) gehen wollen, auf, sich mit uns der Deutsch-nationalen Volkspartei anzuschließen und hier als Gruppe des vaterländisch gesinnten freien Bürgertums zu wirken." 1 4 0
in der Wahlempfehlung für die z u m ersten Mal an die Wahlurnen gerufenen Frauen findet sich die Gleichsetzung v o n D D P , ,Berliner Tageblatt' und jüdischem Einfluss, der vor allem im ,Berliner Tageblatt' u n d in der f r a n k f u r t e r Zeitung' zu finden sei: „Viel mehr noch als die Sozialdemokratie steht diese Partei unter dem Einflüsse eines religionslosen Judentums, dessen zersetzender Einfluß im deutschen Volksleben zu den bedenklichsten Erscheinungen gehört. A u c h in dieser Partei gibt es allerdings eine Reihe unklarer Idealisten, die wir lieber in anderer U m g e bung sehen möchten. A u c h sie hat durch den jüdischen Einschlag stark internationale Strömungen ..." (Pastor HEINE, Z u m Wahlrecht der Frau, in: Frauenhülfe, 1918, S.282ff„ zit. in: J.Chr. KAISER, Frauen, 1985, S.120). 1 3 8 Wenn auch eine Zuschrift die grundsätzliche Zustimmung z u m Urteil über die kirchenfeindliche Einstellung des ,Berliner Tageblatts' signalisiert, so wird doch auch kritisch eingewendet, dass es im Blick auf die künftigen Wahlen zum Reichstag und z u m Landtag doch „mehr als dieser bloßen Behauptung" bedürfe ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.72, Schreiben v. 28.1.1919). 1 3 9 BLEIER an Dibelius V. 25.2.1919 ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.l6R). D o r t kritisiert BLEIER auch die deplatzierte Erwähnung des ,Berliner Tageblatts' durch Dibelius. BLEIER war ein Befürworter der Volkskirchenräte und stand der S P D nahe, begründete dann in seiner Gemeinde eine „Vereinigung von freien kommunistischen Christen" (vgl. C h W 33, 1919, Sp.l88f. u. Sp.485). - O t t o BAUMGARTEN, der für die D D P kandidierte, berichtet: „ U n s demokratischen Parteirednern ist immer wieder entgegen gehalten: J a , wenn euer Idealismus für die demokratische Partei maßgebend wäre! A b e r an ihrer Wiege stand T h e o d o r WOLFF und entscheidend für sie ist die Haltung der Judenblätter' ..." (Lebensgeschichte, 1929, S.368); zu O . BAUMGARTEN vgl. auch den Aufsatzband: W. STECK, Baumgarten, 1986, und die Biographie v o n H . v. BASSI, Baumgarten, 1988. 1 4 0 Aufruf v. 22.12.1918 (Christliche Freiheit, 1918, Sp.814 / M. GRESCHAT, Revolutionsjahr, 1974, S.60). Vgl. TRAUBs Erklärung, als er sich der D N V P anschloss: „ Z u m .Berliner Tageblatt' gehe ich nicht. D i e Berliner Leitung der nationalliberalen Partei ist gleichfalls dahin abgeschwenkt" (G. MEHNERT, Kirche, 1959, S.146). - In der Wahlempfehlung der .Reformation' wird dieselbe Gleichsetzung vollzogen: „...Aber bei den Wahlen für die Nationalversammlung können wir f ü r sie (sc. die S P D ) nicht eintreten. D a s gleiche gilt für die .Demokratische Partei' des .Berliner Tageblatts', die Vertreterin des internationalen Kapitals" (Refor. 18, 1919, S.21f. / M. GRESCHAT, Revolutionsjahr, 1974, S.75).
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Dibelius konnte also mit seiner demagogischen Anspielung auf das ,Berliner Tageblatt' sämtliche Emotionen und Ressentiments wecken und auf die D D P übertragen, die man mit diesem Blatt und dem Namen seines Chefredakteurs 141 damals verband. Es war damit klar, dass die Partei der liberalen Mitte im Sinne von Dibelius - und das heißt: unter ausschließlich kirchlichen Gesichtspunkten nicht wählbar und dass die Linie der Wahlempfehlung rechts von den Demokraten 142 zu ziehen sei. Es ist unverkennbar, dass die nationalkonservative Wahlempfehlung von Dibelius eine - wenn auch hier noch unausgesprochene - Verbindung mit einer Traditionslinie des deutschen Antisemitismus einging. Sie hat wesentlich die Wahlaussage gegen die Demokratische Partei beeinflusst und mitbestimmt, genauso wie umgekehrt ein versteckter oder auch offen ausgesprochener Antisemitismus zur Wahlpropaganda der von Dibelius favorisierten deutschnationalen Volkspartei gehörte 143 . Offen brandmarkte Dibelius später, ganz in der Tradition von TREITSCHKE und besonders von STOECKER144 und im Sog der antijüdischen Programmatik des Vereins deutscher Studenten (VdSt), den wachsenden wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss des Judentums besonders in Berlin, damit aber auch die rassische Überfremdung des Deutschtums oder gar die „artfremde" Vorherrschaft des Judentums in Deutschland. Insofern richtete sich sein Angriff zunächst gegen das Eindringen der Ostjuden in Deutschland, die ja noch weniger integriert waren als die immerhin im 19. Jahrhundert emanzipierten, assimilierten und akkulturierten deutschen Juden: „Ganz abgesehen davon, daß die sittliche Qualität dieser neuen Mitbürger vielfach höchst zweifelhaft ist - der Ausländer ahnt kaum, was für ein Prozentsatz der Verbrechen, die täglich in Deutschland zu verzeichnen sind, auf das Schuldkonto dieser Ostjuden kommt! - son-
1 4 1 ,Die Hilfe' nimmt das 50-jährige Bestehen der weit verbreiteten und geachteten Zeitung zum Anlass, N ä h e und Distanz zum .Berliner Tageblatt' und zu seinem Chefredakteur Th. WOLFF, dem „ausgezeichneten Kenner der französischen Verhältnisse und führenden Persönlichkeiten", klarzustellen, benützt aber auch „die Gelegenheit der Jubelfeier, um einmal ein Wort gegen die Hetze zu sagen, die in ganz Deutschland gegen das .Berliner Tageblatt' seit langen Jahren betrieben wird. Im .Berliner Tageblatt' ist oft eine Politik vertreten worden, die nicht die unsere ist und gegen die wir deshalb gekämpft haben. ... Immer wird von den .Nationalen', wenn irgendwann einmal im .Berliner Tageblatt' etwas Angreifbares gestanden hat, die Deutschdemokratische Partei und die demokratische Politik schlechthin dafür verantwortlich gemacht, obwohl man weiß, daß das .Berliner Tageblatt' kein Parteiblatt ist". (Die Hilfe 28, 1922, S.3) - Seit 1960 ist der Theodor-WOLFF-Preis eine höchst angesehene und begehrte Auszeichnung für herausragende journalistische Leistungen (vgl. B. SÖSEMANN, Wolff, 1984, S.X). 1 4 2 Dies ist im Hinblick darauf bedeutsam, dass beide Parteien, die D D P und die D V P , in ihrer jeweiligen Gründungsphase aus einem politisch ähnlich orientierten Lager Zulauf bekamen (vgl. G . A . RITTER / S. MILLER, Revolution, 1975, S.292). Dibelius hat nun durch seine Wahlagitation einen scharfen Trennungsstrich zwischen diesen beiden ursprünglich politisch benachbarten Parteien gezogen. 1 4 3 Vgl. z.B. das Flugblatt der D N V P zur Wahl der Nationalversammlung (E. RÖHM / J. THIERFELDER, Juden 1,1990, S.62). 1 4 4 Z u m Antisemitismus STOECKERs vgl. W. JOCHMANN, Stoecker, 1982, S.148ff. u. 187f.
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d e m es ist die unerwünschte Blutmischung, die dem deutschen Volk das einheitliche Fühlen und Wollen so ungeheuer erschwert." 145 Hier ist bereits der Ubergang von der religiösen und kulturell-politischen Ablehnung der Juden über die Kriminalisierung der Ostjuden zu der rassistisch-völkischen Einfärbung des Antisemitismus bei Dibelius zu verzeichnen. Deshalb ist die apologetische Behauptung von M. STUPPERICH nicht zutreffend, bei Dibelius handle es sich nur „um einen Kulturantisemitismus, nicht aber um einen Rassenantisemitismus" 146 . Zumindest wird man erkennen müssen, dass auch eine mittelständisch-bürgerliche Abneigung gegen alles Fremde, wie sie offenbar in der elterlichen Familie Dibelius 147 ziemlich unreflektiert gepflegt und weitertradiert wurde, ein Nährboden war, auf dem die von woanders herkommende Saat des Rassenantisemitismus aufgehen konnte. Dies bestätigt eine weitere öffentliche Äußerung von Dibelius, die er in einem seiner Artikel im ,Berliner Evangelischen Sonntagsblatt' verbreitete: „Die Judenfrage ist aber nicht in erster Linie eine religiöse, sondern eine Rassenfrage. Der Anteil des jüdischen Blutes, das durch unseren Volkskörper rollt, ist sehr viel höher, als es die Religionsstatistik zur Erscheinung bringt." 148 Geradezu wie ein Bekenntnis klingt es, wenn Dibelius sich wenig später in seinen vertraulichen Rundbriefen an die kurmärkischen Amtsbrüder als Antisemit zu erkennen gibt: „Ich habe mich trotz des bösen Klanges, den das Wort vielfach angenommen hat, immer als Antisemiten gewußt. Man kann nicht verkennen, daß bei allen zersetzenden Erscheinungen der modernen Zivilisation das Judentum eine führende Rolle spielt. Die Pflege des Volkstums, in das uns Gott hineingestellt hat, die Stärkung des Heimatgefühls, eine neue Verwurzelung in die Scholle und eine bewußte Abkehr von der modernen Asphaltkultur - das sind die Ziele, für die sich jede evangelische Kirche mit Bestimmtheit einsetzen wird!" 1 4 9 A m Vorabend Zukunft oder Untergang?, 1922, S.7. M. STUPPERICH, Schuldbekenntnis, 1990, S.472. 1 4 7 Vgl. R. STUPPERICH, Otto Dibelius, 1989, S.639, Anm.16. 1 4 8 WoSch. v. 12.6.1927. 1 4 9 RdBr. v. 3.4.1928. W. GERLACH datiert dieses Zitat fälschlicherweise in den April 1933, weil er sich bedauerlicherweise mit seinen Dibelius-Zitaten weithin auf die anonyme DDR-Propagandaschrift „Hier spricht Dibelius" [1960], zudem auch noch in ihrer englischen Version „The Strange Case of Bishop Dibelius", stützt (vgl. W. GERLACH, Zeugen, 1987, S.42); die Spur dieser Zitatenfragmentierung auf Grund der vom .Neuen Deutschland' zusammengestellten „Dokumentation" lässt sich immer wieder verfolgen (vgl. z.B. E. KLEE, SA Jesu, 1989, S.31, A. v. JÜCHEN, Diskussion, 1989). Vgl. S.101 der „Dokumentation" auch mit H . PROLINGHEUER, Träume, 1988, S.559, und mit DERS., Kirchenwende, 1991, S.39; vgl. E. BETHGE, Wiederaufbau, 1991, S.295 u. S.302). Eine ausführliche Widerlegung der „Dokumentation" besorgte L. BESSERT in: Die Kirchenfrage. Berliner Informationen Nr.15/1960 „Was Dibelius wirklich sprach" (Sammlung Zimmermann BERLIN). - Das Bekenntnis zur völkischen Bewegung steht allerdings in einem Zusammenhang, in dem Dibelius sich deutlich von einem Antisemitismus LUDENDORFF'scher Prägung absetzt, der nicht vom christlichen Glauben gleichsam gebremst oder geläutert sei: „Das Völkische, auf sich selbst gestellt und aus der Verbindung mit dem christlichen Glauben herausgenommen, verfällt einer Hemmungslosigkeit, die nicht minder verhängnisvoll ist als das, was dadurch bekämpft werden soll. Dieser Art Völkischen gegenüber kann es m. E. bei uns nur bestimmte Ablehnung geben." (RdBr. v. 3.4.1928, vgl. dazu auch M. STUPPERICH, 145
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der nationalsozialistischen Machtergreifung hat Dibelius die Sprache der Blutund Rassenideologie nahezu ungebrochen adaptiert und imitiert, um sie seinem eigenen Kirchen- bzw. Religionsgedanken nutzbar zu machen 150 . Im März 1933 beschwichtigte EOK-Präsident KAPLER die ökumenische Christenheit 151 wegen des für den 1. April von den Nationalsozialisten angeordneten „Judenboykotts". Ebenso wandte sich auch Dibelius zusammen mit dem Seniorchef der Methodistenkirche, Bischof John L. NUELSEN152, „auf Bitten des Reichsministers GOEBBELS" 153 am 3.4.1933 um 22 Uhr in einer Rundfunksendung über den deutschen Kurzwellensender an die ausländische Öffentlichkeit, um die dortige Greuelpropaganda zu widerlegen und zu beruhigen 154 . Dibelius beteiligte
Schuldbekenntnis, 1990, S.471ff.) A u f eine solch fragwürdige bzw. missbräuchliche Unterscheidung zwischen (völkisch-)radikalem und (christlich-)gemäßigtem Antisemitismus soll sich D i b e lius auch n o c h i m J a h r 1960 anlässlich der synodalen „Obrigkeits-Debatte" in nichtöffentlicher Sitzung zurückgezogen haben; o h n e Beleg zitiert die o.g. „ D o k u m e n t a t i o n " (S.5) den Satz: „Mit einem aggressiven Antisemitismus habe ich nie in m e i n e m L e b e n zu tun gehabt." (29.1.1960) Mag auch der Antisemitismus in verschiedenen T o n a r t e n , Lautstärken und Variationen vorgetragen w o r d e n sein - es w a r doch schließlich die gleiche Melodie und dasselbe T h e m a ! 150 „Blutsgemeinschaft und Volksgemeinschaft lehnen sich auf gegen den Internationalismus der Klassengesichtspunkte. ...Das Ziel der deutschen Freiheit ...ist nicht v o n dem scharf berechnenden Verstand eines J u d e n erdacht. Es ist nicht mit rein materiellen E n t w i c k l u n g e n verbunden. Es s t a m m t aus Gefühl, aus I n s t i n k t , aus Regungen des Blutes. ...Eine solche Bewegung aber, auch w e n n sie innerweltlichen Zielsetzungen ihren Ursprung verdankt, drängt zur Religion. W e r für Ideale lebt, die nicht v o n M e n s c h e n erdacht sind, sondern die er in seinem B l u t e fühlt..., dem wird der B l i c k auf den Schöpfer gezogen. ...Nun sind diese Vorstellungen in der T a t zunächst sehr u n k l a r gewesen und sind unklar bis zur Stunde. D a s gilt v o r allem v o m Nationalsozialismus, der R a u m hat für den heidnisch-deutschen M y t h u s ROSENBERGS, für die freie mystische Gläubigkeit des G r a f e n REVENTLOV, für die ,Glaubensbewegung' D e u t s c h e C h r i s t e n und für den festen katholisch-kirchlichen G l a u b e n des Generals von EPP. N o c h läßt sich nicht sagen, wie das R i n g e n innerhalb des Nationalsozialismus u m die religiösen Grundlagen enden w i r d " (Das Wiedererwachen des Glaubens in der Gegenwart, 1933, S . 3 8 - 4 2 ) . 151 Vgl. A . BOYENS, K i r c h e n k a m p f , 1969, S.41f. - KAPLER sah sich zu einer solchen öffentlichen E r k l ä r u n g i m Zugzwang, da durch eine Indiskretion der ,Völkische B e o b a c h t e r ' davon berichten k o n n t e , dass der badische Kirchenpräsident WURTH wegen der ausländischen G r e u e l p r o paganda den D E K A telegrafisch ersucht habe, „die außerdeutschen K i r c h e n umgehend über Deutschlands w a h r e Lage zu u n t e r r i c h t e n " (Evangelische Landeskirche in Baden I, 1991, N r . 3 5 0 / S . 5 4 9 , vgl. N r . 3 5 1 / S . 5 5 0 ) . 152 Dibelius hatte NUELSEN schon 1921 kennen gelernt als einen, „der sich als warmherziger F r e u n d der D e u t s c h e n die größten Verdienste u m die Erschließung amerikanischer Hilfsgelder e r w o r b e n hat" ( W o S c h . v. 3 0 . 1 . 1 9 2 1 ; vgl. auch SoSp. v. 6.3.1932). - Als s c h o n die P r o b l e m a t i k des „Arierparagraphen" (im Gefolge des Gesetzes „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtent u m s " v o m 7 . 4 . 1 9 3 3 ) sichtbar geworden war, setzte B i s c h o f NUELSEN im S o m m e r 1933 einen „nichtarischen" Prediger z u m Superintendenten ein (vgl. K . STECKEL / C . E . SOMMER, G e s c h i c h te, 1982, S.99). 153 M e m o r a n d u m v. 2 6 . 7 . 1 9 3 3 , in dem Dibelius nach seiner A m t s e n t h e b u n g durch Staatsk o m m i s s a r JÄGER seine nationale Gesamthaltung und Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen versuchte ( E Z A BERLIN, 7 / 1 1 0 6 7 , B1.7). 154 Vgl. das F a k s i m i l e in: H i e r spricht Dibelius, 1960, S. 119. - Bei dem Artikel „Evangelischer Appell an A m e r i k a " beruft man sich in der Literatur ungeprüft auf den in diesem D D R M a c h w e r k genannten ,Reichsanzeiger' (vgl. z.B. K . SCHOLDER, K i r c h e n I, 1977, S.804, A n m . 7 3 ) , w ä h r e n d dieser A r t i k e l andernorts erschien, nämlich in: R B o . v. 6 . 4 . 1 9 3 3 . Vgl. weiter: K . ZEHRER, F r e i k i r c h e n , 1986, S.108f.; H . STRAHM, Methodistenkirche, 1989, S.60 u. S.64f;
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
s i c h a n d i e s e r A k t i o n n i c h t n u r i m G e d a n k e n a n die G r e u e l p r o p a g a n d a des A u s l a n d e s i m u n d n a c h d e m 1. W e l t k r i e g , s o n d e r n a u c h i n d e r t r ü g e r i s c h e n
Hoff-
n u n g , d a m i t e t w a s „ f ü r " die J u d e n u n d e t w a s z u i h r e m S c h u t z t u n z u k ö n n e n 1 5 5 . E r ist a l l e r d i n g s m i t d i e s e r A b w e h r a k t i o n g a n z d e r P r o p a g a n d a v o n
GOEBBELS
e r l e g e n , d e r in s e i n e m T a g e b u c h n o t i e r t e : D e r B o y k o t t „ w i r d e i n e n T a g d u r c h g e f ü h r t u n d d a n n v o n e i n e r P a u s e bis M i t t w o c h a b g e l ö s t . G e h t die H e t z e i m A u s land zu E n d e , dann w i r d er abgestoppt, i m anderen Falle beginnt d a n n
der
K a m p f bis aufs M e s s e r . N u n s o l l e n die d e u t s c h e n J u d e n a u f i h r e R a s s e g e n o s s e n i n d e r W e l t e i n w i r k e n , d a m i t es i h n e n h i e r n i c h t an d e n K r a g e n g e h t . " 1 5 6 E r s t i n d e r Z e i t des K i r c h e n k a m p f e s b e m e r k t e D i b e l i u s , dass d e r A n t i s e m i t i s m u s das C h r i s t u s - B e k e n n t n i s 1 5 7 i n s e i n e m K e r n b e r ü h r t u n d - v e r l e u g n e t . D u r c h
K. MEIER, Kreuz, 1992, S.157. Vgl. aus der Feder von Dibelius dazu: SoSp. v. 26.3.1933 (auch in: E Z A BERLIN, 5/802), WoSch. v. 9.4.1933 und einen Artikel v. 2.5.1933 in dem .Theological Magazine' der Evang. Synode von Nordamerika (abgedruckt in der von G. HARDER in apologetischer Absicht zusammengestellten Schrift: U m Kirche und Nation, 1935, S.17-20). Auffälligerweise fehlt in der Meldung des epd die Erwähnung des Rundfunkvortrags von Dibelius (vgl. Der kirchliche Abwehrkampf gegen die Lügenpropaganda, in: epd Nr.14 v. 5.4.1933). - R . STUPPERICH begründet Dibelius' Abwehr der Greuelpropaganda „nur" damit, dass Dibelius der nationalen Regierung gegenüber ein Zeichen des guten Willens und des kirchlichen Wohlwollens geben wollte (R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.205); er verweist lediglich allgemein auf einen im Elternhaus begründeten generellen antisemitischen Vorbehalt (vgl. EBD., S.639, Anm.16), ohne die antisemitischen Äußerungen von Dibelius auch nur andeutungsweise zu erwähnen. - D e m Ausland gegenüber war Dibelius fast jedes beschwichtigend-unwahrhaftige Mittel recht, damit nur das Ansehen Deutschlands nicht beschädigt werde und dort erneut eine „Greuelpropaganda" um sich greife. Selbst als im Jahr 1933 der Kirchenstreit auf dem Höhepunkt war (mit der Konsequenz der Beurlaubung von Dibelius durch Staatskommissar JÄGER), hat sich Dibelius in seiner Nibelungentreue dem Dean of Chichester gegenüber „alle Mühe gegeben, ihm die nationalsozialistische Art, die Dinge zu sehen, begreiflich zu machen. Die Engländer sollen vor dem neuen Staat Respekt haben und ihn nicht als Cäsaren-Tyrannei beurteilen! Auch wenn wir als Kirche mit diesem Staat einen Konflikt haben!" (Handschriftliche Aktennotiz v. 8.7.1933, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, A 6 / So habe ich's erlebt, 1980, S.197) 1 5 5 „Wiewohl zur Beruhigung der Situation gedacht, haben solche Verlautbarungen von Kirchenführern gegen die Kommentare der Auslandspresse den Nationalsozialismus unterstützt" (K. MEIER, Kreuz, 1992, S.157). 1 5 6 J . GOEBBELS, Tagebücher 1/2, 1987, S.400. - Die nationaljüdisch eingestellte Jüdische Rundschau' kommentierte dieses Ereignis in bitter-ironischer, aber mutiger Sprache mit der Erinnerung daran, dass es nach gut 150 Jahren seit der Uraufführung von LESSINGs „Nathan der Weise" nun in Deutschland zu dieser Aktion der fanatischen Intoleranz gekommen sei (vgl. Jüdische Rundschau, Monatsausgabe, Nr.4 v. April/Mai 1933, S.5). - Selbst D . BONHOEFFER gestand in den Tagen des Boykotts dem Staat das Recht zu, in der Judenfrage „neue Wege zu gehen", um sogleich dieses Recht unter einen ethischen und ekklesiologischen Vorbehalt zu stellen: Die Kirche wird „als Kirche nur danach fragen, ob der Staat Ordnung und Recht schafft oder nicht" (D. BONHOEFFER, Judenfrage, GS II, 1959, S.45 u. 47). Dass die Judenfrage auch im zu erwartenden Nachkriegs-Deutschland im Sinne eines zu schaffenden Ausländerrechts „einer grundsätzlichen und großzügigen Regelung zugeführt" werden müsse, stellte die - in Teilen auch von Dibelius mitverfasste - „Freiburger Denkschrift" von 1943, neben einer weitgehenden Wiedergutmachung an den Juden, noch in Aussicht (vgl. H . THIELICKE, Stunde Null, 1979, S.150). 1 5 7 Senta Maria KLATT, Tochter einer Jüdin und Sekretärin von Dibelius und SCHARF in der Brandenburgischen Geschäftsstelle der Bekennenden Kirche und im späteren Berliner Konsistorium, berichtet, dass in einem Brief von Dibelius an Admiral CANARIS, den Chef der Abwehr, der gefährliche Satz gestanden habe: „Man kann von einem Christenmenschen keine Schützen-
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Kurt GERSTEIN, den Dibelius am 2.11.1937 in der märkischen Gemeinde Bad Saarow unter dem Bibelwort nach Kol 3,17 1 5 8 kirchlich getraut hatte, wurde Dibelius schon früh zum Mitwisser der planmäßigen Vernichtungsmaschinerie 159 der nationalsozialistischen „Endlösung". So sah es Dibelius als seine Christenpflicht an, verfolgten Juden unter Gefährdung seiner eigenen Person zu helfen und sie im Haus des von ihm geleiteten Gustav-Adolf-Vereins zu verstecken 160 . Die von Dibelius formulierte und von Martin NlEMÖLLER ergänzte „Stuttgarter Schulderklärung" 161 von 1945 enthielt - ähnlich wie schon die „Barmer Erklärung" 1 6 2 von 1934 - noch kein Wort zum Holocaust bzw. zur Judenverfolgung; sie wurde erst im Jahr 1950 durch ein Wort der Weißenseer EKD-Synode, durch das „Wort zur Schuld an Israel" bzw. das „Wort zur Judenfrage" 163 , komplettiert. Trotzdem befremdet die mangelnde Einsicht in den ursächlichen Zusammenhang von verbal bekundeter Judenfeindschaft und ihrer Folgewirkung bis zum Holocaust sowie der Sprach- und Machtlosigkeit gegenüber dem Genozid an den Juden. Ebenso befremdet bei Dibelius die mangelnde Erkenntnis, dass auch ein „christlich-bürgerlich-gemäßigter" Antisemitismus, der mit einem Radau-Antisemitismus der Straße nichts zu tun haben wollte, zu den Wurzeln jener Entwicklung gehört, die in dem erschreckenden, unmenschlichen und gottlosen Fanatismus der praktizierten „Endlösung der Judenfrage" gipfelte164. Die Saat des
grabenkameradschaft erwarten mit einem SA-Mann neben ihm, der von Christus als dem Judenlümmel' spricht" (W. SEE / R . WECKERLING, Frauen, 1984, S.15). 1 5 8 Dibelius trug den Trautext in der Version von Kol 3,23 in das Gedenkblatt handschriftlich ein: „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen" (vgl. in: Sammlung Gerstein ESCHVCEGE). 1 5 9 Vgl. Obrigkeit, 1963, S.140f., Anm.17; Dibelius an Ernst KÜPPER v. 5.7.1946, L K A BIELEFELD, Sammlung Kurt Gerstein; K. GERSTEIN, Dokumentation, S.15; E. FRANZ, Holocaust, 1979, s.7; G. van NORDEN, Widerstand, 1986, S.131; Chr. BUCHHOLZ, Christsein, 1995, S.121123. 1 6 0 Vgl. W . GERLACH, Zeugen, 1987, S.41f. u. S.398; R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.331, 344f., 555; K. SCHARF, Diskussion, 1989; S. HERMLE, Judentum, 1990, S.24, S.226, Anm.79; E. BETHGE, Dibelius, 1990, S.180; E. BETHGE, Wiederaufbau, 1991, S.302. 1 6 1 Vgl. dazu u.a. M. GRESCHAT, Schuld, 1982; M. GRESCHAT, Zeichen, 1985; G . BESIER / G. SAUTER, Schuld, 1985; H.-W. KRUMWIEDE, Schuld, 1987, S.239-252; J . MEHLHAUSEN, Wahrnehmung, 1995, S.471-498. 1 6 2 Pinchas LAPIDE nannte deshalb die Barmer Erklärung: „Barmen ohne Erbarmen". 1 6 3 Berlin-Weißensee 1950, S.357f. / A B l E K D 4, 1950, Nr.93; vgl. dazu bes. S. HERMLE, Judentum, 1990, S.348ff.; vgl. auch K. HERBERT, Aufbruch, 1989, S.165ff.; M. LÖTZ, Kirche, 1992, S.41f. 1 6 4 Dibelius kann in dieser Hinsicht als ein typischer Exponent des deutschen Konservatismus bezeichnet werden, wie ihn Th. NlPPERDEY glänzend charakterisiert hat: Die Konservativen „waren für den Antisemitismus als Wahlhilfe und gegen ihn als Unruhestifter. Sie pflegten ihre anti-jüdischen Vorurteile, weil sie so schön in die Verteidigung des Landes gegen Stadt, Industrieund Handelskapitalismus, Agnostiker und Intellektuellsten paßten - ohne daraus ein System, eine Theorie zu machen und die Welt aus diesem Punkt anzusehen. Daß solche Pflege des Antisemitismus - als populäres .Mittel' - zu dessen Verselbständigung führte und dazu, daß das ideologisierte Vorurteil seine Beiläufigkeit und Naivität verlor, Konstanz gewann und die, die es nur benutzen wollten, zu beherrschen begann, versteht sich. Indem die Konservativen einen gezähmten Antisemitismus großzogen, haben sie auch dem radikalen Antisemitismus den Boden berei-
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ideologisch-rassistischen Antisemitismus ging in Deutschland auch auf dem Boden der soziokulturellen Judenfeindschaft: auf. 1.7.3 Widerspruch gegen Dibelius' Wahlpropaganda Die unverhüllte Wahlpropaganda des Geschäftsführers des Vertrauensrates blieb freilich nicht ohne Widerspruch und nicht ohne Folgen. N o c h vor den Wahlen zur Nationalversammlung ist Missionsdirektor AXENFELD165 im Auftrag des .Deutschen Volkskirchendienstes 1918' 166 (Ausschuss für interkonfessionelle, internationale und politische Beziehungen) brieflich bei Dibelius vorstellig geworden, um ihm die massiven Bedenken mitzuteilen, zu denen er in seiner Wahlpropaganda Anlass gab. Der Ausschuss fühlte sich dazu besonders herausgefordert, da Dibelius in seinen .Mitteilungen' sich der Parteienbefragung des Volkskirchendienstes bediente, ihre Intention aber durch seine eigenwillige Interpretation desavouiert hatte. Das strategische Konzept des Volkskirchendienstes lief nämlich darauf hinaus, durch die Parteienbefragung gerade die D D P in kirchlichen Kreisen zu stärken, da es in dieser Partei neuerdings Stimmen gebe, „die so warm sich für die Erhaltung der Lebensbedingungen der Kirche aussprechen, daß sie nicht unterschätzt werden dürfen". Man habe keinen Grund, diese kirchenfreundlichen Tendenzen in Zweifel zu ziehen und sie als bloß wahltaktisches Manöver zu diskreditieren. Gegen die Identifizierung von Partei und .Berliner Tageblatt' machte AXENFELD geltend, dass inzwischen der Partei Persönlichkeiten beigetreten seien, „die ein ehrliches kirchliches Interesse haben und es als ihre Aufgabe betrachten, dafür zu sorgen, daß die Partei fortan in diesen Fragen eine andere Haltung einnimmt, als sie etwa früher das Berliner Tageblatt annahm." Es sei jetzt die Gelegenheit, „endlich den verderblichen Bann brechen zu helfen, der bisher ... ein positives Verhältnis der politischen Linken zur Kirche und den religiösen Fragen nicht aufkommen ließ." Es sei darüberhinaus Aufgabe der Kirche, gegenüber den Parteien ausnahmslos eine unparteiische Haltung einzunehmen, um so auf sie alle Einfluss zu gewinnen. In diesem Sinn habe der Ausschuss des Volkskirchendienstes der Parteienbefragung „nur noch die allgemeine Bitte an die Wählerkreise angefügt, nur solche Parteien und Kandidaten zu unterstützen, die für die Kirche und die christlichen Grundlagen ausreichende Zusagen machen. Das Urteil aber darüber, von welcher Partei dies gelten könne, haben wir den Wählern überlassen." Als seine persönliche Ansicht fügte AXENFELD noch an, dass wohl eine Regierungsmehrheit von Sozialdemokraten 167 und Demokraten zu erwarten sei. tet" (Th. NIPPERDEY, Deutsche Geschichte II, 1992, S.307; vgl. auch Th. M. SCHNEIDER, Reichsbischof, 1993, S.303). 1 6 5 AXENFELD an Dibelius v. 15.1.1919 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.6f., die folgenden Zitate EBD.). 1 6 6 Die Flugschrift mit der Parteienbefragung und den Parteien-Antworten findet sich als Beilage im ,Protestantenblatt' vom 18.1.1919. 1 6 7 AXENFELD erwähnt, dass die SPD in Bayern und Württemberg erstaunlich kirchenfreundliche Zusagen gemacht und Pastor FORELL unter „seinen lieben Roten" im Riesengebirge
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„Hängt dann nicht das Geschick der Kirchenfragen vornehmlich an der Haltung der Dt. Demokrat. Partei? Um so weniger dürfte die Kirche jetzt diese Partei vor den Kopf stoßen und irgend etwas tun, was ihr Recht oder auch nur Vorwand gäbe, von ihren Zusagen mit der Begründung zurückzutreten, die Kirche habe sich zu ihr feindlich gestellt." Auf dem Hintergrund dieses bedeutsamen und deshalb hier so ausführlich zitierten Briefes von A X E N F E L D wird deutlich, wie diametral verschieden Absicht und Zweck der Parteienbefragung gewertet wurden. Im einen Fall sollte die neuerdings kirchenfreundliche Haltung der demokratischen Partei und damit ihre kirchenpolitische Seriosität honoriert und bekanntgemacht werden. Da man erwarten konnte, dass die Sozialdemokraten die DDP trotz ihrer antisozialistischen Position zur regierungsbildenden Mehrheitsbeschaffung heranziehen würden, ja dass bei einer Regierungsbildung die D D P das „Zünglein an der Waage" darstellen und den Ausschlag geben würde, sollte die Kirche auch ihrerseits die DDP als ihre künftige Gesprächs- und Verhandlungspartnerin ernstnehmen und stärken. Ganz anders sah offensichtlich das Konzept von Dibelius aus: Wenn die DDP tatsächlich, wie es zu erwarten war und wie es dann auch eingetroffen ist, eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung einnehmen sollte, dann kann man durch die Schwächung oder gar Ausschaltung der DDP auch eine sozialistische, d.h. in Dibelius' Augen kirchenfeindliche Regierung insgesamt verhindern und einer bürgerlichen Rechtskoalition zum Sieg verhelfen. U m dieses Zieles willen war Dibelius nahezu jedes Mittel recht, auch das Mittel, mit alten, zum Teil längst überholten Urteilen und Vorurteilen immer noch vorhandene Emotionen und Aversionen zu aktivieren und zu verstärken und den politischen Kampf dadurch zu entscheiden. Das moralische Fehlverhalten bei Dibelius wird hier durch eine eklatante Fehleinschätzung der politischen Lage und der kirchlichen Möglichkeiten begleitet, als ob durch eine noch so massive Wahlpropaganda die bestehenden politischen Mehrheitsverhältnisse nicht nur in der einen oder anderen Richtung beeinflusst, sondern gar auf den Kopf gestellt werden könnten. Die Wahrnehmung des kirchlichen Wächteramts, auf das sich Dibelius in Anlehnung an Ez 3,17 in seiner Wahlempfehlung 168 berief, hätte vielmehr darin bestehen müssen, individuelles Verhalten, politische Verhältnisse und gesellschaftliche Tendenzen eben nicht nur in der Engführung rein kirchlicher Gesichtspunkte der Öffentlichkeit bewusst zu machen und kritisch zu begleiten. Wenn politische Wahlen aber im Sinne von Dibelius unter rein kirchlichen Gesichtspunkten zu vollziehen sind, dann wird der politische Wahlakt zu einem interessengeleiteten Bekenntnisakt für die Kirche hochstilisiert (oder herabgewürdigt), mit dem „Volksbund kirchentreuer evangelischer Christen" eine erfreuliche Zusammenarbeit mit den sozialdemokratisch orientierten Gemeindegliedern begonnen habe. „Wir kommen doch nur dadurch aus der jetzigen heillosen Lage heraus, daß es uns gelingt, unter den jetzt kirchenfeindlich orientierten Volksmassen ein Neues zu säen" (AXENFELD an Dibelius v. 15.1.1919, in: EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.6f.). 168 Vgl. „Vor der Entscheidung", Abschnitt Ш (Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919).
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wobei gerade die im Meinungsstreit der verschiedenen Parteien vom Wähler zu entscheidenden Aspekte staatspolitischer, sozial-, wirtschafts- oder finanzpolitischer Art völlig ausgeblendet bleiben. Das massiv agitatorische Vorgehen von Dibelius stieß auch in Gemeindekreisen auf Ablehnung, da die teilweise unverhüllte Propaganda der Pfarrer für die DNVP, wie sie von Dibelius bedenkenlos empfohlen wurde, der Kirche mehr geschadet als genützt habe169. Ebenfalls von der Gemeindebasis her wurde Dibelius von einem Duz-Freund vertraulich mitgeteilt, dass der Wahl-Artikel in den ,Mitteilungen' „viel Staub aufgewirbelt" habe und dass seinem Autor „größte Vorsicht und Zurückhaltung bei Behandlung dieser Frage ... in Anbetracht der schon ziemlich gereizten Stimmung" 170 anzuraten sei. Solche Vorsicht und Zurückhaltung hatte nun Dibelius mit seinem Artikel in den ,Mitteilungen' allerdings vermissen lassen. Dies veranlasste einen Pfarrer aus dem Magdeburger Bezirk zu einer förmlichen Beschwerde direkt beim EOK mit der Bitte um Veranlassung, „daß diese Entgleisung an derselben Stelle wieder gutgemacht wird." 171 Ahnlich wie in dem Schreiben von AXENFELD wird die Beschwerde mit den gegebenen parteipolitischen Kräfteverhältnissen und der fragwürdigen Durchsetzung der kirchenpolitischen Interessen begründet: „Denn es kann schwerlich als fördersam bezeichnet werden, wenn die Landeskirche, nachdem sie im deutschen Kaiserreich die Sozialdemokraten zurückgestoßen hat, nun in der neuen deutschen Republik auch noch die deutschen Demokraten vor den Kopf stoßen wollte. Mit den kleinen Gruppen der deutsch-nationalen Partei und der deutschen Volkspartei allein kann doch die Volkskirche nicht erhalten werden, geschweige daß mit ihnen allein die erwünschten kirchenpolitischen Ziele nicht zu erreichen sind."172 Ganz ohne Folgen blieb dieser Protest nicht, auch wenn die „Entgleisung" öffentlich nicht ausdrücklich 173 zurückgenommen wurde. Aber die Beschwerde machte den EOK und den Vertrauensrat wohl auf die Frage aufmerksam, wel169
Vgl. EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.194. Schreiben v. 11.3.1919 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.66R). Pfarrer G. HABERMANN an E O K v. 31.1.1919 (EZA BERLIN, 7/852). 172 EBD. - Erst am 21.2.1919 beantwortete der E O K die Beschwerde mit dem Hinweis, dass die ,Mitteilungen' herausgegeben werden „im Auftrag des Werbeausschusses durch den Geschäftsführer des Zwölfer-Ausschusses, dem die Verbindung unter den Arbeitsausschüssen und zwischen diesen und dem Plenum obliegt.... Der Inhalt der .Mitteilungen' trägt daher keinen amtlichen Charakter, wie auch bei Begründung der Blätter ausdrücklich festgestellt ist" (EBD.). 173 In den Mitteilungen Nr.5 v. 20.1.1919 wird lediglich kommentarlos eine „Nachlese" zu den bisher gegebenen bzw. noch ausstehenden Antworten auf die Parteienbefragung gehalten; es wird darin ein Flugblatt der D D P zitiert, das „lauten Protest" erhebt gegen die Verordnungen Adolf HOFFMANNS und im Übrigen alle kirchlichen Interessen und Forderungen anerkennt und sich für eine schonende Behandlung der kirchlichen Interessen einsetzt. So heißt es in diesem Flugblatt („Kirchenglocken im neuen Deutschland") u.a.: „Wer die Religion schützt, arbeitet für das Heil des deutschen Volkes! Wir verlangen mit aller Entschiedenheit Sicherung und Schutz für die Ausübung der Religion!". - Auch von der SPD werden Antworten wiedergegeben, die großes Verständnis für die Anliegen und Ansprüche der Kirche - ausgenommen in der Schulfrage - erkennen lassen. 170 171
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c h e n G r a d offizieller o d e r a m t l i c h e r Q u a l i t ä t 1 7 4 die v o n D i b e l i u s h e r a u s g e g e b e n e n M i t t e i l u n g e n ' h a b e n s o l l t e n . I m m e r h i n t r u g e n die V e r ö f f e n t l i c h u n g e n U n t e r t i t e l : „aus d e r A r b e i t d e r d e m E v a n g . O b e r k i r c h e n r a t u n d d e m
den
General-
synodalvorstand beigeordneten Vertrauensmänner der Evangelischen Landeskirc h e " . W e r ist A u f t r a g g e b e r , w e r ist v e r a n t w o r t l i c h f ü r d e n I n h a l t d e r , M i t t e i l u n gen'? Diese
Frage
wurde
in
der
folgenden
Sitzung
des
Werbeausschusses
am
1 4 . 1 . 1 9 1 9 d i s k u t i e r t , d e n n in d e r v o r i g e n S i t z u n g a m 7 . 1 . 1 9 1 9 w a r n u r d a v o n die R e d e , dass ein „ v o m E v a n g e l i s c h e n B u n d v e r f a ß t e s F l u g b l a t t g e g e n d e n S t i m m e n f a n g des Z e n t r u m s in e v a n g e l i s c h e n K r e i s e n " z u m A b d r u c k k o m m e n solle. S t a t t dessen e r s c h i e n in d e r n ä c h s t e n A u s g a b e d e r , M i t t e i l u n g e n ' a m 8. J a n u a r d e r ausf ü h r l i c h e W a h l - A u f r u f aus d e r F e d e r v o n D i b e l i u s , o h n e dass dieser d a z u ausd r ü c k l i c h b e a u f t r a g t w o r d e n w a r . V i e l l e i c h t h o f f t e D i b e l i u s , dass d e r A u s s c h u s s ä h n l i c h w i e s c h o n bei s e i n e m e i g e n m ä c h t i g e n V o r s t o ß g e g e n die V o l k s k i r c h e n r ä t e - s e i n e n A r t i k e l n a c h t r ä g l i c h billigen w ü r d e . D i e s w a r o f f e n s i c h t l i c h
nicht
d e r F a l l . Z w a r d ü r f t e s i c h D i b e l i u s ' W a h l - B o t s c h a f t gegen
Guns-
die D D P u n d zu
ten d e r D N V P / D V P m i t d e r p e r s ö n l i c h e n M e i n u n g u n d d e m p o l i t i s c h e n S t a n d p u n k t d e r m e i s t e n M i t g l i e d e r des W e r b e a u s s c h u s s e s 1 7 5 g e d e c k t h a b e n ; a b e r die W a h l - E m p f e h l u n g ( u n d a u c h w o h l die A r t i h r e r D a r b i e t u n g ) e n t s p r a c h n i c h t d e r ausgleichend-schaukelnden „politischen L o s u n g " , auf deren gemeinsame Erarbei1 7 4 Die Frage wird immer wieder auch in der Korrespondenz mit Dibelius gestellt, z.B. wo AXENFELD von seinem Arbeitsausschuss berichtet: „Wir waren uns nicht ganz klar und einig darüber, in welchem Grade Veröffentlichungen in den ,Mitteilungen', auch wenn sie die Unterschrift des Verfassers tragen, als amtliche Kundgebungen der kirchlichen Behörde zu betrachten sind" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.6R). 1 7 5 Von den 13 Mitgliedern des Werbeausschusses bewarben sich allein fünf um ein Mandat in der Nationalversammlung: BEHRENS, RÜFFER und TRAUB für die D N V P , STREITER und STOCK für die D V P (vgl. J.JACKE, Kirche, 1976, S.107). In der Sitzung des Werbeausschusses v. 30.12.1918 wurde beschlossen, gegen den Artikel von NAUMANN in der .Hilfe' („Freier Staat und freie Kirche - Ein Wort an deutsche Männer und Frauen") Front zu machen (vgl. E Z A BERLIN, 7/953, pag.13). - Dieser Aufsatz ist ein Schlüssel zum Verständnis sowohl der Haltung der D D P als auch der Gegnerschaft der kirchlichen Rechten. NAUMANN spricht davon, „daß es vielen Christen noch gar nicht aufgegangen ist, wie sehr Gott durch die Revolution mit ihren Seelen redet", denn die Revolution habe Glaube und Kirche „vom öffentlichen J o c h " und ihrer „Verweltlichung" befreit. Deshalb gelte: „Ihr müßt aus Gründen des Glaubens dasselbe wollen, was der Kultusminister aus Gründen des Unglaubens über euch verhängt: freie Christen, demokratische Christen! Mit anderen Worten: Ihr werdet von jetzt an die freie Kirche im freien Staate verlangen". - Wohl betont NAUMANN, woran „die demokratische Partei mit beiden Händen" festhalte: an dem Recht der Kirche auf Besitzstandswahrung, auf Selbstverwaltung und Selbstbesteuerung; wohl habe der Staat die Pflicht, „die Würde der kirchlichen Orte und Handlungen" zu schützen, aber es dürfe - um der Freiheit der Kirche willen! - keine staatlichen Privilegien, deshalb auch keine Staatszuschüsse mehr geben. Und dies eben weckte die Gegnerschaft der an den alten Staatsleistungen festhaltenden Politik der Kirche: „Der demokratische Mehrheitsstaat kann gar nichts anderes tun, als alle Religionsgemeinschaften, Sekten, Freigemeinden und Dissidenten gleich zu behandeln. V o r dem Gesetze müssen alle gleich sein! Es gibt keine Vorzugsrechte für Kirchenmitglieder mehr." Und: „Der Staat ist, wie Professor SOHM in seinem Kirchenrecht ausführt, ein Heide, das heißt: er kümmert sich nicht darum, ob jemand Katholik, Protestant, Jude, Baptist, Freigemeindler oder sonst etwas ist. Der Staat fragt nach Leistungen, nicht nach Bekenntnissen" (Die Hilfe v. 26.12.1918, S.628-630).
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
t u n g d e r W e r b e a u s s c h u s s s o viel M ü h e u n d Z e i t v e r w e n d e t h a t t e 1 7 6 . bedeutete der unterbliebene, aber v o m Werbeausschuss beschlossene
Außerdem Abdruck
d e s F l u g b l a t t s 1 7 7 des E v a n g e l i s c h e n B u n d e s e i n e B r ü s k i e r u n g d e s A u s s c h u s s v o r s i t z e n d e n E V E R L I N G , d e r in s e i n e r E i g e n s c h a f t als D i r e k t o r des
Evangelischen
B u n d e s a n d e r V e r ö f f e n t l i c h u n g g e r a d e dieses F l u g b l a t t e s b e s o n d e r s i n t e r e s s i e r t sein m u s s t e 1 7 8 . Jedenfalls sah m a n sich veranlasst, den u n g e s t ü m e n Poltergeist u n d den kirc h e n p o l i t i s c h e n G r ö ß e n w a h n des 3 8 - j ä h r i g e n G e s c h ä f t s f ü h r e r s i n die S c h r a n k e n z u weisen. Z u u n v o r s i c h t i g hatte sich Dibelius auf d e m P a r k e t t der hochsensiblen K i r c h e n p o l i t i k b e w e g t , z u w e i t h a t t e e r s i c h aus d e m F e n s t e r e i n e r n o c h n i c h t festgefügten K i r c h e gelehnt. In Z u k u n f t sollte deshalb, so entschied der W e r b e ausschuss,
die A r b e i t
der Ausschussmitglieder
nach
genau
festgelegtem
Pro-
g r a m m gestaltet w e r d e n . D a m i t d e r A u s s c h u s s v o r s i t z e n d e w i e d e r m e h r d i e Z ü g e l i n d i e H a n d b e k o m m e u n d die U b e r s i c h t b e h a l t e , m u s s t e n k ü n f t i g die Z u s c h r i f t e n a n d e n W e r b e a u s s c h u s s d i e s e m „in U r s c h r i f t v o r g e l e g t u n d v o n i h m geeigneten Falls den einzelnen Referenten zugeschrieben werden". Die
Beantwortung
d e r Z u s c h r i f t e n d u r c h d e n G e s c h ä f t s f ü h r e r h a b e „sich l e d i g l i c h a u f die f o r m a l e Seite ( B e s t ä t i g u n g d e s E i n g a n g s , M i t t e i l u n g ü b e r die w e i t e r e B e h a n d l u n g des G e genstandes) zu beschränken"179. Diese internen M a ß n a h m e n k a m e n einer demütigenden
Zurücksetzung
und
scharfen
Zurechtweisung
des
Geschäftsführers
d u r c h den W e r b e a u s s c h u s s gleich.
1 7 6 Dort stand ja zu lesen, dass die Kirche nicht die Aufgabe habe, „sich für eine einzelne, bestimmte politische Partei zu entscheiden", vielmehr stehe sie „über den Parteien" (Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918). Zwar zitierte Dibelius diesen Grundsatz auch in seinem Wahlaufruf, stellte damit aber nur scheinbar die Übereinstimmung zwischen der „politischen Losung" des Werbeausschusses und seiner eigenen Propaganda her. Die Formel „über den Parteien" sollte wohl auch ein parteipolitisches „sine ira et studio" suggerieren oder zum Programm erheben; vor der Wahl, als diese Formel zum ersten Mal gleichsam auf dem Prüfstand stand, wurde sie jedoch unter der Hand von Dibelius zu einer deklamatorischen Fiktion und dekorativen Attrappe der kirchlichen Interessenpolitik. - Der E O K hat sich in seiner Politik und in seinen öffentlichen Kundgebungen weit größere Vorsicht und Zurückhaltung auferlegt, wenn es in seiner Ansprache an die Gemeinden zum Jahreswechsel heißt: „Unterstützt nur solche Männer, die offen und klar für das Recht der Kirche und für die christliche Erziehung in Schule und Haus eintreten!" (Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt, 1918, Nr.18, S.59 / M. GRESCHAT, Revolutionsjahr, 1974, S.95). In einem Wahlaufruf von M. SCHIAN heißt es ganz im Sinn dieser EOK-Ansprache: „Sehr wichtig ist, daß in die einzelnen Landesversammlungen Abgeordnete gewählt werden, die der evangelischen Kirche freundlich gegenüberstehen und in der Frage der Trennung von Kirche und Staat sachkundig sind" (PrKZ 14, 1918, Sp.388). 1 7 7 Obwohl der Evangelische Bund grundsätzlich keine Wahlparole für eine bestimmte Partei ausgeben wollte, schärfte er seinen Anhängern lediglich die NichtWählbarkeit der beiden sozialistischen Parteien ein und warb für ein Gegengewicht gegenüber dem Zentrum und für die Aufstellung von evangelischen Kandidaten in anderen Parteien. Die Demokratische Partei (auf die es ja Dibelius besonders abgesehen hatte) wurde in diesem Zusammenhang überhaupt nicht erwähnt (vgl. W . FLEISCHMANN-BlSTEN, Bund, 1989, S.158f.). 1 7 8 Offenbar schadete diese Brüskierung dem Renommee von Dibelius keineswegs; bereits im April wurde er zu einem „Vortrag über die kirchliche Lage" beim Berliner Hauptverein des Evangelischen Bundes eingeladen (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.235). 1 7 9 Protokoll der Sitzung v. 14.1.1919 (EZA BERLIN, 7/953, pag.158).
Geschäftsführer des Vertrauensrates ab 1918
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In einem weiteren Punkt werden weitere Folgemaßnahmen genannt, die wohl von höherer Stelle 180 angeordnet wurden: einmal sollten in Zukunft die ,Mitteilungen' in ihrem Kopfteil einen veränderten Untertitel erhalten, aus dem hervorgeht, dass die Blätter nur „im Auftrag des Werbeausschusses" vom Geschäftsführer Pfarrer Lie. Dr. Dibelius herausgegeben werden. Damit sollte nach außen hin kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass weder der E O K samt GeneralsynodalVorstand noch der Vertrauensrat die ,Mitteilungen' verantwortet und dass ihr amtliches Gewicht weit niedriger einzustufen ist, als dies auf Grund der seitherigen Absenderangabe vermutet werden konnte. Zum andern wurde das Blatt auch nach seiner inhaltlichen Seite zurechtgestutzt; es sollte künftig nur noch aus der Arbeit in den verschiedenen Ausschüssen berichten, während die Berichte über die Arbeit der Vollversammlung des Vertrauensrates vorwiegend auf die Gemeinde- und Sonntagsblätter verlegt werden sollten 181 . In öffentlichen Versammlungen und im privaten Gespräch 182 wurde Dibelius mehrfach kritisch auf seine Wahlagitation angesprochen. So sah er sich Monate später veranlasst, dem Parteivorsitzenden der D D P gegenüber seine damalige Haltung ins rechte „kirchliche" Licht zu rücken, um weiteren Schaden im Verhältnis zur D D P abzuwenden und zu verhindern, dass „in Kreisen der Demokratischen Partei sich aus solcher Ursache irgend eine Mißstimmung gegen die .offizielle Kirche' festsetzen könnte". Dibelius versuchte in einem fast 5-seitigen Schreiben an NAUMANN, diese Missstimmung auf ein Missverständnis der D D P zurückzuführen, indem er seine im Vertrauensrat bekannte und anerkannte parteipolitische Neutralität als Beweis anführte. Umso wichtiger sei es ihm, „daß von meiner Äußerung, wenn sie in einem Sinn verstanden wird, der ihr nie innegewohnt hat, kein Schluß auf andere, namentlich nicht auf die offizielle Kirche, erfolgt. Der Ev. Oberkirchenrat muß völlig aus dem Spiele bleiben." Der Artikel sei in seiner eigenen Verantwortung geschrieben und als solcher kenntlich gemacht worden. Zu seiner Rechtfertigung verwies Dibelius auf die Tatsache, dass er in den unmittelbar folgenden ,Mitteilungen', „ebenfalls noch vor den Wahlen, die wichtigsten Sätze aus dem bekannten ,Kirchenglocken-Flugblatt' abgedruckt habe" 183 . Aus den Verhältnissen der damaligen aufgeregten Tage allein sei es zu 1 8 0 Bei der Sitzung zusätzlich anwesend war vom E O K auch KonsRt KARNATZ, der das Protokoll führte. 1 8 1 Tatsächlich fehlen nun in den folgenden Ausgaben Nr.5 bis 12 mit dem Namen des Geschäftsführers gezeichnete Artikel, obwohl Stil und Sprache der Berichte unschwer die Urheberschaft von Dibelius erkennen lassen. 1 8 2 Namentlich mit Prof. SCHNEEMELCHER musste sich Dibelius dabei auseinandersetzen (vgl. Dibelius an NAUMANN v. 14.6.1919, in: BA KOBLENZ Abt. Ш, N L Naumann 90 N a 3, 13; die folgenden Zitate EBD.). 1 8 3 In einer „Nachlese" zu den in Nr.4 mitgeteilten Äußerungen der politischen Parteien wurde nachgetragen, die Sozialdemokratie habe in mehreren Wahlkreisen offiziell erklärt, „daß sie für eine schonende gesetzliche Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat" einzutreten bereit sei (Mitteilungen Nr.5 v. 20.1.1919). Aus dem Flugblatt „Kirchenglocken im neuen Deutschland" wird eine Auswahl der Parolen aus dem Wahlbüro der D D P geboten, die den Schutz, die Sicherung und die Würde der Religion in Kirche, Gesellschaft, Universität und Schule gegen die Verordnungen Adolf HOFFMANNS nachdrücklich fordern: „Wer die Religion schützt,
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
erklären, dass das Prinzip der parteipolitischen Neutralität nicht ganz gewahrt worden sei: „Es ging damals, in der ersten Blütezeit des Kulturministeriums Adolf HOFFMANN, schlechtweg um Leben und Existenz der Kirche. Sie mußte sich ihrer Haut wehren." 184 Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Dibelius betrieb klar eine Wahlempfehlung für die zum rechten Spektrum gehörenden Parteien; die Spitze aber seiner Wahlagitation richtete sich weniger gegen die sozialistischen Parteien als gegen die Demokratische Partei 185 . Außerdem hat Dibelius seinen Wahl-Artikel mit der diffamierenden Gleichsetzung von .Berliner Tageblatt' und demokratischer Partei in eigener Verantwortung und im Alleingang veröffentlicht - weder nach vorher erteilter Beauftragung noch mit nachträglicher Billigung des Werbeausarbeitet für das Heil des deutschen Volkes!... Wer anders will, der versündigt sich an unserem Volke!" (Mitteilungen Nr.5 v. 20.1.1919) - Der Hinweis von Dibelius, dass diese ergänzenden und korrigierenden Mitteilungen noch vor den Wahlen erfolgt seien, ist nur halb richtig: am 19. Januar fand die Wahl zur Nationalversammlung, am 26. Januar die Wahl zur Preußischen Landesversammlung statt. Außerdem dürfte fraglich sein, ob die am 20. Januar gedruckte N r . 5 der Mitteilungen' noch rechtzeitig ihre Leser fand, die ja ihrerseits als Multiplikatoren hin zur Gemeindebasis fungieren sollten, während die Mitteilungen Nr.4 v. 8.1.1919 mit ihrer Botschaft gerade noch rechtzeitig ihre Adressaten erreicht haben dürften. 1 8 4 Allein seinen Angriff gegen das .Berliner Tageblatt' hielt Dibelius weiterhin aufrecht: „Uber das Tageblatt in seiner sittlichen - natürlich nicht politischen! - Haltung bis zu den Dezembertagen 1918 ist mir kein Wort zu scharf." NAUMANN widersprach in seiner postwendenden Antwort dieser Einschätzung und nahm das ,Berliner Tageblatt' in Schutz: „Wenn Sie und andere persönlich kein besonderes Zutrauen zur Politik des Berliner Tageblattes haben, so ist das ein Privatvorgang, über den ich nicht weiter spreche. Es scheint mir aber, daß selbst das Berliner Tageblatt kaum Veranlassung gegeben hat zu einer besonderen Protestbewegung von evangelischkirchlicher Seite." Der Parteivorsitzende gab seiner Erwartung Ausdruck, dass „in irgendwelcher Weise die evangelische Kirchenleitung ausspricht, daß sie sich durch den Verlauf der Beratungen über die Grundrechte der Verfassung überzeugt hat, daß die vielfältigen von kirchlicher Seite ergangenen Warnungen gegenüber der Demokratischen Partei nachträglich als gegenstandslos erscheinen." „Vielleicht haben Sie die Güte", so wandte sich NAUMANN abschließend an Dibelius persönlich, „über die Möglichkeit einer derartigen Kundgebung nachzudenken, damit das, was im Dezember und Januar 1918/19 durch einseitigen Eifer verdorben wurde, einigermaßen wieder in ein geordnetes Geleise kommt." (NAUMANN an Dibelius v. 16.6.1919, in: B A Abt. BERLIN, N L Naumann 90 N a 3, 13) - Es ist nicht nur bedauerlich, sondern auch befremdlich, dass ein solches offizielles Wort der Entschuldigung und Rehabilitierung unterblieben ist. Lediglich posthum wurde Friedrich NAUMANN auf dem Dresdener Kirchentag ein kirchlicher Ehrenkranz geflochten: „Als der Präsident des Preußischen Oberkirchenrats am 1. September den Kirchentag eröffnete, geschah es mit einem Nachruf auf NAUMANN. Die Kirche spürte, und recht erst beim Abschied, was dessen Sein und Wirken für sie bedeutet hatte" (Th. HEUSS, Naumann, 1937, S.631 / 1949, S.483). 1 8 5 G. MEHNERT urteilt im Blick auf die parteipolitische Einstellung der evangelischen Kirche allgemein: „Die Eindeutigkeit bestand nun aber in erster Linie nicht in der Option für die Parteien der Rechten, sondern in der Frontstellung gegen die Kirchen- und Schulpolitik der Sozialdemokraten." (G. MEHNERT, Kirche, 1959, S.177) - Dass daraus die Parteinahme für D N V P und D V P zu folgern war, musste Dibelius nicht eigens betonen. In seiner Wahlempfehlung gegen eine nichtsozialistische (und nicht für eine national-konservative Partei) ist die Besonderheit der Wahlagitation von Dibelius zu sehen. Z.B. hat der mecklenburgische Konsistorialrat Prof. WALTHER sich in seiner Wahlaussage ganz eindeutig für die Wahl der D N V P wegen ihrer in ihrem Programm garantierten christlich-nationalen Gesinnung eingesetzt (vgl. W. WALTHER, Trennung, 1919, S.15f.).
Geschäftsführer des Vertrauensrates ab 1918
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schusses oder gar des EOK. Seine propagierte Trennungslinie rechts von den Demokraten hat in den leitenden und beratenden Gremien der Kirche keine offizielle Zustimmung gefunden, sei es aus wahltaktischen, sei es aus allgemein strategisch-politischen Gründen. Dibelius hat sich durch Art und Inhalt seiner Wahlpropaganda vom Vertrauensrat isoliert, als dessen Geschäftsführer er eingesetzt war. Noch vor den Wahlen zur Nationalversammlung distanzierte sich der Werbeausschuss intern von seinem Geschäftsführer186. Obwohl die .Mitteilungen' weithin als amtliches Organ der Kirchenleitung verstanden wurden, war der Wahl-Aufruf von Dibelius weder „amtlich inspiriert", noch ist er als eine „amtliche Wahlempfehlung des Oberkirchenrats" oder als „amtlicher Wahlkommentar" 187 anzusehen. Der Ausgang der Wahlen 188 sowohl im Reichais auch in Preußen machte erst recht die Fehleinschätzung der politischen Lage und der kirchlichen Möglichkeiten durch Dibelius deutlich; einem Fiasko wäre es gleichgekommen, wenn die amtliche Kirche ihr gefolgt wäre: Ausgerechnet die Parteien, die Dibelius in seiner Wahl-Agitation für nicht oder höchstens bedingt wählbar erklärt hatte, stellten künftig die wechselnden Koalitionsregierungen. Diese Parteien waren damit vom Wähler beauftragt und legitimiert, im Reich auch die entscheidenden das Verhältnis von Staat und Kirche, Kirche und Schule betreffenden Verfassungsartikel festzuschreiben und in Preußen den staatskirchlich geordneten Weg der Kirche zu ihrer eigenen neuen Verfassung gesetzgeberisch zu begleiten189. 1.8 Die Massenpetition „Für die christliche Schule" Durch den offensichtlichen Misserfolg seiner Wahlpropaganda ließ sich Dibelius freilich nicht entmutigen. Das Feuer des Kampfes für die Kirche durfte nicht erlöschen; es bekam neue Nahrung in einer Streitfrage, die zum „Dauerbrenner"
1 8 6 Dass keine amtliche Gegenerklärung oder Distanzierung veröffentlicht worden war, wird man schwerlich als stillschweigende Zustimmung zu dem Artikel von Dibelius interpretieren können. Eine nachträgliche Richtigstellung der „Entgleisung", wie es Pfarrer HABERMANN in seiner Beschwerde v o m E O K gefordert hatte, hätte weniger den Schaden gutgemacht, vielmehr den Äußerungen von Dibelius erneut eine nicht wünschenswerte Publizität verschafft. 1 8 7 Damit muss hier der Darstellung von J. JACKE und - in seiner Gefolgschaft - von K. NOWAK widersprochen werden, w o die Wahlparolen von Dibelius mit der offiziellen Haltung der kirchlichen Oberbehörde gleichgesetzt werden (vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S . 1 1 0 - 1 1 8 , 132; K. NOWAK, Kirche, 1981, S.32f.). 188 Die „Weimarer Koalition" aus SPD (37,9%), D D P (18,6%) und Zentrum (19,7%) brachte es auf 76,2% der gültigen Stimmen (vgl. H . FENSKE, Verfassungsgeschichte, 1984, S.43; G. A. RITTER / S. MILLER, Revolution, S.390; K. NOWAK, Kirche, 1981, S.34f. ; E . R . HUBER / W . HUBER, Staat IV, S.72). 1 8 9 Da künftig Wahlagitation in den Mitteilungen' nicht mehr betrieben werden durfte, bildete der Werbeausschuss einen Unterausschuss (EVERLING, Dibelius, HINDERER), der - aus Anlass des Zusammentritts der Preußischen Landesversammlung, der Generalsynode und der Wahlen zur verfassunggebenden Kirchenversammlung - die Tageszeitungen und Sonntagsblätter mit entsprechenden Artikeln versorgen und geeignete Flugblätter als Beilage zu den .Mitteilungen' verschicken sollte (vgl. Protokoll der Sitzung des Werbeausschusses v. 5.2.1919, in: E Z A BERLIN, 7 / 9 5 3 , pag.162).
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und zum Brennpunkt der Auseinandersetzung mit dem Staat über die ganze Zeit der Weimarer Republik werden sollte. In der umstrittenen „Schulfrage" konnte man die wechselnden Reichsregierungen nach Belieben in der Öffentlichkeit „vorführen", weil jeder Regierung teils die Kraft, teils das Interesse fehlte, das im Feuer kirchlicher Kritik heiß gewordene Eisen zu schmieden und ein einheitliches Reichsschulgesetz zu verabschieden 190 . Dibelius nahm - nun in Übereinstimmung mit dem Werbeausschuss 191 - den Faden der Kritik an der noch ungeklärten und noch nicht gesetzlich entschiedenen Schulfrage wieder auf und kam auf den bereits in den ,Mitteilungen' gemachten Vorschlag zurück, eine „Massenpetition an die Nationalversammlung für die Erhaltung des christlichen Charakters der Volksschulen zu veranlassen" 192 . In der 1 9 0 In der Folgezeit beteiligte sich Dibelius immer wieder in seinen Sonntags-Artikeln an der Kritik dieses Zustandes (als Beispiele seien genannt: WoSch. v. 9.10.1921, 22.4.1923, 31.1.1925; SoSp. v. 24.7.1927, 18.9.1927, 23.10.1927, 19.2.1928, 11.3.1928, 15.4.1928, 22.4.1928, 8.7.1928, 7.4.1929, 21.4.1929, 15.9.1929). Obwohl dieser reichsgesetzliche Schwebezustand einen im Grunde kirchenfreundlichen status quo in der Schulfrage über die ganze Zeit der Weimarer Republik zur Folge und die bekämpfte und befürchtete Durchsetzung sozialdemokratischer oder auch demokratischer Schul-Konzeptionen (nämlich die „weltliche" Schule) verhindert hatte, insistierte Dibelius immer wieder auf der Verabschiedung eines Reichsschulgesetzes; bequem konnte man so die Schwäche sowohl der einzelnen Regierungen als auch der Republik insgesamt bloßstellen und eine angeblich nicht an den Interessen der Kirche orientierte Politik insinuieren. - Die Geschichte der gescheiterten Entwürfe (1921, 1925, 1926, 1927) für ein Reichsschulgesetz macht das schulpolitische Patt offensichtlich, das durch die gemeinsame Regierungsverantwortung von Sozialdemokratie und Zentrum (mit dem auch die kirchlich-evangelischen Interessen in der Regierung vertreten wurden) oder einer Mitte-Rechts-Koalition in Kauf genommen werden musste. Zu dieser schulpolitischen Handlungsunfähigkeit kam erschwerend hinzu, dass auch die Länder ihre Zustimmung zu einem Reichsschulgesetz hätten geben müssen bzw. verweigern können (vgl. z.B. E. WENDE, Becker, 1959, S.197ff.; im Blick auf die Reformpädagogik speziell in Berlin: G. RADDE, Karsen, 1973, S. 1 Iff.). Schließlich führte das parteipolitische Patt und die gegenseitige Blockierung von Reichstag und Reichsrat weder zu einem Ergebnis noch zu neuen Versuchen, das von der Verfassung geforderte Reichsschulgesetz zu verabschieden: „Die Resignation der Parteien führte zum Desinteresse in der Schulgesetzgebungsfrage." (W. WlTTWER, Schulpolitik, 1980, S.161) — Dibelius favorisierte vor allem den 1927 vorgelegten Gesetzentwurf des DNVP-Innenministers v. KEUDELL (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.250ff.; vgl. dazu auch unten S.136), gegen den in Berlin auch Kinder-Plakate aufgehängt wurden mit der Gegenparole: „Was bringt der Bürgerblock? Schwarzrock und Prügelstock!" (RdBr. v. 12.11.1927). Trotzdem konnte Dibelius auch würdige und anerkennende Worte über den der D D P nahestehenden Kultusminister BECKER finden (vgl. WoSch. v. 28.2.1925; Zur preußischen Kulturpolitik, in: EvDt v. 8.4.1928, S. 119ff.); Dibelius hielt am 14.2.1933 die Trauerrede für den ehemaligen Kultusminister BECKER, der „sich so oft und so freudig zu dem Glauben bekannt" hatte (Trauerrede in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1, Nr.10, S.l). 1 9 1 Schon in einem Aufruf des Evangelischen Bundes wurde zu einem Massenprotest gegen die Erlasse des Kultusministeriums aufgefordert (vgl. Mitteilungen N r . 2 v. 23.12.1918). 1 9 2 Protokoll der Sitzung des Werbeausschusses am 29.1.1919 (EZA BERLIN, 7/953, pag.161). Die Petition wurde auch von Reinhard MUMM „warm befürwortet", der gastweise an dieser Sitzung teilgenommen hatte und später als M d R für Dibelius und den E O K ein wichtiger Informant über die Verhandlungen der Nationalversammlung war. - Zunächst bestanden beim Unterrichtsausschuss Bedenken gegen diese Aktion des Werbeausschusses; sie konnten aber zerstreut werden mit dem Hinweis darauf, dass die Petition nicht in die Fragen der inhaltlichen Gestaltung des Religionsunterrichts eingreife (vgl. EBD., pag.162) - Zunächst hatte Dibelius durch ein Schreiben v. 16.1.1919 bei den Superintendenturen die Aktivitäten auf Kirchenkreis- und Gemeindeebene
Geschäftsführer des Vertrauensrates ab 1918
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Sitzung des Werbeausschusses vom 29.1.1919 ließ Dibelius sein Vorhaben gutheißen 193 . Bereits am 1. Februar wurde die 6. Folge der ,Mitteilungen' verschickt, auf deren erster Seite in großen Lettern zur „Massen-Eingabe an die Nationalversammlung" aufgerufen wird 194 . Nicht mehr um den Religionsunterricht im engeren Sinn sollte es dabei gehen, sondern um die christliche Grundlage und Grundhaltung des gesamten Schulwesens überhaupt. Der Resolutionstext lautete: „Wir unterzeichneten über 20 Jahre alten Glieder der evangelischen Kirche fordern, daß unsere Jugend nach wie vor in den öffentlichen Schulen eine Erziehung erhält, die auf der Grundlage des Christentums ruht und christliche Bildung und Gesittung zum Ziel hat." 195 Der Aktion setzte Dibelius ein numerisches und ein terminliches Ziel: „Diese Erklärung muß Millionen von Unterschriften finden!", und: „Die Sammlung muß zum 20. Februar abgeschlossen sein." Gleichzeitig empfahl Dibelius „in jeder Gemeinde die Bildung eines Elternbundes, der aber nicht nur Väter und Mütter, sondern jedes erwachsene Gemeindeglied umfassen soll, welches unserem Schulwesen das Christentum als Grundlage erhalten wissen will" 196 . Mit großem Nachdruck verfolgte Dibelius das ehrgeizige Ziel, innerhalb von knapp drei Wochen Millionen von Unterschriften „für die christliche Schule" zu sammeln, die der verfassunggebenden Nationalversammlung kurz nach ihrer Konstituierung 197 präsentiert werden sollten. Der ursprüngliche Kampf um den kirchlichen Religionsunterricht an der staatlichen Schule wurde jetzt zu einem
im Blick auf Schulerlass und Wahlen zur Nationalversammlung erfragt (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., z.B. pag.42, 60f., 65, 74, 80, 113). 193 E Z A BERLIN, 7 / 9 5 3 , pag.161. 194 Unterzeichnet ist der Aufruf von allen 13 Mitgliedern des Werbeausschusses ohne dessen Geschäftsführer. 195 Mitteilungen N r . 6 v. 1.2.1919; eine gedruckte Unterschriftenliste, rubriziert nach N a m e , Stand und W o h n o r t , findet sich in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.188. - In den Gemeinden wurden z . T . auch anderslautende, mit einem Treue-Bekenntnis zur Kirche formulierte Resolutionen unterschrieben, die Dibelius ebenfalls mit zu seiner Petition zählte, z.B.: „Wir erklären, daß wir auch nach der Trennung von Kirche und Staat uns treu zur evangelischen Landeskirche halten und ihre Lebensinteressen in jeder Weise fördern wollen." (vgl. EBD., pag.199 und pag.87). Im Freistaat Sachsen war eine eigene „Resolution CORDES" im Umlauf, „die zwar die Schule nicht ausdrücklich erwähnt, in deren Konsequenz aber dieselben Forderungen liegen, für die die preußische Petition eintritt" (Mitteilungen N r . 9 v. 25.4.1919; vgl. Mitteilungen N r . 1 1 v. 20.6.1919). 196 „Die Sammlung der Freunde einer christlichen Jugenderziehung" (Mitteilungen N r . 6 v. 1.2.1919). - Später ordnete das Schulgesetz die Einrichtung eines Elternbeirates an, weil die schulische Erziehung nicht nur Sache des Staates sei, sondern auch das Elternrecht berühre. Dibelius benützte dieses v o m republikanischen Staat institutionalisierte Elternrecht auch zur Verfolgung der kirchlichen Erziehungsinteressen an der Schule; er hat deshalb in der Folgezeit das Augenmerk der Gemeinden mit großem Nachdruck auf die Elternbeirats-Wahlen gelenkt, damit in den Elternbeiräten auch christlich gesinnnte Eltern vertreten seien (vgl. z.B. den Artikel von Dibelius: Die Wahlen zu den Elternbeiräten, in: T R v. 9.3.1920, O t t o Dibelius im Heilsbronnen, S.61f., und W o S c h . v. 14.5.1922, 18.6.1922, 22.4.1923). 1 9 7 A m 6.2.1919 trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen.
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Ringen um die Verwirklichung einer „christlichen" Schule198, die in schärfstem Gegensatz zu der von den Sozialdemokraten angestrebten „weltlichen" Schule stehen sollte. Die Grundsätzlichkeit dieser Forderung hatte zwar einen umfassenden, ganzheitlichen, aber doch auch einen sehr vagen und wenig aussagekräftigen Sinn. Man konnte sich aber davon versprechen, dass mit dieser konfessionsübergreifenden Formel - ähnlich wie später von politischer Seite aus mit dem diffusen Begriff vom „positiven Christentum" - ein Grundkonsens zwischen der kirchentreuen Kerngemeinde und der großen Masse der unkirchlichen oder kirchenfernen Bevölkerung angesprochen oder hergestellt würde. Die Unterschriftenlisten aus den Gemeinden sollten direkt an die Nationalversammlung geschickt werden, damit der Eindruck einer wirklichen Basis-Bewegung entstünde; lediglich die Zahl der Unterschriften war an den Geschäftsführer des Vertrauensrates zu melden. Die Massen-Petition sollte wiederum deutlich machen, dass „die Kirche noch eine Macht im Leben des Volkes ist"199. Damit konnte zugleich den Forderungen der Amtskirche Geleitschutz und Rückendeckung gegeben werden, wie sie schon in der Rechtsverwahrung des EOK zusammen mit Generalsynodal-Vorstand und Vertrauensrat) gegen das Trennungsprogramm der Revolutionsregierung200 ausgesprochen worden waren und dann mit Schreiben vom 22.2.1919 gegenüber der Nationalversammlung201 formuliert wurden. 198 Wie sehr dieser Gegensatz zwischen „weltlich" und „christlich" überstrapaziert wurde, zeigt z.B. die von Dibelius in seinem Flugblatt „Für unsere Kirche!" dargebotene Kriminalstatistik, nach der durchschnittlich über dreimal soviel Religionslose wie Angehörige der evangelischen Kirche rechtskräftig verurteilt worden waren (vgl. auch Dibelius, Die Trennung von Kirche und Staat, S.ll; WoSch. v. 10.9.1922; vgl. auch Dibelius' Kriminalstatistik in seinem Aufsatz: Staat und Kirche, in: Deutsche Politik, 1926, S.22f.). Den Nachweis der Unentbehrlichkeit der Kirche für den Staat fasst Dibelius dort in fünf Punkten zusammen: Der Staat braucht die Kirche 1. „als Ferment der Volksgemeinschaft", 2. „um der abgetretenen Gebiete willen", 3. „um der sittlichen Gesundheit der Volksgesundheit willen", 4. „um ihrer einzigartigen Leistungen auf dem Gebiet der Volkswohlfahrt willen", 5. „weil er in seiner gesamten Politik der seelischen Werte nicht entraten kann.". Eine solche Gegenüberstellung entsprach auch der Übung des ,Kirchlichen Jahrbuchs', das regelmäßig eine konfessionsvergleichende Kriminalstatistik darbot, um zu beweisen, dass in der evangelischen Bevölkerung ein höherer Grad an ,Moralität' vorhanden sei als in den anderen Religionen und Konfessionen. Daraus sollte dann gefolgert werden, dass die Kirche, indem sie Zuschüsse des Staates in Anspruch nimmt, nicht eine schmarotzende Kostgängerin des Staates ist; vielmehr erspare die Kirche dem religionslosen Staat viele Kosten angesichts der vergleichsweise geringen Verbrechensquote im evangelischen Bevölkerungsteil. - Die Frage „Was leistet die Kirche dem Staat?" thematisierte schon J. SCHNEIDER in einem weit verbreiteten Vortrag in der Mitte des Jahres 1918; Dibelius folgte ihm in seiner Schrift „Die Trennung von Kirche und Staat " (1918, 21919), S. 12-16. - Eine noch fatalere Auswertung der Kriminal- und Religionsstatistik leistete sich Dibelius im Blick auf die Juden, vor allem hinsichtlich der Ablehnung der eingewanderten Ostjuden (vgl. dazu oben S.59ff.). 199 Vgl. „Der erste Sieg!" (Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918). 200 Vgl. Mitteilungen N r . l v. 13.12.1918. 201 Vgl. EZA BERLIN, 7/944. Dort geht es um die Erhaltung der Kirche als „Volkskirche" im Gegensatz zu einer Freikirche oder einem privaten Verein und um die Sicherung der „vier wirtschaftlichen .Grundrechte' unserer Kirche": Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts, Kirchensteuerrecht, Besitzstandswahrung und (direkte und indirekte) Staatsleistungen. - Die §§ 19 u. 20 des Entwurfs wurden in den §§ 30 u. 31 den kirchlichen Forderungen entsprechend abgeän-
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Es kann nicht verwundern, dass Dibelius die Unterschriftensammlung aus verschiedenen Gründen über den 20. Februar hinaus verlängerte, zunächst bis zum 15. April 202 . Bis Anfang März kamen immerhin 1.950.000 Unterschriften allein in den altpreußischen Gebieten zusammen: „Fast 2 Millionen Unterschriften, zu denen bisher etwa ebenso viele aus den übrigen Landeskirchen Nord- und Mitteldeutschlands kommen, bedeuten ein Bekenntnis, das das Parlament nicht wird überhören können!" 203 Nach den offiziellen demokratischen Wahlen, die nicht das von Dibelius erhoffte Ergebnis zeitigten und bei denen gerade die evangelische Bevölkerung der Sozialdemokratie zur stärksten Fraktion verholfen hatte, sollte die Wirkung dieser Massen-Petition als ,,eine(r) Art schriftliche Volksabstimmung" weit über die Fragen der Schule und des Religionsunterrichts hinausgreifen; die Petition sollte dienen „einem möglichst getreuen Spiegelbild dessen, was unser Volk denkt und will - ...einem überwältigenden Zeugnis dafür, daß unsere Kirche noch Anspruch darauf hat, sich eine Volkskirche zu nennen!" Gleichzeitig sollte die Unterschriftenaktion dafür sorgen, dass durch straßenweise durchgeführte Hausbesuche die Gemeinde wieder näher zusammenrücke, dass Versammlungen und Besprechungsabende im Sinn und mit dem Ziel der Volksmission veranstaltet werden und dass dabei den Gemeindegliedern ein Wort gesagt werden könne „über die großen Dinge, die jetzt eines jeden evangelischen Christen Herz bewegen sollten". Nicht müde werden (vgl. 2.Kor.4,l), das war „das Losungswort ...für die kirchliche Werbearbeit dieser Tage": „nicht müde werden! Die Treue zwingt doch den Segen Gottes hernieder! - Die Stunde der Entscheidung über die Zukunft unserer Kirche rückt näher und näher! Möchte sie unsere Gemeinden innerlich und äußerlich gerüstet finden!" Natürlich gab es auch Ermüdungserscheinungen in den Gemeinden, da auch andere kirchliche und politische Petitionen im Umlauf waren, so z.B. zum Schutz der deutschen Mission, für die Erhaltung der Kolonien, gegen die Zurückdert (vgl. Die religiösen Grundrechte des deutschen Volkes, in: Mitteilungen Nr.8 v. 12.3.1919). Die von der Kirche eingeforderten wirtschaftlichen Grundrechte sind auch auf dem Hintergrund des sowjetischen Trennungsprogramms von Kirche und Staat, Kirche und Schule zu verstehen, wonach die Kirche nur als private Vereinigung zu gelten hat und ihr jegliche öffentliche Funktion abgesprochen wird (vgl. das Dekret über die Trennung von Kirche und Staat v. 23.1.1918, zit. in: J.J. SEIDEL, Neubeginn, 1989, S.72f.). 2 0 2 In den folgenden Sitzungen des Werbeausschusses (nach dem 29. Januar) war von der Schul-Petition nicht mehr die Rede. Dibelius betrieb die Angelegenheit also selbständig weiter. Sitzungstermine waren nur noch am 5.2., 19.2., 5.3.(?) und am 14.5.1919. In der letzten Sitzung sprach sich der Ausschuss „dahin aus, daß die ihm gestellten Aufgaben zunächst als erledigt zu betrachten seien" (EZA BERLIN, 7/953, pag.166). Dibelius war aber über diesen Termin hinaus als Geschäftsführer tätig: erst am 14.1.1920 überreichte er dem EOK die kurzen Protokolle, nachdem „die Arbeiten des Werbeausschusses des Vertrauensrates ihren Abschluß gefunden haben" (EBD., pag.156). Mit der weiteren Herausgabe der Mitteilungen' setzte Dibelius also seine Tätigkeit „im Auftrag des Werbeausschusses" selbständig fort - auch nach dessen Selbstauflösung. 2 0 3 Der Werbeausschuss veranlasste den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss (DEKA), in den neu- und außerpreußischen Landeskirchen dieselbe Unterschriften-Aktion durchführen zu lassen (vgl. Protokoll der Sitzung v. 29.1.1919, EZA BERLIN, 7/953, pag.161). - Alle folgenden Zitate aus dem Artikel „Werbearbeit", in: Mitteilungen Nr.8 v. 12.3.1919.
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haltung der Kriegsgefangenen, gegen Lostrennung des linken Rheinufers usw. Natürlich regten sich auch Kritik und Widerstand 204 gegen die von oben angeordnete Unterschriftensammlung. Zum Teil kam man auch der von oben gelenkten Petition schon in Eigeninitiativen oder im Auftrag des Volkskirchendienstes 205 oder des Volkskirchenbundes 206 zuvor. Unter der Vielzahl von Zuschriften an den Geschäftsführer des Vertrauensrates findet sich zudem der Hinweis darauf, dass Dibelius auch nicht davor zurückschreckte, säumige Pfarrer über die vorgesetzten Stellen anzumahnen, in der Petitions-Angelegenheit endlich tätig zu werden und Vollzug zu melden 207 . Ende April war die Unterschriftensammlung soweit gediehen, dass Dibelius in der altpreußischen Kirche 3.337.394 Unterschriften verbuchen konnte. Aus den übrigen Landeskirchen Mittel- und Norddeutschlands 208 sind weitere 2 Уг Millionen hinzugekommen, so dass von einer Gesamtzahl von fast 6 Millionen gesprochen werden konnte. Mit scheinbar geschickter, aber doch durchsichtiger Argumentation 2 0 9 rechnete Dibelius vor, dass diese Millionen-Zahlen eine weit höhere Q u o t e an Zu2 0 4 Vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., z.B. pag.15, 44, 176, 178, 217. Im Wesentlichen geht daraus hervor, dass man die sozialdemokratische Bevölkerung mit dieser Aktion nicht vor den Kopf stoßen wolle. - In einer Zuschrift an Dibelius v. 25.3.1919 wird heftige Kritik an der Petition geübt, weil die Gemüter noch von den Wahlen her sehr erregt seien. Die Unterschriften-Aktion werde zudem in der Gemeinde als eine Parteisache angesehen, da die D N V P im Wahlkampf immer das Stichwort „Kirche und Schule" traktiert habe. D i e Wahlpropaganda habe der Kirche mehr geschadet als genützt. Wenn die Kirche wirklich Volks-Kirche bleiben wolle, dann müsse sie „über allen Parteien stehen"; stattdessen „predigen viele Amtsbrüder durch ihr Schimpfen und Schelten, Schwarzsehen und Verdammen die Kirchenbesucher und besonders unsere Feldgrauen aus der Kirche heraus. ...Wir Seelenärzte sollen doch nicht die Wunden immer wieder aufreißen und unser krankes Volk sich verbluten lassen, sondern die Wunden heilen und unser Volk zur Gesundung führen!" (EBD., pag.l94R). 2 0 5 „Für Christenkinder ein Schulwesen auf Grund christlicher Bildung und Gesittung", Aufruf und Unterschriftenformular des Volkskirchendienstes als Beilage zum ,Protestantenblatt' (51, 1918). 2 0 6 So hat z.B. der Volkskirchenbund in Ostpreußen namens seiner 185.648 Mitglieder eine Eingabe für die christliche Schule an Kultusministerium und Nationalversammlung geschickt (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.31). Ein Pfarrer aus Memel organisierte eine Eingabe an die SPD-Fraktion, wobei „sozialdemokratische, aber kirchentreue Gemeindemitglieder" sich für das Körperschafts- und Selbstbesteuerungsrecht der Kirche, sowie für die staatlichen Zuschüsse und die Beibehaltung des konfessionellen Religionsunterrichts einsetzten (vgl. Verbands-Blatt der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, 1919, S.21). 2 0 7 Vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., z.B. pag.224, 239, 247 („Unangenehm ist mir, daß der Superintendent in gleicher Weise von Ihnen informiert ist."); in einem gedruckten Rundschreiben v o m 11./12.3.1919 mahnte Dibelius bei den Kirchenkreisen und Gemeinden noch ausstehende Unterschriftenlisten an. 2 0 8 „Die süddeutschen Landeskirchen haben sich an der Petition nicht beteiligt, da bei ihnen der christliche Charakter des öffentlichen Schulwesens nicht gefährdet war" (Die Bittschriften für die christliche Schule, in: Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919, alle weiteren Zitate EBD.). 2 0 9 In Posen und den linksrheinischen Gebieten hätten die fremden Machthaber die Aktion unmöglich gemacht, dazuhin repräsentiere jede einzelne Unterschrift zugleich auch immer die Mitglieder des dazugehörigen Familienverbandes; viele Gemeindeglieder und potentielle Unterzeichner seien gar nicht erreicht worden usw. Namentlich bei manchen Lehrern und „in Thüringen - in dem herrlichen, gesegneten Thüringen, der Wiege der deutschen Reformation" sei die
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Stimmungen zu der Schul-Resolution repräsentiere: Man wird „sagen dürfen, daß hinter den 3 Millionen Unterschriften aus dem Gebiet der preußischen Landeskirche die überwältigende Mehrzahl der evangelischen wahlberechtigten Männer und Frauen der älteren Provinzen steht. Es ist ein Volksreferendum zustande gekommen, dessen Wucht sich Regierung und Volksvertretung nicht werden entziehen können." Und im sicheren und selbstbewussten Gefühl eines außerordentlichen Triumphes konstatiert Dibelius: „Damit stellt diese Bittschrift die größte Petition dar, die das deutsche Vaterland jemals gesehen hat." Auch die 4. und letzte Vollversammlung des Vertrauensrates hat sich am 10.4.1919 die Forderung nach einem Religionsunterricht als „Gesinnungsunterricht" zu Eigen gemacht und es abgelehnt, dass unter dem Deckmantel der Glaubens- und Gewissensfreiheit eine wertneutrale Erziehung an den Schulen erfolge. Dibelius interpretierte darüberhinaus die Meinung des Vertrauensrates dahingehend, dass dem Religionsunterricht damit „eine grundlegende Stellung im Lehrplan der Schule (gebühre), weil ohne den lebendigen Zusammenhang mit ihm auch kein gehaltvoller deutscher und geschichtlicher wie überhaupt kein wurzelechter Gesinnungs- und Gesittungsunterricht in unserem Vaterland erteilt werden könne." 210 Auch über den zweiten „terminus ad quem" hinaus betrieb der Geschäftsführer die Unterschriftensammlung mit Hochdruck, da sie sich als flankierende Maßnahme zu den Verhandlungen mit dem Staat und in den verfassunggebenden Gremien bestens bewährt hatte. Noch Ende Juni 1919 erging die Aufforderung an die Gemeinden, im Eifer um die Sammlung von Unterschriften nicht nachzulassen, mit der motivierenden Zwischenbilanz, dass bisher insgesamt 6.885.808 Unterschriften 211 bei dem „Bittschriften-Ausschuß der Nationalversammlung in Weimar" eingegangen seien. Im Jahr 1920 schließlich gab Dibelius die Gesamtzahl der Unterschriften mit 7.007.808 Stimmen an212. Unterschriften-Sammlung abgelehnt worden; diese Ablehnung sei „in der Regel v o n den Führern und Agitatoren der radikalen politischen Parteien" ausgegangen. - Gleichwohl lässt dieses A u f rechnen auch eine verdeckte Enttäuschung über das zahlenmäßige Ergebnis der Petition erkennen, hatte Dibelius es sich doch zum Ziel gesetzt zu zeigen, dass „9/10" der evangelischen Bevölkerung, mithin „die erdrückende Mehrheit des deutschen Volkes die Aufrechterhaltung der christlichen Grundlagen unseres Schulwesens" (Mitteilungen N r . 6 v. 1.2.1919, vgl. N r . 2 v. 2 3 . 1 2 . 1 9 1 8 und N r . 8 v. 12.3.1919) fordere und damit zugleich ihre geschlossene Solidarität mit der Kirche bekunde. Im A p r i l wurde Dibelius mit seiner Zielsetzung bescheidener und realistischer: „Es sind bisher 3.300.000 aus unserer Landeskirche eingegangen. Es liegt mir viel daran, die 4. Million noch voll zu bekommen. ...Unsere ganze Organisation hat ja n u r dann einen Zweck, w e n n w i r auch wirklich mit einem großen Ergebnis aufwarten können." Dibelius berichtet, wie er selber in seiner 15.000 Seelen umfassenden Schöneberger Gemeinde innerhalb v o n 14 Tagen 7.000 Unterschriften hat sammeln lassen (Schreiben v. 24.4.1919, in: E Z A BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.10). 2 1 0 „Die 4. Vollversammlung des Vertrauensrates" (Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919). 2 1 1 Vgl. Mitteilungen N r . l l v. 20.6.1919. 2 1 2 D e r Kampf um die evangelische Schule in Preußen, 1920, S.17.; vgl. auch Th.M. BREITSOHL, Schulpolitik, 1978, S.46f., 275, 285. - Immer wieder wies Dibelius auch später auf dieses Beispiel des geschlossenen Machterweises der evangelischen Kirche hin; vgl. z.B. Christ, 1 9 6 1 , S . 1 3 1 , w o Dibelius allerdings nur die Zahl v o n vier Millionen angibt: „Es w a r die größte
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Ausgangspunkt und Anlass für die Massenpetition waren die Schul-Erlasse des Preußischen Kultusministeriums v o m N o v e m b e r 1918. Aber erst nach deren Aufhebung regte Dibelius in Ubereinstimmung mit dem Werbeausschuss die Unterschriftensammlung „für die christliche Schule" an, damit sie über ihren eigentlichen Zweck und Inhalt hinaus zu einem Instrument der politischen Einwirkung auf die gesetzgebenden Organe des Staates verwendet werden könnte. Durch quantifizierbare Ergebnisse des Plebiszits sollten Existenz und Existenzberechtigung, Wesen und Qualität sowie das politische Gewicht der Kirche verdeutlicht werden. Die Stimme des Wahlvolkes 2 1 3 sollte durch die Stimmung des Kirchenvolkes begleitet, ja korrigiert werden; damit sollten Recht und Anspruch der Kirche als Volkskirche unüberhörbar laut werden. Im Grunde war die ganze Aktion dazu angetan, die Wahlentscheidung auch der evangelischen Bevölkerung zu relativieren und nachträglich gleichsam ins Gegenteil zu verkehren und ihr den Willen einer angeblich überwiegenden und erdrückenden Mehrheit des Volkes gegenüberzustellen. Diese offensive Vorgehensweise verfolgte natürlich auch einen defensiven, apologetischen und präventiven Zweck: Sie war wohl auch von der Angst geleitet und begleitet, dass die Parteien, denen die Wähler mit ihrem Stimmzettel entgegen den kirchlichen Empfehlungen zur Mehrheit verholfen haben, nun der Kirche einen Denkzettel verpassen könnten, der ihnen nicht nur ins kirchliche Stammbuch, sondern in das Gesetzbuch der rechtmäßigen Verfassung geschrieben werden könnte. Diese Angst spiegelte mehr das eigene kirchlich-politische Freund-Feind-Schema aus „den gesegneten Tagen Adolf HOFFMANNs" 214 wider als die realistische Wahrnehmung der politischen Entwicklung. Denn inzwischen hatten sich gerade die Parteien, die traditionell der Kirche reserviert oder feindlich gegenüberstanden, auf die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie eingestellt und ihre Konsensbereitschaft und Kompromissfähigkeit auf die Probe gestellt. D a s massenpsychologische Kalkül der Aktion zielte darauf ab, dass die durch das Kirchenvolk repräsentierte Präsenz der Volkskirche die Rücksicht von Parteien und Regierungen erzwingen soll, weil und insofern das Kirchenvolk nahezu deckungsgleich mit dem Wahlvolk sei. In der Sicht von Dibelius hat das Wahlvolk in den politischen Wahlen zwar eine Parteienentscheidung, als Kirchenvolk aber auch, gleichsam „über den Parteien" stehend, eine Sach- und Werte-Entscheidung getroffen, indem es angeblich ungeteilt und einheitlich „für die christliche Schule" votierte.
Petition, die je an ein deutsches Parlament gegangen war." Im ,Sonntagsspiegel' vom 31.1.1932 spricht Dibelius gar von 8lA Millionen Unterschriften. 2 1 3 Vgl. z.B. „Für die christliche Schule!" (Für unsere Kirche, N r . l ) ; dort versuchte Dibelius am Beispiel einer Gemeinde nachzuweisen, dass die sozialdemokratischen und demokratischen Wähler auch zugleich die Erklärung für den Religionsunterricht unterschrieben haben. 2 1 4 Ironische Formulierung von M. RADE (zit. bei J. JACKE, Kirche, 1976, S.223).
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1.9 A useinandersetzung mit der staatlichen
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Inwieweit die Massenpetition die gesetzgebende Nationalversammlung tatsächlich beeindruckte und bei der Formulierung der Kirchen-Artikel in der Verfassung beeinflusste, wird nicht direkt zu messen sein. Jedenfalls brachte sie der deutschnationale Reichstagsabgeordnete MUMM in einer Rede vor dem Plenum der Nationalversammlung zur Sprache. „Damit hat unsere Sammlung zum erstenmale die parlamentarische Verwendung gefunden, an die bei ihrer Veranstaltung besonders gedacht worden war - diesmal von Seiten der deutsch-nationalen Fraktion" 2 1 5 , so berichtet Dibelius in den Mitteilungen'. MUMM sprach in seiner Rede am 11. März, die als „Interpellation wegen der Eingriffe einzelner Gliedstaaten in den Religionsunterricht der Schule" 216 motiviert war, unter lebhaften Zwischenrufen der linken Seite des Hohen Hauses von der „Wucht dieser Bittschriftenbewegung, die zurzeit durch unser Volk hindurchgeht". Er folgerte daraus unter beschwörendem Hinweis auf erinnerungsträchtige Konflikte aus vergangenen Tagen, „daß wir an der Schwelle eines neuen Kulturkampfes stehen, eines Kampfes zwischen denen, die in der christlichen Kultur unseres Volkslebens die beste Kraft für den Wiederaufbau unseres Volkslebens sehen, und denen, die unserem Volke die christliche Kultur nehmen wollen, die, wenn nicht fürs Gemüt, so doch für Staat, Schule, Gesellschaft, die Toterklärung Gottes wollen." 217 A m 13. März 218 ließ MUMM seinen Duzfreund und Verbindungsmann im E O K , Otto Dibelius, wissen, dass in einer interfraktionellen Absprache zwischen KAHL (DVP), NAUMANN (DDP), MAUSBACH (Zentrum) und TRAUB (DNVP) „Mindestvorschläge" im Blick auf die Regelung der gesamten Kirchenfrage vereinbart worden seien, die in einem Zusatzartikel als ein „Gesetzespaket" im Grunde alle wesentlichen Forderungen der Kirche enthielten. Diese Abmachung über die Fraktionsgrenzen hinweg bedeutete den Durchbruch zu Gunsten der Erfüllung der kirchlichen Ansprüche, einen Erfolg, der nach MUMMs Uberzeugung seiner Interpellationsrede in der Nationalversammlung 219 zu verdanken sei; so teilte er Dibelius mit: Die „Interpellation zeitigte einen Graben links von den Demokraten; halten dieselben stand, so haben wir eine Kulturmehrheit gegen die ,Weltlichkeit' der Schule." 220 „Die Bittschriften für die evangelische Schule" (Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919). Auf Grund von Eingriffen in den Religionsunterricht in Sachsen, Hamburg und Braunschweig stellte die am 24.2.1919 schriftlich eingereichte Interpellation an die Regierung die Anfrage, ob die Reichsleitung gedenke, „zu solchem Eingriff der einzelstaatlichen Verwaltung in die zu Recht bestehenden Schulgesetze Stellung zu nehmen". Die Rede von MUMM wurde von vielen Zwischenrufen begleitet und durch Geschäftsordnungsdebatten unterbrochen (vgl. Nationalversammlung 1919, Bd.326, S.663-670). 2 1 7 Nationalversammlung 1919, Bd.326, S.665. 2 1 8 MUMM an Dibelius v. 13.3.1919 (EZA BERLIN, 7/943, pag.34). 2 1 9 Vgl. R. MUMM, Der christlich-soziale Gedanke, 1933, S.100. 2 2 0 E Z A BERLIN, 7/943, pag.33; allerdings kam die interfraktionelle Absprache „auf Anregung von D . KAHL" zustande, bei der es dann wesentlich auf die aktive Mitwirkung von NAUMANN ankam. 215
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Die von Dibelius in seiner Wahlagitation so feindselig behandelten Demokraten, mit denen es „kein Paktieren" geben dürfe, waren es nun, die den Ausschlag gaben für eine reichsgesetzliche Regelung, mit der die Kirche besser bedient wurde, als sie es ursprünglich zu hoffen gewagt hatte221. So ist es durchaus verständlich, dass N A U M A N N später in gereiztem Ton an Dibelius schrieb und damit dessen beschönigende Rechtfertigung seiner damaligen Wahlempfehlung zu Ungunsten der DDP222 nicht gelten ließ: „es lag doch offen auf der Hand, daß es im höchsten Grade unpraktisch war, die Demokratische Partei, deren guter Wille außer allem Zweifel stand, in eine Gegnerschaft hineinzutreiben. Jetzt wiederholt sich in verschiedenen Landesteilen dasselbe Spiel, da die Personen, die unserer Partei vorher die Fähigkeit abgesprochen haben, in kirchlichen und religiösen Dingen etwas Verständiges zu wirken, nun mit einem höchst merkwürdigen Eifer an uns und unsere Freunde herankommen und von uns erwarten, daß wir die Wünsche der Kirche erfüllen. Dabei habe ich nirgends gefunden, daß in den kirchlichen Zeitschriften und Kundgebungen erst einmal rund und offen ausgesprochen wird, daß die Bekämpferei der Demokratie von Seiten der Pfarrer ein offenbarer Unfug gewesen ist."223 Da die SPD die Seriosität der Massenpetition im Plenum in Zweifel gezogen hatte und immer noch an der Weltlichkeit der Schule festzuhalten gewillt war, forderte M U M M von Dibelius am 1 7 . März die offenbar stichhaltigeren offiziellen Eingaben, die der EOK und der DEKA224 zur Schulfrage an die Nationalversammlung adressiert hatten, in mehreren Exemplaren zur Verteilung im Verfassungsausschuss an. Er gab ihm außerdem die Möglichkeit, Einblick zu nehmen in die nicht zur Veröffentlichung bestimmten Protokolle des Verfassungsausschus-
221 Für die wesentlichen Punkte der Übereinkunft konnten letztendlich auch die Sozialdemokraten gewonnen werden, so dass MUMM am 3.4.1919 an den EOK nach Berlin die Erfolgsmeldung telegraphieren konnte: „oeffentlich rechtliche korporation, freiheit der kirche, feiertagsschutz, Sicherung des vermoegens und abloesung der staatszuschuesse beschlossen = mumm" (EZA BERLIN, 7/853; vgl. J.JACKE, Kirche, 1976, S.135ff.). A m 31. Juli schließlich kabelte MUMM von Weimar nach Berlin: „kirche und schule guenstig beschlossen = mumm" (EZA BERLIN, 7/854). 2 2 2 Vgl. Dibelius an NAUMANN v. 14.6.1919 (BA Abt. BERLIN, NL Naumann 90 Na 3, 13). 2 2 3 NAUMANN an Dibelius V. 16.6.1919 (EBD.; vgl. Th. HEUSS, Friedrich Naumann, 1937, 5.629 / 1949, S.482). Wenige Tage v o r NAUMANNS Tod, am 19.8.1919, sprach ihm das Konsistorium seiner sächsischen Heimatkirche den Dank aus als einem der Männer, „die mit Mut und Weisheit die Sache der christlichen Kirche v o r dem Forum des Reiches geführt und so erfolgreich vertreten haben und die sich darum um das kirchliche Leben des evangelischen Deutschlands ein nicht hoch genug anzuerkennendes unvergeßliches Verdienst erworben haben" (EBD., 1937, 5.630 / 1949, S.483). NAUMANN erlebte nicht mehr den ersten Deutschen Kirchentag in Dresden, wohin er delegiert war und von dem er die Einigung der evangelischen Kirche in Deutschland erwartete. Im Protokoll der Eröffnungssitzung heißt es dort: „Mit Bewegung hörte die Versammlung den warmen Nachruf des Präsidenten D. MOELLER für den am 24. August heimgegangenen D. NAUMANN, Mitglied der Deutschen Nationalversammlung, und ehrte sein Andenken durch Erheben von den Plätzen" (Kirchentag 1919, S.61). 2 2 4 Eingaben v. 22.2.1919 (EZA BERLIN, 7/944) bzw. v. 13.3.1919 (EZA BERLIN, 1/B3/157 dort wird auf die Unterschriftenaktion kurz Bezug genommen).
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ses225. Daraus ist ersichtlich, dass die Massenpetition als ein bloßes Propagandamittel Verwendung fand und in der tatsächlichen und sachlichen Arbeit des Verfassungsausschusses hinter verschlossenen Türen so gut wie keine Rolle mehr spielte226. Trotzdem forcierte Dibelius mit seinem Rundschreiben vom 16. März die Bittschriften-Angelegenheit in den Gemeinden weiterhin, obwohl ihm die berechtigte Frage entgegengehalten wurde, ob die Petition nach der erfolgreichen Interpellation vom 11. März überhaupt noch einen Sinn habe227. Doch Dibelius stellte den Gemeinden wieder eine neue Herausforderung und ein neues Ziel vor Augen; denn auch die Preußische Landesversammlung hatte sich ja mit den Kirchenfragen zu beschäftigen. Freilich ging es hier nicht um die Schulfrage, die der Reichsgesetzgebung unterlag; die Landesversammlung musste vielmehr die Genehmigung zur künftigen Verfassung der altpreußischen Kirche erteilen: „Weil aber diese bedeutsamste Verwertung der Unterschriftensammlung noch bevorsteht, ist noch immer Zeit, mit der Sammlung fortzufahren, ja sie erst zu beginnen, wo sie noch nicht vorgenommen worden ist. ...Es sollte bei einer so großen und bedeutungsvollen Sache niemand länger abseits stehen!"228 So führte Dibelius die Gemeinden von einem „Tag der Entscheidung" zum anderen. Die Unterschriftensammlung, die von ihrem Inhalt und ihrem Adressaten her ursprünglich auf die Fragen der konfessionellen Schule und des kirchlichen Religionsunterrichts ausgerichtet war, verselbständigte sich zu einer allgemein-politischen Mobilisierungskampagne der Gemeinden. Sie schien dafür geeignet, der Öffentlichkeit und der Preußischen Regierung warnend und drohend vor Augen zu führen, dass die Kirche in ihrer Wachsamkeit gegenüber der Wahrung ihrer Interessen nicht nachlassen werde und gegebenenfalls über ein Massenheer verfüge, das einsatz- und kampfbereit für die Durchsetzung der kirchlichen Forderungen streite. Der Augenblick ließ auch nicht lange auf sich warten, an dem erneut ein kirchlicher „Sturm der Entrüstung" über die Maßnahmen der Preußischen Regierung losbrach: In der Preußischen Landesversammlung, die am 13. März zum erstenmal zusammentrat, musste im Sinne einer staatlichen „Rechtskontinuität" der geordnete Ubergang des Summepiskopats auf die Kirche geregelt werden. Der EOK hatte bereits in den Tagen der Revolution von sich aus dekretiert, dass die Befugnisse des in Fortfall gekommenen Summepiskopats auf die Landeskirche übergegangen seien. Gestützt wurde diese Position nachträglich durch ein Gutachten des Marburger Kirchenrechtlers Johann Victor BREDT; seine ausführlich begründete
MUMM an Dibelius v. 17.3.1919 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.l85f.). Trotzdem konnte Dibelius nach außen hin behaupten: „Es ist unter dem Druck der öffentlichen Meinung im Verfassungsausschuß in Weimar mancherlei erreicht worden" (Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919). 2 2 7 Vgl. EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Korresp., pag.234. 2 2 8 Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919. 225 226
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These lautete: „Fällt das Kirchenregiment des Landesherrn weg, so steht es der Kirche, nicht aber dem Staate zu." 2 2 9 Anders sah man die Lösung des Problems bei der Preußischen Regierung. N u r eine Kirche, die sich auf eine neue, demokratisch legitimierte Verfassung gründe, könne vom Staat die Befugnisse des ehemaligen Obersten Bischofs erhalten. Für die Zwischenzeit müsse eine Ubergangsregelung geschaffen werden, wie es sie auch anderswo, z.B. in Württemberg 230 , gäbe. Dem Ziel der Demokratisierung der Kirche diente ein von Martin RADE 231 eingebrachter Antrag der DDP, die Befugnisse des staatlichen Kirchenregiments übergangsweise drei evangelischen Ministern zu übertragen. Wenn RADE den Antrag der DDP damit begründete, dass man von Seiten des Staates „die evange2 2 9 Gutachten von Prof. BREDT V. 20.3.1919 (EZA BERLIN, 7/853); vgl. dagegen E. FOERSTER (ChW 33, 1919, Sp.479ff.). N u r vereinzelt wurde in kirchlichen Kreisen dieser Rechtsauffassung widersprochen: Aus dem Evang. Diakonissenhaus in Witten wusste man am 6.3.1919 zu berichten, dass die preußische Regierung ein Gutachten hätte erstellen lassen, wonach der Summepiskopat durch die Revolution an sie übergegangen sei; in Vorträgen des Kultusministers sei in Aussicht gestellt worden, dass die Kirche eine 15-jährige Schonzeit bekomme, durch die eine plötzliche Trennung von Staat und Kirche vermieden werde (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.181; das Gutachten wurde tatsächlich von BREDTs Marburger Kollegen W . SCHÜCKING [ D D P ] erstellt). - BREDT, der der D N V P angehörte, zog sich aus der Politik wieder zurück, nachdem er von der hessischen D N V P wegen seiner Missbilligung des KAPP-Putsches stark angefeindet worden war: „Wenn man sich heute in der Deutschnationalen Partei, so wie sie ist, betätigt, bringt man sich auf allen anderen Gebieten um seinen Ruf als ernsthaften Gelehrten und Politiker" (BREDT an E O K v. 18.5.1920, in: E Z A BERLIN, 7/855). 2 3 0 In Württemberg z.B. konnte man auf das Reversaliengesetz von 1898 zurückgreifen für den Fall, dass der evangelische König kinderlos sterbe und ein nicht-evangelisches Oberhaupt die Regentschaft anträte. Dann sollte das Kirchenregiment auf eine „Evangelische Kirchenregierung" übergehen bestehend aus zwei evangelischen Staatsministern, den Präsidenten des Konsistoriums und der Landessynode und einem Generalsuperintendenten (vgl. KJ 47, 1920, S.387; K. GOTTSCHICK/ G. SCHÄFER, Wege, 1988, S.117; S. HERMLE, Kirchenleitung, 1995, S.85-102). In diesem Gremium hatte also die kirchliche Seite das Ubergewicht, und die staatliche Seite war in der Minderheit. - Heute hat der diesem Gremium nachgebildete „Landeskirchenausschuss" (bestehend aus dem Landesbischof, dem Präsidenten der Synode und drei Synodal-Mitgliedern) ein Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung von kirchenleitenden Amtern in der württembergischen Landeskirche. 2 3 1 RADE wies darauf hin, dass der Beschlussfassung ein „kirchenpolitische(s) Intermezzo" voranging, weil die D N V P das Problem einer Nachfolgeregelung für den Summepiskopat selber in die Verhandlungen einbrachte, allerdings um zu verhindern, dass bei dem bevorstehenden Wechsel im Amt des EOK-Präsidenten der Staat mitwirken könne (vgl. C h W 33, 1919, Sp.250ff.). RADE räumte ein, dass die ganze Angelegenheit „mit einer unentschuldbaren Eile" erledigt worden sei (EBD., Sp.319). Aber er setzte sich gegen den „plumpen Verdacht" zur Wehr, als ob er mit seinem Antrag dem „kirchlichen Liberalismus" einen Vorteil habe verschaffen wollen. Schon der Hinweis genüge, dass bei der bereits durchgeführten Urwahl in der Württembergischen Landeskirche weiterhin die kirchliche Rechte in der Mehrheit geblieben sei (vgl. EBD., Sp.525; vgl. Württembergische Landeskirchenversammlung 1919 bis 1924). - Auch Friedrich NAUMANN unterstützte in seiner Rede vor der Nationalversammlung am 17.7.1919 die Einsetzung der drei Minister, denn im Augenblick „besteht für die Kirchenregierung kein Hintergrund, es besteht keine Synodalverfassung, keine begründete Autorität, kein selbständiges Kirchenrecht", es seien nur „wolkenartige Religionsgebilde" vorhanden (Die Hilfe 25, 1919, S.392f.). Dagegen beklagte TRAUB die Einsetzung der drei Minister, wobei er bei RADE von durchaus ehrenwerten Motiven ausging (vgl. G. TRAUB, Lage, 1920, S.20f.).
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lische Kirche nicht den Konservativen überlassen" dürfe, dann war das nicht im Sinn einer innerkirchlichen Parteinahme zu verstehen. Vielmehr müsse sich die Kirche von einem konservativen zu einem demokratischen System wandeln. Denn „wenn sie die Vorteile des neuen (demokratischen) Zustandes genießen will, muß sie dann nicht die Voraussetzungen dieses Zustandes mitbejahen und sich selber rückhaltlos demokratisieren? Kann der Staat das nicht verlangen? Dahin müßte dann seine (demokratische) Kirchenpolitik gehen. Das beste und einfachste wäre aber, die Kirche käme ihm im vollen Verständnis der Lage und ihres eigenen Gewinns darin freiwillig zuvor." 2 3 2 A m 26.3.1919 legte der E O K eine Rechtsverwahrung 233 ein gegen den als Rechtsbruch inkriminierten § 5 der Preußischen Übergangsverfassung, in dessen Bestimmung der Antrag RADES enthalten war. Unter denselben zunächst kirchlich beanspruchten Stichworten der Wahrung der „Rechtskontinuität" und der organischen Entwicklung einer wirklichen „Volkskirche" 234 kam die Preußische Landesversammlung zu einer gegenteiligen Auffassung, die nun von der Kirche als feindselig und revolutionär 235 empfunden wurde. Tatsächlich haben sich die „drei Minister in evangelicis" 236 in der Ausübung ihrer Machtbefugnisse zunächst sehr zurückgehalten, was auch von Seiten der Kirche durchaus anerkannt 237 wurde. Der Sturm der Entrüstung brach aber rich2 3 2 D i e Hilfe 25, 1919, S.453 u. 454; dem entspricht, wenn es von Seiten der D D P im Rahmen der Haushaltsberatungen Ende 1919 heißt: „Die Trennung von Staat und Kirche kann nicht im Sinne einer einseitigen Selbständigmachung der Kirche erfolgen, die unter Umständen, wie einzelne Bestrebungen es wollen, dazu führt, daß die Kirche nur Rechte, der Staat nur Pflichten übernimmt." (ChW 33, 1919, Sp.756; vgl. dagegen R. MUMM: „Durch das Verhalten der Demokraten in der Preußischen Landesversammlung droht... ein neuer Konflikt. Sie wollen ihre Zustimmung zu den finanziellen Forderungen für Kirche und Schule von der Gefügigkeit des Oberkirchenrats gegenüber den Ideen des Herrn Unterstaatssekretärs TROELTSCH abhängig machen.", in: RBo. v. 26.11.1919) - E. FOERSTER führt gar die traditionelle „lutherische Schätzung des Staates" ins Feld dafür, dass der Staat gerade im Sinne eines freien Protestantismus auch über die wahre protestantische Freiheit der Kirche mitbestimme und sie nicht einer „katholischen Freiheit des Kirchenregimentes" opfere. So bestärkt er die kirchlich Liberalen darin, „sich nicht länger einer schlechtweg reaktionären Kichenpolitik zu fügen, die mit Notwendigkeit zu einer Verengerung und Verholzung unserer protestantischen Kirchentümer führen muß" (ChW 34, 1920, Sp.25). 2 3 3 E 2 A BERLIN, 7/853. 234 Vgl. „Für die Volkskirche" (AkBl. v. 1.4.1919, S.5f.). Eine Entgegnung darauf formulierte G . KITTEL (EBD., S.22f.). 2 3 5 Die staatskirchenrechtliche Konstruktion der drei Minister war in Wirklichkeit keine revolutionäre Idee, sondern bedeutete einen Rückgriff auf ein Vorbild aus monarchischer Zeit: im ehemaligen Königreich Sachsen wurde das staatliche Kirchenregiment über die evangelische Kirche drei „in evangelicis beauftragten Geheimräten" übertragen, da AUGUST der Starke nach seiner Konversion zum katholischen Glauben König von Polen werden wollte und deshalb nicht mehr den evangelischen Summepiskopat ausüben konnte (vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S.396, Anm.144; N . NÄRGER, Synodalwahlsystem, 1988, S.96ff.). 2 3 6 Die drei evangelischen Minister waren zuerst SÜDEKUM (SPD), HEINE (SPD) und OESER (DDP), auf Grund der Regierungsumbildung nach dem KAPP-Putsch dann FISCHBECK (DDP), OESER (DDP) und SEVERING SPD). 2 3 7 Selbst R. MUMM, der heftig gegen die Bevormundung der Kirche durch die drei Minister polemisierte, musste anerkennen, dass diese „bisher ihr A m t mit Zurückhaltung geübt haben;
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t i g los, als d i e d r e i M i n i s t e r d e r v o m E O K v o r g e s c h l a g e n e n E i n b e r u f u n g d e r G e neralsynode für A n f a n g D e z e m b e r 1919 ihre Z u s t i m m u n g versagten. Inzwischen w a r a m 1 1 . A u g u s t z u d e m die W e i m a r e r V e r f a s s u n g v e r a b s c h i e d e t w o r d e n ,
in
d e r e n A r t . 1 3 7 es l a p i d a r h e i ß t : „ E s b e s t e h t k e i n e S t a a t s k i r c h e . " 2 3 8 D i e s e r A r t i k e l , den der D r e s d e n e r Kirchentag ausdrücklich bekräftigte, b o t der K i r c h e angesichts d e r „ V e r w e i g e r u n g " der drei M i n i s t e r 2 3 9 die w i l l k o m m e n e H a n d h a b e , das K i r c h e n r e g i m e n t der drei preußischen Minister - Reichsrecht bricht L a n d r e c h t ! für verfassungswidrig zu erklären. D i b e l i u s befasste s i c h seinerseits m i t d e m p r e u ß i s c h e n K i r c h e n r e g i m e n t ö f f e n t l i c h e r s t i m N a c h g a n g z u d e m W e c h s e l i m P r ä s i d e n t e n a m t des E O K 2 4 0 u n d d a n n i n d e r D e b a t t e ü b e r d e n E r t r a g des D r e s d e n e r K i r c h e n t a g s . I n E r m a n g e l u n g e i n e r a m t l i c h e n B e g r ü n d u n g dafür, dass es s i c h d i e K i r c h e h a t g e f a l l e n lassen, d e n n e u e n E O K - P r ä s i d e n t e n d u r c h die M i t w i r k u n g d e s P r e u ß i s c h e n S t a a t s m i n i s t e r i u m s e r n e n n e n z u lassen, m e l d e t e s i c h D i b e l i u s i m , R e i c h s b o t e n ' z u W o r t 2 4 1 . B e i dieser F r a g e e n t s c h e i d e n n a c h D i b e l i u s „ n i c h t j u r i s t i s c h e
weder der Kultusminister noch das preußische Staatsministerium haben seit Herrn Adolf HOFFMANNS Ausscheiden eine Kraftprobe mit dem kirchlichen Sinn des evangelischen Volkes gewünscht" (RBo. V. 14.10.1919; vgl. EBD. V. 26.11.1919); trotzdem beschimpfte er das „Drei-Männer-Summepiskopat" als eine „Spottgeburt" und ein die Kirche demütigendes „kaudinische(s) J o c h " , für das der demokratische Abgeordnete D . Martin RADE die Mitschuld trage (RBo. v. 14.10.1919).
Die Kirchenartikel der W R V vgl. in: E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.129f. Im Grunde handelte es sich gar nicht um eine brüske Weigerung; es ging den drei Ministern - vorgetragen in einer vornehm-zurückhaltenden Sprache - lediglich um eine vorherige Verständigung darüber, dass das Wahlgesetz „den allgemeinen politischen Wahlrechtsgrundsätzen der Gegenwart entsprechen und insbesondere den Minderheiten ihr Recht auf Vertretung ihrer religiösen Uberzeugungen in der Kirche" geben werde. Deshalb ersuchten sie den E O K , „mit dem gesetzgebenden Faktor Preußens zunächst in Vorbesprechung einzutreten" und boten „ihre guten Dienste für die Vermittelung und Verständigung in dieser Frage an." (Erlass der „mit der vorläufigen Wahrnehmung des landesherrlichen Kirchenregiments beauftragten Staatsminister" v. 13.11.1919, abgedruckt in: RBo. v. 26.11.1919). Die Erklärung der drei Minister beschwor die „innere Eintracht" zwischen Staat und Kirche und wollte gerade einer drohenden Auseinandersetzung mit der Kirche schon im Vorfeld aus dem Weg gehen. Gerade diese Strategie der Konfliktvermeidung wurde in kirchlichen Kreisen weithin nicht erkannt und nicht anerkannt. 2 4 0 A m 31. Mai schied Bodo VOIGTS aus dem Amt aus, sein Nachfolger wurde der seitherige Weltliche Vizepräsident Reinhard MOELLER (vgl. auch Mitteilungen N r . 11 v. 20.6.1919). Ursprünglich wollten die drei Minister die Stelle zunächst nur kommissarisch besetzt haben, „damit jeder Schein eines Regiments in der Kirche ausgeschlossen sei", wie E. TROELTSCH erklärte (Die Hilfe 25, 1919, S.567); sie entsprachen aber dann doch dem kirchlichen Wunsch nach einer kirchenregimentlich gültigen Berufung unter Mitwirkung des Staates (vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S.180). - Genau das Umgekehrte ereignete sich in der kirchlich und politisch ähnlich hochgespannten Situation im Sommer 1933: Die Kirche wollte das Präsidenten-Amt des E O K mit GenSup. E. STOLTENHOFF zunächst nur kommissarisch besetzen, was dann den Staat mit der Einsetzung von A. JÄGER als Staatskommissar auf den Plan rief unter dem Vorwand, die Kirche habe die Mitwirkung des Staates (auf Grund der „politischen Klausel" des Kirchenvertrags) umgehen wollen (vgl. z.B. J . WRIGHT, Parteien, 1977, S.231ff.; K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.442ff.). 241 „Die Verleihung der kirchenregimentlichen Amter" (RBo. v. 14.10.1919, die folgenden Zitate EBD.). Die Schriftleitung des .Reichsboten' versäumte es nicht, ihre „volle grundsätzliche Zustimmung" zu den Ausführungen von Dibelius zu bekunden. 238
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Kenntnisse, sondern ein Blick für die Notwendigkeit des kirchlichen Lebens und ein lebendiges Empfinden für das Wohl und die Würde der Kirche." 242 Nach diesem auf das Grundsätzliche gerichteten Gesichtspunkt behauptete Dibelius, die Kirche sei in den Tagen der Revolution vor der Wahl gestanden, sich für einen gewaltsamen und plötzlichen Bruch mit dem Staat oder einer friedliche und gesetzliche Lösung der Trennungsfrage zu entscheiden. Lediglich aus finanziellen Erwägungen und aus Gründen der gesicherten Versorgung der Kirchenbeamten und Pfarrer habe sich die Kirche für die zweite Möglichkeit entschieden, d.h. nicht für den freikirchlichen, sondern für den volkskirchlichen Weg. „Denn ein plötzlicher Bruch mit dem Staat hätte die Landeskirche mit einem Schlage zur Freikirche gemacht und hätte die finanziellen Grundlagen des kirchlichen Lebens katastrophal erschüttert." Da die Kirche damals „die gesetzlich-friedliche Lösung" gewählt habe, müsse man nun diesen Weg auch bis zum Ende gehen und ertragen. Will die Kirche „auf dem Boden des Gesetzes bleiben, so kann sie zurzeit die Mitwirkung des Staates bei gewissen rechtlichen Akten nicht entbehren. Ob die Minister dieses Staates Juden, Dissidenten oder Mohammedaner sind, kann und darf nicht in Betracht kommen. Staat bleibt Staat." Zwar habe der Oberkirchenrat zusammen mit dem Generalsynodal-Vorstand protestiert, „als plötzlich die preußische Notverfassung dank dem unseligen Antrag R A D E eine neue Lage schuf. ... Aber an der Rechtskraft einer Verfasungsbestimmung ändert natürlich ein Protest nichts. Wollte die Kirche nicht mit dem Staate brechen - und das wäre unverantwortlich gewesen in einem Augenblick, wo die gesetzlich-friedliche Befreiung zum Greifen nahegerückt war - so mußte sie sich mit dieser Rechtslage abfinden. Wiederum konnte das Kirchenregiment, um der Würde der Kirche nichts zu vergeben, den Verkehr mit den ,heiligen drei Königen' auf ein Minimum beschränken." Wenn Dibelius trotz dieser zunächst maßvollen Töne es sich meinte leisten zu können, den drei evangelischen Ministern spöttisch und respektlos den katholisierenden Titel „die heiligen drei Könige" beilegen zu können, dann kommt darin auch die Überlegenheit des kirchlichen Standpunktes zum Ausdruck: Die Kirche ist überm Berg, sie hat von Seiten des Staates ernsthaft nichts mehr zu fürchten. Wenn er aber in dieser Institution der drei Minister trotz deren anerkannt zurückhaltenden Amtsführung243 einen „im tiefsten Grunde kirchenfeindlichen Staat" am Werke sah und wenn er zugleich die kirchliche Kooperation 242 I m Gegensatz dazu polemisierte das v o n J. GAUGER herausgegebene Gemeinschaftsblatt gegen die Ernennung des EOK-Präsidenten durch die drei Minister: „Wir halten es für eine Schmach der evangelischen Kirche, daß sie sich v o n den antichristischen Revolutionsministern noch den Präsidenten ernennen läßt. Die Behörden der evangelischen Kirche haben es selten verstanden, die W ü r d e der evangelischen Kirche gegenüber den Ansprüchen des Staates zu wahren" (Licht und Leben 31, 1919, S.518). 243 Aus dem zeitlichen Abstand v o n zwei Jahren berichtet Dibelius, dass ein „Kulturkampf" auf des Messers Schneide gestanden sei; aber die „drei Minister haben sich im G r o ß e n und Ganzen taktvoll zurückgehalten und haben in ihrer Amtsführung, bei der es ihnen selbst niemals recht w o h l gewesen ist, im Wesentlichen die Wünsche der Kirche anstandslos erfüllt" (WoSch. v. 2 . 1 0 . 1 9 2 1 ) .
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bzw. Kollaboration mit diesem Staat rechtfertigte, dann darf man sich mit Recht darüber wundern, dass hier „der kirchliche Interessenstandpunkt und das antirepublikanische Ressentiment in einen merkwürdigen Widerstreit" 244 geraten sind. Das antirepublikanische Ressentiment konnte so auch künftig instrumentalisiert werden zum weiteren Ausbau der kirchlichen Überlegenheit und der weiteren Absicherung der kirchlichen Ansprüche. Es hat sich gezeigt: Der von der Kirche getrennte Staat lässt sich an die Leine der vom Staat getrennten Kirche nehmen, wenn nur weiterhin das Feuer des antirepublikanischen bzw. des antistaatlichen Ressentiments geschürt und die kirchliche Werbetrommel zur kampfbereiten Wachsamkeit gerührt wird. - Darüberhinaus wird aber noch folgendes deutlich: Bereits elf Monate nach den Tagen der Revolution erscheint diese in einer eigenartig-legendären Gloriole, als ob die Kirche damals gleichsam aus eigener Machtvollkommenheit und Wahlmöglichkeit sich für oder gegen einen plötzlichen Bruch mit dem Staat hätte „entscheiden" können. Aus lauter Fürsorge und Verantwortungsgefühl hat sie aber, so stellt Dibelius jetzt die damalige Situation dar, den beschwerlicheren, den umständlicheren und langwierigeren, den politischen und gesetzlichen Weg der Trennung vom Staat bevorzugt. Gleichzeitig bleibt dieser Staat, was er durch die Revolution einmal geworden ist - er bleibt nicht nur Staat, sondern er bleibt, was er auch immer tun mag und was auch immer die Gegenwart an anderen Erfahrungen lehren mag, ein „im tiefsten Grunde kirchenfeindlicher Staat". Geschichtliche Legendenbildung wird so zur kirchlichen Doktrin, und damit sind bei Dibelius die beiden Festlegungen getroffen, die im Grundsatz über alle zukünftige Geschichte hinweg zu gelten haben: 1. Die Kirche hat sich aus eigener Kraft aus dem Verhängnis der Revolution gerettet und befreit. 2. Die Kirche hat sich von einem Staat befreit, der gleichsam für alle Zeit den Stempel eines Adolf HOFFMANN aufgeprägt bekommen hat; dieser Staat, der nichts anderes ist als Macht 245 , hat im Grundsatz kirchenfeindliche, ja dämonische Züge. 2 4 4 So J. J a c k e , Kirche, 1976, S.407, Anm.47. Schon in seinem Zeitungsartikel v. 11.10.1919 macht Dibelius deutlich, um welchen kirchlichen Balance-Akt es sich handelt, der „dank dem unseligen Antrag RADE" und durch den unwürdigen Zustand notwendig geworden sei: das ganze Interesse der Kirche müsse darauf gerichtet sein, „so schnell als möglich vom Staate loszukommen, ohne jedoch die Leistungen des Staates preiszugeben, die für die Kirche im Augenblick lebensnotwendig sind" (Die preußische Generalsynode und die kirchlichen Verfassungsfragen, in: Schlesische Zeitung v. 11.10.1919). 2 4 5 „Staat ist Macht" (vgl. WoSch. v. 8.1.1922; Jahrhundert der Kirche, 1926, S.67, 133, 234). Auf diese Definition reduziert sich bei Dibelius unter Berufung vor allem auf den preußischen Staats-Historiker Heinrich v. TREITSCHKE durchgängig alles staatliche Wesen bzw. Unwesen. Manchmal beruft sich Dibelius bei dieser Definition auch auf Leopold v. RaNKE (vgl. Nationale Erhebung, 1919, S.42f.; Staatsgrenzen und Kirchengremzen, 1921, S.65; Jahrhundert der Kirche, 1926, S.235; Christ, 1961, S.35). Auf dem Hintergrund dieser Reduktionsformel ist nur noch ein negativ besetzter Staatsbegriff und im Grunde keine wirkliche Staats-Ethik mehr möglich; denn diese Reduktionsformel spricht dem republikanischen Staat alle anderen, auch positiven Eigenschaften und Aufgaben als eines demokratischen, kulturellen und sozialen Rechtsstaates ab und lässt die zum Zweck gerade der Machtkontrolle eingerichtete Gewaltenteilung eines demokratischen Gemeinwesens außer Acht. Wenn der Staat nichts anderes mehr ist als Macht, dann wird er selber zum Selbstzweck und ist aller sonstigen gemeinschaftstragenden und gemeinschaftsstiften-
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In seinem A r t i k e l „Die K i r c h e u n d der heutige Staat"246 reagierte Dibelius auf einen Aufsatz v o n E r n s t TROELTSCH, dem parlamentarischen
Unterstaatssekre-
t ä r i m p r e u ß i s c h e n K u l t u s m i n i s t e r i u m , d e r die „ K u n d g e b u n g e n des D r e s d e n e r K i r c h e n t a g e s " 2 4 7 b e l e u c h t e t e . T R O E L T S C H f ü h r t e K l a g e d a r ü b e r , dass d e r P r o t e s t a n t i s m u s i m m e r n o c h k e i n p o s i t i v e s V e r h ä l t n i s z u r n a c h r e v o l u t i o n ä r e n Z e i t gew o n n e n h a b e , w a s m a n an s e i n e r H a l t u n g g e g e n ü b e r d e m K i r c h e n r e g i m e n t d r e i M i n i s t e r a b l e s e n k ö n n e : „ M a n k ä m p f t ... g e g e n die r e i n f o r m a l e
der
Uberlei-
t u n g s m a s c h i n e r i e d e r d r e i M i n i s t e r in evangelicis, die m a n p r a k t i s c h g e r n ben u t z t , a b e r in d e r P r e s s e als F a u s t s c h l a g ins G e s i c h t d e r K i r c h e n i c h t g e n u g a n k l a g e n k a n n , u m S t i m m u n g g e g e n jede R ü c k s i c h t a u f d e n h e u t i g e n Staat z u m a chen."248
den Werte entkleidet. Mit einer solchen ethischen Ent-Wertung des Staates ging auch eine kirchlich-theologische „Delegitimierung" (K. TANNER, Verstaatlichung, 1989, S.37ff.) des Weimarer Staates einher. Die Reduktion im Staatsverständnis besteht also darin, dass Dibelius, wie H . SCHLEMMER bereits richtig vermerkte, „dem Staate im Grunde nur formale Wirkungen zubilligt, aber ihm jede schöpferische Leistung abspricht" (ChW 47, 1933, Sp.929; vgl. auch PrBl 61, 1928, Sp.661f.). Umso mehr, und darin zeigt sich bei Dibelius das „kirchliche" Interesse an diesem negativ besetzten Staatsbegriff, fallen dann der vom Staat getrennten Kirche alle gesellschaftlich relevanten und ethisch konstruktiven Werte und Kräfte zu. Zum Staatsbegriff bei Dibelius vgl. z.B. seine Rede bei der Reichsgriindungsfeier des VdSt am 23.5.1929 „Vom Wandel des Staatsbegriffs" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1, Nr.4) oder seine Festansprache zum 80. Geburtstag von T h . WURM: Prolegomena zu einer Neugestaltung der Staatsidee, 1948. - Auch K. BARTH zeigte anfangs Ansätze zu solchem Schwarz-weiß-Denken. In seiner ersten Römerbriefauslegung schreibt er zu R o m 13: „Der Machtstaat der Gegenwart ist den Absichten Gottes diametral entgegengesetzt; er ist an sich böse." Freilich ist, wenn sich das Böse gegen das Böse erhebt, dies im Sinn und in der Absicht Gottes: „Die ,Gewalt' an sich und die ,Gewalten'" bleiben „der göttlichen Leitung, der auch sie sich nicht entziehen können, untenan. Sie müssen, selber böse, das Böse rächen. Das ist das göttliche Daseinsrecht und Amt des Staates, jedes Staates, der nicht der Gottesstaat selber ist (13,1). Das ist die göttliche Notwendigkeit der Politik." (K. BARTH, Römerbrief, 1919, S.376f.) Gegen solchen nur auf das Kennzeichen der Macht reduzierten und damit dämonisierenden Staatsbegriff zog M. RADE (DDP) in einem kleinen, aber instruktiven Artikel zu Felde, in dem er „diese falsche, irreführende, ja zur Hölle führende Rhetorik: ,Der Staat ist Macht'..." attackiert: „Der Staat ist noch sehr viel andres als Macht. Er ist das Volk, das ihn füllt, er ist das Gesetz, das in ihm gilt, er ist das Beamtentum, das ihn stillt. Er kann nicht ohne Macht sein; er hat, er braucht Macht, aber er ist nicht Macht; sein Wesen geht nicht auf in der Macht, im Gegenteil, wenn es darin aufgeht, verliert er das Ziel, den Zweck, um des willen er da ist.... Die Idee der Gemeinschaft, der Volksgemeinde mit all ihren innern und innigen Zusammenhängen, mit ihren Beziehungen auch nach außen, muß in einer wirklichen, treffenden, fördernden und befreienden Staatsbeschreibung triumphieren. Macht - ja; aber sie soll dem Rechtsstaat, dem Kulturstaat dienen. Zum mindesten unter christlichen Ethikern sollte darüber kein Streit mehr sein" (ChW 33, 1919, Sp.l99f.). RADE knüpft hier an die Gedanken seines Vortrags an, den er unter dem Thema „Machtstaat, Rechtsstaat und Kulturstaat" im Jahr 1908 auf dem von der Deutschen Friedensgesellschaft organisierten ersten deutschen Friedenskongress in Jena gehalten hatte (vgl. T h . KAISER, Rade, 1997, S.174). 2 4 6 T R v. 28.10.1919. 2 4 7 Die Hilfe 25, 1919, S.565-567. 248 EBD., S.567. Zuvor heißt es, die evangelische Kirche sei von ihrer Geschichte her „der geistliche Zwilling des konservativ-politischen Systems", und den „reformierten politisierenden, sozialreformerischen, demokratischen und weltbündlerischen Protestantismus verachtete man als werkheiligen Sektengeist. ...So sind es auch heute und heute erst recht die konservativen, revolutionsfeindlichen, antidemokratischen Elemente der Gesellschaft, die in den kirchlichen Neubil-
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Umgekehrt sieht Dibelius die Einsetzung der drei Minister im Licht und als Fortsetzung der rücksichtslosen und rigiden Politik von Adolf HOFFMANN, der mit der Einsetzung von Pfarrer WESSEL als Staatskommissar in die Kirche massiv eingegriffen habe, und fordert den Staat auf, den „Rechtsbruch" und „die rechtswidrige Institution der drei Minister in evangelicis aufzuheben" 249 . Größten Wert legt aber Dibelius auf die Feststellung, dass „der 9. November, der die Trennung der Kirche vom Staat prinzipiell entschied, ...eine völlige Änderung der Lage gebracht" habe: Die evangelische Kirche ist nicht mehr partei- oder staatspolitisch gebunden, die Kirche steht „den politischen Parteien künftighin prinzipiell neutral" gegenüber. Auf diesem Hintergrund sei, so folgert Dibelius daraus, sogar eine Annäherung an die Sozialdemokratie möglich, sobald sie „Neigung zeigt, die alten materialistischen Grundlagen ihrer Lebensanschauung zu verlassen, mit denen es allerdings für die Kirche kein Paktieren gibt." 250
düngen meistenteils die Führung haben u n d die für die Sache das größte Interesse haben. D i e Konservativen haben im Staate die Herrschaft verloren, in der Kirche wollen sie sie behalten. D a s Ideal ist, die Kirche zur Burg einer A r t geistiger Gegenrevolution zu machen." (EBD., S.566) „Dabei fürchtet der Staat natürlich nicht die konservative Theologie, die ihn nichts angeht, aber die konservative Politik, die ihn sehr viel angeht." (EBD., S.567) - D e r Dresdener Kirchentag sei von den Konservativen beherrscht gewesen. „Man lese die Fürbitte für den Kaiser und ergänze sich die Hintergedanken!" Die Urwahlen seien zu Fall gebracht worden. U n d wenn A . TlTIUS auf das große ethische P r o b l e m des Weltkrieges hingewiesen habe, so sei er v o n einer „Majorität als unpatriotisch niedergezischt" worden. „ U n d dabei hat man in Dresden nach Möglichkeit das grüne H o l z gezeigt. Was soll da am dürren werden, das zu H a u s e geblieben ist und in der Macht sitzt?" (EBD.; vgl. auch WoSch. v. 28.8.1921). 2 4 9 T R v. 28.10.1919. - In den Mitteilungen N r . 12 v. 15.9.1919 gibt Dibelius selber einen Bericht v o m Kirchentag in Dresden. Z u der von TROELTSCH inkriminierten Kundgebung für Kaiser WILHELM II. wird dort berichtet: Als GenSup. T h . KAFTAN „das Wort ergriff, u m diese Kundgebungen zu begründen, erhob sich die ganze Versammlung u n d lauschte seinen Ausführungen in tiefer Bewegung. Als D . KAFTAN von der feindlichen Forderung der Auslieferung des Kaisers sprach, brach ihm die Stimme..." Gegen eine partei- oder ideologiepolitische Verwertung dieser Szene wendet Dibelius gegen TROELTSCH in seinem Zeitungsartikel ein: „Die Männer der Kirche sind keine Hoflieferanten, die, wie viele, am Tage nach der Revolution ihr altes Schild schleunigst in den Keller versteckten. Wenn die Kirche des Mannes, der sie Jahrzehnte hindurch geleitet hat und der nun in tiefem Unglück ist, fürbittend gedenkt, so ist das ein selbstverständlicher christlicher u n d kirchlicher A k t , aber keine politische Demonstration." (EBD.) - D e r auch von Dibelius kritisch beurteilte Vortrag von A . TlTIUS (vgl. WoSch. v. 28.8.1921) wird von Dibelius in den ,Mitteilungen' stillschweigend übergangen, in seinem Zeitungsartikel stellt er TROELTSCH folgendermaßen richtig: Der Widerspruch gegen die Ausführungen v o n TlTIUS setzte erst a m Schluss seiner Rede ein, als er dazu aufforderte, „das Ideal des Machtstaates zu begraben und die Zukunft des Vaterlandes in der Mitarbeit an den pazifistischen Zielen des angelsächsisch geleiteten Völkerbundes zu suchen." (EBD.) - D i e bedeutsame Rede des DDP-Mitglieds TlTIUS ist zugänglich in: H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.22-29 (vgl. Kirchentag 1919, S.145153). Bei der entsprechenden Rede-Passage, als TlTIUS sich für die Waffenlosigkeit Deutschlands aussprach und für den Völkerbund eintrat, vermerkt das Protokoll „Bewegung", „ U n r u h e " u n d „Widerspruch" im A u d i t o r i u m (vgl. EBD., S.28). 2 5 0 T R v. 28.10.1919. Gegenüber seiner Propaganda vor den Wahlen zur Nationalversammlung wird hier nicht mehr das „Paktieren" mit einer Partei in toto verteufelt, sondern nur noch das „Paktieren" mit einem weltanschaulich-ideologischen Teilaspekt des Parteiprogramms, hier: der S P D .
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Dibelius argumentiert hier mit der zum Axiom erhobenen Tatsache, dass mit dem 9. November die Trennung der Kirche vom Staat bereits entschieden sei, ohne dann Interesse daran zu zeigen und Verständnis dafür aufzubringen, wie denn diese prinzipielle Trennung auch tatsächlich demokratisch durchgeführt und politisch gestaltet werden sollte. Im Dezember 1918, als die Kirche noch keineswegs „überm Berg" war und als es noch nicht klar war, ob und wie die Kirche die Revolution überstehen werde, stand die Trennung von Staat und Kirche für Dibelius dagegen als eine noch zu bewerkstelligende Aufgabe vor Augen, wenn er damals schrieb: „Ja die Trennung kommt! Es fragt sich nur, wie wird sie kommen?" 2 5 1 Jetzt, da die Konsolidierung der altpreußischen Landeskirche sich in deutlichen und politisch abgesicherten Konturen abzuzeichnen beginnt, wird das konkrete, politisch-geschichtliche Datum des 9. November von Dibelius abstrahiert und hypostasiert zu einem politisch und geschichtlich nicht mehr hinterfragbaren Faktum, das man schon hinter sich gelassen zu haben scheint - und dies in einem Augenblick, als man sich noch in einem mühsamen Prozess auf der Suche nach einem mehrheitsfähigen parteipolitischen Konsens und einer gesellschaftspolitischen Akzeptanz befunden hatte. Nach außen hin wird dabei völlig die Tatsache ausgeblendet, dass in diesem Prozess die Kirche faktisch keineswegs schon am Ziel ist, immer noch Ansprüche und Forderungen erhebt, laufend ihre Interessen gegenüber dem Staat geltend macht und diese hinter den Kulissen auf parteipolitischem Weg durchzusetzen versucht. Das mangelnde politische Verständnis wird nicht als Defizit empfunden und zu korrigieren versucht, im Gegenteil: Mit diesem Verständnis ist Dibelius bereits auf dem Weg dorthin, wo die Identifizierung des Revolutions-Datums mit dem Faktum einer vom Staat getrennten Kirche zur monologischen Methode, ja zur monolithischen Doktrin seines eigenen Kirchenverständnisses wird.
1.10 Kirchliche Ausgleichsversuche
gegenüber dem Staat
Wenn sich Dibelius auch den kirchlichen Verbalinjurien 252 gegen die rein „formale Überleitungsmaschinerie der drei Minister in evangelicis" (TROELTSCH) und damit gegen den „im tiefsten Grunde kirchenfeindlichen Staat" 253 anschloss, so versuchte er im innerkirchlichen Gespräch dahingehend mäßigend auf die Debatte einzuwirken, dass aus den verbalen Protesten nicht eigenmächtige AktioTrennung von Staat und Kirche, S.10. Aus einer Zuschrift aus Stettin v. 22.3.1919 erfuhr Dibelius, dass die Nachricht von der Einsetzung der drei Minister in die Verhandlungen der Pommerschen Provinzialsynode platzte; dies sei ein Schlag ins Gesicht der Kirche, ein Rechtsbruch, die schärfste Unterwerfung der Kirche unter den Staat, gegen die ein flammender Protest erhoben werden müsse (vgl. E 2 A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.241f.). 2 5 3 RBo. v. 14.10.1919. M. RADE hielt der üblich gewordenen Rede von der Kirchenfeindschaft des Staates die faktische Staatsfeindschaft der Kirche entgegen: „Hat sie (sc. die Kirche) sich denn Mühe gegeben, in das rechte Verhältnis zum neuen Staat zu kommen? Hätte der alte Staat ein christliches Volk hinterlassen, so wäre der Staat eben von diesem Volke auch weiter beeinflußt worden" (VZ v. 18.9.1921). 251
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nen der Kirche gegen den Staat wurden. Offenbar war er der Überzeugung, dass der Kirche jetzt ein forscher Konfrontationskurs und übermäßige Scharfmacherei eher schaden als nützen könnte. Unter der Devise von der „Freiheit der Kirche" wehrte sich R. M U M M in einem Vortrag gegen die Einmischung der preußischen Regierung in die Angelegenheiten der Kirche. Als Drahtzieher für die Verzögerungstaktik der drei Minister, die Generalsynode erst nach einer vorherigen Verständigung zwischen E O K und Regierung(sparteien) einzuberufen, machte er die Demokraten 254 verantwortlich, die der Kirche einen bestimmten Modus für die Wahl einer gesetzgebenden Kirchenversammlung angeblich aufzwingen wollten. Das Auditorium erhob dann auch Einspruch gegen diese unerträgliche „Hemmung des Evangelisch-kirchlichen Verfassungswerkes durch die Preußische Regierung" und verabschiedete einstimmig eine Entschließung, worin der E O K aufgefordert wurde, „nötigenfalls die Mitglieder der Generalsynode zu einer freien Versammlung zusammenzurufen, um dem Kampf der Kirche für ihre verfassungsgemäße Freiheit die nötige Wucht zu geben." 255 Nicht nur für den Schwiegersohn von A. S T O E C K E R (nämlich R. M U M M ) , sondern auch für dessen Nachfolger im Amt des Direktors der Berliner Stadtmission, Wilhelm P H I L I P P S 2 5 6 , war in dieser Angelegenheit bereits ein „Kulturkampf in Sicht". Denn mit dem Schreiben der drei Minister an den E O K vom 13.11.1919 sei „eine offene Kampfansage des religionslosen Staates an die evangelische Kirche" 257 angekündigt. Mit einem ganzen Arsenal von großkaliberigen Vorhaltungen werden die drei Minister beschossen: „Kulturkampf in Sicht", „Verrat an der evangelischen Kirche", „Bruch der Reichsverfassung", „Vergewaltigung ..., die die Freiheit und Ehre der Kirche der Reformation so gröblich antastet". Öffentlich konterte PHILIPPS das staatliche Vorgehen mit der Gegenforderung, die er schon intern im März in den Verhandlungen des Verfassungsaus-
2 5 4 MUMM nennt dabei FRIEDBERG und Genossen (vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S.208f.) und vor allem den Unterstaatssekretär TROELTSCH, „der die Gestaltung der Freiheit der Kirche auf den St. Nimmerleinstag verschieben möchte. ...Man sucht aber jetzt unsere evangelische Kirche einzuschüchtern, damit diese ihre Verfassung nach den Wünschen der Herren um TROELTSCH gestalten" (RBo. v. 26.11.1919). Die folgenden Zitate EBD. - In einem eigenen Artikel nimmt MUMM die Weimarer Verfassung gegen die Preußische Staatsregierung in Anspruch und wirft dieser vor, „Schindluder mit der Reichsverfassung (zu) spielen, die der Kirche mit vollem Bewußtsein die Freiheit gab und...bewußt jedes Eingreifen in die Wahlrechtsfrage der Kirche abgelehnt hat" (EBD.). 2 5 5 R B o . v. 26.11.1919. Die Resolution wurde, nach Redebeiträgen von MUMM und von v. DRYANDER, bei einer Versammlung des Christlich-sozialen Vereins Berlin und der Staatspolitischen Arbeitsgemeinschaft der Deutschnationalen Volkspartei einstimmig angenommen und an den E O K weitergeleitet (MUMM an E O K v. 28.11.1919, in: E Z A BERLIN, 7 / 8 5 4 , pag.l70f.). 2 5 6 Zu Wilhelm PHILIPPS, dem Direktor der Berliner Stadtmission von 1917 bis 1933, vgl. auch: Gott liebt diese Stadt, 1977, S.96f. 257 „Kulturkampf in Sicht!" (RBo. v. 26.11.1919). Die Schuld an dem Debakel gibt PHILIPPS den Demokraten „RADE und Genossen", OTTO, FRIEDBERG, OESER und TROELTSCH: „Hinter dem Vorgehen der drei Minister steht also die Demokratische Partei und wohl auch die sozialdemokratische (vielleicht nicht geschlossen)." Die folgenden Zitate EBD.
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schusses 258 geäußert hatte: „Einberufung der Generalsynode unter allen Umständen zum erstmöglichen Termin, auch ohne Genehmigung der drei Minister". Dibelius, der seinerseits bestätigte, dass es sich in dem ministeriellen Schreiben um eine klare „Kampfansage" der drei Minister an die Kirche handle, war in dieser Sache mit seinem Freund R. M U M M nicht einig; er wollte die staatliche Vorgehensweise auch nicht mit dem Aufruf von P H I L I P P S zum „Kulturkampf" beantwortet wissen. Noch in den Tagen eines Adolf H O F F M A N N hätte er ein solches Ansinnen für gerechtfertigt gehalten. Jetzt aber warnte Dibelius eindringlich vor einem unbedachten Vorgehen und mahnte zum Abwarten, auch über Tage und Wochen hinweg. Er versuchte, die von seinen Gesinnungsgenossen M U M M und P H I L I P P S aufgeputschte Stimmung in Bahnen zu lenken, die ein Arrangement mit dem Staat auf gesetzlich einwandfreier Grundlage ermöglichte. Die Kirche dürfe durch eigenmächtige Einberufung der Generalsynode, also ohne Genehmigung der drei Minister, nicht selber einen Rechtsbruch begehen. „Das hieße, die Kirche aus günstiger Lage in die denkbar ungünstigste stürzen." Und beschwichtigend fährt Dibelius fort: „Noch befindet sich die Aktion der Minister im Stadium des höflichen Ersuchens und des Anbietens guter Dienste. Die Einberufung der Generalsynode ist nicht ausdrücklich abgelehnt." 259 Dibelius setzte hier auf den Faktor Zeit: so könne allenfalls „der Rechtsbruch ... dem Gegner zugeschoben werden". P H I L I P P S aber wollte ausdrücklich Verhandlungen mit der staatlichen Seite ausgeschlossen wissen, wie er es in seiner Replik auf den Dibelius-Artikel noch einmal deutlich machte. Er hielt Verhandlungen mit den preußischen Mehrheitsparteien über die Einberufung der Generalsynode und der damit zusammenhängenden Fragen für geradezu ehrenrührig: Die Kirche „darf sich nicht unter das knechtische Joch des religionslosen Staates fangen und unter keinen Umständen von ihm ein demokratisches Wahlrecht aufdrängen lassen. Hier heißt es: principiis obsta!". Die Einberufung der Generalsynode dürfe nicht „ad calendas graecas vertagt und der jetzige Notzustand ein Dauerzustand werden" 260 . Solche Befürchtungen teilte Dibelius zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht, da er die Kirche bereits „in einer günstigen Lage" zu sehen meinte; vielmehr erhoffte er sich von einem längeren Zuwarten und von den Verhandlungen mit den Staatsorganen, dass in der innerkirchlich umstrittenen Frage der Urwahlen und des Minderheitenschutzes noch ein Ausgleich zwischen den kirchenpolitischen Fronten erreicht werden könnte.
2 5 8 „PHILIPPS und WINCKLER sind der Meinung, daß man unabhängig von den drei Ministern die Generalsynode einberufen könne; das wird von dem Vorsitzenden MOELLER und von EVERLING bezweifelt" (Protokoll der Sitzung des Verfassungsausschusses v. 14.3.1919, in: EZA BERLIN, 7/953, pag.123), 2 5 9 „Um die Generalsynode!" (RBo. v. 30.11.1919). 2 6 0 „An die Generalsynode!" (RBo. v. 2.12.1919).
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung O b w o h l d i e P r o v i n z i a l s y n o d e n b e r e i t s n a h e z u e i n h e l l i g g e g e n das
Urwahl-
P r i n z i p 2 6 1 bei d e r W a h l z u r v e r f a s s u n g g e b e n d e n K i r c h e n v e r s a m m l u n g
eingetre-
t e n w a r e n , o b w o h l D i b e l i u s aus d e n Z u s c h r i f t e n a n d e n G e s c h ä f t s f ü h r e r des V e r t r a u e n s r a t e s die ü b e r w i e g e n d e S t i m m u n g d e r G e m e i n d e n b z w . d e r P f a r r e r 2 6 2 geg e n die U r w a h l e n k a n n t e , o b w o h l s i c h d e r V e r t r a u e n s r a t b e i s e i n e r l e t z t e n V o l l versammlung263 a m 10.4.1919 mit seinem Vorschlag v o n U r w a h l e n nicht durchs e t z e n k o n n t e , h e g t e D i b e l i u s d o c h i m m e r n o c h d i e leise H o f f n u n g , dass s e i n e P r ä f e r e n z f ü r die U r w a h l e n , die e r a u c h i m V e r t r a u e n s r a t v e r t r e t e n h a t t e 2 6 4 , n o c h z u m Z u g e k o m m e n k ö n n t e . M i t d e u t l i c h e r S y m p a t h i e f ü r diesen W a h l m o d u s ber i c h t e t e e r s c h o n i n d e n . M i t t e i l u n g e n ' 2 6 5 , in d e n e n e r i m m e n h i n a u c h das F ü r u n d W i d e r m ö g l i c h s t o b j e k t i v z u d i s k u t i e r e n s i c h b e m ü h t e . D i b e l i u s k a m es d a r a u f a n , dass e i n e aus U r w a h l e n h e r v o r g e g a n g e n e v e r f a s s u n g g e b e n d e K i r c h e n v e r s a m m l u n g eine direkte u n d umfassend volkskirchliche L e g i t i m a t i o n
bekommen
sollte. U n t e r d i e s e m G e s i c h t s p u n k t t r a t e r a u c h f ü r das F r a u e n - W a h l r e c h t ein. D a die U r w a h l e n jedoch s c h o n i m V o r f e l d der synodalen E n t s c h e i d u n g n i c h t durchgesetzt w e r d e n konnten, verteidigte Dibelius dann den erzielten K o m p r o m i s s u n d g a b s i c h d a m i t z u f r i e d e n , dass w e n i g s t e n s die G e m e i n d e - K ö r p e r s c h a f t e n in d i r e k t e r W a h l e r m i t t e l t w u r d e n , die d a n n i h r e r s e i t s die V e r t r e t e r in d i e K i r -
261 Ν ο ^ z w e j J a h r e später erinnerte Dibelius mit erkennbarem Bedauern daran, dass die Provinzialsynoden den Vorschlag des Vertrauensrates für Urwahlen abgelehnt haben: vgl. WoSch. V. 2.10.1921; vgl. auch SoSp. v. 30.8.1931. 2 6 2 Vgl. dazu die Zuschriften an Dibelius (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Korresp., pag.54, 117, 154, 195, 200, 202, 203, 204). Beispielhaft sei die Zuschrift eines Freundes (Karl BEGRICH) aus der Zeit des Wittenberger Predigerseminars v. 20.5.1919 erwähnt: „Hoffentlich beglückt man uns nicht auch mit dem allgemeinen pp. Wahlrecht für die Kirche. Das könnte ihr T o d sein. D e r Erfolg in meiner Gemeinde wenigstens wäre, daß ich einen großen Teil unkirchlicher (u. nicht bodenständiger) Kohlenarbeiter hinein bekäme, denen nichts weniger als das Wohl der Kirche am Herzen liegt, während ich jetzt lauter fromme (im G.K.) und kirchliche (in der G.V.) Leute in den kirchl. Körperschaften habe. Videant consules!" (EBD., pag.l2R) Was hier im Blick auf die Gemeinde-Körperschaften befürchtet wurde, das gilt ebenso auch für die Angst vor Urwahlen zur Konstituanten oder zur Generalsynode: Unkirchliche Leute könnten die Macht in der und über die Kirche bekommen. 263 v g i . Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919; ob im Zusammenhang mit der 4. Vollversammlung am 10.4.1919 von einem „endgültigen Scheitern" des Vertrauensrats zu sprechen ist, gar davon, dass der Vertrauensrat durch die Behörde „kaltgestellt" wurde (vgl. J . JACKE, Kirche, 1976, S.187ff.), bleibt zumindest zweifelhaft; immerhin berichtete Dibelius abschließend: „Damit waren die Aufgaben des Vertrauensrats in der Frage der verfassunggebenden Kirchenversammlung erledigt. Der von ihm empfohlene Entwurf geht an den Evangelischen Oberkirchenrat ..." (Mitteilungen Nr.9 v. 25.4.1919). In der Schwebe blieb lediglich die Frage, ob der Vertrauensrat seine Arbeit noch einmal aufnehmen werde. Offenbar hatte die Arbeit dann der Verfassungsausschuss des Berliner Volkskirchendienstes fortgesetzt und „in heißer Arbeit ... zwei Winter hindurch den Entwurf einer Verfassung durchberaten und fertiggestellt" (H. SPIERO, Schicksal und Anteil, 1929, S.296). Dem Ausschuss des Volkskirchendienstes gehörten u.a. an: Karl AXENFELD, Max BERNER, Alfred FISCHER, Karl HOLL, Heinrich SPIERO und August STOCK. 2 6 4 Bereits im Februar 1919 hatte Dibelius den Mitgliedern des Verfassungsausschusses eine schriftliche Erörterung zu dem dort gemachten Vorschlag der Urwahlen zugehen lassen (vgl. E Z A BERLIN, 7 / 9 5 3 , pag.92). 265 Vgl. z.B. im Bericht über die 3. Gesamtsitzung des Vertrauensrates (Mitteilungen Nr.7 v. 25.2.1919) oder über den Kirchentag in Dresden (Mitteilungen Nr.12. v. 15.9.1919).
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chenversammlung entsandten: „Durch das Leben der Gemeinde tritt der Einzelne in die große Gemeinschaft der Kirche ein. Wenn darum bei der Neugestaltung der kirchlichen Verfassung die Gemeinden ihren Einfluß geltend machen, so wird das, von großen Gesichtspunkten aus betrachtet, durchaus zu rechtfertigen sein." 2 6 6 Die seitherige Praxis, die auch für die Zukunft von konservativer Seite aus repristiniert werden sollte, sah vor, die Zusammensetzung der Generalsynode durch das Sieb oder Filter der nachgeordneten Körperschaften (Gemeindekörperschaften, Kreissynode, Provinzialsynode) zu ermitteln. Je weniger aber „gesiebt" oder „filtriert" wird, umso mehr ist auch ein Schutz der kirchlichen Minderheiten gewährleistet. Der erzielte Kompromiss kam so den Urwahlen 2 6 7 (verbunden mit der Verhältnis- oder Listenwahl) am nächsten; eine größtmögliche volkskirchliche Legitimierung der Generalsynode und der Schutz der Minderheiten waren in den Augen von Dibelius damit weitgehend sichergestellt. D a n k der Intervention der so sehr geschmähten drei Minister ist also noch einmal H o f f n u n g für die Urwahlen aufgekommen. Bewegung in die Angelegenheit hatte schon einen Monat zuvor Pfarrer TRAUB gebracht, als er beantragte, die Arbeit des Verfassungsausschusses im Vertrauensrat wieder aufzunehmen 2 6 8 . TRAUB, der auch Mitglied im Werbeausschuss war, hatte ein vitales Interesse an der Durchsetzung der Urwahlen 2 6 9 . Als schon im Februar zu befürchten war, dass die Einführung von Urwahlen keine Mehrheit finden würde, erklärten Pfarrer TRAUB und Rechtsanwalt KRAEMER, „daß sie sich an einer Umarbeitung des Wahlgesetzes nicht beteiligen können" 2 7 0 , und kündigten ihre weitere Mitarbeit im Verfassungsausschuss auf. Dibelius, der „Geschäftsführer der Vertrauensmänner-Ausschüsse beim Ev. Oberkirchenrat" (Briefkopf), beschwor damals TRAUB, doch die Arbeit im Verfassungsausschuss fortzusetzen: „Ich würde es nun für verhängnisvoll halten, wenn in diesem Stadium der Dinge der Ausschuß Ihre und D r . KRAEMERs Mitarbeit entbehren müßte. ...Dann läge das ganze Verfassungswerk in den Händen der Herren von der Rechten. U n d alle Frühlingsträume der Kirche wären ausgeträumt. ...Noch besteht die Möglichkeit, daß eine Einigung zustande k o m m t , die beide Parteien mit leidlich gutem Gewissen auf sich nehmen können." Dibelius machte also deutlich, dass er selbst das seitherige Sieb- oder Filtriersystem für 266 n £)ie preußische Generalsynode und die kirchlichen Verfassungsfragen" (Schlesische Zeitung v. 11.10.1919). 2 6 7 „Die Freunde der sogenannten Urwahlen sind in aussichtsloser Minderheit. Man einige sich auf die Vorlage des Kirchenregiments, nach der die kirchlichen Körperschaften in jeder Gemeinde neu zu bilden sind und diese neugebildeten Körperschaften alsdann eine verfassunggebende Kirchenversammlung wählen sollen" (Gemeindeblatt der Kirche zum Heilsbronnen, Mai 1920, in: Otto Dibelius im Heilsbronnen, 1960, S.31). 2 6 8 TRAUB an MOELLER (und an den Ausschussvorsitzenden LlSCO) v. 10.11.1919: „Nachdem die Arbeit des Vertrauensrats besonders in dem Verfassungsausschuß lange Zeit geruht hat, beantrage ich, diese wiederaufzunehmen" (EZA BERLIN, 7/854, pag.165). 2 6 9 Vgl. G . TRAUB, Lage, 1920, S.3ff., 37, 58f. 2 7 0 Protokoll der Sitzung des Verfassungsausschusses v. 20.2.1919 (EZA BERLIN, 7/953, pag.85).
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„prinzipiell nicht glücklich" hielt und in dieser Frage dringend einer liberalen Bundesgenossenschaft 271 bedurfte. Mit ihr zusammen einen Kompromiss auszuhandeln, ergäbe dann immer noch „die Möglichkeit, die Gemeinden direkt eine verfassunggebende Versammlung wählen zu lassen, sei es durch ihre jetzigen, sei es durch neu zu wählende Körperschaften. Aber auch diesem Gedanken stehen Schwierigkeiten und Hindernisse im Wege." 272 Die strikte Abwehr aller Bestrebungen der Volkskirchenräte zeigt, dass es sich bei Dibelius mit seinem Eintreten für die Urwahlen nicht um einen gleichsam basisdemokratischen Reformansatz handelt. Nicht Rücksichtnahme auf Wünsche seitens des Staates oder der Politik, nicht Gesichtspunkte einer wirklich demokratischen Willensbildung von unten waren es, die in Dibelius' Augen für die Urwahlen sprachen; ausschlaggebend für ihn war es vielmehr, dass möglichst vielen Menschen, den Arbeitern genauso wie den Frauen, die Gelegenheit zum Dienst, zu einer Pflichterfüllung gegenüber der Kirche gegeben werden sollte: „ O b der Staat sich monarchisch oder demokratisch oder kommunistisch organisiert, ob er direkte oder indirekte Wahlen einführt, ob er kollegiale Behörden oder die Diktatur einzelner Persönlichkeiten schafft,... das alles darf die Kirche grundsätzlich nicht kümmern. ...Zu den stärksten Gründen, die für die sogenannten Urwahlen innerhalb der Kirche ins Feld geführt werden können, gehört die Erwägung, daß die Arbeiterschaft, deren Wiedergewinnung für die Kirche eine Lebensfrage ist, von der Bedeutung solcher Wahlen besonders tief durchdrungen ist." 273 Nicht aus demokratischer Uberzeugung, nicht aus Nachgiebigkeit gegenüber staatlichen Forderungen trat Dibelius also grundsätzlich für Urwahlen ein; ebenso sprach er sich nicht aus emanzipatorischen Gründen für das Frauenwahlrecht 274 aus. Nicht aus kirchenpolitischer Indifferenz oder gar aus einer Vorliebe 2 7 1 Für Dibelius waren TRAUB und KRAEMER insofern besonders wichtig, weil sie als liberal geltende Kirchenleute sich nicht der D D P anschlossen, sondern „zu den rechtsstehenden Parteien umschwenkten" (Dibelius an NAUMANN v. 14.6.1919, in: B A Abt. BERLIN, N L Naumann 90 N a 3, 13). 2 7 2 Dibelius an TRAUB v. 18.2.1919 (BA KOBLENZ, N L Traub/26). Auch der Vizepräsident des E O K , LAHUSEN, versuchte, die weitere Mitarbeit von TRAUB dadurch zu gewinnen, dass die Gegenpartei „in kürzester Frist, höchstens drei Wochen, einen Plan vorlegt, wie nach ihrer Meinung die Konstituante gewählt werden kann ohne Urwahlen und doch unter voller Berücksichtigung der Forderungen der Jetztzeit. ...Wir haben so lange im Frieden miteinander gearbeitet, ich bitte, ja ich beschwöre Sie, werden Sie uns nicht untreu. Wir dürfen jetzt nicht auseinander gehen" (LAHUSEN an TRAUB v. 17.2.1919, in: BA KOBLENZ, N L Traub/26). 2 7 3 Evangelische Grundsätze (1919/20), S.5f. Die „Arbeiterschaft" steht hier für die gesellschaftliche Gruppe, die die Kirche gewinnen muss, um dem Anspruch einer flächendeckenden und gruppenübergreifenden Volks-Kirche gerecht werden zu können. Das Interesse an der Mitwirkung und Repräsentanz der Arbeiterschaft innerhalb der Kirche ist bei Dibelius parteipolitisch in Richtung auf die Gewinnung der SPD, aber insoweit auch „nur" kirchlich motiviert, als Dibelius damit eher eine „Komm-Struktur" der Kirche im Auge hatte als eine an den spezifischen Interessen und Bedürfnissen der Arbeiterschaft orientierte „Geh-Struktur" der Kirche. 2 7 4 Das kirchlicherseits zur Frauenwahlpflicht umgedeutete Frauenwahlrecht wurde im politischen Bereich als Mittel der Rechtspropaganda eingesetzt, nachdem nun einmal die Einführung des Frauenwahlrechts durch die Revolution „aufgezwungen" worden war. Die evangelischen
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für einen kirchlichen Pluralismus wollte er einen größtmöglichen Schutz der Minderheiten in den kirchlichen Gremien gesichert wissen - es ging ihm immer und auch in dieser Frage um die Gesamtheit der Kirche. Ihr wollte er eine Geschlossenheit ermöglichen, eine Einheit ohne Uniformität, aber eine Einheit, in der die verschiedensten Kräfte zusammengefasst und zusammengehalten sind, in der sie zum Ausgleich gezwungen sind und doch ein belebendes und bewegendes Element innerkirchlichen Lebens darstellen. Faktisch hat Dibelius damit freilich die demokratische und emanzipatorische Dynamik des kirchlichen Neuordnungsprozesses nicht nur in Kauf genommen oder unterlaufen, sondern bewusst gebilligt, gefördert und als unumkehrbar festgeschrieben. Dies alles stand im Dienst des volkskirchlichen Interesses, um das Kirchenvolk in seiner ganzen Breite in die Verantwortung zu rufen und an die Kirche zu binden. Die Kirche sollte mit dem neuen Verfassungswerk auf ein neues Fundament gestellt werden und ein möglichst weit ausladendes Dach bekommen, damit darin möglichst viele Gruppen und Meinungen Platz und Heimat finden könnten. Sonst hätte die Kirche ihren Anspruch, „Volkskirche" zu sein, aufgegeben. Denn die Kirche muss mit dem Offentlichkeitsanspruch einer Volks-Kirche dem demokratischen Volks-Staat gleichwertig und gleichgewichtig gegenübertreten können. Dieser ekklesiologische Anspruch sollte zunächst ganz pragmatisch die finanziellen und konstitutionellen Wünsche der Kirche gegenüber dem Staat sichern; er begründete bei Dibelius dazuhin den Ruf zur Einheit und zum innerkirchlichen Ausgleich. Dibelius nahm dabei allerdings den Widerspruch nicht wahr, der darin bestand, dass die Kirche damit einerseits den Segen finanzieller Zuwendungen von Seiten des Staates begehrte und andererseits den Fluch auf diesen aus der Revolution geborenen Staat heraufbeschwor. Nachdem im Frühjahr 1920 die wesentlichen Verfassungsfragen auch im Zusammenwirken mit dem preußischen Staat bereits als geklärt betrachtet werden konnten, schien es Dibelius um der Sicherung der finanziellen Zuwendungen des Staates willen nicht mehr opportun, diesen Staat frontal anzugehen. Er sah sich deshalb ein weiteres Mal veranlasst, gegen eine unbedachte Hitzköpfigkeit aus dem eigenen kirchlichen Lager öffentlich vorzugehen und mäßigend auf die öffentliche Stimmung einzuwirken. In der Verzögerungsstrategie der drei Minister vermutete man auf der Seite der kirchlichen Rechten nicht nur eine staatliche Schikane, sondern witterte die mögliche Durchsetzung des Urwahlprinzips. Schon in der Mitte des Jahres 1919 Frauenverbände übernahmen, unterstützt durch die Kirchenführer, „die Rolle von Mulitplikatoren oder Transmissionsriemen der Parteien des rechten Spektrums ...Wie sehr die mit Emphase stets aufs neue vorgetragene Behauptung, ,über' den Parteien zu stehen, Bestandteil der .Lebenslüge des (vergangenen) Obrigkeitsstaates' war, zeigt sich in der Argumentation der .Wahlhelfer' von rechts immer wieder." (J.-Chr. KAISER, Frauen, 1985, S. 108) - Tatsächlich konnten die Mitte-Rechts-Parteien mit einem höheren Stimmenanteil der Frauen rechnen, während die MitteLinks-Parteien mehrheitlich von den Männern gewählt wurden: Zentrum (41% Männerstimmen / 59% Frauenstimmen), D N V P (44% Μ / 56% F), DVP 49% Μ / 51% F), D D P (53% Μ / 47% F), SPD (57% Μ / 43% F), USPD (59% Μ / 41% F) - vgl. die Zusammenstellung auf der Grundlage der Reichstagswahlen von 1920 (Th.M. BREITSOHL, Schulpolitik, 1978, S.234).
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war W. PHILIPPS darauf gefasst, dass an dieser Frage die Landeskirche auseinanderbrechen könne: „Wir rechnen vollbewußt mit der Möglichkeit, daß unsere Landeskirche ganz auseinanderbrechen kann und sich in Freikirchen auflösen muß. Wir rechnen auch mit der Möglichkeit, daß eine aus Urwahlen hervorgehende verfassunggebende Kirchenversammlung den Anhängern der Rechten ein Verbleiben in der Kirche unmöglich machen könnte."275 Es nimmt deshalb nicht wunder, dass es wiederum Pastor PHILIPPS war, der auf diesem Hintergrund im März 1920 noch einmal die Saat eines abgrundtiefen Misstrauens276 gegen die drei Minister in evangelicis ausstreute und damit erneut Ol ins Feuer der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche goss. In der von ihm selbst herausgegebenen Kirchenzeitung ,Die Reformation' machte er mit seinem Artikel „Die kommende Generalsynode", der auch als Flugblatt weite Verbreitung fand, noch einmal in aller Grundsätzlichkeit den Gegensatz zu dem Staat deutlich, der in dem von der Demokratischen Partei kreierten Institut der drei Minister repräsentiert wurde. Er sah das Interesse der Kirche im schroffen und unvereinbaren Gegensatz von Staat und Kirche gefährdet: „Der Zeitgeist geht die Kirche nichts an. Sie soll sich ausschließlich vom Heiligen Geiste leiten lassen. ... Darum keinen Blick seitwärts, weder zur Rechten noch zur Linken, sondern allein auf Christum und seine Sache geschaut! Nur so werden wir durchkommen." 277 Die Gefahr, dass die Kirche dem Zeitgeist verfällt, so argumentiert PHILIPPS weiter, sei dort am größten, wo es um die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen der Kirche gehe. Aber gerade hier solle die Kirche allen teuflischen „Versprechungen und Lockungen" des Staates widerstehen und seinen Wünschen nicht nachgeben: „Gott, der Herr, bewahre unsere Kirche und in den kommenden Wochen vor allem unsere Generalsynode, daß sie sich durch solche rein irdische Erwägungen nicht bestimmen läßt, die himmlischen ihnen unteroder nachzuordnen. Die Versuchungen, die an Jesus in der Wüste herantraten, treten heute an die ganze Kirche heran, und der Teufel naht ihr unter den Versprechungen und Verheißungen des Staates." Was sich die Kirche bei einem von PHILIPPS so bezeichneten „Kuhhandel" abkaufen lassen könnte, das wäre die Einführung der Urwahlen für die verfassung-
2 7 5 W . PHILIPPS, Eine bedeutsame Wendung in der kirchlichen Parteipolitik in Preußen (Refor. v. 15.6.1919). 2 7 6 „Mißtrauen, grundsätzliches Mißtrauen ist das einzig Berechtigte und Notwendige. W e n n die drei Minister in liebenswürdigen, verbindlichen Formen verhandelt und freundliche W o r t e f ü r die evangelische Kirche gehabt und Interesse an ihr bekundet haben, dann k o m m t das ausschließlich auf ihr persönliches K o n t o . In der Sache handelt es sich u m den denkbar schärfsten Gegensatz. Das darf nie vergessen, nie aus dem Auge gelassen werden. U n d je verbindlicher die F o r m e n sind, ...um so mehr w i r d es gelten, darauf zu achten, daß man sich nicht einpacken läßt" (W. PHILIPPS, Die kommende Generalsynode, in: Refor. v. 14.3.1920, S.82). Schon während des Dresdener Kirchentags pflichtete das Gemeinschaftsblatt ,Licht und Leben' PHILIPPS und ZOELLNER bei, die durch die Urwahlen das Gemeindeprinzip gefährdet sahen, weil diese über die Grenzen der Gemeinde hinausreichen und die Gemeindeglieder in eine Parteiknechtschaft führen (vgl. Licht und Leben 3 1 , 1 9 1 9 , S.520). 2 7 7 Refor. v. 14.3.1920, S.83; alle folgenden Zitate EBD.
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gebende Kirchenversammlung, deren Wahlgesetze die auf April einberufene Generalsynode zu beschließen hatte. Aber die Frage der Urwahlen sollte, so wünschte es PHILIPPS, „auf der Generalsynode ein Begräbnis zweiter oder vierter Klasse" bekommen. „Mehr verdient sie nicht. Denn sie ist ganz unbiblisch, unevangelisch. Sie entspricht der Revolution, aber nicht der Reformation. Also, sich nicht blenden und betören lassen durch gleißende Reden und bestechende Worte! Klar und fest auf der biblischen Linie bleiben, das ist das einzige, was not tut. Die Kirche soll der Masse dienen, sich aber nicht von der Masse beherrschen lassen." 278 Deshalb laute jetzt die Losung: „Mobilmachung aller Gläubigen, Belehrung aller Kirchlichen. Ihre Stunde ist gekommen. Tue jeder seine Pflicht! Der Herr aber lasse es gelingen, daß die Grundlagen seiner Kirche auch bei uns festgelegt werden und bleiben auf dem einigen Grunde der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist." 279 Demgegenüber sah Dibelius die Kirche in ihrer Auseinandersetzung mit dem Staat zu diesem Zeitpunkt längst über dem Berg. Während er selber in den Tagen Adolf HOFFMANNs mit religiösem Pathos zur Mobilmachung der Gemeinden und zum Kreuzzug gegen den Staat aufgerufen hatte, hielt er nun nach der erfolgten und erfolgreichen Konsolidierung der Kirche einen solchen Ton den kirchlichen Interessen geradezu abträglich. Denn inzwischen habe „die kirchenpolitische Lage sich von Grund aus gewandelt. Die Staatsregierung ist der Kirche in den entscheidenden Punkten entgegengekommen. ... Damit ist der Hauptgegenstand des Streites zunächst einmal beseitigt. In ihrem Kampf um die Verfassung darf die Kirche das Schwert in die Scheide stecken." 280 Der Wahlmodus zur Konstituanten wie im Besonderen die Frage der Urwahlen hat nach Dibelius im Gegensatz zur Meinung von PHILIPPS keine das Wesen der Kirche berührende grundsätzliche Bedeutung mehr: „Diese Fragen können und müssen sine ira et studio erörtert werden. Von einem Gegensatz zwischen ,himmlischen' und .irdischen' Gesichtspunkten kann dabei nicht die Rede sein." Deshalb wehrte sich Dibelius mit seinem Gegenartikel zum Tag der Eröffnung der Generalsynode gegen eine allzu leichtfertige Vermischung von kirchlichen Verfassungsfragen mit Fragen von vorgeblich untergeordneter Bedeutung: „Besonders ernster Einspruch aber muß gegen die Art erhoben werden, wie der genannte Artikel die finanziellen Fragen mit denen der Verfassung verquickt." Und wie wenn er die Ehre der jetzt versammelten Synodalen, zu denen ja auch PHILIPPS selber zählte, meinte in Schutz nehmen zu sollen, fügte Dibelius hinzu: „es heißt den verantwortlichen Männern der Kirche wenig Ehre antun, wenn man auch nur die Möglichkeit öffentlich erörtert, daß sie wichtige Grundsätze EBD., S.83f. EBD., S.84. 2 8 0 „Sine ira et studio" (Die Post v. 10.4.1920; alle folgenden Zitate EBD.). - Die ,Post' war früher eine freikonservative Zeitung, die sich nach der Revolution politisch an die D N V P anlehnte und später (1920) im zum SCHERL-Verlag gehörenden ,Tag' aufging (vgl. W. LIEBE, Volkspartei, 1956, S.46). Im ,Tag' veröffentlichte dann Dibelius ab November 1926 seinen wöchentlichen ,Sonntagsspiegel'. 278
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der Kirche - die, wie gesagt, im Augenblick gar nicht zur Verhandlung stehen für einen Judaslohn an den Staat verraten könnten." Es gehe deshalb nicht an, wenn man öffentlich „ohne hinreichenden Grund den Kreuzzug gegen den Staat predigt, der der Kirche als versuchender Teufel nahe", oder wenn man „ohne begründeten Anlaß durch undisziplinierte Rede" die Abwicklung der staatlichen Finanzzuschüsse an die Kirche erschwere. Mit dieser Gegenkritik wurde PHILIPPS öffentlich in die Schranken gewiesen ausgerechnet von einem Mann, der noch vor 15 Monaten selber zum Kreuzzug gegen den Dämon der Revolution aufgerufen und mit einem Kulturkampf gegen einen von allen guten Geistern verlassenen Staat gedroht hatte. Dibelius rät der Kirche nicht nur zur Neutralität im Parteiengetriebe, sondern auch zur Zurückhaltung dem Staat gegenüber - jedenfalls solange, als der Staat selber seine weltanschauliche Neutralität bewahrt und auf den „,Kulturfaktor' der evangelischen Kirche von vornherein die gebührende Rücksicht" nimmt. „Gegen den Atheismus und Materialismus unserer Tage soll der Kreuzzug gepredigt sein! Und identifiziert sich der Staat mit diesen Mächten, dann in Gottes Namen auch gegen ihn! Wo diese Dinge aber nicht zur Debatte stehen, soll die Kirche beweisen, daß sie Neutralität beobachten und sachlich verhandeln kann - sine ira et studio!" Dibelius ging es bei der gegen PHILIPPS ins Feld geführten strikten Trennung von kirchlichen Verfassungsfragen und staatlichen Verpflichtungen darum, die Staats-Zuschüsse nicht auch noch öffentlich zur Disposition zu stellen. Denn die lautstarke Warnung von PHILIPPS an die Verantwortlichen der Kirche, der Staat könnte jetzt noch mit dem Hebel des parlamentarischen Etatrechts Druck auf die Kirche ausüben, hätte ja auch als eine Einladung zu solchem Ansinnen verstanden werden können: Schlafende Hunde soll man tunlichst nicht wecken! Zwar hat auf dem Gebiet der kirchlichen Verfassung, so sieht es ja jetzt Dibelius, die Kirche ihrerseits die Trennung vom Staat vollzogen; aber die Kirche soll und darf den Staat, ohne eine Diskussion darüber unnötig vom Zaun zu brechen, bei seinen finanziellen Verpflichtungen behaften, weil der Staat seinerseits „die finanzielle Trennung von der Kirche noch nicht vollzogen hat und sie auch noch nicht so bald zu vollziehen imstande sein wird". Die finanziellen Zuschüsse des Staates haben bei Dibelius zur Sicherung der Pfarrerbesoldung eine für die Kirche lebenswichtige Bedeutung. Sie sind auch der konkrete Grund der öffentlichen Replik auf das Flugblatt von PHILIPPS: „Die Fensterscheiben, die da (sc.: von PHILIPPS) eingeworfen werden, haben unter Umständen 10.000 evangelische Pfarrhäuser mit der Verewigung oder wenigstens der Verlängerung ihres wirtschaftlichen Martyriums zu bezahlen!" 281 Dibelius 2 8 1 „Sine ira et studio" (Die Post v. 10.4.1920, gesperrt gedruckt). - Allerdings machte Dibelius zugleich deutlich, dass die Kirche nicht um jeden Preis sich wegen der finanziellen Zuschüsse dem Staat ausliefern oder gar unterwerfen könne: „...gilt es, die Freiheit der Kirche von ihrer Vergewaltigung durch den Staat zu erringen, dann kann es solche Rücksichten nicht geben, dann kann und darf die kirchliche Presse nicht das wohltemperierte Klavier spielen. Dann wird auch die evangelische Pfarrerschaft, in deren kinderreichen Häusern heute eine Askese geübt wird, die diesen N a m e n sehr viel mehr verdient als der ehelose Stand der katholischen Priester, wenn es
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machte sich also mit seiner Intervention zum Anwalt der Fürsorgepflicht der Kirche den Pfarrern gegenüber; andererseits fehlten dabei jegliche Überlegungen, ob und inwieweit die Kirche die Finanzierung ihrer Mitarbeiter (Pfarrer, Beamten und Angestellten) hätte auf eigene Füße stellen können, zumal die Reichsverfassung den Kirchen ein umfassendes Besteuerungsrecht „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten" (Art. 137, Abs.6 WRV) zusagte. Der anfänglich sendungsbewussten und kämpferischen Praxis von Agitation und Propaganda ist nun bei Dibelius ein kirchlich-diplomatischer Pragmatismus gewichen: Solange der Staat den Vorrang der kirchlichen Eigenständigkeit und Freiheit respektiert, wird man sich mit ihm um der finanziellen Zuschüsse willen auch arrangieren können. Die „Gretchen-Frage" an den Staat lautet: „Wie hast du's mit der Freiheit der Kirche?" Wenn diese Frage in positivem Sinne beantwortet wird, dann, aber auch nur dann mag in den Hintergrund treten die andere Frage an den Staat: „Wie hast du's mit deiner eigenen politischen und ethischen Grundlegung?" Nach der gegenseitigen schiedlich-friedlichen Anerkennung und Achtung ist es dann nur noch eine Frage pragmatischer Nützlichkeitserwägungen, ob und in welchem Umfang die Kirche um ihres Dienstes willen den Staat in die finanzielle Pflicht nimmt. 1.11 Auf dem Weg zur neuen Kirchenverfassung Mit großen Erwartungen begleitete Dibelius den komplizierten und langwierigen Weg zur neuen altpreußischen Kirchenverfassung. Dibelius behauptete ja, die neue, geschichtlich gewordene Situation sei schlechterdings so unvergleichlich, dass man hier nicht auf Ordnungsmuster der Reformation oder auf Vorbilder der Bibel zurückgreifen könne. Alle derartigen Versuche wies Dibelius entschieden als „biblische Romantik" 282 zurück. Zwischen lutherischer Gleichgültigkeit gegenüber äußeren Ordnungen und der biblischen Romantik des konservativen Lagers lautete für ihn der Leitsatz kirchlicher Ordnungs- und Verfassungspolitik: „Die Fragen der Kirchenverfassung sind für uns deutsche Protestanten nicht Glaubensfragen, sondern Zweckmäßigkeitsfragen, - das Wort Zweckmäßigkeit' im besten und höchsten Sinn gebraucht."283 Der bessere und höhere Sinn dieser Zweckmäßigkeit wird dadurch bestimmt, dass die Kirche „eine Größe eigener Art" ist und deshalb „ihre Verfassungsformen nicht vom Staat übernehmen" kann; anders gewendet bedeutet dies, dass „der deutsche Protestantismus, nachdem die Trennung von Staat und Kirche auf rechtlichem Gebiet erfolgt ist, seine Verfassung aus seinem eigenen Wesen heraus"284 entwickeln kann und muss. Den Schnittpunkt der Frage nach der Zweckmäßigkeit kirchlicher Ordnung und nach dem eigenen Wesen der Kirche sieht Dibelius im Gegenüber zum Staat, sein muß, weitere Entbehrungen ohne Murren tragen." - Solche Entbehrungen mussten (iann erst recht in der Zeit des Kirchenkampfes den „illegalen" Pfarrern der Bekennenden Kirche zugemutet werden. 2 8 2 Evangelische Grundsätze (1919/20), S.2f. 2 8 3 EBD., S.l. 2 8 4 EBD., S.6.
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in der bereits erfolgten Trennung von Staat und Kirche. So bekommt die neue kirchliche Verfassung in ihrer werbenden, missionarischen Kraft nach innen und nach außen und in ihrem Gegen-Satz zu allem staatlichen Wesen eine geradezu kanonische Bedeutung: „Es möge ein Verfassungswerk entstehen, das die Grundsätze alles kirchlichen Handelns würdig, klar und volkstümlich zum Ausdruck bringt, an dessen Studium sich Liebe zur Kirche und Eifer zur Arbeit entzünden können, eine Magna Charta der evangelischen Landeskirche Preußens, die jedem Gemeindeglied, das in ein kirchliches Amt eintritt, im Namen der Kirche feierlich überreicht wird und die in das Bewußtsein der gesamten Kirche lebendig übergeht!" 285 Die zunächst durch den Einspruch der drei Minister in evangelicis verzögerte Einberufung der Generalsynode in der alten Zusammensetzung erfolgte nun auf den 10. April 1920. Neben Kundgebungen zu verschiedenen aktuellen Fragen, neben der Erledigung vieler kleiner Aufgaben und Anträge, die sich seit der letzten Tagung der Generalsynode im Jahr 1915 angehäuft hatten, war die Versammlung im Wesentlichen eine „Verfassungs-Synode", die zwar nicht die neue Kirchenverfassung, sondern die Wahlgesetze für die neu zu wählende verfassunggebende Kirchenversammlung zu verabschieden hatte. Noch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Vertrauensrates sah sich Dibelius veranlasst, „das Ergebnis der Synode möglichst weit bekannt zu machen und für die kommenden Wahlen den Boden zu bereiten" 286 . Dibelius' Berichterstattung war von der Absicht geleitet, nicht nur zu informieren, sondern vor allem die Bedeutung der synodalen Ergebnisse herauszustellen, die von einer in sich einigen und geschlossenen Kirche getragen seien. Während es in den nichtöffentlichen Sitzungen der Ausschüsse turbulent zuging und dort vehement gestritten wurde, versuchte Dibelius nach außen hin „das Bild großer Einmütigkeit" 2 8 7 zu vermitteln, als ob die Wahlgesetze mit den von den drei Ministern schon im Vorhinein ausgehandelten Kompromissen 2 8 8 von einem einheitlichen synodalen Willen getragen worden wären. 2 8 5 EBD., S.17. Das Miteinander und Ineinander von „Zweckmäßigkeit" und „Grundsätzlichkeit" der kirchlichen Verfassung und Ordnung hinterlässt einen schillernden Eindruck. Es entspricht aber wohl dem kirchlichen Pragmatismus bei Dibelius, einmal den T o n auf die Zweckmäßigkeit, das andere mal den Akzent auf die Grundsätzlichkeit legen zu können - je nachdem, ob sich die Kirche einem mehr kirchenfreundlichen oder einem eher kirchenfeindlichen Staat gegenübersieht. 2 8 6 Dibelius an E O K v. 27.4.1920 (EZA BERLIN, 7/4469). Das .Protestantenblatt' begrüßte ausdrücklich die Broschüre, „zumal die Zeitungen meist sehr mangelhaft berichtet haben" (PrBl 53, 1920, Sp.308). 2 8 7 Die außerordentliche Tagung der 7. preußischen Generalsynode, 1920, S. 10. 288 j ) e r Kompromiss sah im Wesentlichen die Urwahl mit Verhältniswahlrecht (Schutz der Minderheiten) zu den Gemeindekörperschaften vor, deren Stimmenanteil zur Wahl der Delegierten für die Konstituante in den größeren Gemeinden ab 2.000 Seelen vergrößert wurde (Stärkung der städtischen und großstädtischen Gemeinden gegenüber den ländlichen Gebieten). Lediglich ein Teil der erzkonservativen konfessionellen Gruppe brachte Anträge ein gegen das Frauenwahlrecht, gegen das Verhältniswahlsystem und überhaupt gegen die Konstituierung einer verfassunggebenden Kirchenversammlung. Umgekehrt hatte der von SCHOLZ und KAHL eingebrachte
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Zugleich schärfte Dibelius den Blick für historische Zusammenhänge und Zäsuren, indem er die epochale Bedeutung dieser aus der Revolution hervorgegangenen Zeit unterstrich: „In religiöser Hinsicht waren die zwei letzten Menschenalter eine Zeit der geringen Dinge." Dann aber kam im Gefolge der Revolution „die Verselbständigung der Kirche gegenüber dem Staat, - das war von dem preußischen Kirchenregiment in zäher Kleinarbeit und mit der durch die große Verantwortung gebotenen Vorsicht schrittweise verwirklicht worden, zunächst auf finanziellem Gebiet, aber auch auf dem Gebiet der Verwaltung und der Verfassung." 2 8 9 Die von Dibelius genannte Reihenfolge der Entscheidungs-Etappen ist nicht zufällig. Sie macht noch einmal das kirchliche Angstpotential und das sich daraus ergebende Profil der Prioritäten im Kampf um den Fortbestand der Kirche deutlich: Den Bestand der Kirche sah man zunächst in der Sicherstellung ihrer aus den Staatszuschüssen bestehenden finanziellen Grundlage; dann musste innerkirchlich die Leitungsfunktion der kirchlichen Verwaltung gewährleistet werden; und an dritter Stelle musste nun eine Verfassung erarbeitet werden, die die Selbständigkeit der Kirche garantiert und proklamiert, den Staat aber aus seinen alten finanziellen Verpflichtungen nicht entlässt und deshalb das Interesse an einem schiedlich-friedlichen Arrangement mit dem Staat wahrt. Längst ist damit Dibelius auf die bestandssichernde Konzeption und die strategisch-vorsichtige Strategie des E O K eingeschwenkt. Die ursprüngliche Hoffnung freilich, dass mit dem Zusammentritt der Generalsynode im April 1920 oder spätestens mit der Einberufung der Konstituanten das staatliche Kirchenregiment der drei Minister auf die Kirche übergehe, hat sich nicht erfüllt. Gegen seine eigene frühere kämpferische Haltung verteidigte Dibelius dies sogar und rechtfertigte die Beibehaltung der staatlichen Kirchenhoheit 290 mit den finanziellen Interessen der Kirche: „Wenn die Kirche auch das Recht hat, ihre Verfassung in voller Selbständigkeit zu erlassen, so wird es doch nicht ohne Verhandlungen mit dem Staat abgehen, da die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche noch nicht erfolgt ist, und jede Kirche als öffentlichrechtliche Korporation gewissen staatlichen Anerkennungen unterliegt. Aber auch diese Klippe wird hoffentlich umschifft werden." U m s o mehr setzte Dibelius seine ganze Hoffnung in dieser Sache auf eine geschlossene und einheitliche Willensbekundung bei der Verabschiedung der neuen Kirchenverfasung: „Die staatliche Anerkennung wird um so sicherer zu erlangen
Antrag, die Konstituante direkt in Urwahl wählen zu lassen, mit lediglich 11 Ja-Stimmen keine Chance (vgl. EBD., S.8ff.). 2 8 9 EBD., S . U . 2 9 0 Hier wird man G . HOFFMANN widersprechen müssen, der im neuen kirchlichen Selbstund Unabhängigkeitsbewusstsein ein Ende des hergebrachten Verständnisses der Staatskirchenhoheit sieht (G. HOFFMANN, Nachwirken, 1961, S.136). Vielmehr wird gerade an dem Insistieren auf der Kirchenhoheit des Staates die letztlich erfolgreiche Abwehr einer radikalen Trennung von Staat und Kirche und das „Nachwirken deutscher staatskirchlicher Tradition im evangelischen Kirchenbewußtsein nach 1918" (so der volle Titel des Aufsatzes) deutlich.
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sein, je einheitlicher der Wille ist, der in der Verfassung der Kirche zum Ausdruck kommt. Auch aus diesem Grunde kann nur dringend gewünscht werden, daß das Plenum zu Beschlüssen kommt, die eine einmütige oder wenigstens nahezu einmütige Annahme des ganzen Werkes ermöglichen."291 Aber auch diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Zwar bestätigten sich bei der Wahl der Kirchenversammlung die Befürchtungen einer Radikalisierung der Kirche nicht. In der gesetzgebenden Kirchenversammlung verfügten die rechtsstehenden Gruppen „über eine erdrückende Mehrheit der Stimmen" 292 , der Wahlerfolg des kirchlichen Liberalismus dagegen „ist außerordentlich bescheiden gewesen"293. Nachdem längst der Vertrauensrat als gemeinsames Gremium von E O K und Generalsynodalvorstand ausgedient hatte und aus der vorbereitenden Arbeit an der Verfassung ausgeschieden war, taten sich im Vorfeld der Versammlung Gräben zwischen dem E O K und dem Generalsynodal-Vorstand auf, die dazu führten, dass beide Gremien ihre eigenen Verfassungsentwürfe der Kirchenversammlung als Alternativen vorlegten. Dibelius optierte dabei für den Verfassungsentwurf des EOK, der einen klaren hierarchischen Aufbau der Instanzen und die zentrale Leitung der Kirche als eine „schlagkräftige gesamtkirchliche Organisation" 294 vorsah. Die Konstituante trat im September 1921 und dann übers Jahr im September 1922 in Berlin zusammen. Unter allen strittigen Einzelfragen entwickelte sich dabei am unerquicklichsten der Präambel-Streit. Diese Auseinandersetzung hatte „geradezu verwüstend" gewirkt und bei den kirchlichen Mitarbeitrern das Misstrauen genährt, als sollte durch die verfassungsmäßige Fixierung von altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnissen „ein kaudinisches Joch" 295 errichtet und die Handhabe für eine Glaubensprüfung bei der Anstellung von Pfarrern,
291 „Die Verfassung der preußischen Landeskirche" (Deutsche Tageszeitung v. 18.3.1922). Vgl. fast wortgleich in: Die Verfassung der preußischen Landeskirche (Der deutsche Führer, 1922, S.388f; vgl. auch WoSch. v. 1.1.1922). - Schon im September 1919 äußerte Dibelius die Sorge, dass den bereits vorliegenden Wahlgesetzentwürfen eine nicht ungeteilte Zustimmung zuteil werden würde. Besonders aus dem Westen der kirchlichen Union vermutete Dibelius massive Einsprüche und Bedenken. Von seinem Bruder, dem Bonner Anglisten Wilhelm DIBELIUS, hörte er „mit Schrecken und Besorgnis, wie weit am Rhein die Abneigung gegen Preußen geht". Er ermunterte deshalb R. SEEBERG, seinen Einfluss öffentlich geltend zu machen und das Gewicht seiner Autorität in die Waagschale zu werfen, damit die Gesetze mit überwältigender Mehrheit angenommen werden könnten: „Auf eine solche überwältigende Mehrheit kommt ja auch alles an" (Dibelius an SEEBERG v. 28.9.1919, in: BA KOBLENZ, N L R. Seeberg/61). 2 9 2 „Kirchliche Umschau" (Konservative Monatsschrift 78, 1920/21, S.762). Bei der AugustKonferenz der preußischen Bekenntnisfreunde hatten sich die Konfessionellen, die Positive Union und die Gemeinschaftsvertreter zu einem „Block der Bekenntnisfreunde" zusammengeschlossen. 2 9 3 EBD., S.699ff. „Unentschuldbar" und „verhängnisvoll" nennt Dibelius das Fehlen der Arbeitervertreter, eine Volkskirche dürfe nicht eine Kirche des Bürgertums bleiben (EBD., S.703). 2 9 4
EBD., S.767.
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„Die Verfassung der preußischen Landeskirche" (Der deutsche Führer, 1922, S.387).
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Kirchenbeamten und Lehrern 296 gegeben werden. Dibelius folgte hier den in einer Denkschrift dargelegten Bedenken des E O K ebenso wie dem Vorschlag, den Wahlmodus für die Generalsynode entsprechend dem Wahlmodus für die verfassunggebende Kirchenversammlung festzulegen und den EOK-Präsidenten mit dem Vorsitz des neu zu bildenden Kirchensenats zu betrauen. Zwar brachte die neue Verfassung eine Stärkung der Gemeinde und des synodalen Elementes sowie eine Aufwertung des geistlichen Leitungsamtes der Kirche - allerdings ohne den von Dibelius so sehr erhofften „episkopalen Ein schlag" 297 . Aber in allen anderen strittigen Punkten kam die auch von Dibelius vertretene Auffassung des E O K nicht zum Zug: Mit dem starken Block der Bekenntnisfreunde wurde das Siebwahlsystem durch die synodalen Gremien hindurch (unter Ausschluss der Kreissynoden) wieder eingeführt, der Vorsitz für den Kirchensenat wurde dem Präses der Generalsynode und nicht dem E O K Präsidenten zuerkannt, und der Präambel-Streit endete mit der Verabschiedung eines aufgeblähten und unförmigen lehrgesetzlichen Bekenntnis-Vorspruches, in dem ausdrücklich nicht weniger als neun Bekenntnisse summiert und als verbindlich erklärt wurden. Der unrühmliche Streit um die Präambel spielte sich vor aller Öffentlichkeit ab und war nun weder zu verbergen noch zu beschönigen. Dibelius zeigte auch nach außen hin kein Verständnis dafür, „daß man jetzt um diese Formel einen Krieg führt wie auf Tod und Leben" 2 9 8 . Wenn auch Dibelius den Wert und die Würde der Verfassungs-Präambel noch zu retten versuchte und in ihr keine „unevangelische Gewissensknechtung" 299 sehen wollte, war er doch sichtlich enttäuscht über die ständige Majorisierung 300 der Minderheit durch die orthodoxkonfessionelle Mehrheit. Diese kompromisslose und kompromittierende Majorisierung führte dann auch letztlich zu einem blamablen Abstimmungsergebnis (126 gegen 77 Stimmen) über das gesamte Verfassungswerk. Seine Enttäuschung verband Dibelius bezeichnenderweise mit der besorgten Frage, wie eine Kirche mit einem solch umstrittenen Verfassungswerk künftig vor dem Staat bestehen könne: „So tritt die neue Kirchenverfassung mit einer schweren Belastung ins Leben. Es wird keine leichte Aufgabe sein, eine Verfassung, die nicht von einheitlichem kirchlichen Wollen, sondern von Zersplitterung zeugt, dem Staat und den
2 9 6 Gerade von den evangelischen Lehrern wurde befürchtet, die Amtskirche könnte mit Hilfe dieses Bekenntnisvorspruchs in den Religionsunterricht hineinregieren (vgl. z.B. Der Neuprotestantismus und wir, in: Deutsche Lehrer-Zeitung v. 17.3.1923, S.78). 2 9 7 Vgl. Mitteilungen N r . 5 v. 20.1.1919. 2 9 8 WoSch. v. 3.9.1922. 2 9 9 WoSch. v. 15.10.1922. 300 unterliegende Minderheit hatte zum ersten Male das Gefühl, in einer Frage von entscheidender Bedeutung durch rücksichtslosen Gebrauch der Stimmenmehrheit vergewaltigt zu werden. Das Gefühl verstärkte sich, als auch bei andern wichtigen Fragen die Beschlüsse der zweiten Lesung umgestoßen wurden, und zwar mit so knapper Mehrheit, daß ein fortwährendes ,Hammelspringen' nötig wurde. Erregung und Bitterkeit griffen Platz...So kam es zu dem ,Nein' der 77 Stimmen!" (WoSch. v. 15.10.1922).
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widerstrebenden Strömungen in der Kirche gegenüber zu vertreten!" 301 Was dem Vertrauensrat und seinem Geschäftsführer in den Anfangstagen der Revolution gelungen war - nämlich die „Bewahrung" der Kirche vor allzu forschem Reformgeist und die „Rettung" der Kirche vor ihrer revolutionären Auflösung dies hat in den Augen von Dibelius die Genese und das Resultat des Verfassungswerkes wieder aufs Spiel gesetzt. Zu Beginn des Jahres 1923 forderte Dibelius ein weiteres Mal ein, was die Kirche in dieser schweren Zeit notwendig brauche: „unbedingt innere Geschlossenheit". Wieder wird das Erfordernis der inneren Geschlossenheit der Kirche mit einem Droh- und Angstgemälde eines religionslosen und also kirchenfeindlichen Staates begründet, das bei Dibelius fortan in solchen Zusammenhängen und meist gegen alle reale Erfahrung als ein feststehender Topos der Auseinandersetzung gebraucht wird: „Auch eine Kirche, die im schwersten Kampfe gegen staatliche Widerstände und gegen religionsfeindliche Verhetzung steht, wird die Schlacht verlieren und zu einer ohnmächtigen Winkelkirche herabgedrückt werden, wenn nicht der lieblose Kampf im Innern aufhört und der Glaube seinen Ernst bewährt durch eine Kraft der Liebe und des Friedens."302 So bedingen sich beide Axiome und werden zu den bestimmenden Koordinaten im System des kirchlichen Denkens und Handelns bei Dibelius: Das Postulat einer sich nach außen hin geschlossen und einheitlich darstellenden Volkskirche und die geradezu doktrinäre Fixierung auf einen zwar religionslosen und konfessionell neutralen, aber doch grundsätzlich kirchenfeindlichen Staat, dem die Kirche deshalb eine Fülle von Zugeständnissen abzuringen hat. Die Enttäuschung über das Werden und das Ergebnis der kirchlichen Verfassung wurde bei Dibelius lediglich durch das Faktum des neuen Verfassungswerks gemildert, das als solches die durch den Staat anerkannte kirchliche Selbständigkeit demonstrierte und proklamierte. Umso mehr schien eine kirchliche Wachsamkeit nach innen und nach außen geboten, mit der der kirchliche Konsolidierungsprozess gefestigt und gesichert werden musste. In zwei Richtungen wurde deshalb nun der Arbeitseifer von Dibelius gelenkt: einmal in Richtung auf die neu zu ordnenden Außenbeziehungen der altpreußischen Kirche zu den Kirchenprovinzen, die in dem an Polen abzutretenden Gebiet lagen, zum andern in Richtung auf das Innenverhältnis zum Staat, wo die Schulfragen neu zu regeln waren.
301 302
WoSch. v. 15.10.1922. WoSch. v. 1.1.1923.
Geschäftsführer des „Propaganda-Ausschusses" ab 1920
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2. Dibelius als Geschäftsführer des „Propaganda-Ausschusses für die Abtretungsgebiete" ab 1920 2.1 Der Versailler Vertrag und seine Folgen in den östlichen
Abtretungsgebieten
Noch im Sommer 1918 verbreitete Dibelius Durchhalteparolen zur Weiterführung des Krieges bis zum letztendlichen Sieg1. In einem Gemeindevortrag begründete er sein Eintreten für einen deutschen Sieg- und Machtfrieden mit der christlichen Ethik: „Fordert die christliche Sittlichkeit ...den Frieden der Verständigung und des Verzichts? Auf diese Frage soll hier die Antwort gegeben werden. Sie soll gegeben werden ohne Hörner und Zähne. Die Antwort heißt: Nein! Nicht Verzicht und Verständigung, sondern Ausnutzung unserer Macht bis zum Äußersten - das ist die Forderung des Christentums, seine Friedensforderung an uns deutsche Christen!... Darum fordern wir einen Frieden der deutschen Macht und wissen uns bei solcher Forderung in unserem sittlichen, christlichen Recht." 2 Umso enttäuschender musste die baldige Kriegsniederlage im Zusammenwirken mit der Revolution im eigenen Land, umso niederschmetternder mussten die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags, der nun ganz von der Handschrift der Siegermächte und der deutschen „Erbfeinde" diktiert war, auf solche Machtphantasien wirken. Am 7.5.1919 lag der Entwurf des Friedensvertrags vor. Bereits am folgenden Sonntag reagierte Dibelius darauf mit seiner Predigt in der Kirche zum Heilsbronnen: Statt des erhofften „Friedens der deutschen Macht" wurde Deutschland nun ein „Friede... der Macht" 3 beschert, eine „Vereinigung von französischem Haß und von raffinierter englischer Grausamkeit", ja sogar ein „satanisches Kunstwerk", wie Dibelius einen Sachverständigen im deutschen Friedensausschuss zitierte. Die Trauer über die verlorene nationale Größe, der Schmerz über den bevorstehenden Weg der Leiden werde aber noch übertroffen „im Angesicht dieses schmachvollen Friedensvorschlages" durch „die Empörung unseres christlichen Gewissens über die schamlose Heuchelei, die einen solchen Frieden einen Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit zu nennen wagt"4. In ei1 In einer Erklärung am Reformationstag 1917 wandten sich 154 Berliner Pfarrer gegen einen „Frieden der Verständigung und Versöhnung" und pochten auf ein „Recht zum heiligen Zorn" gegenüber den Feinden. Zu den vier Erstunterzeichnern der Erklärung gehörten Wilhelm PHILIPPS und der STOECKER-Biograph Max BRAUN; letzterem stand Dibelius besonders freundschaftlich nahe. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass auch Dibelius zu den Mitunterzeichnern gehörte (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat Ш, S.850f.). 2 Wir deutschen Christen und der deutsche Friede, 1918, S.3 u. S.10. In diesem Vortrag stellte Dibelius die Größen „Volk", „Nächstenliebe", „Sieges- und Opferfreudigkeit" heraus; der Begriff „Kirche" fehlt hier noch ganz. Alles ist bestimmt von einer „christlichen Sittlichkeit", die dem eigenen Volk eine Vorrangstellung vor allen anderen Völkern einräumt; das Ergebnis ist ein übersteigertes deutsches Wert- und Sendungsbewusstsein gegenüber anderen Völkern. 3 Kraft in der Not, Predigt am 11.5.1919 über Jes 40,31; die folgenden Zitate EBD. 4 Nur zwei Persönlichkeiten aus dem kirchlichen Raum kennt und nennt Dibelius, die Versailles für einen gerechten Frieden halten: Prof. Friedrich Wilhelm FÖRSTER, der deutsche
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ner Mischung von ohnmächtiger Empörung und gewalttätiger Drohung prophezeite Dibelius: „Aus dem Frieden von Versailles 1919 kann nichts anderes entstehen als eine Flamme heiligen Zornes in den Herzen von Millionen Deutschen. Und muß die Flamme im Verborgenen schwelen jahrzehntelang - einmal wird sie herausschlagen als ein heiliges, brennendes Feuer, die zu verzehren, die heute triumphieren!" Dibelius unternahm nicht einmal den Versuch, sich und seine Hörer für die Frage zu interessieren, wie es zu diesem Krieg kommen konnte und ob Deutschland nicht auch Anteile der Mitschuld zu tragen habe. Nicht zu viel Kriegsbereitschaft, sondern zu wenig Vaterlandsliebe sei der Grund für die selbstverschuldete Niederlage Deutschlands: „Freunde, wir bekennen uns auch in dieser Stunde frei und offen zu großer Schuld. Ein Volk, das seinem eigenen Heere den Dolch in den Rücken gestoßen hat, ein Volk, das seine Brüder und Schwestern preisgegeben hat, um den Fremden in leichtsinnigem Vertrauen die Friedenshand hinzustrecken, ein Volk, das seine furchtbare Niederlage mit Streiks und Tanzvergnügen feiert, ein Volk, das den Geist der Wahrhaftigkeit und der Opferwilligkeit und der Bruderliebe tausendmal verleugnet hat in der schwersten Probe seiner Weltgeschichte - ein solches Volk hat ein hartes Gericht verdient von den Händen eines gerechten Gottes!" Auf die Frage nach der Gerechtigkeit in diesem Gottesgericht gibt Dibelius jedoch die prophetische Antwort, dass die Barmherzigkeit Gottes „Leiden umschmilzt in Kraft". Und aus dieser Kraft werde dann einmal wieder die „Hoffnung auf neue nationale Größe" wachsen. Denn Deutschland habe auf Grund seiner Gaben und seiner Geschichte eine bleibende und unverzichtbare Mission an der Welt. So gipfelt die Predigt in dem Bemühen, der Katastrophe einen geistigen und geistlichen Sinn5 zu geben, in nationalem Pathos und aufrüttelndem Ethos: „Sollen uns die Gaben, die Gott uns gegeben hat, das Erbe Martin LUTHERS und die Schätze unserer Denker und Dichter der Welt weiterzugeben, bestimmt sein unter Verzicht auf nationale Größe? - Die Frage ist ernst. Sie hat vier Kriegsjahre hindurch Tausenden von Christen auf der Seele gebrannt. Auch ich habe sie alle diese Jahre auf dem Herzen getragen. Und immer wieder bin ich durchgedrungen zu der Erkenntnis: Nein! Und die Tage, die wir jetzt durchleben, haben mich darin fester gemacht als je: Nein! Wir haben nicht die nationale Zähigkeit, mit der das jüdische Volk seine Eigenart bewahrt hat, auch nachdem Freiheit und Vaterland verloren waren. Geht uns Staat und Vaterland in TrümPazifist, und Dr. Charles MACFARLAND, der Generalsekretär des amerikanischen Kirchenbundes (vgl. WoSch. v. 9.4.1922). 5 So fragt Dibelius in einer Predigt am 12.10.1919 ebenfalls noch nach dem Sinn des Kriegsverlaufs und des Kriegsendes: „Ist das der Sinn des Krieges, daß die Gegensätze der Nationen sich mildern, daß die Menschheit, schaudernd vor den Fürchterlichkeiten eines Weltkrieges, das blutgetränkte Schwert für immer an die Wand des Friedenstempels hängt, oder soll umgekehrt das deutsche Volk unter dem Druck der Fremdherrschaft erst zu dem starken Nationalbewußtsein erwachen, das es braucht für eine Großmachtsstellung in der Welt, oder - darf man überhaupt keinen Sinn in dem ungeheuren Kriegsgeschehen suchen?" (Was ist Wahrheit?, Predigt über Joh 18,37 u. 38a, S.3).
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mer, dann versinkt auch das Leben des deutschen Geistes. Und was wird dann aus der Welt?... Nicht an deutschem Wesen soll die Welt genesen6. Aber deutscher Geist, geläutert durch Jesu Christi Geist und getragen von starkem, nationalem Leben, hat eine unersetzliche Aufgabe an der Welt. ...Gott ...hat uns wert geachtet, zu leiden, zu sühnen und uns emporzukämpfen zu neuer Kraft! Ja, er hat uns nicht verworfen! Er will uns auffahren lassen mit Flügeln wie Adler, durch innere Erneuerung - ach, höre es, mein deutsches Volk, durch ernste, schmerzliche, innere Erneuerung! - zu nationaler Größe! ... Dieser Kraft harren wir entgegen von einer Morgenwache bis zur andern! In ihr haben wir den Sieg, den Sieg der Freiheit über Verrat und Gewalt! Ein feste Burg ist unser Gott! Amen." Obwohl allen Parteien in Deutschland der Friedensvertrag als unannehmbar erschien, wurde er nach turbulenten Auseinandersetzungen, die eine Regierungsumbildung zur Folge hatten, schließlich doch am 28. Juni 1919 unterzeichnet. Er verlangte die Preisgabe der Kolonien, immense Reparationszahlungen bis ins Jahr 1988, zunächst auch die Auslieferung des Kaisers und der gesamten militärischen Führung. In seiner berühmt-berüchtigten Mantelnote schrieb er die politische und moralische Schuld an diesem Krieg einzig und allein Deutschland zu. Statt einer von Dibelius erhofften Sicherung und Mehrung deutscher Macht 7 wurde nun Deutschland an seinen Grenzen und Rändern dezimiert: Im Westen gingen das Saarland und Elsass-Lothringen verloren, im Osten wurden die preußischen Provinzen Posen und Westpreußen dem 1920 neu entstehenden Staat Polen zuerkannt, und einige Randgebiete wurden der Verwaltung der Siegermächte unterstellt. Erst eine Änderung des Friedensvertrags sicherte unter dem Schutz des Völkerbundes die Rechte der dortigen konfessionellen, kulturellen und nationalen Minderheiten. So grüßte der Dresdener Kirchentag (September 1919) in „inniger Teilnahme und treuer Verbundenheit" die evangelischen Gemeinden in den abzutretenden Gebieten und appellierte an die neuen künftigen staatlichen Gewalten, dass sie „unsern Gemeinden die zugesagte Religionsfreiheit, zu der auch das selbstverständliche Grundrecht der kirchlichen Selbstbestimmung gehört, uneingeschränkt gewähren und die Eigenart des Bekenntnisstandes unangetastet lassen."8
6 Bei der Schulentlassungsfeier seines Abiturientenjahrgangs hielt Dibelius als Primus seiner Klasse eine Rede über die Verse v o n Emanuel GEIBEL: „Und es wird an deutschem Wesen / einmal noch die W e l t genesen" (vgl. Aus meinem Leben, 1933/34, S.50f., in: Sammlung Grüneisen BERLIN). 7 Dibelius' Kriegsziele lauteten 1918 unter vorgeblich selbstauferlegtem Verzicht auf „uferlose Annexionen": „Sicherungen an den Grenzen, Angliederung v o n Randstaaten, Schaffung eines starken Kolonialbesitzes - das sind Ziele, die Deutschlands Kraft nicht übersteigen. Bei diesen Zielen ist und bleibt das sittliche Recht" (Wir deutschen Christen und der deutsche Friede, 1918, S.13). 8 Kirchentag 1919, S.309; E.R. HUBER / W . HUBER, Staat IV, S.744. Die Forderung nach kirchlichem Selbstbestimmungsrecht ist im Grunde ein N o v u m und setzt bejahend eine Trennung v o n Staat und Kirche voraus.
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War die politische und kirchliche Situation im nachrevolutionären Neu-Preußen schwierig und verworren genug, so stellte sich die Lage im neu entstandenen polnischen Staat für die evangelische Kirche als geradezu verzweifelt und aussichtslos dar. Die Evangelischen in Polen sahen sich nun unter einer überwiegend katholisch-polnischen Bevölkerung in der Rolle einer konfessionellen, nationalen und sprachlichen Minderheit. Die evangelischen altpreußischen Provinzen (Posen und Westpreußen, die unter dem Namen Pommerellen zusammengefasst wurden), hatten es jetzt mit einem fremden Staat zu tun; sie mussten sich innerhalb eines diffusen Religions- und Völkergemischs mit einer katholisch-polnischen Mehrheit arrangieren, die ihre durch den verlorenen Krieg und durch den Friedensvertrag gewonnene Vorherrschaft in vielfältigen Schikanen, Willkürakten und Gewaltmaßnahmen 9 ausspielte. Das durch die drei polnischen Teilungen von 1772, 1793 und 1795 geschwächte und durch das kulturelle Uberlegenheitsgefühl der Deutschen 10 verletzte Nationalgefühl suchte sich nun in einer Art Gegenbewegung gegen die früheren Germanisierungsversuche der Preußen 11 Luft zu verschaffen und wieder neu aufzubauen. Die kirchliche Neuorientierung wurde auch dadurch noch erschwert, dass die evangelische Bevölkerung Polens auf nicht weniger als sieben Kirchen und Gemeindeverbände 12 verteilt war, deren geschichtliche Herkunft, konfessionelle Struktur und verfassungsmäßiger Aufbau sich erheblich voneinander unterschieden: (1) Die „Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen", die Kirche des ehemaligen Kongresspolen, unter der Führung von Generalsuperintendent D. Julius BURSCHE13 in Warschau und (2) die von Generalsuperintendent D. Paul BLAU geleiteten ehemaligen preußischen Kirchenprovinzen, die als die „Unierte Evangelische Kirche in Polen" dem Posener Konsistorium unterstanden. (3) Eine eigene kleine Kirche blieb der Kirchenverband um die beiden Kirchenkreise Kattowitz und Pleß unter dem Kirchenpräsidenten D. Hermann VOSS mit Rücksicht auf das Genfer Abkommen, das Oberschlesien für die Jahre von 1922 bis 1937 - ähnlich wie für das Saarland bis zur Volksabstimmung im Jahr 1935 - eine rechtliche Sonderstellung einräumte. (4) Trotz ihrer geringen Größe spielte die
9 „Der H a ß der Polen gegen alles, was deutsch und was evangelisch ist - und beides fällt dort im Osten in der Regel zusammen - kennt keine Grenzen. ...Ein Land, das derartig mit evangelischen Kirchen umgeht, gehört nicht nach Europa, sondern nach Asien!" (WoSch. v. 27.2.1921). 10 Vgl. dazu den Bericht über den Nationalitätenkonflikt und die preußische Herrschaft in der Stadt Posen aus dem Jahre 1909 (G. A . RITTER / J . KOCKA, Sozialgeschichte II, 1977, S.427ff.). 11 Vgl. G. BESIER, Kirchengebiete, 1983, S . l l f . 12 Vgl. A. RHODE, Geschichte, 1956, S.229ff. 13 Die im schlesischen Raum gelegenen und früher zu Osterreich gehörenden Gemeinden Bielitz und Teschen hatte sich GenSup. BURSCHE als Diözese seiner eigenen Warschauer Kirche einverleibt, ebenso die von dem Petersburger Konsistorialbezirk des alten Zarenreiches an Polen gefallenen Kirchengemeinden Wolhyniens (vgl. H . K . SCHMIDT, Kirche in Wolhynien, 1992, S.13ff.).
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„Evangelische Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses" in Galizien, die früher dem Oberkirchenrat in Wien unterstand, durch ihren kirchlichen Führer, Theodor ZÖCK.LER in Stanislau, im innerkirchlichen und ökumenischen Gespräch eine nicht unbedeutende Rolle. Die „Evangelisch-Lutherische Kirche in Westpolen" (5) und zwei kleine reformierte Kirchengebilde des einstmals blühenden Calvinismus im alten Polen führten ganz am Rande ein kirchliches Schattendasein: die „Reformierte Kirche in Warschau" (6) und die „Wilnaer Reformierte Kirche" (7)14. Bei der kirchlichen Neuordnung ging es aus deutsch-evangelischer Sicht vor allem um die Frage, welchen Status die Posener evangelische Kirche dem neuen polnischen Staat gegenüber einnehmen sollte und welche Zuordnung oder Verbindung zur seitherigen altpreußischen Mutterkirche hergestellt bzw. erhalten werden konnte. Das erste wichtige und aufsehenerregende Signal dafür, wie sich der polnische Staat die staatskirchenrechtlichen Regelungen vorstellte, war der „Gesetzentwurf NADER", den der katholische Sejm-Abgeordnete dem polnischen Parlament am 2.7.1920 zur Beratung vorgelegt hatte. Dieser Entwurf, dem in der Folgezeit mehrere andere Varianten folgten, sah folgende Bestimmungen vor: 1. die Amts- und Behördensprache der Kirche ist polnisch, 2. die theologischen Prüfungen sind zur Hälfte in polnischer Sprache zu absolvieren, 3. mit der Übernahme eines kirchlichen Amtes bzw. mit der Ordination ist ein Eid auf die Republik Polen und auf ihre Obrigkeit zu leisten, 4. das geistliche Amt bleibt nur polnischen Staatsangehörigen vorbehalten, die mindestens vier Semester an der Warschauer Fakultät studiert haben15. 2.2 Gründung und Grundsätze des Propaganda-Α
usschusses
Nach den ermutigenden Erfahrungen bei der kirchlichen Neuordnung in Altpreußen war nun Gelegenheit, auch in Polen auf das dortige Geschehen Einfluss zu nehmen. Schon bald entwickelte Dibelius über die Verlautbarungen der Amtskirche hinaus eigene Initiativen und versuchte, die evangelischen Kirchen im neutralen Ausland für diese Fragen zu interessieren und zu mobilisieren. So reiste er im Juli und August 1920 nach Schweden16, wo er Verbindung mit wich14 Vgl. A.RHODE, Geschichte, 1956, S.229ff.; K. KARSKI, Uppsala, 1978, S.46ff.; K. NOWAK, Kirche, 1981, S.109ff. ; G. BESIER, Kirchengebiete, 1983, S . l l f f . ; A. KLEINDIENST / O . WAGNER, Protestantismus, 1985, S.Xinff. 15 Gesetzentwurf NADER (vgl. EvDia 2, 1920/21, S.104ff.). - Diesem Entwurf folgte jeweils im April 1921 eine deutschfreundliche Lodzer Vorlage und eine polenfreundliche Warschauer Vorlage (vgl. G. BESIER, Kirchengebiete, 1983, S.41ff. und S.45ff.). 16 Dibelius erhielt vom EOK für seine „im kirchlichen Interesse ...erwachsenden Auslagen" zunächst einen Kostenvorschuss von insgesamt 8.000 Mark, wovon er dann 3.802,95 Mark erübrigen konnte (vgl. EZA BERLIN, 7/3045). - Der deutsche Pfarrer in Stockholm, Dr. STERZEL, berichtete kritisch über das Auftreten von Dibelius: Er kam nach Schweden, „um hier Stimmung für die bedrängte evangelische Kirche in Polen zu machen. Sein Gedankengang und sein ganzes Auftreten war stark nationalistisch gefärbt, so daß ihm die schwedischen kirchlichen Kreise, trotz ihrer deutschfreundlichen Gesinnung, nicht durchaus zu folgen sich entschließen konnten, um ihre Stellung als Neutrale nicht zu gefährden" (EZA BERLIN, 7/3046, pag.4).
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tigen Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens aufnahm und sich auch Zugang zu den Redaktionen der großen Zeitungen verschaffte. Er hatte Gelegenheit, bei der Tagung des schwedischen Pfarrvereins über die Not der Gemeinden in den abgetretenen Ostgebieten zu berichten. Besonders wichtig war ihm die Unterstützung propagandistischer und finanzieller Art, die ihm vor allem von zwei schwedischen Pfarrern zugesagt wurde: von dem Göteborger Propst Per P E H R S S O N , der über gute Beziehungen zu den Kirchen in Nordamerika verfügte und in dem Dibelius „in dieser wichtigen - ich darf wohl sagen: kirchengeschichtlichen - Sache ein(en) treue(n) Vorkämpfer der protestantischen Freiheit"17 fand, sowie von dem Stockholmer Pfarrer Valdus B E N G T S O N , der im Herbst 1920 nach Polen reiste und sich an Ort und Stelle ein eigenes Bild von der Lage der evangelischen Gemeinden machen konnte18. Wider Erwarten konnte Dibelius auch die Bekanntschaft mit dem schwedischen Primas in Uppsala machen, mit Nathan S Ö D E R B L O M 1 9 . Zu seiner Enttäuschung musste er aber feststellen, dass SÖDERBLOM für sein Anliegen wenig interessiert und ungenügend orientiert war: „Sachlich zeigte er sich außerordentlich schlecht unterrichtet. ...Von der Größe, der Art und der Geschichte unserer östlichen Diaspoa hat er offenbar keine Ahnung. ...Der Erzbischof ist der Mann eines Gedankens. Und dieser Gedanke ist die Okumenizität des Christentums. Alles, was sich mit diesem Gedanken berührt, interessiert ihn auf das Lebhafteste... Er ist ein warmherziger Mann und ein Mann der lebhaften Tat. Aber er wird sich nie persönlich exponieren. ... Sobald es gelungen ist, für die evangelischen Gemeinden in den Ostgebieten die öffentliche Meinung in Amerika und in England zu interessieren, wird auch SÖDERBLOM bereit sein, aus seiner Zurückhaltung hervorzutreten. Eher wird darauf nicht gerechnet werden können."20
Dibelius an PEHRSSON v. 29.8.1920 (Landesarchiv GÖTEBORG, Per Pehrssons arkiv). Dibelius an PEHRSSON v. 2 4 . 1 1 . 1 9 2 0 (EBD.); vgl. K J 48, 1921, S.424. 19 D e r N a m e Dibelius w a r SÖDERBLOM noch aus seiner Zeit als Leipziger Professor bekannt. Er stand in brieflichem Kontakt mit Dibelius' Onkel, dem Dresdener Oberhofprediger Franz DIBELIUS (vgl. Franz DIBELIUS an SÖDERBLOM V. 9 . 6 . 1 9 1 4 und v. 25.7.1914, in: U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). - Die damalige Schreibweise „Upsala" wurde in den Zitaten stillschweigend der heutigen angeglichen. 20 Undatierter Bericht v o n Dibelius an den E O K (Eingang dort am 14.9.1920, E Z A BERLIN, 7/3045, pag.45ff.). Die Enttäuschung über SÖDERBLOMs Zurückhaltung w i r d umso größer gewesen sein, als man in ihm einen verlässlichen Freund der deutschen Sache erwartet und ihn deshalb erst v o r K u r z e m in den Zentralvorstand des deutschen Gustav-Adolf-Vereins zugewählt hatte (vgl. K J 47, 1920, S.470). - Als G r u n d f ü r die Zurückhaltung SÖDERBLOMs gab Dibelius an, der Erzbischof müsse im Verfolg seines ökumenischen Zieles besonders auf die Engländer und A m e rikaner Rücksicht nehmen: „Schweden braucht die Entente schon wegen der Alandsfrage, und die Entente w i r d nicht verfehlen, diese Frage noch auf lange hinaus in der Schwebe zu halten." (Undatierter Bericht v o n Dibelius an den E O K in: E Z A BERLIN, 7/3045) Die zwischen Schweden und Finnland in der Ostsee gelegenen Äland-Inseln wurden v o m V ö l k e r b u n d dann doch an Finnland gegeben, denn „Finnland ist Englands Schutz- und Vasallenstaat!" (WoSch. v. 28.8.1921) Deutschland büßte mit dem Ende des 1. Weltkriegs die Vormachtstellung in der Ostsee ein und hatte auch im Blick auf die Älandfrage eigene Interessen (vgl. P. GRUPP, Außenpolitik, 1988, S.262-268). 17 18
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Gerade deshalb war Dibelius gewillt, die Aufklärungskampagne selbst in die Hand zu nehmen und beständig und zielstrebig durchzuführen: „Nur der stete Tropfen höhlt den Stein."21 Da bei dieser Arbeit auch Gelder beantragt werden und die in nicht geringer Höhe erwarteten Beiträge und Spenden ordnungsgemäß abgerechnet werden mussten, regte Dibelius an, einen „,deutschen Hilfsausschuß' zu bilden, der die... Gesuche einreicht und... den Empfang aller einlaufenden Gelder quittiert."22 Nach außen hin sollte der Oberkirchenrat nicht als Initiator der Propaganda-Aktion erscheinen: „Und daß die oberste preußische Kirchenbehörde sich offiziell dahinter stellt, dürfte ebenso wenig zu empfehlen sein." Broschüren und Propagandamaterial sollten von diesem Ausschuss zur Verteilung in Schweden bereitgestellt werden. Dabei sei der rein kirchliche Gedanke in den Vordergrund zu rücken: Der Protestantismus in Polen muss vor der Gefahr des Untergangs gerettet werden! Strikter Grundsatz müsse deshalb sein, dass in der Propaganda alle nationalen Töne und Untertöne vermieden werden: „alle nationalen und politischen Desideria müssen aus dem Spiel bleiben, sonst ist zu befürchten, daß sich die führenden kirchlichen Persönlichkeiten in Schweden sofort zurückziehen."23 In einer persönlichen Besprechung am 23.9.1920 mit OKonsRt K A P L E R und einigen anderen Referenten des EOK konnte Dibelius seine Vorschläge erläutern und mit der Kirchenbehörde abstimmen. Auch hier wurde noch einmal der Grundsatz unterstrichen: „Unbedingt abhängig (ist) der Erfolg jeder Propagandatätigkeit von der Ausschaltung politischer Momente. Es (darf) nur von der Gefährdung der protestantischen Sache, nicht aber auch deutsch-nationalen Interessen gesprochen werden."24 Bereits am 18.10.1920 konnte sich unter Dibelius' Leitung ein „Ausschuß für Auslandsarbeit zum Schutz der deutschen evangelischen Minderheiten in den abgetretenen Gebieten"25 konstituieren. Der Ausschuss hatte sich zum Ziel gesetzt, Undatierter Bericht an den E O K (Eingang am 14.9.1920, E Z A BERLIN, 7 / 3 0 4 5 , pag.47). EBD.; nächstes Zitat EBD. 23 EBD., pag.47R. Es mag grotesk erscheinen, dass Dibelius ausgerechnet auf die schwedische Staatskirche setzte, da ja auch sie zu politischen Rücksichten verpflichtet war: „Jede Arbeit, die den Schutz des Deutschtums betont, setzt sich der Gefahr aus, von der Leitung der schwedischen auswärtigen Politik unterbunden zu werden" (EBD.). 24 Aktenvermerk des E O K (EBD., pag.54.). - Was für die Propagandatätigkeit im Ausland galt, hatte für Dibelius in der innerkirchlichen Berichterstattung und Meinungsbildung keine Gültigkeit: „Das Jahr 1920 war ein schweres Jahr. Es war das erste Jahr der deutschen Sklavenschaft! ... A m Rhein haust der Franzose. Die Proteste wohlmeinender Neutralen gegen die schwarze Schmach sind wirkungslos verhallt. In Oberschlesien tobt dasselbe Frankreich unter dem Namen einer Interalliierten Kommission seine Haßinstinkte aus. Der Pole darf frei sein Haupt erheben, darf ungestraft jeden Deutschen vergewaltigen; der Deutsche ist recht- und schutzlos. ... Eine Demütigung nach der anderen wird ersonnen, um Deutschland seine ganze Ohnmacht fühlen zu lassen!" (WoSch. v. 2.1.1921). 25 Von Anfang an wurde auch in der Kirchenbehörde die umständliche Firmierung dieses Ausschusses abgekürzt in „Propaganda-Ausschuß für die Abtretungsgebiete" (vgl. N o t i z [HUNDT] v. 25.10.1920, in: E Z A BERLIN, 7/3045). Diese Abkürzung hat natürlich in den heutigen Ohren keinen guten Klang; trotzdem ist es nicht einzusehen, warum R. STUPPERICH diese 21
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durch literarische und persönliche Werbearbeit besonders in den neutralen Ländern des protestantischen Auslands die Öffentlichkeit dafür zu gewinnen, „daß den Gemeinden in den abgetretenen Gebieten die Pflege ihres kirchlichen Lebens in voller Freiheit ermöglicht werde, daß die mancherlei Bedrückungen, denen sie, namentlich im Osten, ausgesetzt sind, aufhören, daß sie eine verfassungsmäßig festgelegte Freiheit von den staatlichen Gewalten, unter denen sie leben, erlangen und daß ihnen die weitere Zugehörigkeit zu ihrer Mutterkirche ermöglicht werde" 26 . Als Vorsitzender des Ausschusses zeichnete Missionsdirektor AXENFELD verantwortlich, während Dibelius als Geschäftsführer und Koordina-
tor alle Fäden in der Hand behielt; ihnen beiden wurde der Generalsekretär des Zentralvorstands der Gustav-Adolf-Stiftung (Leipzig), Pfarrer Bruno GEISSLER,
beigeordnet. Für die einzelnen Länder wurden Vertrauensmänner und Kontaktpersonen bestimmt: für die Schweiz Sup. DLESTEL aus Sigmaringen, für Holland
Sup. SCHOWALTER aus Wittenberge und für die skandinavischen Länder der Geschäftsführer selbst. Im Wesentlichen war die Ausschusstätigkeit ganz der Initiative und Umsicht seines Geschäftsführers überlassen: Wir sind „nun konstituiert und können arbeiten, ohne uns durch Professorenbedenken stören zu lassen" 27 . Dibelius hatte sich ein halb-offizielles Organ geschaffen, das „in enger Fühlungnahme" mit dem E O K stand und doch „unter eigener Firma" 2 8 arbeiten konnte. 2.3 A usweitung der Propagandatätigkeit Die erste Sorge galt der Beschaffung der Geldmittel, die für die Erstellung, Übersetzung 29 , Vervielfältigung und Verbreitung von Broschüren und Flugschriften damals geläufige und auch von Dibelius ganz unbefangen benutzte Bezeichnung peinlichst vermeidet (vgl. R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.92ff.; R. STUPPERICH, Söderblom, 1989, S.59ff.). Ebensowenig ist bei STUPPERICH von dem wichtigen und taktisch bestimmten Grundsatz die Rede, dass der Propaganda-Ausschuss seine Argumentation auf das rein kirchlich-evangelische Interesse zu beschränken hatte. 26 Dibelius an E O K v. 29.10.1920 (EZA BERLIN, 7/3045, pag.102). Dem Ausschuss gehörten u.a. an: die Professoren BAUMGARTEN, DEISSMANN (der 1918 einen großen Eindruck mit seinen in Uppsala gehaltenen Vorlesungen hinterließ, vgl. Auswärtiges Amt an E O K v. 24.10.1918, in: E Z A BERLIN, 7/343) und KAHL, sowie die Direktoren EVERLING, HINDERER, SCHREIBER und SLEGMUND-SCHULTZE; auch der Letztgenannte genoss im Ausland großes Ansehen (vgl. Bericht des Posener GenSup. BLAU v. 27.9.1920 über die Konferenz der „World Alliance for promoting international Friendship through the Churches" in Beatenberg - E Z A BERLIN, 7/3045). Die Verbindung zum E O K wurde durch die Mitgliedschaft von KonsRt HUNDT gewährleistet. 27 Dibelius an HUNDT v. 20.10.1920 (EZA BERLIN, 7/3045, pag.94). - Die „Professorenbedenken" beziehen sich besonders auf A. DEISSMANN, der im Blick auf die kirchliche Polenpolitik keinen kompromisslosen Konfrontationskurs steuern wollte, sondern eher geneigt war, den Weg einer „protestantischen Kooperation" mit den polnischen Gegebenheiten einzuschlagen (vgl. E v W o B r . 3, 1920/21, N r . 2 5 / 3 2 , S.101; EvDia 2, 1920/21, S.151; C h W 40, 1926, Sp.1131). 28 Aktenvermerk des E O K , in: Bericht von Dibelius an den E O K (Eingang dort am 14.9.1920, E Z A BERLIN, 7/3045, pag.54). Vgl. auch die Mitteilung über die Bildung eines freien Ausschusses „für Auslandsarbeit zum Schutze der evangelischen Minderheiten in den abgetretenen Gebieten" in der gemeinsamen Sitzung von E O K und Generalsynodal-Vorstand am 25.11.1920 (EBD., pag.247). 29 Für die Übersetzung ins Englische hatte sich Dibelius' Bruder, der Bonner Anglistik-Professor Wilhelm DIBELIUS, bereit erklärt.
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sowie für Reisen in die betreffenden Länder benötigt wurden. Da das GustavAdolf-Werk bereits einen Zuschuss von 10.000 Mark zugesagt hatte, wurde auch der EOK um die Bewilligung eines Betrages in derselben Höhe gebeten. Spenden wurden von den Gemeinden in Schweden erwartet. Bei einer Besprechung im Auswärtigen Amt am 15.11.1920 erläuterten AXENFELD und Dibelius Ziele und Art der beabsichtigten Propagandatätigkeit. Dort begrüßte man die Gründung des Ausschusses nicht nur vom kirchlichen, sondern auch vom politischen Standpunkt aus30. Das Auswärtige Amt versprach sich von diesem kirchlichen Engagement, dass die durch den Versailler Vertrag geschlagene Wunde und die Frage der nationalen Zugehörigkeit der abgetretenen Gebiete offen gehalten werden würde; zugleich konnte über die kirchliche Ebene das Interesse auch des neutralen Auslandes für diese Problematik so lange wach gehalten werden, bis das vom Versailler Vertrag für Oberschlesien (wie auch für Eupen-Malmedy, Nordschleswig und zu einem späteren Zeitpunkt für das Saarland) verbriefte Selbstbestimmungsrecht und der dort garantierte Minderheitenschutz für die abgetretenen Gebiete realisiert worden wäre. Während die evangelische Kirche in innenpolitischen Angelegenheiten auf Distanz oder gar auf Kollisionskurs zur eigenen Regierung ging, ergaben sich doch in der auswärtigen Politik gleichgerichtete Interessen, so dass die deutschen Gesandtschaften z.B. in Stockholm, Kopenhagen und Bern über den EOK mit der Propagandatätigkeit des Ausschusses in Verbindung standen und hin und her vermittelten 31 . Auf Vorschlag von Dibelius wurden die Mitglieder des EOK angewiesen, Besucher aus den abgetretenen Ostgebieten auch zu ihm oder zu AXENFELD zu schicken, damit sie aus erster Hand von den Bedrückungen der evangelischen Gemeinden hören und solche Einzelerfahrungen publizistisch verwerten könnten. Zunächst sorgte der Ausschuss für die Verbreitung einer Schrift von GEISSLER, die schon gedruckt vorlag32. Doch Dibelius sah sich veranlasst, diese Schrift mit ihrer schwülstigen Sprache und ihrer ganz offen zur Schau getragenen und den Arbeitsgrundsätzen des Propaganda-Ausschusses widersprechenden Deutschtümelei möglichst rasch zu ersetzen. So konnte er bereits am 11.11.1920 im EOK das Erscheinen einer von ihm selbst verfassten, aber anonym herausgegebenen Broschüre unter dem Titel „Der Kampf der evangelisch-unierten Gemeinden in Polen um ihre Freiheit" bekanntgeben 33 . In ihr zeigte er die Geschichte der Un30 BÄNKE an den EOK V. 15.11.1920 (EZA BERLIN, 7/3045). Finanzielle Zusagen konnten bei dieser Besprechung noch nicht gemacht werden. Es wurde aber in Aussicht gestellt, dass der parlamentarische Ostausschuss („Deutsche Stiftung") in die Bresche springen würde. 31 Zur Interessenkonvergenz von Auswärtiger Politik und den Anliegen der evangelischen Kirche vgl. auch C. MOTSCHMANN, Kirche, 1969, S.115ff. 32 B. GEISSLER, Hammer und Amboß (1920). Leseprobe: „Halt ein Schmied! Du schlägst auf Gott und sein Heiligtum! Und - halt aus, Amboß! Nicht biegen und nicht brechen! Ein' feste Burg ist unser Gott!" (S.4). 33 Dibelius an EOK v. 11.11.1920 (EZA BERLIN, 7/3045, pag.140). Dibelius stellte dem EOK 17 Exemplare zur Verfügung, damit die Schrift möglichst schnell in den dortigen Referaten und Abteilungen in Umlauf gesetzt und zur Kenntnis genommen werden konnte.
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terdrückung des Protestantismus durch die Polen vom Thorner Blutbad (1724) bis in die Gegenwart auf. Die drei polnischen Teilungen des 18. Jahrhunderts wertete Dibelius gar als Konsequenz der polnischen Intoleranz gegenüber den Protestanten, während er in seiner Voreingenommenheit die Behandlung der polnischen Bevölkerung unter der preußischen Herrschaft und unter dem Druck des deutschen Uberlegenheitsgefühls in der Vorkriegszeit34 verschwieg. Beispiele werden aufgezählt „aus der unaufhörlichen Kette von Vergewaltigungen des evangelischen Lebens durch den polnischen Staat"35. Durch fortgesetzte Schikanen wurden tatsächlich die evangelischen Gemeinden der ehemals altpreußischen Landeskirche unterdrückt, die Gemeindeglieder und Pfarrer zur Umsiedlung gedrängt; die deutsche Sprache wurde verboten und die rechtliche und finanzielle Verbindung zur preußischen Mutterkirche erschwert. Unter allen Gravamina aber sah Dibelius dies als das bedeutsamste an: Während in Deutschland durch die Revolution die Trennung von Kirche und Staat36 erreicht worden sei, mache sich nun das durch den Kriegsausgang vergrößerte und souverän gewordene Polen daran, eine Rückwärtsentwicklung einzuleiten und wieder die Staatskirche einführen zu wollen. „Man will einen vom Parlament gewählten katholischen Staatspräsidenten zum Summus episcopus einer evangelischen Kirche machen! Man will die evangelische Kirche in Posen und Westpreußen zu einer Staatskirche degradieren, die ohne jede eigene Freiheit den Winken einer katholischen Staatsregierung zu gehorchen hat!"37 Eine evangelische Kirche deutscher Sprache und Herkunft kann aber nach Dibelius in der neuen Zeit nicht mehr als Staatskirche existieren. Daraus ergibt sich die Forderung: „Wer will, daß der Protestantismus in jenen Ostgebieten nicht in kurzer Zeit völlig zugrunde geht, der muß dafür eintreten, daß die evangelisch-unierten Gemeinden in Polen in völliger Freiheit ihres Glaubens leben und den kirchlichen Zusammenhang mit ihrer Mutterkirche pflegen können!"38 Die evangelische Kirche kann entsprechend der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland nur Kirche sein ohne staatliche, erst recht ohne katholisch-polnische Einmischung und Bevormundung! Wenn Dibelius seine Agitation mit den kirchlichen Ergebnissen der deutschen Revolution begründete, dann verstand er gleichzeitig seinen Einsatz für die evangelisch-polnischen Gebiete auch als einen präventiven Widerstand gegen die Ausbreitung der Revolution in Russland: Das „nächste Ziel seiner Angriffe wird immer wieder Polen sein. Hier ist für die Bolschewisten die Brücke nach Europa und der Weg zur Weltrevolution... Es gibt nur eine Hilfe für Europa: das ist die Gesundung und Festigung Deutschlands! Denn nur Deutschland kann ein Bollwerk gegen die Barbarei des Ostens bilden."39 Solange also der polnische Staat 34 35 36 37 38 39
Vgl. Th. NlPPERDEY, Deutsche Geschichte II, 1992, S.266ff. D e r Kampf der evangelisch-unierten Gemeinden (1920), S.10. - Nächstes Zitat EBD., S.12. „Die unierte evangelische Kirche in Preußen ist heute gegenüber dem Staate völlig frei". EBD., S.18. EBD., S.21. W o S c h . v. 3.4.1921.
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mit seinen Schikanen gegen die evangelische Kirche nicht aufhört, ist er schon zur Beute eines unzivilisierten Bolschewismus geworden: „Ein Land, das derartig mit evangelischen Kirchen umgeht, gehört nicht nach Europa, sondern nach Asien!" 4 0 Ein solches Bollwerk aufzubauen und zu festigen und Druck auf den polnischen Staat auszuüben, dazu mobilisierte Dibelius die öffentliche Meinung und das Interesse des neutralen Auslandes. Noch bestand ja in der Statusfrage der evangelischen Kirchen gegenüber dem polnischen Staat ein Schwebezustand. Deshalb kam alles darauf an, auf kirchlicher Seite nicht untätig zu sein. Was der altpreußischen Kirche gelungen war, sollte sich auch auf polnischem Boden wiederholen: „die Kirche selbst ist noch da! Vielleicht steht sie heute fester als jemals zuvor!" 4 1 Innerhalb von ganz kurzer Zeit hatte Dibelius ein vielfältiges N e t z von Beziehungen zu Kontaktpersonen geschaffen, über die dann die im Auftrag des Ausschusses herausgegebenen Denkschriften und Flugblätter ins Ausland verbreitet werden konnten 42 . Dibelius selbst besuchte im Januar 1921 die norwegische Hauptstadt Kristiania 43 . Dort fand er offene Türen und Ohren für sein Anliegen, während ihm in Dänemark sogar auch in kirchlichen Kreisen große Deutschfeindlichkeit begegnete, obwohl das Abstimmungsergebnis in Nordschleswig zu Gunsten von Dänemark ausgefallen war 44 . Ebenso bemühte sich der PropagandaAusschuss unter der Federführung von Dibelius um Kontakte nach Ungarn, zur Tschechoslowakei und zum Völkerbund. 2.4 „Staatsgrenzen und Kirchengrenzen" Im Februar 1921 kündigte Dibelius die Abfassung zweier Schriften an, die die Propagandatätigkeit weiterführen und vertiefen sollten 45 . Die erste entstand vor allem auf Wunsch der Kirchen in Amerika und Norwegen und trug den Titel: „Wie erfüllen die Polen ihre feierlich übernommene Pflicht, die evangelischen Minderheiten zu schützen?". Hier sollte in propagandistischer Abzweckung aufgezeigt werden, wie die vom Völkerbund garantierten Minderheitenrechte in Polen ständig missachtet und verletzt wurden. Die zweite Schrift versuchte auf mehr wissenschaftlich-theologischer Ebene zu erklären, warum kirchliche Verbindungen nicht unbedingt unterbrochen oder neugestaltet werden müssen, wenn kirchliche Gebiete durch territoriale Veränderungen einem neuen Staat zuWoSch. v. 27.2.1921. WoSch. v. 23.1.1921. 42 Vgl. Dibelius' Bericht an den E O K und das Auswärtige Amt v. 15.2.1921 (EZA BERLIN, 7/3045, pag.482 / Pol. Archiv des A A BONN, Kult Pol VI A: Evang. Angelegenheiten Az.4, Bd.l, Verwendung der ev. Quote). 43 Bis 1924 wurde die norwegische Hauptstadt nach dem dänisch-norwegischen König CHRISTIAN IV. benannt, der das niedergebrannte Oslo 1624 wieder neu aufbaute. 44 Vgl. den Bericht von Dibelius an den E O K v. 14.1.1921 (EZA BERLIN, 7/3045, pag.248ff.). 45 Dibelius an E O K und Auswärtiges Amt v. 15.2.1921 (EBD., pag.484R / Pol. Archiv des A A BONN, Kult Pol VI A: Evang. Angelegenheiten Az.4, B d . l , Verwendung der ev. Quote). 40
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geordnet werden. Diese zweite Broschüre erschien 1921 unter der Überschrift „Staatsgrenzen und Kirchengrenzen". Historisch weit ausholend zeigt Dibelius hier auf, dass die katholische Kirche durch ihren ultramontanen Zentralismus schon immer weitgehend von Nationalitäten- und Staatsgrenzen unabhängig war, während der europäische und speziell der deutsche Protestantismus sich in seinen konfessionellen Ausprägungen meist parallel und konform zu den territorialen Verhältnissen entwickelt, sich dadurch aber auch zersplittert hat. Mit dem Ende des Weltkrieges gab es jedoch mit einem Mal Bewegung auf der europäischen Landkarte, Gebietsteile wurden dem einen Staat genommen und einem anderen zugeschlagen ohne Rücksicht auf nationale, konfessionelle und kirchliche Zugehörigkeiten 46 . Besonders gravierende Folgen hatten all diese neuen Gebietszuordnungen nach der Uberzeugung von Dibelius in kirchlicher, aber auch in nationaler Hinsicht für die ehemals preußischen Provinzen in Polen und für die von Ungarn abgetrennten Gebiete: „Hier wie dort finden sich die abgetretenen Teile der Kirche nach Sprache und Kultur innerhalb einer fremden, vielfach feindseligen Umgebung." 47 Mit großem Nachdruck betonte Dibelius, dass die kirchengeschichtliche und staatskirchenrechtliche Entwicklung nach dem Ende des Weltkrieges nun auch für die evangelische Kirche ihre Früchte trage: Durch die Trennung von Staat und Kirche bestehe jetzt keine Notwendigkeit mehr, dass Kirchengrenzen sich mit den Staatsgrenzen decken müssten. Wenn die Kirche im „Gefühl der Selbständigkeit gegenüber dem Staat" nun die Forderung erhebe, dass die wirtschaftliche und geistliche Verbindung der altpreußischen Kirchengebiete in Polen zur Mutterkirche bestehen bleiben müsse, dann entspreche dies ohnehin einer längst fälligen paritätischen Gleichstellung mit der katholischen Kirche. Vorsorglich versuchte Dibelius, die Bedenken der Polen zu zerstreuen, die in der von deutscher Seite geforderten Verbindung staatlich gelenkte und nationalistisch aufgeheizte Störfeuer und eine Destabilisierung der staatlichen Einheit Polens, besonders in ihrer Entstehungs- und Konsolidierungsphase, befürchteten. Die angestrebte Verbindung mit der staatsfreien Mutterkirche lasse jetzt aber den Verdacht des ,,Hineinregieren(s) einer fremden politischen Instanz in polnisches Gebiet überhaupt nicht mehr"48 zu. Die Aufrechterhaltung des kirchlichen Zusammenhangs geschehe vielmehr „aus rein kirchlichen Motiven" und verfolge „keinerlei politische Nebenzwecke", denn den „unierten Gemeinden in Polen wird dies Bewußtsein besonders dadurch gestärkt, daß ihre preußische Mutterkirche inzwischen die Trennung von Staat und Kirche vollzogen hat". Mit der Gewiss46 So wurden ehemals deutsche Gebiete an Frankreich (Elsass-Lothringen), Belgien (EupenMalmedy), Dänemark (Nord-Schleswig), Polen (Posen-Westpreußen) und an die Tschechoslowakei (das Hultschiner Ländchen) abgetreten; Danzig und Ost-Memelland wurden zu Freistaaten erklärt. Osterreich verlor Randgebiete an die Tschechoslowakei und Polen, und auch Ungarn musste schmerzhafte territoriale Verluste hinnehmen: Siebenbürgen fiel an Rumänien, N o r d Ungarn an die Tschechoslowakei und Süd-Ungarn an Jugoslawien. 47 Staatsgrenzen und Kirchengrenzen, 1921, S.72. 48 EBD., S.73; die folgenden Zitate EBD.
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heit, dass die V e r b i n d u n g der ehemals p r e u ß i s c h e n P r o v i n z i a l k i r c h e n z u r M u t t e r k i r c h e sich aus der u n u m k e h r b a r e n u n d e p o c h a l e n geschichtlichen E n t w i c k lung ergebe u n d zutiefst d e m p r o t e s t a n t i s c h e n W e s e n u n d L e b e n e n t s p r e c h e , verb a n d sich bei Dibelius die konfessorische U b e r z e u g u n g , dass die Z u k u n f t d e r evangelischen n e u p o l n i s c h e n G e b i e t e m i t der A u f r e c h t e r h a l t u n g des alten k i r c h lichen Z u s a m m e n h a n g e s „steht u n d fällt". M i t E m p h a s e k o n s t a t i e r t e Dibelius schließlich: „ D e r G r u n d s a t z , d a ß K i r c h e n g r e n z e n u n d Staatsgrenzen v o n e i n a n d e r u n a b h ä n g i g sind, ist p r o k l a m i e r t . D a s R a d der geschichtlichen E n t w i c k l u n g läßt sich n i c h t r ü c k w ä r t s d r e h e n . O b heut o d e r m o r g e n , der G r u n d s a t z w i r d sich d u r c h s e t z e n , allen W i d e r s t ä n d e n z u m T r o t z ! " 4 9 K i r c h e n g r e n z e n u n d Staatsgrenzen müssen nicht deckungsgleich verlaufen o b w o h l sich Dibelius m i t diesem G r u n d s a t z d u r c h a u s in U b e r e i n s t i m m u n g m i t der bereits v e r ö f f e n t l i c h t e n Rechtsauffassung der A m t s k i r c h e befand, präsentierte er selber d e m A u s w ä r t i g e n A m t gegenüber den Inhalt seiner Schrift als N e u e n t d e c k u n g 5 0 : „Die B r o s c h ü r e p r o k l a m i e r t z u m ersten M a l e grundsätzlich u n d wis-
49 EBD. - Dibelius hielt auf der Pfingsttagung des „Deutschen Schutzbundes" in Klagenfurt (1921), der mehrere Dutzend Körperschaften zur Pflege des Grenz- und Auslandsdeutschtums zusammenfasste, ein Referat mit dem Thema seines Buches: „Staatsgrenzen und Kirchengrenzen" (vgl. EvDia 3, 1921, S.46). 50 Dibelius brachte diesen Grundsatz lediglich auf den Begriff und verhalf ihm durch sein eigenes Kirchenverständnis und durch sein praktisches kirchliches Wirken zu seiner formelhaften Popularität (vgl. auch die im Jahr 1948 fertiggestellte Dissertation von K. MÜLLER: Staatsgrenzen, 1988, S.90f.). Der Grundsatz stand im Einklang mit der offiziellen Kirchenpolitik, die schon in einer Denkschrift des E O K vom August 1919 formuliert wurde. Dort heißt es, dass es im deutschen Kirchenrecht keinen Rechtssatz gäbe, „wonach das Ausscheiden aus dem Staatsgebiet das Ausscheiden aus dem Kirchengebiet notwendig zur Rechtsfolge habe" (Denkschrift vom 1.8.1919, in: G. BESIER, Kirchengebiete, 1983, S.37). Die Anhänger einer evangelischen Irredenta in Polen machten für sich zudem „nicht politische oder nationale Gründe geltend, so sehr sie solche empfinden mögen, sondern ausschließlich kirchliche und religiöse" (EBD. S.40). Dementsprechend äußerte sich in seinem Vortrag auf dem Dresdener Kirchentag (September 1919) auch OKonsRt KAPLER, dem die Berliner theologische Fakultät wegen seiner Verdienste um den Zusammenschluss der zerstreuten Kirchen und Gemeinschaften mit der heimatlichen Kirche 1922 die Würde des theologischen Ehrendoktors verliehen hatte (vgl. EvDia 4, 1922, S.42): „Der Evangelische Oberkirchenrat und der Generalsynodalvorstand der altpreußischen Landeskirche stehen übereinstimmend auf dem Standpunkt, daß eine Veränderung der Staatsgrenzen eine Veränderung der kirchlichen Grenzen nicht zur notwendigen Rechtsfolge habe" (EvDia 1, 1919/20, S.139). Dementsprechend wurde in der Kundgebung des Dresdener Kirchentages an die evangelischen Gemeinden in den abzutretenden Gebieten der Forderung Nachdruck verliehen, „daß Millionen evangelischer Christen die Möglichkeit erhalten bleibe, auch im neuen Staatsverbande in ihrer alten Kirche frei ihres Glaubens zu leben" (Kirchentag 1919, S.310). - Auch die altpreußische Mutterkirche trug diesem Grundsatz Rechnung, indem sie 1922 auf die Beibehaltung des Namens „Landeskirche" verzichtete, um als „Evangelische Kirche der altpreußischen Union" dem Posener Kirchengebiet das Verbleiben im bisherigen Kirchenverband zu ermöglichen. Umgekehrt gab sich die Posener Provinzialkirche, zu der nun auch die Gemeinden des ehemaligen Westpreußen gehörten, den Status einer im dreijährigen Rhythmus tagenden „Landessynode", um dadurch dem polnischen Staat gegenüber als in sich geschlossener, von Deutschland unbeeinflusster Verband auftreten zu können (vgl. G. OTT, Staat, 1978, S.75). - In den höchsten Tönen pries auch Dibelius das Ende des landesherrlichen Kirchenregiments und den Beginn einer neuen Zeit: „Es gehört zu dem Bedeutsamsten, was das letzte Jahrzehnt unserer Kirche gebracht hat,
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senschaftlich den Satz, daß die Kirchengrenzen von den Veränderungen politischer Grenzen unabhängig sein müssen." 51 Nachdem nach der Revolution gerade auch in konservativen Kreisen das „Volk" in seiner staatenübergreifenden Existenz als Gesamtheit entdeckt worden war, gab es nun ein kirchliches Äquivalent dazu: Kirchengrenzen müssen sich nicht mehr mit Staatsgrenzen decken. Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen. Auch die Kirche hat - wie das „Volk" - grundsätzlich grenzübergreifende Wirksamkeit und überstaatliche Mächtigkeit 52 . Sie ist gerade dadurch eine nationale, aber staatsfreie „Volkskirche" 53 . Die Trennung von Staat und Kirche ist prinzipiell 54 erfolgt. Und daraus folgert Dibelius auch für den polnischen Staat: Der Staat verliert die Rechte seiner ehemaligen Kirchengewalt; er hat jedoch die Kirchenhoheit im Sinn seiner bleibenden Verpflichtungen gegenüber der Kirche weiterhin wahrzunehmen 55 . In diesem „modernen Geist" sollte dann auch die grenzübergreifende Verbindung zur Mutterkirche erhalten bleiben, wie dies später für Danzig und für das Memelgebiet möglich geworden war 56 . 2.5 Die Polonisierungsversuche von Julius Bursche Die These von der nicht zwingend notwendigen Konvergenz und Interdependenz von Kirchengrenzen und Staatsgrenzen fand in Polen nicht nur auf staatlicher Seite keine Anerkennung. Ebenso entschieden wehrte sich auch der Warschauer Generalsuperintendent Julius BURSCHE gegen die evangelisch-preußischen Einmischungsversuche. Er vertrat die Ansicht, dass eine evangelische Mindaß sich das Gebiet der Ev. Kirche altpreußischer Union nicht mehr mit irgendwelchen politischen Grenzen deckt. Wir sind keine Landeskirche mehr" (Generalsynode 1925, S.511). 51 Dibelius an das Auswärtige Amt v. 21.4.1921 (Pol. Archiv des A A BONN, Kult Pol VI A, Evang. Sachen, Az.10, Bd.l). Das Auswärtige Amt versprach, 100 Exemplare dieser Schrift auf dem Kurierwege an das Posener Konsistorium weiterzuleiten. 52 Vgl. Μ. H. BOEHM, Reorganisation, 1959, S.24. 53 Vgl. dazu die Verbindung der Begriffe „Volk" und „Kirche" am Schluss der zweiten Rede von Dibelius (Generalsynode 1925, S.523). 54 Dibelius geht also davon aus, dass die Verfassungswirklichkeit schon dem Verfassungsanspruch des Artikels 137 WRV vom 11.8.1919 entspricht: „Es besteht keine Staatskirche". 55 Auf diese Spannung bzw. auf dieses Ungleichgewicht macht Fr. SlEGMUND-SCHULTZE, der selber Mitglied des Propaganda-Ausschusses war, in seiner sonst positiven Besprechung von „Staatsgrenzen und Kirchengrenzen" aufmerksam: in dem Buch werde „die Geltung der Staatsgesetze für die Kirche reichlich stark betont..., während im übrigen die sog. Kirchengewalt dem Staat abgesprochen und die Kirchenhoheit stark ausgeschmückt wird" (Eiche 10, 1922, S.335). An dieser leisen, aber doch hörbaren Kritik wird zugleich deutlich, dass Dibelius' Schrift inhaltlich sicher nicht mit den Mitgliedern des Propaganda-Ausschusses abgesprochen war. 56 Vgl. „Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen!" (EvDt 1, 1924, S.32f.). - Auf der Generalsynode von 1925 konnte Dibelius mit Befriedigung davon berichten, dass der Streit im Memelland beendet, der Vertrag zwischen dem E O K und dem dortigen kirchlichen Direktorium geschlossen und „die Zugehörigkeit des Memellandes zu unserer Kirche gesetzlich festgelegt" sei (Generalsynode 1925, S.518). Ebenso wiederholte Dibelius seinen Grundsatz auf der Generalsynode vom April/Mai 1927: „Es ist für mich eine Tatsache von fundamentaler Bedeutung, daß die ev. Kirche altpreußischer Union sich über eine ganze Reihe von Staatsgebieten erstreckt" (Generalsynode 1927, S.17). Die Abschrift dieser Rede findet sich auch in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1: Rede von Generalsuperintendent Dibelius auf der Generalsynode. 25.4.1927.
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derheitenkirche in einem katholisch beherrschten polnischen Staat sich völlig isoliere, wenn sie sich nicht den polnischen Verhältnissen angleiche und in die politischen, nationalen und territorialen Gegebenheiten einfüge. Nicht nur aus Nachgiebigkeit gegenüber einem deutlich spürbaren Anpassungsdruck, sondern auch aus dem Bestreben, dem Protestantismus in Polen eine eigenständige Kraft und missionarische Bedeutung zu geben, vertrat BURSCHE ein kirchliches Integrations- und Assimilationskonzept und verfolgte das Ziel der Polonisierung der evangelischen Kirchen: „denn nur auf diese Weise ist die Möglichkeit gegeben, das Evangelium dem polnischen Volke näher zu bringen ..., erst wo polnischevangelische Gottesdienste stattfinden, ist diese Möglichkeit gegeben."57 Und weil er auf evangelisch-preußischer Seite trotz aller Gegenbeteuerungen im Grunde nationalistische Motive am Werk sah, die man ihm wiederum zum Vorwurf machte, betonte er: „Unsere Aufgabe muß es sein, dahin zu wirken, daß beide Nationalitäten trotz der vorhandenen Gegensätze zusammenbleiben, daß der gemeinsame Glaubensgrund uns höher steht als der Unterschied der Sprachen. ... Nicht zum Polonisieren, nicht zum Germanisieren sind wir berufen, sondern zur Predigt des Evangeliums Jesu Christi." 58 Das waren hehre Worte, die in BURSCHEs Haltung allerdings kaum dessen nationale Präferenz für Polen und zugleich dessen tiefe Abneigung gegen Preußen verbergen konnten. Schon bei der Abstimmung des masurischen Bevölkerungsteils von Ostpreußen warb BURSCHE für die polnische Option. In einem Flugblatt forderte er die Masuren in polnischer Sprache auf, die preußische Zwangsherrschaft abzuschütteln und sich „endlich mit dem geliebten Polen, dem Stammland eurer Vorfahren, mit dem ihr Sprache und Sitten gemeinsam habt, (zu) verbinden" 59 . Von seinen Gegnern wurde der Generalsuperintendent deswegen als „Masurenkönig" 60 verspottet. Trotzdem verfolgte BURSCHE weiterhin unbeirrt das Ziel des „Polnischen Evangelizismus"61, eine einheitliche evangelische Kirche im polnischen Geist mit polnischer Sprache unter seiner Führung zu schaffen, damit sie das Stigma und das Odium einer deutsch-preußischen Hypothek endgültig verliere. Er trat für eine freie Volkskirche in einem freien Staat ein, die nicht im Widerspruch zur Souveränität des polnischen Staates steht. Man wird freilich auch nicht in Abrede stellen können, dass die kirchlichen Vereinigungsbemühungen auf evangelisch-preußischer Seite ebenfalls nicht ohne das nationale Kalkül und Ressentiment zu begreifen sind. Vordergründig und ausgesprochenermaßen ging es nur um die Beibehaltung der regionalen und funktionalen Verbindung der Posener Kirche mit der altpreußischen Mutterkirche. Natürlich war damit auch impliziert, dass das Deutschtum in Kultur und Spra-
Zit. nach R. GAEDE, Protestantismus, 1976, S.384. Zit. nach EBD., S.385. 59 EvDia 1, 1919/20, S.124; vgl. E. K.NEIFEL, Bursche, 1980, S.74ff. u. S.239. 60 Vgl. EvDia 1, 1919/20, S.173; EBD, 1920/21, S.82 u. 94; E. KNEIFEL, Bursche, 1980, S.74f. - Auf Grund der Abstimmung am 11.7.1920 kam nur der Soldauer Bezirk zu Polen. 61 Vgl. A . KLEINDIENST / O. WAGNER, Protestantismus, 1985, S.XTV u. S.22ff. 57 58
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che62 aufrechterhalten werden sollte; und eben dies wurde für den erst im Entstehen befindlichen neupolnischen Staat als nationale Bedrohung und als ein dauernder Pfahl im polnischen Staatskörper empfunden. Mit dem Hinweis auf die Zusagen des Versailler Vertrags, der die Minderheitenrechte in den neuen Staatsgebieten zu garantieren versprach, suchte man die Wunde des territorialen Verlustes und der nationalen Demütigung durch eben diesen Vertrag zu verschmerzen; in gewisser Weise erhielten die Revisionsforderungen gegenüber dem Friedensdiktat Nahrung aus demselben Friedensvertrag 63 . Man glaubte in Deutschland ohnehin, dass das neu entstandene Polen wohl nur eine vorübergehende Erscheinung sei, ein „Saisonstaat", der bald wieder von der Landkarte verschwinden würde 64 . Obwohl der Propaganda-Ausschuss vorgab, nur rein kirchliche Interessen zu vertreten und frei zu sein von allen politischen und nationalen oder gar chauvinistischen Motiven, zeigte es sich gerade an der Verhärtung der gegnerischen Positionen, wie sehr besonders die Nationalitätenfrage in dieser Auseinandersetzung unterschwellig virulent war und eine dominierende Rolle spielte. BURSCHE sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, er spiele der katholischen Kirche in die Hände und er liefere die evangelische Kirche den nationalpolnischen Interessen aus, indem er sie von der deutschen Sprache und Kultur abschotte. Dibelius versuchte diesen Vorwurf mit dem Hinweis auf die seit 1920 bestehende evangelisch-theologische Fakultät der Warschauer Universität zu erhärten. Durch die Monopolstellung der polnischen Sprache habe dort eine beispiellose Theologieund Wissenschaftsfeindlichkeit Einzug gehalten, weil die Studenten somit nur auf einen provinziellen, höchst unzureichenden Fundus an Kultur und Geschichte beschränkt seien: „Die theologische Fakultät in Warschau ist keine akademische Bildungsstätte im deutschen Sinne. Sie ist allenfalls einem kleinen englischen oder amerikanischen College zu vergleichen"65. Es sei eine Zumutung für die unierte Kirche in Posen und Westpreußen, wenn sie ihre Theologiestudenten nur nach Warschau schicken dürfe; denn diese Kirche „ist wissenschaftliches Niveau gewöhnt". Die Monopolisierung national-polnischer Zulassungsvoraussetzungen für Studium und Lehre isoliere die Fakultät von der deutschen Lehr- und Lerntradition: „Als Instrument der Polonisierung des künftigen Theologengeschlechts ist sie gedacht. Zu einer Professur (dürfen) nur Männer zugelassen werden, deren polnisch-nationalistischer Gesinnung man sicher" ist.
62 Dibelius rechtfertigte die früheren Germanisierungsversuche Preußens in den polnischen Gebieten mit der Kulturüberlegenheit der Deutschen: Preußen hob die polnische Bevölkerung „auf eine höhere Kulturstufe". „Unter russischer Herrschaft war das polnische Volk auf der niedrigen Kulturstufe stehen geblieben, auf der es immer gestanden hatte" (Unsere abgetrennten Brüder, in: BES v. 31.7.1926). 63 Später war es auch STRESEMANNs Politik, „die Unzufriedenheit der deutschen Minderheit in Polen zu schüren", u m die Möglichkeit der friedlichen Revision der Ostgrenzen auch nach Locarno offen zu halten (H. SCHULZE, Weimar, 1982, S.272, vgl. S.279f.). 64 Vgl. W. GASTPARY, Engagement, 1978, S.43. 65 „Theologie und Nationalismus" (DAZ v. 5.9.1926); die folgenden Zitate EBD.
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Ausgelöst wurde diese Kulturdebatte des Jahres 1926 durch den „Raub des Paulinum", einer Posener Ausbildungsstätte, die sich die Warschauer Kirche „durch staatliche Gewalt für einen Judaslohn zuschanzen" 6 6 ließ. E d m u n d BURSCHE, Theologieprofessor an der Warschauer Fakultät und Bruder des Generalsuperintendenten 6 7 , verwahrte sich gegen den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit des dortigen Studiums; nationalistische Enge, N e i d und Hass seien umgekehrt bei Dibelius selber erkennbar, während er sich lediglich zu einem polnischen Patriotismus bekenne 6 8 . Im N o v e m b e r 1926 kam es schließlich durch den Einsatz und die Vermittlung von Theodor ZÖCKLER (Stanislau) zu einer Kirchenkonferenz im damals zu Polen gehörenden Wilna 6 9 . Immerhin bewegten sich die Kontrahenten insofern aufeinander zu, als nun ein informeller „Rat der Evangelischen Kirchen in Polen" gebildet wurde. Damit waren aber die evangelisch-polnischen Einheitsbestrebungen bereits am Ende. Die Posener Kirche konnte sich lediglich auf die 1922 verabschiedete „Notverfassung" stützen. Selbst die polenfreundliche Warschauer Kirche erhielt erst im Jahr 1936 v o m polnischen Staat durch Dekret ein separates Kirchengesetz und wurde somit, freilich u m den Preis bestimmter polnisch-staatlicher Einflussmöglichkeiten, als einzige evangelische Kirche in Polen staatlich anerkannt. BURSCHE wurde am 3.6.1937 auf Grund dieses Kirchengesetzes zum Bischof seiner Kirche gewählt 70 . N a c h dem Überfall von HlTLER-Deutschland auf Polen floh BURSCHE nach Lublin, wurde aber dort von der Gestapo verhaftet und in die Prinz-AlbrechtStraße nach Berlin verbracht. Er galt wegen seiner kirchlichen Polonisierungsversuche als Verräter am Deutschtum, wurde deshalb (zusammen mit drei Brüdern, einem Sohn und einem Enkel) ins K Z Sachsenhausen eingeliefert und in Isolierhaft genommen. A m 20.2.1942 verstarb der nunmehr 80-jährige Bischof dort unter nicht eindeutig geklärten Umständen 7 1 . 66 „Antwort an Herrn Professor D. Edmund Bursche in Warschau" (ChW 40, 1926, Sp.1179). 67 Edmund BURSCHE war zuerst Pfarrer in Lowitsch; 1914 floh er vor der deutschen Okkupation nach Russland. Nach der russischen Revolution 1917 wurde ihm zusammen mit seinem Bruder die Rückkehr nach Polen ermöglicht. In Basel promovierte er mit einer kirchengeschichtlichen Arbeit; 1921-1939 lehrte er Kirchengeschichte an der neugegründeten Warschauer Fakultät fvgl. EvDia 2, 1920/21, S.98; E. KNEIFEL, Pastoren, 1967, S.64). ° 8 Vgl. E. BURSCHE, Offener Brief an Seine Hochwürden Herrn Generalsuperintendenten der Kurmark D . Otto Dibelius in Berlin (ChW 40, 1926, Sp.ll35f.). 69 Vgl. „Der Zusammenschluß des Protestantismus in Polen" (DAZ v. 30.11.1926); vgl. B. KREBS, Identität, 1993, S.90ff. 70 Im Gefolge dieses Dekrets wurde im Juli 1937 die Unierte Kirche in Oberschlesien unter die Machtbefugnis von BURSCHE gestellt; daraus entwickelte sich eine polnische Kirchenkampfsituation (vgl. J. ROGALL, Kirche, 1992, S.167f.). 71 BURSCHE ist wahrscheinlich in einem Berliner Polizeikrankenhaus an den Folgen der KZHaft gestorben (vgl. epd 1992/2, S.5; B.KREBS, Identität, 1993, S.270ff.). - Bei der 50. Wiederkehr seines Todestages, am 20.2.1992, enthüllten der Berliner Bischof Martin KRUSE und der Warschauer Bischof Jan SZAREK von der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen im „Zellenbau für Sondergefangene" des ehemaligen K Z Sachsenhausen bei Oranienburg (Brandenburg) eine „Gedenktafel zur Erinnerung an Juliusz BURSCHE" (vgl. epd, EBD.).
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Zunächst schien durch die deutsche Okkupation Polens im Jahr 1939 den deutsch-evangelischen Interessen der Posener Kirche gedient zu sein72. Mit welch rigider und knebelnder Strategie der Nationalsozialismus seinerseits aber gegenüber der evangelischen Kirche vorzugehen gewillt war, dies zeigte sich „modellhaft" in dem zum Warthegau umbenannten Posener Land, wo der Reichsstatthalter und Gauleiter Arthur GREISER und sein Stellvertreter August J Ä G E R die Kirche zum Exerzierplatz nationalsozialistischer Kirchenpolitik machten und zum Winkeldasein eines rechtlosen Vereins herabwürdigten73. 2.6 Die internationale
kirchliche Konferenz von Uppsala (März 1921)
Durch das Multiplikatorenpotential des Propaganda-Ausschusses konnte Dibelius bei den befreundeten Kirchen des Auslandes Interesse für das kirchliche und nationale Problem in Polen wecken und zunächst auch das „Feindbild" B U R S C H E so verstärken, dass dieser nicht nur aus deutscher Sicht als Drahtzieher und Handlanger einer national-polnischen Kirchenkonzeption galt und zum bestgehassten kirchlichen Antipoden der damaligen Zeit avancierte74. Schon frühzeitig sah sich B U R S C H E genötigt, dieser wachsenden Gegenstimmung und Gegenströmung Einhalt zu gebieten und sich gegenüber SÖDERBLOM, der unumstrittenen ökumenischen Autorität, zu rechtfertigen75. Der spätere norwegische Bischof Eivind B E R G G R A V 7 6 , dem Dibelius bei seinem Norwegenbesuch im Januar 1921 begegnet war, gab die Anregung, eine ökumenische Konferenz gleichsam als Schiedsstelle unter der Leitung SÖDERBLOMs einzuberufen. Hier sollten beide Seiten gehört werden, die Gegensätze geklärt, die Feindseligkeiten ausgeräumt und Problemlösungen vorgeschlagen werden. S Ö D E R B L O M nahm diesen Vorschlag bereitwillig auf und berief relativ kurzfristig im Namen der schwedischen Abteilung des „Weltbundes für Freund72 Vgl. den Grußwechsel zwischen dem Evangelischen Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche der altpreußischen U n i o n und dem Evangelischen Konsistorium in Posen (GDEK, N r . 2 7 v. 9 . 1 1 . 1 9 3 9 , S.121f.). 73 Z u r nationalsozialistischen Kirchenpolitik im Warthegau: P. GÜRTLER, Nationalsozialismus, 1958; A . SCHMIDT, Kleindienst, 1968, S.75ff; J. ROGALL, Kirche, 1992, S.169ff. - D e r Rat der Evangelischen Kirche der altpreußischen U n i o n brachte seinen Protest gegen die Gewaltmaßnahmen auf den Punkt: „Das A m t der geistlichen Leitung, das ...zu allen Gemeinden und f ü r alle sprechen könnte, ist zerstört" (Schreiben an den E O K v. 1 . 1 2 . 1 9 4 1 , in: E Z A BERLIN, 7/1039, pag.188). - Nach dem Krieg wurden GREISER und JÄGER zum Tod verurteilt und t r o t z des Gnadengesuchs des Papstes f ü r GREISER und trotz des Gnadengesuchs v o n Dibelius f ü r JÄGER am 17.6.1949 hingerichtet (vgl. P. GÜRTLER, Nationalsozialismus, 1958, S.116, A n m . 2 8 7 ; K. SCHOLDER, Kirchen II, 1985, S.353f.). 74 Vgl. auch Jahrhundert der Kirche, 1926, S.95. 75 Brief des Generalsuperintendenten BURSCHE an den schwedischen evangelischen Erzbischof SÖDERBLOM in Uppsala (Auszug, EvDia 2, 1920/21, S.79-82). Eine ausführliche und äußerst scharfe, teilweise sogar gehässige Erwiderung erfolgte durch den Vorsitzenden des D E K A , R. MOELLER (vgl. EvDia 2, 1920/21, S.83-95; B. KREBS, Identität, 1993, S.45). 76 Vgl. W . GENNRICH, Uppsala, 1958, S.47f. BERGGRAV, der selber an der K o n f e r e n z nicht teilnehmen konnte, schickte der Versammlung ein Telegramm mit dem biblischen Appell: „ut omnes u n u m sint" (vgl. J o h 17,21).
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schaftsarbeit der Kirchen" eine Konferenz für den 3. bis 5. März 1921 nach Uppsala 77 ein. Die Konferenzteilnehmer kamen vor allem aus den skandinavischen Ländern, aber auch aus Estland, aus Amerika (Prof. MOREHEAD als Delegierter des National-Lutheran-Council in Europa) und aus der Schweiz (Methodistenbischof NUELSEN). A u s Warschau reisten GenSup. BURSCHE mit KonsPräs. GLASS an, aus Posen GenSup. BLAU mit KonsRt NEHRING und aus Stanislau (Galizien) Sup. ZÖCKLER. Die Verhandlungssprache war deutsch. Sowohl BURSCHE als auch BLAU legten jeweils einen Verfassungsentwurf für die Posener Kirche vor, während ZÖCKLER mit einem beachtlichen Vermittlungsvorschlag hervortrat. In den entgegengesetzten Stellungnahmen von BURSCHE und BLAU wurden noch einmal das Sprachenproblem und die Frage der nationalen Zugehörigkeit bzw. Zuordnung der evangelischen Kirchen in Polen erörtert. SÖDERBLOM war seinem irenisch-salomonischen Wesen entsprechend auf einen gerechten Ausgleich der Gegensätze bedacht. In der Nacht zum 5. März suchte er, auf der Basis des ZÖCKLER'schen Vorschlags den gemeinsamen Nenner der vorgelegten Verfassungsentwürfe zu fixieren. Mit einem kleinen Sonderausschuss verfasste er dabei zwei Resolutionen 7 8 , nach denen der Posener Kirche zwar das „Recht voller geistiger Verbindung mit der Mutterkirche" und auch das Recht der Alimentation der Geistlichen durch die altpreußische Kirche zugestanden wurde. Die Verfasser vertraten aber auch die Meinung, „daß die gesetzlich-rechtliche administrative Abhängigkeit der unierten Kirche in Posen von der preußischen unierten Landeskirche gegenwärtig nicht aufrechterhalten werden" könne. Es wurde deshalb die Empfehlung ausgesprochen, die Posener Kirche möge eine selbständige Synode begründen mit dem Ziel, eigene organisatorische Beziehungen zu den anderen evangelischen Kirchen in Polen und außerhalb Polens aufnehmen zu können 7 9 . Bei dem Bemühen SÖDERBLOMs, beiden Seiten entgegenzukommen, blieb die von der Konferenz verabschiedete Kundgebung einigermaßen unklar und unbefriedigend: Der polenfreundlichen Seite ging sie zu weit und der deutschfreundlichen Seite nicht weit genug. Entsprechend berichtete der deutsche Pfarrer in Stockholm D r . STERZEL dem deutschen Gesandten in Schweden: „Die Konferenz war mit sich zufrieden, die Polen verließen sie in gehobener Stimmung, die Deutschen verließen Uppsala mehr bedrückt als beglückt. Denn es fragt sich allerdings, ob sie mehr als schöne Worte mitgenommen haben. Ich fürchte, daß die Resolution vorläufig an den faktischen Verhältnissen wenig oder nichts ändern wird." 8 0 77 Bereits im Jahr 1917 tagte in Uppsala eine ökumenische Konferenz, die mit Vertretern der skandinavischen Länder, sowie mit Delegierten aus Holland, Ungarn, Nordamerika und der Schweiz beschickt worden war (vgl. KJ 48, 1921, S.359). 78 Text in: Evang. Wochenbriefe, 3. Reihe 69/78, Mai/Juni 1921, S.203. 79 Vgl. W. GENNRICH, Uppsala, 1958, S.51f. 80 STERZELs Bericht in Abschrift (EZA BERLIN, 7/3046, pag.7). - Inzwischen wurde allerdings in Polen eine Verfassung verabschiedet (17.3.1921), die in ihren Kirchenartikeln günstiger
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
T a t s ä c h l i c h w a r das R e s u l t a t d e r K o n f e r e n z n u n d e m S t r e i t ü b e r d i e A u s l e g u n g d e r R e s o l u t i o n e n ausgeliefert. W ä h r e n d z . B . das M i t g l i e d des P r o p a g a n d a A u s s c h u s s e s A . Ö E I S S M A N N in d e m K o n f e r e n z e r g e b n i s e i n e n k o n s t r u k t i v e n B e i t r a g 8 1 z u r L ö s u n g des K o n f l i k t e s f a n d , k a m die M e h r h e i t des A u s s c h u s s e s mit
ihm
sein
Geschäftsführer -
zu
einem
ganz
entgegengesetzten
und
Urteil82.
SÖDERBLOM sah sich deshalb veranlasst, den R e s o l u t i o n e n n o c h eine Interpretat i o n f o l g e n z u lassen, w o b e i e r je n a c h A d r e s s a t d e n A k z e n t z u G u n s t e n d e r ein e n o d e r d e r a n d e r e n Seite v e r ä n d e r t e : D e m p o l n i s c h e n G e s a n d t e n g e g e n ü b e r bet o n t e e r , dass d e r P o s e n e r K i r c h e eine a d m i n i s t r a t i v e A b h ä n g i g k e i t
von
p r e u ß i s c h e n M u t t e r k i r c h e v e r w e h r t sei; u n d d e m P r o p a g a n d a - A u s s c h u s s
der
gegen-
ü b e r e r k l ä r t e e r bei e i n e r p e r s ö n l i c h e n A u s s p r a c h e in B e r l i n ( M a i 1 9 2 1 ) , dass die P o s e n e r K i r c h e als e i g e n s t ä n d i g e L a n d e s k i r c h e b e f u g t sei, s e l b s t ä n d i g a u f g e g e n seitiger, f r e i e r V e r e i n b a r u n g b e r u h e n d e V e r b i n d u n g e n m i t a n d e r e n K i r c h e n , a l s o a u c h m i t d e r a l t p r e u ß i s c h e n M u t t e r k i r c h e , z u u n t e r h a l t e n . B e i dieser B e g e g n u n g ist d e m E r z b i s c h o f „ o f f e n b a r s c h a r f z u g e s e t z t w o r d e n , s o d a ß e r d e m u r s p r ü n g l i c h e n B e s c h l u ß e i n e A u s l e g u n g g e g e b e n h a t , w i e sie f ü r die D e u t s c h e n
kaum
g ü n s t i g e r sein k a n n " 8 3 . Sozusagen mit der deutschfreundlichen Interpretation SÖDERBLOMs in der Tas c h e r e i s t e n u n D i b e l i u s a m 2 7 . J u n i f ü r z e h n T a g e n a c h S c h w e d e n , u m n o c h seinerseits
das a u c h u n t e r
den Konferenzteilnehmern
unterschiedlich
beurteilte
K o n f e r e n z e r g e b n i s z u d e u t e n u n d f ü r die A u s l e g u n g i m p r e u ß i s c h - u n i e r t e n S i n n
ausgefallen ist, als dies von deutscher Seite erwartet worden war (vgl. EvDia 2, 1920/21, S.226; K J 48, 1921, S.426). A. DEISSMANN folgerte daraus sogar: „Der Kampf gegen die früheren, zum Teil geradezu fanatisch rückständigen Verfassungsentwürfe ist also nicht erfolglos gewesen" (EvWoBr. 3, 1920/21, N r . 6 9 / 7 8 , S.204, Anm.2); zum Ganzen vgl. B. KREBS, Identität, 1993, S.57ff. 81 „Das Gesamtergebnis dieser bedeutsamen Konferenz ist meinem Urteil nach ein recht erfreuliches: die Nöte unserer Glaubensgenossen sind jetzt nicht mehr Winkelsache einer verlorenen Minorität, sondern ökumenische Gewissensangelegenheit des Gesamtprotestantismus" (A. DEISSMANN, in: EvWoBr. 3, 1920/21, Nr.69/78, S.204; vgl. auch Eiche 9, 1921, S.170f. u. S.268f.). 82 Auch GenSup. BLAU zeigte sich am Ende der Konferenz enttäuscht und verärgert darüber, „daß die Konferenz über Dinge einen Beschluß gefaßt habe, für die ihr die erforderlichen Kenntnisse noch fehlten" (Deutsche Gesandtschaft Stockholm an das Auswärtige Amt in Berlin V. 23.3.1921, Abschrift in: E Z A BERLIN, 7/3046, pag.36f.). Vgl. auch den Bericht, den GenSup. BLAU an den E O K erstattet hat; darin heißt es mit deutlicher Kritik an SÖDERBLOM und an der Mehrheit der Konferenzteilnehmer: „Erinnert man sich...daran, daß auf der Konferenz das streng konfessionelle Luthertum allein vertreten war, dem die unierte evangelische Kirche Preußens sowieso von jeher unsympathisch ist, und vergegenwärtigt man sich schließlich, daß die romantischen Ideen des verehrten Konferenzleiters ihn viel mehr auf die Seite einer Verbindung aller evangelischen Kirchen in Polen untereinander (als) auf die der Verbindung der unierten evangelischen Kirche mit ihrer Mutterkirche zogen, so ist das Ergebnis der Beratungen leicht zu erklären" (EZA BERLIN, 7 / 3 0 4 5 , pag.469f.). 83 Pfarrer STERZEL an die Deutsche Gesandtschaft in Stockholm v. 4.5.1921 (Abschrift in: E Z A BERLIN, 7/3046, pag.42). Weiter heißt es dort zur Haltung von SÖDERBLOM, der es allen Seiten recht machen wollte: „Wie sich die Polen (BURSCHE usw.) dazu stellen werden, wird die Zukunft lehren. Erzbischof SÖDERBLOM gilt bei den Polen als polnisch gesinnt. Jedenfalls gibt er sich alle Mühe, sich polnische Sympathien zu erwerben bzw. die vorhandenen zu pflegen" (EBD., pag.42f.; vgl. auch KJ 48, 1921, S.425f.).
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zu werben 84 . Dibelius sprach deshalb wieder in den Redaktionen der Zeitungen vor, berichtete vor Jugendkonferenzen, traf mit Bischöfen und Pfarrern zusammen und meinte dabei feststellen zu können, dass eine deutliche Mehrheit in Schweden, was die Polenfrage angeht, nicht hinter ihrem Primas stehe. Nur aus Rücksicht gegenüber der Person und der allgemein anerkannten Autorität des Erzbischofs komme diese Opposition nicht öffentlich zur Geltung. Man habe unter den Konferenzteilnehmern die Resolutionen „als ein Fiasko angesehen", man „habe der Posener Kirche helfen wollen und sei sehr enttäuscht gewesen, daß davon in der Resolution so wenig zu spüren gewesen sei."85 Inspiriert durch die Propaganda von Dibelius schrieb ein schwedischer Pfarrer im .Svenska Dagbladet': „die Hoffnung..., daß die Konferenz in Uppsala eine gewisse Linderung in dem Schicksal der evangelischen Glaubensbrüder nach sich ziehen werde, hat jämmerlich getrogen. ...Es gilt hier ein offenbares Fiasko auszugleichen, eine verhängnisvolle Parteinahme gutzumachen."86 Der Ausgang der Konferenz von Uppsala entsprach also für Dibelius keineswegs seinen hohen Erwartungen und seinen kirchenpolitischen Zielen. Offenbar war SÖDERBLOM von vornherein unter Absehung aller nationalen Gegensätze von einem Verschmelzungsgedanken bestimmt, wonach sich alle evangelischen Kirchen in Polen zu einer großen „lutherischen" Kirche vereinigen sollten. Hatte Dibelius schon bei seinem ersten Besuch in Schweden im Jahr 1920 den Eindruck, dass SÖDERBLOM „keine Ahnung" von den konfessionellen und nationalen Verhältnissen im neupolnischen Gebiet habe, so konnte er jetzt das Konferenzergebnis nur noch als „Fiasko" bezeichnen, das dem Konferenzleiter anzulasten sei. Von einer „ökumenischen Freundschaft" zwischen Dibelius und SÖDERBLOM 8 7 kann also zu jener Zeit wahrlich noch keine Rede sein, da SÖDERBLOM Ökumene in einem umfassend-universalen Sinn verstanden und praktiziert wis-
Vgl. Dibelius an PEHRSSON v. 18.8.1921 (Landesarchiv GÖTEBORG, Per Pehrssons arkiv). Bericht von Dibelius an den EOK v. 9.7.1921 (EZA BERLIN, 7/3046, pag.55f.). Dibelius berichtet weiter, dass SÖDERBLOM von BURSCHE auch öffentlich immer mit großer persönlicher Hochachtung spreche. „Man erwartet in Schweden allgemein, daß sich BURSCHE von SÖDERBLOM wird zum Bischof weihen lassen, und man wünscht, daß ihm BLAU zuvorkommen und den Bischofstitel annehmen möchte" (EBD. pag.56). 86 Pfarrer Lie. ALGARD in Nr.208 des .Svenska Dagbladet' v. 6.8.1921 (Dibelius an EOK V. 16.8.1921, in: EZA BERLIN, 7/3046, pag.67f.) - Im August 1938 befasste sich ein weiteres Mal eine ökumenische Tagung mit den Minderheitenproblemen in Polen. Im norwegischen Larvik konnte der Internationale Rat des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen aber auch nur das beträchtliche Anwachsen der Spannungen zwischen Polen und der deutschen Minderheit feststellen (vgl. M. GRESCHAT, Begeisterung, 1995, S.409). 87 R. STUPPERICH unterschlägt die Enttäuschung, ja Verbitterung von Dibelius über die Haltung SÖDERBLOMs in der Polenfrage (vgl. R. STUPPERICH, Otto Dibelius, 1989, S.98; DERS., Söderblom, 1989, S.58f.). Umso mehr hätte betont werden können, dass sich trotzdem, aber erst beginnend mit der Stockholmer Weltkirchenkonferenz im Jahr 1925, eine „ökumenische Freundschaft" angebahnt hatte. 84
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sen wollte, der weit über das im Grunde provinzielle Problem der verfassungsrechtlichen Verbindung einer Mutterkirche zu ihrer Tochterkirche hinausging 88 . 2.7 Dibelius und die ökumenische Bewegung Die weit verzweigte Arbeit des Propaganda-Ausschusses geriet nach der für Dibelius so enttäuschend verlaufenen Konferenz in Uppsala zunächst ins Stocken. Der Grund dafür lag auch darin, dass Dibelius im August 1921 mit der Übernahme des Schulreferats im E O K 8 9 von einer neuen Aufgabe in Anspruch genommen wurde. Von diesem Zeitpunkt an bestand die Arbeit des Ausschusses in der Erledigung der Korrespondenz, deren sich der Vorsitzende AXENFELD annahm. Erst nach dem plötzlichen Tod AXENFELDs, der nur drei Jahre das Amt des kurmärkischen Generalsuperintendenten bekleidet hatte, trat Dibelius wieder - diesmal zugleich in der Funktion als Vorsitzender - in Erscheinung 90 . In späteren Jahren wurde Dibelius in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Propaganda-Ausschusses von der altpreußischen Generalsynode mit der Durchführung eines Bittgottesdienstes für die notleidenden kirchlichen Ostgebiete beauftragt 91 . Lediglich im Raum der heimatlichen Kirche hielt Dibelius besonders durch seine Sonntagsartikel im .Berliner Evangelischen Sonntagsblatt' und im ,Tag' das Interesse für die immer noch anhaltende Bedrückung der Posener Kirche wach. Hier musste sich Dibelius die Beschränkung auf rein kirchliche Gesichtspunkte nicht auferlegen, wie dies in der Auslandspropaganda nötig war. Er konnte sicher sein, dass die kirchlichen Probleme auch auf ein nationales Interesse stießen. Denn „brennende Wunden" 92 hinterließ der staatskirchenrechtliche 88 GenSup. BLAU zitiert in seinem Konferenzbericht SÖDERBLOM: „Ökumenizität des Protestantismus sei etwas anderes als Zusammenhang von Mutter- und Tochterkirche" (EZA BERLIN, 7/3045, pag.468). 89 In seiner Eigenschaft als Mitglied des E O K wurde Dibelius im September 1921 zu der deutschen evangelischen Synode von Nordamerika entsandt, wo er bei Vorträgen und in Gottesdiensten noch einmal eindrucksvoll die N o t der evangelischen Kirche in Deutschland - und damit zusammenhängend auch die N o t der Kirchen in den abgetretenen Gebieten - schildern und erhebliche Gelder für die kirchliche Arbeit sammeln konnte. Die deutschsprachige .Detroiter Abend-Post' berichtete am 17.10.1921 auf der ersten Seite von Dibelius' Auftreten unter der Uberschrift „Die deutsche N o t , die immer noch groß ist, von Dr. Dibelius aus Berlin beredt geschildert" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 26). Auf diesen persönlichen Kontakt ist es auch zurückzuführen, dass die deutsch-amerikanische ,Kirchliche Zeitschrift' Dibelius' Schrift „Wie erfüllen die Polen ihre feierlich übernommene Pflicht, die evangelischen Minderheiten zu schützen?" vollständig abdruckte (vgl. Kirchliche Zeitschrift, 1923, S.498ff.). 90 Vgl. Dibelius an das Auswärtige A m t v. 2.4.1925 (Pol. Archiv des A A BONN, Kult Pol VI A, Evang. Angelegenheiten, Az.4, Bd.l, Verwendung der ev. Quote). 91 Vgl. Dibelius an KAPLER v. 6.3.1930 (EZA BERLIN, 7/211, pag.181). 92 Unter diesem Titel berichtete Pastor Gottfried MARTIN (Pseudonym für Richard KAMMEL, der ab 1922 zusammen mit A . RHODE das .Evangelische Kirchenblatt' für Polen herausgab) von der N o t der evangelischen Kirche in Polen: Brennende Wunden. Tatsachenberichte über die Notlage der evangelischen Deutschen in Polen (1931). Dibelius schrieb dazu das Geleitwort (S.6-8). Vgl. dazu auch: P r K Z 27, 1931, Sp.173 - Eine zweite Auflage erschien im Jahr 1939. Inzwischen war Dibelius wegen seiner geradlinigen kirchlichen Einstellung zur persona non grata
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Schwebezustand, der den polnischen Behörden Gelegenheit zu allerlei Bedrückungen und Benachteiligungen gab. Der Kampf um „evangelischen Glauben und deutsches Volkstum" 93 in Polen musste fortgesetzt werden. In Posen selbst blieb dieser Einsatz nicht ungehört und nicht ohne Wirkung. Die Mobilisierung der Mutterkirche hatte eine Stabilisierung der Tochterkirche zur Folge. Bis in die Sprache hinein wirkte sich solche kämpferische Solidarität aus: Das von Dibelius sieghaft proklamierte „Jahrhundert der Kirche" (1926) galt im Bewusstsein der Posener trotz aller Anfechtungen und Anfeindungen, unter denen sie immer noch zu leiden hatten, auch für die von Deutschland abgetrennten Gebiete. So schrieb Adolf SCHNEIDER, der von 1921 bis zu seinem Tod (1928) Direktor des Predigerseminars und der Theologischen Schule in Posen war, in einem anonym veröffentlichten Artikel: Wenn er von den Verhältnissen im östlichen Abtretungsgebiet ein Bild zu geben habe, dann könne er dies am besten in dem Ausruf zusammenfassen, den das Buch von Dibelius enthalte: „so finde ich das Charakteristikum unsrer Lage in dem Satz: habemus ecclesiam: wir haben eine Kirche." 94 Das Buch vom Jahrhundert der Kirche' verkündete aber jetzt den Grundsatz von der Unabhängigkeit kirchlicher und staatlicher Grenzen nicht mehr nur im Blick auf die Verhältnisse der deutschen evangelischen Kirchen. Dieser Grundsatz wurde jetzt nicht mehr nur im Kampf um die evangelischen Gemeinden auf neupolnischem Gebiet ins Feld geführt, sondern haue Geltung im Weltmaßstab. Mehr und mehr verstand Dibelius Ökumene jetzt auch unter gesamtkirchlichen und nicht nur unter partikularkirchlichen Gesichtspunkten. Maßgebend wirkte sich dafür seine Teilnahme als Delegierter an den ökumenischen Kirchenkonferenzen 1925 in Stockholm für praktisches Christentum („life and work") und 1927 in Lausanne für Glaube und Kirchenverfassung („faith and order") sowie an deren Folgekonferenzen aus. Hier begegnete Dibelius erneut der ökumenischen Arbeit SÖDERBLOMs, dessen Freundschaft er nun gewann und den er gelegentlich auch wieder auf die kirchlichen Ostfragen ansprechen konnte 95 . Die Stockholmer geworden, nicht einmal seine nationale Haltung war mehr gefragt. So verzichtete man jetzt bewusst auf das Geleitwort des 1933 aus dem A m t entlassenen Generalsuperintendenten. 93 SoSp. v. 17.5.1931 - Diese Vermischung von kirchlichen und nationalen Motiven spielte bei der Verteidigung des durch die „Deutschen Christen" und die Nationalsozialisten im J a h r 1933 unter D r u c k geratenen Generalsuperintendenten eine wichtige Rolle. Dibelius verwahrte sich damals gegen jegliche staatliche Einmischung in kirchliche Angelegenheiten. Z u seiner Verteidigung erinnerten die Anhänger v o n Dibelius an dessen jahrelanges Engagement für die deutschen Ostgebiete, das seine nationale Zuverlässigkeit ja zweifelsfrei belege: Dibelius habe sein nationales Wollen bereits im Einsatz „für unsere deutschen Brüder in den abgetretenen Gebieten" unter Beweis gestellt und vertrete „grade auch u m der Sache des Vaterlandes willen die volle Selbständigkeit der Kirche" ( V Z v. 8.4.1933). 94 H a b e m u s ecclesiam. Z u r inneren Lage der Unierten Evangelischen Kirche in Polen (Furche 14, 1928, S.88). Dass A . SCHNEIDER der A u t o r dieses Aufsatzes ist, ergibt sich aus dem Textvergleich mit dem entsprechenden Artikel in dem Band seiner gesammelten Aufsätze: GAufs., 1929, S. 126ff. (vgl. auch H . KRUSKA, Seminar, 1958, S.256ff.). 95 Vgl. Dibelius an SÖDERBLOM v. 6 . 1 2 . 1 9 2 7 ( U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). SÖDERBLOM verwandte sich für ein Gespräch mit einem polnischen Minister; mit dem Ergebnis
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Weltkirchenkonferenz hatte seinen Blick für die internationalen Zusammenhänge und die ökumenische Verbundenheit der evangelischen Christenheit nicht nur über staatliche und nationale, sondern auch über kirchliche Grenzen hinweg geweitet 96 . Dass in der neu gewordenen Zeit Kirchengrenzen sich nicht mehr notwendigerweise mit den Staatsgrenzen decken müssen, leitete Dibelius aus der grundsätzlich vollzogenen Trennung von Staat und Kirche in Deutschland ab, wie er umgekehrt auch behaupten konnte, dass erst der ökumenische Horizont des Protestantismus O r t und Aufgabe der deutschen Territorialkirche sichtbar werden lasse: „Erst im Licht von Stockholm hat der deutsche Protestantismus die ganz ungeheure Verantwortung begriffen, die ihm durch die Trennung zwischen Staat und Kirche auf die Schultern gelegt worden war." 9 7 Der archimedische Punkt auch für das Verständnis von Ö k u m e n e war und blieb für Dibelius die „Trennung von Staat und Kirche", wie er sie im nachrevolutionären Deutschland erlebt, verstanden und seinerseits propagiert hatte 98 . In diesem Sinn ist das „Jahrhundert der Kirche", das Dibelius mit seinem gleichnamigen Buch 1926 nicht zuletzt auch auf Grund seiner ökumenischen Erfahrung ausgerufen hatte, immer auch schon ein „Jahrhundert der Ökumene" 9 9 . Erst jetzt ist Dibelius auf die Linie SÖDERBLOMs eingeschwenkt, so wie er es den Erzbischof im Rückblick auf die Stockholmer Weltkirchenkonferenz wissen ließ: „Es ist mir ein Bedürfnis, nach meiner Rückkehr in die Heimat Ihnen ein Wort des Dankes und der Bewunderung für das in Stockholm geleistete Werk zu sagen. Die eigenartige und schwierige Stellung der deutschen Delegation, verursacht durch den D r u c k unserer gesamten äußeren Lage, hat vielleicht hin und her den Anschein erweckt, als überwöge in unsern Reihen ein fruchtloser Pessimismus, der die Entschlußkraft nicht aufbringe, sich dem Bösen in der Welt kraftvoll entgegenzuwerfen. Ich glaube sagen zu dürfen, daß dem nicht so ist. Auch unter denen, die sich, wie ich selbst, auf der Weltkonferenz aus bestimmten des Gesprächs konnte SÖDERBLOM die Befürchtungen von Dibelius zerstreuen: „Ich habe mit dem hiesigen Polnischen Minister eine lange, gründliche und sehr befriedigende Unterredung gehabt über Vandsburg, und auch andere ähnliche Liquidationsfragen... Ich bin überzeugt, daß in Vandsburg keine Liquidation stattfinden wird" (SÖDERBLOM an Dibelius v. 6.2.1928, EBD.). 96 Dibelius unternahm z.B. mit einer Gruppe von kurmärkischen Pfarrern 1928 eine England-Reise und lernte dabei das sonst beargwöhnte angelsächsische Kirchentum kennen (vgl. RdBr. v. 17.7.1928). - Zur Geschichte und Entwicklung der ökumenischen Weltkonferenzen vgl. J. MEHLHAUSEN, Weltkonferenzen, 1989, S.416f. 97 „Die Idee von Stockholm" (Rundfunkvortrag über die „Deutsche Welle" innerhalb einer ursprünglich auf sechs berechneten, dann auf vier Vorträge beschränkten Sendereihe im Frühjahr 1927, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1). 98 „Denn die Weltkonferenz von Stockholm fiel für den deutschen Protestantismus mit einer anderen überaus bedeutungsvollen Stunde zusammen. Mit der neuen deutschen Reichsverfassung war die Trennung von Staat und Kirche proklamiert. Damit standen die evangelischen Kirchen Deutschlands vor Aufgaben und Zukunftsperspektiven, wie sie sie noch niemals gekannt hatten" (Die Idee von Stockholm, Vortrag bei der „Deutschen Welle" im Jahr 1927, Manuskript in: EBD.). 99 Dibelius würdigte Adolf DEISSMANN anlässlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages als einen „Vorkämpfer des Jahrhunderts der Ökumene" (Tagesspiegel v. 6.11.1966).
Geschäftsführer des „Propaganda-Ausschusses" ab 1920
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G r ü n d e n d i e s m a l z u r ü c k g e h a l t e n h a b e n , lebt ein fester W i l l e , i m N a m e n J e s u C h r i s t i f ü r d e n Sieg des G o t t e s r e i c h e s ü b e r die s ü n d i g e W e l t z u k ä m p f e n . I n dies e m W i l l e n h a t u n s das g r o ß e E r l e b n i s d e r S t o c k h o l m e r T a g u n g gefestigt. D a s d a n k e n w i r I h n e n . Sie d ü r f e n w e i t e r e r M i t a r b e i t v o n u n s e r e r Seite a u c h b e i d e r F o r t s e t z u n g des g r o ß e n W e r k e s g e w i ß s e i n ! " 1 0 0 D a s V e r s p r e c h e n w e i t e r e r M i t a r b e i t h a t t e D i b e l i u s , z w a n g s w e i s e u n t e r b r o c h e n in d e r Z e i t des
Kirchenkamp-
f e s 1 0 1 , v o r a l l e m in d e n J a h r e n n a c h 1 9 4 5 e i n g e l ö s t , als e r s i c h a u f d e r W e l t k i r c h e n k o n f e r e n z in E v a n s t o n ( 1 9 5 4 ) f ü r sechs J a h r e in das A m t eines P r ä s i d e n t e n des Ö k u m e n i s c h e n R a t e s b e r u f e n ließ.
Dibelius an SÖDERBLOM v. 17.9.1925 (UB UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). Dibelius konnte noch im August 1936 auf der Tagung des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum in Chamby teilnehmen (vgl. z.B. K.D. SCHMIDT, Dokumente Π/2, Nr.345, S.989ff.); für die Reise zur Weltkonferenz nach Edinburgh („Faith and Order") im August 1937, die fast parallel zu der Oxforder Weltkonferenz („Life and Work") stattfand, wurde ihm die Aushändigung des Reisepasses verweigert. Dibelius war z.B. mit Gerhard GLOEGE, Erik WOLF und Ernst WOLF für die Weltkirchenkonferenz in Edinburgh als Delegierter der Vorläufigen Leitung der D E K vorgesehen. Die Bekennende Kirche übte sich in Solidarität mit Dibelius: „Solange diese Passentziehung aufrechterhalten wird, ist es keinem Mitgliede der Bekennenden Kirche möglich, eine der beiden Weltkirchenkonferenzen zu besuchen." (BÖHM an Canon J . HODGSON [Winchester] v. 8.6.1937, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 21; vgl. auch H . BRAUN / C. NICOLAISEN, Verantwortung I, 1993, Dok.49, S.477). Die Bekennende Kirche hoffte, dass umgekehrt eine Delegation von Oxford der bedrängten Christenheit in Deutschland einen Besuch abstatten würde (vgl. BÖHM an Dibelius v. 24.7.1937, in: E Z A BERLIN, 50/550, pag.57). 100 101
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
3. Dibelius als Geschäftsführer des Religionspädagogischen 3.1 Gründung des Religionspädagogischen
Instituts ab 1923
Instituts
Im August 1921 wurde Dibelius zusätzlich zu seinem Gemeindepfarramt in eine weitere kirchenleitende Aufgabe berufen, in das Amt eines Oberkonsistorialrats beim Berliner EOK. In der Nachfolge von Prof. K A F T A N , der zum Geistlichen Vizepräsidenten des EOK ernannt worden war, wurde ihm das Schulreferat übertragen 1 . In diesem Referat, das Dibelius nebenamtlich versah, konnte er die Erfahrungen und Kenntnisse einbringen, die er als Geschäftsführer des Vertrauensrates in der Zeit nach der Revolution gesammelt hatte. Die Schulfrage war ja schon damals die Nagelprobe darauf, in welchem Geist und mit welcher Zielsetzung der neue Staat mit der Kirche umgehen wollte. Die erste öffentliche Beachtung hatte Dibelius damals auf dem Sektor der Schulfrage mit seiner Unterschriftensammlung unter der konfessions- und parteienübergreifenden Integrationsparole „Für die christliche Schule!" gefunden. Nach dem Dresdener Kirchentag stellte er eine Dokumentation zusammen unter dem Titel: „Der Kampf um die evangelische Schule in Preußen. Ein Merkbuch" ( 1 9 2 0 ) . Darin wird zuerst die Geschichte der Konfessions- und Simultanschule des 19. Jahrhunderts rekapituliert; danach folgt die Dokumentation der revolutionären Auseinandersetzungen um die Schulfrage bzw. um die kirchliche Einbindung des Religionsunterrichts in die staatliche Schule. Fast gleichzeitig gab Dibelius zusammen mit Rektor Peter A D A M S und Hans RICHERT „Die evangelische Erziehungsschule" 2 heraus. Um jeglichen Verdacht einer Restauration abzuwehren, versicherten die Autoren: „Wir wollen vorwärts, nicht rückwärts!" 3 Dennoch griffen sie in ihrer „Vorwärtsstrategie" auf das alte Ideal des Wuppertaler Pädagogen Friedrich Wilhelm DÖRPFELD 4 zurück, der
Vgl. Christ, 1961, S.134f. Die genaue Datierung der beiden angeführten Schriften ist nicht ganz eindeutig. Die erstgenannte ist zwischen den beiden Kirchentagen von Dresden (September 1919) und von Stuttgart (September 1921) erschienen. Dibelius könnte sie noch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Vertrauensrates als Reaktion auf die schulpolitischen Kundgebungen des Dresdener Kirchentages bereits im Jahr 1920 verfasst haben. In dieser Schrift wird die zweite schon angekündigt: „Im Druck" (S.38). - Dibelius dürfte sich mit diesen beiden Schriften für die Übernahme des Schulreferats empfohlen haben. 3 Die evangelische Erziehungsschule (1920/21), S.10. „Das Rad der Geschichte läßt sich nicht rückwärts drehen" (EBD., S.36). 4 Friedrich Wilhelm DÖRPFELD (1824-1893): „der Religionsunterricht war ihm das Herzstück des Schullebens. Ihn didaktisch und methodisch mit dem übrigen Unterricht aufs Innigste zu verbinden, war sein besonderes Bemühen" (Der Kampf um die evangelische Schule [1920], S.34). - Mit ausdrücklicher Bezugnahme auf DÖRPFELDS Ideal der „Schulgemeinden" entstanden in neuester Zeit wieder „Freie Evangelische Schulen" z.B. in Altenkirchen (1988), Berlin (1988), Bochum (1986), Bremen (1979), Essen (1986), Frankfurt (1979), Gießen (1980), Hamburg (1989), 1
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Geschäftsführer des Religionspädagogischen Instituts ab 1923
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von einer einheitlichen und geschlossenen Schulgemeinde - bestehend aus Schülern, Lehrern und Eltern 5 - ausging. Die das ganze Schulleben durchdringende Mitte, das „Herzstück der gesamten Schulerziehung", sollte der Religionsunterricht sein „auf der Grundlage christlicher Bildung und Gesittung" 6 , und als Ziel der schulischen Gesamterziehung wurde die Heranbildung und Verwirklichung christlicher Persönlichkeiten erstrebt in der Abwehr einer rein materialistischen Lebens- und Weltanschauung 7 . Die Erziehungsschule sollte wieder an die Stelle der Lernschule treten. Das Bindeglied zwischen Schul- und Kirchengemeinde stellt nach Dibelius die Elternschaft dar, der deshalb eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen sei. Mit Hilfe des Elternrechts, das als Mitbestimmungsrecht der Eltern vom Zentrum und von der Sozialdemokratie 8 gesetzlich verankert wurde und das über die konfessionelle Ausrichtung der Schule in der jeweiligen Gemeinde entscheiden konnte, sah Dibelius die Chance, die Konfessionsschule weitgehend erhalten und das weltanschaulich neutrale Schulmodell, die von den Linksparteien favorisierte „weltliche Schule", verhindern zu können. Zu den rechtlichen Möglichkeiten kam mit Berufung auf DÖRPFELD das pädagogische Argument, dass Erziehung
und Bildung an der Schule eine einheitliche Ausrichtung erfahren müsse und dass die Einheitlichkeit von Erziehung und Bildung nur in der konfessionellen Schule gewährleistet sei9. Auch der Stuttgarter Kirchentag (1921) forderte deshalb in seiner Kundgebung „für evangelische Kinder nachdrücklich Schulen ihres Bekennt-
5 Ein anderes Ideal von Schulgemeinde entwarf z.B. der Schulreformer Dr. Gustav WYNEKEN, der Leiter der „freien Schulgemeinde Wickersdorf"; er charakterisierte die Schulgemeinde ohne Einbeziehung der Elternschaft folgendermaßen: „Der Zweck der Schulgemeinde ist, aus dem Schulmechanismus eine lebendige Gemeinschaft zu machen, eine Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden und der Lernenden untereinander als einer sich selbst findenden, bejahenden, gestaltenden Jugend" (G. WYNEKEN, Revolution, 1920, S.48; vgl. auch: Die evangelische Erziehungsschule, 1920/21, S.33). 6 Forderung des Werbeausschusses v. 10.12.1918 (Der Kampf um die evangelische Schule [1920], S.17). 7 Vgl. Die evangelische Erziehungsschule (1920), S.81ff. 8 Vgl. Der Kampf um die evangelische Schule (1920), S.13f. - Die Einrichtung einer konfessionell oder weltanschaulich geprägten Volksschule in einer Gemeinde ermöglichte die Reichsverfassung in dem „Weimarer Schulkompromiss" über das Antragsrecht der Erziehungsberechtigten (WRV Art.146, Abs.2; vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.131). Wie stark allerdings das Elternrecht gegenüber der staatlichen Einwirkung gewichtet werden darf, war umstritten (vgl. G.-E. TlLLY, Schule, 1987, S.50ff.). 9 Vgl. Der Kampf um die evangelische Schule (1920), S.34; Die evangelische Erziehungsschule (1920/21), S.35ff. Im gleichen Sinn und mit Berufung auf DÖRPFELD sprach sich auf der Advents-Synode 1925 auch R . MUMM für „die lebendige Einheit der gesamten Erziehung" aus; der Religionsunterricht dürfe nicht nur ein religiöses oder konfessionelles Anhängsel, sondern richtungweisende Mitte des Schullebens sein" (vgl. Generalsynode 1925, S.29ff.). Welche (parteipolitische Absicht dabei verfolgt wurde, machte MUMM in einem Leitartikel der ,Kreuzzeitung' deutlich, in dem er gegen die Demokraten und ihre „Liebe zur Verwaschenheitsschule" und gegen die Sozialdemokraten und ihre „Liebe zur weltlichen Schule" zu Felde zog (R. MUMM, Deutschnationale Kulturpolitik im neuen Reichstag, in: KrZ v. 15.5.1924).
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
nisses, in denen das ganze Schulleben von einem einheitlichen Geist durchdrungen ist und in denen so der Charakterbildung am besten gedient wird" 1 0 . Dibelius hatte im Juni 1922 Gelegenheit, vor der Versammlung der Generalsuperintendenten seine diesbezüglichen Vorschläge zu unterbreiten und diskutieren zu lassen. Nach einem einleitenden Referat über die allgemeine schulpolitische Lage kam er auf die „sog. Aufsicht über den Religionsunterricht" und die „Frage der Lehrerbildung" 11 zu sprechen. Uber das Ergebnis der Aussprache verfasste Dibelius handschriftlich den Protokollvermerk: „Die Arbeit für die Elternbünde muß entschlossen durchgeführt werden, auch gegenüber Pfarrern und Gemeinden, die nicht über den eigenen Horizont hinaussehen", und: „Das Verhältnis zur Lehrerschaft ist von größter Bedeutung." In zweierlei Richtung gingen von nun an seine kirchlichen Bemühungen: Große Aufmerksamkeit schenkte Dibelius der Wahl zu den Elternbeiräten, die ja für die Mitbestimmung über die jeweilige Schulform am Ort eine Schlüsselstellung einnahmen. Evangelische Elternbünde wurden mit kirchlicher Unterstützung gegründet und durch den Evang. Preßverband (A. HINDERER) publizistisch gefördert. Sie hatten ihre organisatorische Spitze im Evangelischen Reichselternbund, der 1922 gegründet wurde und als überregionales Sprachrohr sich für die Beibehaltung der konfessionellen Schule stark machte. Bereits auf dem Reichselterntag in Braunschweig (1923) trat die Organisation in der Öffentlichkeit so selbstbewusst auf, dass sie die Verabschiedung eines Reichsschulgesetzes unter Androhung eines Volksentscheids fordern konnte 12 . Die konfessionellen Elternbünde wurden von der Kirche instrumentalisiert, um über das verfassungsmäßig verbriefte Elternrecht 13 den befürchteten monopolistischen Zugriff des Staates auf die Schule und damit auf die Bildung und Erziehung der Kinder abzuwehren und der Kirche eine Einwirkungsmöglichkeit in der Schule zu sichern. Angesichts dieser Situation bekannten sich evangelische Eltern, Lehrer und Lehrerinnen am 20.4.1923 in Barmen zur „Schule mit der Bibel, die beseelt ist vom Geiste des alten Evangeliums von Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, aber auch zu einer gerechten und gesunden Schulverfassung im
Kirchentag 1921, S.235. Besprechung mit den Generalsuperintendenten am 1./2.6.1922 (EZA BERLIN, 7/4472). 12 Vgl. G.-E. TlLLY, Schule, 1987, S.125. - Auch Dibelius selber engagierte sich bei solchen Großveranstaltungen, so z.B. auf dem 10. Reichseltemtag, der vom 1. bis 3. April 1932 in Potsdam stattfand. Der Hauptreferent war S. SCHÖFFEL aus Hamburg mit dem Thema: „Deutsches Volkstum und evangelische Schule"; Dibelius sprach am Sonntag, 3. April, bei der öffentlichen Kundgebung im Lustgarten (Ankündigung in: EvMark v. 20.3.1932, S.47). 13 H . SCHLEMMER, der Vorsitzende des „Reichsbundes für Religionsunterricht und religiöse Erziehung" wehrte sich gegen die agitatorische und missbräuchliche Berufung auf das Elternrecht: „Elternrecht gegen Staatsrecht auszuspielen hatte einen Sinn im Obrigkeitsstaat, im gegenwärtigen Volksstaat aber, der doch nichts anderes ist als die Zusammenfassung aller Familien, ist es gänzlich gegenstandslos und kann nur zu einer Opposition gegen den Staatsgedanken überhaupt führen, die undeutsch und unevangelisch zugleich ist, in der bisherigen Elternbewegung aber massenhaft zu beobachten war" (ChW 38, 1924, Sp.582; vgl. auch in: E Z A BERLIN, 7/4490). 10 11
Geschäftsführer des Religionspädagogischen Instituts ab 1923
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Sinne des großen rheinischen Pädagogen DÖRPFELD, die auf Gewissensfreiheit und Elternrecht gegründet ist" 14 . In die andere Richtung zielte ein schon „seit langem" geplantes Vorhaben, für eine wissenschaftlich fundierte pädagogische Ausbildung von einigen wenigen Lehrern und Pfarrern zu sorgen, die dann als Multiplikatoren an ihrem O r t und in ihrer Region wirken sollten. Keinem Geringeren als dem damals in Berlin wirkenden Pädagogik-Professor Eduard SPRANGER vertraute sich Dibelius mit seinem Plan an, „weil wir sonst an der Universität niemanden wissen, zu dem wir in wissenschaftlicher und persönlicher Hinsicht das erforderliche volle Vertrauen haben" 1 5 . Für die Idee der Einrichtung eines evangelischen religionspädagogischen Instituts machte Dibelius zwei Motive geltend: Einmal habe die katholische Kirche „im Zeitraum von wenigen Monaten drei religionspädagogische Institute aus der Erde" gestampft; zum andern dürfe man die Kirche gegenüber den schulreformerischen Verfechtern der Gemeinschaftsschule nicht ins Hintertreffen kommen oder ins konservative Abseits geraten lassen; der Kampf um die Erhaltung der evangelischen Schule habe die Kirche „in eine konservative Stellung hineingedrängt. Eine konservative Stellung aber birgt in sich die Gefahr der Stagnation. Es könnte nur allzu leicht dahinkommen, daß der pädagogische Fortschritt sich auf diejenigen Schulformen beschränkt, die dem Christentum gegenüber indifferent oder ablehnend sind und daß in der evangelischen Schule - wie einst im Zeitalter der STIEHL'schen Regulative 16 - die Gesinnung die Qualität der Leistung ersetzen muß." 1 7 Deshalb versuchte Dibelius nun, SPRANGER als Mentor für die pädagogische Fortbildung von Pfarrern und Lehrern zu gewinnen: „Ich hatte mir die Sache so gedacht, daß wir ein paar Pastoren und Lehrer, vielleicht zunächst nur zwei oder drei, für ein bis zwei Semester beurlauben, damit sie hier in Berlin Religionspädagogik studieren. Sie müßten an einer Schule Gelegenheit zu praktischer Ü b u n g finden. Sie müßten an der Universität PädaKJ 50, 1923, S.327. Dibelius an SPRANGER v. 24.4.1923 (BA KOBLENZ, N L Spranger/159). 16 Die STIEHL'schen Regulative von 1854 suchten im Sinn einer national-restaurativen Schulpolitik alle revolutionären, d.h. demokratischen Bildungsansätze abzuwehren und propagierten eine Erziehung „in christlicher, vaterländischer Gesinnung, und in häuslicher Tugend" (1. Regulativ betr. den Seminarunterricht v. 1.10.1854, zit. nach: Κ. E. NlPKOW, Bildung, 1990, S.43). - Dibelius präsentierte sich in seinem Schreiben an SPRANGER als aufgeschlossener, fortschrittlicher und antikonservativer Reformpädagoge, der er im Grunde gar nicht war. 17 Dibelius an SPRANGER v. 24.4.1923 (BA KOBLENZ, N L Spranger/159). - Unverhohlener tritt die doppelte Frontstellung von Dibelius' Schulkampf in seiner Öffentlichkeitsarbeit zutage, in der er seine Leserschaft ganz auf die konfessionelle Schule einschwor, z.B.: „Für den evangelischen Christen sollte kein Zweifel möglich sein, daß die evangelische Bekenntnisschule diejenige ist, die er für seine Kinder zu fordern hat. ...Wenn wir Evangelischen uns nicht rühren, so werden die Katholiken ihre katholische Schule und die Atheisten ihre atheistische Schule haben und unsere evangelischen Kinder werden in .Gemeinschaftsschulen' sitzen" (WoSch. v. 15.5.1921). Den Kampf für die Gemeinschaftsschule bezeichnete Dibelius im Evang. Pressedienst (epd 1928, Nr.7) als „Vorpostengefecht" gegen eine Schule, „in der die Erziehung zu fanatischer Religionsfeindschaft Pflicht jedes angestellten Erziehers" ist (zit. nach: H. SCHLEMMER, Schulpolitik, 1928, S.27, Anm.6). 14 15
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
gogik auf breiter Grundlage studieren. Sie müßten aber daneben in einem Seminar oder in entsprechenden Übungen durch einen der Professoren gefördert werden. ...Meine Frage geht nun dahin, ob Sie, sehr verehrter Herr Professor, geneigt sein würden, sich dieser Sache anzunehmen."18 Nach der Zusage von SPRANGER konnte Dibelius im Juni seinen Plan dem Kollegium der Kirchenbehörde vortragen und zur Genehmigung vorlegen: „Weiter berichtete Oberkonsistorialrat D. Dibelius über die in Aussicht genommene Einrichtung eines Religionspädagogischen Instituts in Berlin. Das Kollegium beschloß, einen Versuch mit diesem Unternehmen zu machen, und erklärte sein Einverständnis damit, daß zu diesem Zweck Mittel in Höhe von 5 bis 6 Hilfsprediger-Gehältern zur Verfügung gestellt würden." 19 Zunächst konnte Dibelius über die Generalsuperintendenten, statt der anfangs geplanten sechs, nur drei junge Pfarrer als Stipendiaten für die im Wintersemester 1923/24 beginnende Arbeit am Institut gewinnen. Neben zwei Pfarrern aus Schlesien und aus Königsberg gehörte dazu auch Lie. DELEKAT aus Priebus. Ein Kuratorium begleitete die Arbeit des Instituts; ihm gehörten Vertreter der Lehrerschaft und einige Berliner Honoratioren an, aber auch OKonsRt DUSKE als Verbindungsmann zum E O K sowie Gensup. BURGHART und Prof. SPRANGER, die beide auch wissenschaftliche Vorlesungen und praktische Übungen anboten. Mit dem Ephorus des Domkandidatenstifts, Hofprediger VITS, vereinbarte der Geschäftsführer die Unterbringung des Instituts samt der Einrichtung einer Präsenzbibliothek20 in den Räumen des Stifts. Mit einer ,,solenne(n) Eröffnungsfeier" 21 Anfang November 1923 konnte die Arbeit des Religionspädagogischen Instituts für das Wintersemester aufgenommen werden, dessen Veranstaltungen auch für die Theologiestudenten der Universität sowie für die Absolventen des Domkandidatenstifts offen waren. 3.2
Das Religionspädagogische
Institut bis 1934
Das Auftakt-Semester verlief nicht befriedigend. Besonders DELEKAT hielt mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. Die Folge war, dass Dibelius ihm die Leitung des Instituts für das Sommersemester anbot und ihn zur Fertigstellung einer Dissertation bei SPRANGER über die „religiösen Grundlagen der Lebensarbeit PESTALOZZIS"22 aufforderte. Sehr schnell hatte Dibelius nämlich die wissenschaftliche Begabung und akademische Neigung DELEKATs erkannt; so ermutigte er ihn später auch noch zur Habilitation - zugleich in der Absicht, mit ihm einen Dibelius an SPRANGER v. 24.4.1923 (BA KOBLENZ, N L Spranger/159). Auszug aus der Verhandlungsniederschrift des E O K und des Generalsynodal-Vorstandes v. 27.6.1923 (EZA BERLIN, 7/4503). 20 Die „Einrichtung des Direktorzimmers und einige andere Möbel" sowie den ersten „Grundstock der Bibliothek" bestritt Dibelius aus privaten Mitteln (Dibelius an E O K v. 28.9.1933, in: E Z A BERLIN, 7/4503). 21 Fr. DELEKAT, Erziehung, 1950, S.143 / Fr. DELEKAT, Lebenserinnerungen, 1971, S.133; vgl. auch den Bericht in: RBo. v. 4.11.1923. 22 Bericht von Dibelius an den E O K v. 7.4.1924 (EZA BERLIN, 7/4503). 18
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Geschäftsführer des Religionspädagogischen Instituts ab 1923
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wissenschaftlich ausgewiesenen Mann der Kirche auch für die Forschung und Lehre an einer Universität gewinnen zu können. Die Leitung des Instituts wusste Dibelius nun in guten Händen. Freilich musste damit gerechnet werden, dass DELEKAT nach Abschluss des Habilitationsverfahrens einen Ruf auf einen ordentlichen Lehrstuhl bekommen und auch annehmen werde 2 3 . Zwischenzeitlich sorgte Dibelius dafür, dass DELEKAT wenigstens formell die Pfarrstelle an einer Kirche im Zentrum Berlins übernehmen konnte. Damit stand für seine Familie eine Wohnung zur Verfügung, und es war für ein ausreichendes Gehalt gesorgt. Von der Johannes-Evangelist-Gemeinde aus war es DELEKAT dann tatsächlich möglich, sich seiner Hauptaufgabe, der Leitung des Instituts, ohne äußere Hemmnisse zu widmen 2 4 . Durch sein PESTALOZZI-Buch, das 1926 ein Jahr vor der 100. Wiederkehr des Todestages des Schweizer Pädagogen erschienen war, wurde DELEKAT als PESTALOZZI-Forscher bekannt und als solcher im PESTALOZZI-Gedenkjahr zu verschiedenen Vorträgen (auch bei den nicht sehr kirchlich gesonnenen Lehrervereinigungen 25 ) eingeladen. Damit rückte zugleich auch das Religionspädagogische Institut in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit. Die Arbeit am Religionspädagogischen Institut wurde weiter ausgebaut: Bis zu zehn Stipendiaten wurden nun von DELEKAT wissenschaftlich betreut, darunter auch Ernst DETERT, der von dort aus seine Dissertation in Angriff nahm 2 6 . Dibelius bemühte sich darum, bei den Unterrichtsverwaltungen die Beurlaubung von Volksschullehrern 2 7 , später auch von Lehrerinnen 2 8 , zu erreichen, damit auch sie die Angebote des Instituts wahrnehmen konnten. Pfarrer WlLM aus Beveringen nahm an den Kursen des Instituts teil und organisierte daraufhin „in der Prignitz die religiöse Beeinflussung innerhalb der Berufsschule" 2 9 ; dafür erstellte er neue Unterrichtsentwürfe und Stoffpläne für den Religionsunterricht an den Berufsschulen. Ein nichtakademisches Pendant des Instituts gründete Dibelius als Vorsitzender des Provinzial-Ausschusses für Innere Mission in Döberitz, damit in der dortigen kirchlichen Heimvolkshochschule den Gemeindegliedern besonders aus den ländlichen Gebieten ein Bildungsangebot von je 4-Wochen-Kursen unterbreitet werden konnte 3 0 . Die Ausweitung der Arbeit des Instituts hatte zur Folge, dass immer neue Dozenten gefunden werden mussten, die es verstanden, sowohl in praktischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht Akzente zu setzen und Impulse zu vermitteln. Unter den Vortragsrednern und Lehrkräften des Instituts finden sich Na-
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Vgl. Bericht von Dibelius an den E O K v. 14.4.1926 (EBD.). Vgl. Fr. DELEKAT, Lebenserinnerungen, 1971, S.143. Vgl. Fr. DELEKAT, Erziehung, 1950, S.146 / DERS., Lebenserinneningen, 1971, S.137f. Vgl. Dibelius an E O K v. 3.6.1927 (EZA BERLIN, 7/4503). Vgl. Dibelius an E O K v. 1.11.1926 (EBD.). Vgl. Dibelius an E O K v. 25.10.1927 (EBD.). Dibelius an E O K v. 3.6.1927 (EBD.). Vgl. E v M a r k v . 4.12.1927, S.112.
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men wie GenSup. BURGHART, Pfarrer G . DEHN 3 1 , Dr. DELEKAT, Dr. Dibelius, O t t o EBERHARD32, Elly HEUSS-KNAPP, Prof. GIRGENSOHN (Leipzig), Prof. HINDERER, Dr. JAHN, Prof. MOLDAENKE, Hans SCHLEMMER, Studienleiter SCHNEIDER (Posen), Fritz SÖHLMANN, Lie. STUPPERICH und andere mehr 3 3 . Auch die Generalsynode nahm jetzt v o m Religionspädagogischen Institut N o tiz, dankte für die dort geleistete Arbeit und forderte den Kirchensenat auf, „auf einen weiteren Ausbau des Instituts bedacht zu sein" 3 4 . U m s o mehr konnte Dibelius seine schon begonnenen Bemühungen 3 5 vorantreiben, für die Leitung des Instituts eine hauptamtliche Stelle zu schaffen. D e n weiteren Ausbau des Instituts begründete Dibelius wiederum kulturkämpferisch mit dem Argument, die evangelische Kirche liege in den Schulangelegenheiten sowohl gegenüber der katholischen Kirche als auch gegenüber der staatlichen Kulturpolitik im Hintertreffen. Unter dem Eindruck des gescheiterten Entwurfs des Reichsschulgesetzes, das von dem DNVP-Minister v. KEUDELL eingebracht 3 6 und von der evangelischen Kirche lebhaft unterstützt worden war, argumentierte Dibelius bei seiner Antragstellung folgendermaßen: „Wenn die katholische Kirche das Scheitern des Reichsschulgesetzes mit größerem Gleich31 Nicht ohne Stolz berichtete Dibelius, „daß die Verleihung der theologischen Doktorwürde an Pfarrer Günther DEHN unter besonderer Bezugnahme auf seine Mitarbeit im Relpäd. Institut erfolgt" sei (Dibelius an E O K v. 3.6.1927, in: E Z A BERLIN, 7/4503). 32 Zu O t t o EBERHARD vgl. K . E . NlPKOW, Eberhard (1875-1966), 1989, S.210-222. 33 Das Religionspädagogische Institut veranstaltete Anfang 1932 in Verbindung mit der 1925 gegründeten „Gesellschaft für evangelische Pädagogik", bei der auch EBERHARD mitarbeitete, einen erziehungswissenschaftlichen Lehrgang für Pfarrer im Spandauer Johannesstift; als Referenten wurden u.a. angekündigt: Pfarrer Dr. BÖHM mit dem Thema „Die psychologische Problematik des Konfirmandenunterrichts - von der bündischen Jugend aus gesehen" und Lie. STUPPERICH mit dem Thema „Die Jugend im pädagogischen Angriff der Gegenwart - der Angriff des Bolschewismus". - Unter den Stipendiaten wird 1933 auch Dr. J . WINTERHAGER genannt, ein Schüler von Wilhelm DIBELIUS; dessen Lebensweg hat Otto Dibelius nach dem T o d seines Bruders in besonderer Weise begleitet und gefördert (vgl. Dibelius an E O K v. 9.11.1933, in: E Z A BERLIN, 7/4503). 34 Generalsynode 1927, Drucksache Nr.126. 35 Vgl. Dibelius an E O K v. 3.6.1927, v. 18.2.1928 und v. 19.1.1929 (EZA BERLIN, 7/4503). 36 Vgl. die v o m Evang. Preßverband für Deutschland herausgegebene Broschüre: Der Reichsschulgesetzentwurf mit amtlicher Begründung v o m 19. Juli 1927 erläutert und gewürdigt, Berlin o.J. (1927). Der Entwurf gab die seither beabsichtigte Vorzugsstellung der Gemeinschaftsschule auf und stellte die konfessionellen und konfessionsfreien Schulen mit der Gemeinschaftsschule gleich; weiter regelte er in § 16 die umstrittene „Einsichtnahme in den Religionsunterricht" entsprechend den Wünschen der Kirchen so, dass den obersten Stellen der Religionsgesellschaften die Gelegenheit zu geben sei, „sich davon zu überzeugen, ob der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgesellschaft erteilt wird". Das Recht der Einsichtnahme wäre demnach in erster Linie den Generalsuperintendenten zugefallen, was Dibelius - auch in der Folgezeit - immer wieder gefordert hatte. Die Sozialdemokratie stellte sich allerdings - teilweise im Einklang mit der D V P - gegen diesen Entwurf und forderte, z u m Weimarer Schulkompromiss zurückzukehren, in dem der Gemeinschaftsschule eine Vorzugsstellung vor den anderen Schulformen eingeräumt wurde. Außerdem wurde von der S P D die Möglichkeit der kirchlichen Einsichtnahme als Einbuße der staatlichen Schulhoheit und als Gefährdung der Unterrichtsfreiheit der Lehrer abgelehnt (vgl. dazu im Ganzen: W. WlTTWER, Schulpolitik, 1980, S.136ff.; G.-E. TlLLY, Schule und Kirche, 1987, S.123ff.; zur Geschichte der gescheiterten Entwürfe eines Reichsschulgesetzes vgl. auch oben S.72f.).
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mut ansehen kann als die evangelische, so hat das nicht nur darin seinen Grund, daß sie ihres Besitzstandes an konfessionellen Schulen viel sicherer sein kann als die evangelische Kirche, sondern auch darin, daß ihre pädagogischen Leistungen, dank einer jahrzehntelangen zielbewussten Arbeit, weithin Anerkennung genießen und das katholische Schulwesen den Vergleich mit dem Schulwesen anderer Konfessionen und Weltanschauungen wohl aufnehmen kann. Demgegenüber ist die evangelische Kirche noch immer im Rückstand. Wir sehen es mit den größten Bedenken mit an, daß die Preußische Kultusverwaltung Unternehmungen wie (die) des Direktors KARSEN37 in Neu-Kölln mit allen Mitteln fördert. Aber wir müssen uns sagen, daß es auf unserer Seite an Persönlichkeiten mangelt, die eine ebenso starke Initiative mit der gleichen pädagogischen Durchbildung verbinden und infolgedessen imstande sind, jenen Schöpfungen atheistisch-sozialistischer Erzieher bedeutende Leistungen evangelischer Art entgegenzustellen." 38 Noch bevor Dibelius seine weitergehenden Aufbaupläne verwirklichen konnte 39 , erreichte DELEKAT ein Ruf auf eine ordentliche Professur an der Technischen Hochschule in Dresden. Nach dem Rat SPRANGERs, den ersten Ruf an eine Hochschule nicht abzulehnen, nahm DELEKAT an und versah ab Herbst 1929 den dortigen Lehrstuhl für Religionswissenschaften40. Mit BURGHART, der nach CONRADS T o d das A m t des Geistlichen Vizepräsidenten im E O K bekleidete 41 ,
verständigte sich Dibelius über die Nachfolgefrage mit dem Ergebnis, dass das Kuratorium den Hallenser Privatdozenten Dr. Ottomar WlCHMANN mit der einstweiligen Leitung des Instituts beauftragte42. Die Einrichtung einer hauptamt37 Fritz KARSEN entwickelte die Theorie einer „Schule der werdenden Gesellschaft" und strebte in der Schulpraxis eine integrierte Gesamtschule an, in der gesellschaftliches Bewusstsein als Lebensform besonders auch in der Verbindung mit der Berufs- und Arbeitswelt eingeübt werden sollte. KARSEN wurde 1933 von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben. In Südamerika und in den U S A schuf er sich einen neuen Wirkungskreis und kehrte nach dem 2. Weltkrieg kurzzeitig im Auftrag der amerikanischen Militärregierung wieder nach Deutschland zurück (vgl. G. RADDE, Karsen, 1973). 38 Dibelius an E O K v. 18.2.1928 (EZA BERLIN, 7/4503). 39 Zwischenzeitlich wurde von Dibelius auch erwogen, dem Religionspädagogischen Institut den rechtlichen Status eines Vereins zu geben und den hauptamtlichen Direktor als Vereinsgeistlichen von der Kirche freistellen zu lassen (vgl. Dibelius an E O K v. 14.9.1928, in: E Z A BERLIN, 7/4503). 40 DELEKAT blieb der Kirche trotzdem erhalten: Bei der Ausarbeitung der „Freiburger Denkschrift" während des 2. Weltkrieges zog Dibelius auch seinen ehemaligen Protege hinzu, der einen Entwurf zum Abschnitt „Erziehung" beisteuerte (vgl. H . THIELICKE, Stunde Null, 1979, S.28, 113-127). 41 Da die Stellung des Generalsuperintendenten durch die Verfassung aufgewertet, die des Geistlichen Vizepräsidenten im E O K aber abgewertet worden war, „hat sich denn auch D. BURGHART nur schwer entschließen können, seine Generalsuperintendentur aufzugeben und das Amt des Geistlichen Vicepräsidenten anzunehmen. Wir aber freuen uns, daß er das Opfer bringen wird. Er hat ein hervorragendes Verwaltungstalent und wird unserer Kirche in dieser Beziehung sicherlich sehr große Dienste leisten" (Dibelius an SÖDERBLOM v. 12.11.1927, in: U A UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). 42 Vgl. Dibelius an E O K v. 11.11.1929 (EZA BERLIN, 7/4503). Bereits ein Jahr später wurde dem Leiter des Religionspädagogischen Instituts vom Preußischen Ministerium der Titel eines
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liehen Stelle für den Institutsleiter wurde mit Rücksicht auf die finanziellen Engpässe der Kirche noch einmal verschoben. Mit der Übernahme des Kirchenregiments durch die „Deutschen Christen" im Jahr 1933 änderte sich schlagartig die weitere Unterstützung des Instituts durch den EOK. Das Religionspädagogische Institut war ein Werk von Dibelius, und als solches musste es - wie er selbst - von der kirchlichen Bildfläche verschwinden. Bevor das Institut sein 10-jähriges Bestehen hätte feiern können, wurden die Gelder für diese Arbeit gestoppt, die Auflösung des Instituts zum 1.4.1934 beschlossen und dem Leiter gekündigt 43 . Besonders einschneidende Folgen hatte dieses harte Vorgehen für W I C H M A N N selbst, da seine Stellung nicht eindeutig geregelt war. Er konnte nur seiner Verbitterung und Enttäuschung darüber Ausdruck geben, dass der EOK nicht einmal die von Dibelius geforderte „moralische Verantwortung" 44 wahrnahm und für einen verbindlich vereinbarten und auskömmlichen Lebensunterhalt sorgen wollte 45 . Nachdem das Wissenschaftsministerium erklärt hatte, dass W l C H MANNs Verwendung auch im Staatsdienst nicht in Aussicht stehe, hat sich der EOK wenigstens bemüßigt gefühlt, dem Institutsdirektor ohne Anerkennung einer rechtlichen oder anderweitigen Verpflichtung eine schmale, über drei Jahre hin abgestufte Ubergangsversorgung zu gewähren 46 .
3.3 Die Schulfrage und die A usbildung von Lehrern und Pfarrern Den Anlass und den Ansatz für das schulpolitische und religionspädagogische Engagement der Kirche sah Dibelius in dem geschichtlichen Ereignis der November-Revolution von 1918: „Da kam der 9. November 1918. Königskronen rollten in den Staub. Alte Ideale gingen in Trümmer. Auch das Ideal der Staatsschule brach zusammen. Denn der neue Staat, in dem wir nun leben, hat seine Legitimation zur Erziehung der Jugend verloren." 47 Zwei Gründe für diesen Verlust an Legitimität benannte Dibelius: Einmal habe der aus dieser Revolution hervorgegangene Staat seinen ehemals christlichen Grundcharakter aufgegeben und so in all seinen Behörden Autorität und Glaubwürdigkeit eingebüßt; zum anderen finde jetzt auch die Politik Eingang in die Schule; damit ist, so Dibelius, die „innere Geschlossenheit des alten staatlichen Schulwesens...dahin." 48 außerordentlichen Professors verliehen (vgl. Dibelius an EOK v. 12.12.1930, EBD.), was nicht nur für die wissenschaftliche Qualifikation WiCHMANNs, sondern auch für das Renommee des Instituts sprach. 43 Im September 1933 gab es offensichtlich noch Überlegungen, das Institut in DC-Hand zu übernehmen und weiterzuführen; als Mitglieder eines neu zusammenzusetzenden Kuratoriums finden sich auf einem Notizzettel die Namen FREITAG, Dr. KRAUSE und PETER (EBD.). 44 Dibelius an EOK v. 9.9.1933 (EBD.). 45 Vgl. WICHMANN an EOK v. 2.11.1933 (EBD.). 46 Vgl. zum ganzen Vorgang ausführlicher: W. DANIELSMEYER, Institut, 1984, S.201-209. 47 Die evangelische Erziehungsschule, 1920/21, S.22. 48 EBD. - Bei seinem Vortrag auf der schulpolitischen Woche des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins am 30.11.1926 in Berlin setzte Dibelius sofort mit diesem Schwellenereignis der Geschichte ein: „Eine Erörterung über die Stellung der Evangelischen Kirche zum Staat und zur
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Dibelius wollte allerdings weder zur alten Staatskirche noch zur Staatsschule der vergangenen Zeit zurück. Was er aber über die epochale Zäsur der Revolution in die neue Zeit hinüberretten wollte, das war ein konsens- und integrationsfähiges Schulideal auf der Basis eines fächerübergreifenden, den Geist der ganzen Schule bestimmenden Fundaments: eine einheitliche „Weltanschauung" auf der Grundlage des Christentums. Das Erziehungsziel von ehedem sollte auch weiterhin gepflegt werden können: „das der sittlichen Persönlichkeit im Sinne des Christentums. ... Denn Erziehung ist nur möglich auf der Grundlage einer bestimmten, geschlossenen Lebensgesinnung. " 4 9 Garant eines solchen geschlossenen Schulideals kann nun nicht mehr der religiös neutrale Staat, sondern nur noch die von diesem Staat getrennte evangelische Kirche sein. N u r sie kann sachgerecht und zeitgemäß das Erbe des versunkenen Staates antreten, denn nur sie bildet und vermittelt die „Gesinnungseinheit evangelischen Glaubens" 5 0 . Und deshalb muss - in paritätischer Anerkennung der katholischen Schule - die Schule konfessionell, d.h. in einheitlichem Geist ausgerichtet und von einer geschlossenen „Weltanschauung" geprägt sein. In der von Dibelius mitbegründeten Zeitschrift ,Die evangelische Pädagogik' formulierte dieser sein Erziehungsprogramm der Geschlossenheit, das sich mit seinen Zielen, Idealen und Maßstäben dem Schulideal von Johann Heinrich PESTALOZZI, Johann Friedrich HERBART, Friedrich Wilhelm DÖRPFELD und Friedrich PAULSEN verpflichtet wusste. Maßgebend für das diesem Programm zugrundeliegende Menschenbild ist das des biblischen Jesus: „Wehe dem Erzieher, der kein höheres Ziel kennt als das, ein Kind nach seinem eigenen Bilde zu gestalten! ...In der Gestalt Jesu sehen wir das Leitbild, das dem Erzieher vor Augen stehen muß - ein Leitbild, das für die von Gott gegebene Eigenart jedes einzelnen jungen Menschen vollen Spielraum läßt und doch bestimmt genug ist, um der Erziehungsarbeit feste Geschlossenheit zu geben. In den Kräften des christlichen Glaubens sehen wir Mittel und Wege, den werdenden Menschen diesem Bilde näher zu bringen. Die Gnade Gottes, die das Evangelium verbürgt, gibt unserer Erziehungsarbeit die sieghafte Zuversicht, ohne welche Erziehung nicht fruchtbar sein kann." 5 1 Erziehung muß ausgehen von dem entscheidenden Ereignis deutscher protestantischer Kirchengeschichte im 20. Jahrhundert. Das ist die Trennung von Staat und Kirche (infolge) der Staatsumwälzung von 1918" (Manuskript in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1). 49 Die evangelische Erziehungsschule, 1920/21, S.23. Mit seiner Forderung nach einem geschlossenen Schulsystem setzte sich Dibelius auch mit der Konzeption einer Gemeinschafts- oder Simultanschule auseinander: „Hier ist der Punkt, an dem die Simultanschule, die Schule der Toleranz, ihre innere Unzulänglichkeit enthüllt. Eine Schule, an der alle Weltanschauungen gleichberechtigt sind, kann keine Erziehungsschule sein!" (EBD., S.55). 50 EBD., S.31. 51 Dibelius schrieb als 2. Vorsitzender der Gesellschaft für evangelische Pädagogik das Geleitwort für die neu gegründete Zeitschrift (Zum Geleit, in: Die evangelische Pädagogik, 1926, S.lf.). Das Ziel bzw. die Fiktion einer geschlossenen und einheitlichen Schulerziehung und -bildung spielte in der Diskussion um die Schulfrage nach dem 2. Weltkrieg gerade innerhalb der evangelischen Kirche eine kontroverse Rolle. O. HAMMELSBECK z.B., der Religionspädagoge der Bekennenden Kirche, verkündete, von der Barmer Erklärung herkommend, auf der ersten Bil-
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Die einzige wirkliche Konkurrenz zu seinem Schulmodell sah Dibelius in dem Schulideal der Sozialdemokratie 52 , dem er deshalb ebenfalls das Kennzeichen der Geschlossenheit zuerkannte. Aber dieses Programm war in seinen Augen einer Erziehung verhaftet, die die Kinder der Familie und dem Elternhaus entfremde, einzig und allein den Materialismus lehre, den Einzelnen der Masse opfere und ihn den Interessen einer partikularen Klasse ausliefere. Dibelius forderte deshalb die Bildung von „Schulgemeinden", zu deren tragenden Säulen, wie wir schon gesehen haben, nicht nur Lehrende und Lernende gehören, sondern auch die Eltern hinzugerechnet werden müssen53. Von der christlich gesonnenen Elternschaft versprach sich Dibelius ein antisozialistisches Resistenz- und Mobilisierungspotential - freilich unter der fiktiven Voraussetzung, dass die Eltern in ihrer überwiegenden Mehrheit auf einen christlichen Erziehungskonsens ansprechbar seien. Deshalb verlangte er die Stärkung des Elternrechts in den schulischen Angelegenheiten und ein entsprechendes Engagement der Gemeindeglieder bei den Elternbeiratswahlen. Aus diesen Gründen hatte Dibelius einer Gleichberechtigung oder gar Vorrangstellung der „weltlichen" Schule den Kampf angesagt. Die notorisch erhobene Forderung nach einem von der Verfassung vorgeschriebenen Reichsschulgesetz rechnete damit, dass in den schnell wechselnden Koalitionen der Reichsregierung eher diese von den Rechtsparteien vertretene Position Eingang finden könnte und so auch - Reichsrecht bricht Landrecht! - in dem von einer gefestigten Bastion und langandauernden Regierungsmehrheit der Sozialdemokraten bestimmten Preußen greifen würde. Umgekehrt war mit dieser Forderung natürlich auch die Angst verbunden, das Reichsschulgesetz könnte vielleicht doch noch eine übergeordnete Option für die weltliche Schule festschreiben54. Jedendungssynode der E K D in Berlin-Spandau (1958) den Grund-Satz, die Kirche sei „zu einem freien Dienst in einer freien Schule bereit"; er nahm damit Abschied v o n einem ordnungspolitischen Denkmodell Dibelius'scher Prägung (vgl. Kundgebungen der E K D 1 9 4 5 - 1 9 5 9 , S.272ff.; vgl. auch Κ . E. NlPKOW, Bildung, 1990, S.46ff.; speziell zu Oskar HAMMELSBECK: G . ADAM, Hammelsbeck, 1989, S.236-249). 52 Dass ein übertriebenes Nationalgefühl das Schulwesen beherrschen könne, hielt Dibelius f ü r unwahrscheinlich; gerade einem solchen Nationalgefühl schiebe die Religion in der Schule einen Riegel v o r : „Nationalismus ohne die Vertiefung durch eine Weltanschauung v o n sittlichem Ernst w i r d zum Chauvinismus. U n d f ü r den Chauvinismus ist kein Platz im deutschen Geistesleben. W i r wollen f ü r uns und unsere Kinder Weltanschauung, die das tiefste Leben erfaßt, die unser Bedürfnis nach Ewigkeit befriedigt. W i r wollen Religion." Trotzdem konnte Dibelius ein Jahr v o r der Machtergreifung der Nationalsozialisten ganz im Trend der damaligen Zeit propagieren: „Erziehungsziel ist der christliche Mensch deutscher A r t " (SoSp. v. 31.1.1932). 53 In der vorrevolutionären Zeit erlebte Dibelius als Kandidat des Königlichen Predigerseminars in Wittenberg in der dortigen „Lutherschule" noch eine Schulgemeinde, die n u r aus Schülern und Lehrern aufgebaut war: „Die Kinder untereinander und die Kinder mit ihren Lehrern müssen eine Gemeinde bilden. U n d diese Gemeinde m u ß nicht nur nach ernstem, sittlichem Leben streben, - sie m u ß auch einen Kultus haben" (Das Königliche Predigerseminar zu Wittenberg, 1 9 1 7 , S.207). SÖDERBLOM hatte Dibelius Ende 1927 nach Schweden eingeladen und ihn u m die Assistenz bei einer Bischofsweihe gebeten. Dibelius sah sich aber genötigt, die ehrenvolle Einladung abzuschlagen: „Wir stehen gegenwärtig im Kampf um das Reichsschulgesetz. Dabei handelt es
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falls war Dibelius' schon bekannte propagandistische Umtriebigkeit herausgefordert: Ende 1927 berief er Pfarrer zu Kursen ein, auf denen sie Argumentationsund Agitationshilfen für den von der Kirche favorisierten KEUDELL'schen Gesetzentwurf erhielten 55 . Aber weder dieses noch ein anderes Reichsschulgesetz kam während der ganzen Weimarer Zeit zustande. Dadurch blieb es faktisch beim Status quo, der den ehemals konfessionellen Schulen immerhin Bestandsschutz garantierte. Dadurch war vorläufig der kirchliche bzw. konfessionelle Einfluss an den Volksschulen gewährleistet. Mit der Arbeit des Religionspädagogischen Instituts ist der Wille der Kirche deutlich geworden, bei der Ausbildung der Lehrkräfte und bei der religionspädagogischen Qualifizierung der Pfarrer mitzuwirken. Schule und Kirche sollten näher zusammenrücken und bei aller Anerkennung des formalen Aufsichtsrechts des Staates auch über den Religionsunterricht 56 den staatlichen Einfluss begrenzen 57 . In dieser Absicht plädierte Dibelius immer mehr für eine Ausbildung und Fortbildung von Lehrern und Pfarrern, die auf Pädagogischen Akademien in der Hand der Kirche liegen sollte 58 . Als Trägerin einer solchen Akademie konnte sich u m die wichtigste innerpolitische und kulturelle Frage, die w i r seit der R e v o l u t i o n zu lösen gehabt haben. Ich m u ß t e dreißig jüngere Geistliche meines Sprengeis versammeln, u m sie für diesen K a m p f zu instruieren. E i n e Verlegung dieses Instruktionskursus erwies sich als nicht möglich. U n d ich durfte es m i r nicht nachsagen lassen, daß ich meine Pflicht in einer der wichtigsten Aufgaben der H e i m a t k i r c h e zurückstelle" (Dibelius an SÖDERBLOM v. 12.11.1927, in: U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). 55 H a n s SCHLEMMER, der öffentlich gegen diesen Gesetzentwurf auftrat, berichtete: „So wurde in der K i r c h e n p r o v i n z Brandenburg ein besonderer Kursus für etwa 6 0 bis 7 0 Pfarrer abgehalten, in dem sie zur Agitation für das Reichsschulgesetz geschult wurden. Aufgetreten sind dann diese Pfarrer nicht in ihrem eigenen Kirchenkreis, sondern in Nachbarkreisen, was sich als eine taktisch außerordentlich geschickte Maßregel herausstellte" (H. SCHLEMMER, Schulpolitik, 1928, S.29). 56 D a s „Aufsichtsrecht des Staates über den Religionsunterricht wird die evangelische K i r c h e anzuerkennen h a b e n " (Die evangelische K i r c h e und der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen, in: R B o . v. 4.10.1922). Dibelius geht es freilich u m das kirchliche Äquivalent, u m die Frage der „kirchlichen E i n s i c h t n a h m e " in den Religionsunterricht: „wie gewinnt die K i r c h e die U b e r z e u g u n g , daß der Religionsunterricht in einer Schule, die in den H ä n d e n des Staates ist ...ihrem Geist wirklich entspricht?" (Wird die K i r c h e endlich das erlösende W o r t sprechen?, in: D e u t s c h e L e h r e r - Z e i t u n g N r . i l v. 17.3.1923). 57 A u f der Gegenseite hegte man verständlicherweise den Verdacht, dass auf diesem W e g wieder die verhasste kirchliche Schulaufsicht v o n ehedem ihren Einzug halten sollte: „wer sich die Stellungnahme des Oberkonsistorialrats Dibelius vergegenwärtigt ...und seine Vorträge in dem v o n i h m gegründeten Religionspädagogischen I n s t i t u t . . , der wird...fürchten müssen, daß eine viel drückendere Aufsicht im Anzüge ist, als w i r sie je bisher gekannt h a b e n " ( H . SCHLEMMER in: C h W 38, 1924, Sp.582; vgl. auch in: E Z A BERLIN, 7 / 4 4 9 0 ) . 58 D i e G r ü n d u n g der Kirchlichen H o c h s c h u l e in Berlin durch die B e k e n n e n d e K i r c h e (1935) k a m diesem Anliegen v o n Dibelius sehr entgegen. Allerdings entwickelte sich die K i r c h l i c h e H o c h s c h u l e nach dem 2. Weltkrieg nicht nach Dibelius' Vorstellungen; sie wollte sich nicht an das G ä n g e l b a n d der K i r c h e n e h m e n lassen. Aus Protest gegen die ganze E n t w i c k l u n g legte D i b e lius dann 1959 auch das A m t des Ehrenpräsidenten der Kirchlichen H o c h s c h u l e nieder. - Später plädierte Dibelius erneut für die Einrichtung Kirchlicher H o c h s c h u l e n , u m nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die geistliche Heranbildung und das „kirchliche" Bewusstsein des T h e o logennachwuchses zu gewährleisten: „Was soll unsere T h e o l o g i s c h e H o c h s c h u l e künftig sein:
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s i c h d i e K i r c h e e i n e n d r e i f a c h e n V o r t e i l v e r s p r e c h e n : E i n m a l h ä t t e sie die E n t scheidung über Zulassung oder Ablehnung der rapid anwachsenden Zahl
von
S t u d i e n b e w e r b e r n 5 9 in i h r e r H a n d ; freie H a n d h ä t t e sie a u c h bei d e r B e r u f u n g d e r P r o f e s s o r e n ; v o r a l l e m a b e r k ö n n t e sie L e h r e r n u n d P f a r r e r n - ä h n l i c h w i e b e i m M i l i t ä r o d e r bei d e r F o r s t v e r w a l t u n g , d e r I n d u s t r i e u n d d e n B a n k e n - e i n e berufsständische, d.h. eine effektivere u n d praxisbezogenere Ausbildung v e r m i t teln, selbstverständlich o h n e die Wissenschaftlichkeit der A u s b i l d u n g 6 0 z u s c h m ä l e r n . D i e Z u r ü s t u n g f ü r die P r a x i s ist n a c h D i b e l i u s f ü r d e n P f a r r e r e b e n s o w i c h t i g w i e f ü r d e n L e h r e r : „ E s ist n i c h t w a h r , d a ß m a n e i n e r G e m e i n d e das E v a n g e l i u m n u r d a n n w i r k s a m p r e d i g e n k a n n , w e n n m a n a c h t S e m e s t e r T h e o l o g i e studiert hat."61
eine Fakultät? Bitte, dann gliedert sie in die Universität ein und stellt die Freiheit ihrer Lehrer unter den Schutz des Staates! Oder soll sie eine Bildungsstätte sein, in der die Kirche den jungen Studenten sagt, was die Kirche zu sagen hat und was in dem wissenschaftlichen Betrieb der Fakultäten ...zu kurz kommt? Eine saubere Trennung der beiden Gesichtspunkte scheint mir notwenig zu sein" (Bischofsbericht auf der Regionalen Synode West am 9. November 1964, vervielfältigtes Manuskript S . l l ) . In Fortführung dessen stellte Dibelius dann folgende Überlegung an: „Man könnte sich denken, daß es zwischen Staat und Kirche zu einer Absprache käme: die Fakultäten nur noch Forschungsstätten mit freien Kursen für künftige Jünger der Wissenschaft; die Ausbildung der jungen Theologen aber Sache der Kirche - völlig losgelöst von der Universität, auf Kirchlichen Hochschulen betrieben." (Memorandum über eine Reform des theologischen Anfangs-Studiums durch die Kirchenleitung [ca. 1965], S.43, in: Sammlung Grüneisen BERLIN) Dibelius rekurrierte dabei ausdrücklich auf die Erfahrungen der Bekennenden Kirche und auf BONHOEFFERs „Gedanken über ein Bruderhaus für junge Theologen" (EBD., S.53f.). 59 Dibelius diskutierte verschiedene Auslese- und Siebmöglichkeiten am Anfang des Studiums (vgl. SoSp. v. 18.5.1930, 19.4.1931, 8.11.1931, 17.1.1932 und 24.1.1932; vgl. auch PrBl 64, 1931, Sp.779; PrBl 65, 1932, Sp.88ff., 118ff., 200). 60 Später setzte sich Dibelius engagiert für einen kirchlich orientierten und organisierten Wissenschaftsbetrieb ein: „Ein künftiger Pfarrer muß studiert haben. Das steht zwar nicht in der Bibel. Aber es ist in der evangelischen Kirche der Brauch gewesen seit Jahrhunderten. U n d ich denke, es ist ein guter Brauch. ...Wozu die Universität führen kann, das entspricht etwa dem, was bei den Medizinern das Physikum ist. Auch der Mediziner lernt ja erst nachher, nämlich am Krankenbett, was es um den ärztlichen Beruf eigentlich ist. Das Studium bis zum theologischen Physikum' ...- das kann die Kirche dem Staat überlassen. Aber die eigentliche Ausbildung, die Ausbildung für die kirchliche Lebensarbeit, die muß sie in ihre eigenen Hände nehmen. Wer sollte das sonst tun?" (Dibelius in der RIAS-Sendung „Kirche in der Zeit" am 1.10.1964, Manuskript in: Sammlung Winterhager BERLIN). SoSp. v. 18.5.1930. Das ,Protestantenblatt' kommentierte diese im Trend des wachsenden Antiintellektualismus stehenden Ausführungen von Dibelius bitter und spitz: „Wenn derlei Pfarrer Rechtlich aus Knippelsdorf auf der Gnadauer Osterkonferenz der Lutheraner sagt, so regt uns das nicht auf. Aber hier hat es uns die Rede verschlagen, und wir gestehen, daß wir die Sprache noch nicht wiedergefunden haben." (PrBl 63, 1930, Sp.332; vgl. auch: D . Dibelius und die theologischen Fakultäten, in: PrBl 63, 1930, Sp.341f.) Das ,Protestantenblatt' hielt es Dibelius allenfalls zugut, dass er im Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen über einen Kirchenvertrag mit Preußen hier nur taktisch zu verstehen sei; denn in einem solchen Vertrag würde es ja auch um die Einflussmöglichkeit der Kirche bei der Berufung von Theologieprofessoren an den Universitäten gehen: „Den Kirchen wird es naheliegen, dann zu fordern, daß sie Einfluß auf die Anstellung der Theologieprofessoren erhalten oder behalten, und sie können solche Forderung um so leichter erheben, je weniger die Kirchen auf die staatlichen Universitäten angewiesen scheinen. Auf diese Verhandlungen soll wohl die Äußerung von Dibelius einwirken" (PrBl 63, 1930, Sp.360).
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Aber auch für die Lehrer62 sollte die Ausbildung nach Meinung von Dibelius besonders im Blick auf die weltanschauliche Auseinandersetzung mit der „bolschewistischen Gefahr" kirchlich gesteuert sein. Dem Lehrer sollte dabei sogar verkündigende Kompetenz und Verantwortung eingeräumt werden: „Die Verkündigung des Evangeliums kann nicht länger das Monopol des ordinierten Pfarrers sein. Evangelischer Religionsunterricht ist unter den neuen Verhältnissen in ganz anderem Sinn Verkündigung des Evangeliums, als er es früher war. Die Grenze zwischen der Verkündigung an die Jugend und an die Gemeinde der Erwachsenen ist fließend. Die Schranken müssen gelockert werden, die heute den evangelischen Religionslehrer einengen. Unmöglich kann der Lehrer und Organist einer Landgemeinde, der durch die Pädagogische Akademie gegangen ist, darauf beschränkt werden, gelegentlich in Vertretung des Pfarrers eine gedruckte Predigt vorzulesen. Ihm müssen neue Vollmachten für die Verkündigung gegeben werden. Auch dem Religionslehrer in der Stadt, zumal dem Religionslehrer, der ebenso wie der Pfarrer das Neue Testament in der Ursprache lesen kann." 63 Die schulpolitische Konzeption hatte bei Dibelius also das Ziel, dass Kirche und Schule zwar ineinander verzahnt sind, dass aber doch die Kirche mit ihrer geschlossenen, christlichen „Weltanschauung" der Schule übergeordnet bleibt und die kirchlich ausgebildeten Lehrer sogar durch eine Verkündigungsaufgabe kirchlich gebunden und in den Dienst und in die Pflicht der Kirche gestellt werden. Das ordnungspolitische Gegenüber von Staat und Kirche führt demnach zu einer Aufgabenteilung: Der Staat soll seiner funktionalen Aufgabe nachkommen und die entsprechenden äußeren Rahmenbedingungen und die Fachkompetenz für den Schulbetrieb schaffen, während die Kirche die Verantwortung für das pädagogische Gesamtziel aller Erziehung und Bildung an der Schule zu tragen hat. Dem Staat, der sich durch die Revolution auch auf dem Bildungssektor delegitimiert hat, darf die Schule nicht überlassen werden. Nicht die Schule ist die Schule der Nation, sondern die Kirche ist die Schule der Nation. Dibelius sah seit der Revolution von 1918 in der Schulfrage die Nagelprobe auf das Verhältnis von Kirche und Staat, die entscheidende Nahtstelle, an der sich die Kultur und Charakterformung, Erziehung und Bildung, Gesinnung und Gesittung eines Volkes treffen mussten. In den ersten schulpolitischen Ankündigungen des preußischen Kultusministeriums im Jahr 1933 schien es so, als übernehme der Nationalsozialismus die erwähnten Schulziele, als mache er sich zum Garanten einer antibolschewistischen Schulpolitik und zum Sympathisanten der ordnungspolitischen Bestrebungen der evangelischen Kirche. So kündigte der Reichskommissar im preußischen Kultusministerium R U S T bereits im Februar 1933 die Aufhebung der weltlichen Schule 62 Die pädagogischen Akademien sollen keine „Pseudo-Universität" sein. „Darum müssen sie eingestellt sein auf Weltanschauung und ethisches Handeln. Darum müssen sie innerlich einheitlich sein. Eine ,Anarchie der Werte' wäre ebenso tödlich für die Pädagogische Akademie, wie die Konfessionalisierung tödlich wäre für die Universität" (Konfessionalisierung der Bildung?, in: D A Z v. 5.4.1929). 63 „Die Stunde ist da!" (EvDt v. 30.3.1930, S.108); vgl. auch C h W 44, 1930, Sp.402.
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Kirche zwischen Selbstbehauptung und Selbsterneuerung
an. „Außerdem wurde grundsätzlich beschlossen, den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in den Berufsschulen und Fortbildungsschulen einzuführen." 64 U m s o größer musste die desillusionierende Erfahrung gewesen sein, als man dann, wie Dibelius in einem offenen Brief an alle Eltern von evangelischen Kindern in Berlin vom Oktober 1945 schrieb, nach und nach „den Religionsunterricht und alles Christliche aus dem Leben der Schule entfernt" hatte. U n d jetzt nach dem 2. Weltkrieg, so zieht Dibelius im Jahr 1945 die Parallele angesichts der Bildungspolitik besonders in der sowjetischen Besatzungszone Berlins, „stehen wir vor der bitteren Tatsache, daß unsere Hoffnung sich nicht erfüllen soll. Es wird jetzt angekündigt, daß alles Christliche aus dem Leben der Schule entfernt werden soll - genau wie es unter dem Nationalsozialismus war. Der Religionsunterricht soll in der Schule kein Heimatrecht mehr haben. ...Die weltliche Einheitsschule, die jetzt proklamiert wird, ist nicht etwa eine religiös neutrale Schule. Bei der Erziehung gibt es keine Neutralität in den letzten großen Fragen des Menschenlebens.... Die weltliche Schule ist klar und unmißverständlich eine Schule gegen die christliche Religion." 65 Unter den schul- und ordnungspolitischen Vorgaben und Vorzeichen, Erfahrungen und Entscheidungen der Weimarer Zeit und des „Dritten Reiches" ging nun Dibelius als Berliner Bischof für Berlin-Brandenburg und dann als Ratsvorsitzender der E K D die Aufgaben der Kirche in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg im geteilten Deutschland an: Ein neuer „Kirchenkampf" hatte begonnen.
K r Z v. 23.2.1933, S.l. Brief des Evangelischen Bischofs von Berlin an die Eltern v. 25.10.1945, zit. nach: G. HEIDTMANN, Kirche, 1954, S.165. 64
65
KAPITEL 2
KIRCHE ALS NEUE AUTORITÄT ZWISCHEN STAAT UND POLITIK
1. Dibelius im Amt des Generalsuperintendenten 1.1 Das Amt des
der Kurmark
Generalsuperintendenten
Das Preußische Ministerium der Geistlichen-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten hatte im Jahr 1829 „auf Befehl Seiner Majestät des Königs" eine neue Geschäftsordnung für die Generalsuperintendenten erlassen1. Darin wurde vor allem die geistliche Ausrichtung des Amtes der Generalsuperintendenten hervorgehoben. Ihre vordringlichsten Aufgaben bestanden demgemäß in der Prüfung der Kandidaten, Ordination der Pfarramtsbewerber, Installation der Ephoren (d.h. der Superintendenten), Visitation der Gemeinden und in der Überwachung von Lehre und Wandel der Pfarrer und Kirchenbeamten. Der geistlichen Prägung des Dienstes entsprach von nun an auch in stärkerem Maß die Selbständigkeit des Amtes gegenüber den kirchlichen Institutionen: Die Generalsuperintendenten bilden „keine Zwischen-Instanz, sondern sind den geistlichen ProvinzialBehörden beigeordnet"2; allerdings stehen sie, wie es die staatliche Gebundenheit innerhalb des damaligen landesherrlichen Kirchenregiments erforderte, „unmittelbar unter dem Ministerio der geistlichen Angelegenheiten". Die Amtsinhaber bekamen eine weitgehende Freiheit gegenüber den kirchlichen Instanzen, blieben aber von Staats wegen an das Ministerium und den jeweiligen Ober-Präsidenten gebunden. Nicht nur durch diese Weisungsgebundenheit, sondern auch durch die finanzielle Abhängigkeit vom Ministerium waren die Generalsuperintendenten als Staatsbeamte ausgewiesen. Innerkirchlich verschaffte die geistliche Betonung des Amtes den Generalsuperintendenten immer mehr eine eigenständige und herausragende Bedeutung. So beantragte z.B. die Pommersche Provinzialsynode im Jahr 1887 beim EOK eine 1 Instruction f ü r die Generalsuperintendenten v. 14.5.1829, vgl. E Z A BERLIN, 7/774; vgl. auch J. WRIGHT, Parteien, 1977, S.4. Das Ministerium wurde im Jahr der kirchlichen U n i o n (1817) durch den Preußenkönig FRIEDRICH WILHELM III. u.a. „für die W a h r n e h m u n g der staatlichen Kirchenhoheitsrechte gegenüber beiden großen Konfessionen" geschaffen (Α. V. CAMPENHAUSEN, Staatskirchenrecht, 1983, S.35); Dibelius beurteilte die Kirchenpolitik dieses Königs, dessen persönliches Anliegen die Vereinheitlichung der Agende und die Herstellung der preußischen U n i o n war, sehr kritisch (vgl. Staatsmänner v o r der Kirchenfrage, 1936, S.521-530). 2
Instruction, Ziffer 3; das folgende Zitat EBD.
146
Kirche als neue Autorität zwischen Staat u n d Politik
eigene, so noch nicht bestehende agendarische Form für die gottesdienstliche Einführung eines neu ernannten Generalsuperintendenten 3 . Dieses vertiefte Verständnis des Amtes wurde staatlicherseits nicht nur respektiert, sondern auch gefördert und gewürdigt. Als Abzeichen der besonderen geistlichen Würde des Amtes stiftete der König im Jahr 1891 für die Generalsuperintendenten der Monarchie ein Kreuz, „welches von denselben an einem schwarzen Moire-Bande um den Hals auf die Brust herabhängend zu tragen ist und nach dem Ableben des Stelleninhabers auf den Amtsnachfolger übergeht" 4 . Als ein weiterer wichtiger und zugleich auch öffentlichkeitswirksamer Schritt auf dem Weg zur Ausgestaltung und Anerkennung des eigenständig-geistlichen Amtes der Generalsuperintendenten galt ein noch während des Krieges abgehaltener Musterprozess vor dem Königlichen Verwaltungs- bzw. Oberverwaltungsgericht in Berlin. Es ging dabei in erster (1914) und in zweiter (1916) Instanz darum, ob der Berliner Generalsuperintendent der Neumark und Niederlausitz, D . KESSLER, als Inhaber eines geistlichen Amtes einer anderen rechtlichen und steuerlichen Beurteilung unterliegt als die übrigen Mitglieder des Konsistoriums. Diese waren zweifelsfrei als Staatsbeamte im Vollsinn eingestuft und auch steuerlich veranlagt worden. Gerichtlich musste also die Frage geklärt werden, „ob den Generalsuperintendenten in Ansehung ihres Diensteinkommens aus diesem Amte die Steuerfreiheit der Geistlichen oder nur das Steuervorrecht der Beamten zusteht." 5 Im Ergebnis des Rechtsstreites musste der zunächst beklagte und dann in der Revision klagende Berliner Magistrat „den in einem Einzelfall streitig gewordenen Anspruch der Herren Generalsuperintendenten ... auf den Genuß des Kommunalsteuerprivilegs der Geistlichen als begründet" 6 anerkennen; danach wurden die Generalsuperintendenten der preußischen Landeskirche als Inhaber eines geistlichen Amtes steuerlich günstiger veranlagt als die übrigen Staatsbeamten in den kirchlichen Behörden. Staatskirchenrechtlich und rechtspolitisch bemerkenswert ist dabei nicht nur das Ergebnis dieses Prozesses, sondern auch die Urteilsbegründung, die sich ganz auf das von der Kirche und den Synoden entwickelte Selbstverständnis vom Amt eines Generalsuperintendenten 7 stützte. Demnach versteht die Kirche die Generalsuperintendenten - mit Rücksicht auf den staatlichen Summepiskopat unter Vermeidung jeglicher „bischöflichen" 8 Terminologie - als „pastores pastorum" Beschluss der Pommerschen Provinzialsynode v. 19.10.1887 (vgl. E Z A BERLIN, 7/774). Amtliche Mittheilungen des Königlichen Konsistoriums der Provinz Brandenburg N r . 11 v. 28.8.1891, S.108. 5 Ministerium der geistlichen Angelegenheiten an E O K v. 14.2.1916 ( E Z A BERLIN, 7/776). 6 E O K an den Präsidenten des Königl. Konsistoriums v. 25.9.1916 ( E Z A BERLIN, 14/1613). 7 Gutachten des E O K ( E Z A BERLIN, 7/776, pag.23ff.). 8 Erzbischof SÖDERBLOM, der v o n 1912 bis 1914 als Professor für Religionsgeschichte an der Universität Leipzig lehrte und aus dieser Zeit die kirchlichen Verhältnisse in Deutschland aus eigener Anschauung kannte, hatte erfahren, dass der Kaiser einzelnen hervorragenden Kirchenmännern den Bischofs-Titel als persönliche Auszeichnung verleihen wollte. Weil er es aber verhindern wollte, dass der Bischofs-Namen wie schon zur Zeit v o n FRIEDRICH WILHELM III. nur ad personam und nicht auf ein spezifisches A m t bezogen sein sollte, machte er Kaiser WlL3 4
Im Amt des Generalsuperintendenten der Kurmark
147
u n d „ O b e r h i r t e n d e r P r o v i n z i a l k i r c h e " u n d d e m g e m ä ß i h r A m t als „ o b e r h i r t l i c h e s A m t " 9 . N a c h d e m d e r S u m m e p i s k o p a t d u r c h die T r e n n u n g v o n K i r c h e u n d S t a a t gefallen w a r , b e k a m d e r B i s c h o f s t i t e l w i e d e r e i n e n n e u e n S i n n u n d e i n e neue C h a n c e . U n t e r diesem Gesichtspunkt wagte Dibelius bereits 1 9 1 9 die P r o p h e z e i u n g : „ D i e e v a n g e l i s c h e n K i r c h e n w e r d e n w i e d e r B i s c h ö f e an i h r e r S p i t z e s e h e n , ä h n l i c h w i e das in d e r k a t h o l i s c h e n K i r c h e v o n alters h e r d e r F a l l w a r . " 1 0 U n t e r a l l e r d i n g s a n d e r e n V o r z e i c h e n s t a n d d a n n i n n e r k i r c h l i c h die S t e l l u n g des G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n bei d e r v e r f a s s u n g g e b e n d e n
Kirchenversammlung
in d e n J a h r e n 1 9 2 1 / 2 2 n o c h e i n m a l z u r D e b a t t e . N e b e n d e m P r ä a m b e l s t r e i t u n d d e r B i s c h o f s f r a g e , n e b e n d e m u m s t r i t t e n e n W a h l m o d u s f ü r die k i r c h l i c h e n K ö r p e r s c h a f t e n u n d d e r F r a g e des V o r s i t z e s i m K i r c h e n s e n a t w a r die k i r c h l i c h e E i n ordnung
und
institutionelle
Gewichtung
des
Generalsuperintendenten-Amtes
„eine d e r w i c h t i g s t e n F r a g e n , a u f d i e i m A u f b a u d e r V f . A n t w o r t g e g e b e n w e r HELM Π. 1917 den Vorschlag, auch in der preußischen Kirche den (Erz-)Bischofsnamen als AmtsBezeichnung einzuführen: „Das Bischofsamt drückt ja wie kein zweites die Okumenizität und die dem Staate und dem Reiche gegenüber loyale Selbständigkeit der christlichen Kirche aus. ...Kann von einer wirklichen Parität der zwei großen Kirchengemeinschaften - der evangelischen und der katholischen - gesprochen werden, solange die evangelische Kirche kein Bischofsamt besitzt?" (EZA BERLIN, 7/776, pag.32 / Hundert Jahre Evangelischer Oberkirchenrat, 1950, S.195) - Ein entsprechendes vom Kaiser beim E O K angefordertes Gutachten betonte zwar die grundsätzliche Möglichkeit eines solchen bischöflichen Amtes in der evangelischen Kirche, war aber vor allem davon bestimmt, dass die Einführung des Bischofs-Titels sich mit dem Summepiskopat des monarchischen Staatsoberhaupts nicht vereinbaren lässt: „Die Wiederherstellung des Bischofsamts ... würde unseres ehrfurchtsvollen Dafürhaltens mit dem landesherrlichen Kirchenregiment Euerer Majestät nicht vereinbar sein, vielmehr im Endergebnis auf dessen Beseitigung hinauslaufen und damit zugleich eine entscheidende Wendung in der Richtung der völligen Trennung der Kirche vom Staate bedeuten." (Gutachten des E O K [gez. VOIGTS] v. 8.12.1917, EBD., S.203) Das Gutachten machte also darauf aufmerksam, dass mit der Einführung des Bischofsnamens auch die Trennung der Kirche vom Staat eingeleitet würde - „und zwar seitens der Kirche. W i r wissen nicht, ob nach göttlicher Fügung unsere evangelische Kirche diesen Weg geführt werden soll. Ernste Zeichen der Zeit deuten allerdings darauf hin. Sollte auf Seiten des Staates die Entwicklung diesen Weg nehmen, so würde die Kirche sich darauf einrichten und dann vielleicht zur Wiederherstellung des Bischofsamts als Träger des Kirchenregiments übergehen müssen. Es wird aber unserer alleruntertänigsten Meinung nach nicht Aufgabe der Kirche sein, diesen Entwicklungsgang zu beschleunigen oder gar herbeizuführen und so das segensreiche Band, das Euere Majestät mit der evangelischen Kirche und letztlich die Kirche mit dem Staate verbindet, selbst zu lösen." (EBD., S.205) - U m die Eingliederung der neupreußischen Gebiete in den altpreußischen Staat nicht auch noch durch kirchenpolitische Schwierigkeiten zu belasten, neigte schon BISMARCK zu einer Trennung von Staat und Kirche. Er setzte sich damit gegen den König und den summus episcopus freilich nicht durch. D e r E O K und die Preußische Union überstanden so ihre damalige Existenzkrise im Zeitraum zwischen 1866 und 1872 (vgl. G. BESIER, Kirchenpolitik, 1980, S.425ff.). Auch im Jahr 1917 wollte der E O K den damals mühsam erhaltenen status quo zumindest nicht von sich aus aufs Spiel setzen. - Dibelius hatte 1929 von diesem Schriftwechsel zwischen SÖDERBLOM und dem Kaiser bzw. E O K erfahren und bei SÖDERBLOM um Übersendung desselben gebeten (vgl. R . STUPPERICH, Söderblom, 1989, S.64f.). 9 Vgl. zum Ganzen auch KJ 45, 1918, S.50-52; zu FRIEDRICH WILHELM ΠΙ und seiner Vorliebe für den Bischofstitel und zu FRIEDRICH WILHELM IV und seinem Versuch, durch die Verleihung des Bischofstitels den landesherrlichen Summepiskopat an die Kirche zurückzugeben vgl. E. BENZ, Bischofsamt, 1953, S.107ff. und S.126ff. 10 Die Trennung von Kirche und Staat, 1919, S.18; mit besonderer Aufmerksamkeit wurde diese Wendung auf der katholischen Seite vermerkt (vgl. Deutscher Merkur 50, 1919, S.130).
148
Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
den"11 musste. Nahezu unbestritten war in der Debatte der Konstituanten, dass die Stellung des Generalsuperintendenten in seinem geistlichen Amt der seitherigen Entwicklung entsprechend weiter gestärkt werden müsse. Ob diese Stärkung allerdings darin bestehen solle, dass man die Generalsuperintendenten mit Rücksicht auf ihre geistlichen Aufgaben von aller Verwaltungsarbeit weitgehend freistellen müsse oder ob gerade dem obersten Geistlichen der Provinz der Vorsitz im Konsistorium - neben dem geschäftsführenden Konsistorial-Präsidenten! übertragen werden solle, dies war die heiß umkämpfte Frage. Dabei spielten auch kirchenpolitische Motive, angestaute Aversionen gegen eine von Juristen beherrschte Behördenkirche und, seitens der im Amt befindlichen Konsistorialpräsidenten, auch persönlicher Standesdünkel eine nicht unerhebliche Rolle 12 . Die Kirchenversammlung folgte schließlich dem Entwurf des EOK und übernahm in der Leitung des Konsistoriums das duale System: Den Vorsitz im Konsistorium hatte der Generalsuperintendent inne neben dem geschäftsführenden Konsistorial-Präsidenten13. Das amtlich sicherlich nicht günstige und persönlich nicht förderliche Nebeneinander 14 von Vorsitzendem und Präsidenten wurde aber bewusst in Kauf genommen zu Gunsten einer institutionellen und personellen Verklammerung zwischen der Kirchenbehörde und den Kirchengemeinden in der Person des Generalsuperintendenten. Das geistliche Amt des „Oberhirten der Provinzialkirche" wurde dadurch auch institutionell aufgewertet und der Provinzialbehörde eine geistliche Führung vorangestellt. Der Geistliche Vizepräsident im EOK, Julius K A F T A N , war es, der sich in der Kirchenversammlung vor allem für die geistliche Ausrichtung und die gesamtkirchliche Aufwertung des Generalsuperintendenten-Amtes einsetzte; er begrüßte und begründete deshalb die getroffene Entscheidung: „Wir meinten, auf andere Weise den Hauptzweck nicht zu erreichen und zu verwirklichen, den lebendigen Zusammenhang näm-
11 Bericht über die Verhandlungen der verfassunggebenden Kirchenversammlung 1921/22, Bd.I, S . 1 1 1 8 0 . KAFTAN); vgl. auch den Briefwechsel zwischen den beiden Brüdern Theodor und Julius KAFTAN v. 1 7 . 1 2 . 1 9 2 1 und v. 1 4 . 1 0 . 1 9 2 2 (W. GÖBELL, Kirche Π, 1967, S.766 u. S.788). 12 Vgl· J· JACKE, Kirche, 1976, S.262f., S.265. - W e n n man die Entwicklung der Verselbständigung der Kirche und des geistlichen Amtes im Gegenüber zum Staat berücksichtigt, w i r d man dem Urteil jACKEs nicht folgen können, wonach die verstärkte Position der Generalsuperintendenten „erklärtermaßen" der Absicht gedient habe, „die Entwicklung eines rein synodal-parlamentarischen Systems abzublocken" (vgl. EBD., S.300). 13 A m t i e r t e n in einer Kirchenprovinz zwei oder mehrere Generalsuperintendenten (wie z.B. in Brandenburg, Pommern, Schlesien), dann wechselte der Vorsitz im Konsistorium turnusgemäß alle zwei Jahre unter den Amtsinhabern. - Im M ä r z 1922 warnte Dibelius v o r der Gefahr vieler Reibungsmöglichkeiten; er plädierte damals allerdings nicht gegen das duale System, das den Generalsuperintendenten aufwertete, sondern f ü r die Verkleinerung der Kirchenprovinzen auf jeweils n u r einen Sprengel mit einem Generalsuperintendenten an der Spitze. Er hielt also das Nebeneinander v o n mehreren Generalsuperintendenten f ü r problematischer als das Nebeneinander v o n geistlichem Vorsitz und juristischem Präsidenten im Konsistorium (vgl. Deutsche Tageszeitung v. 18.3.1922). 14 Kritisch dazu äußerte sich auch Dibelius (vgl. Die Verfassung der preußischen Landeskirche, in: Deutsche Tageszeitung v. 18.3.1922).
Im Amt des Generalsuperintendenten der Kurmark
149
lieh des Kirchenregiments mit den Gemeinden und Pastoren, überhaupt mit der ganzen Kirche." 1 5 Mit dieser Konstruktion bekam nun auch das Amt des Generalsuperintendenten über die jeweilige Provinz hinaus eine gesamtkirchliche Bedeutung. Als Vorsitzender des Konsistoriums stand der Generalsuperintendent nicht nur der Provinzialkirche vor, sondern er hatte als solcher auch Sitz und Stimme kraft Amtes im Kirchensenat, der höchsten kirchenleitenden Institution der Landeskirche. Zugleich übernahm die Versammlung aller Generalsuperintendenten der A p U , deren Geschäftsordnung nur der Zustimmung des Kirchensenats bedurfte, gesamtkirchliche Verantwortung, indem sie zu eigenständigen Kundgebungen und Hirtenbriefen bevollmächtigt wurde 16 . Die Verfassungsurkunde der A p U war ein Kompromisswerk und erfuhr nicht einmal als solches die so sehr erwartete und erwünschte Einmütigkeit und breite Zustimmung der Kirchenversammlung 17 . Unter dem hohen Anspruch, die landeskirchliche Verfassung „dem Wesen der Kirche entsprechend neuzugestalten" 18 , war die Konstituante ursprünglich angetreten. Jedoch scheint ihr wenigstens die Ausgestaltung des geistlichen Amtes und die institutionelle Aufwertung des Generalsuperintendenten - gemessen an den damals vorhandenen und durchsetzbaren Gestaltungsmodellen - gelungen zu sein. Nach der Ablösung des landesherrlichen Kirchenregiments wurde nun eine geistliche Leitung der Kirche installiert, ein durchaus eigenständiges (Gegen-)Gewicht gegenüber der synodalen Legislative und der behördenkirchlichen Exekutive, eine Kraft der Kirche und ein Amt sui generis, das am ehesten in geistlicher Kompetenz, in inner- und außerkirchlicher Unabhängigkeit und in personeller Repräsentanz darzustellen vermochte, was man unter der Parole vom „Wesen der Kirche" 1 9 damals zwar vollmundig anstrebte, aber doch nur unklar definieren und identifizieren konnte. Ein Amt der Kirche war es, das am ehesten das einende Band und die einigende Kraft der Kirche nach innen und außen sowie seine dominierende und integrierende Stellung über den kirchenpolitischen Parteien verkörpern sollte. Man muss sich die Bedeutungsentwicklung dieses geistlichen Amtes vergegenwärtigen, um verstehen zu können, welch hohe Erwartungen an die künftigen Amtsinhaber in der neu gewordenen Kirche gestellt wurden und mit welchem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein Otto Dibelius am 1. Februar 1925 das Amt des Generalsuperintendenten antrat und die geistliche Leitung der Kurmark übernahm.
Bericht über die Verhandlungen, Bd.I, S.1182 (J. KAFTAN). Es ist das Amt der Generalsuperintendenten, „in freier selbständiger Verantwortlichkeit zu handeln und, ungehindert durch Rücksichten, die die Verwaltungsstellen nehmen müssen, das zu tun, was die Stunde fordert" (Die Christenverfolgung in Rußland, in: Der Tag v. 7.3.1930). 17 Dibelius erwartete und wünschte diese Einmütigkeit und Geschlossenheit, damit die Kirche dem Staat gegenüber wegen seiner finanziellen Verpflichtungen selbstbewusster auftreten könne (vgl. Deutsche Tageszeitung v. 18.3.1922). 18 Zit. nach J. JACKE, Kirche, 1976, S.299. 19 Vgl. Evangelische Grundsätze (1919/20), S.6. 15
16
Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
150 1.2
Benennung
und Einsetzung
in das Amt des
Generalsuperintendenten
D i b e l i u s ' V o r g ä n g e r i m A m t des k u r m ä r k i s c h e n G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n D . K a r l A X E N F E L D 2 0 , ehemaliger D i r e k t o r der B e r l i n e r Stadtmission,
war
1918/19
M i t g l i e d des B e r l i n e r V o l k s k i r c h e n d i e n s t e s u n d - z u s a m m e n m i t O t t o BAUMGARTEN - sachverständiges Mitglied der d e u t s c h e n F r i e d e n s d e l e g a t i o n 2 1 für die k i r c h l i c h e n Belange der a b z u t r e t e n d e n Ostgebiete. AXENFELD hatte, w i e a u c h der G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t für die N e u m a r k u n d Niederlausitz, seinen A m t s s i t z in B e r l i n . W e i l d e r G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t der K u r m a r k aber keinen offiziellen P r e d i g t a u f t r a g an einer B e r l i n e r K i r c h e 2 2 m e h r hatte, w i e dies für d e n K o l l e g e n der N e u m a r k u n d N i e d e r l a u s i t z an der M a t t h ä i - K i r c h e i m m e r n o c h galt, hielt wenigstens ein sporadisch w a h r g e n o m m e n e r Predigtdienst an der B e r l i n e r K i r c h e z u m H e i l s b r o n n e n die V e r b i n d u n g zu einer b e s t i m m t e n K i r c h e n g e m e i n d e aufr e c h t 2 3 . So fand a u c h die gottesdienstliche E i n f ü h r u n g 2 4 AXENFELDs z u m G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n der K u r m a r k a m 8. M a i 1 9 2 1 in der K i r c h e z u m H e i l s b r o n n e n statt, w o Dibelius die 2. Pfarrstelle innehatte. G a n z ü b e r r a s c h e n d j e d o c h , s c h o n n a c h dreijähriger A m t s z e i t , starb A X E N FELD m i t 5 5 J a h r e n a m 11. J u n i 1 9 2 4 . D a m i t stellte sich u n e r w a r t e t die N a c h f o l gefrage.
Zum Lebenslauf von Karl AXENFELD vgl. KJ 51, 1924, S.594. Vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S.181. 22 AXENFELDS Vorgänger, D. KOEHLER, hatte als Generalsuperintendent eine ständige Predigtstelle an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche inne; er hatte diese aber nach ständigen Angriffen von Seiten des ,Berliner Tageblattes' entnervt aufgegeben (vgl. WoSch. v. 29.3.1925). - Nach dem 2. Weltkrieg wurde mit der Marienkirche die Bischofskirche bewusst in den Osten Berlins verlegt. Erst die neue, 1961 vollendete Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde dann wieder für den damaligen Bischof von Berlin zur evangelischen „Bischofskirche". Dibelius stiftete 1964 den an der dortigen Rückwand angebrachten spanischen Kruzifixus im Gedenken an die Märtyrer des 20. Juli 1944 mit der für ihn bezeichnenden biblischen Unterschrift: „Der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." (ljoh 5,4) Damit korrigierte er auch die Ablehnung des politischen Widerstandsrechts, wie sie die Brandenburgischen Kirchenleitung noch am ersten Jahrestag des 20. Juli im Jahr 1945 vertreten hatte: „Die Kirche Jesu Christi kann einen Anschlag auf das Leben eines Menschen niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt werden mag" (vgl. E. BETHGE, Bonhoeffer, 1986, S.1042). Nicht kirchliches oder gar persönliches Selbstbewusstsein allein wollte Dibelius zur Schau stellen, er forderte vielmehr ein dieses Selbstbewusstsein begründendes und an den bereits geschehenen, vorlaufenden Sieg Jesu Christi gebundenes Siegesbewusstsein: „Was man den evangelischen Christen von heute zumuten muß, ist: ein bißchen mehr Siegesbewußtsein.... Missionarisches Wirken ist nur möglich, wenn man Siegesbewußtsein in sich trägt, ein Siegesbewußtsein nicht von uns selber, sondern weil wir an die Siege Jesu Christi gebunden sind" (Der Auftrag der Kirche in einer veränderten Welt, 1962, S.36). 23 Die Familie AXENFELD wohnte im Bereich des 2. Bezirks der Kirchengemeinde zum Heilsbronnen; den Konfirmandenunterricht bei Dibelius besuchte deshalb der jüngste Sohn, Karl AXENFELD, der am 30.7.1925 im Alter von 18 Jahren zusammen mit OKonsRt LÜTTGERT (dem Kommentator der Verfassungsurkunde) bei einer Bootsfahrt auf dem Rhein tödlich verunglückt ist (vgl. RdBr. v. 5.10.1925; EZA BERLIN, 7/381). 24 Bei dem Einführungs-Gottesdienst für AXENFELD assistierte Dibelius als Liturg, ebenfalls auch bei der Trauerfeier für den verstorbenen Generalsuperintendenten (vgl. EZA BERLIN, 7/11065). 20 21
Im A m t des Generalsuperintendenten der Kurmark
151
Bereits zwei Tage nach der Beisetzung AXENFELDs wurde Dibelius telegrafisch vom Präsidenten des EOK, R. MoELLER, nach Bethel gerufen, wo gerade der Kirchentag des Kirchenbundes versammelt war. Offenbar sollte dort bereits die Nachfolgefrage im persönlichen Gespräch beraten werden 25 . Schon zu diesem frühen Zeitpunkt favorisierte MOELLER das nebenamtliche Mitglied des EOK und den 2. Pfarrer der Kirche zum Heilsbronnen für das Amt des kurmärkischen Generalsuperintendenten, während der Geistliche Vizepräsident des EOK, J. K A F T A N , damit zunächst noch nicht einverstanden war 26 . Gerade die gewachsene Bedeutung des Amtes des Generalsuperintendenten machte eine sorgfältige und auch unter politischen und kirchenpolitischen Gesichtspunkten wohlüberlegte Entscheidung erforderlich. Unmittelbar in die Zeit vor der plötzlich akut gewordenen Nachfolgefrage fiel eine Zeitungs-Kontroverse, die Dibelius' Haltung im Blick auf das Amt des Generalsuperintendenten und seine Besetzung auch unter kirchenpolitischen Gesichtspunkten schlaglichtartig beleuchtet. Einen Monat vor dem unerwarteten Tod AXENFELDs schrieb Dibelius anlässlich des Wechsels im Amt des Generalsuperintendenten von Schlesien mit dem Sitz in Breslau in seiner sonntäglichen ,Wochenschau': „An Stelle des in den Ruhestand getretenen General-Superintendenten D. HAUPT ist Prof. D. SCHIAN zum Gen.-Superintendenten für Niederschlesien gewählt worden. Mit ihm wird seit längerer Zeit zum ersten Male wieder ein Führer der Mittelpartei in das oberste Kirchenamt berufen. Die zuletzt ernannten
Gen.-Superintendenten
(D. AXENFELD, D. BURGHART, KALMUS,
D. KAEHLER, RIEHL) gehören der kirchlichen Rechten an."27
25 Das in seinem Wortlaut merkwürdig verschlüsselte Telegramm vom 13.6.1924 an den Weltlichen Vizepräsidenten des EOK, Ernst HUNDT, lautete: „AXENFELD dankbar einverstanden Dibelius Montag hier erwünscht = MOELLER". 26 Julius KAFTAN an seinen Bruder Theodor KAFTAN ν. 12./13.7.1924: „Meine Hauptsorge ist jetzt der Nachfolger von AXENFELD. Ich bin da mit MOELLER nicht ganz einig." (W. GÖBELL, Kirche Π, 1967, S.859) Schon sehr bald nach dem Tode AXENFELDs bemühte sich auch Konsistorialpräsident STEINHAUSEN um eine baldige Wiederbesetzung des verwaisten Amtes. Dabei machte er dem EOK gegenüber auch personelle Vorschläge: zunächst nannte STEINHAUSEN als mögliche Kandidaten KonsRt LANG und den Neuruppiner Sup. GÜNTHER (Eingabe v. 16.6.1924) und schlug dann zusätzlich noch KonsRt D. CONRAD, OKonsRt Lie. Dr. Dibelius und Domprediger D. DOEHRING vor (Eingabe v. 30.6.1924). STEINHAUSEN bat erneut den EOK um baldige Wiederbesetzung, nachdem nun die neue Verfassungsurkunde v o m 29.9.1922 in Kraft getreten sei (Eingabe v. 13.10.1924). Schließlich verwahrte sich der Konsistorial-Präsident gegen den gerüchtweise bekanntgewordenen Plan, den Berliner GenSup. HAENDLER mit der Kurmark zu betrauen und dafür GenSup. BURGHART allein das evangelische Groß-Berlin zu übertragen: durch den Vorsitz im Konsistorium seien die Generalsuperintendenten ohnehin arbeitsmäßig überlastet, und außerdem müsse dem Vormarsch der katholischen Kirche Einhalt geboten werden gerade „in dem Augenblick, w o ein päpstlicher Nuntius in Berlin eingezogen ist und die Jesuiten in deutschen Landen ihr Wesen treiben" (Eingabe v. 16.10.1924; vgl. EZA BERLIN, 7/11065). 27
WoSch. V. 11.5.1924.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
Sowohl die rechtsorientierte ,Kreuzzeitung' 2 8 als auch das ,Evangelisches Kirchenblatt für Groß-Berlin' missbilligten diese Art von Kirchenpolitik, wie sie hier Dibelius in einem für die Gemeinde und den „gemeinen Mann" bestimmten Sonntagsblatt treibe; zudem sei die Mittelpartei unter den Generalsuperintendenten wie auch bei den Referenten des E O K , gemessen an der Zusammensetzung der verfassunggebenden Kirchenversammlung, überrepräsentiert - und zu dieser Mittelpartei zähle ja auch der Oberkonsistorialrat Dibelius selber 29 . Dibelius nahm diese Einwände und Einsprüche zum Anlass, u m dazu ebenfalls wieder in seiner ,Wochenschau' 3 0 - unmittelbar nach dem T o d AXENFELDs und nach dem Besetzungsgespräch mit MOELLER - Stellung zu nehmen. Z u m einen stellte er dabei mit großer Bestimmtheit fest, dass die Mitglieder des E O K z u m „obersten Kirchenamt" im Sinne seiner Äußerung v o m 11.5.1924 nicht gehören: „Es gibt in der evangelischen Kirche nur ein oberstes geistliches A m t ; das ist das bischöfliche A m t des Generalsuperintendenten." Z u m anderen rechtfertigte er die kirchenpolitischen Gruppierungen in den Synoden mit pragmatischen Gründen: „ D a vereinfacht es die Arbeit und bringt die Maschine sofort in Gang, wenn Gruppen vorhanden sind, durch die die große Versammlung in übersehbare Teile zerlegt wird. ...Nur daß die Gruppen untereinander den Geist brüderlicher Liebe wahren müssen." U n d wenn die Kirche nun wirklich Volks-Kirche geworden sei, dann dürfe man den Gemeinden auch nicht die Informationen über die Meinungs- und Richtungsunterschiede der Synodalgruppen vorenthalten: „Wir wollen die Volkskirche. D a r u m wollen wir wahrhaft öffentliche Synoden. D a r u m müssen wir auch dafür sorgen, daß die Gemeindeglieder verstehen, wie man sich auf den Synoden gruppiert." Die faktische Entschärfung des kirchenpolitischen Konflikts in den Gemeinden und kirchlichen Gremien sah nun Dibelius in der neuen Stellung, die die Generalsuperintendenten im obersten geistlichen, d.h. im „bischöflichen" A m t der Kirche nach der neuen Kirchenverfassung einnehmen sollten. Dibelius traute es diesem A m t zu, dass es die Kirche vor kirchenpolitischen Zerreißproben bewahren könne, und schätzte deshalb seine Stellung und Bedeutung sehr hoch ein, gleichsam als eine Position über den kirchenpolitischen Parteien. Er wagte deshalb auch die Voraussage, „daß nach drei Jahrzehnten kein preußischer Generalsuperintendent mehr Mitglied einer kirchenpolitischen Gruppe sein" 3 1 werde.
28 Vgl. Kreuzzeitung (Neue Preußische Zeitung - mit dem Titel-Siegel: „Vorwärts mit G o t t für K ö n i g und Vaterland") v. 5.6.1924 unter der R u b r i k „Kirche u n d Schule". 29 Sowohl das ,Evang. Kirchenblatt für Groß-Berlin' (vgl. N r . 2 9 / 3 0 , 1924) als auch die A E L K Z (57, 1924, Sp.413) legten als Kriterium für die Gruppenzugehörigkeit der Generalsuperintendenten deren Abstimmungsverhalten bei der Frage des Bekenntnisvorspruchs (Präambel) an. - In A E L K Z 57, 1924, Sp.510 wird allerdings nachträglich berichtigt, dass sich Dibelius selber „zur kirchlichen Rechten" zähle. U m s o erstaunlicher also, dass er sich für eine angemessene Repräsentanz der Mittelpartei ausgesprochen hat! 30 WoSch. v. 22.6.1924; die folgenden Zitate EBD. 31 EBD. Ein Referent im Brandenburgischen Konsistorium glossierte diesen Satz mit einem „sehr gut!" (vgl. E Z A BERLIN, 14/1613).
Im Amt des Generalsuperintendenten der Kurmark
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Zweierlei ist dabei bemerkenswert: Einmal unterstreicht Dibelius hier die Notwendigkeit, die innerkirchliche Kirchenpolitik nicht mehr im kirchenregimentlichen Winkel und Dunkel zu belassen; er mutet sie auch der Gemeinde zu. Die Kirchenpolitik ist zu wichtig, als dass man sie angesichts der dreifachen Front gegenüber Rom, staatlicher Gewalt und Gottentfremdung der Massen nur den Behörden und Synoden überlassen dürfe. Sie muss gerade auf der Ebene der Gemeinde verstehbar, durchsichtig und verantwortbar werden, weil nun im Unterschied zu der vergangenen Zeit die Kirchenpolitik der einheitlichen Unterstützung durch die Gemeinden bedarf: „Wir können den Kampf um unsere evangelische Schule, den Kampf um die kirchliche Freiheit in Polen und im Memelland und um so viel andere große Ziele nicht führen, ohne daß die Gemeinden mit einheitlichem und entschlossenem Willen hinter der Leitung der Kirche stehen." 32 Zum andern beschreibt Dibelius hier schon das Amt des Generalsuperintendenten im Sinne seiner gewachsenen Bedeutung und institutionellen Aufwertung gerade als bischöfliches Amt, das mehr und mehr auch innerkirchlich seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit erringen werde, ein Amt, das dem kirchenpolitischen Streit enthoben sein wird und so auch personell und institutionell den kirchlichen Konsens über den kirchenpolitischen Parteien und Gruppierungen herzustellen und darzustellen vermag. Wie wichtig Dibelius dieses „bischöfliche" Amt und seine Bedeutung für die Kirche war, kommt auch darin zum Ausdruck, dass er seine Amtskollegen und den E O K an die 100-jährige Wiederkehr des bedeutsamen Datums erinnerte, mit dem diese Entwicklung durch den königlichen Erlass einer „Instruction" von 1829 einsetzte: „Es sind jetzt gerade hundert Jahre her, daß die Instruktion für die altpreußischen Generalsuperintendenten unser Amt auf eine neue Grundlage gestellt hat. Aus diesem Anlaß möchte ich der demnächst zusammentretenden Konferenz der Generalsuperintendenten ein Referat halten, das die Geschichte des Amtes in den letzten hundert Jahren in großen Strichen zeichnet." 33 Dibelius führte sein Amt also durchaus im klaren Bewusstsein seiner 100-jährigen ge-
WoSch. v. 22.6.1924. Dibelius an E O K v. 29.5.1929 (EZA BERLIN, 7/776; Antwort des E O K auf Grund des Vermerks in: EBD., pag.147). Die zweitägige Zusammenkunft der Generalsuperintendenten fand am 20. u. 21.6.1929 unmittelbar vor Beginn der Generalsynode statt (vgl. RdBr. v. 19.6.1929). Ein Protokoll dieser Versammlung und eine Aufzeichnung des Referats von Dibelius sind nicht vorhanden. - Die Anfänge der Amtsbezeichnung und eines den übrigen Superintendenten übergeordneten Amtes liegen in Württemberg, wo die Kirchenordnung von 1559 die Unterscheidung von Spezial- und General-Superintendenten einführte. Darauf machte GenSup. BLAU in seinem Hinweis auf das 100-jährige Amtsjubiläum aufmerksam; er verwies dabei ebenfalls auf die kirchliche Selbständigkeit dieses Amtes, das „mit persönlicher Initiative ausgestattet und mit persönlicher Verantwortung belastet" ist; deshalb sei es auch nicht verwunderlich, dass in Posen „der König bereits 1832 den Generalsuperintendenten FREYMARK zum evangelischen Bischof beförderte" (Evang. Kirchenblatt für Polen 7, 1928/29, S.202; vgl. auch A. RHODE, Geschichte, 1956, S.137). 32 33
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
schichtlichen Entwicklung und seiner dann vor allem durch die neue Verfassung gewachsenen und gefestigten Bedeutung34. Schon 1924 gab Dibelius auch öffentlich in jener Zeitungs-Kontroverse zu erkennen, dass er auf Grund der neuen Verfassung das Amt des Generalsuperintendenten als das geistliche und damit als das eigentlich kirchenleitende Amt der Kirche verstanden wissen wollte35. Trotzdem war seine Berufung in dieses Amt zunächst nicht ganz leicht durchzusetzen: Einmal war er der jüngste aller in Frage kommenden Kandidaten für das oberste geistliche Amt der Kurmark, zum andern stand Dibelius noch nie auf der Vorschlagsliste, die das Konsistorium jährlich36 erstellte; außerdem wurde er von KonsPräs. STEINHAUSEN nur als zweite Wahl „nachgeschoben". Zudem erkrankte Dibelius in seinem SommerUrlaub in Bad Gastein an Typhus und musste dann in Meran die schwere Krankheit auskurieren37, die ihn dienstlich über vier Monate lang bis zum Ende des Jahres 1924 lahmlegte. Erst am 18.12.1924 ging man im Landeskirchenausschuss - in Vertretung des noch nicht konstituierten Kirchensenats - an die amtliche Klärung der Besetzungsfrage. Bei dieser Sitzung wurden dem Landeskirchenausschuss von dem Geistlichen Vizepräsidenten des EOK, J. K A F T A N , in erster Linie zwei Kandidaten zur Wahl gestellt, ohne dass dabei die weiteren Vorschläge des Brandenburgischen Konsistorialpräsidenten auch nur der Erwähnung für wert gehalten wurden: „Oberkonsistorialrat Lie. Dr. Dibelius und Dompfarrer Geheime(r) Konsistorialrat MEYER in Magdeburg" 38 . Nachdem sich das Gremium die Genesung und die baldige Dienstfähigkeit von Dibelius hatte bestätigen lassen, wurde seine Ernennung zum Generalsuperintendenten der Kurmark „einmütig beschlossen". Dies geschah, nicht ohne dass der Weltliche Vizepräsident des EOK, H. K A P L E R , sich der Rückendeckung des Gremiums versicherte, dass für diese Ernennung erstmals nicht mehr die Mitwirkung bzw. das Einvernehmen des Staatsministeriums eingeholt und abgewartet
34 „ D u r c h die neue Verfassung ist die Stellung des Generalsuperintendenten gehoben, die des Geistlichen Vicepräsidenten dagegen gedrückt worden, sodaß sie jetzt beide ungefähr gleich stehen. Im Provinzialkollegium ist der Generalsuperintendent jetzt der Leitende u n d in seiner geistlichen Tätigkeit ist er selbständig. Es ist hier also ein wirklich bischöfliches A m t geschaffen." (Dibelius an SÖDERBLOM v. 12.11.1927, in: U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). SÖDERBLOM riet allerdings Dibelius davon ab, im Rückblick auf das 100-jährige Bestehen des Generalsuperintendenten-Amtes auch seinen N a m e n ins Spiel zu bringen und seine Initiative zu erwähnen, als er in einem Schriftwechsel mit dem Kaiser 1917/18 anregte, den Bischofsnamen nicht ad personam, sondern als generelle Amtsbezeichnung auch in Deutschland einzuführen (vgl. SÖDERBLOM an Dibelius v. 5.6.1929, in: EBD.). 35 Schon im Vorgriff auf die neue Verfassungsurkunde betonte Dibelius nachdrücklich den doppelten Grundgedanken der Verfassungs-Entwürfe, „die Gemeinde" als „die eigentliche Trägerin des kirchlichen Lebens" herauszustellen und „das geistliche A m t nach Möglichkeit frei zu machen für seine geistlichen A u f g a b e n " (Konservative Monatsschrift 78, 1920/21, S.763). 36 Vgl. E Z A BERLIN, 7/11065. 37 Vgl. R d B r . v. 1.2.1925 u. 17.7.1928; Christ, 1961, S.143. 38 E Z A BERLIN, 7/11065.
Im A m t des Generalsuperintendenten der Kurmark
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werden müsse 39 . Nachdem das Brandenburgische Konsistorium nach Art. 101, Abs.4 V U befragt worden war und lapidar und offenbar ohne große Begeisterung „Bedenken gegen den Vorschlag nicht erhoben" hatte 40 , konnte die Ernennung 41 ausgesprochen und die Einsetzung von Dibelius in das Amt des kurmärkischen Generalsuperintendenten auf den frühestmöglichen Zeitpunkt, den 1. Februar 1925, festgelegt werden. Zweifellos setzte die Ernennung von Dibelius deutliche Zeichen: Er war damals mit noch nicht 45 Jahren der jüngste Generalsuperintendent. Er hatte sich in der ländlichen wie auch in der großstädtischen Gemeindearbeit bewährt und war auch in Berlin ein weithin bekannter Prediger 42 . Sein kirchenpolitisches Wollen ließ die Nähe zur Gemeinde erkennen; und durch seine engagierte Tätigkeit als Geschäftsführer des Vertrauensrates und als Oberkonsistorialrat im E O K hatte er mehr und mehr ein sicheres und verlässliches Gespür für die gesamtkirchlichen Aufgaben und Verantwortungen bekommen. Darüberhinaus kannte man Dibelius als einen überzeugten Repräsentanten der neuen Zeit, in der die Kirche auf Grund der jetzt in Kraft getretenen Verfassungsurkunde neu zu gestalten war und in der sie ihren Platz und Stellenwert im gesamtgesellschaftlich-politischen Horizont erst finden musste. N o c h gewichtiger freilich war die Tatsache, dass Dibelius der erste Generalsuperintendent war, der ohne die Mitwirkung des Staates in dieses oberste geistliche Amt der Kirche berufen worden war. Zwar war die Verfassungsurkunde durch Staatsgesetz, bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten, am 1. Oktober 1924 in Kraft getreten und somit vom Staat moralisch akzeptiert und rechtlich sanktioniert worden; aber man war sich kirchlicherseits offenbar nicht so sicher, ob der Staat in diesem ersten Besetzungsverfahren nicht doch noch Schwierigkeiten machen und sich seiner alten Rechte erinnern würde. Zu neu war noch - für die an die Staatsgebundenheit gewöhnte Kirche! - der Gedanke, dass das lautstark propagierte Postulat einer staatsfreien Kirche auch tatsächlich Wirklichkeit werden könne bzw. schon geworden war. So konnte sich eigene kirchliche Unsicherheit mit dem Misstrauen gegenüber dem Staat verbinden und vermischen. Nicht anders ist die Tatsache zu verstehen, dass der Amtsantritt des neuen Generalsuperintendenten auf einen so ungewöhnlich frühen Zeitpunkt gelegt worden war, obwohl Dibelius nach seiner Genesung den pfarramtlichen Dienst in der Gemeinde erst am 1. Januar 1925 wieder aufnahm 43 . Diese frühe TermiVgl. EBD. KonsPräs. STEINHAUSEN an E O K v. 14.1.1925 (EBD.). Nach Art.101, Abs.4 V U bekamen auch die Generalsuperintendenten Gelegenheit, sich zur Frage der Wiederbesetzung einer Kollegialstelle zu äußern (vgl. Schreiben des E O K v. 3.1.1925 an sämtliche Generalsuperintendenten, EBD.). 4' Vgl. Verfügung des E O K v. 24.1.1925 (EBD.). 42 Vgl. den Artikel von Erdmann GLAESER „Berliner Kanzelredner Dr. O t t o Dibelius" in der linksliberalen ,Vossischen Zeitung' vom 26.2.1922 mit dem Schlussresümee: J a , - dieser Pastor Dr. Dibelius scheint mir ein Geistlicher zu sein, dem die junge Generation willig ihr H e r z öffnet". 43 Vgl. R d B r . v . 1.2.1925. 39
40
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nierung erklärt sich auch nicht allein aus dem Bedürfnis, die Stelle des kurmärkischen Generalsuperintendenten nicht allzu lange verwaist zu lassen, zumal nach dem Tod eines noch im Amt befindlichen Geistlichen um der Familie des Verstorbenen willen normalerweise ein „Gnadenjahr" bis zur Wiederbesetzung der Stelle dazwischengeschaltet wurde. Außerdem hatte Dibelius auch noch über den 1. Februar hinaus laufende Geschäfte in der Gemeinde (z.B. die Konfirmation) und im E O K zu Ende zu führen; er behielt deshalb auch sein Nebenamt im E O K noch bis zum 1. April bei, jenem Datum, an dem die Vereinbarungen mit dem Staat über die Selbständigkeit der kirchlichen Verwaltung in Kraft traten. Zwischen dem Inkrafttreten der Verfassungurkunde am 1. Oktober 1924 und dem Wirksamwerden der Selbständigkeit der kirchlichen Verwaltung am 1. April 1925 herrschte also noch ein gewisser rechtlicher Schwebezustand44, in dem der Staat noch hätte eingreifen und sich auf seine früheren Rechte hätte berufen können. Im Januar 1925 wurde jedoch die neue Legislaturperiode von Reichstag und Preußischer Landesversammlung eröffnet. Man konnte wohl damit rechnen, dass in dieser Zeit die Regierung mit sich selbst und mit ihrer Neukonstituierung beschäftigt sein würde. Zudem fanden in Altpreußen zwischen dem 24. und 26. Januar 1925 Kirchenwahlen statt, die ersten nach dem Inkrafttreten der neuen Verfassung. So markierte der 1. Februar auch in der Kirche selbst eine Zäsur und gleichsam den Anfang einer neuen Zeit. Die Ernennung von Dibelius zu diesem Datum war nicht nur innerkirchlich, sondern vor allem auch dem Staat gegenüber der terminliche „Vorposten" für die Gültigkeit des eigenständigen Handelns der Kirche; sie war auch zugleich im Vorgriff auf die mancherlei personellen Veränderungen in der Kirche am 1. April die Nagelprobe darauf, ob der Staat auch wirklich seinen früheren Anspruch auf Mitwirkung bei der Besetzung von hohen kirchlichen Amtern aufgeben würde. Am 1. April 1925 vollzog sich dann der personelle Wechsel auf breiter Ebene: An der Spitze des E O K trat der seitherige Weltliche Vizepräsident D. Hermann 44 Das „Gesetz über die einstweilige Regelung der Kosten für die Verwaltungsbehörden der evangelischen Landeskirchen" vom 15.10.1924 (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.183f.) wird fast ausnahmslos in der Literatur unterschlagen, obwohl es in seiner Bedeutung dem Staatsgesetz vom 8.4.1924 (vgl. EBD., S.604ff.), mit dem die Kirchenverfassungen in Preußen am 1. Oktober 1924 in Kraft treten konnten, als gleichrangig anzusehen ist. Mit diesem Gesetz schieden die kirchlichen Verwaltungsbeamten aus dem Staatsbeamtenverhältnis aus (Art.1,1); gleichzeitig wurde eine vom Haushaltsrecht des Parlaments unabhängige und nicht einschränkbare Dotationspflicht des Staates gegenüber der kirchlichen Verwaltung festgelegt (Art.5). Damit war die kirchliche Verwaltungsarbeit finanziell abgesichert; sie ist damit zugleich unabhängig vom parteipolitischen Kräftespiel geworden. Umstritten bei der Verabschiedung dieses Gesetzes war, ob als Ausgleich zu dieser weitreichenden Regelung nicht bei der Besetzung der Leitung von kirchlichen Verwaltungsämtern so etwas wie eine „politische Klausel" geltend gemacht werden müsse. Dass dieses Gesetz mit dem Vorbehalt einer „einstweiligen Regelung" versehen war, geschah im Blick auf eine damals noch beabsichtigte, aber dann nie verwirklichte Ablösung aller Staatsverpflichtungen gegenüber der Kirche. Diese „einstweilige Regelung" galt bis zum preußischen Kirchenvertrag vom 11. Mai 1931, der dann ja auch die umstrittene „politische Klausel" enthielt. Im Gedächtnis bei Dibelius hat sich dieser 1. April als das entscheidende Datum fest eingeprägt; in seiner mit einigen fehlerhaften Angaben behafteten Autobiographie bringt er es aber fälschlicherweise in Verbindung mit der Inkraftsetzung der Kirchenverfassung (vgl. Christ, 1961, S.145).
I m A m t des Generalsuperintendenten der Kurmark
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KAPLER45 die Nachfolge des in den Ruhestand verabschiedeten D. Reinhard MOELLER46 an. Nachfolger von D. Julius KAFTAN wurde der frühere Superintendent und Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche D. CONRAD als Geistlicher Vizepräsident des E O K - und zwar jetzt im Hauptamt! A m 31. März verabschiedeten sich der Brandenburger Konsistorialpräsident D. STEINHAUSEN47 und der Generalsuperintendent der Neumark und Niederlausitz D. KESSLER aus dem Amt; ihnen folgten D. GENSEN als Konsistorialpräsident, der nun erstmalig einen Generalsuperintendenten, D. HAENDLER, neben sich als Vorsitzenden des Konsistoriums hatte, bzw. Hofprediger D. VITS als neuer Oberhirte der Neumark und Niederlausitz. „Mit dem 1. April traten die Vereinbarungen mit dem Staat über die Selbständigkeit der kirchlichen Verwaltung in Kraft. Die Mitglieder der Kirchenbehörden sind seit diesem Tage nicht mehr Staatsbeamte. Die über 68 Jahre alten schieden aus. Auch von den jüngeren Herren machten einzelne den Ubergang nicht mit. So gab es Wechsel, Beförderungen, Versetzungen, Abschied, neue Mitarbeiter überall." 48 Dibelius wurde aus dem E O K in sein neues geistliches Amt, wie er selber berichtet, mit den launigen, sicherlich zutreffenden Worten verabschiedet, „daß der besonnene Gang behördlicher Arbeit meinem Temperament vielleicht nicht immer entsprochen habe" 49 . 45 Dibelius erwartete offenbar zunächst als Ausweis der betont geistlichen Leitung der Kirche einen Geistlichen an der Spitze des E O K (vgl. WoSch. v. 15.2.1925). Stattdessen setzte sich mit KAPLER doch die juristische Führung der Verwaltung durch. Selbst J . KAFTAN, der immer für die Stärkung des geistlichen Elements in der Kirche eingetreten war, notierte schon im Juli 1924 zur Frage der Nachfolge von EOK-Präsident MOELLER: „Wir wollen dann KAPLER an seine Stelle haben. E r besitzt die erforderlichen Qualitäten dazu und genießt auch das nötige Ansehen, besonders auch in dem weiteren Kreis des Gesamtprotestantismus" (KAFTAN-Briefwechsel v. 12./13.7.1924, in: W . GÖBELL, Kirche Π, 1967, S.859). Dafür wurde dann verfassungsgemäß das geistliche A m t des EOK-Vizepräsidenten mit D . CONRAD erstmalig hauptamtlich besetzt. Erst nach dem 2. Weltkrieg bekam der E O K mit Dibelius zum ersten Mal einen geistlichen Präsidenten. 46 Vgl. dazu auch Dibelius' Würdigung des scheidenden EOK-Präsidenten (EvDt v. 8.2.1925, S.42-44); es handelt sich dabei nicht um einen „Nachruf" auf MOELLER, wie G. BESIER, Krieg, 1982, S.204, Anm.43, notiert. Dibelius stellte bei der Würdigung des Lebenswerks von MOELLER besonders heraus: „das alles war Kirchenpolitik in großem Stil"; durch sein kirchenleitendes Wirken sei eine große Linie erkennbar: „die evangelische Kirche sollte selbständig werden gegenüber dem Staat" (EvDt v. 8.2.1925, S.43). 4' STEINHAUSEN vollzog den Übergang in die neue Zeit nicht mit; schon in der verfassunggebenden Kirchenversammlung fühlte er sich brüskiert durch die geplante Aufwertung des Generalsuperintendenten-Amtes und seine institutionelle Vorordnung vor dem A m t des KonsistorialPräsidenten (vgl. auch den Sitzungsbericht der Verfassunggebenden Kirchenversammlung, Teil I, S.1152ff.). 48 RdBr. v. 16.4.1925. Bei der sonst so umfassenden und vorzüglichen Untersuchung von J. JACKE (Kirche, 1976) fehlt dieser doch wichtige Aspekt des Schwebezustandes zwischen dem Inkrafttreten der Verfassungsurkunde am 1. O k t o b e r 1924 und der gültigen Neuordnung der kirchlichen Verwaltung am 1. April 1925. Gerade die Terminierung des Amtsantritts von Dibelius innerhalb dieses Zeitraumes lässt erkennen, wie viel taktisches Kalkül kirchlicherseits investiert worden war, um den Ubergang in die kirchliche Selbständigkeit und letztlich gewiss auch die Neubesetzung des noch wichtigeren EOK-Präsidentenamtes abzusichern, mit dem ja zugleich auch der Vorsitz im gesamtkirchlich bedeutsamen D E K A verbunden war. 49 R d B r . v. 16.4.1925; vgl. auch Christ, 1961, S.144.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
Am 4. Februar wurde Dibelius im Berliner Konsistorium durch Präsident und den Berliner GenSup. H A E N D L E R begrüßt. Nach der Behördensystematik war die Zugehörigkeit zum Konsistorium im Vergleich zur früheren Tätigkeit im EOK ein Abstieg von der gesamtkirchlichen auf die konsistorial-provinziale Ebene. Das Berliner Konsistorium hatte zudem in Dibelius' Augen keine gute Reputation: Es sei zwar die größte, aber auch die unvollkommenste kirchliche Behörde Deutschlands; denn die wirklich fähigen Leute wechselten oft schon nach kurzer Zeit zur nahen kirchlichen Oberbehörde des EOK50. Die gottesdienstliche Begrüßung und kirchliche Amtseinführung 51 des neuen kurmärkischen Generalsuperintendenten erfolgte am 8. Februar 1925 - wie die seines verstorbenen Vorgängers in der „lieben Kirche zum Heilsbronnen". Die Feier wurde bewusst schlicht gehalten; man „hatte Angst vor allem, was nach Bischofsweihe hätte aussehen können"52. Dennoch verwies der einführende Geistliche Vizepräsident D. K A F T A N auf die bedeutsame und nicht zu unterschätzende Tatsache, „daß Dr. Dibelius der erste nicht mehr vom Staat, sondern von der Kirche selbständig ernannte Generalsuperintendent sei. Die neue Kirchenverfassung habe das bischöfliche Amt stärker ausgeprägt und den Einfluß des Generalsuperintendenten auf die Gestaltung des kirchlichen Lebens erweitert"53. Dibelius predigte im Anschluss an seine Begrüßung und Amtseinführung über Jeremia 22,29: „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!" STEINHAUSEN
1.3 Anfangsschwierigkeiten
im Amt
Im Bewusstsein der Bedeutung seines hohen geistlichen und kirchlich-selbständigen Amtes begann Dibelius seine Arbeit. Die Begrüßungsschreiben an seine kurmärkischen Gemeinden, Pfarrer und Ephoren und an die von ihm sonst nicht so sehr geschätzten Patrone54 sprechen eine zukunftsfreudige, sieghafte und appellative Sprache55. Vgl. EBD.,S.138f. Ordnung des Gottesdienstes (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 3). 52 Christ, 1961, S.145. 53 Vgl. den Bericht in BES v. 22.2.1925. In diesem Sinn verstand auch Dibelius selbst seinen Amtsantritt: „Als erster Generalsuperintendent, der nach dem Inkrafttreten der neuen Kirchenverfassung gewählt ist, übernehme ich mein A m t . " (RdBr. v. 1.2.1925 / So habe ich's erlebt, 1980, S.147) Dibelius gab der Verfassung die Bedeutsamkeit einer geradezu kanonischen Weihe: „Ich bin willens, es (sc. dieses A m t ) in dem Geist zu führen, der nach den Bestimmungen der Verfassung unsere Kirche v o n nun an beseelen soll. Ich mache darauf aufmerksam - daß die Verfassung in den Händen aller Amtsbrüder ist, darf ich voraussetzen - , daß eine Reihe v o n Geschäften, die bisher Sache des Konsistoriums waren, jetzt den Generalsuperintendenten zugewiesen sind. Ich nenne insbesondere die Fragen der Schule, der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrtspflege, die Fragen der Ä u ß e r e n und Inneren Mission..." (EBD.). 54 Vgl. z.B. Nachspiel, 1928, S.77: „Daß sich der eingesessene Adel im Besitz des Patronats jahrhundertelang als Kirchenregiment und als Vorgesetzter der Geistlichen hat fühlen können, w a r ein unerträglicher Zustand". 55 Vgl. Brief an die Ephoren v. 2 8 . 1 . 1 9 2 5 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 3), Rundbrief an die kurmärkischen Amtsbrüder v. 1.2.1925 (Auszug in: So habe ich's erlebt, 1980, S.146f.), Begrüßungsansprache an die Gemeinden v. 2.2.1925 (EZA BERLIN, 14/1613) und - in einigem 50 51
Im A m t des Generalsuperintendenten der Kurmark
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Einige Schwierigkeiten äußerer Art mussten allerdings noch bewältigt werden. Aufgaben in der Berliner Gemeinde und im E O K warteten auf ihre Erledigung. Außerdem führte Dibelius den Konfirmanden-Jahrgang bis zur Konfirmation im März 56 weiter. Dazuhin musste die Wohnungsfrage geklärt werden, da bis September Dibelius' Nachfolger, der Magdeburger Pfarrer und spätere Potsdamer Superintendent GÖRNANDT, in die Pfarrwohnung in der Heilbronner Straße einziehen sollte. Während z.B. die schlesischen Gemeinden für ihre beiden Generalsuperintendenten in Breslau aus eigenen Opfern und Spenden ein großes Doppelwohnhaus mit Sitzungssaal bauten 57 , musste Dibelius in der Zeit der Wohnungsnot selber auf die Suche gehen und beim E O K und Konsistorium wegen des hohen Mietzinses verhandeln, der die damaligen Möglichkeiten eines Generalsuperintendenten mit einem monatlichen Grundgehalt von 962,50 Mark offenbar weit überstieg 58 . Schließlich fand sich die Villa des verstorbenen Geheimen Baurats ENDELL am Fichteberg in Steglitz (Kaiser-Wilhelm-Straße IIa), die
zeitlichen Abstand - Schreiben an den Patronats-Verband der Kurmark v. 20.2.1925 ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). 56 U n t e r den Konfirmanden war seinerzeit auch Ludwig HEUSS (geb. 1910), das einzige Kind des Ehepaars T h e o d o r und Elly HEUSS. Dibelius hielt später auch die kirchliche Trauung bei der Hochzeit v o n Ludwig HEUSS und H a n n e ELSAS am 35. Geburtstag von Ludwig (5.8.1945) in der Dahlemer Dorfkirche (vgl. Margret BOVERI, Tage, 1945, S.276ff. ; HEUSS an Dibelius V. 11.5.1950 und v. April 1960, in: B A KOBLENZ, N L Heuss / 122 und 227). Elly HEUSSKNAPP arbeitete schon früher in Dibelius' Religionspädagogischem Institut mit und wurde auf diesem W e g auch ein besonders interessiertes und tätiges Mitglied in der Kirchengemeinde zum Heilsbronnen (vgl. E. HEUSS-KNAPP, Münsterturm, 1952, S.149f.; T h . HEUSS an O t t o Dibelius, in: G . JACOBI, Dibelius, I 9 6 0 , S.25; R . STUPPERICH, Kirchenkampf, 1992, S.30). 57 Dibelius stellte dies als besonders vorbildlich heraus: als „eine neue Wertschätzung des obersten geistlichen A m t e s " (WoSch. v. 28.2.1925). 58 Vgl. die Nachweisung der persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des GenSup. Lie. D r . O t t o Dibelius ( E Z A BERLIN, 7 / 1 1 0 6 5 ) . - Schon vor dem Amtsantritt der Berliner Pfarrstelle im J a h r 1915 kämpfte Dibelius selbstbewusst und unnachgiebig um eine ausreichend große W o h nung und drohte dabei sogar, die Stelle nicht anzutreten, wenn man seinen Wünschen nicht nachkomme. Es ging dabei um drei von dem Vorgänger Pfarrer MLRBT benutzte Oberräume, die aber baupolizeilich als „staubfreie Kammern, die zur W o h n u n g von Menschen nicht dienen dürfen", eingestuft waren. A m 1 7 . 5 . 1 9 1 5 - gerade 35 Jahre alt geworden - kabelte Dibelius unerschrocken und selbstbewusst an das Berliner Konsistorium: „erfahre eben durch pfarrer GEEST, daß gemeindekirchenrat alt schöneberg meine wohnung auf grund deren ich annehme erklärt habe, um drei zimmer verkleinert, wodurch sie für mich unbrauchbar wird, wenn das nicht inhibiert oder rest der wohnung nach meinen angaben geändert wird, m u ß ich annahme zurückziehen, da heute schon packer eintreffen, wäre für drahtnachricht dankbar". Auch Sup. RAACK und der 1. Pfarrer GEEST erhielten ähnliche Telegramme mit dem Ergebnis, dass Pfarrer MLRBT beauftragt wurde, die polizeiliche Erlaubnis für die Benützung der drei oberen Räume einzuholen (vgl. E Z A BERLIN, 14/4431). Die Sache wurde zur Zufriedenheit von Dibelius und schnell geregelt, o b w o h l gar kein Zeitdruck bestand; denn das Pommersche Konsistorium entließ Dibelius „mit Rücksicht auf die schwierigen kirchlichen Verhältnisse in der Diözese Lauenburg" erst zum 31. Juli 1915 (vgl. Schreiben an das Berliner Konsistorium v. 25.5.1915, EBD.). - D i e A b schiedspredigt in Lauenburg hielt Dibelius über Apg 1,6-8: „In der Kraft des Geistes" (Deutschlands Schicksalsstunde, 1915, S.50ff.). Die Predigt beim Antritt der Berliner Pfarrstelle am 1.8.1915 hatte das Jesus-Wort in Mt 4,17 zum Thema: „Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen" (Das Himmelreich ist nahe!, 1915).
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den nicht geringen Ansprüchen 59 entsprach und für die Amtsräume des Generalsuperintendenten und für seinen aus neun Familienmitgliedern und zwei Dienstboten bestehenden Haushalt ausreichte 60 . Mit organisatorischem Geschick und pragmatischem Weitblick sorgte Dibelius von Anfang an tatkräftig für die Beschaffung der äußeren Voraussetzungen, die ihm eine fruchtbare Arbeit und eine sowohl rationelle als auch persönliche Amtsführung ermöglichten. Seine diesbezüglichen Wünsche richtete er unter Umgehung der konsistorialen Ebene 61 , wo Konkurrenzangst und -neid von drei Amtskollegen zu erwarten war, direkt an den EOK 6 2 . Es ging im Wesentlichen darum, dass Dibelius ein eigenes Büro mit einer Schreibhilfe einrichten konnte und dass die theologischen Hilfsarbeiter, die sich der Generalsuperintendent zu seiner Unterstützung nach Art.102, Abs.3 V U beiziehen konnte, auch mit beratender Stimme an den Kollegialsitzungen des Konsistoriums teilnehmen konnten: „Was den juristischen Hilfsarbeitern recht ist, sollte den theologischen billig и
sein. Von vornherein beabsichtigte Dibelius, mit seinen „45 Superintendenten und ... 650 Geistlichen in enger persönlicher Fühlung zu bleiben". Briefwechsel, telefonischer Verkehr, Gastfreundschaft hin und her und deshalb auch Reisen gehörten zu den unabdingbaren äußeren Erfordernissen der Amtsführung. Unter den Kirchenkreisen der Kurmark waren „nicht wenige, die seit Jahrzehnten einen Generalsuperintendenten nicht von Angesicht gesehen haben". Es schien deshalb nötig, „daß der Generalsuperintendent sich selbst sehen läßt, den kirchlichen Körperschaften das Gewissen schärft und die Geistlichen vor Amtsmüdigkeit bewahrt" 63 . U m möglichst häufig und möglichst zeitsparend in die Gemeinden 59 Dass solche Ansprüche sich lediglich auf das Amt bezogen, das Dibelius zu versehen und zu repräsentieren hatte, und nicht auf seine Person, zeigt die Tatsache, mit welcher persönlichen Bescheidenheit sich Dibelius in der Zeit des Kirchenkampfes begnügte, was die Wohnung und die Mitarbeit im Berliner und Brandenburgischen Bruderrat betraf (vgl. E. BETHGE, Zitz, 1989, S.213). 60 Mit Hilfe von drei Jahresraten des Berliner Konsistoriums und eines einmaligen Zuschusses der Landeskirche konnte die in Aussicht genommene Wohnung ab 1.7.1925 angemietet werden (vgl. Dibelius an E O K v. 16.5. u. 27.6.1925 und von KonsPräs. GENSEN v. 20.7.1925 in: E Z A BERLIN, 7/11065). 61 In seiner offiziellen Eingabe an den E O K v. 21.3.1925 schrieb Dibelius zur Begründung: „Ich wende mich mit meinem Anliegen an die kirchliche Zentralbehörde und nicht an die Brandenburgische Provinzialsynode. Bei der letzteren ist der Umstand immer erschwerend, daß vier Generalsuperintendenten beteiligt sind, deren Situation und deren Art zu arbeiten sehr verschieden ist... Aber auch grundsätzlich halte ich es für richtiger, wenn dasjenige, was der Generalsuperintendent zur eigentlichen Durchführung seines Amtes braucht, von der Gesamtkirche zur Verfügung gestellt wird." Dibelius sah sein Amt also mehr auf der Ebene der altpreußischen Gesamtkirche, in deren leitender Behörde er selber einmal Mitglied war und mit deren Aufgeschlossenheit er mehr rechnen konnte. 62 Vgl. „Osterwünsche eines jungen Generalsuperintendenten. Herrn Oberkonsistorialrat KAROW in Freundschaft gewidmet" v. 4.3.1925, beginnend mit dem Satz: „Die neue Verfassung hat den Generalsuperintendenten neue Aufgaben und Verantwortungen zugewiesen ..." (EZA BERLIN, 7/11065). - Das folgende Zitat EBD. 63 Dibelius an E O K v. 21.3.1925 (EBD.). Dass ein Generalsuperintendent in der neuen Zeit sich ganz an die praktischen Aufgaben der Kirche gewiesen weiß, zeigte Dibelius eindrücklich auf
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der Kurmark fahren zu können, regte Dibelius an, einen „Kirchlichen Hilfsfonds der Kurmark" einzurichten, durch den die Anschaffung eines Dienstwagens ermöglicht und die vermehrten „Dienstreisen und ihre einfachere und schnellere Erledigung" bewältigt werden konnten 64 . Sicherlich verbanden sich solche Zweckmäßigkeitsüberlegungen auch mit Dibelius' persönlicher Vorliebe für das Automobil. Solche Erwägungen und Wünsche hatten freilich das Ziel, den Amtsinhaber von allen äußeren kräfte- und zeitraubenden Umständlichkeiten und Hemmnissen frei zu halten für die eigentlich wichtigen Aufgaben des Amtes. Was Dibelius für seine eigene Amtsführung in Anspruch nahm, suchte er deshalb auch seinen Superintendenten zu ermöglichen. So hat er sich in einem Schreiben an die Kreissynodalvorstände der Kurmark dafür eingesetzt, dass auch den Superintendenten zur Einrichtung eines Büros und als Aufwandsentschädigung für den geschäftlichen Betrieb und für Fahrtkosten zwischen 500 und 2.400 Mark jährlich zur Verfügung gestellt werden, damit sie „Kopf und Herz frei behalten für die geistliche Leitung der Geistlichen und Gemeinden"65.
1.4 Die evangelische Kirche der Kurmark Die Kurmark war das alte Herzstück und Stammland der Mark Brandenburg. Im Jahre 1356 wurde dem Markgrafen von Brandenburg die Kurwürde übertragen. Die Hohenzollern vereinigten im Lauf der Geschichte die Altmark, die Nordmark, die Mittelmark mit der östlich der Oder gelegenen Neumark. Die Altmark fiel im Tilsiter Frieden von 1807 an die Provinz Sachsen, so dass im 19. Jahrhundert zwei Regierungsbezirke übrig blieben; die Kurmark mit Sitz in Potsdam und die Neumark mit Sitz in Frankfurt a.O. Berlin wurde 1881 ausgegliedert; dabei bekam die aufstrebende und rasch an Größe und Bedeutung wachsende Stadt ihre eigene Verfassung. Bereits mit der Einführung des Königtums in Preußen verlor der Name „Kurmark" seine Bedeutung66. „Lebendige Bedeutung aber behielt der Name nur im kirchlichen Leben, und zwar durch das Amt des Generalsuperintendenten der Kurmark" 67 , so betonte Dibelius. Mit der königlichen Instruktion für die preußischen Generalsuperintendenten von 1829 wurden entsprechend der alten Gliederung der Provinz auch wieder im Gegensatz zur Amtsführung und Amtsauffassung der früheren Zeit: „Noch v o r 75 Jahren konnte W i l h e l m HOFFMANN, der Generalsuperintendent der K u r m a r k , mit seinem umfassenden Geist sich so in geographische Studien vertiefen, daß man zu sagen pflegte, er könne jeden Tag ein akademisches Katheder besteigen, um Geographie zu lehren. Nach der Revolution v o n 1 9 1 8 kann das kein deutscher Generalsuperintendent mehr. Eine neue Epoche der Kirchengeschichte ist f ü r Deutschland angebrochen" (Nachspiel, 1928, S.12f.). 64 Ein Ausschuss v o n kurmärkischen Provinzialsynodalen an die „hochwürdigen Kreissynodalvorstände" der K u r m a r k v. 17.4.1925 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 3). 65 Dibelius an die Kreissynodalvorstände v. 27.3.1925 (EBD.). 66 Vgl. auch den geschichtlichen Überblick in: Fr. WEICHERT, Geschichte, 1986, S.9ff. 67 Die Evangelische Kirche der K u r m a r k , 1932, S.7. - Zur Entstehung dieses Buches auf A n regung des DEBI-Verlags vgl. das Schreiben v o n Dibelius an die Ephoren v. 3 . 1 2 . 1 9 3 1 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 3).
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drei G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t u r e n eingerichtet: für die Stadt Berlin, für die K u r m a r k u n d für die N e u m a r k ( m i t Niederlausitz). N o c h 1 8 8 1 zählte B e r l i n e b e n s o viele E i n w o h n e r w i e die K u r m a r k , w ä h r e n d 4 0 J a h r e später die H a u p t s t a d t m i t i h r e r v i e r f a c h e n B e v ö l k e r u n g s z a h l die K u r m a r k politisch, w i r t s c h a f t l i c h , kulturell u n d so a u c h k i r c h l i c h i m m e r m e h r in den S c h a t t e n stellte 6 8 . I h r e n s t r u k t u rell-kirchlichen N i e d e r s c h l a g fand diese E n t w i c k l u n g in der E i n r i c h t u n g einer z w e i t e n G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t u r für Berlin. A u c h die katholische K i r c h e h a t dieser w a c h s e n d e n B e d e u t u n g u n d Zentralstellung Berlins d a d u r c h R e c h n u n g get r a g e n , dass 1 9 2 5 der N u n t i u s des Heiligen Stuhles n a c h B e r l i n w e c h s e l t e u n d dass B e r l i n 1 9 3 0 n a c h d e m P r e u ß e n - K o n k o r d a t ( 1 9 2 9 ) z u m Bischofssitz e r h o b e n w u r d e 6 9 . So k o n n t e auch die katholische K i r c h e künftig in B e r l i n u n d v o n B e r l i n aus i h r e n Einfluss geltend m a c h e n . U r s p r ü n g l i c h w a r die K u r m a r k ländlich geprägt. D e r G r o ß g r u n d b e s i t z u n d das P a t r o n a t 7 0 b e s t i m m t e n das L e b e n u n d den Einfluss in der R e g i o n . D o c h hat z u n e h m e n d - ausgehend v o n Berlin - a u c h die industrielle E n t w i c k l u n g m i t ih68 Im Jahr 1920 schloss sich der Stadtkern Berlins mit 7 umliegenden Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken zusammen, um eine einheitliche kommunale Gemeinde GroßBerlin mit 20 Verwaltungsbezirken zu werden (vgl. Gott liebt diese Stadt, 1977, S.63). 69 K. HAUSBERGER, Preysing, 1986, S.322; vgl. K. SCHOLDER, Pacelli, 1988, S.102. - Der preußische Staat hatte dem Bischof Dr. SCHREIBER das frühere Militärpalais mit über 100 Räumen als Wohn- und Amtssitz überlassen, was von der evangelischen Presse, gerade nach dem Abschluss des Preußen-Konkordats, als eine besonders offensichtliche und einseitige Bevorzugung der katholischen Kirche gewertet wurde (vgl. Evangelisch-Kirchlicher Anzeiger in: BES v. 12.1.1930; AELKZ 63, 1930, Sp.236). Dibelius kommentierte die Erhebung Berlins zum Bischofssitz nicht ausdrücklich, warnte aber zur gleichen Zeit vor dem vermehrten katholischen Einfluss auf Deutschland, weil, ebenfalls 1930, der seitherige Berliner Nuntius PACELLI die Nachfolge GASPARRIs als Kardinalstaatssekretär im Vatikan antrat und nun als Kenner Deutschlands die Außenpolitik des Vatikans bestimmte: PACELLI „weiß genau, wo der Hebel anzusetzen ist, wenn es gilt, der katholischen Kirche zu Sieg und Einfluß zu helfen. Und er wird diesen Hebel ansetzen, unterstützt von der großen Armee katholischer Minister und Staatssekretäre und anderer hoher Beamten, die heute in Deutschland für die katholische Kirche arbeiten. Wird an dieser katholischen Arbeit das deutsche Volk gesunden? Wir leben des Glaubens, daß nicht am siegreichen Einfluß Roms das deutsche Volk innerlich erstarken kann, sondern nur an der Kraft des Evangeliums" (WoSch. v. 19.1.1930). Angesichts des mit 10% relativ kleinen Anteils der katholischen Bevölkerung beklagte auch Dibelius die Vorzugsstellung der katholischen Kirche in Berlin „als die rechtlich bevorzugte Konkordatskirche", der ohne Weiteres in Spandau eine Pädagogische Akademie eingerichtet wurde, während für die evangelische Bevölkerung mit ihrem Anteil von 75% die Einrichtung einer entsprechenden Akademie in Potsdam nur für eine unabsehbare Zukunft in Aussicht gestellt wurde (vgl. SoSp. v. 2.11.1930). Wohl auch unter dem Eindruck der massiven katholischen Präsenz in Berlin plädierte Dibelius dafür, dass die beiden Generalsuperintendenturen vereinigt und das evangelische Berlin zentralisiert werden sollten: „Es handelt sich darum, daß in dieser Zeit kirchlichen Kampfes die Reichshauptstadt zu einem einheitlichen kirchlichen Willen, zu einheitlichen kirchlichen Parolen und zu einer einheitlichen Zusammenfassung der gesamten kirchlichen Arbeit kommen muß ... Das evangelische Groß-Berlin muß die Möglichkeit haben, unter einheitlicher Führung zusammenzutreten, um zu den großen kirchlichen Fragen der Gegenwart Stellung zu nehmen" (SoSp. v. 30.3.1930). 70 Zu der reservierten Haltung von Dibelius dem Patronat gegenüber vgl. auch: Christ, 1961, S.146f. Das Patronat, in dem die Privilegien des Adels aus der noch vorbürgerlichen Zeit verlängert wurden, stellte in der Zeit der Trennung von Kirche und Staat einen doppelten Anachronismus dar.
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rer nicht mehr bodenständigen Fabrikarbeiterschaft Fuß gefasst; und mit ihr hat sich auch die abschätzig so genannte „Asphaltkultur" 71 der Großstadt in die Kurmark hinein ausgebreitet. So kam das Stammland Brandenburgs gegenüber der überragenden Bedeutung Berlins immer mehr ins Hintertreffen, so dass Dibelius urteilte: „Weder politisch, noch wirtschaftlich, noch kirchlich kann die Kurmark sich an Bedeutung mehr mit der Reichshauptstadt messen. Das Schicksal Deutschlands entscheidet sich in Berlin, nicht mehr, wie einst, in der Kurmark. " 7 2 D a der N a m e der Kurmark letztlich nur noch kirchlich durch das Amt des Generalsuperintendenten von Bedeutung war, hielt Dibelius aus der kirchlich-geschichtlichen Vergangenheit der Kurmark im Wesentlichen nur die Persönlichkeiten für erwähnenswert, die dieses Amt bekleidet hatten: Wilhelm HOFFMANN (1853-1873) 73 , Rudolf KÖGEL (1879-1890), Ernst v. ÜRYANDER (1892-1902), Paul KOEHLER (1903-1919) und Karl AXENFELD (1921-1924). Trotz der Wirksamkeit dieser bedeutenden Männer beurteilte Dibelius das kirchliche Leben in der Kurmark als trist und trostlos 74 . „Bezeichnend ist die konservative Grundhaltung der Menschen, die nicht ohne Schwerfälligkeit war und ist, die deshalb auch den Kampf des Herzens mit dem lebendigen Gott gern dem Pfarrer überläßt." 75 Mit ihren 1.274.038 Gemeindegliedern 76 war die Kirche der Kurmark beim Amtsantritt von Dibelius der größte Sprengel innerhalb der altpreußischen Kirche. Dibelius hatte 45 Kirchenkreise in seinem Sprengel mit durchschnittlich 25.000 Gemeindegliedern zu betreuen; lediglich die Kirchenkreise Potsdam und Spandau überragten mit je 100.000 Seelen die übrigen Superintendenturen. Noch während die kurmärkische Generalsuperintendentur nach dem Tod von AXENFELD vakant war, unternahm der Generalsuperintendent von Berlin-Land, D. HAENDLER, mit zwei Eingaben 77 an den E O K einen Vorstoß mit der Ab71 „Asphaltkultur" war in den 20er Jahren ein Lieblingswort des konservativen Kulturpessimismus, ein Begriff, dessen sich auch Dibelius immer wieder bediente (vgl. z.B. SoSp. v. 29.1.1928 und v. 6.5.1928). „Die Pflege des Volkstums, in das uns Gott hineingestellt hat, die Stärkung des Heimatgefühls, eine neue Verwurzelung in die Scholle und eine bewußte Abkehr von der modernen Asphaltkultur - das sind die Ziele, für die sich jede evangelische Kirche mit Bestimmtheit einsetzen wird!" (RdBr. v. 3.4.1928) Vgl dazu auch D . PEUKERT, Republik, 1987, S.178f., 188f. 72 Die Evangelische Kirche der Kurmark, 1932, S.9. 73 König FRIEDRICH WILHELM IV. holte den aus Leonberg stammenden Schwaben und den Ephorus des Tübinger Stifts als Hof- und Domprediger nach Berlin und gründete zusammen mit ihm 1854 das dortige Domkandidatenstift, dessen erster Ephorus er wurde. Ihm folgten sowohl im A m t des Ephorus als auch im A m t des kurmärkischen Generalsuperintendenten Rudolf KÖGEL und Ernst v. DRY ANDER (vgl. B. DOEHRING, Domkandidatenstift, 1954, S.9-33). Z u m bestimmenden Einfluss HOFFMANNS auf die Politik der preußischen Kirche vgl. G . BESIER, Kirchenpolitik, 1979, S.121ff. 7* Vgl. Schreiben an die Patrone v. 20.2.1925 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3): „Die Kurmark ist in kirchlicher Beziehung vielfach schwieriger Boden ... Solcher trostlosen Unkirchlichkeit entgegenzuwirken .., muß fortan mein ernstes, heiliges Bemühen sein!" 75 Die Evangelische Kirche der Kurmark, 1932, S.10. 76 Seelenzahl der Kurmark, Stand: Juni 1925 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). 77 Schreiben an E O K v. 17.7.1924 u. 12.1.1925 ( E Z A BERLIN, 7/11065).
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sieht, die Diözese Spandau in seinen eigenen Sprengel einzuverleiben, da die Gemeinden der Stadt Spandau im kommunalen Bereich auch schon zu Groß-Berlin zählten. Dibelius wurde davon noch vor seinem Dienstantritt durch den E O K unterrichtet 78 . GenSup. HAENDLER griff dann im Frühjahr 1925, zugleich auch in seiner Eigenschaft als neuer Vorsitzender des Brandenburgischen Konsistoriums, seine eigenen Anregungen wieder auf und erreichte bei den Brandenburgischen Generalsuperintendenten und dem Konsistorialpräsidenten GENSEN zunächst das Zugeständnis, dass wenigstens die Stadt Spandau in den Berliner Sprengel einbezogen werden sollte 79 . Dibelius wehrte sich aber vehement dagegen, dass auch der ca. 14.000 Gemeindeglieder umfassende kleinere Teil des Kirchenkreises, dessen sechs Gemeinden nicht zu Groß-Berlin gehörten, ebenfalls der Berliner Generalsuperintendentur zugeschlagen werden sollte. Er konnte sich allerdings damit zunächst nicht durchsetzen und verlor durch einen entsprechenden Beschluss der Provinzialsynode 1925 den ganzen Kirchenkreis Spandau 80 . Doch ließ Dibelius zusammen mit den betroffenen Pfarrern und Gemeinden des Kirchenkreises Spandau nicht locker und setzte letztlich doch wieder die Rückführung dieser sechs Berlin-externen Gemeinden in den Bereich der Kurmark 8 1 durch. In einem weiteren Zusammenhang bekam Dibelius das Spannungsverhältnis zu spüren, in dem die Kurmark zur Metropole Berlin stand. Die Kreissynoden von Frankfurt/O. und von Potsdam I beantragten anlässlich der Provinzialsynode des Jahres 1927 die Verlegung des Amts- und Wohnsitzes des Generalsuperintendenten in die jeweilige Residenzhauptstadt. In ihren Argumenten gaben die Kreissynoden der Präsenz des Generalsuperintendenten in seinem Sprengel den Vorzug gegenüber der geographischen Nähe zum Konsistorium in Berlin 82 . Schreiben des E O K an Dibelius v. 24.1.1925 (EBD.). Vorsitzender des Konsistoriums, GenSup. HAENDLER, an den E O K v. 5.6.1925 (EBD.). 80 Vgl. Tätigkeitsbericht von Dibelius vor der Provinzialsynode 1927, Drucksache 33 (EZA BERLIN, 14/1649, Bd.l). 81 Tätigkeitsbericht von Dibelius und Drucksache 57 (Provinzialsynode 1929, S.619 u. 672). 82 Eine pikante N o t e in das sicherlich nicht spannungsfreie Nebeneinander von zwei Berliner und zwei Provinz-Generalsuperintendenturen innerhalb Brandenburgs bedeutete ein Vorstoß des Berliner GenSup. BURGHART; in einem öffentlichen Vortrag im März 1927 machte Burghart den Vorschlag, den Amtssitz des Generalsuperintendenten in den jeweiligen Sprengel zu verlegen und begründete dies mit dem Hinweis, dass mit einem Dienstauto die Entfernung zum Berliner Konsistorium leicht zu überwinden sei (vgl. RBo. v. 8.3.1927). - Im November 1932 wurde im E O K im Kreis der Generalsuperintendenten die Frage der Dislozierung des Amtssitzes im Zusammenhang einer Neueinteilung der Sprengel und einer Verminderung der Zahl der Generalsuperintendenturen besprochen. Dabei ging es vor allem auch darum, ob in Berlin die beiden Generalsuperintendenturen nicht wieder im Sinne der Zentralisierung zusammengefasst werden sollten. GenSup. HAENDLER wehrte sich heftig dagegen, während z.B. Dibelius sich für die einheitliche Führung Berlins aussprach, diese Entscheidung aber im Blick auf eine damals schon ins Auge gefasste Verfassungsreform zurückzustellen wünschte (vgl. E Z A BERLIN, 7/776, pag,179ff.; der Vorsitzende der Versammlung der Generalsuperintendenten überreichte dem Kirchensenat und dem EOK-Präsidenten am 7.2.1933 eine „Denkschrift der Generalsuperintendenten zur Revision der Kirchenverfassung" - vgl. E Z A BERLIN, 7/385). Für eine Vereinheitlichung und Zentralisierung des evangelisch-kirchlichen Berlin äußerte sich Dibelius öffentlich bereits im Jahr 1929: 78
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In der Debatte der Synode machte GenSup. VITS bei allem Verständnis für die Vorteile einer Verlegung von Berlin in die Sprengel-Hauptstadt in Absprache mit Dibelius geltend, dass die Sache noch nicht spruchreif und ohnehin vom Kirchensenat zu entscheiden sei; zudem habe die Nähe zur Konsistorialbehörde und zu den Instanzen der Provinzialsynode (d.h. zum Provinzialkirchenrat) und die notwendige Anwesenheit bei den Prüfungen der Kandidaten das größere Gewicht 83 . Dibelius selbst schlug der Synode vor, sie möge beschließen, dass der Provinzialkirchenrat die Angelegenheit im Auge behalten solle, ohne zu einer erneuten Vorlage verpflichtet zu sein84. So blieb der Sitz der Generalsuperintendenten in Berlin, wo der „Pulsschlag der Zeit"85 zu spüren ist und wo sich das „Schicksal Deutschlands" 86 entscheidet. Dibelius hat 1927 den Beschluss der Synode, nun selber in der Funktion als Vorsitzender des Konsistoriums, an den EOK weitergeleitet. Dabei äußerte er zwar Verständnis für die Antragstellung der Kreissynoden: der Wunsch nach Verlegung sei zwar „durch die Neugestaltung des kirchlichen Lebens seit der Revolution besonders lebendig"87 geworden. Er ließ aber keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er selbst sich unter Beibehaltung seines Amtssitzes in Berlin höchstens zu einem Wohnsitzwechsel nach Potsdam verstehen könne. Die Sache wurde zur Genugtuung von Dibelius auf die lange Bank geschoben mit der abschließenden Bemerkung, „daß mit dieser Beschlußfassung eine Vertagung der Angelegenheit für längere Zeit eingetreten"88 sei. Für die weitere absehbare Zukunft war nun gesichert, dass auch der Generalsuperintendent der Kurmark seinen Amtssitz in Berlin beibehalten konnte 89 . Di-
„Wer kirchliches Leben unter großen Gesichtspunkten anzusehen gewohnt ist, kann sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß es in einem kommunal einheitlichen Groß-Berlin auf die Dauer ohne eine einheitliche kirchliche Spitze, bei der die Fäden des kirchlichen Lebens zusammenlaufen, einfach nicht geht" (SoSp. v. 29.9.1929). 83 Provinzialsynode 1927, S.218. 84 Vgl. Provinzialkirchenrat an Konsistorium v. 5.10.1927 (EZA BERLIN, 14/1613). 85 Dibelius auf der Provinzialsynode (Provinzialsynode 1925, S.53; vgl. auch S.54 u. 59). 86 Die Evangelische Kirche der Kurmark, 1932, S.9. 87 Vorsitzender des Konsistoriums an E O K v. 18.5.1928 (EZA BERLIN, 14/1613 / EZA BERLIN, 7/11065). Besonders bemerkenswert in diesem Schreiben ist, dass die Formulierung „durch die Neugestaltung des kirchlichen Lebens nach der Revolution" in der ganzen Debatte so nicht v o r k o m m t , dass aber Dibelius offenbar diesen Gedanken von seinen eigenen Denkvoraussetzungen her als das eigentlich stärkste Gegenargument erwartet hätte; allerdings war er n u n nicht gewillt, sich diesem Argument zu beugen. 88 Vorsitzender des Konsistoriums an EOK v. 18.5.1928 (EBD.). Anders allerdings erinnert sich Dibelius in: Christ, 1961, S.156. - Nachdem 1949 auf der EKD-Synode in Bethel Dibelius zum Ratsvorsitzenden der EKD gewählt worden war, bezog er selbst die Bedeutung dieser Wahl nicht auf seine Person, sondern auf Berlin: „Die Synode hat dahin entschieden, daß der Vorsitz im Rat der Evangelischen Kirche für die kommenden sechs Jahre nach Berlin verlegt werden soll." Er lenkte die Aufmerksamkeit besonders darauf, dass der Kirche mit dieser Orts-Wahl eine neue Funktion und Aufgabe im geteilten Deutschland und innerhalb der Deutschlandpolitik zugewiesen sei: „Damit ist die Evangelische Kirche ein einzigartiges Band der Gemeinschaft über ganz Deutschland hinweg geworden" (Die Evangelische Kirche heute, in: Die Welt v. 18.1.1949). 89 In der Frage der Nachfolge von Th. WURM hielt Dibelius 1949 die ganze Reihe der Wahlgänge als Kandidat für das Amt des Ratsvorsitzenden der EKD mit Zähigkeit und eisernen Ner-
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belius konnte als beweglicher, d.h. auto-mobilisierter Generalsuperintendent die ihm so wichtige geistliche Leitung der Kurmark durch seine persönliche Präsenz uneingeschränkt wahrnehmen und gleichzeitig in der Metropole Berlin bleiben, um so auch politisch und kirchenpolitisch in der Hauptstadt selbst handlungsfähig zu sein. Die Kurmark jedoch, für die man sich durch die Verlegung des Amtssitzes eine Aufwertung versprach, blieb auch in kirchlicher Hinsicht die Provinz um die Reichshauptstadt herum; sie bot auch noch am Anfang des 20. Jahrhunderts kein anderes Bild, als es schon Theodor F O N T A N E in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" (4 Bände, 1862-1882) vorgefunden und so einfühlsam wie kenntnisreich gezeichnet hatte: die Kurmark war „des Reiches Streusandbüchse". Wenn sich kirchliches Leben mancherorts kärglich wie die Erträge auf sandigem Boden darstellte, so war dies für Dibelius Herausforderung genug zu zeigen, dass die Kirche auf märkischem Sand nicht auf „Sand" gebaut ist und dass sie sogar als „Sand im Getriebe" von traditionellen kirchlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen und Vorurteilen wirken konnte.
ven durch mit „der eigentümlichen These, daß der Vorsitz des Rates in Berlin sein müsse" (H. LlLJE, Memorabilia, 1973, S.145).
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,Die Kirche baut sich aus der Gemeinde auf"
2. „Die Kirche baut sich aus der Gemeinde
auf
2.1 Gemeindekirche statt Synoden- und Behördenkirche Schon im Auftrag des Werbeausschusses des Vertrauensrates hatte Dibelius in seinen Mitteilungen' weit über dessen eigentliche Aufgaben hinaus Ziele der zukünftigen Gemeindearbeit proklamiert, die sich unmittelbar aus der neuen Zeit und aus der neu zu gestaltenden Kirchenverfassung ergaben: „Pia desideria für die zukünftige Gestaltung des kirchlichen Lebens" 1 . Dabei ging Dibelius davon aus, dass durch die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat die eigenständige und eigenverantwortliche Gemeindearbeit gegenüber der behördlichen Verwaltung wesentlich an Bedeutung gewinnen würde und müsse. Sicherlich auch eine Frucht aller zunächst misstrauisch verfolgten Volkskirchenbundsund Volkskirchenrats-Bestrebungen war es, dass die neue Verfassungsurkunde mit den Artikeln über die Gemeinde im organischen Aufbau der Kirche von unten nach oben beginnt. So kann es nicht hoch genug veranschlagt werden, wenn - in Aufnahme der Intention der Rheinisch-Westfälischen Kirchenordnung von 18352 und in Fortführung der Synodal- und Kirchenverfassungsgesetze von 1873/76 3 - schon in den Eingangsparagraphen der neuen Kirchenverfassung den Gemeinden eine zentrale und fundamentale Bedeutung zugewiesen wird und sie in den gesamtkirchlichen Zusammenhang eingewiesen werden. Im Art. 4 der V U heißt es dementsprechend: „Die Kirche baut sich aus der Gemeinde auf. Die Kirche soll auf allen Stufen ihres Aufbaus der Gemeinde dienen und die in dieser lebendigen Kräfte des Glaubens, der Liebe und der Zucht zusammenfassen.... Die Gemeinde hat an dem inneren und äußeren Aufbau der Kirche mitzuwirken und den Zusammenhang mit ihr zu pflegen." 4 1 1. Die künftige Wortverkündigung und Vertretung des christlichen Glaubens durch die Geistlichen der Landeskirche (Mitteilungen Nr.10 v. 15.5.1919) 2. Die Arbeitsorganisation der Einzelgemeinde (Mitteilungen N r . l l v. 20.6.1919) 3. Kirche und Arbeiterschaft (EBD.) 4. Die Stellung der Kirche zu den Gemeinschaften 5. Die künftige Mitarbeit der Frauen im Leben der Landeskirche - die Punkte 4 und 5 kamen nicht mehr zur Veröffentlichung. 2 Vgl. R. STUPPERICH, Kirchenkampf, 1992, S.27. 3 Vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat Π, S.933ff. (Kirchengemeinde- und Synodalordnung von 1873), S.944ff. (Generalsynodalordnung von 1876) u. S.952ff. (Kirchenverfassung von 1876). 4 Artikel 4, Absatz 1,2,3 (F. GLESE? J. HOSEMANN, Die Verfassungen, 1927, S.4.; vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.546) - Wenn J. JACKE (Kirche, 1976, S.300) diesen Artikel abwertend als ein nur „deklamatorisches Bekenntnis zum evangelischen Gemeindegedanken und zum allgemeinen Priestertum der Gläubigen" beurteilt, dann ist dem nicht zuzustimmen. Natürlich waren damals (wie bis heute) Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit dieses Artikels noch nicht deckungsgleich; doch bedeutete dieser Artikel und seine herausragende Stellung im Verfassungswerk gegenüber der normierenden Kraft der überkommenen Behördenkirche und dem unkirchlich-frommen Individualismus des 19. Jahrhunderts einen wesentlichen Einschnitt und Fortschritt. - Zur Geschichte des Gemeindegedankens und zur Auseinandersetzung über das Gemeindeprinzip als Ordnungsgedanke der Kirchenverfassung im 19. Jahrhundert vgl. auch J . MEHLHAUSEN, Recht, 1989, S.33-57.
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Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es Dibelius mit diesem Verfassungsgrundsatz ernst war und dass er damit auf seine Weise auch ernst machte. Im Gegensatz zu dem Bild, das ihm von der Kirche der Vergangenheit vor Augen stand, wonach die Kirche lediglich eine lockere und unverbindliche Zusammenfassung der frommen Seelen darstellte, entwickelte und proklamierte er die Vorstellung von einer Kirche, die sich einzig und allein in der Gemeinde präsentiert, die allerdings auch einzig und allein im geistlichen Amt und in der geistlichen Leitung der Kirche 5 repräsentiert wird. Der Gegensatz zwischen der früheren und der neuen Zeit kann nach Dibelius nicht scharf genug gesehen werden. Nach seiner Anschauung konnte sich die Gemeinde überhaupt erst jetzt durch die Umgestaltung der äußeren Verhältnisse, die sich im Gefolge der politischen Revolution ergaben, ihrer selbst bewusst werden. Dibelius sah den Gegensatz geradezu in einer Überschärfe: Das eigentliche und das wirklich revolutionäre Ergebnis der Revolution ist die Tatsache, dass die Kirche sich nicht mehr auf dem Staat aufbaut. Das Rad der Geschichte kann und darf nicht mehr zurückgedreht werden: Jetzt baut sich die Kirche aus der Gemeinde auf. Mit dem hohen Rang, den Dibelius der Gemeinde zuwies, ging für ihn auch eine gewisse Geringschätzung der synodalen Gremienarbeit einher 6 . Zweierlei bemängelte Dibelius an den Synoden auf all ihren Ebenen: die mangelnde Verbindung zur Basis der Kirche, zur Volks-Kirche im Sinn der Gemeinde-Kirche, und die vielfach vermisste innere Geschlossenheit, ohne die die synodalen Gremien häufig die Wirkung ihrer Arbeit verspielten. Die Enttäuschung über Verlauf und Ergebnis der Konstituanten sah Dibelius auch im Blick auf die Wirkung und das Resultat der „Advent-Synode" 1925, der ersten Generalsynode neuer Ordnung, bestätigt: „Die Generalsynode hat, auf das ganze gesehen, nicht den Ertrag gebracht, den ich persönlich und gewiß viele mit mir, erwartet hatte.... Sie hat den Kirchensenat gewählt. Sie hat in diese Körperschaft einen Arbeitersekretär hineingewählt. Das ist ein Ergebnis, um dessentwillen ich manches gern in Kauf nehme, was mich unbefriedigt gelassen hat." 7 DibeVgl. dazu besonders unten S.265ff. N i c h t die Ergebnisse der Synodalarbeit waren es, die Dibelius kritisierte, sondern dies, dass die Synoden so wenig bewirkten. Im Rückblick auf die Ökumenische Konferenz in Amsterdam (1948) urteilte Dibelius: „Beschlossen, gedruckt, verschickt und ziemlich bald wieder vergessen - das ist das Schicksal solcher Beschlüsse"; was kann denn dabei schon anderes herauskommen „als ein Andante für das wohltemperierte Klavier, das niemand aufregt und ganz wenige interessiert?" (Christ, 1961, S.314). 7 R d B r . v. 23.12.1925. Dibelius fährt fort: „Es ist geradezu erschreckend, wie wenig im allgemeinen unsere synodalen Körperschaften die ungeheure Verantwortung der Kirche auf sozialem Gebiet begriffen haben. Wie wenig sie sich darüber klar geworden sind, daß die Arbeiterfrage die Lebensfrage der Volkskirche ist!" Zur Wahl des Arbeitersekretärs HARTWIG aus Berlin in den Kirchensenat vgl. auch WoSch. v. 3.1.1926: „Die evangelische Kirche altpreußischer U n i o n hat damit ihren Willen bekundet, die soziale Verantwortung der Kirche mit neuem Ernst auf ihr Gewissen zu nehmen." - Z u m Ausgang der Kirchenwahlen von 1928 schreibt Dibelius: „Das Wichtigste v o n allem ist, daß die Zahl der Arbeiter, die in die kirchlichen Körperschaften eingetreten sind, diesmal beträchtlich größer ist als früher. D e r Wille, die evangelische Kirche nicht zu 5
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lius bekümmerte trotz der grundsätzlichen Bejahung kirchenpolitischer Gruppierungen und Unterschiede der Mangel an sichtbarer und wirkungsvoller Geschlossenheit der Synoden. Er erwartete von den Synoden „unbedingt innere Geschlossenheit"; denn „eine Kirche, die im schwersten Kampfe gegen staatliche Widerstände und gegen religionsfeindliche Verhetzung steht, wird die Schlacht verlieren und zu einer ohnmächtigen Winkelkirche herabgedrückt werden, wenn nicht der lieblose Kampf im Innern aufhört und der Glaube seinen Ernst bewährt durch eine Kraft der Liebe und des Friedens." 8 Nur Geschlossenheit also ist wirklich wirkungsvoll, denn nur Geschlossenheit und Einheit, dies ist die zielgerichtete und zweckbestimmte Deduktion von Dibelius, können dem Staat, der der Kirche gegenübersteht, Eindruck machen und Respekt abverlangen. Und nur so wird eine Synode letztlich auch der Gemeinde dienen können, aus der sich die Kirche aufbaut. Dibelius war ein Verfechter der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden. So haben kirchliche Behörden ebenso wie die Synoden ihren Sinn allein darin, dass sie im Dienst der Gemeinden stehen, die sich nicht „als ausführende Organe für Befehle von oben fühlen" dürfen. Die „Werte" der Kirche, so sagt es Dibelius, werden im konkreten Leben der einzelnen Gemeinden geschaffen: „Ob hier in den Gottesdiensten, im Unterricht, in der Seelsorge Glaubenskraft und Liebeseifer walten, daran entscheidet sich die Kraft der Kirche. Die Kirchenleitung kann zusammenfassen, sie kann Anstöße geben, sie kann Hilfestellung leisten, aber Leben schaffen kann sie nicht." In der Konsequenz all dessen prägte Dibelius den eindrucksvollen Merksatz: „Eine Gemeinde kann ohne Konsistorium leben, aber das Konsistorium nicht ohne Gemeinden." 9 2.2 Dibelius' Rundreise durch die Kurmark In diesem Sinn galt das erste große Bemühen von Dibelius nach seinem Amtsantritt als Generalsuperintendent der Stärkung der Gemeinden, der Kirchenkreise, der Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter und Körperschaften. Schon anlässlich einer Kirche des Bürgertums werden zu lassen, ist überall lebendig und fängt an, sich produktiv auszuwirken. Wir können nur hoffen, daß diese Entwicklung weiter kraftvoll fortschreiten wird." (SoSp. v. 2.12.1928) So beeindruckend die verbalen Bekundungen von Dibelius im Blick auf die Arbeiterfrage erscheinen mögen und so ernsthaft sie in Wirklichkeit auch gemeint waren, so kurzschlüssig und kurzsichtig stellt sich Dibelius doch auch die Lösung der Arbeiterfrage vor, indem eben nur die Repräsentanz der Arbeiter in der Kirche verbessert und die persönlichen Kontakte zu den Arbeitern intensiviert werden sollen. Anlässlich eines Bau-Essens in Eberswalde sprach Dibelius davon, „daß Kirche und Arbeiterschaft zusammengehören und in welchem Geist sie zusammenstehen sollen. Ich konnte, was mir noch wichtiger war, jedem einzelnen Arbeiter die Hand geben." Ohne solche punktuellen persönlichen Begegnungen überschätzen zu wollen, so fährt Dibelius trotzdem fort, wecke eine solche Begegnung doch „auch bei dem klassenbewußten Proletarier ein Stück halbvergessenes Kleinbürgertum wieder auf. ...Und doch ist die persönlich-menschliche Berührung mit dem einzelnen Arbeiter der einzige (sie!) Weg, auf dem wir unter den heutigen Verhältnissen an seine Seele herankommen. Diesen Weg wollen wir gehen!" (RdBr. v. 12.2.1926). 8 WoSch. v. 1.1.1923. 9 Christ, 1961, S.140.
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seiner Amtseinführung bat Dibelius die Ephoren der Kurmark um ihre Anwesenheit, damit er noch am selben Tag bei einer Tasse Kaffee mit ihnen „in herzliche persönliche Fühlung" kommen und bei dieser Gelegenheit „zugleich die dringendsten Fragen meiner ersten Amtsführung vertraulich besprechen" 10 könne. Bereits in seinem ersten Rundbrief an alle Amtsbrüder kündigte er den „verehrte(n), liebe(n) Herren und Brüder(n)" an: „Sofort nach Ostern ...will ich, wenn Gott Gnade gibt, alle Diözesen meines Sprengeis besuchen und die persönliche Fühlung mit den Geistlichen und mit den Gemeinden aufnehmen, die Grundlage für meine Amtsführung abgeben muß." 11 Die Rundreise durch die Kurmark verfolgte nicht nur den Zweck, die Person des neuen Generalsuperintendenten ins Rampenlicht der (kirchlichen) Öffentlichkeit zu stellen; sie sollte zugleich auch eine kirchliche Signalwirkung, eine kirchliche „Zeitansage" sein, ein Zeichen der Ermutigung angesichts der damaligen Situation, die Dibelius in den düstersten Farben und Tönen beschrieb: „Eine seelenlose Gottentfremdung hat furchtbar um sich gegriffen. Verwilderung und Sittenverfall überall. Und gleichzeitig drückende Verarmung und politischer Niedergang." 1 2 U m s o strahlender heben sich auf diesem dunklen Hintergrund die von Dibelius ausgerufenen kirchlichen Parolen der neuen Zeit ab: „Siegeszuversicht" und „Freudigkeit" 13 , indem er aufruft zu „Mehr Mut zu offenem fröhlichen Bekenntnis! Mehr sieghafte Hoffnung an unsern Gräbern! Mehr opferfreudige Liebe zu den Brüdern!" 14 Die Berechtigung für solche Zuversicht sah Dibelius in der geschichtlich gewordenen Tatsache, dass „unsere evangelische Kirche mit neuem Rüstzeug auf den Plan" tritt und die neue Kirchenverfassung in Kraft ist 15 . In dieser Kirchenverfassung sind Kirche und geistliches Amt in untrennbarer und vom Staat unabhängiger Weise einander zugeordnet: „Der Grundgedanke der neuen Verfassung... ist der, daß wir nun endlich eine wirkliche evangelische Kirche haben sollen - nicht mehr eine halbstaatliche Ordnung der religiösen Angelegenheiten, sondern eine wirkliche, ihrer selbst bewußte evangelische Kirche!
10 Nicht mehr das Konsistorium wie bei der Amtseinführung von AXENFELD, sondern der neue Generalsuperintendent selbst hatte nun die Ephoren eingeladen: vgl. Dibelius an die Ephoren der Kurmark v. 28.1.1925 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). Dibelius berief die erste Ephorenkonferenz auf 23./24.3.1925 ein. Die beiden ersten Tagesordnungspunkte lauteten: 1. Rundreise des Generalsuperintendenten durch die Kurmark 2. Kirchentag der Kurmark (Dibelius an die Ephoren v. 13.3.1925, EBD.). Vgl. auch den Bericht über die Ephorenkonferenz v. 28.3.1925 an Konsistorium und E O K (EZA BERLIN, 14/1663). 11 RdBr. v. 1.2.1925 / So habe ich's erlebt, 1980, S.147. 12 Ansprache des Generalsuperintendenten an die Gemeinden der Kurmark v. 2.2.1925 (EZA BERLIN, 14/1613 / E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). J e dunkler die politischen Verhältnisse sind, um so bedeutungsvoller wird die Arbeit der evangelischen Kirche" (WoSch. v. 22.2.1925). 13 RdBr. v. 1.2.1925. 14 A n die Gemeinden der Kurmark v. 2.2.1925 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). 15 EBD.
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Das Amt des Generalsuperintendenten steht in besonderer Weise im Dienst dieses Grundgedankens." 1 6 Im geistlichen Amt des Generalsuperintendenten personalisiert sich also die Kirche, und in ihm konkretisiert sich „der Gedanke der Kirche" für „das Leben in den einzelnen Gemeinden". So sollte die Rundreise auch ein erster Schritt auf das ihm vorschwebende „Lernziel" hin sein, „daß die evangelische Christenheit auch in der Kurmark lerne, was Kirche sei" 17 . „Ich bin dessen gewiß", so fährt Dibelius in geradezu biblisch geprägter Sprache 18 fort, „daß der Gedanke der Kirche dazu berufen ist, das Leben in den einzelnen Gemeinden wirksam zu befruchten!" Die emphatische, zielorientierte, siegesbewusste Sprache macht deutlich, wofür das Herz des neuen Generalsuperintendenten der Kurmark schlägt und wie Dibelius sein Amtsverständnis und seine Mission mit programmatischem Bekenntnischarakter vorzutragen versteht. In Absprache mit den Ephoren und nach Rücksprache mit den einzelnen Gemeinden gab Dibelius bereits Anfang März seinen geradezu minuziös ausgearbeiteten Plan bekannt, nach dem er innerhalb von sechs Wochen, vom 16. April bis zum 28. Mai, in nahezu allen 45 Kirchenkreisen Station machen wollte 19 . Predigten in den Kirchen, Ansprachen vor Gemeinden und Pfarrern, Patronen und kirchlichen Körperschaften, Besuche bei Jugendkreisen und Frauenhilfen, persönliche Kontakte zur Lehrerschaft, zu Gremien und Männern des kommunalen Lebens (Magistrat, Landräte, Bürgermeister) waren feste Bestandteile des Programms, ebenso wie drei Einführungs-Gottesdienste von neu installierten Superintendenten und die Teilnahme an drei Kreissynoden. „Kein Pfarrer und kein Gemeindekirchenrat sollte mehr sagen können, er habe seinen Generalsuperintendenten niemals zu Gesicht bekommen." 2 0 Als „automobilisierter" Generalsuperintendent konnte Dibelius, zur Verwunderung vieler 21 , sein 43-tägiges Reiseprogramm „bis zum letzten Augenblick pünktlich und ungestört" durchführen sowohl der neue Aga-Wagen als auch der Generalsuperintendent selbst überstanden gut die fast 4.000 gefahrenen Kilometer, und die Amtsbrüder konnten sich davon überzeugen, „daß es nicht anspruchsvoller Luxus ist, wenn der Generalsuperintendent im eigenen Wagen fährt, sondern ein praktisches Bedürfnis" 22 . Die Verwunderung und auch die Bewunderung darüber, dass dieses ehrgeizige Vorhaben zwischen Ostern und Pfingsten programmgemäß abgewickelt werden
16 R d B r . v. 1.2.1925 / S o habe ich's erlebt, 1980, S.147. - Als Dibelius während seiner Rundreise durch die K u r m a r k einen ziemlich ungehaltenen Brief an den E O K wegen der schleppenden Bewilligung v o n Geldern für das Religionspädagogische Institut schrieb, vermerkte der Referent am Rande: „Ein neuer Verkehrston aus der Ä r a der neuen Verfassung!" (Dibelius an E O K v. 6.5.1925, in: E Z A BERLIN, 7/4503). 17 R d B r . v. 1.2.1925 / So habe ich's erlebt, 1980, S.147. 18 Vgl. R o m 8,38. 19 D a s genau ausgearbeitete Reiseprogramm gab Dibelius im RdBr. v. 6.3.1925 bekannt. 20 Christ, 1961, S.146. 21 Vgl. R d B r . v. 2.6.1925. 22 R d B r . v. 2.6.1925 / So habe ich's erlebt, 1980, S.149.
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konnte, waren nicht gering 23 . Die Gemeinden und die Amtsbrüder in der Kurmark lernten ihr kirchliches Oberhaupt kennen und wussten nun von Anfang an, wen sie als Generalsuperintendenten vor sich hatten: einen Mann der Kirche mit einer nahezu unerschöpflichen Kraft an Organisationstalent, an erstaunlichem Durchhaltewillen und schnellem, situationsgerechtem Einfühlungsvermögen, mit einem besonderen Charisma für gewandte Rede und sicheres Auftreten und mit einem engagierten Sinn für die Anliegen der Gemeinden und die N ö t e der Pfarrhäuser. N o c h von der Reise aus, gleichzeitig unter dem beifällig begrüßten Eindruck von HlNDENBURGs Wahl zum Reichspräsidenten und des Anschlusses der evangelischen Kirche Österreichs an den Deutschen Evangelischen Kirchenbund, ruft Dibelius den Lesern seiner , Wochenschau' zu: „Ja, es ist mit Händen zu greifen, wie die Bedeutung der Kirche im Leben der Völker steigt! Es ist einfach wahr: ein Jahrhundert der Kirche hat begonnen!" 24 Das Stichwort ist zum ersten Mal gefallen, unter dem Dibelius dann sein programmatisches Buch geschrieben hat: „Das Jahrhundert der Kirche". Nicht eine abstrakte Idee, im Studierzimmer des Theologen ausgeklügelt, bezeichnet dieser Begriff, - er hat seinen „Sitz im Leben" im Wirken und Erleben des Kirchenmannes, unterwegs auf der Reise durch seinen kurmärkischen Sprengel. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass die vielen Predigten und Ansprachen auf der Rundreise die Proklamation dieses „Jahrhunderts der Kirche" beinhaltet haben. Nicht im Ton des sicheren Triumphes wird diese Botschaft verkündet worden sein; kein geruhsames Jahrhundert wird hier versprochen; angesagt ist vielmehr die Zeit der kämpfenden Kirche 25 , eine Zeit voller Aufgaben und Verantwortungen, eine Zeit der kirchlichen Mobilität und Mobilisierung mit all den angespannten und auch überspannten Aufgeregtheiten. Dibelius verlangte dabei von den Gemeinden, Pfarrern und Mitarbeitern, was er selber vorlebte: kirchliche Einsatzbereitschaft und Arbeitsfreude, Freude an der Kirche und daraus resultierend kirchliche Aktivität bis hin zur Agitation 26 . N u r die Gemeinden machen die Kirche lebendig, so wie umgekehrt auch die Gemeinden das Mobilisierungspotential der Kirche sind für die Gesundung des Volksganzen. „Nicht von der Spitze der Kirche hängt ihr zukünftiges Leben ab, sondern von ihrem Fundament. Und dies Fundament ist die Gemeinde ..., an der Gemeinde hängt das Schicksal der Kirche, hängt darum auch Schicksal und Wert der (sc. neuen kirchlichen) Verfassung." 27
23 Vgl. auch die fortlaufenden Reiseberichte in den .Wochenschauen' vom 30.4.1925, 10.5.1925, 17.5.1925, 24.5.1925, 31.5.1925 und 7.6.1925. 24 WoSch. v. 17.5.1925. 25 Dass Dibelius zwischen der „triumphierenden Kirche" und der „kämpfenden Kirche" sehr wohl zu unterscheiden wusste, zeigt z.B. die ,Wochenschau' vom 1.1.1923. Dort ist für ihn die triumphierende Kirche ein erst im Schauen realisierter eschatologischer Begriff, während die kämpfende Kirche die irdische Kirche meint, die im Glauben zu begreifen und zu ergreifen ist. 26 Vgl. „Propaganda der Tat" (WoSch. v. 27.11.1921). 27 WoSch. v. 2.10.1921.
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2.3 Dibelius'Rundbriefe
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und die Ephoralkonferenzen
Dibelius wusste zu genau, dass die Kirche nicht durch amtliche Verlautbarungen und Behördenbriefe „ferngesteuert" werden kann. Das von ihm angestrebte Verantwortungsbewusstsein der Gemeinde konnte sich nur in dem Raum gewachsenen persönlichen Vertrauens entfalten. Deshalb nahm sich Dibelius in persönlicher Fühlungnahme besonders auch der Amtsbrüder, der Pastoren und Ephoren seines Sprengeis an. Die Pfarrer sollten durch die Mitarbeit der kirchlichen Körperschaften entlastet werden; den Superintendenten sollte in großzügiger Weise zur Verfügung gestellt werden, „was sie für ihre Büros und für die sonstigen Aufwendungen ihres Amtes brauchen"28. Stärkung und Ermutigung aber sollte ihnen allen durch ihren Generalsuperintendenten zuteil werden. Dazu waren regelmäßige Besprechungen, die Intensivierung und Pflege der persönlichen Kontakte vonnöten. Den lebendigen Kontakt mit seinen Amtsbrüdern pflegte Dibelius besonders auch durch gedruckte, meist vierseitige Rundbriefe, die in unregelmäßigen Abständen verschickt wurden 29 . Bis zu seiner Zwangspensionierung im Jahr 1933 schrieb Dibelius an seine „lieben Herren und Brüder" nicht weniger als 55 solcher Rundbriefe, dazu kamen eine Reihe von Kurzmitteilungen und Aufrufen an die Gemeinden und Gemeindekörperschaften. Mit diesem Instrument der Rundbriefe war ihm die Möglichkeit gegeben, einigermaßen ungezwungen und nichtamtlich und - was Dibelius besonders wichtig war - „vertraulich"30 auf Vorgänge in Kirche, Staat und Politik einzugehen, manche Nöte der Pfarrer und Pfarrhäuser aufzugreifen, auch manche Beschwernisse der Amts- und Lebensführung einiger Amtsbrüder kritisch anzusprechen und die Pfarrer mit Lesefrüchten und Anregungen für Haus und Beruf geistlich zu versorgen. Umgekehrt sollten die Gemeinden und Pfarrer ihre Anliegen über die Superintendenten oder direkt an den Generalsuperintendenten richten, der dann selber über die Weiterleitung an das Konsistorium entscheiden wollte. Einen höheren Grad der Vertraulichkeit besaßen demgegenüber die Besprechungen des Generalsuperintendenten mit den Ephoren des Sprengeis. Ausdrück28 WoSch. v. 17.5.1925. Vgl. auch Dibelius an die Kreissynodalvorstände der Kurmark v. 27.3.1925 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 3). 29 Die Rundbriefe sind jeweils fast vollständig vorhanden in: L K A BIELEFELD, 5/Nr.l, Bd.325 Fasc.2 und in: EZA BERLIN, 50/R 19. 30 Von dem vierten Rundbrief an (2.6.1925) war regelmäßig auf der ersten Seite schräg und in dicken Lettern gedruckt: „Vertraulich!" Schon im ersten Rundbrief betonte Dibelius, dass die Rundbriefe „nicht für die Öffentlichkeit und nicht zur Verwertung gegenüber irgendwelchen amtlichen Stellen bestimmt" seien. „Nur wenn ich mit Bestimmtheit darauf rechnen darf, daß dieser vertrauliche Charakter meiner Rundbriefe gewahrt bleibt, kann ich mich so frei und ungezwungen aussprechen, wie sich das unter Amtsbrüdern ziemt" (RdBr. v. 1.2.1925). Freilich rechnete Dibelius auch damit (und konnte es vielleicht auch manchmal hoffenj, dass das unter dem Vorzeichen wohldosierter Vertraulichkeit Gesagte auch hier und da in die Öffentlichkeit dringen würde: N u r unter der Voraussetzung der Vertraulichkeit „kann ich so schreiben, wie es mir ums Herz ist, bald plaudernd, bald ernst, immer offen und immer persönlich. Daß bei einem großen Empfängerkreis die Vertraulichkeit niemals ganz streng durchgehalten werden wird - darüber bin ich mir klar" (RdBr. v. 2.6.1925).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
lieh schrieb Dibelius im Blick auf ein Aktionsprogramm über die bevorstehenden Elternbeiratswahlen an die Ephoren der Kurmark: „In meinem Rundbrief mag ich von der Sache nicht sprechen. Das kommt doch an die Öffentlichkeit." 31 Die Ephorenkonferenzen, bei denen alle innerkirchlichen Fragen, teilweise auch unter Hinzuziehung der Referenten des Konsistoriums, besprochen werden konnten, wurden meist eingeleitet mit „vertraulichen Mitteilungen des Generalsuperintendenten". Insbesondere wurden auch in diesem kleineren Kreis die vertraulichen Umfragen und Erlasse des E O K mündlich verhandelt. So ζ. B. wünschte der E O K in einem vertraulichen Erlass eine Stellungnahme der Provinz zu einer möglichen Ansiedlung von katholischen Ruhrarbeitern 32 . Nach einem anderen vertraulichen Erlass des E O K sollten die Kirchenkreise mit besonderer Vorsicht in der Konkordatsfrage vorgehen. Die Generalsuperintendenten wurden deshalb angewiesen, darauf hinzuwirken, dass die Kreissynoden, wie mancherorts schon geschehen, nicht selbständig und eigenmächtig in einer von den Beschlüssen der Generalsynode abweichenden Form zur Frage des Konkordats Stellung beziehen. Die Superintendenten sollten von sich aus, ohne Berufung auf eine amtliche Weisung, in dieser Richtung auf die Kreissynoden einwirken; die kirchlichen Organe sollten sich geschlossen auf die führende Haltung der Generalsynode einstellen. Dibelius gab diese vertraulichen Behörden-Erlasse ohne besonderen Nachdruck weiter33, nicht weil er nicht ein Verfechter der Geschlossenheit innerhalb der Gesamtkirche gerade in einer solch hochsensiblen Frage gewesen wäre, sondern weil er sich dessen sicher war, dass er selbst durch seine persönlichen Kontakte und seine persönliche Autorität in dieser Sache schon mehr erreicht hatte, als es ein Erlass des E O K vermochte: „Ich darf annehmen, daß unsere Besprechungen über diesen Punkt ausreichend Klarheit geschaffen haben, möchte aber, um nichts zu versäumen, diese Bitte des Evangelischen Oberkirchenrats noch einmal weitergeben."34 Da bei den Besprechungen mit den Ephoren immer wieder auch Fragen der Verwaltung auftauchten, beschloss man im Konsistorium, dass ab 1930 jeweils am Ende eines Jahres zentrale Verwaltungskonferenzen abgehalten werden sollten, zu denen die Ephoren (die Superintendenten und/oder deren Stellvertreter) der Kirchenkreise aus der ganzen Provinz mit den Mitgliedern und Referenten des Berliner Konsistoriums zusammenkamen35. Trotzdem verzichtete Dibelius nicht auf seine regelmäßigen Sprengel-Konvente, da er den Kontakt mit den 31 Dibelius an die Ephoren der Kurmark v. 19.4.1929 ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3); vgl. auch Brief v. 4.3.1931 (EBD.). 32 Vgl. Dibelius an die Ephoren v. 6.10.1925 (EBD.). Dibelius gesteht dabei offen, „daß ich nicht recht weiß, was ich in der ganzen Sache anfangen soll. In der Kurmark wird es fast überall so stehen, daß eine Ansiedlung von Katholiken höchst unerwünscht ist". 33 Dibelius an die Ephoren v. 13.6.1927 (EBD.) mit dem Wortlaut des vertraulichen Erlasses des E O K . N o c h einmal mahnte der E O K aus gegebenem Anlass die Zurückhaltung der Gemeinden in der Konkordatsfrage an (vgl. Dibelius an die Ephoren v. 14.11.1928, EBD.). 34 Dibelius an die Ephoren v. 14.11.1928 (EBD.). 35 Dibelius an die Ephoren v. 6.10.1930 (EBD.).
,Die Kirche baut sich aus der Gemeinde auf"
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Ephoren nicht auf Fragen der Verwaltung und der Finanzen beschränkt wissen wollte. Ausdrücklich unterschied Dibelius die jährlichen Verwaltungskonferenzen, „zu denen das Konsistorium einlädt" und zu denen auch die Vertreter der Superintendenten eingeladen waren, von den Ephorenkonferenzen, „zu denen der Generalsuperintendent einlädt... Denn dort handelt es sich um die Externa der Verwaltung, also um rein sachliche Fragen", während die Ephorenkonferenzen „mehr persönlichen Charakter tragen. Sie sollen ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten des Ephorenkreises mit dem Generalsuperintendenten ermöglichen und die brüderliche Gemeinschaft derjenigen stärken, die zur Führung in einem Sprengel berufen sind. Hier muß auch die Möglichkeit bestehen, daß man sich über Vorkommnisse und Entwicklungen innerhalb der Pfarrerschaft offen miteinander ausspricht. Aus diesem Grunde würde es uns allen erwünscht sein, wenn die Superintendenten unter sich sind" 36 , d.h. auch unter Ausschluss der Superintendentur-Vertreter. Die persönliche und vertrauliche Art des Umgangs mit den Kollegen markierte damals einen neuen Stil in der Amtsführung eines Generalsuperintendenten. Dabei verlangte Dibelius von seinen Amtsbrüdern nicht weniger, sondern mehr an Einsatzbereitschaft und Verantwortungsübernahme: pünktliches und möglichst vollzähliges Erscheinen, Einhaltung der sorgfältig vorbereiteten Tagesordnung, Übernahme von Kurzreferaten als Einführung in ein Sachthema, loyale und sachgemäße Weitergabe und Ausführung des Besprochenen. Dibelius wollte in all dem auch ein Vorbild sein, indem er selber von sich verlangte, was er von den anderen erwartete; durch die ganze Art seiner Amtsführung wollte er ein pastor pastorum sein, ohne dabei seine Amtsbrüder im Zweifel darüber zu lassen, dass er der primus inter pares sei. Es war etwas durchaus Neues, dass und wie Dibelius die Intensität der Zusammenarbeit tatkräftig förderte und es auch verstand, dazu die äußeren Mittel zu beschaffen. Noch 1924, anlässlich einer gemeinsamen Konferenz der Ephoren von Berlin-Land und der Kurmark unter Vorsitz von GenSup. HAENDLER, der in der Vakaturzeit auch das Amt des kurmärkischen Generalsuperintendenten versah, klagten die Ephoren darüber, dass zu wenig Zeit und Geld vorhanden sei für eine sinnvolle und effektive Arbeit und Zusammenarbeit in den Kirchenkreisen des Sprengeis: „Es ist in der Tat so", so steht es im Bericht an den E O K , „daß viel gute ephorale Absichten, die durchaus vorhanden sind, einfach nicht ausgeführt werden können, weil Geld und Zeit mangelt." 37 Dibelius war entschlossen, es bei der Klage nicht zu belassen, sondern Abhilfe zu schaffen. Da für die häufigeren Zusammenkünfte mit den Ephoren im laufenden ordentlichen Haushaltsplan der Provinz die entsprechenden Gelder nicht vorgesehen waren, gab Dibelius, meist zusammen mit der Bekanntgabe der geplanten Tagesordnung, jeweils direkt beim E O K um die Ersetzung von Fahrtkosten und um die Erstattung von Tagegeldern ein. Die beantragten Gelder wur36 37
Dibelius an die Ephoren v. 4.3.1931 (EBD.). Konferenz am 10.12.1924; HAENDLER an E O K v. 19.5.1925 (EZA BERLIN, 7/11109).
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den, wohl auch wegen der guten Beziehungen von Dibelius zum E O K , bewilligt 38 . Die Anträge und Berichte adressierte Dibelius zunächst direkt an den E O K , während sonst der Dienstweg über das Konsistorium eingehalten werden musste, das dann die Anträge und die Abschriften der Berichte an den E O K zur Kenntnisnahme weiterleitete. Dibelius handelte sich deshalb wegen Missachtung des Instanzenweges eine Rüge des E O K ein und wurde von der Oberbehörde ersucht, „die Anträge künftig durch Vermittelung des Evangelischen Konsistoriums einzureichen" 39 . Dieser kleine, scheinbar nebensächliche Vorgang macht zum wiederholten Male deutlich, wie Dibelius nicht nur sein Amt, sondern auch seine Arbeit als Generalsuperintendent verstand ungeachtet aller Behördensystematik, die ihm natürlich weder fremd noch unbekannt war: Gerade auch die Zusammenarbeit mit den Geistlichen und den Gemeinden seines Sprengeis sah er im Horizont des gesamtkirchlichen Geschehens. Die Gesamt-Kirche war die für ihn entscheidende Größe und bestimmte die weit gesteckten Koordinaten seines Denkens, Wollens und Wirkens bis hin zu den kleinsten, in aller Akribie erarbeiteten Details seiner geistlichen Existenz. Keine Behörde kann solche geistliche und kirchliche Existenz repräsentieren, sie kann höchstens Hilfestellung geben. Die empirische Kirche will nicht verwaltet, sondern geistlich gestaltet sein; und dafür war - wenn überhaupt eine amtliche Instanz dafür in Betracht kam - in erster Linie die kirchliche Oberbehörde der angemessene Partner. Worin „Kirche" wirklich und wirksam wird, das vollzieht sich stellvertretend und abbildhaft in einem Prozess, der unter den begrenzten örtlichen und menschlichen Bedingungen und Möglichkeiten der Gemeinden in einem größeren Gesamtzusammenhang, ja sogar in einem weltweiten Kontext steht. Dass sich nach Meinung von Dibelius die Kirche als die Versammlung von Gemeinden immer wieder in den Kontext der öffentlichen und auch politischen Welt einbringen, sich dort darstellen und zur Geltung bringen muss, veranschaulicht seine Einrichtung und Durchführung der Kurmärkischen Kirchentage.
2.4 Die Kurmärkischen
Kirchentage
Dibelius war durchdrungen von dem Willen, den neuen äußeren, durch die Verfassung gegebenen Bedingungen und Chancen auch innerkirchlich neue Formen der kirchlichen Arbeit an die Seite zu stellen. Das „neue Rüstzeug" der kirchlichen Verfassung sollte „im Geist Jesu Christi" gebraucht und für die Gemeinden und für die Kirche der Kurmark genutzt werden. So kam zu dem persönlich geprägten Arbeitsstil des Generalsuperintendenten im Umgang mit den Gemeinden, mit den Pfarrern und Ephoren der Kurmark auch noch der von Dibelius ins 38 Der E O K machte seinerseits die Kosten für die Ephorenkonferenzen beim Preußischen Kultusministerium geltend, bis dieser Praxis MinDir. TRENDELENBURG mit Schreiben v. 10.1.1929 an den E O K widersprach. Der E O K versprach sich von dem künftigen Kirchenvertrag die Klärung dieser Angelegenheit (vgl. E Z A BERLIN, 7/817). 39 E O K an das Berliner Konsistorium v. 26.10.1925 (EZA BERLIN, 14/1663).
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Leben gerufene „Kurmärkische Kirchentag" hinzu. Sinn und Absicht dieses jährlich in Potsdam stattfindenden Kirchentages war es, die Kirche der Kurmark sichtbar „mit ihren großen Zielen und heiligen Aufgaben" 4 0 ins Bewusstsein der Gemeinden und der Öffentlichkeit treten zu lassen. Gleichzeitig sollte sich der Kirchentag innovatorisch und motivierend in jeder einzelnen Gemeinde auf die Arbeit der nächsten zwölf Monate auswirken. Dazu dienten die vom Generalsuperintendenten herausgegebenen Arbeitslosungen, „Parolen", die Dibelius in jedem Rundbrief, auf der ersten Seite eingerahmt und in dicken Lettern gesetzt, seinen Amtsbrüdern in Erinnerung brachte. Auch hier sollte das Neue auf dem Alten aufbauen. Geschickt funktionierte Dibelius die jährlich stattfindende „Kirchliche Konferenz" um, die seit Jahrzehnten bestand und nur ein kümmerliches Dasein fristete: Die seitherigen Mitarbeiter dieser Konferenz bezog er zunächst in die Vorbereitung und Durchführung des ersten Kurmärkischen Kirchentags im Jahr 1925 mit ein. So bekam der Kirchentag nach Art der weithin durchgeführten „Evangelischen Wochen" oder des „Evangelischen Gemeindetags" eine breitere, bis in die Laienwelt hineingreifende, volkskirchliche und volkstümliche Basis 41 . Durch einen solchen Kirchentag auf Sprengelebene konnte machtvoll und eindrucksvoll der Offentlichkeitswille und der Offentlichkeitsanspruch der Kirche demonstriert werden. Bereits nach vier Jahren konnte Dibelius mit Genugtuung feststellen, dass der Kurmärkische Kirchentag weit über die Grenzen der Provinz vom Rhein bis nach Ostpreußen Beachtung finde: Man nimmt von der Kirche wieder Notiz, man nimmt sie wieder ernst bis in die Arbeiterschaft und in die linkssozialistische Presse hinein 42 . Beim Kurmärkischen Kirchentag sollten sich „Kirche" und „Gemeinde" als wechselseitig aufeinander bezogene Größen begegnen: „die Gemeinde baut sich doch aus der Kirche auf - nicht nur die Kirche aus der Gemeinde, wie es in unserer Kirchenverfassung heißt. Was wäre die einzelne Gemeinde, wenn nicht hinter ihr die große Kirche stünde? ...Die Kirche der Kurmark - das ist ein Begriff! RdBr. v. 30.4.1929. Die Idee zu solchen die Gemeinden einbeziehenden Kirchenversammlungen geht zurück auf die 1910 gegründete „Konferenz für evangelische Gemeindearbeit", seit 1915: „Deutscher Evangelischer Gemeindetag". Vor allem Pfarrer A . STOCK und der Gießener Professor für Praktische Theologie und spätere Breslauer Generalsuperintendent M. SCHIAN förderten diese kirchliche Arbeit mit dem Ziel: „Heranziehung des Laienelements in der Kirche zur Mitarbeit" (EvMark v. 24.8.1926); vgl. auch: Die Durchführung des Gemeindegedankens, 1917, S.3 (hg. v. A. STOCK). Bei seinem einstigen Konfirmator, GenSup. STOLTE, erlebte Dibelius ein Jahr zuvor schon einen solchen „Kirchentag" in Magdeburg, auf dem er als EOK-Schulreferent zu dem Thema gesprochen hatte: „Unsere Verantwortung für evangelische Schulerziehung" (Magdeburger Kirchentag zum 400-jährigen Jubiläum der Einführung der Reformation, in: K r Z v. 17.5.1924). Die „Evangelischen Wochen" und der „Evangelische Gemeindetag" waren die Vorläufer und Vorbilder für den nach dem 2. Weltkrieg (ab 1949) von Reinold v. THADDEN-TRIEGLAFF (18911876) als ein kirchliches Laientreffen ins Leben gerufenen - und von Dibelius anfangs misstrauisch beäugten - Deutschen Evangelischen Kirchentag. 40 41
42 Vgl. RdBr. v. 19.6.1929 in Anspielung auf die Berichte der sozialistischen ,Rheinischen Zeitung' und der ,Vossischen Zeitung'. Dibelius nahm dabei und dagegen gern in Kauf, dass in einer Stahlhelm-Zeitung der Vorwurf gegenüber dem Kirchentag von 1929 erhoben wurde, hier sei die Behandlung der Kriegsschuldfrage versäumt worden.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
Hier kann lebendig werden, was evangelische Kirche ist. Dazu soll der Kirchentag helfen, wo die Gemeinden und die Pfarrer einander begegnen und sich gemeinsam stärken für ihre Arbeit." 4 3 Das alte, über alle Zeiten hinweg gleich gültige Bekenntnis muss der Gleichgültigkeit der Zeitgenossen entzogen und immer wieder durch ein neues Bekenntnis aktualisiert werden. Das alte Bekenntnis spricht den gemeinsamen Glauben der Christenheit aus; das diesen Glauben aktualisierende Bekenntnis aber hat die evangelische Kirche zum Gegenstand: „es gilt, einmal in geschlossener Front ein Bekenntnis (zur) evangelischen Kirche abzulegen" 44 . Generalstabsmäßig wurde der Kirchentag geplant. Die Pfarrer wurden zur Teilnahme „dienstverpflichtet"; aus jeder Gemeinde sollte mindestens ein Mitglied der kirchlichen Körperschaften anwesend sein. Der Kirchentag war als „ein alljährlicher Generalappell für den ganzen Sprengel" gedacht, und die solchermassen Gerufenen sollten dann wieder mit einer „Parole" aus- und zugerüstet an die „Front" des kirchlichen und öffentlichen Lebens entlassen werden. Mit dem Kreuzfahrerruf „Gott will es!" wurden die Gemeinden zum Kirchentag geladen: „Gott will es! Darum: Kommen Sie Alle!" 45 Durch solche nachdrückliche und mit göttlicher Autorität versehene Einladung und nicht zuletzt auch durch die stetige Regelmäßigkeit der alljährlich stattfindenden Kirchentage wurde diese Veranstaltung zu einer festen „Institution" und verfehlte nicht ihre einzigartige Wirkung nach innen und außen. Stabilität und Kontinuität von Ort und Zeit waren die äußeren Voraussetzungen für den Erfolg des Kirchentags: Er fand immer gleichbleibend in der Hauptstadt des Sprengeis und des Regierungsbezirks, in Potsdam, statt; der Zeitpunkt war in der Regel der Sonntag Exaudi mit dem darauf folgenden Montag, sicherlich nicht zufällig am Sonntag vor dem Pfingstfest, dem Fest der werdenden Kirche. Kirchen und Versammlungsräume waren, nicht zuletzt auch auf Anregung der Gemeinden selbst, ausgeschmückt mit Wimpeln, Girlanden und mit der neu geschaffenen Kirchenfahne 46 . Bis ins kleinste Detail hinein wurde der Kirchentag von Dibelius zusammen mit den Potsdamer Geistlichen und den dortigen Frauenkreisen vorbereitet. Auch wenn es kostspieliger war, legte Dibelius Wert darauf, durch ein gemeinsames alkoholfreies Essen ein öffentliches Zeichen gegen die von ihm so oft beklagte Alkoholsucht der Menschen zu setzen 47 .
Dibelius in EvMark v. 22.5.1927. RdBr. v. 2.5.1928. 45 RdBr. v. 10.4.1926. 46 Dibelius begrüßte es auf dem Hintergrund des Flaggenstreits (zwischen schwarz-weiß-rot und schwarz-rot-gold) als ein Indiz für die Eigenständigkeit der Kirche gegenüber dem Staat, dass die Kirche sich eine eigene Kirchenfahne (ein violettes Kreuz auf weißem Hintergrund) geschaffen hatte (zum Flaggenstreit vgl. SoSp. v. 23.1.1927, 13.5.1928, 20.5.1928; KJ 55, 1928, S.558, K J 56, 1929, S.353; A. LlNDT, Totalitarismus, 1981, S.93). 47 „Ich bin nicht abstinent und werde es kaum werden. Aber es liegt mir daran, auch einmal nach außen hin zu dokumentieren, daß die Kirche sich einsetzt für die Unabhängigkeit von Trinksitte und Trinkzwang" (RdBr. v. 2.6.1925). 43
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Vertreter der republikanischen Provinzialregierung wurden ebenso herzlich willkommen geheißen wie Prinz AUGUST WILHELM und einer der Kronprinzen-
söhne (1926) oder die Kronprinzessin (1927). Noch wichtiger aber waren Dibelius die Einladungen an die Mitglieder des E O K , um dadurch auch dem SprengelKirchentag einen gesamtkirchlichen Charakter zu geben48. Gottesdienstliche und musikalische Feiern (unter Leitung des Potsdamer Kantors Wilhelm KEMPFF), Jugendtreffen (teilweise im Freien), Referate von sachverständigen und prominenten Rednern, manches Mal auch getrennte Versammlungen für Arbeiter, Akademiker, Lehrer und Pfarrer gaben den äußeren Rahmen ab für das, woran dem Generalsuperintendenten am meisten gelegen war: an der Willensübertragung der Leitung der Kirche auf die Mitglieder der Gemeinden. Ein Bewusstsein gemeinsamer Verantwortung für die Kirche, für die Nöte und Aufgaben der Zeit zu schaffen49, das war das erklärte Ziel. Diesem Ziel diente das Herzstück und der Höhepunkt des Kirchentages: der Bericht des Generalsuperintendenten „über den Stand des kirchlichen Lebens in der Kurmark" 5 0 . Im Anschluß an den Bericht und die Aussprache wurde dann die neue, mit Spannung erwartete „Parole" bekanntgegeben, die neue Arbeitslosung für die künftigen Monate bis zum nächsten Kirchentag. Tatsächlich verfehlte ein derartig generalstabsmäßig geplanter und zielbewusst durchgeführter Aufmarsch der Mitglieder der evangelischen Kurmark nicht seine beabsichtigte Wirkung. Schnell fand der Gedanke einer solchen jährlichen kirchlichen Zusammenkunft seine Nachahmung auch in dem Nachbarsprengel der Neumark und Niederlausitz, wo der 1925 ernannte neue Generalsuperintendent D. VITS dem eindrucksvollen Beispiel zu folgen versuchte 51 und auch für seinen Sprengel einen Kirchentag nach kurmärkischem Vorbild einrichtete. Ebenso hat Vgl. EZA BERLIN, 7/11066. Vgl. W o S c h . v . 30.5.1926. 50 Vgl. z.B. das Manuskript-Fragment des Lageberichts vom Kirchentag 1926 in E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1. 51 Vgl. EvMark v. 10.10.1926. Es wird jedoch gerade am Unterschied der beiden SprengelKirchentage deutlich, worin das besondere Geheimnis der größeren Bedeutung und Offentlichkeitswirkung des Kurmärkischen Kirchentages bestand: VITS hat seine Kirchentage, wie es scheint, weit weniger entschlossen vorbereitet und auch weit weniger zielbewusst durchgeführt. Zwar hatten die auch dort ausgegebenen Arbeitslosungen inhaltlich einen ganz ähnlich appellativen Charakter; aber durch das nur additive Aufzählen von Appellen fehlte ihnen ihre konzentrative und einprägsame Kraft; so lauteten die Arbeitslosungen auf dem ersten Kirchentag 1926 in Frankfurt/O.: „Mehr protestantisches Ehrgefühl, mehr bewußtes, lebendiges Christentum, mehr Liebe zur Kirche, mehr Willigkeit zur persönlichen Mitarbeit, ... mehr Siegeszuversicht!" (vgl. Provinzialsynode 1927, Tätigkeitsbericht, S.553). Freilich hatten die Kirchentage kein festes, einprägsames Datum im Verlauf des Kirchenjahrs, und es fehlte ihnen die „stabilitas loci". Die Kirchentage fanden 1926 in Frankfurt/O., 1927 in Cottbus, 1928 in Küstrin, 1929 in Forst und 1930 wieder in Frankfurt/O. statt. Außerdem wagte es VITS nicht, die Kirchliche Konferenz in seinem Sprengel zu streichen, die jährlich und zusätzlich sowohl in der Neumark als auch in der Niederlausitz weiterhin durchgeführt wurde. Ebenso behielt VITS auch die Generalkirchenvisitationen alten Stils bei (vgl. Provinzialsynode 1929, Tätigkeitsbericht, S.624ff.). Dem Beispiel von Dibelius scheint VITS aber wieder darin gefolgt zu sein, dass er ebenfalls „vertrauliche" Rundbriefe an „die Herren Superintendenten und Pfarrer der Neumark und Niederlausitz" verschickte (vgl. z.B. den Rundbrief vom 15.1.1932 in: EZA BERLIN, 7/11066). 48
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auch der 1928 vom E O K in das Amt des Generalsuperintendenten gewechselte E. S T O L T E N H O F F jährliche Kirchentage in der rheinischen Kirchenprovinz, ζ. B. in Köln oder Saarbrücken, abgehalten52. Dibelius verstand es, dem Kurmärkischen Kirchentag in Potsdam durch die Kontinuität der Veranstaltung, durch die Stabilität des Ortes und durch die Konzentration aller Kräfte eine herausragende öffentliche und kirchliche Bedeutung zu geben. Die Kirchentage verstärkten die Repräsentation der Kirche nach außen und hatten eine starke Integrationswirkung nach innen. Offentlichkeitswirksam konnte Dibelius so die „Kirche" als das vorstellen und darstellen, was sie nach seiner Uberzeugung in den Kämpfen der Gegenwart sein sollte: eine Massenbewegung von unten nach oben und eine Willensübertragung von oben nach unten. Ubersicht über die KURMÄRKISCHEN K I R C H E N T A G E mit ihren Arbeitslosungen53 1. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Kein Gottesdienst ohne Mitarbeit in Potsdam am 21./22. Juni 1925 der Gemeinde! Keine Gemeinde (2. Sonntag nach Trinitatis) ohne engere, lebendige Gemeinschaft! Keine Gemeinschaftsversammlung ohne Gebet für die Kirche!" 2. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Hinein in die Bibel!" in Potsdam am 16./17. Mai 1926 (Sonntag Exaudi)54 3. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Die Bibel zur Hand! Ins öffentliche Leben hinein! Der erste Siegespreis in Potsdam am 29./30. Mai 1927 muß die Neugeburt des christlichen (Sonntag Exaudi) Sonntags sein!" 4. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Evangelische Männer an die Front! in Potsdam am 21./22. Mai 1928 Schulung! Zusammenschluß! und dann an die Arbeit!" (Montag/Dienstag nach Exaudi wegen der Wahlen zum Reichstag und Landtag, die am Sonntag, dem 20. Mai, stattfanden.)
52 Vgl. E . STOLTENHOFF, Hand, 1990, S.216ff. - In späteren Jahren machte die Abhaltung v o n Kirchentagen auch in anderen Provinzen Schule: So hatten die Kirchen in MecklenburgSchwerin und in P o m m e r n ihren „Tag evangelischer Demonstration" ( R K Z 82, 1932, S.334). 53 Gedruckte P r o g r a m m e ( E Z A BERLIN, 5 0 / R 19). 54 D e r Jugend der K u r m a r k z u m Gruß! (Ansprache über Psalm 103,5). Bericht über den Stand des kirchlichen Lebens in der K u r m a r k und Arbeitslosung ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1).
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5. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Wir wollen wirklich Volkskirche sein! Macht die Kirchen auf, gebt den in Potsdam am 13./14. Mai 1929 wirtschaftlich Schwachen Raum, laßt (Sonntag Exaudi) uns reicher werden an Taten der Liebe!" 6. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Wir wollen eine jugendliche Kirche sein!"55 in Potsdam am 1./2. Juni 1930 (Sonntag Exaudi) 7. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Wir bilden die evangelische Front!" in Potsdam am 17./18. Mai 1931 (Sonntag Exaudi) 8. Evangelischer Kirchentag der Kurmark „Wir bilden die evangelische Front!" in Potsdam am 8./9. Mai 1932 (Sonntag Exaudi)56 9. Evangelischer Kirchentag der Kurmark in Potsdam am 28./29. Mai 1933 (Sonntag Exaudi)57: Festgottesdienst am 28.5. in der Garnisonkirche. „Bittgottesdienst um heiligen Geist für unsere Kirche" am 29.5. in der Friedens- kirche58. Ausblick·. Die Reihe der Kurmärkischen Kirchentage fand auch über die Amtszeit von Dibelius hinaus bis in die Zeit der Bekennenden Kirche hinein ihre Fortsetzung. In bewusster und ausdrücklicher Anknüpfung an die von dem seitherigen kurmärkischen Generalsuperintendenten durchgeführten Kirchentage hat Pfarrer Kurt S C H A R F im Auftrag des am 7.3.1934 konstituierten Bruderrats der freien evangelischen Synode der Kirchenprovinz Brandenburg „zum freien evangelischen Kirchentag in der Kurmark am Freitag, dem 11. Mai 1934, im Kaiserpavillon Wannsee" eingeladen. Mit einem Gottesdienst, den Präses D. K O C H (Oeynhausen) hielt, wurde die Tagung eröffnet; dann folgten Referate von Pfarrer Ger-
55 Diese Parole mag das evangelische Pendant gewesen sein zum Thema des seit 1919 stattfindenden Märkischen Katholikentages im Jahr 1929 („Unsere Jugend"), des ersten nach Abschluss des Preußenkonkordats, in dem die Gründung des Bistums Berlin vereinbart worden war (vgl. H . ROSAL, Katholikentage, 1990, S.505f.). 56 Z u diesem Kirchentag lud Dibelius Lie. Η . SASSE ein, der zum Thema sprach: „Das Evangelium und der Staat". Während Dibelius immer mehr geneigt war, nur noch von den „Grenzen des Staates" (so sein gleichnamiges Buch aus dem Jahr 1949) zu sprechen, bezeichnete SASSE es als die Aufgabe der Kirche, „den Staat an sein Wesen und zugleich an seine Grenzen zu erinnern" (EvMark 1932, S.83). 57 „Eine Arbeitslosung für das neue Jahr wird angesichts des schnellen Tempos der gegenwärtigen Entwicklung nicht ausgegeben" (EvMark v. 11.6.1933). Stattdessen gab es verschiedene inoffizielle Parolen: „Unser Glaube aber ist der Sieg!" (vgl. RBo. v. 30.5.1933); „Christus, der H e r r ! " (Provinzial-Jugendpfarrer Dr. vom BERG), „Invalidenstraße oder Siegesallee?" (GenSup. Dibelius, vgl. EvMark v. 11.6.1933, S.91). 58 Vgl. E Z A BERLIN, 5 0 / 6 4 9 , pag.1-3. Aus dem Bericht über das kirchliche Leben der Kurmark v. 28.5.1933 ( E Z A BERLIN, 5 0 / 8 2 8 ) .
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hard JACOBI („Ein Jahr kirchlichen Kampfes"), von Reichsgerichtsrat FLOR („Zur Rechtslage der Kirche") und von dem Wannseer Patron und Ältesten Wilhelm v. ARNIM-LÜTZLOW („Was sollen wir tun?"). Der Kirchentag sollte den „kurmärkischen Pfarrern und Gemeindegliedern, aber auch den Notbundpfarrern aus der Neumark und Niederlausitz Gelegenheit bieten zur Unterrichtung über die kirchliche Lage und zu geistlicher Stärkung" 5 9 . In einem Bericht von Prof. G. HARDER, damals Pfarrer in Fehrbellin, wird erzählt, wie die bei dem Kirchentag anwesende Polizei einige aggressive Wendungen des Vortrags von Wilhelm v. ARNIM-LÜTZLOW „zum Anlaß für die natürlich vorher geplante Schließung der Versammlung" nahm 6 0 . Eine weitere Fortsetzung der kurmärkischen Kirchentags-Tradition war die „Pfingstrüste der Bekennenden Kirche der Mark Brandenburg", jeweils am Montag nach Exaudi, z. В.: Montag nach Exaudi, am 3. Juni 1935
in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem; Predigt: GenSup. D.Dr. Dibelius 61
Montag nach Exaudi, am 25. Mai 1936
in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem; Predigt: GenSup. D.Dr. Dibelius 62
Montag nach Exaudi, am 10. Mai 1937
in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem; Predigt: GenSup. D.Dr. Dibelius 63
59 Vgl. gedrucktes Einladungsplakat (EZA BERLIN, 50/403; vgl. auch LKA BIELEFELD, 5/Nr.l, Bd.158, Fasc.l). 60 Vgl. EZA BERLIN, 50/785, pag.218f. HARDER gibt hier fälschlicherweise den Namen Wilhelm („nicht Detlev") v. Arnim-Kröchlendorff an, den es aber gar nicht gibt. 61 Vgl. Einladungsschreiben von K. SCHARF v. 25.5.1935 (LKA BIELEFELD 5/Nr.l, Bd.159, Fasc.l): Ordination von bekenntnistreuen Hilfspredigern, Visitationsbericht von Sup. RIEHL, Lagebericht von Pfarrer NIEMÖLLER; es werden die neuen Liederhefte von Otto RIETHMÜLLER bereitgelegt, „damit wir auch Lieder singen können, die aus der Bewegung unserer Tage geboren sind". 62 Gottesdienst- und Tagungsprogramm (LKA BIELEFELD 5/Nr.l, Bd.160, Fasc.2): Vortrag von Prof. DELEKAT; „Neues Singen in der Kirche" mit Dr. Martin FISCHER; Lagebericht von Pfarrer NIEMÖLLER. 63 Vgl. EZA BERLIN, 611/NL Hunsche. Vgl. die gedruckte Predigt: „Wie Christen wählen". Predigt von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius am Sonntag Exaudi über Apg 1,15-26 [o.J]. Predigttext und Predigtinhalt sind auf dem Hintergrund des Erlasses des Führers und Reichskanzlers A. HITLER zu verstehen, der nach dem Scheitern der Kirchenausschuss-Politik des Reichskirchenministers KERRL am 15.2.1937 die Wahl einer verfassunggebenden Generalsynode anordnete (vgl. KJ 60/71, 1933-1944, S.162); die Kirche sollte demnach „in voller Freiheit nach eigener Bestimmung des Kirchenvolkes sich selbst die neue Verfassung und damit eine neue Ordnung geben"; außerdem nimmt Dibelius in dieser Predigt auf den ersten Satz der Barmer Erklärung Bezug: Jesus Christus ist der Herr der Wahl! Das ist das Erste. Keine .andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten' können als richtunggebend anerkannt werden, wenn die Kirche Männer wählen soll, die über ihre Verfassung und Ordnung zu entscheiden haben. Die Frage darf einzig und allein so gestellt werden: welche Männer will Jesus Christus in der Leitung seiner Kirche sehen?" (S.6; kursive Hervorhebung vom Vf.) - Damit kann diese Predigt auch zeitlich genau eingeordnet werden. Die von R. STUPPERICH auf das Jahr 1933 datierte Predigt (vgl. R. STUPPERICH, Dibelius [1970], S.49, Bibliogr.-Nr.82; DERS., Otto Dibelius, 1989, S.681, Bibliogr.-Nr.93) ist also eindeutig an Exaudi (genauer: am Montag nach Exaudi) im Jahr 1937 gehal-
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Auch noch nach dem 2. Weltkrieg knüpfte man an die Tradition des „Kurmärkischen Kirchentages in Potsdam" an und veranstaltete solche kirchliche Treffen, ζ. B. im Jahr 194864 oder im Jahr 194965. Selbst bis in die 50er Jahre hinein wurde die Reihe der Kurmärkischen Kirchentage unter der Leitung von GenSup. BRAUN fortgeführt. 2.5 Generalevangelisation statt
Generalvisitation
Nicht die neue Verfassung, nicht die geistliche Leitung eines Generalsuperintendenten, nicht die Aktivitäten einer Gemeinde nach innen und außen sollten die alleinigen Kennzeichen der neu angebrochenen Zeit sein: Nach Dibelius' Uberzeugung war das Evangelium selber, das von Menschen verkündigte Wort Gottes, die erneuernde und gestaltende Kraft für die Gesamtkirche wie auch für die einzelnen Gemeinden 66 . Deshalb gab Dibelius schon im ersten Jahr seiner neuen Amtstätigkeit programmatisch bekannt: „Generalkirchenvisitationen alten Stils werde ich nicht halten." 67 Er verzichtete also auf dieses den Generalsuperintendenten in besonderer Weise seit der „Instruktion" von 1829 zuerkannte Recht und die ihnen auferlegte Pflicht zur Aufsicht der Gemeinden und verstand seine diesbezüglichen Aufgaben in der neuen Zeit als eine Aufforderung zur Abhaltung von „Generalkirchen-Evangelisationen". Durch seine häufigen Reisen in die Gemeinden und durch die persönlichen Kontakte zu Pfarrern und Ephoren hielt Dibelius solche umständlichen und aufwendigen Visitationen, die durch den Generalsuperintendenten in regelmäßigen Abständen mit einem ganzen Tross von Begleitern in den Kirchenkreisen durchgeführt wurden, für nicht mehr zeitgemäß. Es ging ihm nicht so sehr um kirchenamtliche Beaufsichtigung, vielmehr um die geistliche Ausrichtung und Leitung der Gemeinden 68 .
ten worden - in einer Zeit also, in der man immer noch im Ungewissen über den Wahltermin und über die Art der Durchführung der angekündigten Kirchenwahl war (zur Datierung vgl. auch O. D L E H N , Bibliographie, 1958, Bibliogr.-Nr.2394). Die Predigt als Auftakt zur Pfingstrüste gab biblische Orientierung darüber, „wie Christen wählen": „In der Kirche hat allein Jesus Christus Recht und Gewalt. Und nur wer ihn zu bezeugen bereit ist mit seinem Leben, kann mit dazu helfen, daß die Gemeinde diejenigen findet, die Jesus Christus für die Leitung seiner Kirche erwählt hat." (S.7) Christus ist also allein Herr und Subjekt der Wahl; Christen können nur wählen, wen Christus erwählt hat! - Im Juni 1937 hielt Dibelius eine „Kundgebung für die bevorstehende Wahl zur evangel. Generalsynode" mit dem Thema: „Evangelische Kirche in der Entscheidung" (vgl. LKA BIELEFELD 5/Nr.l, Bd.326, Fasc.2). - Erst Ende 1937 machte K E R R L endgültig klar, dass die angekündigten Wahlen gar nicht stattfinden werden (vgl. dazu G. S C H Ä F E R , Dokumentation V, S.63 u. S.206-209). 64 Vgl. K. S C H A R F , Gesetz, 1 9 5 0 , S . 4 6 , Anm.l; vgl. die Predigt von Dibelius im Festgottesdienst zum Kurmärkischen Kirchentag in Potsdam am 1 8 . 5 . 1 9 4 8 (In Gegensätzen leben, 1 9 6 5 , S.159-167). 65 Kurmärkische Kirchentagung in Potsdam (Der Tagesspiegel v. 10.6.1949, Zeitungsausschnitt in: EZA B E R L I N , 5 / 1 7 9 9 ) . 66 Vgl. dazu auch: „Ein neuer Weg" (EvDt v. 30.4.1927, S.137f.). 67 RdBr.v. 12.2.1926. 68 Vgl. „Ein neuer Weg" (EvDt 4, 1927, S.137f.).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
Das kirchliche Leben der Kurmark lag „in erschütternder Weise darnieder", wie Dibelius nach seinem Amtsantritt berichtete69; die Kurmark war kirchliches Notstandsgebiet, „Missionsland". Deshalb bot Dibelius Generalkirchen-Evangelisationen an, die nicht einfach von oben diktiert , sondern dort durchgeführt wurden, wo es von den Gemeinden und Pfarrern erwünscht war und wo man deshalb auch auf die für Dibelius ganz unverzichtbare Vorarbeit, Mitarbeit und Nacharbeit bei solchen Unternehmungen rechnen konnte: „Vorherige Mobilmachung der kirchlichen Körperschaften; vorbereitende Versammlungen in allen Gemeinden mit ernstem Gebet; dann eine Evangelisation, eine Woche hindurch unter Mitwirkung des Generalsuperintendenten; Begründung oder Vertiefung bleibender kleinerer Gemeinschaften zu dauerndem Forschen in der Schrift und zu dauernder Mitarbeit in der Gemeinde - das muß unser Weg sein." 70 „Es ist ein neuer Versuch, einen Kirchenkreis von innen her zu mobilisieren."71 Evangelisation verstand Dibelius dabei als die auf die Gemeinde angewiesene und in die Gemeinde einweisende Form der kirchlich-missionarischen Arbeit in ganz bewusster Abgrenzung gegen jede nur „seelenbezogene" und sich selbst genügende Art pietistischer Innerlichkeit. Eine Evangelisation hat nach Dibelius über die Gemeinde hinaus auch eine allgemein öffentliche Bedeutung. Deshalb verlangte Dibelius nicht nur kirchliche Mitarbeit - selbst öffentliche Vergnügungen und politische Veranstaltungen sollten zu Gunsten einer Generalevangelisation abgesagt werden: das eine ist nach Dibelius „eine Veranstaltung", das andere, nämlich die kirchliche Evangelisation, „ein Ereignis!"72 Ganz im Sinn der neuen Arbeitslosung für das Jahr 1926/27 „Hinein in die Bibel!" war Dibelius im Herbst 1926 zusammen mit zwei geistlichen Räten des Konsistoriums eine Woche lang unterwegs im Kirchenkreis Lindow-Gransee. Begonnen hatte der Generalsuperintendent unter dem Wort aus Jer 22,29: „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!" 73 . Nach einer Woche konnte er die Evangelisation mit der Siegesbotschaft aus Hebr 11,30 abschließen: „Durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos, da sie sieben Tage um sie herum gegangen waren." 74 Was Dibelius allerdings in seiner ,Wochenschau' nur leise andeutete, berichtete er in seinem vertraulichen Rundbrief ganz offen: „einen einzigen unliebsamen Zwischenfall" gab es dadurch, dass die Ortsgruppe der DNVP am Eröffnungsabend der Evangelisations-Woche ihren vorgesehenen HlNDENBURG-Film nicht vom Programm zu Gunsten dieses kirchlichen Ereignisses absetzte75. Umgehend Dibelius an E O K v. 21.3.1925 (EZA BERLIN, 7/11065). RdBr. v. 12.2.1926. 71 WoSch.v. 21.11.1926. 72 Dibelius an Dr. AVERDUNK, Vorsitzender des Landesverbands Potsdam I der D N V P , v. 27.11.1926 (BA Abt. BERLIN, N L Mumm 108, pag.498 u. 508). 73 Undatiertes Predigt-Manuskript (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). 74 Vgl. die Berichte von Dibelius in der .Wochenschau' vom 21. und 28.11.1926. 75 RdBr. v. 2.12.1926. Vgl. den Beschwerdebrief an den DNVP-Landesverband v. 8.11.1926 (BA Abt. BERLIN, N L Mumm 108, pag.526f.); darin spricht Dibelius von der Vorführung eines BlSMARCK-Films mit anschließendem Ball. Der DNVP-Landesverband entgegnete jedoch, „daß der ursprünglich angesetzte Ball von der deutschnationalen Ortsgruppe abgesagt und ausgefallen 69 70
,Die Kirche baut sich aus der Gemeinde auf"
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hatte Dibelius bei der Parteileitung unter Androhung von bestimmten Konsequenzen Protest erhoben, weil eine evangelische Kirche von politischen Parteien, die gerade unter Evangelischen arbeiten, verlangen könne, dass solche kirchlichen Ereignisse entsprechend respektiert werden76. Uber die nächste Generalkirchen-Evangelisation berichtete Dibelius nicht in der kirchlichen Presse; zu viel Sprengstoff war darin enthalten. Bernau, die letzte Station in Dibelius' Rundreise von 1925, im Berliner Vorortbereich gelegen mit einer linksradikalen Arbeiterschaft und einer ungünstigen kirchlichen Statistik, war der Schauplatz der Evangelisation kurz vor der Passionszeit im Februar 1927. Mit offener Gegnerschaft beantworteten die „Rote Fahne" und die Freidenker das Ansinnen des Generalsuperintendenten, dass in der Evangelisations-Woche Maskenbälle und Stiftungsfeste unterbleiben sollten. Es gab Gegen- und Parallelversammlungen von roten Frontkämpfern und von Freidenkerverbänden. Trotz mancher Drohungen und auch blasphemischer Störungen verlief die Evangelisation, wie Dibelius seine Amtsbrüder wissen ließ, zwar unter innerer Anspannung, aber doch auch in äußerer Ruhe. 18 Amtsbrüder halfen bei der Vorbereitung und Durchführung der Woche mit, außerdem Pfarrer Z L M M E R M A N N vom Spandauer Johannesstift und die Konsistorialräte S C H L A B R I T Z K Y und F I S C H E R 7 7 . Absolventen des Diakonenseminars aus Spandau überbrachten zuvor in Von-Haus-zu-Haus-Besuchen Einladungen zur Evangelisation. „Im großen und ganzen ...sind sie freundlich aufgenommen worden - von den Arbeitern oft viel freundlicher als von den Spießbürgern, die in ihrer Ruhe nicht gestört sein wollten." 78 Zur dritten General-Evangelisation hatte im Herbst 1928 die Uckermark aufgerufen. Auch hier fand sich ein kirchlich schwer zu beackernder Boden, auf dem man schnelle Erfolge nicht erwarten konnte. Dibelius resümierte deshalb: „Ich stehe auch diesmal wieder unter dem Eindruck: Wenn Evangelisationen eine Frucht bringen sollen, und wenn umgekehrt die Gesamtkirche mit nachhaltiger Einwirkung in die Gemeinden hineintreten soll - dann ist die Verbindung von Evangelisation und Generalkirchenvisitation, wie wir sie pflegen, der gewiesene Weg! Gegen Einzelevangelisationen werde ich skeptischer von Jahr zu Jahr. Evangelisationen auf breiter Grundlage und Einordnung dieser Arbeit in die Ge-
ist. Ferner war von der Ortsgruppe dafür gesorgt, daß der in künstlerischer Hinsicht einwandfreie HLNDENBURG-Film zu einem Zeitpunkt vorgeführt wurde, als der Gottesdienst längst beendet w a r " (Dr. AVERDUNK an Dibelius v. 14.12.1926, in: EBD., pag.496; vgl. pag.516). 76 Vgl. RdBr. v. 2.12.1926. Dibelius fügte hinzu: „Ob es freilich zu einem befriedigenden Austrag kommen wird oder ob ich genötigt sein werde, bestimmte Konsequenzen zu ziehen das kann ich heute noch nicht übersehen." Zum weiteren der Auseinandersetzung zwischen Dibelius und der DNVP-Leitung s. unten S.281ff. 77 Die Vorgänge in Bernau kamen auch im Bericht des Konsistoriums (Referenten-Bericht von KonsRt SCHLABRITZKY) bei der Provinzialsynode am 1.9.1927 zur Sprache (vgl. E Z A BERLIN, 14/1649). 78 RdBr. V. 3.3.1927. Vgl. auch: „Ein neuer Weg" (EvDt v. 30.4.1927, S.137f.).
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samtaufgaben der Kirche, so daß kirchliche Körperschaften selbst die Verantwortung dafür übernehmen, daß nicht alles beim alten bleibt - das ist es!"79 Weitere Evangelisationen unter Mitwirkung des Generalsuperintendenten fanden in der letzten Woche des Kirchenjahrs 1928 in Angermünde 80 , im Februar 1930 in Brandenburg 81 sowie im November desselben Jahres eine achttägige Jubiläumsvisitation im Kirchenkreis Beizig82 statt. Die letzte Evangelisation führte den kurmärkischen Generalsuperintendenten im November 1932 in den Kirchenkreis Beeskow83; deren publizistische Wirkung wurde allerdings von den politischen Vorgängen der Jahreswende 1932/33 überlagert. Das „Rüstzeug" der neuen Kirchenverfassung stand zur Verfügung. Mit diesem „Instrumentarium" versuchte Dibelius, die Kirche mit Leben zu erfüllen, wobei das Bewusstsein einer neuen Zeit, des „Jahrhunderts der Kirche", auch Wagnis und Mut zu neuen Wegen verlangte: „Als festes Rückgrat für die Arbeit des Generalsuperintendenten hat sich ... das Ineinandergreifen von Kirchentag, Rundbriefen des Generalsuperintendenten an die Geistlichen, Kreiskirchentagen und Generalevangelisationen bewährt." 84
79 80 81 82 83 84
RdBr. v. 17.12.1928. Vgl. EvMarkv. 13.1.1929. Vgl. RdBr. v. 28.1.1930. Vgl. Notiz in EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 3. Vgl. RdBr. ν. 19.11.1932. Dibelius' Tätigkeitsbericht vor der Provinzialsynode 1929 (EvMark v. 22.9.1929).
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3. „Das Jahrhundert der Kirche" 3.1 Auf dem. Weg zum Jahrhundert der Kirche' Das in der neuen Verfassungsurkunde hervorgehobene Amt des Generalsuperintendenten und die Intensivierung und Aktivierung des Gemeindelebens, wie sie Dibelius in seinem neuen Amt zielbewusst anstrebte, waren die beiden Komponenten, die auch ein neues Verständnis ergaben für das, was unter dem Begriff „Kirche" zu verstehen ist: Mit einem fast übersteigerten Sendungsbewusstsein und mit einem axiomatischen Glauben an die Zukunftsnotwendigkeit und Zukunftsträchtigkeit der Kirche bringt Dibelius seine neuen Gedanken im Jahr 1926 zu Papier1 und gibt seinem - lila gebundenen - Buch den Titel: „Das Jahrhundert der Kirche" 2 . Es erlebte nach bereits zwei Jahren seine 6. (unveränderte) Auflage3, und sein programmatischer Titel kursierte schon bald als schlagwortartige Etikettierung, an der sich die Geister in Kirche und Staat scheiden sollten und konnten. Unter dem Begriff „Kirche" versteht Dibelius nicht nur ein Theologumenon, auch nicht nur eine Institution oder Organisationsform, sondern eine bestimmte „Lebensform" 4 , in der sich evangelisches Christsein von nun an zu realisieren hat. Die Kirche hat eine das ganze Leben formierende und normierende Kraft, sie ist eine Lebensform, die sich klar abgegrenzt weiß von der christusfeindlichen Welt 5 . Mit der als Lebensform ins Dasein getretenen Kirche ist nun gleichzeitig ein von ihr bestimmtes, in seiner epochalen Bedeutung zu würdigendes „Jahr1 Dibelius gibt in seiner Autobiographie zwar das Jahr 1924 an, in dem er das Buch geschrieben habe (vgl. Christ, 1961, S.142). Dies ist jedoch unrichtig. Als Abfassungszeit muss der Sommerurlaub im Jahr 1926 gelten, in dem sich Dibelius nicht zufällig intensiv auch mit dem Epheser-Brief beschäftigte: „Ich habe jetzt den Brief von der Kirche mit neuen Augen gelesen und bin unendlich dankbar für neue Einsichten und für neue Kraft!" (RdBr. v. 18.10.1926) Als eines der Leitworte stellte er das Schriftwort aus Eph 2,19-21 seinen Ausführungen voran (vgl. Jahrhunden der Kirche, 1926, S.12). Außerdem setzt das Buch die Stockholmer Weltkirchenkonferenz von 1925 voraus (vgl. EBD., S.176, 184f., 188), an der Dibelius innerhalb der deutschen Delegation teilgenommen hatte. Schließlich weist die Ausführlichkeit, mit der Dibelius von der „Kirche der Bibel" spricht (EBD., S.207-214), auch auf den damals aktuellen Zusammenhang mit der kurmärkischen Arbeitslosung von 1926/27 hin: „Hinein in die Bibel!". 2 Dibelius widmete sein Buch der theologischen Fakultät der Universität Gießen als Dankeszeichen für die ihm verliehene Ehrendoktorwürde (vgl. Dibelius an die theologische Fakultät der Ludwigs-Universität zu Gießen v. 23.11.1926, in: U A GIESSEN, Best. Theol. 09). 3 Dibelius beabsichtigte, im Jahr 1929 eine siebte Auflage herauszugeben, „bei der ich dann dem Buch diejenige Fassung geben möchte, in der es endgültig ein Bestandteil der kirchlichen Literatur unserer Tage bleiben mag" (Dibelius an SÖDERBLOM v. 28.1.1928, in: U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). 4 Vgl. z.B. „Evangelische Lebensform" (Eckart 1, 1924/25, S.177-179). 5 Dibelius leitet die „ekklesia" von dem hebräischen „kahal" ab. Vgl. dazu auch den Diskussionsbeitrag von Dibelius auf der Studientagung in Waldenburg im April 1929 und das auf die Bekenntnisschriften verweisende Gegenvotum von H . SASSE (Fr. SlEGMUND-SCHULTZE, Kirche, 1930, S.93f. u. S.96).
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hundert" angebrochen. Diese enthusiastische Deutung lässt die Erinnerung wach werden an den Optimismus und die Fortschrittsmentalität der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert 6 . Damals wurden allerlei Zukunftsvisionen geträumt und auch ausgesprochen: „Wir gehen herrlichen Zeiten entgegen!" (Kaiser WILHELM II.) 7 . Man erwartete namentlich in und für Deutschland ein glanzvolles und ruhmreiches neues Jahrhundert, und man sprach z.B. vom „Jahrhundert der Luftschiffahrt" 8 . Auch die schwedische Frauenrechtlerin und Reformpädagogin Ellen KEY (1849-1926) erwartete den Beginn einer neuen Zeit und proklamierte an der Schwelle des neuen Säkulums das „Jahrhundert des Kindes" mit ihrem im Jahr 1900 herausgegebenen gleichnamigen „Kultbuch" 9 . Wohl in Anlehnung an dieses Schlagwort verkündete auch Dibelius im Jahr 1920 das „Jahrhundert der Jugenderziehung" 10 . So ist es nicht zufällig, dass Dibelius gerade während seiner Rundreise durch die Kurmark im Jahr 1925 zum ersten Mal den Jahrhundert-Begriff 11 mit dem der Kirche in Verbindung brachte und das Wort vom „Jahrhundert der Kirche"
6 Insofern hat R . STUPPERICH recht, wenn er Dibelius „ein K i n d der Zeit der Jahrhundertwende" nennt (R. STUPPERICH, Dibelius [1970], S.15). 7 Schon auf dem Brandenburgischen Provinziallandtag am 24.2.1892 sagte Kaier WILHELM II. in seiner Festansprache: „Wir leben in einem Übergangszustande! Deutschland wächst allmählich aus den Kinderschuhen heraus, u m in das Jünglingsalter einzutreten. ...Brandenburger, zu G r o ß e m sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe Ich euch noch entgegen" (E. JOHANN, Ansprachen, 1977, S.57f.). 8 Vgl. Rezension des Jahrhunderts der Kirche' im Sächsischen Kirchenblatt 1927, Sp.263f. (STAMM): „ D e r Titel hat uns v o n vornherein nicht erfreut. Man soll vorsichtig sein mit der ,Taufe' v o n Jahrhunderten". 9 Vgl. K . DODERER, Wanderstab statt Spazierstöckchen (DASB1 v. 14.8.1992, S.10). 10 Vgl. D i e evangelische Erziehungsschule, 1920, S.29. Weit weniger emphatisch nannte sich z.B. eine von Elisabeth ROTTEN und Karl WlLKER herausgegebene schulreformerische Zeitschrift: „ D a s werdende Zeitalter". 11 Schon in den Novembertagen von 1918 wurde daran erinnert, „daß jede neue Zeit auch ihr besonderes Licht hat, daß in den oft bitterschweren Tagen der R e f o r m a t i o n viele gejubelt haben wie HUTTEN: , Ο Jahrhundert, es ist eine Lust zu leben!' G o t t ist nicht immer im Alten, er ist öfters schon im N e u e n gewesen." (Umwälzung, in: Korrespondenz des Evang. Preßverbandes für Deutschland v. 22.11.1918). A u c h anderweitig k o m m t der „Säkulum"-Begriff vor: Dibelius kannte die Schrift des evangelischen Arbeitersekretärs RÜFFER „Das soziale Zeitalter" (1926), die er im B E S v. 25.7.1926 rezensierte. - Schon I. KANT bezeichnete seine eigene Zeit als „das Zeitalter der Aufklärung oder das Jahrhundert FRIEDERICHs" (vgl. K . v. RAUMER, Friede, 1953, S.176). - A m Rande nur sei erwähnt, dass der Jahrhundert-Begriff nicht nur im Bereich der Philosophie und Geschichte, der Pädagogik, Theologie oder der Sozialwissenschaft, sondern auch im Bereich der Medizin u n d Politik Verwendung fand; so schrieb 1956 Jürgen THORWALD (geb. 1915) das Buch: „Das Jahrhundert der Chirurgen", dem er zwei Jahre später das Buch v o m „Weltreich der Chirurgen" folgen ließ. In der neuesten politischen Diskussion forderte Ernst Ulrich v. WEIZSÄCKER jetzt den Beginn eines „Jahrhunderts der U m w e l t " (vgl. Das Parlament 40, 1990, S.8). - Mit dem Jahrhundert-Begriff wird in einer neueren Publikation auch ein DibeliusA n t i p o d e in Verbindung gebracht: „ D a s Jahrhundert des Pastors Martin N i e m ö l l e r " (Protestant, 1992). Dibelius selber hatte die Bedeutung NlEMÖLLERs so eingeschätzt, daß dieser bei der Behandlung ihrer E p o c h e in der künftigen Kirchengeschichtsschreibung eine alle anderen Kirchenmänner überragende Rolle spielen werde (vgl. M . GRESCHAT, Verteidiger des Glaubens, 1997, S.611).
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prägte, das er gern dem „Jahrhundert der Äußerlichkeiten" 12 entgegenstellte. In den Zeiten des staatlichen Umbruchs propagierte Dibelius eine kirchliche Aufbruchstimmung und stellte die Kirche „vor die Herausforderung, in einer Zeit des Verfalls alter Werte ein neues Ethos in den Aufbau von Staat, Volk und Gesellschaft einzubringen" 13 . Die Zeit der sich verselbständigenden staatlichen Macht sollte vom „Jahrhundert der Kirche" korrigierend, ergänzend, kritisch überlagert und überwacht werden. Im gleichen Jubelton konnte Dibelius noch im Jahr 1966 Adolf DEISSMANN anlässlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages als den „Vorkämpfer des Jahrhunderts der Ökumene" 1 4 rühmen. In einem Briefwechsel mit Pastor D. KOLFHAUS betonte Dibelius ausdrücklich, an wen er bei der Abfassung des Buches vom „Jahrhundert der Kirche" gedacht habe: „ich schreibe nicht um theologischer Diskussionen willen. Ich schreibe für die Gebildeten unseres Volkes, die mit ihrem ,religiösen Interesse' zu KEYSERLING oder RITTELMEYER, ZU Johannes MÜLLER oder zu irgendeinem Theosophen laufen, aber für die Kirche nur ein Achselzucken haben. Ich schreibe für unsere jungen Primaner, die ein ehrliches Wollen in der Seele tragen, aber sich zum Dienst der Kirche nicht entschließen können, weil es sich nicht lohnt, an diese aussichtslose Sache der Dunkelmänner ein Leben zu setzen! Ich schreibe für unsere national oder sozial Begeisterten, die eine innere Erneuerung wollen, aber die Kirche, die wollen sie nicht! Ihnen allen zu zeigen, daß unter den ungeheuren Verantwortungen der Gegenwart auch das ehrlichste Streben zerflattert, wenn man nicht den Mut zur evangelischen Kirche aufbringt - das ist es, worum es mir geht!" 1 5 12 Vgl. z.B. SoSp. v. 21.8.1927. In der Gegenüberstellung vom Jahrhundert „der Kirche" und dem Jahrhundert „der Äußerlichkeiten" steckt zugleich auch die Spannung des Ganz-in-der-WeltSeins der Kirche, ohne sich durch die - materialistisch-weltanschaulichen - Äußerlichkeiten der Welt verweltlichen zu lassen. Gleichwohl bleibt die Proklamation des „Jahrhunderts der Kirche" in der Schwebe zwischen der Verweltlichung der Kirche und der Verkirchlichung der Welt. Besonders im Gegenüber zur Dialektischen Theologie sah sich Dibelius herausgefordert, sich gegen das Missverständnis zur Wehr zu setzen, als ob mit der Verwendung des Jahrhundert-Begriffs auch die „Säkularisierung", die Verweltlichung der Kirche gemeint sein könne. Dem Vorwurf: „Die Kirche hat sich verweltlichen lassen. Sie ist verstrickt in den Geist des Säkulums" begegnet Dibelius mit den Worten: „Nur darum kann es sich handeln, daß die Kirche nicht zur Dienerin der Zivilisation wird, daß in ihrer Verkündigung klar heraustritt, was Mittel und Werkzeug und was Wesen und Inhalt ist. Und auch da, wo der Christ seine Pflicht erfüllt gegen die Gemeinschaft, in der er nach Gottes Willen steht, muß klar sein, daß er das um Gottes willen tut und daß das letzte entscheidende Motiv nicht etwas Irdisches, nicht eine Angelegenheit der Kultur ist, sondern Gott allein" (SoSp. v. 21.6.1931). 13 Chr. LINK, Staat, 1985, S.465. 14 Vgl. Tagesspiegel v. 6.11.1966. Einer ähnlichen Terminologie bediente sich gerade im ökumenischen Zusammenhang Prof. HERMELINK im Rückblick auf die ökumenische Konferenz von Lausanne: „Ein neues Weltzeitalter der Kirche" (VZ v. 1.9.1927). 15 RKZ 78, 1928, S.74 - „Nie aber hat das deutsche Volk eine großzügige Mission unter den Verächtern der Religion so bitter nötig gehabt wie in diesen Tagen der sittlichen und religiösen Verwüstungen. Wer sein deutsches Volk lieb hat, muß jetzt die Volkskirche wollen!", so wirbt Dibelius schon 1919 nicht nur für die Religion, sondern für die Volkskirche (AkBl. v. 1.4.1919, S.5). Wenn Dibelius gerade den „Gebildeten unseres Volkes" und den „Verächtern der Religion" „Mut zur evangelischen Kirche" machen will, so muss dabei die Parallele, aber auch der Gegen-
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Im Blick auf die Adressaten seiner Botschaft bot Dibelius nicht in erster Linie eine Theologie im dogmatischen oder systematischen Sinn dar; er wollte sich selber eher als „Historiker" 1 6 verstanden wissen. Wenn er nun mit seinem Buch eine neue geschichtliche Epoche ankündigte, so nimmt es nicht wunder, dass er das Thema „Kirche" nicht systematisch, sondern „empirisch", d.h. geschichtlich und soziologisch 17 angeht. Sein geschichtlicher und geographischer Standort war satz zu Friedrich SCHLEIERMACHER beachtet werden, der seine Reden „Über die Religion" (1799) auch ausdrücklich „an die Gebildeten unter ihren Verächtern" adressiert hatte. Wenn auch SCHLEIERMACHER mit seinen ,Reden' nicht nur für die Religion im individualistischen Sinne wirbt, sondern sich auch gegen den „Widerwille(n) gegen die Kirche, gegen jede Veranstaltung, bei der es auf Mitteilung der Religion angesehen ist", wendet (vgl. die 4. Rede: „Über das Gesellige in der Religion oder über Kirche und Priestertum", S.97), so verkennt Dibelius bei SCHLEIERMACHER dessen Eintreten für eine strikte Trennung von Kirche und Staat (vgl. J. MEHLHAUSEN, Konstitutionalist, 1995, S.41). SCHLEIERMACHER wird bei Dibelius vielmehr unter das Verdikt des Individualismus gestellt: „Das halbe Jahrtausend des Individualismus ist zu Ende" (SoSp. v. 10.4.1932, vgl. SoSp. v. 15.5.1932; zu SCHLEIERMACHERs ,Reden' vgl. auch: Jahrhundert der Kirche, S.62). - Diese undifferenzierte Verachtung, mit der Dibelius die frühere Dominanz des Individualismus und des theologischen Liberalismus beurteilte, bekam dann im Jahr 1932 eine gefährliche Schlagseite, die die Position von Dibelius direkt in die Arme einer deutsch-christlichen oder völkischen Ideologie zuzutreiben schien: „Jetzt aber ist die Wende da. Nicht mehr der einzelne steht im Mittelpunkt des Denkens und des Geschehens. Die objektiven Lebensmächte brechen wieder durch. Sie werden die Zukunft beherrschen. Die großen Schöpfungsordnungen, Volk und Familie, die absolute Offenbarung des Evangeliums und die aus dem Evangelium entspringenden kategorischen Imperative - sie sind wichtiger als die Entfaltung der Persönlichkeit und als all die anderen Ideale, die der Individualismus sich geschaffen hat. Diese neue Zeit gilt es zu begreifen. Wer das nicht kann und wer das nicht will, ist reaktionär" (SoSp. v. 10.4.1932; vgl. dazu den Protest des ,Protestantenblatts' in: PrBl 65, 1932, Sp.327). Im Rückblick auf den Reichselterntag und auf eine Tagung der nationsalsozialistischen Lehrer im Berliner Sportpalast, wo „ähnliche Gedanken" geäußert worden seien, schreibt Dibelius: „Die Stunde hat geschlagen, in der das Volkstum sein Recht wieder fordert, nachdem die Zeit der Aufklärung und der Menschheitsideale es ihm vorenthalten hat. Das Volkstum aber kann nur als göttliche Schöpfungsordnung begriffen werden. Denn nur von hier aus, nicht durch Rassetheorien und Bluttheorien, empfängt es seinen objektiven Wert" (SoSp. v. 10.4.1932). 16 Vgl. z.B. Christ, 1961, S.306f. 17 Obwohl Dibelius im Vorwort zum Jahrhundert der Kirche' sich auch auf die Arbeiten von Karl HOLL beruft, wird man ihn deshalb nicht schon als einen „Historiker" im streng wissenschaftlich-kritischen Sinn bezeichnen können; er war eher ein interessengeleiteter Empiriker und Eklektiker. HOLL hatte schon 1911 in einem Vortrag, allerdings mit Berufung auf LUTHER, „eine größere Selbständigkeit der Kirche" und „eine größere Freiheit in der Kirche" gefordert (zit. nach K. SCHOLDER, Erneuerungsbestrebungen, 1979, S.261) und begrüßte deshalb nach der Revolution lebhaft den Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments: „Ihm fällt die Hauptschuld zu, daß die deutsch-lutherische Kirche keine Volkskirche im wahren Sinn geworden ist,... daß namentlich im neunzehnten Jahrhundert die Gelegenheit, die soziale Frage im großen Stil aufzunehmen, verpaßt wurde" (zit. nach: H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.16). In ähnlichem Sinn reklamierte Dibelius die Bundesgenossenschaft HOLLS für sich in einer späteren Bemerkung: „Daß der evangelische Christ einen christlichen Staat wollen müsse, sei romantische Irrlehre. Karl HOLL, der große Luther-Forscher, schrieb im Jahre 1911: ,Einen christlichen Staat kennt LUTHER ebensowenig wie ein christliches Schusterhandwerk.'" (SoSp. v. 27.3.1932) - Dibelius nimmt für sich einen „empirisch-soziologischen" Ansatz in Anspruch, ohne ihn allerdings inhaltlich und von seinen theoretischen Grundlagen zu klären oder seine praktische Methode zu begründen. Aus der Tradition hätten sich für die inhaltliche und methodische Begründung einer (Religions-)Soziologie in unterschiedlicher Weise Namen angeboten wie z.B. M. WEBER, E. TROELTSCH oder A. TlTIUS. Auch die Studie von L. THIMME (Kirche, 1925) scheint Dibelius
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der der altpreußischen Kirche, der größten evangelischen Kirche Deutschlands und der Welt 18 ; und von hier aus schaut er in die Geschichte, in die Gegenwart und in die Zukunft. Schon daran wird deutlich, dass der Fixpunkt, um den sich das ganze Denken bei Dibelius dreht, „die Kirche" ist, die historisch gewordene, geographisch geprägte und institutionell gefügte Kirche. Sie wird zum hermeneutischen Interesse an der Geschichte ebenso wie zum hermeneutischen Schlüssel für die Geschichte selber. So werden unter diesem Gesichtspunkt nun alle wesentlichen vorangegangenen Epochen der evangelischen Kirchengeschichte behandelt, gewürdigt und beurteilt. Im vorhinein gibt Dibelius, der sich bei seiner Ordination 1 9 für das lutherische Bekenntnis innerhalb der Union entschieden hatte, sein historisches Ergebnis bekannt: „es gab seit Luthers Tagen im evangelischen Deutschland keine Kirche mehr!" 2 0 In der Konfrontation zur katholischen Kirche habe die Reformation das Evangelium zurückgewonnen, aber das Kirche-Sein verloren 21 . Unter dieses theologisch wie historisch höchst anfechtbare Urteil, das einem pauschalen Verdikt gleichkommt, fallen nun auch alle der Reformation nachfolgennicht gekannt zu haben. Dass solche ausdrückliche Bezugnahmen bei Dibelius fehlen, ist nicht nur ein Ausweis für seine volkstümlich-unwissenschaftliche Begriffssprache, sondern um ein weiteres Mal auch ein Beweis dafür, dass bei dem empirisch-soziologischen Begriff von „Kirche" nach dem Einschnitt von 1918, nach dem „Zusammenbruch" und der „Zertrümmerung des christlichen Staates" (Jahrhundert der Kirche, Geleitwort zur 5. Auflage), schlechterdings in ganz neuen Kategorien gedacht werden muss und dass man dabei nicht auf Vorbilder und Vordenker zurückgreifen kann. - Die dominierende Gegenüberstellung von Kirche und Sekte bei Dibelius erinnert zunächst an die religionssoziologische Typologie bei E. TROELTSCH, der zwischen „Kirche, „Sekte" und „Mystik" unterscheidet (vgl. M. HONECKER, Kirche, 1963, S.35ff.). Es fehlt in dieser Unterscheidung bei TROELTSCH aber die dann für Dibelius so wichtige Bestimmung von „Kirche" und „Sekte" in ihrem unterschiedlichen Gegenüber zum Staat: in erster Linie unterscheiden sich Kirche und Sekte bei Dibelius „empirisch-soziologisch" in ihrem Verhältnis zum Staat. Diesen Tendenz-Unterschied in dem, was Dibelius unter „Kirche" und unter „Sekte" verstanden wissen möchte und was zugleich über die Festlegungen von TROELTSCH hinausgeht, erkennt ganz richtig auch der methodistische Rezensent des Jahrhunderts der Kirche' (vgl. Β. KEIP, Sekte und Kirche, in: Wächterstimmen, 1927, S.35). 18 Vgl. Nachspiel, 1928, S.33. Das Buch vom „Jahrhundert der Kirche" „will nur eins. Es will den zwanzig Millionen evangelischer Christen, die zu der evangelischen Kirche der altpreußischen Union gehören, und, wenn es möglich ist, auch den weiteren zwanzig Millionen Evangelischen, die es in den übrigen großen Landeskirchen gibt, klarmachen, daß sie mitten in einer geschichtlichen Wendung von ungeheuerer Tragweite stehen. Es will zeigen, daß der Staat, seit er religionslos geworden ist, die Frage des sittlichen Volkslebens nicht mehr lösen kann, die ihm früher, als er noch ein christlicher Staat war, anbefohlen war." (Noch einmal: Sekte und Kirche, in: Wächterstimmen, 1928, S.70) Dennoch soll in dem Buch deutlich werden, dass es „seinen Gesichtskreis nicht auf Deutschland beschränkt, sondern das kirchliche Leben in der ganzen Welt zu umfassen sucht." (EBD., S.73f.) - Dieser Blickwinkel vom preußisch-unierten Standpunkt aus wurde auch misstrauisch kommentiert; eine deutsch-amerikanische Stimme sagt dazu: „Es ist dieselbe Anmaßung auf kirchlichem Gebiet, welche früher wie jetzt so manche Vertreter Preußens auf staatlichem Gebiet sich zuschulden kommen ließen." (Kirchliche Zeitschrift [Chicago], 1927, Nr.7, S.508). 19 Ordination am 23.12.1906 in der Berliner Nikolaikirche durch GenSup. FABER. 20 Jahrhundert der Kirche, 1926, S.29 (im Druck gesperrt). 21 „Die Reformation sprengte die Kirche im alten Sinne", aber sie hat damit auch „den Kirchengedanken aus ihrem Leben hinausgedrängt" (Jahrhundert der Kirche, 1926, S.114).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
d e n E p o c h e n : d i e Z e i t d e r O r t h o d o x i e 2 2 u n d des P i e t i s m u s 2 3 , die Z e i t d e r A u f k l ä r u n g 2 4 u n d R o m a n t i k , die Z e i t des I d e a l i s m u s u n d des t h e o l o g i s c h e n
Liberalis-
m u s des 1 9 . J a h r h u n d e r t s , in d e m D i b e l i u s selber „ g r o ß " g e w o r d e n w a r u n d v o n d e m e r s i c h d a n n aus „ k i r c h l i c h e n " G r ü n d e n 2 5 a b w a n d t e . I n d e r T a t h a t t e a u c h D i b e l i u s selber v o r d e m E n d e des 1. W e l t k r i e g e s n o c h k e i n e n „ B e g r i f f " v o n d e r K i r c h e . Seine b e i d e n n a c h S c h o t t l a n d f ü h r e n d e n Stud i e n r e i s e n ( 1 9 0 6 u n d 1 9 1 0 ) z e i g t e n i h m , w e l c h e L e b e n d i g k e i t die s t a a t s f r e i e n K i r c h e n i n i h r e r G e m e i n d e a r b e i t d o r t d a d u r c h e n t w i c k e l t e n , dass s i c h d i e G e m e i n deglieder u n t e r der einheitlichen F ü h r u n g der Geistlichen z u r Mitarbeit heranz i e h e n l i e ß e n . D a s k i r c h l i c h e A r b e i t s z i e l , auf die V e r h ä l t n i s s e v o n D e u t s c h l a n d ü b e r t r a g e n , k o n n t e d a m a l s f ü r D i b e l i u s n u r h e i ß e n : „die O r g a n i s i e r u n g d e r G e m e i n d e als e i n e r d e n k b a r e n g e n G e m e i n s c h a f t v o n C h r i s t e n " 2 6 -
entsprechend
d e m s c h o t t i s c h - c a l v i n i s t i s c h e n G e m e i n d e p r i n z i p . Z w a r ist E v a n g e l i s a t i o n , s o folg e r t e D i b e l i u s w e i t e r , „für u n s l u t h e r i s c h e C h r i s t e n ein u n m i t t e l b a r e s religiöses Ideal. D i e , K i r c h e ' (aber), die d e m K a t h o l i k e n u n d d e m C a l v i n i s t e n a n e r s t e r Stelle s t e h t , ist u n s h ö c h s t e n s , z w e i t e s M o t i v ' - u n d a u c h das o f t g e n u g n i c h t e i n m a l . " 2 7 D a s Z i e l „ k i r c h l i c h e r " A r b e i t sah D i b e l i u s d a m a l s l e d i g l i c h in e i n e r 22 Das kirchliche Bewusstsein der Zeit der Orthodoxie war nichts anderes „als der Duft einer leeren Flasche, der eine Weile noch das Durstgefühl betäubt(e)" (Jahrhundert der Kirche, 1926, S.40). 23 „In dem Geschlecht der Pietisten ist der Sinn für das, was Kirche ist, zum erstenmal völlig erstorben." (Jahrhundert der Kirche, 1926, S.43. - Gegen solche Vorwürfe des „warme(n) Vertreter^) des modernen Kirchengedankens" wehrte sich die Gemeinschaftsbewegung, vgl. Licht und Leben 39, 1927, S.414) - Dibelius blieb bei seinem Urteil über den kirchen-losen Pietismus: „Pietismus und Aufklärung haben gemeinsam dahin gewirkt, daß so etwas wie ein Christentum ohne Kirchen' sich in den Herzen festsetzen konnte" (Bericht des Ratsvorsitzenden auf der Synode der E K D am 13.2.1961 in Berlin / So habe ich's erlebt, 1980, S.326). 24 „Die kirchenlose Aufklärung und der der Kirche abholde theologische Liberalismus vertraten eine Kulturfreudigkeit und eine Weltförmigkeit des Christentums, die der Kirche immer fremd geblieben sind" (Jahrhundert der Kirche, 1926, S.132). 25 „Alle ernsten Einwände gegen die Kirche wurzeln im Individualismus. ...Das Zeitalter des Individualismus hat uns unendlich viel geschenkt. Und wer sich noch als Kind dieses Zeitalters fühlt, bei dem wird die Überredung zur Kirche scheitern." (Jahrhundert der Kirche, 1926, S.120) - Auch im Blick auf die großen Theologen stellte Dibelius immer wieder dieselbe „Gretchenfrage": „Wie hast du's mit der - Kirche?", so z.B. auch in einer kritischen Würdigung von Martin RADE: „Das entscheidende, das der damaligen Zeit fehlte - vielleicht fehlen mußte war ...das, daß sie nicht wußte, was Kirche ist. Alle die TROELTSCH, MULERT, GUNKEL und wie sie hießen, waren ein kirchenloses, wesentlich individualistisches Theologengeschlecht." U n d die Lehre, die daraus zu ziehen ist, lautet für Dibelius: „Es ist überaus lehrreich ...zu sehen, wie ein solches Geschlecht jedem neuen Wind zum Opfer fiel, der von irgendwoher aufkam: der Deutschgläubigkeit, dem Marxismus, der Antroposophie oder auch der Dialektischen Theologie. RADE stand zur Kirche. Aber sein Verhältnis zu dem, was man die ,offizielle Kirche' nennt, hätte enger und die Beziehungen hätten persönlicher sein müssen, wenn es hätte gelingen sollen, der gebildeten Welt den Eindruck zu geben, daß die Kirche mit ihrer Geschichte ein Halt für den Menschen sei und nicht etwas, was für den selbständig Denkenden nicht in Betracht kommt." (Freies Christentum v. 1.10.1953; vgl. auch Fr.W. GRAF, Kulturprotestant, 1995, S.264) - Auch die stürmische und kirchenstürmerische Dialektische Theologie rechnete Dibelius also zu den „Winden", denen ein kirchenloses Theologengeschlecht zum Opfer fallen kann! 26 Unsere Großstadtgemeinden, 1910, S.15 / So habe ich's erlebt, 1980, S.107. 27 Die Durchführung des Gemeindegedankens, 1917, S.17.
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verbesserten Organisation der Gemeinde und in der Belebung des Gemeindebewusstseins: „Die Zukunft unseres deutschen kirchlichen Lebens liegt hier, oder sie liegt nirgends" 28 . „Wo das Luthertum herrscht, wo der Gedanke der Kirche im Glaubensleben erst an zweiter und dritter Stelle steht, ergießt sich ein Teil jener Kraft, die (sc. in Schottland) Freikirchen bildet, in die Gemeinschaften und Konventikel, die sich von der Kirche zurückziehen." 29 Zwar spricht Dibelius mit großem Respekt in seinem Schottland-Buch von dem „Willen zur Kirche" 3 0 , den er dort vorgefunden hat; diesen Willen zur Kirche wagte er aber auf deutsche Verhältnisse nicht zu übertragen, weil es ihm wegen der damals noch bestehenden Verflechtung von Staat und Kirche auch gar nicht wünschenswert erschien 31 . Auch in den vaterländischen, zuweilen chauvinistisch klingenden Predigten und Reden der Kriegszeit spielte bei Dibelius die „Kirche" so gut wie keine Rolle. Die Werte von Volkstum, Vaterland und Nation standen als selbständige Größen im Vordergrund, ohne dass sie schon von einem alle säkularen Ideale übergreifenden und überragenden Kirchen-Begriff begrenzt oder korrigiert worden wären 32 . Besonders deutlich zeigt sich dies in den vaterländischen Reden, die Dibelius gegen Ende des 1. Weltkrieges zur Stärkung des Durchhaltewillens der Gemeinden gehalten hatte. Der Kirchen-Gedanke fehlt dort ebenso wie die „Kirche" auch dem Begriff nach. Es heißt da z.B.: „Der Glaube an das Vaterland ...muß zu einem Stück Religion in unseren Herzen werden - dann allein wird er standhalten in aller Enttäuschung und in aller Gefahr." 3 3 Nachdem die Siegeszuversicht, alle religiös eingefärbten Durchhalteparolen und jeder Glaube an die Zukunft des Vaterlandes herb enttäuscht waren, rief Dibelius zur „Nationalen Erhebung" auf, zu nationaler Geschlossenheit, die gefestigt durch christlichen Glauben und begleitet durch die christliche Liebe wieder zu nationaler Macht und zu nationalem Stolz verhelfen könnten 34 . Freilich trieb wohl damals schon Dibelius die Suche Das kirchliche Leben Schottlands, 1911, S.226. EBD., S.221. 30 EBD., S.221, 224f. 31 Für Deutschland schien eine „Kirche der Disruption" (EBD., S.220), d.h. eine Kirche, die sich wie die Kirche Schottlands unter Thomas CHALMERS im Jahre 1843 vom Staat losgerissen hatte, weder denkbar noch wünschenswert. Dibelius schrieb damals geradezu noch beschwörend: „...glaubt man wirklich, daß die Fragen der kirchlichen Verfassung zu einem Feldgeschrei werden können, das die Massen begeistert? glaubt man wirklich, daß die Losung: Trennung vom Staat! zu mehr führen würde als zur Bildung von ein paar freikirchlichen Gemeinden in den großen Städten?" (EBD., S.221). Zur Geschichte der Kirchen Schottlands und zu Thomas CHALMERS vgl. EBD., S.15ff.; Das kirchliche und religiöse Leben in England und Schottland, 1926, S.178-205 und die Lexikon-Artikel von Dibelius in R G G 2 I (1927), Sp.l481f. und R G G 2 V (1931), Sp.251-257. 32 Erst mit dem „Jahrhundert der Kirche" können solche Werte durch den neu entdeckten Kirchen-Begriff korrigiert werden: „Die evangelische Kirche bejaht ...das Volkstum. Nicht als das Höchste aller Güter. Eine Zielsetzung.., die mit dem Ideal des ,deutschen Menschen' etwas Absolutes, etwas Umfassendes bezeichnen will, kann die evangelische Kirche niemals mitmachen" (Jahrhundert der Kirche, 1926, S.237). 33 Gott und die deutsche Zuversicht, 1918, S.6. 34 Vgl. Nationale Erhebung, 1919. Vgl dazu auch W. PRESSEL, Kriegspredigt, 1967, S.76, 85f., 108, Anm.10. - Nicht von einer „Kirche" geprägt konnte sich Dibelius die Nachkriegszeit vorstellen; er erhoffte sich vielmehr eine neuerliche Verbindung von Deutschtum und Christen28
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
nach etwas Festem, Halt Gebietendem und Halt Gewährendem u m : E r
hielt
A u s s c h a u n a c h e i n e r „ H e i m a t f ü r d e n g a n z e n M e n s c h e n u n d f ü r sein g e s a m t e s L e b e n " ; m i t v i e l e n v e r b a n d i h n s c h o n d a m a l s die „ u n b e s c h r e i b l i c h e nach
etwas
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sich
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Nach-
z e i c h n u n g d e r h u n d e r t j ä h r i g e n G e s c h i c h t e des K ö n i g l i c h e n P r e d i g e r s e m i n a r s z u W i t t e n b e r g , d e s s e n 1 0 7 5 . Z ö g l i n g 3 7 e r selbst g e w e s e n w a r ; die W i d m u n g l a u t e t dort:
„Der Kirche,
d e r das P r e d i g e r s e m i n a r
dient, der unsichtbaren u n d
der
sichtbaren"38.
tum, wie sie in einer „Wolke von Zeugen" anschaulich wird. V o n national-christlich gesinnten Persönlichkeiten, die Dibelius in LUTHER, M. CLAUDIUS und Ε .Μ. ARNDT, ebenso in BACH, BEETHOVEN, GOETHE und SCHILLER wie in FRIEDRICH dem Grossen, BISMARCK, Kaiser WILHELM I., Amalie SLEVEKING und Elise Α VERDIECK vorgebildet sah, versprach er sich schon im ersten Kriegsjahr die nationale und religiöse Gesundung Deutschlands: „das alles soll der Jugend und durch sie dem ganzen Volk ins Bewußtsein zurückrufen, daß Gott der Herr dem deutschen Geist eine besondere und heilige Mission gegeben hat in dem Zusammenwirken der christlichen Völker; und daß es eine heilige Aufgabe der Zukunft bleiben muß, diese Charakterzüge deutschen christlichen Geistes unverwischt zu erhalten und immer kraftvoller auszuprägen." (Die Befreiung von England, 1915, S.58 in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Nr.26, abgedruckt auch in: G. BESIER, Kirchen Europas, 1984, S.131). 35 Jahrhundert der Kirche, 1926, S.87, 132. 36 Das „Sehnsuchts-Motiv" ist eine konstitutive Kraft im Erkenntnis- und Realgrund dessen, was Dibelius unter „Kirche" versteht. Auch Jakob SCHOELL, Prälat von Stuttgart und Mitglied des D E K A , nimmt dieses Motiv in seinem Lexikon-Artikel über die „Kirche" auf und versteht es als treibende Kraft für die wachsende Bedeutung der Kirche: „Ob das Jahrhundert der Kirche' im Anzug ist, mag dahingestellt bleiben; aber richtig ist, daß die so lange vernachlässigte Kirchenfrage zu einer großen Gegenwartsfrage geworden ist, daß die Erkenntnis von der Bedeutung der Kirche im Wachsen ist, daß die Sehnsucht vieler auf eine festgefügte christliche Glaubens- und Lebensgemeinschaft geht, die ihnen Heimat und Halt, Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit und Quellort ewigen Lebens sein könnte." (RGG^ Ш, 1929, Sp.812) - Das Ineinander von Romantik und Realismus in Dibelius' Kirchenbegriff analysierte scharfsichtig schon H . FRICK, Romantik, 1929, besonders S.6-13. 37 Das Königliche Predigerseminar zu Wittenberg 1817-1917, 1917, S.395. 38 EBD., Widmungsblatt. Zum ersten Mal macht auch das ,Kirchliche Jahrbuch' auf O t t o Dibelius aufmerksam: „Pfr. Lie. Dr. Dibelius hat eine vortrefflich geschriebene Geschichte des Wittenberger Prediger-Seminars verfaßt." (KJ 45, 1918, S.496; vgl. T h G 12, 1918, S.157; T h L Z 44, 1919, Sp.l3ff.). - Die in unterschiedlicher Weise auf MELANCHTHON und CALVIN zurückgehende Redeweise von der „sichtbaren" Kirche (vgl. dazu U . KÜHN, Kirche, 1980, S.39-42 und S.58-61) und die daraus folgernde Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche gab Dibelius später dann auf zu Gunsten der Rede von der ausschließlich „sichtbaren" Kirche. Die sichtbare Kirche ist - im Identifikationsprozess des gepredigten Wortes Gottes - auch die Kirche im Vollsinn des Wortes (vgl. RdBr. v. 30.4.1929). Dibelius sieht im Jahr 1928 in einer Würdigung des 50-jährigen Bibelbilder-Malers Rudolf SCHÄFER sein eigenes Verständnis von Kirche bestätigt, wonach es „vielen Theologen zur Beschämung...eine .unsichtbare Kirche', losgelöst von dem gottesdienstlichen Leben der Gemeinde, niemals gegeben hat und niemals geben kann" (SoSp. v. 30.9.1928). Fast ein Jahr vorher, zur Abfassungszeit seines .Nachspiels', schreibt Dibelius: Die Kirche macht die „Gemeinschaft der ,unsichtbaren Kirche' ...sichtbar ...Wir stehen wirklich am Anfang eines Jahrhunderts der Kirche!" (SoSp. v. 18.12.1927) H . VOGEL hat später den „Deutschen Christen" zum Vorwurf gemacht, dass sie sichtbare und unsichtbare Kirche wie die F o r m
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3.2 Das Jahrhundert der Kirche" als Tatsache Mit der Entdeckung und Proklamation des „Jahrhunderts der Kirche" ist für Dibelius etwas schlechthin Einschneidendes, etwas Epochemachendes geschehen, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Die evangelische Kirche in Deutschland ist - wenn man so will: erstmalig oder wieder - „Kirche" geworden. Hinter dieser fundamentalen, nur scheinbar wenig aufregenden Tatsache verbirgt sich die ganze Schubkraft des Denkens und Wollens von Dibelius. Die ganze Sorge und Sorgfalt legte Dibelius von da an in die Erkenntnis dieses gleichsam axiomatischen Grund-Satzes und seine daraus zu ziehende Folgerung: dass nun, nachdem die evangelische Kirche „Kirche" geworden ist, die Kirche auch „Kirche" bleibe. Dass das Gewordensein von „Kirche" durch Kampf und in Gegensätzen sich vollzogen hat, hat das erste Kapitel zu zeigen versucht. Dass das Bleiben der Kirche als „Kirche" sich ebenfalls in konkreten geschichtlichen, politischen Bezügen und ebenfalls in „gesellschaftlichen" Gegensätzen bewähren muss, werden die folgenden Abschnitte auszuweisen haben. Obwohl Dibelius seinen Begriff von „Kirche" bewusst einer Systematisierung entzieht und mit ihm auch keine „Ekklesiologie", keine „Lehre von der Kirche" im Sinne des klassischen Topos evangelischer Theologie beabsichtigt 39 war, soll doch der Versuch einer Analyse gemacht werden, in der zusammenfassend und interpretierend entfaltet wird, welche konstitutiven Momente, Elemente und Perspektiven dieser „Kirchen-Begriff" bei Dibelius enthält. Wo immer das Jahrhundert der Kirche' zitiert und als ein besonders markantes Beispiel für ein triumphal und klerikal anmutendes, nur Optimismus verbreitendes Selbstbewusstsein der Kirche 40 angeführt wird, wird allzu leicht der geschichtliche Hintergrund sowie die appellative, pädagogisierende und agitatorische Abzweckung dieser Parole außer Acht gelassen. Im Grunde verfolgt das Buch vom „Jahrhundert der Kirche" auf dem Hintergrund einer von Dibelius als kirchenlos verstandenen evangelischen Kirchengeschichte „eine apologetische Tendenz", wie Robert STUPPERICH richtig anmerkt 41 . Gerade die übersteigerte Art und Weise, in der vom Inhalt trennten: „Die unsichtbare Kirche wird als unantastbar proklamiert, die sichtbare Kirche als Volkskirche artgemäß bestimmt." (Kreuz und Hakenkreuz, in: PB1 75, 1933, S.590). Auch D . BONHOEFFER betonte schon in seiner Dissertation (1927): „Die Gefahr des Begriffs der Unsichtbarkeit der Kirche liegt besonders darin, daß die sichtbare, d.h. empirische Kirche nicht für Kirche gehalten wird" (Sanctorum, 1969, S.164). - Zur Unterscheidung bzw. zur Identifikation von sichtbarer und unsichtbarer Kirche vgl. außerdem: K J 57, 1930, S.439f. 39 Vgl. das Geleitwort zur 1. Auflage des Jahrhunderts der Kirche': „...Nicht eine wissenschaftliche Gabe kann ich bringen. Die unerhörten Aufgaben und Verantwortungen dieser neuen Zeit fordern von denen, die im Amt der Kirchenleitung stehen, Konzentration und bewußte Einseitigkeit". 4" Diesen durchaus richtigen Aspekt hebt z.B. auch K. SCHOLDER besonders hervor (Erneuerungsbestrebungen, 1979, S.260-263; Kirchen I, 1977, S.44, 295; Kirchenkampf, 1987, Sp.1608 / 1988, S.133). In dem „wachsende(n) Selbstbewußtsein" sieht SCHOLDER überhaupt die Signatur der kirchlichen Entwicklung zwischen 1918 und 1933. 41 R. STUPPERICH, Dibelius (1970), S.27. Dibelius selber schrieb in seinem .Nachspiel', dass das Jahrhundert der Kirche' zu einem Teil an Menschen gerichtet sei, „die das Wort Kirche mit Empfindungen des höchsten Mißtrauens zu hören gewohnt sind" (Nachspiel, 1928, S.29, Anm.5).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
Dibelius seine Botschaft vorträgt, verrät diese apologetische Tendenz, so als ob es gar nicht so sicher sei, dass Tatsache ist, was hier in geradezu unnachgiebiger Notorik und Motorik als Tatsache behauptet wird 42 . Das Buch vom „Jahrhundert der Kirche", das im Impressum den Autor im Blick auf seinen kirchlichen Status und Standort ausdrücklich als „Generalsuperintendent der Kurmark" vorstellt, soll nun im Blick auf seine konstitutiven Strukturelemente untersucht und dargestellt werden 43 . Der Kirchen-Begriff von Dibelius lässt sich nach drei Dimensionen hin mit drei ihnen innewohnenden Aspekten entfalten: 1. Die konkret-geschichtliche Dimension: das „ekklesiologische Vakuum" 2. Die assertorisch-bekenntnismäßige Dimension: der „ekklesiologische Fundamentalismus" 3. Die ethisch-politische Dimension: der „ekklesiologische Vorbehalt". 3.2.1 Das ekklesiologische Vakuum - Die Kirche und das „befreiende Gewitter" Nach Dibelius' Anschauung gab es mit und seit der Reformation keine evangelische Kirche im Vollsinn des Wortes. Die Reformation hat sich von der alten Kirche, der katholischen Papstkirche, losgesagt, hat aber dann, so Dibelius, in Ermangelung eines eigenen Kirchen-Begriffs und einer selbständigen evangelischen Kirchen-Organisation sich an die bestehenden landesfürstlichen Machtstrukturen und Gebietsgrenzen angelehnt. So entstand das landesherrliche Kirchenregiment mit dem Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens von 1555, der später auf die Formel „cuius regio - eius religio" gebracht wurde. Die „kirchlich"-konfessionelle Spaltung Deutschlands wurde zu Gunsten der konfessionellen Geschlossenheit der deutschen Territorien in Kauf genommen und bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts festgeschrieben. Die evangelischen Kirchen legten Kirchen42 Es gehört geradezu zur Methode und zum Stil im öffentlichen Auftreten von Dibelius und in der Veröffentlichung seiner Botschaft, dass er mit Übertreibungen arbeitet und dabei auch Uberschärfen in Kauf nimmt. Es ging ihm darum, überhaupt Aufmerksamkeit zu wecken, eine kontroverse Diskussion herauszufordern und so die ihm wichtige Sache ins Gespräch zu bringen: „Bücher, die keinen Widerspruch erregen, sind nicht wert, daß sie geschrieben werden" (Christ, 1961, S.142). Dibelius' Sache lebt immer auch von ihrem Gegensatz und vom herausgeforderten Widerspruch. 43 Im Folgenden soll also über eine bloße Inhaltsangabe hinausgehend anhand des Buches die Struktur des Kirchen-Begriffs bei Dibelius analysiert werden. Wir folgen deshalb mit unserer Darstellung nicht dem Aufbau und der Gliederung des Buches: I. Buch der Geschichte (geschichtlicher Rückblick vom Vorabend der Reformation bis zur Revolution von 1918) - II. Buch der Betrachtung (die Kirche als Lebens-form) - III. Buch der Umschau (die Welle der Kirche in der Ökumene) - IV. Buch der Ziele (gegenwärtige Aspekte des „Jahrhunderts der Kirche"). - Eine kurze und sachgerechte Inhaltsangabe des Jahrhunderts der Kirche' gibt z.B. W.-D. MARSCH, Institution im Übergang, 1970, S.69f. - Mit dem Buch: ,Nachspiel' (1928) antwortete Dibelius auf die vielstimmige und vielschichtige Kritik am Jahrhundert der Kirche' (1926, ^1928); zugleich konnte er dabei seine Position präzisieren, ohne sie im Wesentlichen zu ändern. Es ist deshalb methodisch gerechtfertigt, diese Schrift in die Darstellung des Jahrhunderts der Kirche' miteinzubeziehen. - Damit ist zugleich der Auffassung von A. HEIN widersprochen, wonach das .Nachspiel' an „wichtigen Stellen eine deutliche Korrektur" gegenüber dem Jahrhundert der Kirche' vornehme; vgl. A. HEIN, Foerster, 1928, Sp.201.
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hoheit und Kirchengewalt in die Hand des landesherrlichen Kirchenregiments. Der oberste Regent des Territoriums oder des Staates war zugleich auch der summus episkopus der evangelischen Kirche, während die katholische Kirche in Deutschland in nahezu ungebrochener Kirchentradition ihr eigenes, zentralistisch-ultramontanes Kirchenregiment beibehalten hatte. Zwar gab es immer wieder Vorstöße zur Bildung einer staatsfreien evangelischen Kirche. Zu nennen ist hier der politische Liberalismus44 des 19. Jahrhunderts; zu denken ist auch an Persönlichkeiten der Kirche wie Adolf S T O E C K E R 4 5 oder Nathan S Ö D E R B L O M . Doch die politischen und die kirchlichen Verfechter einer staatsfreien Kirche konnten sich nicht zu einem Uberzeugungs- oder wenigstens Zweckbündnis verstehen, sondern verschanzten sich stattdessen in (kirchen-)politisch getrennten Lagern. Otto Dibelius lernte zwar in Schottland auch das Leben einer staatsfreien, evangelischen Kirche kennen und schätzen, doch konnte er sich diese Lösung auf Deutschland und Preußen übertragen46 schlecht vorstellen: Weder eine Freikirche im liberalen Sinn noch eine Kirche nach konservativem Muster schien ihm erstrebenswert; eine staatsfreie Kirche in Deutschland würde ihren volkskirchlichen Charakter einbüßen und in eine freikirchliche oder gar sektiererische Bedeutungslosigkeit versinken47. Kirchlicher Freiheitsgeist auf der einen und loyalitätsbewusste Zurückhaltung gegenüber dem Staat und dem landesherrlichen Kirchenfürsten auf der anderen Seite erzeugten eine innerkirchliche Hochspannung, die sich dann durch ein außerkirchlich-politisches Ereignis entlud: durch das „befreiende Gewitter" 48 der November-Revolution von 1918. Freilich: es waren „Mächte der Zerstörung" 49 , „Mächte der Finsternis" 50 , „Dämonen der Finsternis" 51 , die dort und damals am Werk waren. Und trotzdem: „es geschah, woran niemand gedacht hatte: aus den Wirren jener Tage stieg selbständig und frei eine evangelische Kirche empor!" 52 . 44 Das Schlagwort CAVOURs von der „freien Kirche im freien Staat" ging der konservativkirchlichen Seite zu weit, die in der Parole v o n der „Trennung von Staat und Kirche" „lediglich ein(en) prägnante(n) Ausdruck für eine Lockerung des beiderseitigen Verhältnisses" sehen wollte (so J . SCHNEIDER im KJ 45, 1918, S.499). 45 Vgl. Die Trennung v o n Kirche und Staat, 1919, S.8f. 46 Vgl. Das kirchliche Leben Schottlands, 1911, S.220f. 47 EBD., S.221. Mit aus diesem Grund konnte Dibelius jetzt im Jahrhundert der Kirche das Kirche-Sein der neu gewordenen Kirche v o n der Freikirche und Sekte unterscheiden. 48 Jahrhundert der Kirche, S.75; Nachspiel, S.89, 101. „In den Wettern der Geschichte ging G o t t seinen W e g " (Jahrhundert der Kirche, S.197). D e n Begriff v o m „befreienden Gewitter" gebrauchte Dibelius schon in einem Gemeindevortrag (Winter 1 9 1 5 / 1 4 ) , in dem er die Atmosphäre des August 1914 beschrieb: „Mobil! - Die unerträgliche Schwüle der letzten Juliwochen des Jahres 1914 war dem befreienden Gewitter gewichen. Das deutsche Volk stand auf in stürmischer Erregung" (Die E r n t e des Glaubens, 1916, S.5). Später deutete Dibelius noch einmal selbst, was er mit dieser Wendung sagen wollte: die Rede v o m befreienden Gewitter meint „christlich gesprochen: das Gericht Gottes, das seiner Gnade den Weg bereitet!" (Christ, 1961, S.237). 49 Jahrhundert der Kirche, S.75. 50 Nachspiel, S.101, 110. 51 EBD., S.89. 52 EBD., S.107.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
So kann es nur „aus Gottes Händen" 53 genommen werden, was geworden ist ganz unabhängig davon, wie und unter welchen Umständen es geworden war: „Freudig jubelten die Lichten: / Dir zu dienen sind wir da! Die zerstören, die vernichten, / die Dämonen knirschten: Ja!" (C. F. MEYER)54 Der alte Staat - und mit ihm die von ihm abhängige und an ihn gebundene Kirche - wurde gewaltsam zerbrochen wie eine Glasflasche, die ein Vakuum umschließt. Der Landesherr, der den kirchlichen Summepiskopat innehatte, wurde abgesetzt; die „Nabelschnur" zwischen Staat und Kirche, das personelle Band, das die Kirche fest an den Staat gebunden hatte, wurde durchschnitten. Die Kirche wurde „selbständig und frei" - und sie wurde dadurch „Kirche", eine Kirche allerdings, die sich vom Staat ihre eigene Freiheit der Verwaltung und Ordnung bescheinigen und garantieren ließ (Art. 137 WRV), die aber ihrerseits den Staat nicht aus seiner Pflicht gegenüber der Kirche entließ. Die Kirchengewalt (ius in sacra) fiel an die Kirche, die Kirchenhoheit (ius circa sacra) verblieb beim Staat55. Obwohl Dibelius selber aus nächster Nähe das Werden des neuen Staates miterlebt und die neue Ordnung der Kirche als Geschäftsführer des Vertrauensrates mitgestaltet hatte, obwohl er wusste, dass immer noch gewichtige und einklagbare finanzielle Bindungen zwischen dem Staat und der Kirche bestanden und die Ablösung der Staatsverpflichtungen nach dem damaligen Stand der Dinge noch bevorstand, beharrte er doch auf seinem Urteil: Die Trennung von Staat und Kirche ist grundsätzlich vollzogen. „Wohl blieb die Kirche in Verbindung mit dem Staat. Aber grundsätzlich war sie frei. ... Die Selbständigkeit der Kirche ist da. Nicht ohne Einschränkung! Aber aufs Ganze gesehen, darf es gelten: sie ist da!" 56 So ist der 9. November 1918, wie es Dibelius pointiert und auch provozierend formuliert, „der Geburtstag der freien, selbständigen evangelischen Kirche in Deutschland" 57 . Zwar waren in der Revolution „Mächte der Finsternis" am Werk, trotzdem konnte sie als der „Geburtstag der freien, selbständigen evangelischen Kirche" EBD., S.29. Jahrhundert der Kirche, S . l l , 77; vgl. S.193. Dibelius zitierte diese für seine Auffassung bezeichnenden Verse bereits schon in seiner Schrift: Evangelische Grundsätze (1919/20), S.4. 55 Deshalb wird man im Sinne von J. SCHNEIDER sachgemäßer von einer „Lockerung des beiderseitigen Verhältnisses" zwischen Staat und Kirche sprechen müssen, von einer „hinkenden Trennung" (U. STUTZ), von einer „unsichtbaren Staatskirche" (H. v. SODEN) oder von einem „System möglichster staatlicher Unterstützung der Kirchen bei Mangel jedes staatlichen Einflusses" (E. TROELTSCH in: Die Hilfe 27, 1921, S.136f.) oder - wie in neuerer Zeit - von einem „System der gelockerten Fortsetzung der Verbindung von Staat und Kirche" (U. SCHEUNER) oder von einer „distanzierte(n) Freiheit der Kirchen vom Staat" 0 . MEHLHAUSEN, Trennung, 1994, S.129). Vgl. J. JACKE, Kirche, 1976, S.384, Anm.119, A. v. CAMPENHAUSEN, Trennung, 1993, S.83, und R. ZlPPELIUS, Staat, 1997, S.150ff. Die vom Grundgesetz übernommenen Kirchenartikel der WRV haben unter neuen geschichtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach 1949 unter Beibehaltung des grundsätzlichen Trennungsprinzips eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche, d.h. ein „mit dem Stichwort Subsidiaritätsprinzip angezeigte(s) System der Kooperation des modernen Sozialstaats mit den Kirchen" begründet (J. MEHLHAUSEN, Trennung, 1994, S.147). 56 Jahrhundert der Kirche, S.76 / Die evangelische Kirche, 1931, S.10 u. 11. 57 Nachspiel, S.101; vgl. H. HÜRTEN, Kirchen, 1984, S.129. 53
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bezeichnet und gefeiert werden - diese Mischung aus Abscheu vor den revolutionären Ereignissen von 1918 und gleichzeitigem Lobpreis ihres kirchlichen Ertrags hat Dibelius zusammengefasst im Begriff vom „befreienden Gewitter". Solche bipolare Denk- und Redeweise ist nur aus Dibelius' originärem Kirchen-Verständnis zu begreifen, dem er auch seine geschichtliche Einordnung der November-Revolution unterwarf. Das „Schockerlebnis vom Winter 1918/19" 58 löste die Geburtswehen der neu entstehenden Kirche und das Erstaunen darüber aus, dass mit dem alten Staat nicht auch die mit ihm in Personalunion des summus episkopus verbundene Kirche zertrümmert und in irgendeine freikirchliche Nische oder ins öffentliche Abseits gestellt wurde, sondern dass die Kirche „mit einem Schlage"59 gestärkt und (relativ) selbständig und sich ihrer selbst bewusst (und deshalb auch selbstbewusst) dem neuen Staat gegenüberstand. Die Kirche wurde so zu einem reich beschenkten, legalen Kind der Revolution, ohne dass sie je die Elternschaft der Revolution als legitim anerkannte und ohne ihr gegenüber sich zur Loyalität verpflichtet fühlen zu müssen60. Mit der Distanzierung von der Revolution ergab sich auch folgerichtig der Abstand zu dem anderen Kind der Umwälzung, zu dem neuen Staat von Weimar; und so war das Verhältnis zwischen den beiden ungleichen Geschwistern „Staat" und „Kirche" von Anfang an spannungsgeladen: „Da die Stimmung in der Kirche ganz überwiegend republikfeindlich ist, steht die Kirche dem neuen Staat sehr reserviert gegenüber." Die eigentlich „kirchliche" Pointe dieses oft zitierten Satzes61 jedoch lässt Dibelius unmittelbar darauf mit den Worten folgen: „An die Stelle der überlieferten Regierungstreue tritt eine selbständige Haltung der Kirche gegenüber den Staatsgewalten."62 In das vom alten Staat des landesherrlichen Kirchenregiments gehütete und bewahrte „ekklesiologische Vakuum" 63 konnte nun nach seiner Zerschlagung durch K.-W. DAHM, Pfarrer, 1965, S.128. Jahrhundert der Kirche, S.77. Zwar erkannte Dibelius auch eine geschichtliche Entwicklung zur Kirche hin: Deutschland sah er im 19. Jahrhundert „an der Schwelle der Kirche, aber noch nicht in der Kirche selbst" (EBD., S.74), man war „auf dem Weg zur Kirche" (EBD., S . l l l ) . Zwar deutete Dibelius auch die Entstehung und Geschichte des E O K als einen Weg zur Kirche, der zugleich „eine Geschichte fortschreitender Loslösung vom Staat" beinhaltete (Hundert Jahre Evangelischer Oberkirchenrat, 1950, S.7); trotzdem hielt er in bewusster Einseitigkeit daran fest, dass durch die Revolution und das befreiende Gewitter „mit einem Schlage" die Kirche sich vom Staat gelöst habe, das Staatskirchentum an sein Ende gekommen und die Kirche zur Kirche geworden sei. 60 Für den großen Teil des allgemeinen kirchlichen Empfindens formuliert K.-W. DAHM treffend: seit 1918 war die Kirche mit dem „Odium" behaftet, „sozusagen ein illegitimes Kind der Revolution zu sein" (K.-W. DAHM, Pfarrer, 1965, S.64) - auf die dezidierte Anschauung von Dibelius ist diese Formulierung allerdings nicht anwendbar. 61 Vgl. z.B. G. HOFFMANN, Nachwirken, 1961, S.135; K.NOWAK, Kirche, 1981, S.179; K. HERBERT, Kirchenkampf, 1985, S.19; E. BUSCH, Streitruf, 1989, S.417. 62 Jahrhundert der Kirche, S.76. Der Akzent liegt in diesem Zusammenhang auf der selbständigen Haltung der Kirche, die lediglich in ihrer reservierten und distanzierten Stellung gegenüber dem Staat manifest wird! 63 Der Begriff „ekklesiologisches Vakuum" greift bewusst die Terminologie K. SCHOLDERs auf, die er bei der Charakterisierung und Profilierung des „Barmer Bekenntnisses" verwendet hat 58
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die Revolution wahrhaft kirchlicher Geist einströmen und den jahrhundertelang leer gebliebenen, d.h. kirchenlosen Raum ausfüllen. Das „befreiende Gewitter" der Revolution ist der geschichtliche Ermöglichungs- und Realgrund des „Jahrhunderts der Kirche". Eine „Kirche" ist geworden, die diesen Namen verdient, und sie hat ein konkret-geschichtliches Urdatum, ein Geburtsdatum, dem sie sich verdankt: die November-Revolution von 1918. Warum und mit welchem Interesse hat Dibelius ausgerechnet an dem sonst so verhassten Datum der Revolution als dem Geburtstag der „Kirche" festgehalten? Warum hat er dieses ganze Geschehen, das ja auch seine durchaus menschliche und politische Vor- und Nachgeschichte hatte, sozusagen als Blitz aus heiterem Himmel darzustellen versucht und es mit der Metapher vom „befreienden Gewitter" versehen? Die Antwort auf diese Frage wird mit der folgenden Deutung zu geben sein, deren theologische Implikationen Dibelius' Zeitgenossen wohl kaum verstanden haben: Wenn die neu gewordene Kirche sich einem geschichtlichen Ereignis verdankt, dann muss dieses Ereignis um der Unvergleichlichkeit und Unableitbarkeit der Kirche willen von jeglichem Menschenwerk ferngehalten werden. Was an der Revolution menschlich war, das geschah aus dem Geist von „Dämonen" 6 4 ; die Kirche als das Ergebnis dieses geschichtlichen Ereignisses gründet aber im „befreienden Gewitter", d.h. in einer freien und befreienden Tat des Himmels, im göttlichen Willen und Werk: N u n sind „die Fensterladen aufgestoßen" 65 , die Kirche ist da, denn Gott wollte die evangelische Kirche! - Man wird das kämpferische Pathos und die jubelnde Emphase der Sprache, in der bei Dibelius auch ganz und gar nicht-kirchliche Unter- und Obertöne mitschwingen, wohl auch als im Dienst dieser Botschaft stehend nicht gerade rechtfertigen, aber doch zumindest erklären können.
(K. SCHOLDER, Bedeutung, 1967, S.435-461). Gleichzeitig wird damit aus der Perspektive von Dibelius deutlich, dass für diesen nicht in demselben Sinn ein solches „ekklesiologisches Vakuum" bestand, wie das K. SCHOLDER für die Zeit „vor Barmen" behauptet. Dies erklärt zugleich auch die verhältnismäßig geringe Beachtung, die Dibelius dem Ereignis von „Barmen" schenkt: für ihn wurde Kirche nicht erst durch „Barmen" neu konstituiert, sondern schon durch die Ereignisse und Ergebnisse der Revolution von 1918! Das „ekklesiologische Vakuum" liegt für Dibelius vor 1918; es wird nicht erst durch die „Barmer Erklärung" mit kirchlichem Geist gefüllt, sondern eben schon mit Beginn des „Jahrhunderts der Kirche". So interpretierte Dibelius die „Barmer Erklärung" nur von seiner eigenen fundamental-ekklesiologischen Erkenntnis her: „Die Grenze zwischen Staat und Kirche darf niemals verwischt werden." Er bezog diese Erkenntnis rückblickend auf den nationalsozialistischen und aktualisierend auf den kommunistischen Totalstaat (Rede zum 20-jährigen Gedächtnis an die Theologische Erklärung von Barmen auf der zweiten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Evanston am 29.8.1954, Manuskript in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 12; vgl. die vervielfältigte Kurzfassung der Rede in: E B D . , Nr. 12). 64 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S . l l , 77, 193. 65 Vgl. EBD., S.83.
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3.2.2 Der ekklesiologische Fundamentalismus - „Die Kirche ist da!" Nachdem mit der epochemachenden Zäsur von 1918/19 alles „anders, ganz anders" 66 geworden war, ist die Kirche „da"; sie ist „Tatsache" geworden - Lieblingsworte von Dibelius. Es ist deshalb auch ein unabdingbares Erfordernis, dass sich nun die Christenheit zu der ins Da-Sein gerufenen und zu dieser als Tatsache geschichtlich gewordenen Kirche bekennt: im „Willen zur Kirche", in der „Liebe zur Kirche", in der „Freude an der Kirche", im „Mut zur Kirche" 6 7 und in der „Arbeit an und mit der Kirche". Denn die Kirche gehört jetzt konstitutiv zum Welt-Bild - ohne sie müsste nicht nur dieses Bild, sondern die Welt selbst einstürzen. Denn nach der grundsätzlich vollzogenen und behaupteten Trennung von Kirche und Staat hat nun als Realität zu gelten: „Die Selbständigkeit der Kirche ist da. ... Eine Kirche ist geworden. Eine selbständige evangelische Kirche! Daß diese Kirche nicht fertig ist, daß sie sich erst ihrer selbst bewußt werden muß, daß das Neue erst von innen her mit Geist und Leben durchdrungen werden muß - das alles versteht sich von selbst. Eine Kirche ist nie fertig! 68 Aber noch einmal: die evangelische Kirche ist da! ...Die Öffentlichkeit nimmt wieder N o t i z von dem, was in Synoden geschieht. Gemeinschaftsbewegung und kirchliche Vereinsarbeit halten ihren Einzug in die Synoden. Man kritisiert, man fordert neue Reformationen. Aber - man arbeitet mit! Denn man spürt: die Zeit der Träume und der Utopien ist vorbei. Die Arbeit an der Kirche hat jetzt sicheren Grund. Ecclesiam habemus! Wir haben eine Kirche! Wir stehen vor einer Wendung, die niemand hatte voraussehen können. Das Ziel ist erreicht! Gott wollte eine evangelische Kirche! Seinem Willen mußten beide dienen, die da aufbauen und die da zerstören wollten." 69 Bei aller sprachlichen Emphase dieser grundlegenden Sätze lässt Dibelius allerdings keinen Zweifel daran, „daß eine Kirche niemals Selbstzweck sein kann ... Dienst ist ihr Beruf, nicht Selbstverherrlichung." 70 Denn mit der Tatsache der Kirche ist auch das andere fundamental gegeben: „wir wollen Kirche, nicht um der Kirche willen! Die Kirche ist Mittel zum Zweck, die Kirche ist das Instrument, mit dem der Wille Jesu auf Erden vollstreckt werden soll." 71 Und: „Wo die Kirche nicht um ihrer selbst willen da ist, sondern sich grundsätzlich unter das Wort des Neuen Testaments stellt, da kann ihr die Selbstherrlichkeit nicht eignen, die jede Anklage für Hochverrat erklärt, da wirkt das Wort der Offenbarung in ihr als ewige Unruhe, die in die Demut, in den Ernst, in die Buße treibt."
Vgl. z.B. auch SoSp. v. 3.4.1927, 10.4.1927, 18.12.1927. Nachspiel, S.5. 68 „Eine Kirche, eine evangelische Kirche zumal, ist immer im Werden" (Nachspiel, S.107 Predigt über Mt 16,15-18 auf dem 3. Kirchentag der Kurmark am 29.5.1927). 69 Jahrhundert der Kirche, S.76f. 70 EBD., S.231. 71 EBD..S.130. 66
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Alles kirchliche Selbstbewusstsein muss daher immer auch in „das Bewußtsein einer neuen Verantwortung" 72 einmünden. Dass die evangelische Kirche Deutschlands als Tatsache da ist, ist zwar auf ein geschichtliches Datum zurückzuführen; letztlich aber verdankt sie sich einem geschichtlichen Datum nur insofern, als es dem Willen Gottes entspricht, der der Herr der Geschichte ist 73 . „Grundlage ihrer Existenz" ist die Bibel, ihre Ordnungen knüpfen „alle irgendwie an die Worte Jesu und seiner Apostel an" 74 , und was in der „evangelischen Kirche werden soll, muß an der Gesinnung Jesu und an seinen Forderungen orientiert sein" 75 . Die Kirche, wie sie jetzt geschichtlich geworden ist, verdankt sich also letztlich dem Willen Gottes und hat deshalb ihrerseits die Aufgabe, dem Willen Jesu zu entsprechen. Bei einem nüchternen Vergleich zwischen den riesenhaften Aufgaben der Kirche und ihrer kleinen menschlichen Kraft wird deutlich, dass da Gott seine Hand im Spiel haben muss: „Dem Christen wird seit den Tagen des Paulus erst an diesem Mißverhältnis ganz klar, daß Gott auf dem Plan ist, daß Gott seinen Namen verherrlichen und eben darum allen Menschenruhm und alles menschliche Selbstvertrauen zunichte machen will. Es handelt sich für den Christen nur um die Aufgabe. Ist diese klar gegeben und als Wille Gottes erkannt, dann braucht er sich um die Kraft, sie durchzuführen, keine Sorgen zu machen." 76 So steht alles kirchlich-empirische und alles menschliche und oft nur allzu menschliche Handeln unter der Paradoxie: „alles von Gott erwarten und doch zugleich alles für Gott tun" 7 7 . Die Kirche ist da, sie ist Tatsache; und mit ihrem Da-Sein hat sie ihre Aufgaben und Verantwortungen. Aber ihr Da-Sein ist nicht ohne ihr Geworden-Sein, 72 Nachspiel, S.7. Wohl unter dem Eindruck der Kritik an einer allzu emphatisch das Selbstbewusstsein der Kirche betonenden Sprache legte Dibelius in seinem ,Nachspiel' noch mehr Gewicht auf die „Aufgaben" und die „Verantwortungen" der Kirche; darin sah er offenbar ungeachtet aller Einwände im Einzelnen das größte Feld kirchlicher Konsensmöglichkeit: „Dieser Begriff der Verantwortung wird im Mittelpunkt der systematischen Auseinandersetzung über das stehen müssen, was .Kirche' ist" (Nachspiel, S.38, Anm.12; vgl. auch S.52, 54, 63, 80-84, 97f., 102). 73 Vgl. EBD., S.102. 74 Jahrhundert der Kirche, S.85. 75 EBD., S.205 - Hier noch ganz in der Tradition der liberalen Theologie stehend schreibt Dibelius: „Die Gesinnungen des Gottesreiches verwirklichen, das heißt, Gottes ewiges Wesen verwirklichen in dieser irdischen Welt - dazu sind wir berufen!" „Gegebene Verhältnisse müssen sich mit den Grundgesinnungen des Evangeliums verbinden zu einer Form des Lebens und der Arbeit." (Nachspiel, S.50, 53) - In dem als „Nachtgespräch" überschriebenen Abschnitt des .Nachspiels' beschreibt Dibelius in einem an die Nikodemus-Geschichte erinnernden Zwiegespräch mit dem gekreuzigten Jesus die geschichtliche Wende als seine eigene persönliche Wiedergeburt in Form einer „Bekehrung" (vgl. EBD., S.48ff.). 76 Jahrhundert der Kirche, S.203f. 77 EBD., S.127. Bemerkenswert ist, dass sich Dibelius hier einer Sprache bedient, die sowohl einer „dialektischen" als auch einer pietistisch-erwecklichen und erbaulichen Redeweise aller Ehren wert ist. - Eine Wiederholung dieser Formel findet sich in einem Weihnachtsartikel von Dibelius: „Alles von Gott erwarten und alles für Gott tun - das ist immer die Losung des christlichen Glaubens gewesen. Eine paradoxe Losung, wenn man will. Und doch die Losung, deren Wahrheit sich tausendfach bestätigt hat" (Weihnachten in Not und Hoffnung, in: Der Tag v. 25.12.1932).
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und ihre Aufgaben und Verantwortungen gehen nicht ins Leere. So sehr sie im Zusammenhang irdisch-menschlicher Geschichte erst Kirche geworden ist durch die als vollzogen behauptete Trennung vom Staat, so sehr hat sie auch ihr Aufgabenfeld im geschichtlichen Gegenüber zum Staat. Trennung der Kirche vom Staat kann nicht bedeuten, dass die Kirche den Staat hinter sich lassen und vergessen kann; sie bedeutet eine neue Zuordnung von Kirche und Staat. Der Staat hat durch dasselbe Geschehen, durch das die Kirche zur Kirche geworden ist, die seitherigen Werte des christlichen Staates eingebüßt: Er ist ein religiös neutraler, d.h. religiös entleerter Staat geworden, der auch die ihm seither zugehörigen Werte „Vaterland, Nation, Kulturgemeinschaft" 78 verloren hat. Die sittlichen Werte des ehemals christlichen Staates sind auf die neu entstandene, vom Staat getrennte Kirche übergegangen. Der Staat ist nun nichts anderes mehr als „Macht" 7 9 ; er kann keine sittlichen Werte schaffen und erhalten; dort hat die Kirche deshalb ihre umfassende Aufgabe, die auch nicht mehr an den Staatsgrenzen haltmacht: Staatsgrenzen sind nun auch keine Kirchengrenzen mehr 80 . Die Kirche hat in dem neu angebrochenen Jahrhundert eine vom Staat entgrenzte, ökumenische Weite gewonnen und ist an die in Nationen gegliederte Mensch" heit 81 gewiesen: „Indem die evangelische Kirche Deutschlands zur Kirche ward, ist sie mit innerer Notwendigkeit eingetreten in die ökumenische Atmosphäre, die immer da war, wo Kirchen waren" 82 . In Selbständigkeit - und das heißt auch in Unabhängigkeit von der jeweiligen Staatsform 83 - ist jedoch jede Kirche zunächst an das eigene Volkstum und Volk gewiesen; sie hat teil an der ökumenisch-grenzüberschreitenden Weltkirche, und ist doch in erster Linie eine national-flächendeckende Volkskirche. Sie hält sich deshalb fern von allem Freikirchentum und Sektenwesen 84 und strebt eine umfassende Lebens- und Gemeinschaftsform an, dem Staat darin formal ähnlich und mit ihm deshalb auch konkurrierend. Dem demokratisch begründeten VolksStaat steht eine biblisch begründete Volks-Kirche gegenüber; denn dass Kirche schon immer Ko/&s-Kirche ist, begründet Dibelius immer wieder mit dem Hinweis auf den synoptischen Evangelien-Satz: „und es jammerte ihn (nämlich: Jesus) des Volks"*5. Nachspiel, S.54. Jahrhundert der Kirche, S.67, 133, 234f. 80 Vgl. EBD., S.98, 240f., 254. 81 Vgl. EBD., S.233. 82 EBD., S.254f. 83 „Grundsätzlich ... kann eine evangelische Kirche ... jede Staatsform bejahen und in jeder Staatsform ihren Dienst ausrichten" (EBD., S.237). 84 Die soziologisch-empirische Lebensform der Kirche unterscheidet sich von der Freikirche und der Sekte gerade in ihrem Gegenüber zum Staat. Dibelius kann deshalb Freikirche und Sekte gleichsam in einem Atemzug nennen und behaupten, die Kirche habe eine Verantwortung für das Volksganze, wogegen die Freikirche nur eine Missionsaufgabe an den Einzelnen habe. Dagegen wurde heftiger Protest von freikirchlicher Seite angemeldet (vgl. Wächterstimmen, 1927, S.37ff. und S.72f.). 85 M k 6,34; 8,2 par. Vgl. z.B. Wir deutschen Christen und der deutsche Friede, 1918, S.6; Jahrhundert der Kirche, S.110, 127-130; Nachspiel, S.39. - Schon 1919 begründete Dibelius mit 78
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Eine ganze Fülle von Aufgaben und Verantwortungen kommt jetzt auf die Kirche zu. Neben den mehr innerkirchlichen Aufgaben der Pflege von Bekenntnis und Kultus 86 , der Wahrnehmung von Verkündigung und Bibelarbeit 87 gibt es angesichts der Weltverantwortung der Kirche so gut wie keinen Bereich, um den sich die Kirche um des ganzen Volkes willen nicht kümmern müsste: um Volk und Vaterland, Gesinnung und Gesittung, Ehe und Familie, Staat und Politik, Bildung und Ausbildung, Schule und Sport, Krieg und Frieden, Arbeit und Freizeit, Presse und Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, Theater und Literatur. In dem von Dibelius geforderten „Kulturprogramm" 8 8 der Kirche bleibt kein Bereich des zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und nationalen Lebens ausgespart, der außerhalb der Zuständigkeit und Verantwortung der Kirche liegt, der nicht von der Arbeit der Kirche christlich und sittlich „durchdrungen" werden müsste und zu dem die Kirche nicht ihren eigenständigen Beitrag zu leisten hätte. Dibelius hat damit in umfassendem Sinn den Führungsanspruch der Kirche bei der gesellschaftlichen Werte-Erhaltung und Werte-Bildung erhoben. Mit der fundamentalen, geschichtlich gewordenen Tatsache der vom Staat getrennten Kirche ist zugleich ihr Sein als selbständige, die ganze Volksgemeinschaft umfassende Lebensform 8 9 im Gegenüber zum Staat gegeben und ihre Aufgabe als „Führerin zu evangelischer Lebensgestaltung" 90 um des Volkes willen bestimmt. Darin ist zusammengefasst, was wir bei Dibelius den „ekklesiologischen Fundamentalismus" nennen. Aus der „soziologischen" Bestimmung der Kirche als einer selbständigen, die ganze Volksgemeinschaft umfassenden Lebensform leitete Dibelius die Feststellung ab, dass alles, was in diesem Sinn „Kirche" genannt zu werden verdient,
dieser Bibelstelle die Existenzform der Kirche als einer „Volks-Kirche" und die Forderung nach einer „Volkstümlichkeit" der Volkskirche: „Ihn jammerte seines Volkes... Wir sind gebunden im Gewissen, dem ganzen Volk, in das wir gestellt sind, den Dienst des Glaubens zu tun. Nicht eine Sekte, sondern eine Volkskirche sollen wir sein! ...Nicht um die Gunst der großen Masse wollen wir buhlen, nicht das alte Evangelium wollen wir preisgeben - dies Evangelium ist stärker als die Menschen. Aber volkstümlich zu sein in des Wortes edelstem Sinn - das ist die große Aufgabe der Kirche" (Volkskirchenräte, 1919, S.212). 86 Jahrhundert der Kirche, S.90, 214ff. 87 EBD., S.207ff. 88 EBD., S.223ff. 89 „Das Evangelium ist das Schicksal des deutschen Menschen. In der Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes muß das Evangelium die richtunggebende Dominante sein! ...Dazu kann nur eine Organisation helfen, die die Volksgemeinschaft zu umspannen sucht, um die Botschaft Jesu an sich auszurichten. Das ist die Kirche. Gewiß weht der Geist, wo er will. Die Kirche braucht Gott; aber Gott braucht die organisierte Kirche nicht. U n d doch können wir auf Grund unserer geschichtlichen Erkenntnis nur sagen: es gibt keine Zukunft des Evangeliums im deutschen Volke ohne die Kirche!" (Das Schicksal des deutschen Menschen, in: BES v. 28.2.1926) Dieses Zitat zeigt deutlich bei Dibelius die Diastase zwischen Realgrund und Erkenntnisgrund für die Notwendigkeit bzw. für die Folgerichtigkeit kirchlicher Existenz: Der Erkenntnisgrund ist in der Geschichte des deutschen Volkes zu suchen: das deutsche Volk braucht die Kirche - der Realgrund für die Kirche liegt in Gott selbst: die Kirche braucht Gott, der seinerseits die Kirche nicht braucht, aber will. 90 Jahrhundert der Kirche, S.229.
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vom Staat auch die Erhaltung und den Schutz der öffentlichen Körperschaftsrechte erwarten darf. Dibelius verband diese Forderung aber mit einer eigenwilligen und restriktiven Auslegung des Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung, wonach grundsätzlich alle Religionsgesellschaften unterschiedslos, freilich unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die Übertragung der öffentlichen Körperschaftsrechte verlangen können. Der DDP-Abgeordnete NAUMANN ließ sich in der verfassunggebenden Nationalversammlung ausdrücklich von Dr. PREUSS, dem liberal-demokratischen Architekten des Verfassungswerkes, bestätigen, dass „das Recht der öffentlichen Körperschaft den bestehenden kleineren Kirchen, den Religionsgemeinschaften und Sekten, wie Methodisten, Baptisten, Altlutheranern usw. ohne weiteres zuteil werden soll"91. Demgegenüber vertrat Dibelius die Auffassung, dass der Staat ausschließlich den beiden Großkirchen, der katholischen Kirche und dem evangelischen Kirchenbund mit den dazugehörigen 28 Landeskirchen, die Verfassungsgarantie der Korporationsqualität gewährt habe. Dibelius' eigene Begründung für diese Auslegung suchte er mit dem Hinweis zu erhärten, dass nur diese Großkirchen in ihrer Struktur und Aufgabe auf das Volksganze bezogen seien. Man könne nicht, so argumentierte Dibelius, jeder beliebigen Sekte und Religionsgemeinschaft eigene Schulen auf Staatskosten zur Verfügung stellen, besondere Feiertage von Staats wegen zubilligen oder eigene Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für sonntägliche Morgenfeiern einräumen. Es sei vielmehr eine Tatsache, „daß unser Volksleben und unsere gesamte Kultur getragen werden von den Kräften des Christentums und daß diese Kräfte des Christentums ihre Gestaltung gewonnen haben in den beiden großen christlichen Kirchen. Aus diesem Grunde hat man in die Reichsverfassung den Artikel 137 eingefügt, der den großen, geschichtlich gewordenen Religionsgesellschaften die besonderen Rechte einer öffentlichen Körperschaft verleiht. ...Das ist der klare Wille der Reichsverfassung. Es war grober Unfug, wenn hin und her einige Länder auf Grund dieses Artikels die Rechte einer öffentlichen Körperschaft auch dem Monistenbund und allerlei kleinen Religionsgesellschaften zugebilligt haben. Die großen christlichen Kirchen sollen eine Sonderstellung einnehmen!" 92 Dibelius' Sorge war es, der christliche Einfluss auf das Volksganze könnte sich durch religiöse Vielfalt zersplittern und schließlich ganz zunichte werden. Dieser großkirchliche Alleinvertretungs- und Ausschließlichkeitsanspruch, der die bewusste Forderung einer ungleichen und auf die Großkirchen beschränkten staatlichen Privilegierung einschloss, zielte bei Dibelius vor allem auf die Verhinderung einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Freidenkerverbände. Allerdings nahm Dibelius damit nicht nur billigend in Kauf, sondern rechtfertigte es 91 Nationalversammlung 1919, Bd.328, S.1654, abgedruckt auch in: D. KLEINMANN, Liberalismus, 1988, S.8. Für die Gewährung des Körperschaftsrechts enthielt Art.137, Abs.5 WRV allerdings Kautelen insofern, als dem entsprechenden Antrag der Religionsgesellschaften nur dann stattgegeben werden darf, „wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten". 92 SoSp. v. 27.3.1927.
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auch, dass die Sekten, die Freikirchen und die israelitischen Kultusgemeinden als Religionsgesellschaften zweiter Klasse behandelt werden und auf den im Übrigen auch steuerbegünstigenden Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verzichten sollten. Den Methodisten z.B. riet er deshalb, sie sollten ihrer spezifischen geschichtlichen Missionsaufgabe durch den Nachweis gerecht werden, dass man auch „unter grundsätzlicher Ablehnung der Staatskrücken das Gottesreich kraftvoll zur Auswirkung bringen"93 könne. Die evangelische Kirche wiege die Inanspruchnahme von solchen privilegierenden „Staatskrücken" durch das Opfer auf, Verantwortung für das Volksganze zu übernehmen94. Die Auffassung des „Jahrhunderts der Kirche" hat sich in diesem Punkt freilich nicht durchgesetzt. Im Jahr 1932 waren folgende Religionsgesellschaften neben den beiden Großkirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes anerkannt: die Altkatholiken, die Synagogengemeinden, die staatlich genehmigten Altlutherischen Kirchengemeinden in den älteren preußischen Provinzen, die Gemeinden der separierten Lutheraner in Waldeck, der Bund der Baptistengemeinden in Deutschland, die Bischöfliche Methodistenkirche in Preußen, die Evangelische Gemeinschaft in Preußen und die Freireligiösen Gemeinden in Wiesbaden und Frankfurt a.M.95. 3.2.3 Der ekklesiologische Vorbehalt - Die Kirche als „Bollwerk" „Die evangelische Kirche Deutschlands ist da. Wie es kam, daß sie da ist, das gehört der Geschichte an. Und die Geschichte verantwortet der, der der Herr der Geschichte ist. Wir aber haben auf dem Boden dessen, was heute da ist, eine Aufgabe überkommen. Für uns gilt das Wort: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes! Wir müssen unsere Pflicht erfüllen!"96 Die Kirche kann und will nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen, sie hat nach Dibelius mit Rückwärts-Utopien nichts im Sinn. Ihr Verkündigungsauftrag ist der alte und derselbe geblieben, aber ihre Aufgaben im öffentlichen Leben und in der Nachfolge eines Johann Hinrich W I C H E R N , Friedrich v. B O D E L S C H W I N G H , Gustav W E R N E R , Adolf S T O E C K E R und Friedrich N A U M A N N 9 7 sind in der neuen Zeit nur noch deutlicher ins Blickfeld gerückt: Was seither namentlich auf dem diakonisch-sozialen Gebiet auf die Initiative von Einzelnen hin er„Noch einmal: Sekte und Kirche" (Wächterstimmen, 1928, S.74). EBD., S.73. Dieser ebenso wenig tröstlichen wie schmeichelhaften Auffassung widersprach B. KEIP von der Methodistischen Kirche heftig; er beklagte sich bitter über diese Ungerechtigkeit, die sich vor allem steuerlich auch noch auf Kosten der kleinen Gemeinschaften auswirke: Der Staat „belegt unsre Kapellen und Gemeindehäuser mit immer drückender werdenden Steuern, um so das Geld zusammenzubringen, das man den Landeskirchen gibt. ...Eine Befreiung von diesen Lasten haben wir erst mit der Anerkennung als öffentliche Körperschaft zu erwarten. Es ist uns also dabei nicht um Staatskrücken, sondern um Befreiung vom Staatsknüppel zu tun" (Ein brüderliches Wort zu „Sekte und Kirche", in: Wächterstimmen, 1928, S.108). 95 Vgl. Wächterstimmen, 1932, S.64. 96 Nachspiel, S. 102. 97 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.229, 240. 93
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folgte, macht nun die Kirche zu ihrer eigenen Sache. Grundlegend neu aber, zukunftsweisend und zukunftsentscheidend ist und bleibt ihr Verhältnis zum Staat. Wenn die Kirche ihre Aufgaben klar erkennt und entschlossen wahrnimmt, findet sie zu ihrer eigenen und eigenständigen Lebensform, zu ihrem „Eigenleben": „wir dürfen nicht vergessen, daß wir in einer besonderen Stunde leben! Die Besinnung auf eigene Verantwortlichkeit und der Wille zur Arbeit - das sind Erfordernisse einer Zeit, in der die Kirche nach Gottes Willen zu einem Eigenleben übergehen soll"98, so belehrt Dibelius seine kurmärkischen Amtsbrüder. Bei der Wahrnehmung der vielfältigen, in die Öffentlichkeit hineinwirkenden Aufgaben geht es Dibelius zugleich um die Wahrung des „Eigenlebens" der Kirche; am deutlichsten wird dies im Gegenüber zum Staat: die Kirche fungiert eben nicht mehr wie früher bloß als „eine Abteilung für kirchliche Angelegenheiten in der Staatsverwaltung" 99 . Kirche und Staat können nach Dibelius seit der Revolution von 1918 nicht mehr gleichgesetzt, sie dürfen nicht mehr miteinander identifiziert werden, sie sind nicht mehr verwechselbar oder gar austauschbar. Denn die vom Staat getrennte Kirche hat nun ihr Eigenleben; sie steht dem Staat, der anderen den Gesamtzusammenhang öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens umfassenden Lebensform, gegenüber. Da der neue Staat nach seinem eigenen Selbstverständnis und in seinem eigenen Selbstanspruch religiös neutral ist, hat er sich, so folgert Dibelius daraus, auch aller sittlich-christlichen Werte von ehedem entledigt und ist so auch eine Institution ohne Herz und Gewissen100, ohne Empfindung und Verantwortung für Gesinnung und Gesittung des Volkes. Deshalb muss nun die Kirche grundsätzlich zum „Gewissen der Nation" 101 , zum „Gewissen ihrer Staatsmänner und ihrer Parlamente" 102 , zum „Gewissen des Staates" werden - oder besser: sie ist es schon, sofern sie wirklich „Kirche" ist. J e t z t ist die Kirche da, die Kirche muß sich dem Staat gegenüber klar und bestimmt abgrenzen." 103 Sie wird sich allerdings dadurch vom Staat abgrenzen, nicht indem sie sich in irgendeinen Winkel zurückzieht, sondern indem sie versucht, „ihre Anschauungen auch im staatlichen Leben durchzusetzen. Aber sie wird sich nur orientieren an dem in
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RdBr. v. 12.11.1927. Christ, 1961, S.141. „Überall Parteien. Uberall Interessenten. Der Staat hat Erwägungen der Nützlichkeit, er hat die Miene der Sachlichkeit. Aber das Parteiinteresse der jeweilig Regierenden schaut immer um die Ecke. Und ein Herz - nein, das hat der Staat nicht. Aber die Kirche kann es haben und soll es haben." (Jahrhundert der Kirche, S.242) Mit „Herz" und „Gewissen" hat die Kirche auch gleichsam das „Humanuni" auf ihrer Seite, das Humanum, das der religiös neutrale Staat entbehrt und dessen er deshalb (in Gestalt der Kirche) um so mehr bedarf. 101 EBD., S.241. 102 EBD., S.237. 103 EBD., s.220. 99
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Gott gebundenen Gewissen, nicht an Beschlüssen von Parlamenten. Das gibt ihr das Recht und die Pflicht, das Gewissen des Staates zu sein." 104 Natürlich muss aus dem Gegenüber von Kirche und Staat nicht prinzipiell ein Gegeneinander werden 105 ; die Kirche muss auch bestimmte rechtliche Beziehungen und Verbindungen mit dem Staat eingehen können: die selbständige, vom Staat unabhängige Kirche ist „konkordatsfähig" 106 geworden. Die absolute Grenze allerdings ist dann erreicht, wenn der Staat die Kirche vereinnahmen und ihr ihre selbständige Lebensform nehmen will - oder auch umgekehrt: wenn die Kirche dem Staat ihre unabhängige Lebensform opfern will. Wird also, so notiert Dibelius schon sieben Jahre vor den Gleichschaltungsversuchen des NS-Staates, „der Staat die alles beherrschende Lebensform der Nation und die Kirche nur ein Departement der staatlichen Verwaltung, so hat sie aufgehört, Kirche zu sein." 107 Und deshalb gilt der an Deutlichkeit nicht zu überbietende Grundsatz: „Einen omnipotenten Staat kann die Kirche nicht anerken1 0 4 EBD., S.98. In der späteren Auseinandersetzung mit Paul ALTHAUS (1930) formulierte Dibelius ganz prononciert: „Das Korrelat z u m religionslosen Staat ist und bleibt das J a h r h u n d e r t der Kirche' " (Antwort an Paul Althaus, 1930, S.105). 1 0 5 Im Rückblick auf die Generalsynode von 1927, bei der auch Reichspräsident v. HlNDENBURG z u Gast war, schreibt Dibelius im ,Sonntagsspiegel' v o m 8.5.1927: „ D i e Zeit, in der das Staatsoberhaupt die oberste Spitze der Kirche war, ist vorbei. N i e m a n d wünscht, daß diese Zeit wiederkehre. ...Nach der Loslösung v o m Staatsoberhaupt aber steht die evangelische Kirche dem Staat gegenüber viel freier und selbständiger da als früher. Sie kann die Haltung des Staats in den großen Fragen des Volkslebens begrüßen, aber sie kann sie auch bekämpfen. Sie soll, wie man oft gesagt hat, das Gewissen des Staates sein. ...Aber es wäre verhängnisvoll, wenn eine Volkskirche dauernd und grundsätzlich in die O p p o s i t i o n gegenüber dem Staat gedrängt würde. Dagegen sträubt sich die ganze Grundeinstellung des Protestantismus." Dibelius wünscht sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Kirche und Staat, und er setzt dabei ganz auf die führenden Persönlichkeiten: D a s Vertrauensverhältnis zwischen Kirche und Staat „ist dann mit Sicherheit hergestellt, wenn die führenden Männer des Staats bewußte und lebendige Glieder der evangelischen Kirche sind - ebenso wie die führenden Männer der Kirche bewußt u n d opferfreudig im Dienst des Staates stehen." - Mit dem weithin unkritischen Glauben an die den unheiligen Staat heilende Kraft durch die „Persönlichkeiten" des Staates (z.B. die von Reichspräsident V. HlNDENBURG) ist die spezifisch konservative H e r k u n f t der Haltung Dibelius' zu erklären. Diese H a l t u n g lässt wenig Verständnis für die Strukturen des politischen und gesellschaftlichen Lebens erkennen; nur scheinbar bedeutet dieses konservative L o b der „Persönlichkeit" einen Widerspruch zu dem von Dibelius selbst propagierten „empirisch-soziologischen" Ansatz und dem vehementen Angriff gegen allen „Individualismus" des 19. Jahrhunderts. Vielmehr verbirgt sich darin eine antidemokratische Spitze, die z.B. in einer Äußerung des Philosophen Max WUNDT offen ausgesprochen wird: „Zwischen dem deutschen und dem demokratischen Geist gibt es keine Vermittlung. ... D e m o k r a t i e ist recht eigentlich der T r i u m p h der toten Zahl über die lebendige F o r m . D e m setzt der deutsche G e d a n k e die Vernünftigkeit des wirklichen sittlichen Lebens entgegen. D i e vernünftige Idee soll herrschen, nicht die Wünsche des einzelnen. D i e Vernunft aber k o m m t zur klaren Einsicht ihrer selbst nur in der einzelnen Persönlichkeit. D a r u m soll die Persönlichkeit herrschen, nicht die vielen" (vgl. K . BÖHME, Aufrufe, 1975, S.152ff.). 1 0 6 Dibelius wehrt sich gegen den Vorwurf einer katholisierenden Tendenz, die man in einer solchen Formulierung vermuten könnte: die Konkordatsfähigkeit auch der evangelischen Kirche „hat mit katholisch und evangelisch gar nichts zu tun. D a s alles ergibt sich notwendig aus dem Wesen einer Kirche als Kirche. U n d Kirche - ja das sind wir nun einmal durch die T r e n n u n g v o m Staat geworden" (Nachspiel, S.35). 1 0 7 J a h r h u n d e n der Kirche, S.87.
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nen." 108 Die Kirche ist zum wirklichen Korrelat und zum möglichen Korrektiv des Staates geworden. Die Kirche ist es sich also selbst und ihrer Selbständigkeit schuldig - wie freundlich oder feindlich sie auch im Einzelnen dem Staat gegenübersteht - , einen grundsätzlichen, in ihrem eigenen Wesen und geschichtlichen Gewordensein begründeten Vorbehalt gegenüber dem Staat zu wahren. Die Kirche ist es aber nicht nur um ihrer selbst willen, sie ist es vor allem auch der Nation und dem Volk, ja sogar dem Staat schuldig, diesen „kirchlichen" Vorbehalt zur Geltung zu bringen: „Unabhängig vom Staat! Die Arbeit der Kirche kann und wird dem Staat in ungezählten Fällen um seiner eigensten Interessen willen erwünscht sein. ...Die Kirche unterscheidet sich von der Sekte dadurch, daß sie grundsätzlich die Gesamtheit der Nation im Auge behält. Das Gesamtleben des Volkes ist ihr Leben. Seine N o t ist ihre Not. Seine Kämpfe sind ihre Kämpfe." 1 0 9 Und „im Interesse des Staates liegt nichts mehr als eine blühende, evangelische Kirche, die sich kraftvoll auswirken und durch die Weckung sittlicher Kräfte die Fundamente staatlichen Lebens sichern kann." 1 1 0 Die vom Staat getrennte, von ihm unabhängige Kirche wird also gerade in ihrer staatskritischen Position nicht eine beliebige, sondern eine notwendig staatstragende Funktion übernehmen. Ein Staat, der dies nicht erkennt und anerkennt, ein Staat, der die Kirche gleichschalten oder gar ausschalten will, entbehrt seiner ihm nicht eigenen, aber gerade deshalb so notwendigen Fundamente und hat damit auch sein Recht, Staat zu sein, verwirkt 1 1 1 . Da der Staat seit der Revolution religiös neutral ist, hat sich seine Neigung verstärkt, nur noch „Macht" sein zu wollen und durch seine wachsende Omnipotenz immer mehr Bereiche des Lebens in seinen Bann zu ziehen. Der formal geforderte Vorbehalt der Kirche gegenüber dem Staat hat seine Auswirkungen auf die konkrete Gestaltung des Verhältnisses zwischen beiden EBD., S.236. EBD., S.240f. Lebensnotwendig ist die Kirche u m des Volkes und des Staates willen - lebensnotwendig, aber offensichtlich nicht heilsnotwendig, wie Dibelius ausdrücklich in der Auseinandersetzung mit CYPRIANS Satz „extra ecclesiam nulla salus" betont: „In der Tat: das Evangelium Jesu ist mehr als Kirche! ...Nein, auch außerhalb der Kirche führen Wege zu Jesus. Es fragt sich nur, o b nicht Jesus die, die zu ihm g e k o m m e n sind, in - die Kirche führt?" (EBD., S.107). Vgl. früher: Wir wissen, „daß unser himmlischer H e r r nicht nur da ist, w o die Kirche äußerlich in die Erscheinung tritt; ja, wir wissen, daß man seinen Geist oft gerade da vergebens sucht, w o alles sehr kirchlich zugeht. Christus, der Herr, ist größer als die Kirche! A b e r die Kirche ist doch sein Werkzeug, und sie ist ein gewaltiges Werkzeug in seiner H a n d ! " (WoSch. v. 1.1.1922). 1 1 0 Jahrhundert der Kirche, S.237. 1 1 1 A u c h der Staat darf, wie die Kirche, nie Selbstzweck, nie für sich und sich selbst genug sein; z u m Selbstzweck aber wird der Staat, der meint, auf das Gegenüber der Kirche verzichten zu können, denn: „Ein Staat ohne Kirche wird ein Gebilde, in dem die diktatorische Gewalt auf der einen Seite k ä m p f t mit Fäulniserscheinungen auf der anderen Seite, und das Ende muß der Z u s a m m e n b r u c h sein in Ermangelung einer sittlichen Kraft. ...Denn gerade weil die Kirche sich abgrenzen muß gegenüber dem Staat, weil sie ihren Dienst am Staat nur dann tun kann, wenn sie selbst nicht staatlich ist, nur dann wird sie den Staat wirklich befruchten können. ...Der Staat ist da; nun müssen wir dafür sorgen, daß die Kirche auch da ist, die fest auf ihren Füßen steht, und daß der Staat diese Kräfte empfängt aus den Kräften des lebendigen G o t t e s " (Staat ohne Kirche?, in: E v M a r k V. 15.12.1929, S.195). 108
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Größen. „Die Illusion, daß der moderne Staat die christliche Obrigkeit von ehedem fortsetze, ist zerstört. Jetzt ist die Kirche da." 112 Deshalb gilt es den „Kampf gegen den Geist dieser Welt" zu führen, den Kampf gegenüber „dem Materialismus", „dem Subjektivismus" und gegenüber „dem Individualismus"; der Kirche ist gerade als „eine(r) Macht der sozialen und der nationalen Versöhnung" dieser Kampf aufgetragen: „die Aufgabe der Kirche ist Kampf" 113 . Das bereits angebrochene Jahrhundert der Kirche ist eine Zeit des Kampfes, also - im historisch-unspezifischen Sinn - eine Zeit des Kirchen-Kampfes; es geht dabei nicht nur um die Kirche und ihre kirchliche Existenz, vielmehr stehen bei diesem von der Kirche zu führenden Kampf Kirche und Staat auf dem Spiel in ihrer zu wahrenden Unterschiedenheit voneinander und in ihrer ungleichen Bezogenheit aufeinander. Dass dabei Dibelius der Kirche einen „sittlichen" Vorrang vor dem Staat einräumt, ist zweifellos deutlich. Die vom Staat getrennte Kirche ist nun aufs neue und erst recht zum Erweis ihrer Selbständigkeit an den Staat gewiesen, der seinerseits auf die Kirche angewiesen ist, weil er durch die Trennung von ihr den Status und die Dignität einer christlichen Obrigkeit verloren hat und so aller lebensgestaltenden und lebenserhaltenden Werte verlustig gegangen ist. Dass mit dem Jahrhundert der Kirche eine Zeit des Kampfes bereits begonnen hat, verdeutlicht Dibelius mit den ihre Funktion beschreibenden Metaphern „Bollwerk" und „Mauer"; die Kirche hält allen Angriffen der säkularen und verstaatlichten Welt wie ein Bollwerk und wie eine Mauer stand; wie ein Fels in der Brandung gebietet sie Halt und bietet Schutz. In der Verbindung von persönlicher Leidens- und Opferbereitschaft des einzelnen Christen mit der kraftvollen und kompromisslosen Kampfbereitschaft der Kirche gibt er der ahnenden Gewissheit Ausdruck: „Die Tage der Christenverfolgung kommen wieder. ... Die Anfänge des großen Kampfes, die ersten Vorpostengefechte - sie sind längst da!... Weil aber der Kampf schon angefangen hat, darum hat auch die Verantwortung dafür schon angefangen, daß die Waffen für den Kampf bereit sein müssen. Denn wenn wir auch wissen, daß die Front sich noch verbreitern und die Schärfe des 1 1 2 Jahrhundert der Kirche, S.226. An dieser Formulierung wird deutlich, dass Dibelius begrifflich „Staat" ( = verfassungsmäßige Staatsform) und „Obrigkeit" ( = Regierung, die Regierenden) nahezu synonym gebraucht. In dieser mangelnden Unterscheidung liegt in der Folgezeit bei Dibelius auch die zunächst schwankende und unentschiedene, letztlich problematische Anwendung von R o m 13 begründet. - Gleichwohl ist dieser Satz und diese Zuordnung: Staat/ Regierung - Kirche eine notwendige Verstehenshilfe für das, was Dibelius später in der „ObrigkeitsDebatte" (1959/60) und schon vorher (und nicht weniger scharf) in seinem Buch ,Grenzen des Staates' (1949) zum Ausdruck bringen wollte: Alles, was über den modernen, grundsätzlich, offen oder latent zur Totalität und Omnipotenz neigenden Staat (=> Obrigkeit/Regierung) zu sagen ist, hat zugleich Hinweis- und Aufforderungscharakter auf bzw. für die Kirche: „Jetzt ist die Kirche da!" - J. MEHLHAUSEN zeigt anhand eines Briefwechsels zwischen Dibelius und Wilhelm PIECK aus dem Jahr 1949, wie Dibelius gegenüber der D D R die Einhaltung des göttlichen Gebotes, nämlich: „Ehrlichkeit", „Sauberkeit und Redlichkeit" einforderte und dies nicht als eine Einmischung in politische Angelegenheiten, sondern als die unbedingt gebotene Wahrnehmung des theologisch-sittlichen Wächteramts der Kirche verstanden wissen wollte (vgl. D A S B l v. 22.12.1989, S.21). 1 1 3 Jahrhundert der Kirche, S.241.
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Kampfes noch zunehmen wird - aufnehmen müssen wir den Kampf schon heute114. ...Daß ein Bollwerk da sei für die Güter unseres christlichen Glaubens, daß unsere Kinder ihres christlichen Glaubens froh und ruhig leben können, wie es unsere Väter gekonnt haben, daß eine Mauer stehe, die die christliche Kultur des Abendlandes schirme, nachdem kein Staat sie mehr schirmen will - dafür brauchen wir eine Kirche!"115 Wir fassen dieses Kirchenverständnis zusammen, wie es sich gebündelt in den drei Aspekten zeigt, und wie es nun die konkret-geschichtliche Dimension mit der assertorisch-bekenntnismäßigen und der ethisch-politischen Dimension im Kirchen-Begriff von Otto Dibelius verbindet: Mit den politisch so schockierenden Ereignissen und den gleichzeitig kirchlich so überraschenden Ergebnissen der November-Revolution von 1918 in Deutschland ist das neue Verhältnis von Kirche und Staat zum wesentlichen und konstitutiven Bestandteil des Denkens und zum treibenden Motor des kirchlichen Handelns bei Dibelius geworden. In das seither bestehende „ekklesiologische Vakuum" ist ein selbständig-kirchlicher Geist eingeströmt und hat so die ekklesiologisch-fundamentale und empirisch zu fassende Tatsache „Kirche" entstehen lassen. Die vom Staat getrennte Kirche ist und bleibt im „Jahrhundert der Kirche" aber erst recht an den nun religiös neutralen Staat gewiesen. Sie übt ihre Herrschaft aus als Dienst an Staat, Volk und Vaterland, steht aber von nun an allem staatlichen Wesen im Grundsatz mit einem grundsätzlichen „ekklesiologischen Vorbehalt" gegenüber, der die kritische Sympathie und die loyale Solidarität im Einzelfall aber nicht ausschließt.
3.3 Die Manifestationen des Jahrhunderts der Kirche" Nach der Analyse der drei ekklesiologischen Dimensionen im Kirchenverständnis von Dibelius sollen nun noch die den ekklesiologischen Dimensionen entsprechenden drei „empirischen" Manifestationen dieses Kirchenverständnisses 1 1 4 Protest und Kampf sieht also Dibelius als eine schon in der Weimarer Zeit vor- und aufgegebene Signatur der Kirche an. Insofern sind dies nicht bloß „Aussagen, deren Evidenz sich erst in den Jahren des ,Dritten Reiches' erweisen sollte", wie M. PERTIET urteilt (vgl. Das Ringen, 1968, S.49). Dies sind vielmehr Aussagen, deren Evidenz im Sinne von Dibelius sich erst recht in der Zeit des „Kirchenkampfes" erweisen musste. (Kursive Hervorhebung vom Vf.) - Dass Dibelius diesen Kampf zunächst in Richtung der politischen und gesellschaftlichen Linken erwartete und auch führte, zeigt sein Widerstand gegen die „Gottlosen-Propaganda" noch bis in das Frühjahr 1933 hinein; gleichwohl machten ihn sein grundsätzlicher Vorbehalt und seine grundsätzliche „Kirchen-Kampf-Bereitschaft" von vornherein auch dem nationalsozialistischen Staat gegenüber verdächtig, was zur Folge hatte, dass er als Mitglied des Pfarrer-Notbundes und der Bekennenden Kirche sich aktiv am „Kirchenkampf", d.h. gegen alle vom Staat ausgehenden Gleich- und Ausschaltungsversuche, beteiligt hat. 1 1 5 Nachspiel, S.24f. - Unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Rettung des Volkes und der Kultur gegen das „wogende ...Meer eines neuen Barbarentums" wurden die „fesselnden Ausführungen" von Dibelius im Organ des VdSt, dem Dibelius als „Alter Herr" angehörte, gelesen und begrüßt: „Man bekommt wieder Mut, an einen Aufstieg unseres Volkes zu glauben, und sieht den gottgewollten Weg: ,Die Kirche'" (AkBl. 1927, S.118).
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3.3.1 Staatsgrenzen sind nicht mehr Kirchengrenzen Das jahrhundertelang bestehende ekklesiologische Vakuum ist, wie wir gesehen haben, „mit einem Schlage", mit der Revolution vom 9. November 1918 aufgefüllt und ausgefüllt worden: die Kirche ist da, frei vom Staat und dem Staat gegenüber selbständig. Die Grenzen des vom Landesherrn beherrschten Staates sind infolgedessen auch nicht mehr notwendigerweise die Grenzen des evangelischen Kirchentums. Die These, nach der Dibelius seine Arbeit schon im PropagandaAusschuss ausgerichtet hatte, wird nun auch zum Grundpfeiler des „Jahrhunderts der Kirche": „Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen". Dieser Grundsatz ist der sinnfällige Ausdruck für die vollzogene Trennung der Kirche vom Staat und somit auch die sichtbare Manifestation des „Jahrhunderts der Kirche". Unter dieser Devise steht nach Dibelius alle Auslandsarbeit der Kirche als eine rein kirchliche und eben nicht als national oder gar nationalistisch zu verstehende Bemühung, insbesondere der Einsatz für die östlichen, an den neuen polnischen Staat abgetretenen Provinzen. Das Misstrauen des polnischen Staates, die evangelische Kirche wolle lediglich als verlängerter Arm des preußischen Staates das Deutschtum in Polen und die Verbindung zur Mutterkirche pflegen, meinte Dibelius mit der fundamentalen Behauptung entkräften zu können, dass die vom Staat getrennte evangelische Kirche nun nicht mehr im Namen und Auftrag des Staates, sondern nur noch aus eigenen und eigenständigen kirchlichen Motiven heraus handle. In seiner zweiten großen Rede vor der Generalsynode im Advent 1925 schärfte Dibelius als Berichterstatter des Ausschusses für kirchliche Ostfragen diesen Grundsatz besonders nachdrücklich ein: „Wir sind keine Landeskirche mehr. ...Kirchengrenzen sind unabhängig von den Staatsgrenzen! Das ist die Politik unserer gesamten Kirche seit 1918 gewesen"116; die Evang. Kirche der altpreußischen Union ist „keine Kirche politischer Konspirateure oder nationalistischer Intriganten"117. Im Rückblick auf seine Tätigkeit im Propaganda-Ausschuss empfahl sich Dibelius als Kenner der Materie: „Ich beobachte diese Dinge nun seit Jahren" 118 . Mit großer Genugtuung konnte er in diesem Bericht darauf verweisen, dass in Verhandlungen vom März 1922 eine Vereinbarung zwischen dem polnischen Staat, den betroffenen kirchlichen Stellen (GenSup. B U R S C H E und BLAU) und dem Berliner E O K getroffen worden sei. Demnach hatte der polnische Staat die Pflichten der Kirchenhoheit übernommen und die unierte Kirche Generalsynode 1925, S.511. EBD., S.514. Nationalistische Machenschaften machte Dibelius gerade deshalb seinem „Erzfeind", dem Warschauer G e n S u p . BURSCHE, wegen dessen kirchlicher Polonisierungsversuche z u m V o r w u r f (vgl. Jahrhundert der Kirche, S.95). „Daß in jeder N a t i o n die Kirche treu zu ihrem V o l k s t u m steht, ist für die evangelische Kirche Deutschlands eine Selbstverständlichkeit. N u r darf sie erwarten, daß auch in anderen Nationen die Kirche sich frei hält von nationalistischer Engherzigkeit u n d Gehässigkeit" (Jahrhundert der Kirche, S.233). Nationalistische Isolierung u n d Unduldsamkeit hielt Dibelius auch der Warschauer theologischen Fakultät vor (vgl. Theologie und Nationalismus, in: D A Z v. 5.9.1926, S . l f . und den anschließenden Briefwechsel mit Prof. E d m u n d BURSCHE, dem Bruder des Warschauer Generalsuperintendenten in: C h W 40, 1926, Sp.1131-1136 u n d Sp.1177-1180). 1 1 8 Generalsynode 1925, S.521. 116
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sen, dass in Verhandlungen v o m März 1922 eine Vereinbarung zwischen dem polnischen Staat, den betroffenen kirchlichen Stellen (GenSup. BURSCHE und BLAU) und dem Berliner E O K getroffen worden sei. Demnach hatte der polnische Staat die Pflichten der Kirchenhoheit übernommen und die unierte Kirche von Pommerellen als ein selbständiges Kirchenwesen mit innerkirchlicher Verbindung zur Mutterkirche anerkannt; zudem hatte die Kirche in Posen seitdem das Recht, Vertreter zur altpreußischen Generalsynode zu entsenden und die Muttersprache im Gottesdienst zu gebrauchen. Auch hier, so belehrte Dibelius die Synodalen, habe sich sichtbar die „Tatsache" der Trennung von Kirche und Staat bewährt, aus der sich dann „mit einem Schlage de(r) Grundsatz zu umfassender Bedeutung erhoben" 1 1 9 habe: „Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen!" 1 2 0 Es ist nicht verwunderlich, dass Dibelius diesen für ihn so wichtigen, fundamentalen Grundsatz auch in das „Jahrhundert der Kirche" miteinbezog. Die geschichtliche Zäsur von 1918 machte sich kirchlich also folgendermaßen bemerkbar: „Ist's aber nicht mehr der Staat, der die Kirche zur Kirche macht, so ist auch keine Kirche an staatliche Grenzen gebunden. Es ist ein Erbteil der Geschichte, daß in Deutschland bis 1918 Staatsgrenzen und Kirchengrenzen im Wesentlichen zusammengefallen sind" 1 2 1 . Jetzt aber ist die Kirche frei von staatlichen Rücksichten und kann sich nun aus gutem, nämlich aus eigenem (und nicht mehr aus staatlich abgeleitetem) Recht auf das Volksganze und die ganze Nation beziehen, auch wenn Teile des Volkes durch staatliche Grenzen abgetrennt sind. Dabei lehnt es Dibelius kategorisch ab, mit den grenzenübergreifenden Aufgaben und Verantwortungen der Kirche „irgendwelche nationale und politische Absichten" 1 2 2 zu verknüpfen. Nachdem auch in Deutschland die Kirche zur Kirche geworden ist, sprengt sie nun nicht nur staatliche, sondern auch nationale Grenzen und vereinigt sich mit der in vielen Ländern schon längst im Steigen begriffenen „Welle der Kirche", die die „nationale Welle" 1 2 3 des 19. Jahrhunderts abgelöst hat und in die Weite der kirchlichen Ö k u m e n e ausmündet. „Ein Landeskirchentum, wie es vierhundert Jahre hindurch in Deutschland bestanden hat, ist mit seiner Verantwortung da am Ende, wo die Grenzpfähle stehen. Eine wirkliche Kirche fühlt sich ausschließlich unter die Königsherrschaft dessen gestellt, vor dessen Angesicht nicht Grieche und Jude, nicht Europäer und Amerikaner, nicht weiße und schwarze und gelbe Rasse ist, sondern eine Menschheit, die untereinander zu Schwestern und Brüdern gerufen ist." 1 2 4 Die Kirche ist v o m Staat frei und unab-
EBD., S.511. 120 Vgl. dazu auch Dibelius' ausführliche, im Rahmen seiner Tätigkeit im Propaganda-Ausschuss verfasste Schrift von 1921 Staatsgrenzen und Kirchengrenzen' und seinen Artikel „Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen!" (EvDt 1, 1924, S.32f.). 1 2 1 Jahrhundert der Kirche, S.98. 1 2 2 EBD., S.140. 1 2 3 EBD., S.137ff. Dibelius meint damit, dass das Jahrhundert der Nationalstaaten und des Nationalismus vom Jahrhundert der Kirche" schon abgelöst sei. 1 2 4 EBD., S.254. 119
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hängig, frei von politischen Bindungen, frei von menschlich-gesellschaftlichen Strukturen, Urteilen und Voreingenommenheiten, frei auch von (national-)staatlichen Grenzen 125 . Die geschichtliche und kirchlich wirksame Zäsur von 1918 ist für Dibelius, für sein Denken und Handeln, so einschneidend und schlechthin umwälzend, dass er sich in seinem historischen Schematismus dazu versteigt, die ganze Zeit von „ C H L O D W I G bis 1918"126 als die Epoche des Mittelalters und der staatsgebundenen Kirche zu bezeichnen; dieser Epoche folgt nun das „Jahrhundert der Kirche", die Befreiung der Kirche von staatlichen Fesseln nach innen und von staatlichen Grenzen nach außen, die Befreiung des Volkes zu kirchlichem Bewusstsein, die Befreiung der Menschheit zu ökumenischer Weite und zur grenzenüberschreitenden Zusammengehörigkeit. Nach dem verlorenen Krieg, nach der erlittenen „Schmach des Jahrhunderts" 127 bietet Dibelius den Menschen einen Sinn, ein Ziel, eine heilvolle Perspektive an im bewussten Gegensatz zu der Unheilsprophetie vom „Untergang des Abendlandes" (Oswald S P E N G L E R ) 1 2 8 : Das „Jahrhundert der Kirche" bricht an und bricht sich Bahn! 3.3.2 Das bischöfliche Amt der Kirche Die Kirche ist Tatsache geworden, die Kirche ist da. Auch dieses ekklesiologischfundamentale Faktum manifestiert sich in einer sichtbaren Konkretion: im bischöflichen Amt der Kirche. Die Kirche, die ihren Grund und ihre Autorität allein in der von Menschen verkündigten göttlichen Offenbarung hat, bleibt frei, selbständig und von anderen Mächten unabhängig. Diese Unabhängigkeit und Selbständigkeit zeigt sich im bischöflichen Amt; es fasst in religiöser Hinsicht Bekenntnis und Tradition zusammen und stellt repräsentativ die Gesamtheit der Christenheit dar und bildet so die in sich selbständige Form religiösen Lebens personhaft und menschlich ab. Deshalb konnte Dibelius dekretieren: „Kirche kann nicht sein ohne das bischöfliche Amt", und „wo Kirche ist, da ist das Bi-
1 2 5 Dass eine solche grundsätzliche Behauptung eher die der Kirche immer noch faktisch anhaftenden Bindungen verdeckt und ins Reich des Unbewussten und des Irrationalen verdrängt, darauf macht K. FISCHER warnend aufmerksam: „Wir sind die alten politischen Bindungen noch nicht damit los, daß wir vom Staate frei sind und kirchliche Grenzen hier und da nicht mehr mit den politischen zusammenfallen. Wir haben auch die sozialen Bindungen noch nicht damit abgeworfen, daß wir uns parteipolitisch für neutral erklären und den Arbeitern die Türen in die kirchlichen Behörden öffnen wollen. Es wäre besser, erst einmal bußfertig zu bedenken, wie weit wir auch heute noch an die Mächte der Welt gebunden sind" (Die Rechtfertigung der Kirche, in: Neues Sächsisches Kirchenblatt 24, 1927, Sp.320f.). 1 2 6 Nachspiel, S.15. - Der Frankenkönig CHLODWIG soll nach der Überlieferung von GREGOR von Tours im Jahr 496 zum christlichen Glauben konvertiert und in Reims getauft worden sein (vgl. M. FISCHER, Clovis, 1996, S.29). 1 2 7 Jahrhundert der Kirche, S.123. 1 2 8 EBD., S.257; Nachspiel, S.17.
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schofsamt" 129 . Bei diesen Sätzen konnte Dibelius sich durchaus auch der ökumenischen Unterstützung von N. SÖDERBLOM130 sicher sein. Während die Kirche, wie es Dibelius immer wieder betont, nicht Selbstzweck sein kann, weder auf sich selber beruht noch in sich selber ruht und auch als weltlich-empirische Größe keine Unmittelbarkeit von Gott her und zu Gott hin beansprucht, ist der Kirche das bischöfliche Amt als eine in sich ruhende Institution an die Seite gegeben. Die Kirche braucht dieses „Amt an der Gemeinde, das mit einer Autorität, die sich von Gott her schreibt, das Heilige verwaltet, ein Amt, das von der Kirche kraft ihrer überlieferten Maßstäbe kontrolliert wird, das aber auch seinerseits das Leben der Kirche kontrolliert und leitet."131 Vorrang hat das bischöfliche Amt vor der Kirche; es repräsentiert diejenigen, denen es dient. Das „bischöfliche Amt ist das Amt der Kirche, das ganz in sich selbst ruht, das grundsätzlich keinem Einfluß von außen her unterworfen sein soll, das kraft seiner religiösen Autorität die Güter und Gaben, die der Kirche vertraut sind, rein und unverletzt zu erhalten hat." Um auch hier einem katholisierenden Missverständnis vorzubeugen, versucht Dibelius, Amt und Person strikt zu trennen. Nicht der Träger des Amtes macht das Amt aus - etwa kraft eines ihm verliehenen „character indelebilis"; denn der „Bischof hat keine höhere Weihe als der Pfarrer" 132 . Vielmehr hat das Amt selbst alles Gewicht, das Amt ist unabhängig nach innen und außen und ebenso auch unantastbar von innen und von außen her, gleichsam ein „munus indelebile". In der evangelischen Kirche, so verdeutlicht es Dibelius, kann es keine geistlichhierarchische Stufenleiter geben, denn die evangelische Kirche kennt nur ein Amt, und es gibt nur einen Dienst am Evangelium133 - also das ministerium verbi divini. Im bischöflichen Amt ist sogar das Priestertum aller Gläubigen zu1 2 9 Jahrhundert der Kirche, S.93, 96. Die Umkehrung dieses Satzes erinnert an die aus frühkatholischer Zeit stammende und dem IGNATIUS von Antiochien zugeschriebene Formel: „ubi episcopus - ibi ecclesia". 130 N o c h v o r Abfassung des Jahrhunderts der Kirche' sprach SÖDERBLOM gegenüber Dibelius die Bischofsfrage an und setzte gerade hier große Hoffnungen auf den jungen deutschen Kollegen: „Ganz nebenbei erfahre ich in der gewaltigen, bald unübersehbaren Literatur, die über die Weltkonferenz erschienen ist, ...daß auch der biblische Bischofsname bei vielen Teilnehmern aus der Alten und der Neuen Weh neue Gedanken ausgelöst hat. ...Mich interessiert in dieser Hinsicht am meisten die Prägung einer echt evangelischen Idee des Bischofs, in welcher jeder Beigeschmack von hierarchischen Ansprüchen und Fa^onen restlos getilgt ist. Wann werde ich Gelegenheit haben, mit Ihnen über wichtige gemeinsame Angelegenheiten ruhig zu reden? Sie sind jung. Ich denke mit Freude daran, daß Gott Ihnen in seiner Gemeinde in der vollen jungen Manneskraft eine hochbedeutsam leitende dienende Stellung anvertraut hat. Gott segne Sie!" (SÖDERBLOM an Dibelius v. 16.2.1926 [Schreibweise vorsichtig angepasst], in: U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). 1 3 1 Jahrhundert der Kirche, S.92f. Man beachte die Ungleichgewichtigkeit in der Formulierung: die Kirche kontrolliert das bischöfliche Amt, während das bischöfliche Amt seinerseits die Kirche kontrolliert „und leitet"! Damit bekommt das bischöfliche Amt, zwar kontrolliert von der Kirche, ein Ubergewicht gegenüber der Kirche und Priorität vor der (Amts-)Kirche. 1 3 2 EBD., S.93. 1 3 3 Vgl. Nachspiel, S.80, 82.
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sammengefasst und repräsentiert134, denn es bildet lediglich die Einheit innerhalb der vielfältigen Gesamtheit der Gläubigen ab. So wie jeder Gläubige unmittelbar Gott und seinem Gewissen verantwortlich ist, so ist dieser Anspruch - nicht stellvertretend, sondern abbildhaft vermittelnd - im bischöflichen Amt der Kirche sichtbar und auch verfassungsmäßig festgeschrieben: Das bischöfliche Amt der Kirche ist nach außen hin geistlich unabhängig und in seiner geistlichen Leitung nach innen hin kirchlich selbständig135. Für Dibelius geht es bei der „Bischofsfrage" nicht darum, ob die Kirche einen Bischof haben soll oder nicht, sondern um die Erkenntnis, dass mit der gegenüber dem Staat unabhängig und selbständig gewordenen Kirche136 auch dieses bischöfliche Amt als Darstellung der Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Kirche faktisch schon da ist - unabhängig davon, ob man dem höchsten geistlichen Würdenträger der Kirchenprovinz oder der Landeskirche den Bischofs-Titel zuerkennt oder nicht. Er ist allein um die sachgerechte Wiedergabe der geschichtlich gewordenen Tatsache bemüht, dass nun ein unabhängiger Bischof und nicht mehr ein weisungsgebundener Beamter an der Spitze der Kirche steht137. Das bischöfliche Amt der Kirche umfasst und repräsentiert die regionale oder landeskirchliche Gemeinschaft der Gläubigen, aber es ist zugleich auch immer auf die noch größere Gesamtheit der Weltchristenheit bezogen. Es ist deshalb zugleich Ausdruck für die von uns an erster Stelle genannte Manifestation der neu gewordenen Kirche: Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen. Und deshalb gilt nun in der neuen Zeit in noch weitreichenderem Sinn als bisher: „Das bischöfliche Amt ist ein ökumenisches Amt." 138 Festzuhalten ist, dass für Dibelius mit der vollzogenen Trennung von Kirche und Staat folgerichtig und notwendigerweise auch das bischöfliche Amt der Kirche gegeben ist: Die Kirche hat mit diesem Amt sichtbar für alle, für die Gläubigen und für die Ungläubigen, eine geistlich unabhängige und nicht mehr eine Vgl. EBD., S.81ff. Vgl. EBD., S.84. 1 3 6 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.239f. 137 YGI EBD.: „Die königliche Freiheit, die der Pastor als gewissenhafter Seelsorger hat, rauß auch er (sc. der Bischof) haben in seinem geistlichen Beruf. Das ist der springende Punkt. Wer den Bischof zum Beamten machen will, wird das nicht zugestehen wollen. Die Sehnsucht der Zeit aber, wie sie bei den Beratungen der Kirchenverfassung oft ergreifend zum Ausdruck kam, ging auf den geistlichen Amtsträger." - In der „Idee des Bischofs", d.h. in der Unterscheidung von Bischofs-Amt und Bischofs-TIW wusste sich Dibelius ganz einig mit Erzbischof SÖDERBLOM, der auf diesen gern „den Namen Erzbischof brauchen" wollte (SÖDERBLOM an Dibelius v. 16.2.1926, in: U B UPPSALA, Briefsammlung Söderblom). - Als einen letztlich gescheiterten Versuch einer möglichen Verbindung zwischen „christlichem Staat" und „bischöflicher Kirche" im 19. Jahrhundert beurteilte Dibelius das Zusammenwirken von Friedrich Julius STAHL und dem Laientheologen auf dem preußischen Königsthron, FRIEDRICH WILHELM IV.: „Aus dem christlichen Staat' hätte eine in sich selbständige Kirche hervorgehen können, die den Staat von seiner falsch verstandenen ,Christlichkeit' hätte entlasten können und ihn dann mit echten sittlichen Kräften hätte durchdringen können." (vgl. Friedrich Wilhelm IV., in: Furche 22, 1936, S.48). Zur Kirchenpolitik von FRIEDRICH WILHELM IV. vgl. auch: J. MEHLHAUSEN, Friedrich Wilhelm IV, 1982, S.185-214 und W. BUSSMANN, Preußen, 1990, S.119-139). 134 135
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Jahrhundert der Kirche, S.94; vgl. Nachspiel, S.83.
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staatlich gebundene Führung. Es gibt keinen staatlichen Summepiskopat mehr, die Kirche hat nun ihre Leitung in die eigene Hand genommen: „Das Amt ist da." Dies ist fundamental und faktisch so gegeben, und hat im Grunde mit der innerkirchlichen Debatte über die „Bischofsfrage" nur in zweiter Linie zu tun: „Das Amt ist da. Es wird nur nachträglich noch um den Namen gestritten, über den bei der Feststellung der Verfassung Ubereinstimmung nicht hatte erzielt werden können." 139 3.3.3 Der Weltwille Gottes Dem Verkündigungsdienst der Kirche und dem einen Amt der Kirche entspricht auch ihr Anspruch, „Salz der Erde" und „Licht der Welt" zu sein. Nach der vollzogenen Trennung von Kirche und Staat gibt es seitens der Kirche grundsätzlich keine Vereinnahmungsängste der Kirche mehr, die sie in die Defensive drängen könnte. Aber es gibt auch keine Berührungsängste gegenüber all den Lebensbereichen und Lebensvollzügen, die außerhalb ihrer selbst liegen; deshalb kann und wird sie ihre Aufgaben an der Welt offensiv angehen. Der grundsätzliche ekklesiologische Vorbehalt schützt die Kirche in ihrer Unabhängigkeit und setzt der wachsenden Omnipotenz des Staates Grenzen; Protest wird zum Signum einer protestantischen Kirche, und Kampf ist der Ausdruck einer siegesbewussten Kirche 140 . Protest und Kampf: was in der Vergangenheit Sache von einzelnen unerschrockenen und glaubensstarken Männern und Frauen der Kirche war, das ist jetzt der Kirche als ganzer und als solcher aufgetragen. „Hinein in die Bibel!" das war die Arbeitslosung, die der kurmärkische Generalsuperintendent auf dem Potsdamer Kirchentag von 1926 ausgegeben hatte. Ein Jahr später lautete die Parole: „Ins öffentliche Leben hinein!" Für Dibelius sind das nicht zwei verschiedene Bereiche, keine verschiedenen, gar gegensätzlichen Richtungsangaben, nicht getrennte Arbeitszweige oder Arbeitsweisen der Kirche; vielmehr gehört das eine zum andern, und das eine ist die Bedingung des anderen. Nicht mit den Mitteln der Macht, womit der Staat seinen Einfluss geltend macht, nicht mit den Mitteln, deren sich die Parteien bedienen, wird die Kirche ins öffentliche Leben hineingehen; sie bringt sich zur Geltung, indem sie sich zu Wort meldet, d.h. indem sie mit ihren ureigensten Mitteln des Wortes („non vi, sed verbo") ihren Dienst als „Macht der Versöhnung" 141 in die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung einbringt. Nachspiel, S.72. „Siegesbewußtsein hat suggestive Kraft", weiß Dibelius neid- und respektvoll im Blick auf die Offentlichkeitswirkung der katholischen Kirche zu sagen (Jahrhundert der Kirche, S.147). 1 4 1 Vgl. EBD., S.241ff. Wie die Kirche diese „Macht der Versöhnung" als einen Dienst der Versöhnung wahrnehmen kann, hat Dibelius am Beispiel des englischen Bergarbeiterstreiks dargestellt. Die englischen Bischöfe hatten zunächst durch ihre Vermittlung zwischen Regierung und Arbeiterführern einen Generalstreik verhindert und dann, allerdings erfolglos, ihre Vermittlerdienste im Bergarbeiterstreik angeboten. Die Kirche dürfe die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Welt nicht ihrer „Eigengesetzlichkeit" überlassen (vgl. Die englischen Bischöfe und der Bergarbeiterstreik, in: Der Tag v. 1.9.1926). - Später, in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, war Dibelius von dem Gedanken beseelt, die evangelische Kirche könnte als Macht der Versöhnung eine 139
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
gelischen Kirche nicht immer unumstritten und die auch bei Dibelius anfänglich nicht ganz entschieden war. Immer wieder tauchte das Argument auf, dass man der katholischen Zentrumspartei eine evangelische Partei, ein evangelisches Zentrum, entgegensetzen müsse. Die Bildung des Evangelischen Reichsausschusses innerhalb der D N V P durch Dibelius und M U M M sollte dafür ein gewisser Ausgleich sein. Der spätere Versuch durch M U M M , den CSV auf Reichsebene von einer Gesinnungsgemeinschaft zu einer protestantischen Partei zu machen, ist im Grunde gescheitert143. Einen anderen Versuch in dieser Richtung unternahm der zeitweilige Vorsitzende des Evang. Bundes (1923-1927), Hofprediger Bruno D O E H R I N G . Mit der Gründung einer „Deutschen Reformationspartei" (1927/28)144 strebte er an, in das Parteienspektrum ein protestantisches Pendant zum katholischen Zentrum und ein evangelisches Gegengewicht zu den sozialistischen Linksparteien einzubringen. Unter den Leitfiguren von L U T H E R und B I S M A R C K suchte er die geistige und politische Vormachtstellung des Protestantismus in Preußen und im Reich zu erreichen und zu einem vorrevolutionären, restaurativen christlich-protestantischen Staat145 zurückzukehren. Dieser illusorische Versuch war zum Scheitern verurteilt, weil er vom Mehrheits-Protestantismus in Deutschland, den auch Dibelius146 repräsentierte, wegen der absehbar schlechten Erfolgsaussichten gar nicht gewollt war. Statt eines evangelischen Partei-Programms forderte Dibelius die Verwirklichung eines eigenen „Kulturprogramms" der Kirche; denn der Staat, der nur die Macht kennt, kann der „Entseelung des Gesamtlebens" nichts entgegensetzen. Allein die Kirche kann - in Schaffung und Wahrung einer eigenen Kulturautonomie 147 - ihren spezifischen Beitrag zur „Versittlichung des Volkes" leisten, wie es schon Adolf S T O E C K E R , der „Hofprediger aller Deutschen" 148 , vertreten hatte. 143
Vgl. R. MUMM, Gedanke, 1933, S.140ff.; G. OPITZ, Volksdienst, 1969, S.135ff. Vgl. dazu K. NOWAK, Kirche, 1981, S.153-157. 145 In der heiklen Frage des Abschlusses eines Konkordats und eines Kirchenvertrags in Preußen kam es zwischen DOEHRING und Dibelius zu einer öffentlichen Kontroverse. So belehrte Dibelius seinen Kontrahenten: „Es ist die Aufgabe unserer Generation, mit klarem Blick der Tatsache ins Auge zu sehen, daß für den deutschen Protestantismus, was sein Verhältnis zum Staat betrifft, eine 400-jährige Geschichte zu Ende gegangen ist. Gott hat uns die Aufgabe auf die Schultern gelegt, neue Verhältnisse zu gestalten, damit aus dem Geist der Heiligen Schrift heraus, wie ihn uns Martin LUTHER verstehen gelehrt hat, auf deutschem Boden eine freie, in Gottes Wort gegründete, in kraftvoller Liebesarbeit sich bewährende und das deutsche Volk geistig führende evangelische Kirche werde!" (Der Lutherring, 1928, S.317) - Dibelius plädierte für den gleichzeitigen und gleichberechtigten Abschluss eines katholischen Konkordats und eines evangelischen Staatsvertrags (vgl. SoSp. v. 7. u. 14.10.1928). Daraufhin reichte DOEHRING eine Anfrage beim EOK ein, wies ein solches Vorgehen als einen „Kuhhandel" zurück und forderte zu einem entschlossenen und einseitigen Vorgehen der evangelischen Kirche in der Frage des Kirchenvertrags auf (vgl. die Dokumentation der Kontroverse in: DAZ v. 6.11.1928). 146 „Wir wollen keine eigene politische Partei auftun. Wir wollen nur evangelische Christen in den maßgebenden Stellungen haben!" (RdBr. v. 16.9.1927; vgl. auch SoSp. v. 22.1.1928). 147 Vgl. dazu unten S.275f. 148 Adolf STOECKER, der kaiserliche Hofprediger und Begründer der Berliner Stadtmission, war der „Volkstribun" gegen alle Entkirchlichung, Entchristlichung und Entsittlichung („das sind 144
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S t a t t eines e v a n g e l i s c h e n P a r t e i - P r o g r a m m s f o r d e r t e D i b e l i u s die V e r w i r k l i c h u n g eines eigenen „ K u l t u r p r o g r a m m s " der K i r c h e ; denn der Staat, der n u r die M a c h t k e n n t , k a n n d e r „ E n t s e e l u n g des G e s a m t l e b e n s " n i c h t s
entgegensetzen.
A l l e i n d i e K i r c h e k a n n - in S c h a f f u n g u n d W a h r u n g e i n e r e i g e n e n K u l t u r a u t o n o m i e 1 4 7 - i h r e n s p e z i f i s c h e n B e i t r a g z u r „ V e r s i t t l i c h u n g des V o l k e s " leisten, w i e es s c h o n A d o l f S T O E C K E R , d e r „ H o f p r e d i g e r aller D e u t s c h e n " 1 4 8 , v e r t r e t e n h a t t e . E i n s o l c h e s K u l t u r p r o g r a m m ist f ü r D i b e l i u s d u r c h die g r u n d s t ü r z e n d e n E r e i g nisse v o n 1 9 1 8 , d u r c h d i e a u c h Staat u n d G e s e l l s c h a f t in D e u t s c h l a n d v e r ä n d e r t w o r d e n sind, z u r f u n d a m e n t a l e n N o t w e n d i g k e i t f ü r die K i r c h e 1 4 9 g e w o r d e n . D a s K u l t u r p r o g r a m m der K i r c h e aber hat seinen G r u n d in d e m
Weltwillen
G o t t e s : „ D i e C h r i s t e n h e i t m u ß z e i g e n , d a ß es e i n e n W e l t w i l l e n G o t t e s g i b t ! " 1 5 0 D a s S e l b s t - B e w u s s t s e i n d e r K i r c h e ist z u g l e i c h i h r S e n d u n g s b e w u s s t s e i n . A u s d e r G a b e ihres G e w o r d e n s e i n s u n d Daseins ergibt sich auch ihre A u f g a b e 1 5 1 .
Die
K i r c h e h a t e i n e ö f f e n t l i c h e M i s s i o n , in d e r i h r O f f e n t l i c h k e i t s w i l l e d e m O f f e n t l i c h k e i t s a n s p r u c h z u e n t s p r e c h e n h a t ; als e i g e n s t ä n d i g e u n d „in s i c h s e l b s t ä n d i g e L e b e n s f o r m " 1 5 2 h a t sie i h r e n u r e i g e n s t e n B e i t r a g z u r L e b e n s g e s t a l t u n g in allen B e r e i c h e n des m e n s c h l i c h e n u n d g e s e l l s c h a f t l i c h e n L e b e n s z u leisten. D i e K i r c h e d a r f das ö f f e n t l i c h e u n d k u l t u r e l l e L e b e n n i c h t s e i n e r „ E i g e n g e s e t z l i c h k e i t " ü b e r lassen, sie m u s s es c h r i s t l i c h „ d u r c h d r i n g e n " .
Vgl. dazu unten S.275f. Adolf STOECKER, der kaiserliche Hofprediger und Begründer der Berliner Stadtmission, war der „Volkstribun" gegen alle Entkirchlichung, Entchristlichung und Entsittlichung („das sind drei Stufen, die unfehlbar aufeinander folgen", vgl. T h . WURM, Kampf, 1952, Titelblatt). Die direkten und indirekten Einflüsse von STOECKER auf Dibelius sind ganz unverkennbar und weit höher einzuschätzen als der Einfluss des wissenschaftlichen Lehrers Adolf v. HARNACK auf Dibelius (vgl. dazu Dibelius' Bericht von seiner ersten Begegnung mit STOECKER, z.B. in seiner Predigt über Mt 20,1-19: „Ausgerichtet auf Christus allein!", 1937; vgl. Christ, 1961, S.33f.; vgl. So habe ich's erlebt, 1980, S.318). - Zur Wirkungsgeschichte von STOECKER vgl. besonders: M. GRESCHAT, Stoecker, 1982., S.77 u. 80f., DERS., Adolf Stoecker, 1985, S.261ff.; G. BRAKELMANN, Vorläufer (EK 17, 1984, S.61f.) und M. GRESCHAT, Stadtmission, 1990, S.451-474 - Ein vorzügliches Porträt von STOECKER gibt K. KUPISCH (K. KUPISCH, Stoecker, 1970, und DERS., Speerspitze, 1977, S.51-54). 149 Vgl. z.B.: „Seit die Trennung von Staat und Kirche grundsätzlich erfolgt ist, ist überall da, wo es sich um sittliche Aufgaben handelt, die Sphäre kirchlicher Verantwortung. Denn vom Standpunkt religiöser Neutralität, wie ihn der Staat heute einnimmt, kann man eine Antwort auf sittliche Fragen nicht geben." (SoSp. v. 18.11.1928) - Die Kirche, die „über den Parteien" steht, ist nach Dibelius gerade in allen „sittlichen" Aufgaben zur politischen Einmischung verpflichtet. Im theologisch-ethischen Wächteramt hat sie ihr politisches Mandat. 1 5 0 Jahrhundert der Kirche, S.225. 1 5 1 In diesem Sinn interpretiert auch H . G . HAACK (Kirche, 1929, S.14f.) - im Anschluss an E. STANGE (Kirche, 1927) und P. ALTHAUS (Erlebnis, 1919, 2 1924) - die der Kirche geschichtlich zugewachsenen Aufgaben. - Verwunderlich ist, dass Dibelius das Kulturprogramm der Kirche nicht eingehend am Schulproblem erläutert und exemplifiziert hatte (vgl. auch die Rezension in: Neue Bahnen 39/40, 1928, S.393), was angesichts der Bedeutung der Schulfrage für Dibelius schon in seiner Zeit als Geschäftsführer des Werbeausschusses und des Religionspädagogischen Instituts naheliegend gewesen wäre. Dies lässt sich nur so erklären, dass Dibelius mit dem J a h r hundert der Kirche' (parteipolitische) Konfrontationen vermeiden wollte und dass das Buch auf größtmöglichen Konsens auf breiter Ebene angelegt war. 1 5 2 Jahrhundert der Kirche, S.87. 147 148
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„Gott will", und „wir müssen!" 153 , so lautet die Botschaft. Aber: „Nicht Siege der Kirche sollen erkämpft werden, sondern Siege Jesu Christi! Nicht um Verkirchlichung der Kultur, sondern nur um Durchchristlichung kann es sich handeln. Nicht kirchliches Selbstbewußtsein soll erzogen werden, sondern der Wille zu demütigem Dienst mit dem Mittel der kirchlichen Organisation." 154 Sie steht zum Dienst bereit: Der Weltwille Gottes und das Kulturprogramm der Kirche entsprechen einander - das „Jahrhundert der Kirche" hat begonnen155. In der Tat wirkt all dies wie „eine merkwürdige Mischung aus modernen sozial-ethischen Ansätzen und konservativen Lösungen" 156 . Das Besondere aber an Dibelius' Entwurf ist die entschlossene Herausstellung eines alle Lebensbereiche umfassenden und durchdringenden Kirchen-Ideals, dem Theologie und Geschichte, Staat und Gesellschaft konsequent unterzuordnen sind. Diese umfassende und mit einer ungeheuren inneren Schubkraft vorgetragene, gleichermaßen suggestiv-anziehende wie auch suggestiv-abstoßende Proklamation des „Jahrhunderts der Kirche" konnte nicht unumstritten bleiben. Sieht man von der plausiblen Gesamtabsicht des Buches und von den in seinen Dimensionen und Manifestationen klar erkennbaren Umrissen seines originären Kirchenverständnisses ab, wird man dennoch in manchen Details dieser Konzeption auf Gegensätze und Widersprüche, Ungereimtheiten und Unklarheiten stoßen, die nicht unberechtigten Anlass zur Kritik geben. Obwohl Dibelius sicher sein konnte, dass seine Schrift vom Jahrhundert der Kirche' seitens der Kirche auf große Zustimmung treffen würde, hat er doch, gewollt oder ungewollt, auch den Widerspruch herausgefordert und sich zwischen kirchlich-konfessionelle und theologische „Fronten" begeben, die nun im Folgenden aufgezeigt werden sollen.
1 5 3 Dibelius redet v o m „heiligen Muß" der Kirche und ihren Aufgaben (vgl. Jahrhundert der Kirche, S.130 u. S.230). Das „δει" des Neuen Testaments bezieht sich christologisch auf den Weg Jesu zum Kreuz und auf die Erfüllung seiner göttlichen Sendung (vgl. Mt 16,21; 17,12; L k .24,26; J o h 3,30 - Lk 2,49; J o h 13,18). Dass sich bei Dibelius hier das göttliche Muss des Neuen Testaments auf die ethisch-politische Seite verlagert, darauf sei hier - bereits auch im Vorgriff auf die Auseinandersetzung mit BARTH - wenigstens aufmerksam gemacht. 1 5 4 Jahrhundert der Kirche, S.130f. 1 5 5 In diesem Sinn ist der Autor des Jahrhunderts der Kirche' ein Vertreter und Verfechter des „Kultur-Protestantismus" in der Weise, dass der Protestantismus eine ekklesionome GegenKultur zu der Kultur des wertfreien (und deshalb des - in den Augen von Dibelius - wertlosen) Staates darzustellen und anzubieten hat. Vgl. dazu auch die differenzierte Geschichte und Definition dieses Begriffs, in der allerdings die besondere Bedeutung eines Kultur-Protestantismus bei Dibelius kaum unterzubringen ist: Fr. W. GRAF, Kulturprotestantismus, 1986, S.309-312. 1 5 6 K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.44.
Das Jahrhundert der Kirche' zwischen Kritik und Zustimmung
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4. Das Jahrhundert der Kirche'zwischen Kritik und Zustimmung Das Buch vom „Jahrhundert der Kirche" hat große Aufmerksamkeit und ein vielstimmiges Echo 1 gefunden. Die wesentlichen kritischen und zustimmenden Stellungnahmen, die unter sich wieder sehr verschieden ausfallen, sollen hier in ihrem kirchlich-theologischen Zusammenhang und auf dem Hintergrund des zeitgeschichtlichen Kontextes dargestellt werden2. Das Buch bekommt von seiner unmittelbaren Wirkungsgeschichte her noch einmal ein neues Profil, das durch die damalige kirchliche Zeitlage und die theologische Gesprächssituation bestimmt ist. 4.1 Konfessionelle Kritik Dibelius bemühte sich in seinem Buch vom „Jahrhundert der Kirche" kaum um eine präzise begriffliche Sprache. Gewiss spricht Dibelius von der empirisch fassbaren evangelischen Kirche als einem Organismus und einer neuen „Lebensform", und sein Standort ist der der evangelischen Kirche der altpreußischen Union in ihrer geschichtlichen Bedingtheit. Noch heute mutet es modern an, wenn Dibelius nach der „Kirche im empirischen Sinn", nach der „Kirche überhaupt als soziologische(m) Gebilde"3 fragt. Insofern kann Dibelius auch ganz allgemein von der „christlichen Kirche" sprechen, von der „Existenz christlicher Gesittung überhaupt" 4 oder von der „Durchchristlichung"5 der Kultur. Dies musste natürlich die Kritiker auf den Plan rufen, die - gerade innerhalb der altpreußischen Union - streng auf die Wahrung und Profilierung der innerkonfessionellen Unterschiede und Besonderheiten achteten.
1 Ein Jahr nach der Herausgabe des Jahrhunderts der Kirche' lagen Dibelius bereits mehr als hundert Besprechungen seines Buches vor (vgl. Nachspiel, S.5). 2 Mit Recht weist M. GRESCHAT darauf hin, dass eine systematische Analyse dieser Stellungnahmen bisher noch nicht erfolgt ist (vgl. M. GRESCHAT, Neuanfang, 1986, S.353, Anm.29). ' Jahrhundert der Kirche, S.104. So kann Dibelius in seinem ekklesiologischen BegriffsMonismus das Judentum zur Zeit Jesu sogar als „die jüdische Kirche" (vgl. EBD., S. 105, 107) bezeichnen; Jesus habe „in den Reden über die Pharisäer und Schriftgelehrten gegen die Kirche seiner Zeit" gekämpft. Einerseits betont Dibelius: Das „Evangelium Jesu ist mehr als Kirche" (EBD., S.107), andererseits sagt er, Jesus habe sein Evangelium nicht „in einen luftleeren Raum hineingesprochen", denn das „Werk der Erlösung ist von dem Leben einer Kirche getragen gewesen. Und das Kreuz von Golgatha hat nie wo anders als in einer Kirche gestanden!" (EBD., S.105) Dass gegen diese Verwendung des Begriffes „Kirche" protestiert worden ist, berichtet Dibelius selber in seinem RdBr. v. 1.12.1931: „Als ich in meinem Jahrhundert der Kirche' die jüdische Religionsgemeinschaft zur Zeit Jesu als ,Kirche' bezeichnete, erhob sich lauter Widerspruch. Dies Wort dürfe nur von der Kirche Jesu Christi gebraucht und nur im vollen christlichen Begriff verstanden werden. Dabei hatte ich nur von der soziologischen Seite des Begriffs geredet - die es nämlich den Dogmatikern zum Trotz auch gibt!" 4 5
Vgl. z.B. Jahrhundert der Kirche, S.191 u. 247. EBD., S.131.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
4.1.1 Bedenken der Reformierten: die Bischofsfrage Die heftigste Kritik erfuhr das Jahrhundert der Kirche' aus dem Lager der Reformierten, deren Sprachrohr die von dem Elberfelder Pastor Hermann Albert H E S S E herausgegebene ,Reformierte Kirchenzeitung' war. Die Schärfe der Kritik erklärt sich nicht nur aus sachlichen Gründen; sie erklärt sich vielmehr aus der damals heftig umstrittenen „Bischofsfrage", die die kirchenpolitischen Gemüter erhitzte 6 . Schon in der verfassunggebenden Kirchenversammlung entbrannte die Auseinandersetzung über der Frage, ob man mit der neuen Verfassung nicht auch zugleich neue Amtsbezeichnungen für die Träger der höheren geistlichen Amter in der ApU einführen sollte. Besonders der Titel des .Generalsuperintendenten', dieses nur schwer verständliche und ebenso schwer aussprechbare achtsilbige Wort, sollte einer „kirchlicheren", „volkstümlicheren" und „unbürokratischeren" Bezeichnung weichen. Immerhin, so konnten die Bischofsfreunde damals auch argumentieren, ist nach dem Fortfall des landesherrlichen Kirchenregiments, in dem das Staatsoberhaupt auch die Stelle des summus episkopus einnahm, der Titel eines Bischofs vakant geworden. Die Konstituante entschied damals, die Lösung der Frage solle der ersten gewählten Generalsynode überlassen bleiben7, und stärkte in der neuen Verfassungsurkunde lediglich die Funktion des Generalsuperintendenten im Sinne eines geistlich-selbständigen Leitungsamtes. Bei der ersten Generalsynode neuer Ordnung kam es im Advent 1925 über dieser Frage beinahe zum „Bruch der preußischen Union" 8 , nachdem ein Vertagungsantrag bei Stimmengleichheit von 106 zu 106 Stimmen gescheitert war und dann das Kirchengesetz mit der Amtsbezeichnung „Bischof" in erster Lesung eine knappe Mehrheit bekam. Ein Vermittlungsantrag von Dr. P R E I S E R bestimmte schließlich, dass der Kirchensenat bis zur nächsten Generalsynode im Jahr 1927 ein Gutachten vorlegen bzw. einen Vorschlag für die Amtsbezeichnungen des Geistlichen Vizepräsidenten, der Generalsuperintendenten und der Superintendenten unterbreiten solle.
6 H. VORLÄNDER hat herausgestellt, dass in der beharrlichen Ablehnung des Bischofstitels durch die Reformierten „das Erwachen des reformierten Bewußtseins" nach 1918 in Deutschland begründet ist (vgl. H.VORLÄNDER, Aufbruch, 1974, S . l l ) . Freilich hat derselbe Pastor Albert HESSE, der einer der unnachgiebigsten Sprecher der „Bischofsgegner" gewesen war, seine „Zustimmung mit Vorbehalt" (EBD., S.72) gegeben, als das Dreimänner-Kollegium (KAPLER, MARAHRENS, HESSE) 1933 die Vorarbeit für die neue reichsbischöfliche Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche verabschiedet hatte. Zur Auseinandersetzung HESSEs mit Dibelius' Jahrhundert der Kirche' vgl. EBD., S.60f. 7 Es wurde in der Folge diskutiert, ob die Einführung des Bischofsnamens verfassungsändernden Charakter habe und also nur mit der Erschwerung einer 2/3-Mehrheit zu beschließen sei; Prof. A . DEISSMANN, „der Vater der Bischofsbewegung" (PrBl 60, 1927, Nr.21), hat bei dem früheren Präsidenten des EOK, R. MOELLER, darüber eine Erkundigung eingeholt. Mit dem Schreiben vom 7.3.1927 an DEISSMANN bestätigte MOELLER ausdrücklich, dass er damals „für ein durch einfache Mehrheit zu beschließendes Kirchengesetz eingetreten" sei (vgl. Der Tag v. 23.4.1927). 8 R K Z 76, 1926, S.2.
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In diese Zeit zwischen der ersten Tagung der Generalsynode 1925 und der zweiten Tagung im Jahr 1927 fiel nun die Veröffentlichung des Buches vom Jahrhundert der Kirche'. Die wenigen, aber gewichtigen Stellen des Buches, in denen das bischöfliche Amt konstitutiv zum Wesen und zur Gestalt der neu gewordenen Kirche gerechnet wird, wurden namentlich von den Bischofsgegnern als eine Art kirchenamtlicher Parteinahme in der synodalen Patt-Situation und als ein lehramtlicher Vorgriff auf die Entscheidung der April-Synode des Jahres 1927 gewertet. Umso heftiger und erregter war die Kritik von Seiten der .Reformierten Kirchenzeitung' (RKZ), die die Bischofsfrage zum „Schibboleth" 9 ihres Kirchenverständnisses erhoben hatte. Aufmerksam und pedantisch wurde schon im Jahr 1926 mancherlei „Entgleisung"10 von kirchlichen Berichterstattern notiert, wenn in kirchlichen Blättern von einem „feierlichen bischöflichen Segen" berichtet oder gar ein „Bischof" bzw. „Landesbischof" D. Z O E L L N E R oder auch der „Bischof der Kurmark Dr. Dibelius" erwähnt wurde11. Nicht erstaunlich ist es daher, wenn ,Das Jahrhundert der Kirche' vor allem unter dem innerkirchlichkontroversen Gesichtspunkt der Bischofsfrage gelesen, besprochen und kritisiert wurde. Schon im Rahmen der Buch-Rezension durch Pastor B O C K E M Ü H L in der Reformierten Kirchenzeitung' 12 kündigte der Herausgeber und Schriftleiter selber eine scharfe Attacke an: „Wir behalten uns vor, auf dieses Buch von D. Dibelius noch einmal zurückzukommen, unter dem besonderen Gesichtspunkt, daß es eigentlich den Titel tragen müsste: „Das Jahrhundert des Bischofs" 13 . Noch rechtzeitig vor dem Zusammentritt der Oster-Synode im April 1927 erschien HESSEs Besprechung „Noch einmal: ,Das Jahrhundert der Kirche' " u . Im Blick auf die Bischofsdebatte in der Generalsynode führte HESSE dieses Buch als Beweis dafür an, dass es den Bischofsfreunden keineswegs nur um den Namen, um einen Titel und um eine gefälligere Amtsbezeichnung, auch nicht nur um ein 9 RdBr. v. 14.5.1927; vgl. z.B. R K Z 76, 1926, S.2-6 (HESSE), S.36f. (HESSE), S.133 (HESSE), S.177f. (KOLFHAUS), S.316f. (KOLFHAUS), S.353f. (Dr. ROQUETTE: Der Bischof - das Ende unserer Kirchenverfassung), S.411f. (HESSE); 1927, S.3-5 (KOLFHAUS), S.51-53 (Dr. MARCKS), S.68 (Fr. EPPENDAHL). 10 Vgl. z.B. R K Z 76, 1926, 350. 11 Vgl. R K Z 76, 1926, S.316f.: „Wie die Episkopalisten arbeiten" (KOLFHAUS); A. DEISSMANN berichtete im Gegenzug von wilden Gerüchten, die vor allem im Westen hartnäckig kolportiert würden, wonach „zwei preußische Generalsuperintendenten sich von dem Erzbischof von Upsala heimlich zu Bischöfen (hätten) weihen lassen" (TR v. 20.3.1927). N o c h im Jahr 1931 wird der Missbrauch bischöflicher Terminologie in den kirchlichen Blättern kritisiert; da sei von einem Bischof HEILER, von „bischöflichem" Segen und einem „bischöflichen" Votum des Mecklenburgischen Landesbischofs RENDTORFF zum Thema „Kirche und Nationalismus" die Rede (vgl. R K Z 81, 1931, S.167 u. S.230; PrBl 64, 1931, Sp.379). 12 Vgl. R K Z 77, 1927, S.59-62. 13 Nachwort der Schriftleitung (RKZ 77, 1927, S.62). 14 R K Z 77, 1927, S. 105-108. Schon 1926 hatte sich HESSE ausführlich mit einer vertraulichen Denkschrift „Zur Frage nach dem Bischof innerhalb der evangelischen Kirche der altpreußischen U n i o n " geäußert (abgedruckt in: H . VORLÄNDER, Aufbruch, 1974, S.84-108).
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Zeichen, sondern um eine neue Sache gehe; sonst hätte Dibelius den Satz: „wo Kirche ist, da ist das Bischofsamt" ja nicht zur fundamentalen Voraussetzung und zu einem Wesensmerkmal der Kirche überhaupt erheben können. Neben der bloßen Behauptung, dass der Kirchenbegriff von Dibelius im schärfsten Gegensatz zum Neuen Testament 15 stehe, stellte Pastor HESSE in seiner Kritik besonders zwei Gravamina heraus: Einmal widerspreche das Eintreten für das Bischofsamt und die entsprechende Amtsbezeichnung dem grundlegenden Verfassungs-Artikel der Kirche, wonach sich die Kirche - von unten nach oben - auf der Gemeinde aufbaue (Art. 4 VU). „Melden sich etwa", so wendet HESSE misstrauisch ein, „mit derartigen Äußerungen grundstürzende Änderungen in unserem kirchlichen Verfassungsleben an, das noch kaum Gelegenheit gehabt hat, den Aufbau der Kirche aus der Gemeinde in die Wirklichkeit umzusetzen? Steckt hinter solchen Äußerungen vielleicht schon eine Kampfansage des hierarchischen Elementes in unserer Kirchenverfassung an das synodale Element?" Zum andern wirft HESSE Dibelius vor, er betreibe zu Gunsten „seiner Lieblingsidee des Bischofsamtes ...eine Vergewaltigung der Tatsachen" 16 , wenn er behaupte, „daß die Kirche C A L V E N s , soweit sie wirklich Kirche war, immer das bischöfliche Amt gehabt habe". Wohl wäre HESSE damit einverstanden, wenn jeder nichttheologische Gemeindeleiter und Älteste als Bischof und Episkopus, als Aufseher über das Leben der Gemeinde, bezeichnet würde: „besagt der Antrag der Bischofsfreunde in der Generalsynode eben das, daß unsere Ältesten auch im Sinne der apostolischen Gemeinden wieder den Namen Bischof bekommen sollen, d.h. den Namen der Aufseher über das Leben in Gemeinde und Kirche, so haben wir gar nichts dagegen einzuwenden, und der ganze Bischofskampf ist mit einem Schlage erledigt." Es lag in der Absicht dieser Buchbesprechung, die Bischofsfreunde dringend davon abzuhalten, ein Bischofsamt in der evangelischen Kirche einzuführen, das „über Reformierte und über Lutheraner gestellt wird" 17 . U m seiner Bitte Nachdruck zu verleihen, warnte HESSE vor einer drohenden Kirchenspaltung innerhalb der Union; denn „ein Bischofsantrag in der von D. Dibelius angegebenen Richtung (würde) in seinen Folgerungen zu einer Gefährdung der preußischen
R K Z 77, 1927, S.106; das folgende Zitat EBD. EBD., S.107; die folgenden Zitate EBD. 17 Bereits sechs Jahre später arbeiteten die Reformierten im „Drei-Männer-Kollegium" (KAPLER-Ausschuss) bei der Gestaltung einer Reichskirche mit, an deren Spitze ein Reichsbischof stehen sollte. Freilich geschah dies nicht ohne Vorbehalt; so hieß es in einer Erklärung der Reformierten zur Frage des Reichsbischofs: Es ist „für uns unmöglich, einen Bischof als Führer und Träger des geistlichen Lehramts anzuerkennen. Wir sind nicht in der Lage, dem Bischofsamt als solchem positiv zuzustimmen. Wir wollen aber um der Liebe willen und um die Einheit der Reichskirche nicht zu gefährden, uns darin nicht versagen, daß wir den Reichsbischof in seiner Eigenschaft als Vertreter der Kirche nach außen und als Leiter der Geschäfte des Geistlichen Ministeriums anerkennen" (vgl. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 22, Schriftstücke zur Kirchenentwicklung 1933. Zur Vorgeschichte [pag.47]). 15
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U n i o n f ü h r e n m ü s s e n " 1 8 . N o c h einmal e r h o b HESSE „in letzter S t u n d e " v o r der O s t e r - S y n o d e 1 9 2 7 b e s c h w ö r e n d seine S t i m m e , die E i n h e i t der K i r c h e n i c h t w e gen d e r Bischofsfrage aufs Spiel zu setzen, u n d r i c h t e t e „die ebenso h e r z l i c h e w i e d r i n g e n d e B i t t e an alle Bischofsfreunde, d e n e n es w i r k l i c h n u r u m den T i t e l u n d n i c h t u m ein neues B i s c h o f s a m t z u t u n ist, sie m ö c h t e n sich u m der Liebe w i l l e n " auf einer K o m p r o m i s s l i n i e „einigen" 1 9 u n d die A m t s b e z e i c h n u n g e n
.Generalsu-
p e r i n t e n d e n t ' u n d .Superintendent' d e m w ü r t t e m b e r g i s c h e n Beispiel folgend in ,Prälat' und ,Dekan' umbenennen. N a c h d e m n u n deutlich g e w o r d e n w a r , w e l c h e Sprengkraft der P r o k l a m a t i o n des bischöflichen A m t e s als einer „ n o t a ecclesiae" i n n e w o h n t , w e h r t e sich D i b e lius e n e r g i s c h gegen die V e r w e n d u n g seines B u c h e s innerhalb d e r aktuellen Bischofsdebatte 2 0 . U m k i r c h l i c h e n Schaden zu v e r m e i d e n , v e r s u c h t e er in seiner R e p l i k auf die A t t a c k e v o n HESSE die B e d e u t u n g der Bischofsfrage i m G e s a m t z u s a m m e n h a n g seines B u c h e s herunterzuspielen 2 1 m i t d e m H i n w e i s darauf, es gehe i h m bei alledem n u r u m eine „ v o l k s t ü m l i c h e r e " B e z e i c h n u n g 2 2 des A m t e s , dessen F a k t i z i t ä t ja i m n a c h r e v o l u t i o n ä r e n Verhältnis z w i s c h e n Staat u n d K i r c h e beg r ü n d e t sei 2 3 . G l e i c h w o h l r ü c k t e Dibelius v o n seiner Zielangabe n i c h t ab: „ D a ß R K Z 77, 1927, S.108. EBD., S.123. 20 Dibelius verwahrte sich gerade gegenüber den Bischofsfreunden gegen eine missbräuchliche Verwendung seiner Bischofs-Ausführungen. In einer nichtoffiziellen Umfrage unter Pfarrern wurden im Begleitschreiben Passagen aus dem Jahrhundert der Kirche' angeführt zum Beweis dafür, dass es sich auch bei Dibelius nicht bloß um eine Titeländerung handle, sein Vorschlag vielmehr das Wesen der Kirche berühre. Dibelius gab daraufhin seinem „ernsten Befremden" darüber Ausdruck, „daß hier mit ein paar aus dem Zusammenhang gerissenen Stellen meines Buches mir eine Ansicht unterschoben wird, die ich rundweg ablehnen muß". Er habe, so fährt er fort, „unter dem bischöflichen Amt etwas ganz Allgemeines verstanden, ein Amt der Leitung, wie es jede Kirche hat, ein geschichtlich gewordenes, innerlich selbständiges Amt, das jede Kirche von der Sekte und von staatlichen Verwaltungsorganisationen unterscheidet"; und im Blick auf die Vereinbarkeit seiner Bischofs-Ausführungen mit der neuen Kirchenverfassung betont Dibelius nachdrücklich, er habe „niemals, was den Inhalt des Amtes anlangt, etwas anderes gewünscht oder gefordert, was wir heute noch nicht hätten" (RBo. v. 10.4.1927; vgl. PrBl 60, 1927, Sp.243). 21 „Deckmantel der Harmlosigkeit"; vgl. den Artikel „Die Bischofsfrage" von dem zum kirchlich-liberalen Lager zählenden Justizrat HALLENSLEBEN (TR v. 20.3.1927). 22 So interpretierte K. BARTH später auch den Kampf um den Bischofstitel durchaus im Sinn von Dibelius: es habe sich dabei „nur um die Einführung einer im Verhältnis zu dem ungelenken Wort ,Generalsuperintendent' etwas würdigeren Benennung eines keineswegs theologisch, sondern eben nur technisch, mit dem Auftrag zu gewissen Aufsichtsfunktionen im größeren Kreis, unter den anderen hervorgehobenen gewöhnlichen evangelischen Predigers" gehandelt; damals also sei es nur „dieser harmlose Titularbischof" gewesen, um den gestritten worden sei (K. BARTH, Theologische Existenz heute! [1933], 1984, S.44f.). 23 Vgl. R K Z 77, 1927, S.122; Dibelius betonte bei der ganzen Auseinandersetzung, dass es ihm lediglich um das bischöfliche Amt mit seinem größeren Verantwortungsbereich als dem eines Gemeindepfarrers gehe; insofern könnten tatsächlich „Moderatoren und Präsiden von Synoden unter gewissen Voraussetzungen zu den Trägern des bischöflichen Amtes gerechnet" werden. - Der tiefste Grund für die Einführung des Bischofsnamens aber lag bei Dibelius darin, „daß ich das Amt des Generalsuperintendenten, wie es in den alten Zeiten war, nicht für ein Bischofsamt halten kann, weil es in Abhängigkeit vom Staate stand und weil es viel zu sehr Verwaltungsamt geworden war", und „daß ich im Unterschied davon das Amt des Generalsuperintendenten, wie es jetzt geworden ist, für ein wirkliches Bischofsamt halte." Hier gibt Dibelius die eigent18
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ich persönlich in dem unaussprechlichen und bürokratischen Wort Generalsuperintendent eine fast tägliche Erschwerung meines Amtes sehe und statt dessen den Namen Bischof wünsche - weil er volkstümlicher und in seiner geistlichen Bedeutung unmittelbar verständlich ist - das habe ich nie verhehlt." 24 Die innerkonfessionellen Fronten und Grenzen waren nun klar abgesteckt: Die Bischofsfreunde, die sich vor allem um Prof. DEISSMANN sammelten, versuchten, ihr Anliegen als eine bloße „Zweckmäßigkeitsfrage" vorzubringen, während die Bischofsgegner darin und dahinter eine kirchliche „Prinzipienfrage" von größter Tragweite witterten und daraus eine theologische Grundsatz- und Gewissensfrage machten 25 . Man fürchtete, dass das synodale Element in der Kirche wieder durch hierarchische Strukturen verdrängt werden könnte; man fürchtete die fortgesetzte Geringschätzung und festgeschriebene Entmündigung der Gemeinde 26 ; man fürchtete eine katholisierende „Veräußerlichung" des geistlichen Amtes 27 , und man fürchtete die kultische Irreführung der Gemeinde durch eine allzu große Nähe zu der in jener Zeit im Aufwind stehenden „Hochkirchlichen Bewegung" 28 . Auf der Generalsynode im April 1927 hatten sich die Generalsuperintendenten in der abschließenden Bischofsdebatte absprachegemäß größtmögliche Zu-
liebe, im Jahrhundert der Kirche' nur aus dem Zusammenhang erkennbare Erklärung für seine Forderung nach Einführung des Bischofsnamens, nachdem durch die Trennung von Kirche und Staat und die neue Verfassungsurkunde ein wirkliches A m t der geistlichen Leitung, das „bischöfliche A m t " , möglich geworden und dann auch geschaffen worden ist. Man muss also Dibelius' Voraussetzung verstanden haben, um auch seine Rede v o m „bischöflichen A m t " wenigstens verstehen zu können. - Nachdem auf der Oster-Synode von 1927 der Bischofstitel abgelehnt worden war, betonte Dibelius noch einmal nachdrücklich: „Von dem, worum es bei der sogenannten Bischofsfrage in der Altpreußischen Kirche geht, steht in dem Buch v o m Jahrhundert der Kirche nicht ein Satz, nicht eine Zeile, nicht ein Wort, nicht eine Silbe, nichts, schlechterdings nichts!" (Nachspiel, S.63). 24 R K Z 77, 1927, S.122. 25 Vgl. R K Z 76, 1926, S.353; 1927, S.3-5; PrBl 60, 1927, Sp.245. 26 „Das Auge unserer Sehnsucht hat eine Kirche vor sich, die keinen Platz hat für menschliche Eitelkeit und Herrschsucht, sondern die in dem einen Christus ihren Herrn sieht. Titel und Ehren sind in einer wahrhaft evangelischen Kirche verachtete Dinge ... Darum verlangen wir Gemeinden, die, statt am Gängelband eines Kirchenfürsten zu laufen, selbst tun, was ihrem König zur Ehre gereicht.... Wir Reformierten haben inmitten des Volkskirchentums immer noch den Dienst zu leisten, daß wir warnen vor dem Sauerteig hierarchischen Regierungsdünkels und vor der Geringschätzung der Gemeinde. ...Sobald eine Kirche wieder wirklich kämpft und arbeitet, verliert sie den Geschmack am Streit um Äußerlichkeiten und begreift einfach nicht mehr, daß es Leute geben kann, die noch Zeit haben, nach Bischofsmützen und klerikalem Firlefanz zu schreien" (W. KOLFHAUS, Warum lieben wir unsere Kirche?, in: Reformiertes Jahrbuch, 1927, S.23f.). 27 Vgl. Nachspiel, S.66. 28 Vgl. R K Z 77, 1927, S.68. Dass Dibelius selber von der Liturgie der schwedischen Hochkirche beeindruckt war, schilderte er z.B. in seinem Bericht über seine gottesdienstlichen Erfahrungen und Beobachtungen anlässlich der Stockholmer Weltkirchenkonferenz (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius). „Hochkirchliche, ökumenische und altchristliche Motive stehen calvinistischen, spezifisch protestantischen und liberalen Tendenzen gegenüber" (H.G. HAACK, Kirche, 1929, S.40).
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r ü c k h a l t u n g 2 9 auferlegt. So sprach Dibelius v o r der S y n o d e 3 0 i n n e r h a l b seiner breit angelegten R e d e lediglich am A n f a n g u n d h i e r n u r k u r z die „geistliche F ü h rung" i n n e r h a l b d e r K i r c h e an u n d bezeichnete sie als die „Stelle, die die g r ö ß t e W i r k u n g s m ö g l i c h k e i t u n d d a m i t auch die g r ö ß t e V e r a n t w o r t u n g hat" 3 1 . M i t e i n e r h a u c h d ü n n e n M e h r h e i t v o n 1 0 9 z u 1 0 3 S t i m m e n bei drei Enthalt u n g e n w u r d e die v o m E O K vorgeschlagene u n d auch v o n D i b e l i u s f a v o r i s i e r t e A m t s b e z e i c h n u n g „Evangelischer Bischof" schließlich abgelehnt 3 2 . In den A u g e n der Bischofsgegner w a r Dibelius m i t seinem w e i t e n , auf e i n e n k i r c h l i c h e n K o n s e n s angelegten Begriff v o m b i s c h ö f l i c h e n A m t gescheitert 3 3 . D i e S y n o d e b r a c h t e n i c h t e i n m a l einen K o m p r o m i s s zustande; es blieb alles b e i m alten, w o d o c h nach D i b e l i u s d e r neue Titel den sichtbaren B e w e i s f ü r eine n e u e
29 Im Frühjahr 1927 wurde immer wieder kritisiert, dass sich auch manche Generalsuperintendenten als Betroffene (und deshalb auch als Befangene) in die öffentlich geführte Bischofsdebatte eingemischt hätten. Zu solchen Exponenten rechnete man besonders die beiden Brandenburgischen Generalsuperintendenten BURGHART und Dibelius (vgl. dazu auch „Der evangelische Bischof" von P. HILDEBRANDT in: VZ v. 14.4.1927). Aufsehen erregten vor allem auch zwei anonyme Zeitungsartikel, in denen für den Bischofstitel geworben wurde: „Die Bischofsfrage" von „einem preußischen Generalsuperintendenten" (vermutlich BURGHART, Der Tag, 1927, Nr.65) und „.Bischof' oder nicht?" von einem „Synodalis" (TR v. 6.3.1927). Das kirchlich-liberale ,Protestantenblatt' vermutete: „Der Herr Generalsuperintendent des ,Tages' und der Herr Synodalis der .Täglichen Rundschau' sind ein- und derselbe" und folgerte daraus: „Hinter der ganzen Agitation für den Bischof stecken eben nur ein paar Leute; aber sie verstehen sich aufs Instrument der öffentlichen Meinung oder, wie man heute in kirchlichen Kreisen sagt: auf den Offentlichkeitswillen der Kirche." (PrBl 60, 1927, Sp.178). - Weitere Zeitungsartikel finden sich in: TR v. 13.3.1927 (Entgegnung von Sup. A. SCHOWALTER auf den „Synodalis"-Artikel und ein Artikel von HALLENSLEBEN), TR v. 20.3.1927 (DEISSMANN), RBo. v. 17.4.1927 („Ein Schlußwort zur Bischofsfrage" und „Quid sit Episcopus! Ein Wort in allerletzter Stunde"), DtPfrBl 31, 1927, Nr.9 (DÜSSE), Nr.13 (9 Anfragen eines J o h a n n e s Pacificus") und Nr.15 (Beantwortung der Fragen durch A. DEISSMANN). - Dibelius befasste sich lediglich rückschauend mit der Bischofsdebatte und berichtete im ,Sonntagsspiegel' vom 15.5.1927 von dem „höchst interessante(n) Schauspiel, das diese Debatte bot. Man sah die reformierten Gemeinden des Westens mit dem Liberalismus des Ostens im Bunde". Den Bischofsstreit führte er im Kern auf den Gegensatz zwischen Calvinismus und Luthertum zurück und den knappen Ausgang der Debatte erklärte er folgendermaßen: „Im Osten ist die Mehrheit für den Bischof stärker, viel stärker, als sie auf der Generalsynode aus Rücksicht auf den Westen bisher zum Ausdruck gekommen ist. Das wird die weitere Entwicklung zeigen...". In der .Wochenschau' vom 22.5.1927 machte Dibelius ebenfalls deutlich, dass mit der synodalen Ablehnung des Bischofsnamens die Sache noch nicht abgeschlossen sei: „Man war sich klar darüber, daß es mit solchen Abstimmungen, die auf des Messers Schneide stehen, in einer so wichtigen Frage nicht weiter geht. Die Sache ist nun in das Stadium grundlegender, sachlicher Auseinandersetzungen getreten, die zu klaren Ergebnissen führen müssen und führen werden". 30 Dibelius antwortete als Sprecher der Positiven Union auf den Tätigkeitsbericht des Kirchensenats, der durch seinen Vorsitzenden, Präses WlNCKLER, erstattet wurde, vgl. den Abdruck der Rede von Dibelius unter der Überschrift „Kirche und Staat, Kirche und Volk, Kirche und Verwaltung" (RBo. v. 27.4.1927 und 28.4.1927). 31 Generalsynode 1927, S.17. 32 Vgl. auch den Bericht von Dibelius zur Bischofs-Debatte als dem „Höhepunkt" der Generalsynode (WoSch. v. 22.5.1927). 33 M. RADE äußerte sogar die Vermutung, dass „das Buch des Bischofsfreundes D. Dibelius" mit „seinem, hier und da doch stark ins Klerikale schimmernden Gedankengange ... stärker als manches andere für die Ablehnung des Bischofstitels gewirkt" habe (vgl. C h W 41, 1927, Sp.574).
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Zeit, für das angebrochene Jahrhundert der Kirche", hätte erbringen können und sollen. Mit feierlichem Pathos, im Gefühl der gnädigen Errettung und „in demütiger Dankbarkeit" konnte Pastor HESSE auf die „Bewahrung und Bewährung der Union" zurückblicken: „Der Herr hat Gnade gegeben und unsere Landeskirche in hochbedeutsamer Stunde vor schwerstem Schaden bewahrt." 34 Obwohl Dibelius mit diesem Ergebnis der Bischofsdebatte nicht zufrieden sein konnte, zumal darin gerade seine spezifische Begründung der kirchlichen Tatsache des bischöflichen Amtes nicht verstanden, geschweige denn berücksichtigt worden war, legte er nach außen hin Gelassenheit an den Tag und vertraute darauf, dass die Einführung des Bischofs-Titels lediglich eine Frage der Zeit sei: „Ob wir, die wir jetzt im Amt des Generalsuperintendenten stehen, unser Leben lang den alten bürokratischen Titel weiterführen oder zu einem neuen kirchlicheren und geistlicheren kommen, - das ist gleichgültig. Es handelt sich um die Kirche. Und die Kirche kann das Ergebnis, zu dem es schließlich ohne Zweifel kommen wird, ruhig heranreifen lassen." 35 „Diese Zeit muß man ihr lassen. Schließlich geht es im Jahrhundert der Kirche noch um wichtigere Dinge als um den rechten Namen für das bischöfliche Amt." 3 6 Für Dibelius war die „Bischofsfrage" nicht nur eine Frage der Titulatur und auch nicht nur eine Frage von Mehrheitsverhältnissen und Abstimmungsergebnissen einer Synode, sondern eine Frage der Wahrnehmung kirchlicher Wirklichkeit: Denn sie ist bereits ekklesiologisch-fundamental beantwortet durch die geschichtlichen Ereignisse von 1918 und die daraus resultierenden kirchlichen 34 R K Z 77, 1927, S.161. Im Aufatmen, das durch die Reihen der Reformierten ging, klang auch der T o n des Sieges und Triumphes durch. So schrieb Prof. LANG, der Moderator des Reformierten Bundes, an Pastor LANGENOHL am 12.5.1927: „In Berlin haben wir nun endlich in der Bischofsfrage doch den Sieg davongetragen. Dank dem Herrn!" (zit. nach H . VORLÄNDER, Aufbruch, 1974, S.63). 35 RdBr. v. 14.5.1927. Sicher ist sich Dibelius darin, dass das Bedürfnis des „lutherischen Typus" nach einem Bischofsamt „sich durch die Koalition von reformierter Art, theologischem Liberalismus und preußischem Beamtentum...auf die Dauer nicht niederhalten" lassen wird (EBD.). 36 Nachspiel, S.75. - Diese Zeit schien für Dibelius im Jahr 1945 gekommen zu sein, als er sich den Bischofstitel („Bischof von Berlin") verleihen ließ, ohne eine entsprechende synodale Entscheidung abzuwarten. Von seinem Verstehenshintergrund her war dies nichts Neues und nichts Außergewöhnliches, sondern geschah „mit innerer Notwendigkeit" (Christ, 1961, S.211) und war nur die titularische Einlösung dessen, was nach Ansicht von Dibelius schon seit 1918/19 über den Wechsel der Zeiten hinweg Bestand hatte: das bischöfliche Amt im Jahrhundert der Kirche (zur „Selbsternennung" von Dibelius zum Berliner Bischof vgl. auch K. MEIER, Kirchenkampf III, 1984, S.217ff., S.647, Anm.611; J . J . SEIDEL, Neubeginn, 1989, S.195ff.). - Bereits gegen Ende des 2. Weltkrieges machte man sich Gedanken über eine kirchliche Neueinteilung Berlins; die wahrscheinlich von Dibelius verfasste Denkschrift machte Vorschläge über die Zahl, Größe und personelle Besetzung der Superintendenturen, stellte aber von vornherein fest: „Bei der Neueinteilung Berlins wird es besonders zu berücksichtigen sein, daß der Bischof von Berlin nicht in vollem Maße für sein Amt zur Verfügung stehen kann. Denn einerlei, mit wem der Posten einmal besetzt werden wird: der Bischof von Berlin wird eine Weltstellung haben. Seine weitreichenden Beziehungen werden es notwendig machen, daß, um die oberhirtliche Leitung wirklich wirksam zu gestalten, zwischen den Kirchenkreisen und dem Bischof eine Zwischeninstanz in Gestalt von Pröpsten eingebaut wird, von denen einer sein ständiger Stellvertreter ist" (EZA BERLIN, 50/674, pag.126).
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Ergebnisse. Deshalb konnte die Bischofsfrage in seinem Sinn „noch nicht erledigt" sein, während HESSE der Hoffnung Ausdruck gab, dass nun „der Bischofskampf endgültig erledigt ist" 37 . Die Auseinandersetzung zwischen Dibelius und den Reformierten innerhalb der Union nahm schließlich einen versöhnlichen und menschlich noblen Ausgang. Wenn auch Wilhelm KOLFHAUS, der 2. Vorsitzende des Reformierten Bundes, als Rezensent des ,Nachspiels' 38 und in seinem offenen Briefwechsel mit Dibelius sich auch weiterhin gegen „das drückende Ubergewicht eines einzelnen Amtes" und gegen die Beeinträchtigung der „Freiheit der Gemeinden und Pastoren" 3 9 wandte, endete der Streit um den „Bischof" doch in moderatem T o n und in gegenseitigem Respekt: „ich kann nur wünschen", so bescheinigte es Dibelius seinem kritischen Rezensenten, „daß jeder, der in Volk und Kirche für ein großes Ziel kämpft, solche grundsätzliche Gegnerschaft' finden möchte, wie ich sie bei Ihnen allezeit gefunden habe!" 4 0 4.1.2 Bedenken der Lutheraner: die Unions- und Konfessionsfrage Man hätte annehmen können, dass das Jahrhundert der Kirche' bei dem konfessionell-kirchenpolitischen Standort der Lutheraner offene Türen und Ohren gefunden haben müsste, zumal es von Seiten der Reformierten vor allem in der Bischofsfrage einer so scharfen Kritik unterzogen worden war 4 1 . Dem war freilich nicht so. Auch hier wurde das Buch „mit einigem Staunen" 4 2 gelesen, wie der ehemalige Schleswiger GenSup. Theodor KAFTAN43 in der ,Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung' ( A E L K Z ) vermerkte. Zwar stimmte er aus37 RKZ 77, 1927, S.162; vgl. Nachspiel, S.63. - In seiner .Wochenschau' vom 11.10.1925 hielt Dibelius die Sache im Grundsatz schon für entschieden. Bereits hier verknüpfte Dibelius die Bischofsfrage mit der vollzogenen Trennung von Kirche und Staat: der Name Generalsuperintendent sei zu nichtssagend, zu wenig innerlich, zu bürokratisch. „Nichts Kirchliches! Nichts Religiöses! .. Er ist geschaffen worden von der landesfürstlichen Gewalt. ...Jetzt sind wir frei vom Staat. Wir haben eine evangelische Kirche, die diesen Namen verdient. Kein Wunder, daß der Wunsch laut wird, von einer bürokratischen Amtsbezeichnung zu einer kirchlichen zu kommen!" 38 Vgl. RKZ 78, 1928, S.57-59. KOLFHAUS bestreitet darin die von Dibelius vorausgesetzte These, wonach sich im Gefolge der geschichtlichen Ereignisse von 1918/19 ein qualitativer Wechsel im geistlichen Amtsverständnis vollzogen habe: „In Wirklichkeit ist der preußische Generalsuperintendent der oberste Verwaltungsbeamte. Heute wie früher. Denn das vornehmste Recht sowie die erste Pflicht des .Bischofs', die Seelsorge in der Gemeinde, fehlt ihm" (EBD., S.59). 39 RKZ 78, 1928, S.59. 40 EBD., S.74. 41 Die Lutheraner nahmen in ihrer Mehrheit gerade in der Bischofsfrage den Reformierten gegenüber eine völlig entgegengesetzte Position ein und hatten den Ausgang dieser Debatte mit einiger Bitterkeit quittiert: „Calvinus triumphans!" (AELKZ 60, 1927, Sp.758). 42 EBD., Sp.225. 43 Th. KAFTAN kündigte seine Kritik bereits im .Theologischen Literaturblatt' (ThLBl 48, 1927, S.46) an und stellte schon hier die Frage, ob der Titel des Buches „nicht zu optimistisch" sei: „Ein wertvolles Buch, ein interessantes Buch, aber auch ein Buch, das die Kritik herausfordert." Die ausführliche Besprechung des Buches durch KAFTAN findet sich dann in: AELKZ 60, 1927, Sp.225-227 und Sp.246-251.
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gerechnet dem geschichtlichen Rückblick zu, der die Behauptung von Dibelius enthielt, dass es seit L U T H E R (aber, so ergänzt K A F T A N , auch „gegen L U T H E R S Willen" 44 ) in der Vergangenheit keine wirkliche evangelische Kirche gegeben habe; dieser Teil sei der „wertvollste der vier Bücher"45 innerhalb der Schrift. Aber dass nun innerhalb der altpreußischen Union ausgerechnet „Union und Agende", wie es Dibelius ausführte, den Weg zur Kirche geebnet haben sollen, das musste K A F T A N nachdrücklich bestreiten46. Die Richtung der Kritik von Seiten des konfessionellen Luthertums war damit gewiesen. Die Lutheraner sahen ja gerade in der Union, die anlässlich des Reformationsjubiläums von 1817 im damaligen Preußen begründet worden war, eine „Nichtkirche" 47 , zumindest eine immer latente Gefahr für das Kirche-Sein der Kirche, im besten Fall ein hinzunehmendes und in seinen Folgeerscheinungen einzugrenzendes Übel: „Gott sei Dank sind große Teile Deutschlands vor der Union bewahrt geblieben. Hier gilt: Halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme." 48 Kritisch wird deshalb das Jahrhundert der Kirche' unter der Fragestellung gelesen, ob hier nicht ein Unionist unter Hintansetzung des Bekenntnisses und der Bekenntnisschriften auf dem besten Weg von der Union (1817) über den Kirchenbund (1922) zu einer „von den Unionsleuten in der Stille gewünschte(n), vielleicht auch propagierte(n) Reichskirche" 49 sei. Gerade entgegengesetzt müsse der Weg verlaufen, nämlich so, dass man die ungeliebte Union zu Gunsten einer „Bekenntniskirche" abschaffe, wenn anders die Ereignisse von 1918/19 wirklich eine Zäsur von entscheidender und einschneidender Bedeutung sein sollen. Die Union, so argumentiert K A F T A N ganz im Sinne des Denkmodells von Dibelius, war ja das Werk und das Interesse eines Staatskirchentums: Wenn dieses wegfällt, dann muss folgerichtig auch die Union fallen. Dass Dibelius diese Folgerung aus seinem eigenen Denkansatz nicht zieht, das ist, so urteilt K A F T A N scharfsinnig, „ein Selbstwiderspruch, der sich dann auch weiter auswirkt" 50 . Weil Dibelius an der immer in der Gefahr der Bekenntnis-Indifferenz und der Bekenntnis-Insuffienz stehenden Union festhält, findet es K A F T A N „überraschend", dass der Verfasser des Jahrhunderts der Kirche' trotzdem die „Unentbehrlichkeit eines Bekenntnisses in der Kirche"51 reklamiert. Freilich verübelt es EBD., Sp.226. EBD., Sp.225. 46 EBD., Sp.227. Weitere Kritik übt KAFTAN daran, dass der Verfasser das Jahrhundert der Kirche" „reichlich optimistisch" beschrieben habe, während „die Lage" von Dibelius mit einer „etwas zu pessimistischen Kennzeichnung" versehen worden sei (EBD., Sp.246 u.248); vehement wehrt sich KAFTAN dagegen, dass Dibelius die Altlutheraner als Sekte einstuft (EBD., Sp.246). 47 EBD., Sp.227. 48 EBD., Sp.250; vgl. Apk 3,11. 49 EBD., Sp.247. Unter diesem Gesichtspunkt werden auch die ökumenischen Einigungsbestrebungen von Stockholm mit einem kritischen Unterton besprochen. Dass dabei ein die ganze Weltchristenheit übergreifendes Bischofsamt im Sinne der apostolischen Sukzession angeblich eingeführt werden sollte, wird mit großen Vorbehalten versehen (vgl. AELKZ 58, 1925, Sp.843). 50 AELKZ 60, 1927, Sp.227. Die Union ist „das Kind einer vergangenen Zeit, der Zeit des Staatskirchentums" (EBD., Sp.249). 51 EBD., Sp.248. 44
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KAFTAN seinem kurmärkischen Kollegen, dass dieser dabei lediglich von den beiden altkirchlichen Bekenntnissen 52 spricht und es nicht für nötig hält - „und das angesichts Roms!" -, die in den Bekenntnisschriften der Reformation wiederentdeckten Glaubensinhalte festzuhalten, wie das ja die in der verfassunggebenden Kirchenversammlung durchgesetzte Präambel ausweist. Dadurch, so befürchtet KAFTAN ernstlich, könnte die mühsam erkämpfte und wachsam gehütete konföderative Union wieder zu einer die Bekenntnisse verwischenden und vergleichgültigenden „absorptiven" Union werden 53 . So steht auch am Ende dieser Besprechung des Jahrhunderts der Kirche' aus der Sicht des konfessionellen Luthertums eine ernste Warnung: Wer aus dem „nicht infolge, sondern trotz der Union" 5 4 entstandenen Kirchenbund mehr als einen Zweckverband machen möchte, wer „gegen das bestehende Recht aus dem deutschen evangelischen Kirchenbund eine deutsche evangelische ,Kirche' macht, zwingt uns, die wir die Kirche LUTHERs in ihrem Mutterlande nicht wollen untergehen lassen, zur Abwehr. Könnte nicht jetzt endlich Friede werden..." 55 . Ausdrücklich präzisierte Dibelius als Reaktion auf diese kritischen Bemerkungen, dass von ihm an eine Reichskirche im konfessionell-vereinheitlichenden Sinne nicht gedacht sei. Er gab jedoch unumwunden zu, dass mit der Bekenntnisfrage eine Schwierigkeit verbunden sei, eine Schwierigkeit freilich, die er zugleich auch als Bestätigung dafür werte, dass die Kirche erst jetzt wirklich zur Kirche geworden sei und sich nun ohne Rücksicht auf staatliche und staatspolitische Interessen dem Bekenntnis und so auch dem Streit um das Bekenntnis innerhalb
52 Dibelius hält im Grunde nur das Apostolikum für das einzig wichtige Bekenntnis, während das Nicaenum in seinen Augen lediglich „eine Schmuckausgabe des Apostolikums" ist. V o m dritten der altkirchlichen Symbole, dem Athanasianum, schweigt er „aus guten Gründen" lieber ganz (vgl. Jahrhundert der Kirche, S.215). - O b Dibelius durch die Beschränkung auf die altkirchlichen Symbole so etwas wie ein „consensus quinque-saecularis" vorschwebte, also ein die großen Konfessionen verbindender und übergreifender Kirchenbegriff auf der Grundlage der trinitarischen und christologischen Glaubenslehren der ersten fünf Jahrhunderte, bleibt unausgesprochen; die Frage wird aber zu verneinen sein, da Dibelius schwerlich an eine Rekatholisierung des Protestantismus gedacht haben kann. 53 Th. KAFTAN begnügt sich also mit dem Nebeneinander von gleichberechtigten Konfessionen innerhalb einer föderativen Union, während Arnold HEIN als Rezensent des Jahrhunderts der Kirche' in der .Preußischen Kirchenzeitung' durchaus eine evangelische „KonsensusU n i o n " befürwortet, die er im Sinn einer über den Konfessionen stehenden „dritte(n) Partei" schon verwirklicht sieht (vgl. PrKZ 23, 1927, Sp.102). Vgl. auch die dazu teilweise entgegengesetzte Begriffsbestimmung von „Konsensus-Union" durch A. v. CAMPENHAUSEN (Union, 1987, Sp.3668f.). - Unter dem Gesichtspunkt der Bekenntnisfrage untersucht auch H.-J. REESE das Jahrhundert der Kirche' (H.-J. REESE, Bekenntnis, 1974, S.125f.). 54 A E L K Z 60, 1927, Sp.247f. 55 EBD., Sp.251. An dieser Stelle sei lediglich daran erinnert, dass es bereits sechs Jahre später keine Bedenken der Lutheraner mehr gegen die Konstituierung einer Reichskirche gab, offenbar nur um den „Deutschen Christen" in ihren kirchlichen Einheitsbestrebungen zuvorzukommen; vielmehr kam im April 1933 gerade von einem Lutheraner, GenSup. ZOELLNER, der Anstoß zu einer beschleunigten Zusammenfassung der 28 Landeskirchen in einer Reichskirche (vgl. K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.374ff).
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des Protestantismus zuwenden könne; es sei deshalb ein Akt des Gehorsams, nun diese (angeblich neuen) Schwierigkeiten zu übernehmen und zu bearbeiten 56 . Das Jahrhundert der Kirche' ist somit gleichsam zwischen die beiden konfessionellen „Stühle" geraten: Aus der Sicht der Reformierten hat Dibelius durch seine Proklamation des bischöflichen Amtes die kirchliche Einheit der Union gefährdet; für die Lutheraner hat Dibelius zu sehr an einer unionistischen Kirche festgehalten und einen Verlust des konfessorischen Profils der Kirche in Kauf genommen. So unterschiedlich die Stoßrichtung der protestantisch-konfessionellen Kritik am Jahrhundert der Kirche' auch war - im einen Fall wurde die Bischofsfrage, im anderen die Bekenntnisfrage zum Maßstab der Kritik gemacht - : in beiden Fällen wird mit der neuen Rechtsgestalt der Kirchenverfassung bzw. mit dem Rechtsgehalt des Kirchenbundes als eines bloßen Zweckverbandes argumentiert, während gerade Dibelius' in „spannender Darstellung" und „in fesselnder Sprache" 57 vorgetragener „ekklesiologischer Fundamentalismus" nicht geteilt wird. 4.1.3 Kontrovers-theologische Bedenken: Katholisierende Tendenz Das Buch vom „Jahrhundert der Kirche" ist, so vermerken es die Rezensenten unabhängig von ihrem jeweiligen kirchlich-konfessionellen Standort, in mehrfacher Hinsicht mit einem „Seitenblick"58 auf die katholische Kirche geschrieben. „Kirche", so sagt Dibelius, war bisher immer die Domäne des Katholizismus; der Protestantismus hatte in dieser Beziehung 400 Jahre lang ein Defizit und ein Desiderat 59 . 56 Die nächste Zukunft wird, so kündigte es Dibelius an, „im Zeichen einer Auseinandersetzung zwischen dem reformierten und dem lutherischen Typus" stehen; denn „zwei verschiedene Bekenntnisse in einer Kirche (bedeuten) eine große innere Schwierigkeit. Das trat bisher wenig in die Erscheinung. Denn wir waren keine Kirche. Jetzt sind wir es geworden. Nun kommen die Schwierigkeiten zum Vorschein" (RdBr. v. 14.5.1927; vgl. auch Nachspiel, S.33, Anm.9). 57 R K Z 77, 1927, S.60 und A E L K Z 60, 1927, Sp.225. 58 R K Z 77, 1927, S.123. 59 Besonders auf Richard ROTHE geht die Zielvorstellung eines „Protestantismus ohne Kirche" zurück; dieser meinte, das Kirche-Sein des Protestantismus dürfe dem (eschatologischen) Ziel nicht vorgreifen, wo die Kirche letztendlich in einem vollkommenen und vollkommen idealisierten Staat aufgehen werde. In dieser Tradition des theologischen Liberalismus steht auch noch das Buch ,Zwischen Wittenberg und R o m ' (1931) des Heidelberger Natur- und Kulturwissenschaftlers und früheren badischen Staatspräsidenten Willy HELLPACH, das der Autor seinem Heidelberger Patensohn Günther DIBELIUS (dem Sohn von Martin DIBELIUS) gewidmet hat. HELLPACH versucht sich dort in einer „Revision der Reformation" und wendet sich gegen den „Textfetischismus" des Protestantismus; er setzt demgegenüber „das göttliche Leben über die menschliche Schrift" und „das Leben in Gott über das Wühlen im Wort" (EBD., S.446f.). Dementsprechend folgert HELLPACH dann: „Evangelium und Kirche vertragen sich wie Feuer und Wasser; evangelisches Glauben und Wirken entfalten sich in der evangelischen Gemeinde, erstarren und ersterben in jedem Versuch einer evangelischen Kirche. Wer Kirche will, der ist schon katholisch. Es gibt wirklich nur eine katholische Kirche, ob sie auch heute noch römisch, morgenländisch, anglikanisch heißt - Kirche ist immer High Church, und wer das Christentum und Evangelium will, der muß Begriff und Bezeichnung der Kirche verneinen" (EBD., S.450). Dibelius attestierte dem Buch einen „Pantheismus mit ästhetischem Einschlag", der zwar einen Weg zur Natur, niemals aber zur Kirche finden könne (SoSp. v. 9.11.1930).
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A b e r d u r c h die E r e i g n i s s e u n d E r g e b n i s s e d e r N o v e m b e r - R e v o l u t i o n
von
1 9 1 8 w u r d e d e r d r i n g e n d e N a c h h o l b e d a r f v o l l w e t t g e m a c h t : A u c h die e v a n g e l i s c h e K i r c h e ist n u n „ K i r c h e " 6 0 i m V o l l s i n n des W o r t e s g e w o r d e n ; j e t z t b e s t e h t grundsätzlich Parität zwischen der evangelischen u n d der katholischen
Kirche.
P a r i t ä t 6 1 ist n i c h t n u r das n e u g e w o n n e n e S t i c h w o r t , s o n d e r n a u c h die s o r g s a m gehütete u n d eifersüchtig verteidigte Signatur der evangelischen K i r c h e , was ihr V e r h ä l t n i s z u r k a t h o l i s c h e n K i r c h e u n d die d e m Staat g e g e n ü b e r g e l t e n d z u m a c h e n d e F o r d e r u n g n a c h G l e i c h b e h a n d l u n g a n g e h t . D e n n die e v a n g e l i s c h e K i r c h e ist in i h r e r v o n D i b e l i u s b e s c h r i e b e n e n s o z i o l o g i s c h - e m p i r i s c h e n F o r m , w a s i h r V e r h ä l t n i s z u m Staat betrifft, e i n e z u m V e r w e c h s e l n ä h n l i c h e Z w i l l i n g s s c h w e s t e r der katholischen Kirche geworden. D e r katholischen Kirche endlich ebenbürtig g e w o r d e n , ist sie n u n dieser g e g e n ü b e r k o n k u r r e n z f ä h i g u n d d e m Staat g e g e n über „konkordatsfähig"62. 60 Schon 1924, zwei Jahre vor dem Erscheinen des Jahrhunderts der Kirche', wehrte sich P. ALTHAUS dagegen, dass es „katholisierend" sein soll, wenn im evangelischen Raum von „Kirche" gesprochen wird; ALTHAUS bestimmte jedoch das Kirche-Sein systematischer (als Dibelius): der Kirchen-Begriff stehe in Abhängigkeit von der Gotteslehre und der Christologie: „Wie man von G o t t redet, daran entscheidet sich, was man von Christus hält, und hiervon wieder hängt ab, was die Kirche bedeutet" (Die Tat, 1924/25, S.272). Gleichwohl grenzt sich ALTHAUS gegen die Kirchenkritik der Dialektischen Theologie ab; er wendet sich „gegen BARTHS und GOGARTENs Rede von der Krisis, in der die Kirche jederzeit steht ... Die Kirchenkritik der dialektischen Theologie ist unkonkret durch und durch. ... Diese Kritik an allem Kirchentum wird die wirkliche Buße der Kirche nicht befördern, sondern gerade hemmen." ALTHAUS erinnert dabei an LUTHER, der nicht einmal der katholischen Kirche ihre „Heiligkeit" abgesprochen habe, denn Kirche „sei überall auf Erden, wo das Evangelium ist. Das heißt wahrhaft .katholisch' denken. Es gibt echt katholische Weite nur auf evangelischem Boden." (EBD., S.280f.) - Ganz im Gegensatz zu ALTHAUS, ZU Dibelius und dann auch zu der Dialektischen Theologie spricht sich 1925 A. v. HARNACK, der akademische Lehrer von Dibelius und von BARTH, dafür aus, dass der „irreführende ...Sprachgebrauch Kirche" eigentlich lieber vermieden, zunächst sistiert werden müsse, denn: „Katholische ,Kirche' und Evangelische ,Kirchen' sind ganz disparate Begriffe" (A. v. HARNACK, Consensus, 1925, S.296, Anm.17). 61 Parität kann sich auch in dem von Dibelius nicht geforderten, aber doch in seiner Existenz bereits als bestehend behaupteten evangelischen Bischofsamt ausdrücken: vgl. Nachspiel, S.62, Anm.4. Auch das von Dibelius reklamierte und von vielen kritisierte „Selbstbewusstsein" der evangelischen Kirche ist der paritätische, gleichsam spiegelbildliche Ausdruck des Selbstbewusstseins der katholischen Kirche, das seither von der evangelischen Kirche bald bewundert und beneidet, bald als Bedrohung empfunden wurde. Vgl. dazu z.B. S. SCHÖFFEL: „Daß die katholische Kirche einen ungeheuren Machtzuwachs erfahren hat, ist weit verbreitetes Urteil. ...Eine der Ursachen dieser Erscheinung ist leicht festzustellen. Es ist der Erfolg, den die Kirche in ihrer Politik erzielt hat" (Ecclesiam habemus, in: Neue Christoterpe 1927, S.4). Vgl. auch den kirchlichen Lagebericht des Stuttgarter Prälaten Jacob SCHOELL, in dem es heißt: „Das gesteigerte Selbstbewußtsein der römischen Kirche macht sich allenthalben fühlbar. Die inneren Schwierigkeiten, woran es auch ihr nicht fehlt, weiß sie klug zu verbergen. Nach außen hin besetzt sie eine Position um die andere. Die vielen Versicherungen, daß man den konfessionellen Frieden wolle, werden durch die Tatsachen nicht bestätigt" (MPTh 24, 1928, S.2). - Ein Beleg für das kirchliche Selbstbewusstsein und den wissenschaftlichen Aufschwung in der katholischen Kirche in Deutschland ist das Buch des Tübinger katholischen Theologen Karl ADAM, Das Wesen des Katholizismus (1924), das 1931 zum 6. Mal aufgelegt wurde und 1957 seine 13. Auflage erlebte. 62 In seiner ersten Rede vor der Generalsynode nannte Dibelius den Vertrag vom 31.7.1925 zwischen der evangelischen Kirche der A p U , der litauischen Regierung und dem evangelischen Direktorium des Memelgebiets ein „Konkordat" (vgl. Generalsynode 1925, 1. Teil, S.90). Die
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Da Dibelius das Kirche-Sein der vorfindlichen, empirischen Kirche ganz nach dem jeweilig gültigen Verhältnis und Verständnis des Zusammenhangs von Staat und Kirche bestimmt, nähert er sich in dieser Beziehung fast zwangsläufig dem machtpolitischen Aspekt des katholischen Kirchenverständnisses63. Nicht als ob Dibelius im Bekenntnis der evangelischen Kirche irgendwelche Abstriche zuließe, doch dient ihm der politische und gesellschaftliche Status der katholischen Kirche als Vorbild für das, was er nun auch in paritätisch abbildbarer Weise für die evangelische Kirche zu erstreben versucht bzw. was er schon in ihr verwirklicht sieht. Uber diesen paritätischen Status hinaus reklamiert Dibelius für Deutschland sogar eine gesellschaftliche Vorrangstellung der evangelischen vor der katholischen Kirche mit dem stereotypen Hinweis auf den weit größeren Anteil der evangelischen Bevölkerung in Preußen; damit soll auch der politische Einfluss der katholischen Kirche in die Schranken gewiesen werden. Dieses an der Status-Frage interessierte Kirchenverständnis, das eine eindeutig katholisierende Tendenz aufweist, verbindet sich gleichzeitig mit einem konfessionell-antikatholischen Affekt. Mit der im Jahrhundert der Kirche' dominierenden Status-Frage bewegt sich Dibelius in der Tat hart an der Grenze zu einem katholischen Kirchenverständnis64; er hat deshalb auch erkennbar Mühe, die in aller Ähnlichkeit zu wahrende Unähnlichkeit gegenüber der katholischen Kirche herauszustellen. Die dadurch notwendig gewordene Bestimmung von Nähe und Distanz zum römischen Katholizismus beschreibt Dibelius folgendermaßen: „Rom spricht seinem Kirchenvater CYPRIAN den Satz nach: extra ecclesiam nulla salus! ...Wir können uns den Satz zu eigen machen, wenn wir ihn von der Kirche des Glaubens verstehen, von der wir geredet haben, von der unsichtbaren und doch wieder, in tausend verschiedenen Formen, sichtbaren Gemeinschaft der Christen. Denn wer das Heil erlangt hat, der gehört eben damit zu dieser, Welt und Ewigkeit umspannenden Gemeinschaft. Ein bestimmtes Nein aber muß jenem Satz entgegengestellt werden, wenn er von der empirischen Kirche verstanden wird, von der äußeren Organisation also, deren Struktur wir beschrieben haben. Nein: wir kennen keine alleinseligmachende religiöse Gemeinschaftsform. Auch außerhalb der Kirche führen Wege zu Jesus"65. In deutlicher Spannung dazu erscheinen aber dann solKonferenz von „Faith and Order" in Lausanne bezeichnete er bewusst und bedenkenlos als ein „Konzil", obwohl die katholische Kirche sich an der ökumenischen Bewegung nicht beteiligte (vgl. Das Konzil von Lausanne, in: Der Tag v. 28.8.1927; vgl. K J 54, 1927, S.554). 63 E. HIRSCH Z.B. urteilt, dass dem Autor des Jahrhunderts der Kirche' „der schneidende Gegensatz in dem, was die katholische und die evangelische Kirche unter Kirche verstehen, kaum einer flüchtigen Andeutung wert" ist (ThLZ 52, 1927, Sp.28). 64 „Auch ihn bewegt die heimliche Sehnsucht nach der katholischen Kirchenherrlichkeit; ihn beglückt die ,Welle der Kirche', die er überall wahrnimmt, ohne daß er nach ihren Ursachen fragte" (E. BRUNNER, Gebot, 1932, S.681). 65 Jahrhundert der Kirche, S.107. In seinem .Bericht von Jesus aus Nazareth' (1939), den Dibelius zusammen mit dem Jahrhundert der Kirche' zu seinen wichtigsten Schriften zählte (vgl. Christ, 1961, S.142) und der im Jahr 1961 zum 11. Mal aufgelegt wurde, bestätigt Dibelius diese Nähe und Distanz zum katholischen Kirchenverständnis um ein weiteres Mal. Zwar wird dort mit einem Anklang an C A ΥΠ festgehalten, dass „von Gott aus gesehen" Kirche überall dort sei,
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che Aussagen wie: „Das Werk der Erlösung ist von dem Leben einer Kirche getragen gewesen. Und das Kreuz von Golgatha hat nie woanders als in einer Kirche gestanden!"66 Uberraschend ist es, dass Dibelius den Unterschied und die Abgrenzung zur katholischen Kirche nicht in der Geschichte und im Wesen reformatorischer Theologie, nicht in den Inhalten reformatorischen Glaubens und Bekennens sieht, sondern in der äußeren, empirisch fassbaren Organisationsform der katholischen Kirche mit ihrem alleinseligmachenden Anspruch. Manche charakteristische und unaufgebbare Merkmale der konfessionell-unüberbrückbaren Verschiedenheit kann Dibelius dann, ganz im Bereich der äußeren Organisation der Kirchen bleibend, gleichwohl aufzählen; denn er wollte ja alles andere als „Rom den Weg bereiten" 67 : 1. Die evangelische Kirche strebt nicht nach Macht und Einfluss, wie dies die katholische Kirche durch ihre ultramontane, zentrale Steuerung praktiziert 68. 2. Während sich die katholische Kirche in Deutschland im „Zentrum" eine einflussreiche Partei geschaffen hat, hinter der eine zuverlässige Wählerschaft steht, bleibt die evangelische Kirche „außerhalb des Parteilebens" und „jenseits aller Parteipolitik"; sie steht im Gegensatz zur katholischen Kirche „über den Parteien". Gleichwohl steht die Kirche nicht in einem unpolitischen Raum, sie ist politisch nicht gleichgültig und politisch nicht indifferent; deshalb gehören Mitglieder und Diener der evangelischen Kirche nicht in eine bestimmte, sondern „möglichst in jede Partei" 69 . 3. Das bischöfliche Amt der evangelischen Kirche unterscheidet sich von dem der katholischen darin, dass es keine höhere „Weihe" als das Amt eines Pfarrers hat: in der evangelischen Kirche gibt es nur ein Amt, das Amt der Verkündigung 70 . 4. Die evangelische Kirche ist nicht wie ihr katholisches Gegenüber Kirche um der Kirche willen; sie ist deshalb auch nicht unfehlbar 71 . „wo man sich im Glauben an den Jesus aus Nazareth unter sein Wort stellt und seine Sakramente in der rechten Weise feiert". Gleichzeitig wiegt aber in der erfahrbaren Wirklichkeit die normative Kraft der faktisch vorhandenen Kirche weit schwerer: „In der Kirche ist Jesus von Nazareth, weil da sein Wort ist und das Sakrament. Da bleibt der Mensch unter seiner ständigen Einwirkung und kann seine Erfahrungen mit ihm machen" (Bericht von Jesus aus Nazareth, 1938, S.52). 66 Jahrhundert der Kirche, S.105. K. FISCHER bemerkt zu diesem „unbegreiflichen Satz": „Das geht denn doch noch über katholische Ansprüche hinaus, wenn eine (eine!) Kirche das Werk der Erlösung tragen soll. Wollen wir nicht dankbar sein, wenn das Werk der Erlösung unsere Kirche trägt?" Und später fragt FISCHER: „Weiß Dibelius nichts von den Gefahren des Klerikalismus?" (Die Rechtfertigung der Kirche, in: Neues Sächsisches Kirchenblatt 24, 1927, Sp.320 u. 321). 67 Jahrhundert der Kirche, S.119. 68 Jahrhunden der Kirche, S.107. 69 Jahrhundert der Kirche, S.239. 70 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.93; Nachspiel, S.80. 71 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.131. „Wir wissen nichts von einer unfehlbaren Kirche. Wir wissen nur von einer Kirche, der wir unfehlbar verpflichtet sind" (Nachspiel, S.57).
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5. Der evangelische Ruf „ecclesiam habemus!" steht der katholischen Proklamation „papam habemus!" gegenüber und entgegen 72 . In diesen unterscheidenden Merkmalen wurden auch immer wieder vergleichbare Ähnlichkeiten gesehen, und der Gleichklang hörte sich in mancherlei Ohren nur als ein protestantisches Echo auf den Ruf der katholischen Kirche an 73 . So ließ sich W. KOLFHAUS trotz der gegenteiligen Beteuerungen von Dibelius nicht von seiner Kritik abbringen: „So freudig sich Dibelius überall zum Evangelium und zur evangelischen Kirche bekennt, - die Baupläne dieser Kirche sind dennoch nicht in Wittenberg und Genf zu suchen, um vom Neuen Testament ganz zu schweigen, sondern in Rom." 7 4 Und auch von der konfessionell-lutherischen Seite aus wurde bemängelt, dass das Jahrhundert der Kirche' zu wenig das Wesen einer reformatorisch geprägten Kirche im Unterschied und im Gegensatz zur katholischen Kirche zur Geltung bringe. Selbst das ,Kirchliche Jahrbuch' macht auf diese „Neigung zum Katholisieren" 75 aufmerksam. Wie dies gemeint sein kann, sagt die ,Christliche Welt': Beim Thema „Machtanspruch der Kirche" oder bei der Betonung der Tradition seien 72 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.77. Heinrich VOGEL hat allerdings einmal das „ecclesiam habemus" in die Nähe zum „papam habemus" gerückt, als er im Beisein von Dibelius (und auf diesen gemünzt) einen Kanon komponierte: „episcopum habemus" (Mitteilung von H . VOGEL). - Die Schrift von S. SCHÖFFEL .Ecclesiam habemus' ist ohne direkten Bezug zu Dibelius' Jahrhundert der Kirche' entstanden und bietet dennoch eine Fülle von Berührungen und Gemeinsamkeiten, beispielsweise: die evangelische Kirche als „eine Macht im öffentlichen Leben Deutschlands" (S.9); die Kirche hat einen „mächtige(n) Aufschwung" und eine „Sehnsucht" zu verzeichnen; ihr eignet ein „Zug zur Einheit und zum Zusammenschluß" (S.lOf.); „Aufschwung" für „die theologische Wissenschaft" (S.13). „Im Volk empfindet man wieder die Macht des Blutes und der Rasse; im Staat das Schicksalhafte, in der Ehe das Unbedingte; und in der Kirche ahnt man allmählich wieder das Gott-Gegebene" (S.28). Der Ruf „ecclesiam habemus" wird bei SCHÖFFEL allerdings dem Wort COLIGNYs entgegengesetzt: „Regem habemus" (vgl. Ecclesiam habemus, in: Neue Christoterpe, 1927 [gedruckt 1926], S.l). - In der Proklamation des „ecclesiam habemus" könnten also, ohne dass dies Dibelius ausdrücklich ausführt, zwei Untertöne mitschwingen: sowohl ein Anklang an den katholischen Ruf „papam habemus", als auch ein Anklang an das staatliche „regem habemus": was der katholischen Kirche der Papst ist und was früher der evangelischen Kirche der König als ihr Oberhaupt war, das vereinigt jetzt die evangelische Kirche in sich selbst, und das ist sie jetzt sich selbst. Aus der Gleichung: „Ecclesiam habemus" = „sive papam sive regem habemus" wird nun im Sinn von Dibelius eine Kirche, die sich selbst „hat" und die deshalb weder einen Papst noch einen König nötig hat. 73 Dibelius selber sieht die Gefahr, indem er ihr zugleich entgegentritt: „Die Gefahr liegt nahe, daß...die römisch-katholische (Kirche) als das Muster vorschwebt, daß versucht wird, die evangelische Kirche zu einer Taschenausgabe der römischen zu machen. Nichts wäre verhängnisvoller als dies!" 0ahrhundert der Kirche, S.204). 74 W. KOLFHAUS in: Furche 14, 1928, S.97 (vgl. auch K. PARTECKE in: Neues Sächsisches Kirchenblatt 25, 1928, Sp.346). Schon ein Jahr vorher schrieb KOLFHAUS trotz eines entschlossenen Plädoyers für die Kirche: Die Kirche „kann in keiner Weise ein Gegenstand unseres Rühmens sein und durch ihr äußeres Ansehen uns berücken. Eine solche Kirche überlassen wir neidlos dem Stadtpfarrer von R o m und seinen Vikaren. Der Versuch, durch römische Anleihen Stützen an dem Gebäude unserer Kirche anzubringen, erscheint uns als Versündigung gegen den Geist des Evangeliums. Je weiter wir von R o m entfernt wohnen, desto besser steht es in unserer Kirche um die Wahrheit Gottes" (W. KOLFHAUS, Warum lieben wir unsere Kirche?, in: Reformiertes Jahrbuch, 1927, S.19). 75 K J 55, 1928, S.527.
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merkwürdige „Schwankungen" hin zu einem „gefährlich verwirrte(n) Kirchenbegriff" erkennbar 76 . Schließlich schreibt das ,Protestantenblatt', man könne sich des Eindrucks „des Flimmerns" und „des Schaukeins" 77 nicht erwehren. U n d unter der von Dibelius proklamierten „Knechtsgestalt" der Kirche meinte man, auch eine ecclesia triumphans, eben nicht nur eine „Magd" ( L U T H E R . ) , sondern auch eine Herrin erkennen zu können: „Auch der Papst nennt sich ,servus servorum Dei', Knecht der Knechte Gottes (oder Christi). Und auch bei ihm ist dieser Titel subjektiv ehrlich empfunden. Man sieht an ihm aber: wer vor Gott ein Wurm sein will, kann vor den Menschen immer noch nach der Rolle des Adlers verlangen, eben gerade als Handlanger oder Instrument Gottes, und es kann geschehen, daß er aus Pflichtgefühl diese Rolle auf sehr gefährliche Art spielt." 78 A m Horizont taucht gar die Schreckensvision eines zur katholischen Kirche zurückkehrenden Protestantismus auf: „Wenn die Aufstellungen Dibelius' Schule machen, sind wir bald wieder da angelangt, von wo L U T H E R sich losgemacht hatte: bei einer Art kirchlichen Leitung der Gewissen." 79 Als Beweis für die Gesinnungsverwandtschaft 80 zwischen dem katholischen Kirchenverständnis und dem evangelischen Kirchenbegriff bei Dibelius konnte auch auf die Besprechungen des Buches von katholischer Seite aus hingewiesen werden. Dort wurde es mit großer Zustimmung, manchmal nicht ohne Schadenfreude aufgenommen. So bemerkte in der ,Kölnischen Volkszeitung' der katholische Berichterstatter: In den Forderungen von Dibelius „laufen deutlich katholische Gesichtspunkte mit unter". Und mit Genugtuung stellte er zusammenfassend fest: „Ohne Ubertreibung aber dürfen wir sagen, daß dieser aktive Geist in der katholischen Kirche gottlob schon längst lebendig ist, während ihn Dibelius mit seinem Buche erst in den Protestantismus einhauchen will ... Christus hat eben eine sichtbare Kirche mit konkreten Aufgaben gestiftet und nicht bloß eine ChW 41, 1927, Sp.247, 250; vgl. auch EBD., Sp.200, 242f., 245f. PrBl 60, 1927, Sp.284 und PrBl 61, 1928, Sp.373. 78 PrBl 60, 1927, Sp.235. Auch K. MÜLLER sieht keinen Grund, an Dibelius' ehrlichem Wollen zu zweifeln: „Die persönliche Demütigkeit des Verfassers in Ehren", aber der Versuch, die Kirche im Sinne von Dibelius auf Jesu Willen zu beziehen, sei zum Scheitern verurteilt; denn „wer kann ...solche kirchliche Unbußfertigkeit noch für eine Empfehlung der universalen Linie der Kirche im Sinne Jesu gelten lassen?" (ChW 41, 1927, Sp.247). 79 PrBl 60, 1927, Sp.236: Die religiöse Überhöhung der soziologischen Struktur der Kirche „ist von vielen Kritikern als katholisierend und von Katholiken als wahlverwandt empfunden worden". - In seinen „Betrachtungen zum Kirchenkampf", die Dibelius wohl während der Endphase des 2. Weltkrieges geschrieben hat, finden wir diese katholisierende Wahlverwandtschaft noch einmal bestätigt, wenn es dort heißt: Es „dämmerte die Erkenntnis auf, daß .Kirche' nicht, wie man bis dahin gemeint hatte, im Grunde etwas Katholisches sei, etwas, wovon LUTHER den deutschen Menschen ein für alle Mal frei gemacht habe, sondern daß es auch für den Evangelischen eine Kirche gebe, die nicht nur Gegenstand achselzuckender Kritik, sondern Gegenstand der Dankbarkeit sein müsse, und daß christlicher Glaube mehr sei als private Frömmigkeit zuzüglich der Mitgliedschaft in einigen frommen Vereinen. Das Jahrhundert der Kirche' schickte sich an, die Epoche der individualistischen Frömmigkeit abzulösen" (Am Vorabend des Kampfes, S.23f., in: EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 21). 80 Vgl. PrBl 61, 1928, Sp.371. Hinweise auf die katholische Zustimmung und die Übereinstimmung finden sich in: PrBl 60, 1927, Nr.24 und RKZ 77, 1927, S.214. 76
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Kirche des Wortes und der Idee. Das dem Herrn Generalsuperintendenten Dibelius vorschwebende Kirchenideal ist in der katholischen Kirche längst verwirklicht. Sein Kirchenideal steht im Widerspruch zur bisherigen protestantischen Auffassung vom Begriff und Wesen der protestantischen lutherischen Kirchen." 81 Ein anderer katholischer Rezensent fügt dem in Zustimmung, aber auch in Kritik hinzu: „Der katholische Leser, der ja manchen Ausführungen Beifall zollen kann, fühlt sich ebenfalls nicht selten zum Widerspruch gereizt, insbesondere bei den unzutreffenden und ungerechten Urteilen, die mitunter über die katholische Kirche gefällt werden. Aber eigenartig ist es, den sonst von Protestanten so verkannten Wert der Kirche nun so stark herausgehoben und anerkannt zu sehen. Für den Katholiken ein beglückendes Bewußtsein dessen, was er besitzt." 82 Beifall sozusagen von der falschen Seite ist auch anderweitig zu hören: „Die sachliche Art, in der Dibelius die neueste Entwicklung der katholischen Kirche zeichnet, verdient unsererseits alle Anerkennung." 83 Erst viel später, aber in einem ganz anderen Sinn, reihte sich öffentlich 84 auch Karl B A R T H in die Phalanx jener Kritiker ein, die dem Jahrhundert der Kirche' eine katholisierende Tendenz attestierten. In seiner 1932 herausgegebenen ,Kirchlichen Dogmatik' (KD I/1) unterstellt er Dibelius eine solche Tendenz mit dem Hinweis auf einen einzigen aus dem Zusammenhang gerissenen und im Zusammenhang des ganzen Buches einigermassen marginalen Satz, um der eigenen Behandlung der Lehre von der „kirchlichen Verkündigung" noch schärfere, abgrenzbare Konturen zu geben. B A R T H zitiert Dibelius mit dem Satz: „Die Predigt, auf die Person des Predigers gestellt (!), steht jetzt zu sehr im Vordergrund^)." 85 Dibelius beklagt im Zusammenhang seines Buches das Verständnis und die Praxis kirchlicher Verkündigung in dem Sinne, dass der Prediger weithin nur ein Publikum, nicht aber eine Gemeinde um sich versammle 86 . Dibelius sieht also 81 Dr. Hans ROST: Eine neue Ära der protestantischen Kirchen (Kölnische Volkszeitung v. 20.5.1927). - Später sieht sich Dibelius in der Frontstellung „gegenüber dem Ansturm der bolschewistischen Barbarei" in seinem katholisierenden Kirchenbegriff noch bestätigt und wendet sich deshalb gegen die „Verflüssigung des Kirchenbegriffs" bei P. TlLLICH und gegen die Kritik F. GoGARTENs, wonach Dibelius nur die überlieferte Kultur verteidigen wolle. Dibelius dagegen geht es „um die Missionierung der Menschheit im Namen des auferstandenen Christus. Wenn man diese Haltung katholisch nennt, dann müssen wir das tragen. In Wirklichkeit ist das alles nicht katholisch. Es ist eben - Kirche!" (SoSp. v. 8.6.1930). 82 N. PAULUS (München) in: LitHw 63, 1926/27, S.340. An anderer Stelle hörte man heraus, dass Dibelius „sogar dem Rosenkranzgebet Sinn und Bedeutung" abgewinne, und abschließend wird resümiert: „Das alles sind treffende Gedanken zur Begründung eines geordneten und dauernden Kirchenwesens" (Una Sancta, 1927, S.366). 83 Katholiken-Korrespondenz, 1928, S.71. 84 Vorbereitet wurde diese Kritik bereits in den Marginalglossen im Handexemplar BARTHS, mit denen er eine ursprünglich geplante zweite Auflage seiner ,Christlichen Dogmatik im Entwurf' zu ergänzen beabsichtigte (vgl. K. BARTH, Die Christliche Dogmatik im Entwurf, 1927 / Gesamtausgabe II/2, 1982, S.42). 85 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.252 mit KD 1/1 (1932), S.64 und die handschriftlichen Glossen zur ,Christlichen Dogmatik im Entwurf' (1927) / Gesamtausgabe II/2, 1982, S.42. 86 Vgl. auch Christ, 1961, S.103.
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das Defizit des Predigtverständnisses in der persongebundenen Fixierung und Einengung auf einen Kanzelredner und vermisst in seiner Zeit die gemeindebezogene Abzweckung und das gemeinschaftsbildende oder gemeinschaftsdarstellende Moment kirchlicher Verkündigung sowohl bei dem Prediger als auch bei der Gemeinde. Nach der Uberzeugung von Dibelius heißt also die Parole eben nicht: weniger Predigt! 87 , sondern: weniger persongebundene, dafür mehr kirchenbezogene und gemeindebildende Predigt! Demgegenüber missdeutet 88 BARTH diesen „Seufzer" in dem Sinne, als ob nach Dibelius die Predigt überhaupt im Rahmen der kirchlichen Verkündigung in den Hintergrund zu treten habe, um auch anderen Formen der Verkündigung in Kunst und Musik 89 oder in allerlei schweigenden oder auch unmittelbar redenden (und so mit der kirchlichen Verkündigung konkurrierenden) Symbolen 90 Raum geben zu können. Während also Dibelius den Missbrauch kirchlicher Verkündigung als Selbstdarstellung des Predigers anprangert, zieht BARTH gegen die „Verkündigung als Selbstdarstellung" 91 (nämlich ihrer selbst) zu Felde, worunter er Dibelius, die Berneuchener und allerlei Symbolisten und - in K D I/1 erst nachgeordnet - auch das Sakramentsverständnis der katholischen Kirche rechnet. In der Vorbereitung einer Neuauflage der ,Christlichen Dogmatik im Entwurf' setzt BARTH das Jahrhundert der Kirche' noch ungebrochen gleich mit dem sakramentalen Verständnis der katholischen Kirche: Sollte mit jenem Seufzer „,das Jahrhundert der Kirche' heute ernstlich damit eingeläutet sein, ...dann wird dieses Jahrhundert sicherlich das der katholischen Kirche werden.... Gegenüber einer Kirche, deren Predigt wirklich ,auf die Person des Predigers gestellt' sein sollte, würde die katholische Sakraments-Kirche im Recht und im Vorsprung sein." 92 87 Im Licht dieser von einem Herrn BÄR vorgetragenen Losung versteht BARTH den aus dem Jahrhundert der Kirche' zitierten Satz. 88 Das in das Dibelius-Zitat eingefügte Ausrufungszeichen lässt vermuten, dass BARTH eine von Dibelius kritisch gemeinte Beschreibung irrtümlich für dessen eigene Parole hält. 89 Julius SMEND hatte der Kirchenmusik, vornehmlich der Orgel, die „Würde einer ,zweiten Kanzel'"zuerkannt (K. BARTH, K D 1/1, S.64). 90 In diesem Sinn wendet sich BARTH gegen TlLLICHs Rede „von den Dingen, sofern sie uns unbedingt angehen" und gegen die Wertschätzung von „Symbolen" im .Berneuchener Buch' (vgl. K D 1/1, S.64f.; vgl. auch schon vorher BARTHS ,Christliche Dogmatik im Entwurf' [1927] / Gesamtausgabe Π/2, 1982, S.43). 91 „Verkündigung als Selbstdarstellung muß sich auf die Dauer als ein überflüssiges und undurchführbares Unternehmen herausstellen und hat sich offenbar schon weithin als das herausgestellt" (KD 1/1, S.65). 92 BARTHS Glosse in seinem Handexemplar der .Christlichen Dogmatik im Entwurf' (1927) / Gesamtausgabe Π/2, 1982, S.42. Sofern in der katholischen Kirche nichts „auf die Person des Predigers gestellt" ist, ist diese dann nach BARTHS Meinung einem degenerierten, nämlich durch einen vergleichsweise dilettantischen und unbewussten Gebrauch der natürlichen Theologie „katholisierenden" Protestantismus sogar noch in einem relativen „Recht" und „Vorsprung". - Die kritsche Behandlung des Dibelius-Zitats erfährt also bei BARTH eine nicht zu übersehende Akzentverschiebung: In den Marginalien zur ,Christlichen Dogmatik im Entwurf' beleuchtet BARTH die Predigt „auf die Person des Predigers gestellt" und interpretiert Dibelius fälschlicherweise in der Weise, dass dieser der Meinung sei, die Predigt müsse unter Absehung der
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Dibelius sah in all den kritischen Anmerkungen, die ihm eine katholisierende Tendenz in seinem Kirchenbegriff unterstellten, keinen Grund zur Korrektur seines Kirchen Verständnisses. Vielmehr ging er diese Behauptungen offensiv an: Nicht eine irgendwie geartete Nähe zum Katholizismus kümmerte ihn, sondern er nahm diese vermutete Geistesverwandtschaft bewusst in Kauf, um dem Katholizismus den Alleinanspruch auf das Kirche-Sein streitig machen zu können. In einer konfessionell hochgespannten Atmosphäre, in der der Papst das Jahr 1925 zum Heiligen Jahr erklärte, das preußische Konkordat mit der katholischen Kirche auf der politischen Tagesordnung stand, die katholische Volksmission in Berlin und in der Mark sich ausgebreitet hatte, in der 1925 in Rathenow, 1926 in Tegel jeweils ein Katholikentag als eine „nach außen wie nach innen wirksame Heerschau des märkischen Katholizismus" 93 abgehalten wurde, stellte Dibelius auf dem 3. Evangelischen Kirchentag der Kurmark in Potsdam am 29.5.1927 seine Predigt unter das Wort in Mt 16,15-18. Diese Predigt veröffentlichte Dibelius dann auch im ,Nachspiel' (1928) als Beispiel seines Kirchenverständnisses 94 . Er wollte damit zeigen, dass diese Textstelle - der „Höhepunkt des Matthäusevangeliums" 95 , in dem ja die katholische Theologie und Kirche die biblische Grundlegung des Papsttums in der unmittelbaren Nachfolge Petri sieht -, dem Alleinvertretungsanspruch der katholischen Kirche entzogen und von nun an voll und ganz auch für die evangelische Kirche reklamiert werden muss: „Unsere Magna charta! 96 Das Wort von Grund und Verheißung unserer Kirche! So legen wir denn heute, auf dies Wort gestützt, von neuem unser evangelisches Bekenntnis zur Kirche ab." 97 Mit machtvollen WorPerson des Predigers vielmehr sakramental „ex opere operato" verstanden werden, wobei BARTH erst nach diesem kritischen Einwand und ohne Zusammenhang mit dem Dibelius-Zitat den Symbolismus in der kirchlichen Verkündigung aufs Korn nimmt (vgl. EBD., S.43). Vier Jahre später erwähnt BARTH in seiner ,Kirchlichen Dogmatik' das Dibelius-Zitat im Zusammenhang der Abwehr des Symbolismus in der kirchlichen Verkündigung, als ob nach Meinung von Dibelius die Predigt „jetzt zu sehr im Vordergrund" stehe und also neben oder vor sie noch andere Formen der Verkündigung treten sollten (vgl. K D 1/1, S.64). Erst danach und unabhängig von dem Dibelius-Zitat setzt sich BARTH dann mit dem Sakramentalismus des katholischen Predigt- und Kirchenverständnisses auseinander (vgl. EBD., S.65f.). - Man gewinnt den Eindruck, dass BARTH sich der kritischen Deutung des Dibelius-Zitats selber nicht mehr so ganz sicher war, aber in der ,Kirchlichen Dogmatik' auf dieses Dibelius-Diktum keinesfalls verzichten wollte. 93 Tätigkeitsbericht des Konsistoriums (vgl. E Z A BERLIN, 14/1649). 94 Vgl. Nachspiel, S. 103-113. - Zum versöhnlichen Ende in der Auseinandersetzung mit der reformierten Gegnerschaft trug auch die anerkennende Bemerkung von W. KOLFHAUS bei, diese „Predigt könnte in jeder reformierten Kirche laut werden" (RKZ 78, 1928, S.59). 95 Nachspiel, S. 103. 96 In den Tagen, als es noch um die Grundlegung der neuen Kirchenverfassung ging, äußerte Dibelius die Hoffnung, dass das neue Verfassungswerk „eine Magna Charta der Evangelischen Landeskirche Preußens" darstellen werde, „die jedem Gemeindeglied, das in ein kirchliches A m t eintritt, im Namen der Kirche feierlich überreicht wird und die in das Bewußtsein der gesamten Kirche lebendig übergeht" (Evangelische Grundsätze [1919/20], S.17). 97 Nachspiel, S. 105. Dibelius spricht ungeniert, aber auch unberührt die Gefahren der N ä h e zum Katholizismus an: „Neue Gefahren werden kommen. Vielleicht sind sie schon da. Vielleicht sind wir wirklich in der Gefahr, eine Dublette der katholischen Kirche zu werden. Vielleicht sind wir wirklich in der Gefahr, Propaganda zu treiben, statt im Namen Jesu zu missionieren. Wir
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ten schließt die Predigt: „Gottes majestätischer Wille hat für unser deutsches Volk die Stunde der evangelischen Kirche schlagen lassen. Nun sollen es die Glocken läuten von Turm zu Turm: die evangelische Kirche ist da! Gottes Machtwort heißt: ich will! Unsere Antwort heißt: Ja, Herr, wir glauben! Und nun soll die Kirche hinein in den Kampf und in den Sieg!"98 4.2
Theologische
Kritik
Schon im Vorwort zum Jahrhundert der Kirche' hatte der kurmärkische Generalsuperintendent vorsorglich darauf hingewiesen, dass es sich bei den Darlegungen seines Buches nicht um eine Lehre von der Kirche, nicht um Ekklesiologie im theologisch-wissenschaftlichen Sinn handeln kann; das Buch sollte lediglich „zum Verständnis der neuen Lage helfen und die ungeheuren Aufgaben und Perspektiven zeichnen, die der evangelischen Kirche heute gegeben sind"99. Dibelius ging es bei seinem Kirchen-„Begriff" um die soziologische Struktur und die empirische Gestalt der Kirche, wie sie geschichtlich geworden und wie sie jetzt real existent war. Allerdings fügt er hinzu, als wäre ihm als Theologe nicht ganz wohl bei dieser Zielvorgabe: es gehe ihm bei alledem auch um „die Kirche, die gleichzeitig eine sichtbare und eine unsichtbare ist, die mit den Füßen auf dieser Erde steht und mit ihrem Haupt, dem Haupte mit der Dornenkrone, bis in die Ewigkeit hineinragt"100. Doch Dibelius bleibt bei seinem nicht-akademischen Anliegen. Auch der Stil seines ganzen Buches trägt bewusst unwissenschaftlichen Charakter, was seine Kritiker teils anerkennend, teils entschuldigend, teils spöttisch vermerkt haben101.
wollen unser Gewissen wach halten! Unsere Augen sollen offen sein! Aber wir bleiben dessen gewiß: der Herr wird auch in Zukunft seine Verheißung wahr machen, daß die Pforten der Hölle seine Kirche nicht überwältigen werden" (Nachspiel, S.112). - Von katholischer Seite aus wurde diese Predigt als ein evangelisches Zugeständnis an die römische Kirche gewertet und daran die Hoffnung geknüpft, dass aus der ökumenischen Gemeinschaft der Kirchen (der sich die katholische Kirche nicht angeschlossen hatte) eine neue wiedervereinigte Katholizität der Kirche entstehen könnte (vgl. Eiche 16, 1928, S.199). 98 Nachspiel, S.113. In der späteren Auseinandersetzung mit K. BARTH wiederholte Dibelius diese sich auf das Neue Testament berufende Sicht seines Kirchenverständnisses: „Christus verkündet Matthäus 16, daß er seine Ekklesia bauen wird. Sofort nach der Auferstehung ist diese Ekklesia da. Sie ist in den Paulusbriefen da. Genauer: vor den Paulusbriefen da. Und zwar als eine empirische sichtbare Realität" (Die Verantwortung der Kirche, 1931, S.15). 99 Jahrhundert der Kirche, Vorwort zur 1. Auflage. Erhellend und zugleich entlarvend beschreibt Dibelius die hermeneutische Maxime und das hermeneutische Interesse an seinem Kirchen-Begriff: sein Buch vom Jahrhundert der Kirche" sei „der Versuch, dem gegenwärtigen Augenblick abzulauschen, wonach er verlangt, und ihm dann zu geben, was er braucht" (Nachspiel, S.12). 100 Jahrhundert der Kirche, S.81. 101 „Das Buch ist in glänzendem Stil, frei von allem theologischen Sondersprachschatz geschrieben" (J. DÜSSE in: DtPfrBl 31, 1927, S.173). Das Buch ist im „stilus rethoricus" (sie!) geschrieben (E. HIRSCH in: ThLZ 52, 1927, Sp.25). „Es ist gelegentlich gespottet worden, D(ibelius) habe sein Buch beim Nachmittagskaffee in die Maschine diktiert" (PBl 70, 1927/28, S.664).
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Es spricht deshalb für die Bedeutung dieses Buches, dass trotzdem das Jahrhundert der Kirche' auch unter theologischen Gesichtspunkten und mit theologischem Interesse gelesen und auch aus diesem Blickwinkel der Kritik unterzogen wurde. 4.2.1 Exegetische Bedenken Die biblisch-exegetische Frage, die sich mit dem Kirchen-Begriff von Dibelius stellt, sucht den Zusammenhang zu klären zwischen der Botschaft Jesu und dem Werden der Urkirche bzw. dem Gewordensein von Kirche in dem von Dibelius verstandenen historisch-faktischen und soziologisch-empirischen Sinn. Mit axiomatischer Gewissheit behauptete Dibelius: Gott will die (evangelische) Kirche. Auf Grund dieser göttlichen Prädetermination versuchte Dibelius dann auch vom Neuen Testament her nachzuweisen, dass Jesus in Wort und Tat immer auch die Kirche mit gemeint, wenn auch nicht eigentlich absichts- und planvoll gestiftet habe 102 . Jesus ist der Grund der Kirche; aber als solcher kann er nach Dibelius auch als Gründer der Kirche gelten. Wilhelm M I C H A E L I S , damals Privatdozent in Berlin, überprüfte den KirchenBegriff von Dibelius, ausgehend von der Textstelle in Mt 16,18: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde (ekklesia), und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen."103 Dieses Wort ist, so M I C H A E L I S , auszulegen und zu begrenzen durch die ausschließlich eschatologisch bestimmte Predigt Jesu von der nahen Gottesherrschaft. Unter Berücksichtigung des geschichtlichen Bruchs, der durch das zusammengehörige Ereignis von Kreuz und Auferstehung Jesu markiert ist, gibt es keine Entwicklungslinie, die sozusagen geradewegs und schnurstracks zur Entstehung der Urgemeinde führt: „Die Predigt Jesu ist ausschließlich eschatologisch orientiert" 104 - und eben nicht ekklesiologisch. „So ergibt sich denn aus dem ausschließlich eschatologischen Charakter der Predigt Jesu, daß von dieser Predigt kein Weg führt und kein Weg geführt hat zu irgendeinem soziologischen Gebilde, sei es Kirche oder eine andere Lebensform." 105 Die Entstehung der Urgemeinde ist dem kontingenten, nicht ableitbaren Geschehen der Ostererscheinungen und des Pfingstwunders zu verdanken: „Man kann das Thema Jesus und die Kirche' nicht behandeln, ohne von Ostern und Pfingsten zu reden", und man kann eben nicht, so lautet die Quintessenz bei M I C H A E L I S , mit einer vorgefassten Definition von Kirche die Evangelien und die Predigt Jesu befragen, um so die 102 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.102ff.. „Es liegen im Evangelium Jesu starke Impulse, die zur Kirche treiben. ...Darum: wer das Evangelium will, der m u ß auch die Kirche wollen" (EBD. S.113). 103 MICHAELIS kritisiert, dass Dibelius im J a h r h u n d e r t der Kirche' diesen „locus classicus" nicht berücksichtigt habe (DtPfrBl 31, 1927, S.319). - F ü r Dibelius war dieser Einwand der A n lass, seine auf dem Kurmärkischen Kirchentag gehaltene Predigt über dieses T e x t w o r t in seinem .Nachspiel' zu veröffentlichen. 104 EBD., S.334. 105 EBD., S.335; die folgenden Zitate EBD.
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Zustimmung für die eigene Meinung zu bekommen. Deshalb laute die Frage nicht, ob und inwieweit der damalige Ursprung und die heutige Entstehung von Kirche dem Geist und Willen Jesu entsprochen habe; die Aufgabe sei vielmehr umgekehrt zu bestimmen: „Von Ostern und Pfingsten aus, die genau so normierend sind wie die Predigt Jesu, ist zu prüfen, welche soziologische Lebensform dem Willen Gottes entspricht". Ungeachtet dessen beharrt in der sich anschließenden Kontroverse im d e u t schen Pfarrerblatt' ein Pfarrer aus der Prignitz darauf, dass Jesu Predigt und Person - gleichsam im direkten Zugriff und ohne Berücksichtigung der durch Ostern und Pfingsten gesetzten Diskontinuität - von der gegenwärtigen N o t in Kirche und Volk aus befragt werden könne. Er stimmt deshalb dem Ansatz von Dibelius voll und ganz zu: „Wenn je, so schreit gerade die gegenwärtige Zeit nach einem soziologischen Gebilde, das einigermaßen den bescheidensten Ansprüchen genügt." U n d : „wenn Jesus sich uns anbietet, angesichts dessen, daß höllische Mächte uns zu überwältigen drohen, einen Bau aufzuführen, in dem wir wohlgeborgen sind, so haben wir doch wohl Ursache genug, darauf zu achten." 1 0 6 Warum sollte also nicht Jesus die Antwort sein auf die Fragen und N ö t e der Gegenwart, auf die Sehnsucht nach neuen Lebensformen? Warum sollte Jesus nicht gerade in Mt 16,18 auf diesen Not- und Sehnsuchts-Schrei antworten? Offenbar ganz unter dem Eindruck des Kurmärkischen Kirchentags wiederholt der Schreiber den exegetisch-homiletischen Skopus der Predigt von Dibelius über dieses Textwort: „So kann man dieses Jesuswort, obgleich es an einen einzelnen gerichtet ist, als die der Kirche gegebene magna charta, in der ihre Machtvollkommenheit und Aufgabe verbrieft ist, ansehen." 1 0 7 In seiner Antwort machte MICHAELIS noch einmal klar, dass man die Situation und die Worte Jesu vor Ostern und Pfingsten nicht einfach übertragen kann in die Zeit der Kirche hinein und auf einen soziologisch vordefinierten Kirchenbegriff; man müsse die durch Ostern und Pfingsten gesetzte Spannung aushalten und den Unterschied wahren zwischen dem geschichtlichen Jesus und dem erhöhten Christus 1 0 8 . O b w o h l Dibelius in seinem ,Nachspiel' - in einer an AUGUSTINs ,Confessiones' erinnernden Mischung aus biblischer Erkenntnis und persönlichem Be-
EBD., S.445f. EBD., S.446 - Auf dem Kurmärkischen Kirchentag am 29.5.1927 sagte Dibelius in seiner Predigt über Mt 16,15-18: „Unsere Magna charta! Das Wort von Grund und Verheißung unserer Kirche!" (Nachspiel, S.105). 1 0 8 Vgl. DtPfrBl 31, 1927, S.479. In seinem Buch .Täufer, Jesus, Urgemeinde' (1928) bekräftigte und präzisierte MICHAELIS seinen exegetischen „Nachweis, welche Bedeutung ...Ostern und Pfingsten gehabt haben, die als ständige Offenbarungen erst die Entstehung der Urgemeinde ermöglicht und gefordert haben" (Vorwort, S.5). In der direkten kritischen Bezugnahme auf Dibelius' Jahrhundert-Buch (S.106, A n m . l ) beurteilte MICHAELIS das Jesus-Wort in Mt 16,18 (S.105110) als eine spätere legitimierende Auszeichnung des Zwölferkreises, während das Wort des geschichtlichen Jesus selber weder über den T o d Jesu hinausreiche noch irgendwie zur Entwicklung und Entstehung der nachösterlichen Urgemeinde beigetragen habe. 106
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k e n n t n i s 1 0 9 - erstaunlichen Aussagen R a u m gibt, w o n a c h die E v a n g e l i e n
vom
O s t e r g l a u b e n her, „ v o n h i n t e n " , z u lesen u n d z u v e r s t e h e n seien 1 1 0 , hielt e r letztlich d o c h an s e i n e m h e r m e n e u t i s c h e n u n d h o m i l e t i s c h e n P r i n z i p fest, die Bibel u n d s o a u c h die W o r t e J e s u u n m i t t e l b a r in die G e g e n w a r t s p r e c h e n u n d die K i r c h e u n g e b r o c h e n v o n den n e u t e s t a m e n t l i c h e n W o r t e n J e s u h e r begründet sein z u lassen 1 1 1 . In s e i n e m . B e r i c h t v o n der K i r c h e ' ( 1 9 4 1 ) 1 1 2 n a h m Dibelius das T h e m a „Jesus u n d die K i r c h e " in dieser W e i s e w i e d e r auf. G e g e n den b e k a n n t e n Satz des k a t h o lischen M o d e r n i s t e n A l f r e d L O I S Y („Jesus v e r k ü n d i g t e das R e i c h G o t t e s -
und
w a s k a m , das w a r die K i r c h e . " ) b e g r ü n d e t e e r m i t d e m an P e t r u s g e r i c h t e t e n J e sus· W o r t aus M t 1 6 , 1 8 den u n m i t t e l b a r e n sachlichen Z u s a m m e n h a n g v o n damaliger J e s u s - V e r k ü n d i g u n g u n d g e g e n w ä r t i g e m Kirche-Sein. M a n m e i n t e , so fasst Dibelius z u n ä c h s t die seitherigen exegetischen E r k e n n t n i s s e z u s a m m e n ,
„dies
W o r t h a b e Jesus aus N a z a r e t h nie gesprochen. E r habe es gar n i c h t s p r e c h e n k ö n n e n , weil e r eben nichts v o n K i r c h e g e w u ß t habe. R i c h t i g ist das Gegenteil. Jesus v o n N a z a r e t h hat bei j e d e m W o r t , das er sprach, an seine K i r c h e gedacht. Seiner K i r c h e hat e r die B o t s c h a f t v o m V a t e r v e r k ü n d i g t , d a m i t sie sie h ü t e u n d ihr g e h o r s a m s e i . " 1 1 3 So k o n n t e d a n n Dibelius in g r o ß e r E i n d e u t i g k e i t u n d G e wissheit festhalten: „Jesus v o n N a z a r e t h hat also seine W o r t e z u seiner K i r c h e ges p r o c h e n , n i c h t z u d e r M e n s c h h e i t i m allgemeinen. W e i l er die K i r c h e m e i n t e , d a r u m sagte e r , i h r ' . " 1 1 4
1 0 5 O. SCHMITZ notierte: „das ,Nachtgespräch' mit dem Gekreuzigten, so lehrreich es ist für die ,Theologie', die doch hinter dieser Kirchlichkeit steht, habe ich mit gemischten Gefühlen gelesen" (Furche 14, 1928, S.108). 1 1 0 Nachspiel, S.49. „Die Evangelien von hinten lesen! Alles, was sie erzählen, will ihn, den Auferstandenen, den Lebendigen, bezeugen" (EBD.). 1 1 1 Zeitlebens hat Dibelius gegen alle exegetischen und theologisch-systematischen Einsprüche an diesem hermeneutischen Axiom festgehalten: „Jesus Christus hat eine Kirche gewollt! Er hat nicht eine Philosophenschule oder eine nur für Eingeweihte bestimmte Gemeinschaft gründen wollen. Er hat seine Kirche gegründet!" (Muß die Kirche eigentlich modern sein?, 1964, S.4). 1 1 2 Dibelius hatte den .Bericht von der Kirche' (1941) dem Andenken an den jüngsten Sohn Franz Gerhard gewidmet, „der bei La Bassee den Soldatentod gestorben ist. Er hatte sein junges Leben fest mit dem Jesus aus Nazareth verbunden und kannte kein anderes Ziel, als der Kirche hier auf Erden mit einem klaren Bekenntnis von Gottes Wahrheit zu dienen, so wie er das im kleinen schon unter seinen jungen Freunden tat" (EBD., S. 118; vgl. auch die Mitteilung der Familie Dibelius über den Tod des Sohnes in: EZA BERLIN, 603/NL Dibelius und BA KOBLENZ, N L Dibelius). 1 1 3 Bericht von der Kirche, 1941, S.9. - Noch 1919/20 konnte Dibelius ganz im Anklang an das Wort von LOISY sagen: „Jesus hat keine Kirche gestiftet, sondern er hat den Anbruch des Gottesreiches verkündigt" (Evangelische Grundsätze [1919/20], S.3). 1 1 4 Bericht von der Kirche, 1941, S.9 („ihr", d.h.: Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!). Man mag diese Aussagen über alle exegetischen Bedenken hinweg auch von der Situation her erklären und verstehen, in der sie geschrieben sind. Wenn Dibelius im Kriegsjahr 1941 so spricht, dann meint er ja damit auch und gerade die Bekennende Kirche, die sich auf Jesus beruft und die sich von Jesus her begründet versteht. Deshalb ist dieser ,Bericht von der Kirche' (1941) zugleich mit den beiden anderen zu einer „Trilogie" vereinigten Schriften: .Bericht von Jesus aus Nazareth. Tatsachen von gestern und heute' (1938) und .Die Jünger. Ein Bericht von der Nachfolge damals und heute' (1939) - als ein Trost- und Ermutigungsbuch für die Bekennende Kirche
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Exkurs: Auseinandersetzung mit Bultmanns Entmythologisierungsprogramm Die Einsicht, dass man die Evangelien als Ausdruck des Osterglaubens „von hinten", also als Glaubens-Geschichten und nicht als Tatsachen-Geschichten, lesen müsse, verbindet sich bei Dibelius mit der Erkenntnis, dass dabei die Evangelien auch von mythologischer Vorstellungswelt und Sprachgestalt durchzogen sind: „Die Auferstehung ist das Erste. Sie ist der Schlüssel zum Verständnis aller evangelischen Geschichten. ...Die Evangelien (sind) nicht einmal geschichtliche Wirklichkeit, sondern durchsetzt und getragen von Mythologie, alles durchzogen von jenem Osterglauben." 1 1 5 Diese Einsicht und diese Erkenntis lassen zunächst erwarten, dass Dibelius später dem „Entmythologisierungs-Programm" von Rudolf BULTMANN großes Verständnis hätte entgegenbringen müssen. Erstaunlicherweise aber reihte sich auch Dibelius in die Schar der Kritiker ein und meldete im Auftrag des Bruderrats von Berlin-Lichterfelde seine ernsten Bedenken an. In seinem Schreiben von Anfang Mai 1942 bemerkte er einerseits, dass es der Gemeinde schwer verständlich sei, wenn bei BULTMANN die Heilstatsachen der Schrift u m ihrer Verstehbarkeit willen „zunächst als Unmöglichkeiten abgetan werden und wenn dann der Versuch gemacht wird, ihnen trotzdem auf eine sehr komplizierte und gedanklich schwierige Weise einen Sinn beizulegen"; andererseits gab er zu bedenken, dass die Alpirsbacher Ausführungen BULTMANNs in einer Schriftenreihe (nämlich in den ,Beiträgen zur Evangelischen Theologie', Heft 7, unter dem Titel: „Offenbarung und Heilsgeschehen") erschienen seien, „die in besonderer Weise als der Bekennenden Kirche zugehörig betrachtet wird. Es wäre verhängnisvoll, wenn der Eindruck entstünde, dass das, was Prof. BULTMANN vorträgt, die Theologie der Bekennenden Kirche sei, während eine Theologie, die die Heilstatsachen unsres Glaubens als Tatsachen bekennt, ihre Heimat außerhalb der Bekennenden Kirche habe. Das würde den ganzen Kampf der Bekennenden Kirche, insbesondere ihren Widerspruch gegen die Behandlung des Neuen Testamentes durch die Deutschen Christen, für die Gemeinde unglaubwürdig machen." 1 1 6 Nachdem bereits zwei Monate vorher Hans ASMUSSEN in äußerst scharfer Weise die Veröffentlichung des BULTMANN'schen Vortrage in den ,Beiträgen zur Evangelischen Theologie' attackiert und jedes Gespräch über das von BULTMANN angezeigte theologische Problem von vornherein abgelehnt hatte 117 , zeigte Kirche in der Mark Brandenburg an die Mitglieder verschickt; K. SCHARF bedankte sich für das positive Echo: „Es hat uns große Freude bereitet, daß Sie ,Die Jünger' so herzlich aufgenommen haben" (Brief v. 29.1.1940, in: K. SCHARF, Gewissen, 1972, S.124). - Die Schrift .Bericht von Jesus von Nazareth', die 1952 in 8. und 1961 in 11. Auflage herauskam, stellte Dibelius in ihrer Bedeutung seinem Hauptwerk gleichrangig an die Seite: Das Jahrhundert der Kirche' war „mit meinem Herzblut geschrieben - so wie später nur noch mein kleiner ,Bericht von Jesus von Nazareth' " (Christ, 1961, S.142). 1 1 5 Nachspiel, S.49. 1 1 6 Dibelius an E. WOLF v. 12./13.5.1942 (UA TÜBINGEN, N L Bultmann). 1 1 7 „Ausführungen dieser Art kann die Christenheit nicht anders begegnen als den Irrtümern der D C " (Η. ASMUSSEN an E. WOLF v. 21.3.1942, in: EBD.). Später allerdings hat ASMUSSEN seine Bedenken, angeregt durch das differenzierende Urteil H. THIELICKEs, in ruhigerem und
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sich Ernst WOLF dankbar dafür, dass Dibelius sein Anliegen „in so sachlicher Form ausgesprochen" habe, bekräftigte allerdings seine Meinung, dass die Behandlung des BULTMANN'schen Entmythologisierungsproblems „zentral zu den gerade von der BK in den Barmer Sätzen prinzipiell beantworteten Fragen der Offenbarung und Verkündigung gehört" 118 . U m nicht das „Kirchliche Einigungswerk" um die jetzt neu hinzugekommene Auseinandersetzung, d.h. um die Geltung und Bedeutung der Bibel als Heiliger Schrift, zu gefährden, lud der Württembergische Landesbischof WURM im Februar 1943 - u.a. auch Dibelius - zu einer Tagung nach Stuttgart über das Entmythologisierungsprogramm ein, bei der H. THIELICKE das Einführungsreferat hielt. Wie weit innerhalb der Bekennenden Kirche das Urteil über den Alpirsbacher Vortrag BULTMANNs (Pfingsten 1941) auseinanderging, ist wohl am besten mit den beiden Namen Dietrich BONHOEFFER und Hans ASMUSSEN zu kennzeichnen: Gegenüber der schon damals laut gewordenen Kritik ließ BONHOEFFER seine „große Freude" an dem Aufsatz von BULTMANN erkennen und überhaupt an der ,,intellektuelle(n) Redlichkeit seiner Arbeiten"; gleichzeitig zeigte er ganz offen seine Verärgerung über manchen Kritiker: „Diese Dünkelhaftigkeit, die hier floriert - ich glaube unter dem Einfluß einiger Wichtigtuer ist für die Век. К. wirklich eine Schande." 119 ASMUSSEN hingegen verweigerte die Mitarbeit bei der 5. Tagung der Gesellschaft für Evang. Theologie am 17.6.1942 in BerlinFriedenau „aus ,schweren inneren Bedenken' gegen die Gesellschaft überhaupt und um in seiner Ablehnung des BULTMANN'schen Vortrages ,eindeutig' zu bleiben" 120 . Gleichwohl ließ es Dibelius nicht zu, wenn den Anhängern von BULTMANN Glaube und Redlichkeit abgesprochen wurden. Einem Wiesbadener Pfarrer, der Dibelius wegen der BULTMANN'schen „Irrlehre" anging, antwortete der Berliner Bischof Anfang 1955: „Auch den Pfarrern, denen Sie Irrlehre vorwerfen, ist es um den Gott zu tun, den wir Christen miteinander als unsern Herrn bekennen. Sie nehmen es ebenso ernst mit der Wahrheit wie Sie und ich. Und sie stehen jedenfalls mit ihrer ganzen Person für das ein, was sie sagen. Deshalb kann unsere Kirche sie heute nicht einfach verketzern." 121 - Dies ist eine echt „kirchliche" Antwort von Dibelius. Die kirchliche Front geht nach außen, nicht nach innen: Eine Kirche hat sich u.U. auch vor ein irrendes Gewissen und vor einen möglichen „Irrlehrer" zu stellen, wenn es ihm nur ernst ist mit dem gemeinsamen Got-
seine Bedenken, angeregt durch das differenzierende Urteil H . THIELICKEs, in ruhigerem und sachlichem Ton ausführlich dargelegt (vgl. ASMUSSEN an THIELICKE v. 14.3.1943, in: E Z A BERLIN, 50/544, pag.252-258). 1 1 8 WOLF an Dibelius v. 16.5.1942 (UA TÜBINGEN, N L Bultmann). 1 1 9 BONHOEFFER an WOLF v. 24.3.1942 (EBD.) 1 2 0 Protokoll dieser Tagung (EBD.). Vgl. auch den editorischen Bericht von K. W. MÜLLER zu dem BULTMANN-Aufsatz „Theologie als Wissenschaft" (ZThK 81, 1984, S.470f.). 1 2 1 Zitiert im Brief von Pfarrer Erwin KRAUSS an Dibelius v. 24.2.1955 (UA TÜBINGEN, N L Bultmann).
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nen weiteren Beleg dafür, dass Dibelius das Entmythologisierungsprogramm nicht von der Theologie her kritisierte, sondern dass er in seiner Kritik sich schützend vor die Gemeinde meinte stellen zu sollen, zeigt eine spätere briefliche Äußerung gegenüber Wilhelm NlEMÖLLER: „Was BULTMANN angeht, so muß man doch einfach zugeben, daß seine Thesen für unsere kirchentreuen Gemeinden etwas Alarmierendes haben mußten. Ich selbst habe mich immer bemüht, positive Worte für ihn zu finden ..." 122 4.2.2 Historische Bedenken Mit Nachdruck verfocht Dibelius die These, dass mit der Revolution von 1918, genauer: mit dem 9. November 1918, eine neue Epoche der Kirchengeschichte begonnen habe. Die Revolution hat nicht nur kirchengeschichtliche Bedeutung bekommen, sondern hat den Rang eines kirchlichen Datums gewonnen; sie ist zum Geburtstag der neu gewordenen Kirche, zum Urdatum des „Jahrhunderts der Kirche" geworden 123 . Diesem Axiom wird dann die Beurteilung und Einordnung anderer historischer, politischer, theologiegeschichtlicher Ereignisse untergeordnet. So wird die ganze Zeit von „CHLODWIG bis 1918" 124 der Epoche des 1 2 2 Dibelius an Wilhelm NIEMÖLLER v. 16.9.1955 (LKA BIELEFELD 5 / N r . l , Bd.327, Fasc.2). Im April 1951 befasste sich Dibelius auf der EKD-Synode in seinem Rechenschaftsbericht als Ratsvorsitzender mit dem Streit um das Entmythologisierungsprogramm: Mit „sorgenvoller Aufmerksamkeit" beobachte er in der jungen Theologengeneration die Unruhe, die sich mehr im Westen ausbreite, weil man sich im Osten „zum Kampf gegen eine vordringende Weltanschauung gefordert" sehe; dort spüre man „instinktiv, daß nur die einfältige Beugung unter das Evangelium die Kraft zu dem geben kann, was die Stunde fordert: nämlich bereit zu sein, für die ewige Wahrheit Gottes zu leiden und, wenn es sein muß, auch zu sterben." Dennoch war Dibelius sichtlich bemüht, nicht noch mehr Ol ins Feuer der Auseinandersetzung zu gießen: „Wir rufen gewiß nicht nach einer Zensur der Kirche über Arbeiten der theologischen Wissenschaft. Wir haben die Zuversicht, daß die theologische Wissenschaft sich auch in Zukunft immer wieder selbst korrigieren wird, wie wir das in der Vergangenheit stets erlebt haben. Wir wissen auch, daß viele von denen, die zu Rudolf BULTMANNs Füßen gesessen haben, bezeugen, daß sie bei ihm gelernt haben, was es um die Rechtfertigung durch den Glauben in der Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi ist" (zit. nach Herder-Korrespondenz 5, 1951, S.395f.). - Dieses Votum ist im Übrigen ein weiterer Beleg dafür, dass Dibelius nicht so sehr an der theologischen Auseinandersetzung innerhalb der Kirche interessiert war und seine Aufmerksamkeit mehr dem Weltanschauungskampf einer geschlossenen und entschlossenen Kirche nach außen gegen einen kirchenfeindlichen oder unchristlichen Staat galt. 123 Vgl. z.B. auch SoSp. v. 20.7.1930: „Der christliche Staat ist zu Ende. Damit ist auch das Stück Kulturgeschichte zu Ende, in dem der christliche Staat die Kräfte der gesamten Nation auf der Grundlage christlicher Sittlichkeit zusammenfassen konnte. Der Abschnitt der Schulgeschichte ist zu Ende, in der die Omnipotenz des Staates auf dem Gebiet der Erziehung eine Selbstverständlichkeit war. Die Geschichte der Rechtsbildung ist zu Ende, in der ein Staatsrecht Grundlagen schaffen konnte, deren Autorität für verantwortungsbewußte Menschen als unantastbar galt. Die F o r m des kirchlichen Lebens ist zu Ende, die ihre äußeren Ordnungen dem Staat entlehnte. Es hat auf protestantischem Boden, man mag sagen, was man will, das Jahrhundert der Kirche angefangen!" 1 2 4 Nachspiel, S.15. Dibelius schränkt für die Gültigkeit dieser Geschichtsschau ein, daß dies „wenigstens für das deutsche Volk" (EBD.) gelte. Damit spricht Dibelius freilich nicht nur dem Luthertum, sondern auch LUTHER selbst und der Zeit der Reformation die Intention des KircheSeins ab. Spätestens hier kann er sich nicht mehr auf K. HOLL berufen, den er im Vorwort zum
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Mittelalters zugerechnet, deren letzte Abschnitte, besonders Pietismus, Aufklärung, Idealismus und Liberalismus, unter dem Stichwort „Individualismus" 125 behandelt und bewertet werden. In den kritischen Bemerkungen zum Jahrhundert der Kirche' wird immer wieder deutlich, wie sehr Dibelius, der sich selber gern als „Historiker" 1 2 6 verstanden wissen wollte, sich hier von einer subjektiven, interessengeleiteten und eben nicht wissenschaftlich fundierten Bewertung der historischen Vorgänge leiten ließ. Gerade im einleitenden „Buch der Geschichte" kommt es deshalb „zu bedenklichen Einseitigkeiten und Ungerechtigkeiten", die „eine wahrhaft erschreckende perspektivische Verkürzung" 1 2 7 bedeuten. Daraus erklärt sich auch der geschichtliche Schematismus, der die Kirchengeschichte nur in zwei große Epochen einzuteilen versteht, die durch die geschichtlich-politische Zäsur von 1918 voneinander getrennt 128 werden. Auch Emanuel HIRSCH legte dagegen hefSeins ab. Spätestens hier kann er sich nicht mehr auf K. HOLL berufen, den er im Vorwort zum Jahrhundert der Kirche' zu seinem Kronzeugen anruft. HOLL sah gerade in den Ereignissen von 1918 mit großer Genugtuung die Chance gegeben, „daß die Entwicklung jetzt endlich auf die Bahnen zurücklenkt, die LUTHER eingeschlagen wissen wollte. Denn der Preis, den die evangelische Kirche für die Vorteile dieser Einrichtung (sc. des landesherrlichen Kirchenregiments) zu bezahlen hatte, war hoch, allzuhoch. Die besten Kräfte der Reformation sind durch sie hintangehalten oder gezwungen worden, sich neben der Kirche zu entfalten." (K. HOLL in dem nach 1918 wiederabgedruckten Aufsatz von 1911: „Luther und das landesherrliche Kirchenregiment", zit. nach G. HOFFMANN, Nachwirken, 1961, S.129) - LUTHER kennt wohl das geistliche Leitungsamt des evangelischen Bischofs (meist kombiniert mit der Aufgabe des „Superattendenten"); er konnte freilich auch den jeweiligen Landesherrn zum „Notbischof" erklären, hat dies aber nur als sachlich und zeitlich begrenzte Notlösung betrachtet. Er wollte den Landesherrn nicht als „summus episcopus" etabliert wissen (vgl. M. BRECHT, Bischofsamt, 1990, S.143). 1 2 5 Mit seinem Affekt gegen allen Subjektivismus und Individualismus schließt sich Dibelius einer antiliberalen Haltung an, in der er sich auch mit der Theologie der „Krisis" einig wissen konnte. Gleichzeitig aber impliziert diese Haltung geistes- und mentalitätsgeschichtlich betrachtet auch eine antiaufklärerische Tendenz (vgl. dazu kritisch z.B. K. LEESE, Religion, Kirche und Theologie, in: V Z v. 7.2.1932). Diese Haltung konnte sich bei Dibelius in einem Vortrag (Herbst 1932) sogar bis zum Lob des Irrationalen in Verbindung mit antisemitischen Ressentiments verstärken: „Die starke Bewegung unserer Tage, die sich dem Individualismus entgegenwirft und das gesamte Leben wieder von der Gemeinschaft her erfassen will, hat weithin den Kontakt mit dem christlichen Glauben gefunden. ...Blutsgemeinschaft und Volksgemeinschaft lehnen sich auf gegen den Internationalismus der Klassengesichtspunkte. ...Das Ziel der deutschen Freiheit... ist nicht von dem scharf berechnenden Verstand eines Juden erdacht. Es ist nicht mit rein materiellen Entwicklungen verbunden. Es stammt aus Gefühl, aus Instinkt, aus Regungen des Blutes. Es wird mit der Seele, nicht mit dem Verstand ergriffen." (Das Wiedererwachen des Glaubens, 1933, S.38-41) Zur Entwicklung des politischen und unpolitischen Irrationalismus vgl. K. SONTHEIMER, Denken, 1962, S.43ff. 1 2 6 Dibelius verstand sich als Historiker (im Unterschied zu einem systematischen Theologen) und so auch als ein „Mann der Kirche". Vgl. z.B. Christ, 1961, S.306f.: „Systematische Theologie war ... weder mein Fach noch galt ihr mein besonderes Interesse. ... Ich hatte gelernt, geschichtlich zu denken und bei allen theologischen Fragen auf die Aussagen der Heiligen Schrift zurückzugehen. ...Aber wenn ich auch kein wissenschaftlicher Systematiker war, so war ich doch ein Mann der Kirche". 1 2 7 K. FISCHER, Die Rechtfertigung der Kirche (Neues Sächsisches Kirchenblatt 24, 1927, Sp.319). 1 2 8 Sogar M. SCHIAN, der sich sonst im Grundsatz mit Dibelius einig weiß, relativiert diese historische Zäsur mit einem zutreffendem Wirklichkeitssinn für eine mehr organische Entwick-
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tigen Protest ein und musste gerade als Historiker solchen Schematismus „ziemlich haarsträubend" 129 finden. Dass solche historischen Bedenken auch mit politischen Ressentiments gegen die Revolution von 1918 vermischt waren, zeigt die deutliche Zurückhaltung, mit der der Herausgeber des ,Kirchlichen Jahrbuchs', Johannes SCHNEIDER, der These vom Geburtstag der evangelischen Kirche in Deutschland und dem diesem Geburtstag vorausgehenden „befreienden Gewitter" 1 3 0 begegnete: Obwohl SCHNEIDER das Jahrhundert der Kirche' rundum begrüßt hatte, konnte er dieses Lob nur „trotz allerlei kritischer Anfechtung" 131 aussprechen. Worin diese Anfechtung besteht, verschweigt SCHNEIDER zwar; es lässt sich aber aus der glättenden Wiedergabe dessen, was Dibelius präzis mit dem „befreienden Gewitter" gesagt und gemeint hat, erschließen: SCHNEIDER referiert nämlich das Jahrhundert der Kirche' in der Weise, dass der Eindruck entsteht, die evangelische Kirche verdanke ihr Kirche-Sein eben nicht der geschichtlichen Tatsache der Revolution von 1918, sondern der neuen in Weimar entstandenen Reichsverfassung. „In der Tat verdankt", so stellt SCHNEIDER seine nur scheinbare Ubereinstimmung mit Dibelius her, „die evangelische Kirche der neuen Verfassung unendlich viel. Sie hat die Kirche erst zur ,Kirche' gemacht ... Sie hat Kräfte entbunden, die man längst erledigt und begraben wähnte." 132 Die pointierte und dezidierte Behauptung von Dibelius, ausgerechnet die sonst so verhasste Revolution habe die Kirche zur Kirche gemacht, war für SCHNEIDER ein ganz unerträglicher Gedanke und sicherlich der wahre Grund für seine nur verdeckt angedeutete „kritische Anfechtung". Auch er erkannte nicht oder wollte es nicht anerkennen, dass Dibelius mit dieser Fixierung auf einen geschichtlichen Augenblick die Kirche in der freien und befreienden Tat Gottes begründet sehen und nicht als das Ergebnis
lung: „Die Sache steht ...so, daß sie (sc. die Kirchen) vor 1918 nicht mehr absolut staatsgebunden waren, während sie nach 1918 noch nicht völlig staatsfrei sind." (Ecclesiam habemus, 1931, S.7) Ebenso setzte sich auch Dibelius' westfälischer Kollege Wilhelm ZOELLNER gegen solchen historisch-ekklesiologischen Schematismus zur Wehr: „Aber freilich, wenn jetzt ...eine neue Phase anzubrechen scheint, ...dann bewahre uns Gott davor, daß wir etwa über einer neuen Verfassung, so bedeutsam sie an sich sein möge, ausrufen: ,Habemus ecclesiam'. Gerade, wenn es sich um eine neue Epoche für unsere Kirche handeln sollte, dann soll... nicht vergessen bleiben, daß wir auch schon früher Kirche gehabt haben; denn wo wären wir, wenn das nicht der Fall wäre?" (Fr. SlEGMUND-SCHULTZE, Kirche, 1930, S.21). 1 2 9 T h L Z 52, 1927, Sp.25; vgl. auch R K Z 77, 1927, S.60f.; PrKZ 23, 1927, Sp.99, H . FRICK, Romantik, 1929, S.7, M. DOERNE (AELKZ 62, 1929, Sp.77f.). - Auch aus der Perspektive der polnisch-evangelischen Diaspora wird die Bedeutung der Zäsur von 1918 in Zweifel gezogen: „die Schwergewichtsverhältnisse des ganzen Buches müssen anders verteilt werden. Nicht als geschichtliche Notwendigkeit nur kommt dann die geschichtliche Aufgabe zu uns, sondern als unmittelbar gegenwärtiges Weltregiment des Christus, der seine Herrschaft ausübt im W o r t " (A. SCHNEIDER in: Evang. Kirchenblatt für Polen 6, 1927/28, S . l l l ) .
Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.75ff.; Nachspiel, S.89ff. KJ 54, 1927, S.480. 1 3 2 KJ 54, 1927, S.480. Schon früher setzte SCHNEIDER die geschichtliche Zäsur nicht mit dem Jahr 1918, sondern mit dem Jahr 1920/21 an: „Die Kirchengeschichte wird einst feststellen, daß mit den Jahren 1920 und 1921 eine neue Epoche begonnen hat. Die evangelischen Landeskirchen Deutschlands sind etwas ganz anderes geworden, als sie seither waren" (KJ 49, 1922, S.379). 130
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von menschlich-politischen Ereignissen, Entscheidungen und Entwicklungen verstehen wollte. 4.2.3 Theologisch-systematische Bedenken Das große Verdienst Adolf v. HARNACKs, des akademischen Lehrers von O t t o Dibelius, war es, dass er der Theologie als Wissenschaft wieder eine glaubwürdige und geachtete Stimme im Konzert der akademischen Disziplinen und der universitären Fakultäten zurückerobert hatte 133 . Dibelius sah es nun in Fortführung der Bemühungen seines Lehrers als seine Mission an, der „Kirche" innerhalb der wissenschaftlichen Theologie wieder Beachtung und Geltung zu verschaffen und sie zu einer Funktion der Theologie zu machen. Auch diesem Ziel sollte sein Buch v o m „Jahrhundert der Kirche" dienen. D o c h versuchte er diesem „kirchlichen" Anspruch auf bewusst nichtwissenschaftliche Weise gerecht zu werden: „Nicht eine wissenschaftliche Gabe kann ich bringen", betonte Dibelius im Vorwort der 1. Auflage vorsorglich. Aber er wollte deutlich machen, dass jetzt die Kirche in dem wechselseitig befruchtenden Gespräch mit der Theologie nicht mehr nur der nehmende Teil bleiben könne: „Das wird nun, wenn nicht alle Zeichen trügen, in Zukunft anders sein." 1 3 4 Die Kirche kann nun - ihrer selbst bewusst und deshalb selbstbewusst geworden darauf bestehen, nicht immer nur gleichsam von der höheren Warte der theologischen Wissenschaft her kritisiert und katechisiert zu werden; sie kann es sich leisten, sich selbst nicht immerzu problematisieren zu müssen. Freilich wurde das Buch v o m „Jahrhundert der Kirche" mit Recht trotz der bewusst nicht-wissenschaftlichen F o r m durchaus auch in seinem wissenschaftlich-theologischen Gehalt erkannt. So war es angemessen und sachgemäß, dass sich auch die - durchaus uneinheitliche - theologisch-systematische Kritik zu Wort meldete. Dabei wurde zunächst ausgerechnet das, was Dibelius selber ausdrücklich nicht thematisieren und entfalten wollte, zum Anlass der Kritik genommen. So wurde bemängelt, dass Dibelius sich mit seinem Kirchenverständnis und mit seiner Kirchen-Proklamation nur im Bereich der Erscheinung, des Empiri-
1 3 3 Kirche und nationale Erziehung (Der T a g v. 5.1.1930): „Es war die Lebensaufgabe der Generation Adolf HARNACKs, der Theologie wieder die Geltung einer wirklichen Wissenschaft zu erobern, die man ihr längst abgesprochen hatte. ...Aber nun galt es, v o n der Welt der Universitäten her die neue geistige Kraft des Protestantismus hinüberzuleiten in das praktische A m t der Kirche." A n HARNACKs „Lebensarbeit erwachte selbst bei Männern wie MOMMSEN und ALTHOFF ein ehrlicher Respekt vor der Theologie als Wissenschaft." (Die Hilfe 42, 1936, S.162; vgl. auch: A u s meinem Leben [Manuskript 1933/34], S.85, und: Adolf Harnack als akademischer Lehrer, 1951, S.31ff. / So habe ich's erlebt, 1980, S.319f.) - In diesem Sinn meinte HAKNACK, die Theologie als Wissenschaft gegenüber der Dialektischen Theologie Karl BARTHS verteidigen zu müssen (vgl. A . v. HARNACK, Fünfzehn Fragen an die Verächter der wissenschaftlichen Theologie unter den Theologen, in: H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.151-153). 134
Jahrhundert der Kirche, Geleitwort zur 1. Auflage.
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sehen und Soziologischen135 bewege, während man doch zuerst einmal den Beg r i f f der „Kirche" klären und das „Wesen der Kirche" auf seine biblischen Grundlagen und theologischen Voraussetzungen hin überprüfen müsse: „ist die Besinnung auf das Wesen der Kirche denn etwas, was man weglassen darf als eine communis opinio?"136 Noch unerbittlicher urteilte K. FISCHER, der spätere Mentor der Bekennenden Kirche in Sachsen137: „hinter diesem Buche steht keine Theologie. Alle seine Mängel erklären sich von hier aus und zeigen beispielhaft, wohin man kommt, wenn man die theologische Generalstabskarte zu Hause läßt.... Von der Kirche kann man nur sinnvoll reden, wenn man von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus ausgeht. Dibelius geht von einem Kirchenbegriff aus, der nach seiner eigenen ausdrücklichen Aussage ,nicht etwas ausschließlich Christliches ist' (S.85). Die christliche Kirche ist also nur ein Spezialfall der Kirche, und es ist nicht einzusehen, wie auf diesen Spezialfall das ganze Gewicht der Absolutheit gelegt werden soll."138 Von Amerika aus sah man gar Unheil über der evangelischen Kirche heraufziehen: „Welch wertvoller Anstoß zu einer gesegneten Bewegung könnte von dem Buch ausgehen, wenn dahinter der biblische Kirchenbegriff stünde und mit gleicher Energie und Begeisterung vertreten würde! Das hier geschilderte und erhoffte Jahrhundert der Kirche' wird der Evangelischen Kirche Deutschlands kein Heil bringen, sondern die entschiedendste Bekämpfung all derer herausfordern, die noch in Wahrheit Kirche sein wollen." 13 ' Auch auf der ökumenischen Gesprächsebene spielte die Spannung zwischen der soziologisch-empirischen Betrachtungsweise und einem exegetisch-systematisch fundierten Kirchenbegriff eine nicht unwesentliche Rolle. Dibelius nahm an der Lausanner Weltkirchenkonferenz (1927) teil, bei der die Beantwortung der ekklesiologischen Frage einer anzustrebenden Einheit der Kirchen ungeklärt geblieben war. Theologen und Kirchenmänner aus Deutschland nahmen sich des1 3 5 So hat J. KROEKER nur wenig Verständnis dafür, dass „Dibelius in seiner Sehnsucht nach dem J a h r h u n d e r t der Kirche' eine kommende Neugestaltung der Kirche nur v o m soziologischen Standpunkt aus erfassen konnte. Eine Kirche, die die Welt überwinden soll, m u ß stärker sein als die Welt" (in: L. THIMME, Kampf, 1930, S.15). 1 3 6 PB1 70, 1927/28, S.664; vgl. auch: T h G 21, 1927, S.212. T r o t z der Anerkennung vieler praktischer Einzelheiten und Beobachtungen stellte auch E. BRUNNER dies als den entscheidenden Mangel des Buches heraus: „Was aber dem Buch den Stempel gibt, das ist die völlige A h nungslosigkeit über das Wesen der Kirche und noch mehr: der selbstverständliche Verzicht auf die Frage nach ihm. ...Wie die Theologen über dem Gedanken über das Grundwesen der Kirche die Frage nach ihrer Beziehung zur empirischen Kirche so oft vergessen, so ergeht es ihm umgekehrt. Er weiß nicht, daß gerade das empirische Wesen der Kirche aus ihrem Grundwesen kommen muß, daß Kirche im christlichen Sinn - auch als empirische - etwas spezifisch Christliches ist, t r o t z allen Zusammenhängen mit anderen, natürlichen soziologischen Faktoren" (E. BRUNNER, Gebot, 1932, S.681). 1 3 7 Vgl. H. KLEMM, Dienst, 1986. Zur Auseinandersetzung mit Dibelius vgl. EBD., S.103ff. 1 3 8 K. FISCHER, Rechtfertigung der Kirche (Neues Sächsisches Kirchenblatt 24, 1927, Sp.317f.). 1 3 9 M . REU in: Kirchliche Zeitschrift (Chicago), 1927, Nr.7, S.508.
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halb dieses Problems auf einer Studientagung in Waldenburg (15.-21. April 1929) an. Ganz im Sinne des Jahrhunderts der Kirche' äußerte Dibelius, bezogen auch auf die ökumenische Christenheit, dort seine Sorge, „daß theologisch-systematisch von oben her eine Welt gebaut werde, die fern von der irdischen Wirklichkeit sei. Anfangen könne man mit solcher Theologie im kirchlichen Leben gar nichts" 140 . Freilich war Dibelius der Auffassung, dass der soziologische Kirchenbegriff nicht im Gegensatz zur exegetischen und systematischen Erschließung des Wesens der Kirche stehe, sondern diese vertiefe und konkretisiere. Im binnenkirchlichen Gespräch insistierte Hans BRANDENBURG, ein Schüler von Adolf SCHLATTER, darauf, dass das Wesen der Kirche nur vom Zeugnis des Neuen Testaments und nicht von der gegenwärtigen Lage her beschrieben werden kann: „Es unterliegt doch schweren Bedenken, daß hier eine Definition der Kirche vorliegt, die vom Kyrios und seinem Geist schweigt. Die Kennzeichen der ,Kirche' sind nach Dibelius ganz äußerlicher Art." 141 Solche „unbiblischen Ideale moderner Kirchlichkeit" führten dann auch dazu, dass ohne Berücksichtigung des 3. Glaubensartikels ein kirchliches Bewusstsein propagiert werde, das nicht eine „Frucht des Glaubens sei" und nicht dem „Erwachen des Glaubens" 142 entspringe: „Man hat bei Dibelius oft das unbehagliche Gefühl, daß er unter den Kirchen letztlich die Kirchenbehörden versteht. ...Dieses Interesse am Formalen und der Uberschwang des Moralischen auf Kosten des Religiösen ist ein großes Hindernis für das Entstehen der dienenden Gemeinde." Da Dibelius in seinem ekklesiologischen Fundamentalismus allzu schnell auf die „Tatsachen" ausgeht, konterkariert K. L. SCHMIDT gerade diese empirische Betrachtungsweise und misst ihr keineswegs eine größere Wirklichkeitsnähe, sondern einen erheblichen, auf Spekulation gegründeten Wirklichkeitsverlust bei: „Es dürfte klar werden, daß mit losgelösten Spekulationen über das vielgenannte soziologische Phänomen der Kirche nur Schiefheiten und Falschheiten, im besten Fall Selbstverständlichkeiten und Belanglosigkeiten auf den Markt gebracht werden." 143 Ahnlich urteilte auch H. FRICK in seiner beachtenswerten Studie, in der er die Kirchenbegriffe bei Dibelius, Erich STANGE und Erik PETERSON unter dem gemeinsamen Nenner eines „romantischen Realismus" miteinander verglich. Auch im Blick auf Dibelius gelte, dass „romantischer Realismus den Blick für die Wirklichkeit Christi eigentümlich getrübt" habe und dass das wirklich leitende Motiv ein „romantischer Drang auf ein idealisiertes
140 Fr. SlEGMUND-SCHULTZE, Kirche, 1930, S.123. Zur gesamten Tagung vgl. auch AELKZ 63, 1930, Sp. 1179-1190; R. FRIELING, Bewegung, 1970, S.215f. u. S.235ff. - Die Angabe in der Dibelius-Bibliographie von R. STUPPERICH im Blick auf einen Bericht über die Waldenburger Tagung ist falsch und muss gestrichen werden (R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, Bibliogr.Nr.58, S.680). 141 H . BRANDENBURG, Dienst, 1928, S.IO. 142 Vgl. EBD., S.28f.; das folgende Zitat EBD. 143 K. L. SCHMIDT in: ThBl 6, 1927, Sp.294; vgl. dazu auch die Besprechung des .Nachspiels' durch W. MACHOLZ (ThBl 7, 1928, Sp.324) und das „Barathrum" über Dibelius' .Nachspiel' (EBD., Sp.l06).
Das Jahrhundert der Kirche' zwischen Kritik und Zustimmung
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Zukunftsgemälde hin" sei 144 ; „nicht der von irgendeiner Empirie hergeleitete Sinn für die sogenannte Wirklichkeit hilft uns weiter, am wenigsten, wenn er sich romantisch verbrämt und dadurch geradezu Illusionen weckt!" 1 4 5 Aber gerade dort, w o es u m den Wirklichkeitssinn des Kirchenbegriffs bei Dibelius geht, scheiden sich die kritischen Geister: Auf der einen Seite werden „schädliche Illusion", „große Selbsttäuschung" und „geringe(r) Tatsachensinn" 1 4 6 diagnostiziert, andere Kritiker bescheinigen dem Jahrhundert der Kirche', das sich darin aussprechende Kirchenbewusstsein sei reichlich optimistisch 1 4 7 der Kirchenbegriff müsse desillusioniert und nüchterner, unpathetischer dargestellt werden; Dibelius habe den Bereich der Soziologie verlassen und treibe Systematik, überhöhe und übersteigere die Tatsächlichkeit der Kirche ins Religiöse 148 . Auf der anderen Seite spricht z.B. der Herausgeber der ,Theologischen Literaturzeitung', Emanuel H I R S C H , in seiner überwiegend zustimmenden Rezension davon, dass man überall „einen kräftigen Tatsachensinn" spüre, wenn man auch die kirchliche Ordnung noch vom Evangelium und von der wahren Gemeinschaft im Glauben her untersuchen und durchdenken müsse 149 . Ebenfalls ins Positive gewendet beurteilte Wilhelm T H I E L E das Buch, das „frei von jedem Optimismus und jeder Verstiegenheit in Unerreichbares" 1 5 0 sei. Sogar Friedrich S L E G M U N D S C H U L T Z E hat „beim Lesen des Buches an dem hoffenden Optimismus und der fröhlichen Tatkraft des Verf. seine Freude gehabt." 1 5 1
H. FRICK, Romantik, 1929, S.8 u. S.13. EBD., S.46. Der eigene eschatologisch bestimmte Ansatz FRICKs leuchtet in dem weiter nicht entfalteten Satz auf: „Das Herz der Kirche schlägt in der Anbetung Gottes, was inhaltlich zusammenfallen muß mit dem Warten auf das Kommen Christi." (EBD., S.38) Zum positiven Ur144 145
teil v o n K . BARTH über FRICKS Studie vgl.: K . BARTH, Briefwechsel V / 2 , 1974, S.664. Z u FRICKs
Schrift vgl. außerdem: PB1 73, 1930/31, S.252. 146 Pfarrer Dr. Paul LUTHER, der Vorsitzende des Protestantenvereins, kritisiert, ohne das Jahrhundert der Kirche' ausdrücklich zu nennen, das gegenwärtig so betont hervorgehobene kirchliche Bewusstsein (Kirche und Volk, in: TR v. 2.2.1927). 1 4 7 Vgl. RKZ 77, 1927, S.61. Auch W. STÄHLIN spricht von „dem die Wirklichkeit vergewaltigenden Optimismus des Buches von Dibelius" (DERS., Jahrhundert, 1927, S.118). 148 Vgl. K. MÜLLER in: PrBl 61, 1928, Sp.371. Gegen die für manche Kritiker peinliche Überbetonung der Kirche, ihre Überhöhung vom Soziologischen ins Religiöse wendet Dibelius ein: Wissen denn die Kritiker nicht, „daß man Dinge, die in das öffentliche Bewußtsein übergehen sollen, nicht dreimal, nein tausendmal sagen muß, immer wieder, unermüdlich, einseitig, anstößig, ärgerlich, immer wieder und wieder? Ein Ereignis ist da, das begriffen werden muß, weil davon Unendliches abhängt für unser aller Zukunft. Darüber ist ein Buch geschrieben worden, ein kleines Buch. Und ein paarmal ist der Inhalt des Buches in öffentlicher Rede weitergegeben worden. Und schon rufen die Menschen: Überbetonung!" (Nachspiel, S.40). 1 4 9 ThLZ 52, 1927, Sp.26, 28. Die Beurteilung von E. HIRSCH ist allerdings in sich uneinheitlich, wenn er zugleich kritisch im Blick auf den die religiöse und soziologische Betrachtungsweise vermischenden „Tatsachensinn" einwendet: Es „entsteht etwas sehr merkwürdiges: eine Art quasi religiöser Liebe gegenüber einer an sich eher technisch als religiös gewerteten Form. Das ist ein Widerspruch" (EBD., Sp.28). 1 5 0 Die Weibliche Jugend, 1927, S.181. Im Gegensatz dazu wird anderswo gerade dieser „seltsam starke Optimismus" des Buches bemängelt (vgl. z.B. CuW 3, 1927, S.362). 151 Eiche 15, 1927, S.336.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
W e i l D i b e l i u s m i t g r o ß e m O p t i m i s m u s die W i r k l i c h k e i t d e r W e l t a u c h f ü r die W i r k l i c h k e i t der K i r c h e reklamierte, forderte er den scharfen Protest v o n Friedr i c h G O G A R T E N h e r a u s . D i e s e r w a n d t e s i c h g e g e n die E i n b i n d u n g d e r K i r c h e in die W e l t d e r T a t s a c h e n u n d d a g e g e n , dass m a n die K i r c h e v o n d e r K u l t u r h e r z u v e r s t e h e n v e r s u c h e u n d s o ein „ J a h r h u n d e r t J e s u C h r i s t i " a u s r u f e u n d d e n H e r r n der Ewigkeit u n d den H e r r n der Kirche weltlich vereinnahme152. E b e n s o f o r d e r t e a u c h M a r t i n D O E R N E , i n d e m er die U n t e r s c h e i d u n g
von
s i c h t b a r e r u n d u n s i c h t b a r e r K i r c h e d u r c h die W i r k l i c h k e i t des v e r b u m dei p r a e d i c a t u m z u ü b e r b i e t e n v e r s u c h t e , dass alle „ F r e m d e l e m e n t e " aus d e m K i r c h e n b e griff a u s s c h e i d e n m ü s s t e n , dass die K i r c h e i h r e „tiefste R e c h t f e r t i g u n g n i c h t i n außerkirchlichen,
weltlich-kulturellen
oder
volkserzieherischen
Erwägungen"
f i n d e n u n d dass sie d a d u r c h n i c h t z u e i n e m „ S c h l a g w o r t f ü r ein p r o f a n e s
Zu-
kunftsideal"153 v e r k o m m e n dürfe. D i e , R e f o r m i e r t e K i r c h e n z e i t u n g ' gibt g a r d e r B e s o r g n i s A u s d r u c k , dass „die K i r c h e a n die Stelle C h r i s t i t r i t t " 1 5 4 . D u r c h n i c h t s u n d n i e m a n d e n k ö n n e die E i n h e i t u n d G e s t a l t d e r K i r c h e g e w ä h r l e i s t e t w e r d e n , s c h o n g a r n i c h t d u r c h das Bischofsamt,
s o n d e r n „einzig u n d allein d u r c h das u n s i c h t b a r e H a u p t ,
durch
C h r i s t u s " 1 5 5 . S o n s t w e r d e t a t s ä c h l i c h aus d e r K i r c h e ein K i r c h e n - I d e a l n a c h e i n e m „ e p i s k o p a l e n T y p u s " 1 5 6 , w ä h r e n d es K i r c h e g e b e „ n u r i m V o l l z u g des G e h o r s a m e s gegen G o t t " 1 5 7 u n d „auch eine soziologisch v o l l k o m m e n e u n d in ihrer A r -
1 5 2 Vgl. Fr. GOGARTEN, Schuld, 1928, S.8f., A n m . l . Schon im Vorwort geißelt GOGARTEN die „Vogelstraußpolitik" der offiziellen Kirchen, die ihren „Kopf in den Sand sogenannter Sozialethik, evangelischer Kulturprogramme" stecken. Bereits der Titel des Buches von Dibelius müsse deshalb ein „Alarmzeichen" sein (EBD., S.8f., A n m . l ) . - Allerdings bewegt sich GOGARTEN in dieser Schrift selber bereits auf dem Weg zu einer Theologie der Ordnungen, wenn er schreibt: „Was die Kirche und mit ihr die Christenheit heute der Welt zu leisten hat, das ist, daß sie der Welt wieder zu der Erkenntnis der großen Ordnungen verhelfen muß, in denen sie allein ihr Leben haben kann und die sie heute so gründlich verloren hat." (EBD., S.12) - Umgekehrt repliziert Dibelius die GOGARTEN 'sehe Kritik, indem er zunächst grundsätzlich das Anliegen GOGARTENS würdigt: „Es ist heilsam, wenn er immer wieder mit einer Religiosität ins Gericht geht, die sich an (dem) eigenen Ich orientiert, und wenn er von den oberflächlichen Idealen einer .Christianisierung' des Lebens zurückleitet zu den nüchternen und eben darum so ernsten Grundsätzen der Reformation." E r zieht dann allerdings gegen eine kirchenferne und kirchenverachtende akademische Katheder-Theologie zu Felde, indem er in gereiztem T o n fortfährt: „Es fällt einem allmählich auf die Nerven, wenn in einer Zeit, in der wir um Sein und Nichtsein von Volk und Kirche kämpfen und damit um die Möglichkeit evangelischer Verkündigung auf deutschem Boden überhaupt, unserer studierenden Jugend nur immer zugerufen wird: Innere Mission ist nichts, evangelische Sozialethik ist nichts, Stockholm ist nichts, Lausanne ist nichts, Kirche als Organismus ist nichts!" U n d speziell gegen die Kritik GOGARTENs am Jahrhundert der Kirche' setzt sich Dibelius zur Wehr: „Es ist einfach nicht wahr, daß die, die sich heute für die Kirche als für einen lebendigen, im Leben der Volksgemeinschaft wirkenden Organismus einsetzen, ihren Maßstab von der Kultur her nehmen, statt vom Evangelium" (SoSp. v. 3.2.1929). 1 5 3 M. DOERNE, Sichtbare Kirche (AELKZ 62, 1929, Sp.lOOf., S.132). 1 5 4 R K Z 77, 1927, S.62. 1 5 5 So in der Ausführung eines ungenannten „sehr ruhigen, akademisch promovierten Mitarbeiters" der .Reformierten Kirchenzeitung' (RKZ 77, 1927, S.123, 124). 1 5 6 A. HEIN, Foerster, in: PrKZ 24, 1928, Sp.216. 1 5 7 K.L. SCHMIDT in: ThBl 6, 1927, S.302.
Das Jahrhundert der Kirche' zwischen Kritik und Zustimmung
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b e i t u n e r m ü d l i c h e K i r c h e s i c h v o r G o t t n i c h t a n d e r s f ü h l e n d a r f d e n n als u n n ü t zen K n e c h t " ! 5 8 . I n all diesen d u r c h a u s u n t e r s c h i e d l i c h a k z e n t u i e r t e n k r i t i s c h e n B e m e r k u n g e n w i r d i m m e r w i e d e r d e r F i n g e r d a r a u f gelegt, dass die v o n D i b e l i u s d e m S t a a t gegenüber
proklamierte
u n d geschichtlich-empirisch
festgestellte
Selbständigkeit
und Freiheit der K i r c h e unter theologischen Gesichtspunkten i m m e r auch eine G e f a h r e n q u e l l e ist f ü r die M e i n u n g , die K i r c h e k ö n n e g e r a d e i n i h r e r s i c h t b a r e n u n d i n s t i t u t i o n e l l e n G e s t a l t auf e i g e n e n F ü ß e n s t e h e n 1 5 9 . Sie ist d a n n b e r e i t s dabei, in „ k i r c h l i c h e U n b u ß f e r t i g k e i t " 1 6 0 z u v e r f a l l e n , u n d sie r i c h t e t d a n n in i h r e m rationalen
Enthusiasmus
ihre Unheilsprophetie
nicht
mehr
auch
gegen
sich
selbst161. D a s s i n d i e s e m S i n n d i e K i r c h e n i c h t n u r d e r A u s g a n g s p u n k t u n d die S e n d e station der E v a n g e l i u m s - V e r k ü n d i g u n g , s o n d e r n zuallererst selber Adressat u n d E m p f a n g s s t a t i o n des E v a n g e l i u m s ist, d a r a u f m a c h t das , B e r n e u c h e n e r B u c h ' aufm e r k s a m , das g l e i c h z e i t i g m i t d e m J a h r h u n d e r t d e r K i r c h e ' u n d u n a b h ä n g i g v o n diesem geschrieben u n d herausgegeben wurde162. 4 . 2 . 4 D a s „ B e r n e u c h e n e r B u c h " - ein V e r g l e i c h W i e das J a h r h u n d e r t d e r K i r c h e ' , s o h a t a u c h das . B e r n e u c h e n e r B u c h ' 1 6 3 in p r o g r a m m a t i s c h e r W e i s e W e s e n u n d Aufgabe der K i r c h e z u m T h e m a . Dieses B u c h ,
E. HIRSCH in: T h L Z 52, 1927, Sp.28f. Dass aus dieser dem Staat gegenüber gewonnenen kirchlichen Selbständigkeit gleichsam unter der Hand eine „verkirchlichte Freiheit", aus der kirchlichen Selbständigkeit ein Ersatz oder gar ein Beweis für die christliche Freiheit werden kann, darauf verweist E. KÄSEMANN in seiner eindringlichen und unnachgiebigen Weise, wenn er die Linie von der liberalen Theologie zu einer die Lehre von der Kirche verabsolutierenden Theologie zieht: „Es begann mit VLLMAR und LÖHE .., mit den Erlangern, ...mit den wackern Liberalen ...wie DEISSMANN, BOUSSET, FRIDRICHSEN.., mit O t t o Dibelius, der das Jahrhundert der Kirche proklamierte, was ihm berechtigten und angesichts der Entwicklung auch unberechtigten Spott eintrug.... Denn ein breiter Weg führt nicht nur zur Hölle, sondern auch aus der Anthropologie zur Ekklesiologie! ...Der Kryptokatholizismus wird heute überall respektiert, besonders wenn er einige reformatorische Embleme behält" (E. KÄSEMANN, Ruf, 1968, S.122f.). 1 6 0 K. MÜLLER in: C h W 41, 1927, Sp.247. Auch von freikirchlicher Seite aus wird bemängelt, dass dem Buch „eine gründliche evangelische Einstellung" fehle insofern, als Dibelius die von ihm trefflich gekennzeichnete und beklagte Lage der Kirche in der Welt nicht zum Anlass nimmt, kirchenkritische Überlegungen anzustellen: „vergeblich erwartet man von ihm ein Bekenntnis der Schuld, die die Kirche an dieser Lage trägt, und vergeblich sucht man im Buche einen Ruf zur Buße an diese Kirche" (Β. KEIP, Sekte und Kirche, in: Wächterstimmen, 1927, S.44). 1 6 1 Das Buch von Dibelius „zeichnet das Zukunftsbild einer verhältnismäßig unschuldig unter übermächtiger Bosheit leidenden Christenheit. Das Wesen der Unheilsprophetie fehlt: die rücksichtslose Wendung der Schuldfrage gegen die eigene Gruppe, in diesem Falle gegen die Christenheit. Diese ist nicht klar genug als .Weltteil' erkannt. Daher läuft das ganze trotz der schweren Schicksale, von denen es spricht, auf eine Beruhigung hinaus" (K. MÜLLER in: PrBl 61, 1928, Sp.374). 1 6 2 Vgl. z.B. W. STÄHLIN (Jahrhundert, 1927, S.115, und Via Vitae, 1968, S.320); vgl. A. LlNDT, Totalitarismus, 1981, S.94f. 1 6 3 An Stelle eines Vergleichs mit der Flut von Büchern, wie sie „ja jetzt überhaupt... wie Pilze aus der Erde schießen, die von der Kirche handeln" (Nachspiel, S.31; vgl. dazu die Auflis158
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
das den beachtenswerten Untertitel trägt „Vom Anspruch des Evangeliums auf die Kirchen der Reformation" 164 , wandte sich in einer Zeit des wachsenden Kirchen-Optimismus gegen alle Arten enthusiastischer und übersteigerter Kirchlichkeit, wie sie sich im Jahrhundert der Kirche' zumindest in den Augen der Kritiker exemplarisch zu manifestieren scheint. Beiden Schriften gemeinsam freilich ist das Anliegen, dass die Erneuerung der Kirche nicht in Weltfremdheit und Weltflucht zu verwirklichen ist, sondern in eins gesehen werden muss mit ihrer Aufgabe an und in der „Welt". Im Unterschied aber zu dem geschichts-theologischen und empirisch-positivistischen Ansatz des Jahrhunderts der Kirche' besteht der Ausgangspunkt für das ,Berneuchener Buch' in der „Erkenntnis, daß die evangelische Kirche der Zeitnot nicht nur gegenübersteht, vielmehr als endliche Größe Not und Schuld ihrer Zeit und ihres Volkes an ihrem eigenen Leib trägt; die Erkenntnis, daß gerade in den evangelischen Kirchen der Gegenwart sich diese Not bis in ihre letzten Tiefen auswirkt, aber auch nur hier, wo das Evangelium gepredigt und gehört wird, in ihrem letzten Grunde durchschaut werden kann" 165 . Obgleich das ,Berneuchener Buch' die Aufgabe der Kirche an und in der Welt bejaht und dies auch an konkreten Beispielen 166 verdeutlicht, ist es doch von der am eigenen Leibe zu erlebenden und erleidenden Not der Kirche her weit zurückhaltender und nüchter-
tung in: PB1 70, 1 9 2 7 / 2 8 , S.662f.; KJ 57, 1930, S.438, A n m . l ; M. SCHIAN, Ecclesiam habemus, 1931, S.13, Anm.25), sei hier auf das ebenfalls 1926 erschienene ,Berneuchener Buch' hingewiesen. - Das ,Berneuchener Buch' wurde als Gemeinschaftswerk geschrieben und herausgegeben von einem den religiösen Sozialisten nahestehenden Kreis aus Theologen und Laien (eine Aufgabe „für zukünftige Schallanalytiker", vgl. PBl 70, 1 9 2 7 / 2 8 , S.663), dem u.a. angehörten: A n n a PAULSEN, Gerhard RITTER, Carl SCHWEITZER, Wilhelm STÄHLIN, Paul TILLICH, H.-D. WENDLAND. Die Endredaktion des Buches besorgten Ludwig HEITMANN, Karl Bernhard RITTER, Hermann SCHAFFT und Wilhelm STÄHLIN. - Der Berneuchener Kreis versammelte sich von 1923 bis 1927 jährlich einmal auf dem Gut von General v. VLEBAHN in dem neumärkischen Berneuchen; bis zur Gründung der Evangelischen Michaelsbruderschaft im Jahr 1931 fanden noch drei weitere Konferenzen in Pätzig statt, bei denen vor allem P. TLLLICH als Referent auftrat. Dabei waren Freunde der Jugendbewegung vertreten, die sich zu den „grundlegenden Arbeiten" von so unterschiedlichen Leitfiguren wie Paul ALTHAUS, Karl BARTH, Friedrich BRUNSTÄD und Paul TLLLICH bekannten (vgl. Vorwort, S.7). 1 6 4 Vgl. auch den gleichnamigen Artikel von M. SCHUBERT (TR v. 20.3.1927, Beilage N r . l l ) . 165 Das Berneuchener Buch, 1926, S . l l . Bemerkenswert ist, dass die Weltlichkeit und Welthaftigkeit, der Wirklichkeits- und Tatsachensinn der Kirche hier darin besteht, dass sie gleichsam exemplarisch (vielleicht auch stellvertretend für das Volk) N o t und Schuld der Zeit nicht nur versinnbildlicht, sondern an sich selber sichtbar werden lässt. Dies ist in einer Zeit ausgesprochen, als man sich gegen eine ungerechte und ungerechtfertigte Schuldzuweisung (in der Mantelnote des Versailler Vertrags) auflehnte und gerade in ihr die Ursache aller N o t sah. Allerdings wird im .Berneuchener Buch' nicht weiter konkretisiert, worin denn die Schuld der Zeit und des Volkes bestehe. 166 Z.B. in der „Heiligung" des Geschlechts, des Volkes und der Arbeit (S.138ff.). - Dass das ,Berneuchener Buch' auch den damals befremdlich wirkenden Begriff des „Symbols" einführte (und dieser Begriff dann „als willkommene Beute" für Kritiker und Spötter herhalten musste), soll hier lediglich erwähnt, kann aber in unserem Zusammenhang nicht weiter ausgeführt werden (vgl. W . STÄHLIN, Via Vitae, S.320, 668).
Das Jahrhundert der Kirche' zwischen Kritik und Zustimmung
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ner, weil eben kirchliche Arbeit nicht als das Allheilmittel 1 6 7 für die Welt anzusehen und einzusetzen sei: „Die Kirche hat ihren Beruf, von Gottes Willen zu zeugen, nicht damit erfüllt, daß sie im N a m e n der christlichen Ethik allerlei einzelne Verbesserungsvorschläge macht ... Wo solches geschieht, ist die Gefahr kaum abzuwenden, daß eine der kämpfenden Gruppen den N a m e n des Christentums für sich beschlagnahmt und dadurch den Sinn der christlichen Botschaft verdunkelt; jeder solche Versuch bindet den N a m e n des Evangeliums an eine endliche Größe, die selbst unter dem Zwang der gemeinsamen Schuldverstrickung steht, und trägt dazu bei, die Kirche und mit ihr das Christentum selbst als Partei im Kampf der Klassen erscheinen zu lassen." 168 Wilhelm STÄHLIN, der federführend an der Abfassung und Herausgabe des Buches beteiligt war, bezweifelte denn auch, ob eine Kirche, die die ganze Schuld an dem Elend des Protestantismus dem alten Staatskirchentum anlastet und dann angesichts einer politischen Umwälzung jubelt: Ecclesiam habemus! 1 6 9 „wirklich Kirche des Evangeliums sein kann"170; wohl werde das Buch v o m „Jahrhundert der Kirche" eine „allgemeine Stimmung für die Kirche, für kirchlichen Willen, für kirchliche Arbeit wecken und stärken. Aber es wird alle die erst recht mit Sorge erfüllen, die die ganze Tiefe der heutigen N o t empfinden und denen es in dieser N o t sehr ernst u m die Frage geht, wie hier und jetzt Evangelium verkündigt werden kann. Diese Menschen werden den ganzen Unterschied zwischen dem die Wirklichkeit vergewaltigenden Optimismus des Buches von Dibelius und der Tiefe letzter Sorge u m die evangelische Kirche stark und schmerzlich empfinden." 1 7 1 Dibelius meinte zwar, im ,Berneuchener Buch' die „Gefahr des Deutschen" wiederzufinden, die darin bestehe, sich nur noch und immer weiter in das tief1 6 7 K. MÜLLER schreibt dazu scharfsinnig gegen Dibelius gewendet: „Die Geschichte zeigt, daß die Kirchen geneigt sind, an den Krankheitserscheinungen der Zeit teilzunehmen, so sehr, daß man bezweifeln darf, ob jemals Kirchen eine Kultur gerettet haben ... Wer die Kirche (als Trägerin des Evangeliums) so angelegentlich als Gesundungsmittel der Volkskultur empfiehlt, verschiebt im Evangelium die Akzente... Es ist ...nicht bloß vom soziologischen, sondern ebenso vom reformatorischen Standpunkte aus unmöglich, die Kirche so als ausschließliches Heilmittel zu preisen und dadurch die Würde des Evangeliums auf sie hinüberzuziehen." (PrBl 61, 1928, Sp.371) MÜLLER sieht den Abstand zwischen dem ,Berneuchener Buch' und dem Jahrhundert der Kirche' darin, dass die empirische Kirche die Energie ihrer Arbeit und den Einfluss ihrer Organisation wichtiger und ernster nehme als ihre eigene Botschaft, die sich zuerst an und auch gegen diese Kirche wende (vgl. ChW 42, 1928, Sp.54). 1 6 8 Das Berneuchener Buch, 1926, S.173. 1 6 9 STÄHLIN erinnert sich an Dibelius' Ruf „ecclesiam habemus!": „Alles trieft von kirchlichem Selbstbewußtsein und unerschütterlicher Sicherheit." (Via Vitae, 1968, S.260) Wenn auch STÄHLIN und teilweise auch die „Berneuchener" der Theologie Karl BARTHS nahestanden, wurde dieses Buch in den .Theologischen Blättern' in ihrer gefürchteten Kritikspalte „Barathrum" ( = „Abgrund") lapidar abserviert: „Lapides pro pane" (ThBl 6, 1927, Sp.182). Das „Barathrum" bot ungezeichnete Buch- und Aufsatzkritiken in aphoristischer Sentenzenform; von dem Herausgeber des ,Protestantenblatts', W. SCHUBRING, wurde es einmal als „das Hochgericht der Barthianer" (PrBl 60, 1927, Nr.37) bezeichnet. 1 7 Ϊ ) W. STÄHLIN (Jahrhundert, 1927, S.117). 1 7 1 EBD., S.118.
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
gründige, aber komplizierte Problematisieren einzugraben. Er warnte deshalb davor, dass der Deutsche „über dem Grübeln, wie eine neue Kirche von den letzten Tiefen eines evangelischen Gewissens her gestaltet werden müßte, kein Verhältnis findet zu der Kirche, die da ist, die auch für ihn da ist, in der er eine Aufgabe hat und außer der es nach menschlichem Ermessen keine andere für ihn geben wird" 172 . Obwohl die Berneuchener Programmschrift „rücksichtslose Kritik an der Kirche übt", begrüßte Dibelius dieses „eigenartige... Buch" rundum und sah darin doch ein lebendiges Anzeichen dafür - ganz im Sinne des Jahrhunderts der Kirche' interpretiert - , „daß die evangelische Kirche nicht länger als ein Stück Vergangenheit angeschaut wird, sondern als ein Ziel für die Zukunft. Es mutet wirklich wie ein Frühlingserwachen an, wenn hier von der Kirche und von der einzelnen evangelischen Gemeinde wirklich große Dinge erwartet werden. ...Man kann nur wünschen, daß diese Töne weiter klingen und neues Verständnis für die heilige Mission der evangelischen Kirche wecken möchten!" 173 Der Vergleich des ,Berneuchener Buches' mit dem Jahrhundert der Kirche' zeigt wohl am deutlichsten, in welchem theologisch-systematischen Gegenüber Dibelius mit seinem programmatischen Buch steht bzw. worin ihm gerade seine fundiertesten Kritiker widersprechen. Auf der einen Seite sieht Dibelius die Kirche gestärkt hervorgehen aus der äußeren geschichtlichen N o t ihres Daseins und weiß sie so gerüstet und berufen, den Nöten der Zeit zu begegnen; auf der anderen Seite sehen seine Kritiker die Kirche unter dem „zeitlosen" Anspruch des Evangeliums in ihrer inneren Not und behaupten, dass sie die Kraft zur Bewältigung ihrer unbestrittenen Weltaufgabe nur gewinnen kann, indem sie zuerst einmal selber ihre eigene N o t wahrnimmt und begreift. Der Streit um die Kirche ist so der Streit um die - sowohl Kirche und Welt gemeinsame und übergreifende - „Wirklichkeit" und um die rechte Wahrnehmung dieser Wirklichkeit geworden 174 . Eine eigene und eigenständige Ausprägung dieses Streites um die Wirklichkeit, mithin um die Wirklichkeit der Kirche, hat dann - vier Jahre nach dem Erscheinen des Jahrhunderts der Kirche' und des ,Berneuchener Buches' (Ende 1926) - die Auseinandersetzung zwischen Karl BARTH und Otto Dibelius gebracht (Anfang 1931).
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Nachspiel, S.31. SoSp. v. 17.4.1927. E. KÄSEMANN fordert in seiner bereits erwähnten Streitschrift geradezu eine „Entmythologisierung der Kirche": „Die Lehre von der Kirche bleibt uns wichtig wie die ökumenische Bewegung und sogar der Katholizismus. Wir sind willig, Zeit und Kraft daran zu hängen. Sie faszinieren uns jedoch nicht mehr, weil uns keine Theologie der Herrlichkeit mehr zu faszinieren vermag. Wir leugnen nicht, daß es allezeit, wenngleich nicht überall, eine heilige, christliche Kirche gegeben hat und geben wird. Doch muß das allezeit und überall entmythologisiert, nämlich auf die Realität und die Funktion bezogen werden. Die Entmythologisierung der Kirche ist der dogmatische Angelpunkt für die des Kanons. Ohne Kirche würden wir zu schweifenden Nomaden. Ohne sie können nicht einmal die Partisanen leben. Doch ist sie nichts anderes als die Bruderschaft derjenigen, die Christus als Herrn anrufen, ihm nachfolgen, ihm weltweit dienen. Daß sie ihm dienen darf, ist ihre einzige Herrlichkeit" (E. KÄSEMANN, Ruf, 1968, S.124). 173
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Das Jahrhundert der Kirche' zwischen Kritik und Zustimmung
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4.3 Kirchliche Zustimmung zum Jahrhundert der Kirche' Die vielschichtige und breite kontroverse Beachtung175, die dem Buch vom .Jahrhundert der Kirche" vor allem von der theologischen Wissenschaft her zuteil geworden war, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Schrift gerade in kirchlichen Kreisen mit einer großen, teilweise begeisterten Zustimmung aufgenommen worden ist. Denn hier hat es ein Autor einmal gewagt, den theologischen Begriff „Kirche" mit der Kirche als einer geschichtlich gewordenen Institution und real vorfindlichen Organisation zu identifizieren. Hier hat es ein Autor gewagt, dieser real vorfindlichen, geschichtlich gewordenen Kirche eine einheitsbildende Bedeutung und eine sinnstiftende Kraft abzugewinnen. Offenbar haben Thema, Stil und Inhalt des Buches die Sehnsüchte, Mentalitäten und Gedanken vieler Menschen angesprochen, die in einem erstarkten kirchlichen Selbst- und Verantwortungsbewusstsein ein zukunftsträchtiges Zeichen der Zeit erblickten. Gerade die weithin undogmatischen, in journalistischem Stil vorgetragenen Ausführungen machten das Buch für weite Kreise interessierter Gemeindeglieder ansprechbar und lesbar. Man spürte ihm ab, dass es auf einen breiten kirchlichen Konsens angelegt und darauf gerichtet ist, einer von vielen Gegensätzen zerrissenen Zeit nicht noch weitere Risse und Wunden zu schlagen. In seinem kirchlichen Vorwärtsdrängen, verbunden gewiss auch mit manchen „politischen Nebengeräuschen)" 176 , bot es eine Brücke zu einer sinnstiftenden Einheit und Ganzheit, die in dem Wort „Kirche" anvisiert war. So konnte Dibelius bei seiner Leserschaft einer großen Zustimmung sicher sein. Autor und Verlag rechneten deshalb von vornherein mit einer großen Leserschaft und unterstützten diese Erwartung mit einem Preis, der mit 5,50 Mark bzw. 6,50 Mark besonders niedrig veranschlagt war, „um größter Verbreitung auch innerhalb der kirchlichen Körperschaften gewiß zu sein"177. Zwar hat der Berliner EOK auf Anfrage des Verlags eine „amtliche Empfehlung" des Buches als „nicht üblich" abgelehnt178. Doch hat ,Das Evangelische Deutschland', das als überregionales Kirchenblatt seit Januar 1924 im Auftrag des DEKA von August H I N D E R E R herausgegeben wurde und als solches mindestens offiziösen Charakter trug, einen Auszug des Buches veröffentlicht mit der deutlichen Empfehlung: „In hinreißender Sprache geschrieben und mit zwingender Linienführung aus Geschichte und Gegenwart scheint es uns in besonderem Maße berufen, den Sinn 1 7 5 „Die rasche Verbreitung des Buches.., aber auch die zahlreichen Angriffe in Fach- und Tagespresse haben dem mutigen Vorkämpfer der Kirche den Beweis geliefert, daß er manche wirklich brennende N o t der Zeit aufgedeckt, in manches Wespennest gestochen und manche Perücke ausgestaubt hat" (W. KLATT, Das Jahrhundert der Kirche, in: Der Tag v. 13.4.1928). 1 7 6 K. MÜLLER in PrBl 60, 1927, Sp.287. 1 7 7 Furche-Verlag an E O K v. 1 8 . 1 1 . 1 9 2 6 (EZA BERLIN, 7/5865). 1 7 8 EOK-Vermerk auf dem o.g. Schreiben des Furche-Verlags (vgl. auch die A n t w o r t des E O K v. 3 0 . 1 1 . 1 9 2 6 , in dem der Verlag an die Konsistorien der altpreußischen Kirche weiterverwiesen wird (EBD.). - Dibelius hat das Buch dem EOK-Präsidenten „als ein kleines Zeichen persönlicher Dankbarkeit und Verehrung" dediziert (Dibelius an KAPLER v. 23.11.1926, in: Sammlung Kapler BERLIN).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
für das, was ,Kirche' ist und soll, zu erschließen in einer Zeit, die ...des besonderen Dienstes der Kirche bedarf, wie keine zuvor." 179 In gleicher Weise hat ,Das Evangelische Deutschland' auch das ,Nachspiel' mit einem Vorabdruck der breiten kirchlichen Öffentlichkeit bekanntgemacht180. Dibelius seinerseits hatte jedem Kirchenkreis seiner Kurmark ein Exemplar des ,Nachspiels' zur Verfügung gestellt. Von der Mission überzeugt, gegen eine verhängnisvolle „Interesselosigkeit und Verständnislosigkeit auf protestantischer Seite gegenüber der ,Kirche'" ankämpfen zu müssen, empfahl Dibelius seinen Pfarrern die Lektüre des Jahrhunderts der Kirche' und des ,Nachspiels' und die Behandlung der darin besprochenen Themen in den Gemeindekreisen: „An dem Buch liegt nichts. Es hat schon heute seine Verbreitung, auf die gerechnet werden konnte. Nur auf die Kirche kommt es an! Wer uns zur Kirche hilft, tut einen Gottesdienst an unserm Volk!" 181 Vortrage über das „Jahrhundert der Kirche" machten den Autor und das Buch mit seinem Anliegen weit über die eigene Kirchenprovinz hinaus bekannt. Auf Einladung der theologischen Fachschaften sprach Dibelius (Ende Juni/Anfang Juli 1927) über das Thema seines Buches in Tübingen182 und in Marburg 183 . Die Ausführungen fanden vor den voll besetzten Auditorien in Zustimmung und Widerspruch ein großes Echo. Uber einen Abendvortrag des kurmärkischen Generalsuperintendenten berichtet die .Weibliche Jugend': Der Hörerschaft wurde eine Kirche vorgestellt, die im Gegensatz steht zu der alten Kirche, „die am Individualismus sterben muß. Und wer es gehört hat, dem ging es wohl wie ein Stich durchs Herz" 184 . Unbeirrt durch die vielfältige Kritik am Jahrhundert der Kirche' ließ Dibelius innerhalb von nicht ganz zwei Jahren sechs Auflagen unverändert erscheinen, davon zutiefst überzeugt, dass an dem Buch nichts zurückzunehmen sei, ja dass es
1 7 9 EvDt v. 7.11.1926, S.353. Der Vorabdruck unter dem Titel „Warum Kirche?" (S.353-355) entspricht der leicht gekürzten Fassung der Seiten 1 1 9 - 1 3 3 des Buches. 1 8 0 Vgl. EvDt v. 19.2.1928, S.57f. Unter dem Titel „Das Ja zur Kirche" werden Auszüge des ,Nachspiels' wiedergegeben aus den Seiten 13, 30, 32 und 35-40. 1 8 1 RdBr. v. 13.2.1928. 182 Vgl. RdBr. v. 7.7.1927: „In Tübingen war die große Aula, in Marburg, w o doch nur 250 Studenten Theologie studieren, das Auditorium Maximum bis auf den letzten Platz gefüllt. Natürlich war auch Widerspruch da. In Tübingen - ausgerechnet in Tübingen! - erklärte ein Student: W e n n die Kommunisten alle Pfaffen an den Laternenpfählen aufknüpfen wollten, so könne er dem nur aus vollster Seele zustimmen. ...Widerspruch ...ist besser als Gleichgültigkeit. Dem Widerspruch gegenüber stand die freudige Teilnahme der Vielen." Vgl. auch den Bericht über den Tübinger Auftritt von Dibelius: „Ein Appell an die jetzige Generation, alles einzusetzen, damit v o m alten Grunde empor die neue Wirklichkeit steige, beschloß die Darlegungen des Redners" (Tübinger Chronik v. 5.7.1927). 1 8 3 Dibelius sprach in Marburg auf Einladung der Theologischen Fachschaft am 5.7.1927 im Landgrafenhaus über das „Jahrhundert der Kirche". Er wurde als A u t o r des gleichnamigen Buches und als Verfechter „für die Einführung des Bischofstitels in der evangelischen Kirche" angekündigt (vgl. Oberhessische Zeitung, Marburg a.L. v. 4.7.1927). 1 8 4 Die Weibliche Jugend, 1927, S.181.
Das Jahrhundert der Kirche* zwischen Kritik und Zustimmung
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höchstens noch leidenschaftlicher und ungeduldiger (und damit noch einseitiger) hätte geschrieben werden müssen 185 . Diese leidenschaftliche, selbst- und sendungsbewusste, nicht auf einen theologischen Ausgleich, wohl aber auf einen breiten kirchlichen Konsens hin ausgerichtete Art des Verfassers verfehlte ihre Wirkung keineswegs. So begrüßte auch die bürgerlich-konservative ,Deutsche Allgemeine Zeitung' das Jahrhundert der Kirche' und empfahl es der Leserschaft dieser weit verbreiteten Tageszeitung: „lebendige Tatsachen, weltweite Horizonte und ungeheure praktische Aufgaben" werden hier vorgelegt, und „mit hinreißendem Schwung werden die Ziele umrissen" 186 . Von Blättern entgegengesetzter politischer Richtung freilich, z.B. von der ,Vossischen Zeitung', wurde Dibelius' „temperamentvolles und doch wohl allzu verworrenes Buch" kaum verstanden, weil „man den kirchlichen Optimismus, der bei Dibelius in Blüte steht, angesichts der wirklichen Lage für unbegründet halten muß" 1 8 7 . Große Ubereinstimmung - abgesehen von der erwähnten leisen Distanzierung im Blick auf die Bewertung der Revolution als dem Geburtstag der Kirche - ist bei Johannes SCHNEIDER und seinem von ihm herausgegebenen ,Kirchlichen Jahrbuch' zu finden. In Anknüpfung an die große „Jungfernrede" von Dibelius vor der Generalsynode im Advent 1925 propagierte SCHNEIDER schon damals das „ecclesiam habemus", das dort zum ersten Mal zu hören war 188 . Wenn Dibe1 8 5 Vgl. das Vorwort zur 5. Auflage; RdBr. v. 13.2.1928; Christ, 1961, S.141f. „...in der Sache würde ich nichts, auch nicht das geringste anders sagen. ...Bücher, die keinen Widerspruch erregen, sind nicht wert, daß sie geschrieben werden" (Christ, 1961, S.142). Statt einer Ergänzung oder Korrektur des Buchinhalts sorgte Dibelius im ,Nachspiel' für eine ausführliche „Aussprache mit den Freunden und Kritikern des Jahrhunderts der Kirche'" (Untertitel). Der ursprüngliche Plan, eine 7. verbesserte Auflage des Buches herauszubringen, erübrigte sich durch das N a c h spiel' bzw. wurde wohl zu Gunsten des im Sommer 1929 geschriebenen Buches .Friede auf Erden?' wieder aufgegeben. 1 8 6 Walther SCHWARZ, Ein Jahrhundert der Kirche"? (DAZ v. 5.12.1926). 1 8 7 K. LEESE, Religion, Kirche und Theologie (VZ v. 7.2.1932). 1 8 8 Dibelius verband schon hier den Grundsatz der Selbständigkeit der Kirche gegenüber dem eigenen Staat mit der damit zusammenhängenden anderen Parole: Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen: „Hier ist einmal Tatsache geworden: Ecclesiam habemus! Wir haben jetzt eine Kirche, die als selbständige Größe sich nicht nur innerhalb des eigenen Staates behauptet, sondern die auch über die Grenzen des eigenen Vaterlandes hinaus als eine selbständige Größe politischen Mächten gegenübertreten kann. (Bravo.)" (Generalsynode 1925, 1. Teil, S.90). Weil Dibelius darüber enttäuscht war (vgl. EBD., S.88), dass der Bericht des Landeskirchenausschusses nicht die Gesamtheit kirchlichen Lebens im Berichtszeitraum umfasste, gab er nun selber auf seine Weise, gleichsam das Jahrhundert der Kirche' vorwegnehmend, einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der vom Staat getrennten Kirche; er scheute dabei nicht den biblischen Vergleich mit der Errettung Israels aus der Knechtschaft Ägyptens: „...Wenn unsere Kinder einmal fragend auf das hinweisen werden, was in dieser, nun durchgeführten Verfassung vorliegt, - daß wir dann dankbar antworten können: Gott hat uns durch diese Verfassung mit starker Hand aus einem Zeitalter kirchlicher Gebundenheit in ein Zeitalter kirchlicher Freiheit geführt, voll des Geistes und der Kraft Jesu Christi. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)" (EBD., S.102). - ,Das Evangelische Deutschland' (v. 20.12.1925, S.399-401) brachte einen Auszug aus dieser Synodal-Rede unter dem Titel: „Alte und neue Zeit in der Kirche" und kündigte den Abdruck folgendermaßen an: „Einen der Höhepunkte auf der Adventstagung der altpreußischen Generalsynode, der ersten neuen Rechtes, bildete ein großangelegter Rückblick, dessen auch allgemein die Verhältnisse neu-
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
lius t r o t z u n d n e b e n allem z w e c k b e s t i m m t e n k i r c h l i c h e n O p t i m i s m u s d o c h imm e r w i e d e r , w e n n a u c h e t w a s verhalten, d e m W i s s e n v o n der i n n e r e n N o t der K i r c h e R a u m gab, m a c h t e SCHNEIDER hier in e i n e m n a h e z u u n g e b r o c h e n e n triu m p h a l i s t i s c h e n T o n e r g ä n z e n d u n d k o m m e n t i e r e n d deutlich, w i e w e i t es die K i r c h e d o c h g e b r a c h t habe: „Sie w a r d o c h n i c h t so leicht aus den A n g e l n z u heben, o d e r a u s z u h u n g e r n , o d e r z u narkotisieren, o d e r aufs A l t e n t e i l z u setzen, als die materialistisch u n t e r b a u t e K u l t u r unserer T a g e in i h r e r H a l b b i l d u n g sich v o r s t e l l t e . " 1 8 9 SCHNEIDER sah d a n n vollends die v o n i h m s c h o n seit e i n e m halben S ä k u l u m i m , K i r c h l i c h e n J a h r b u c h ' v e r f o c h t e n e T h e s e v o n der
„öffentlichen
M i s s i o n der K i r c h e " 1 9 0 kraftvoll ins W e r k gesetzt. Z u g l e i c h i m R ü c k b l i c k auf das , N a c h s p i e l ' k o n n t e er deshalb m i t u n e i n g e s c h r ä n k t e m L o b seine Z u s t i m m u n g z u m A u s d r u c k bringen: „ W i r freuen uns v o n H e r z e n der aggressiven Glaubensz u v e r s i c h t , die das v i e l b e s p r o c h e n e B u c h v o n D . Dibelius: , D a s J a h r h u n d e r t der K i r c h e ' a t m e t " ; u n d gegen die K r i t i k e r des B u c h e s gerichtet fügte e r h i n z u : „ N u r das sei n o c h gesagt, d a ß die, w e l c h e darin nichts als optimistische V o r s t e l l u n g e n 1 9 1 gesehen haben, d o c h w o h l den K e r n der Sache ü b e r s e h e n h a b e n d ü r f t e n . W i r b r a u c h e n a u f r i c h t e n d e u n d aufrüttelnde S t i m m e n in d e r T r ü b e der Z e i t , in d e r despektierlichen E i n s c h ä t z u n g alles dessen, was die K i r c h e t u t , a u c h bei k i r c h l i c h e n L e u t e n , selbst bei D i e n e r n der K i r c h e . Z e r r ü t t e t e u n d geschlagene H e e r e g e w i n n e n keine Siege." 1 9 2
verfaßter Kirchen berührende Gesichtspunkte geeignet erscheinen, das Bewußtsein davon, was Kirche ist und soll, auch in breiteren Kreisen zu wecken." Das .Kirchliche Jahrbuch' erstellte daraus wieder einen Auszug in: KJ 53, 1926, S.539-541. Vgl. auch Dibelius' erwartungsvolle Vorschau auf die Generalsynode in der ,Wochenschau' vom 6.12.1925 und den Auszug der Rede von Dibelius am 9.12.1925 vor der Generalsynode anstatt der ,Wochenschau' (BES v. 20.12.1925). Dass die Kirche nun in einem Zeitalter der Freiheit lebe, wird von der Seite der Gemeinschaftsbewegung mit dem Hinweis auf vielerlei finanzielle (Besoldung) und institutionelle (theololgische Fakultäten) Verflechtung der Kirche mit dem Staat rigoros bestritten: „Die Kirchen klammern sich an die theologischen Staatsfakultäten; sie fühlen nicht, daß evangelische Fakultäten eines religionslosen Staates ein Unsinn sind... Es fehlt unsern Kirchen vor allem die innere Freiheit. Sie vor allem muß errungen werden. Wer in Ketten liegt und die Ketten nicht spürt, der ist weder äußerlich noch innerlich frei" (Licht und Leben 38, 1926, S.775). 1 8 9 KJ 53, 1926, S.574. 1 9 0 KJ 54, 1927, S.500. 1 9 1 Selbst eine kirchliche Behörde, das Ostpreußische Konsistorium, hatte in seinem Amtsblatt von dem „in seinem eindrucksvollen Optimismus sehr weit gehende(n) Buch ,Das Jahrhundert der Kirche'" gesprochen (vgl. KJ 54, 1927, S.498). - In einem verkirchlichten Optimismus sah 1927 der Elberfelder Pfarrer Hermann Klugkist HESSE den Grund für die Schwächung der Gemeinde und für die Entkirchlichung der Volkskirche.· „Die eigentliche Entkirchlichung liegt in der zunehmenden Ohnmacht der Gemeinde, die sich von jenem Fortschrittsoptimismus leiten läßt, der von einem Jahrhundert der Kirche' zu reden vermag" (zit. bei G. ABRATH, Subjekt, 1994, S.40). 1 9 2 KJ 56, 1929, S.316. Diese optimistische und triumphalistische Sprache sollte bei SCHNEIDER (und noch mehr bei Dibelius) weniger das Wesen einer triumphierenden Kirche bezeichnen, sondern hatte ihre massenpsychologische Abzweckung in der offenbar nur mit Hilfe einer solchen Tonlage und Redeweise zu erwartenden Öffentlichkeitswirkung. So meinte man gleichsam mit der kirchlichen Werbetrommel viel in eine „Stimmungungsmache" für die Kirche investieren zu müssen; um das Vertrauen zur Kirche wollte man werben, ohne der „Wirkung"
Das Jahrhundert der Kirche' zwischen Kritik und Zustimmung
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Auch das .Deutsche Pfarrerblatt' brachte in einem Beitrag des Essener Pfarrers Jean D Ü S S E seine Zustimmung - neben einigen letztlich unerheblichen Bedenken und Fragezeichen - zum Ausdruck. Es bescheinigte Dibelius, er habe mit seinem Buch „in dem Zusammenbruch der alten Zeit das Frühlingserwachen einer neuen Kirchenzeit" und die „Notwendigkeit des Offentlichkeitswillens der Kirche" 1 9 3 aufgezeigt. Einen mutmachenden „Ruf zur Arbeit" sieht Wilhelm T H I E L E in der Schrift von Dibelius: „Er stellt uns mitten in das Leben hinein und sucht die Probleme da anzufassen, w o sie sich uns täglich im Leben aufdrängen." 194 Vielfach wird auch darauf hingewiesen, wie bei Dibelius die Sache und die Sprache im Jahrhundert der Kirche' einander entsprechen; so rühmte man den „jugendlichen Schwung der Sprache", den „neuzeitlichen Blick des Geistes" und die „begeisterte Liebe zur Sache" 1 9 5 . Auch aus dem ökumenischen Bereich und von prominenter Seite wurde das Buch mit heller Begeisterung aufgenommen. So rühmte Nathan SÖDERBLOM, der Schwedische Primas in Uppsala, das Buch in den höchsten Tönen: „Das einzigartige und neue und außerordentlich bedeutungsvolle ist eben diese religiöse Einstellung der Kirchenorganisation. Mit Bewegung, mit Belehrung und mit Begeisterung habe ich Ihr... Buch nicht gelesen, sondern geschluckt, wie man einen Brief sofort lesen muß und will, wie viele andere Sachen auch warten. Viel habe ich mir notiert. Möge die Erweckung die beabsichtigten Früchte bringen! N u r so kann die evangelische Kirche ihren von Gott gewollten Beruf erfüllen." 1 9 6
allzu viel zuzutrauen, die von einer aus der „Knechtschaft Ägyptens" befreiten und doch die „Knechts- und Magdgestalt" bewahrenden Kirche ausgeht. 193 DtPfrBl 31, 1927, S.174. 1 9 4 Die weibliche Jugend, 1927, S.184. W. THIELE lieferte bereits 1918 einen Beitrag für die von Dibelius herausgegebenen .Mitteilungen' (Die Vorbereitung unserer evangelischen Frauenwelt auf die Wahl, in: Mitteilungen Nr.3 v. 30.12.1918). 195 Der Türmer, 1927/28, S.296 - Der flüssige Stil des Buches machte den Eindruck, das Buch sei „nicht eigentlich geschrieben, sondern gesprochen, vermutlich in die Maschine diktiert" worden (DtPfrBl 31, 1927, S.173), Dibelius habe es gar „beim Nachmittagskaffee in die Maschine diktiert.... Ist denn solches Funkeln in allen Farben und Leuchten, in überraschenden Geistreichigkeiten etwas, das wir verächtlich den jüdischen Theaterkritikern zu überlassen hätten? Daß es bei D(ibelius) ohne Zucht geschähe, kann doch wahrhaftig nicht behauptet werden!" (PB1 70, 1927/28, S.664) Solch groteske Apologetik steigert sich gar noch in völkische Hoffnungen. Mit dem angebrochenen Zeitalter sieht ein Rezensent eine neue Vision heraufziehen: „Das Jahrhundert der Kirche - groß und weit gefaßt aus der Notzeit der Tage heraus, muß sich erst noch als artgemäße volkbildende göttliche Aufgabe und göttliche Kraft auswirken unter den Völkern insgesamt" (K. PARTECKE in: Der Türmer, 1927/28, S.296). 1 9 6 SÖDERBLOM an Dibelius v. 6.2.1928 (UB UPPSALA, Briefsammlung Söderblom; geglättet zitiert in: R. STUPPERICH, Söderblom, 1989, S.66, vgl. S.70) - SÖDERBLOM hatte dabei sowohl das Jahrhundert der Kirche' als auch das .Nachspiel' „verschlungen", wobei er das erstere, die „Konfessio teutonica et evangelica de Ecclesia", eine „reformatorische notwendige und zukunftreiche Tat" nannte, und das zweite als die dazugehörige „Apologia Confessionis de Ecclesia" verstand. - Ob hier SÖDERBLOM bewusst auf eine Formulierung LUTHERS anspielt, der als Mönch die Schriften AUGUSTINs „nicht gelesen, sondern verschlungen" hat, mag nicht unwahrscheinlich sein (zum LUTHER-Zitat vgl. H.A. OBERMAN, Luther, 1982, S.170).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
Der appellative, mit gezieltem psychologischem Kalkül auf Wirkung bedachte Stil des Buches fand seine Adressaten. Dibelius sah in der nun ganz anders gewordenen politischen Welt die Möglichkeit, auf die Kirche aufmerksam zu machen und der gesellschaftlichen Depression eine positive Perspektive entgegenzusetzen. Dem prognostizierten „Untergang des Abendlandes" (O. SPENGLER) wollte er die Aufbruchstimmung und Aufbaubereitschaft des „Jahrhunderts der Kirche" entgegensetzen. Aufbauarbeit für den Staat oder Dienst am Volk in seiner Gesamtheit kann nach Dibelius deshalb nur heißen: Mitarbeit in der Kirche und für die Kirche, Mut zur Kirche, Wille zur Kirche, Vertrauen zur Kirche und Freude an der Kirche. Im Schnittpunkt der destruktiven Erfahrungen von Krieg, Niederlage und Revolution und der konstruktiven Erwartungen eines gesellschaftlichen Neuanfangs und eines staatlich-politischen Neubaus steht nun die Volkskirche, der es zuzutrauen ist, die Kraft des Volkes sammeln und das Volk einigen zu können. Unter der Sogwirkung solcher Erfahrungen und Erwartungen vereinigten sich ehrliches kirchliches Wollen, aber auch politische Urteile und Ressentiments; das „Jahrhundert der Kirche" bot sich als Identifikationsmöglichkeit einer aus verschiedenen Richtungen kommenden diffusen kirchlich-politischen Mentalität an und gab dieser Mentalität eine richtungweisende und sinnstiftende Schau der Kirche mit ihren Aufgaben in der neuen Zeit.
Die geistliche Leitung der Kirche
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5. Die geistliche Leitung der Kirche Dibelius hatte das Bischofsamt in den Rang eines konstitutiven Merkmals des „Jahrhunderts der Kirche" erhoben. Dabei verstand er dieses Amt nicht wie die übrigen Bischofsfreunde als eine Forderung, die erst noch auf dem Weg synodaler Entscheidungen in die Wirklichkeit umgesetzt werden müsste. Für ihn war das Bischofsamt auf Grund der geschichtlichen Ereignisse und der verfassungsmäßigen Ergebnisse der Revolution nicht ein Postulat, sondern ein Faktum: Der staatliche „summus episcopus" ist von dem nun in kirchlicher Verfügung stehenden Bischofsamt abgelöst worden, wenn anders die Kirche nicht ihre innere Balance und ihre äußere Konsistenz gegenüber dem Staat verlieren wollte. Die Bischofsfrage war zwar in den Gremien der Kirche negativ entschieden worden; stattdessen avancierte „die geistliche Leitung der Kirche" zum Füll- und Ersatzbegriff dessen, was Dibelius mit der Einführung des Bischofstitels intendierte und was namentlich in den lutherischen Kirchen unumstritten war: „Die geistliche Leitung der Kirche wird als die eigentliche Aufgabe des evangelischen Bischofsamtes bezeichnet." 1 Das Äquivalent zu dem kirchlichen Verfassungsgrundsatz, dass sich die Kirche aus der Gemeinde aufbaue (Art. 4 VU), bestand für Dibelius in der Wahrnehmung der „geistlichen Leitung" der Kirche und in der Wahrung ihrer Unabhängigkeit nach allen Seiten hin. Die presbyterial-synodale Intention der Kirchenverfassung sollte durch das komplementäre Element eines mehr oder weniger verdeckten Episkopalismus komplettiert werden. 5.1 Die geistliche Leitung in Unabhängigkeit von Kirche, Staat und Gesellschaft Die neue vom Staat getrennte Kirche war durch ihre neue Verfassung installiert; Dibelius proklamierte daraufhin das „Jahrhundert der Kirche". Als eines seiner wichtigsten Merkmale bezeichnete es Dibelius, dass die evangelische Kirche nunmehr eine ihrem Wesen entsprechende Leitung, eine „geistliche" Leitung, bekommen habe, die im Kern weder kollegial durch eine Kirchenbehörde noch synodal durch gewählte Gremien der Kirche, sondern personal durch den Inha1 G . TRÖGER, Bischofsamt, 1966, S.116. Zur Identifizierung des bischöflichen Amtes der Kirche mit der geistlichen Leitung der Kirche vgl. z.B. die Denkschrift, die Dibelius zum Thema der „Entlastung der Generalsuperintendenten" erstellt hat (vgl. Dibelius an E O K v. 24.1.1933, in: E Z A BERLIN, 7/776, pag. 195-198, und die nicht ohne kritische Nebenbemerkung versehene Stellungnahme des Konsistoriums v. 7.2.1933, in: EBD., pag.219f.). Dibelius plädierte dort im Sinn eines personalen Zentralismus dafür, dass - außer in Brandenburg - künftig in jeder Provinz nur ein Generalsuperintendent amtieren sollte, die beiden Berliner Generalsuperintendenturen zusammengelegt werden sollten und dass dem Generalsuperintendenten allenfalls zur Entlastung ein „Vizegeneralsuperintendent" zur Seite gestellt werden soll (wie das dann Dibelius nach dem 2. Weltkrieg in Berlin auch gehandhabt hat). Im Übrigen müsse die im Amt der geistlichen Leitung stehende Persönlichkeit „die rechte Mitte zwischen einer cura generalis und einer cura specialis" finden.
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ber des geistlichen oder „bischöflichen" Amtes ausgeübt werde. Die geistliche Leitung ist vor allem dadurch gekennzeichnet und ausgezeichnet, dass die Kirche nun nicht mehr fremdbestimmt durch den Staat und seine Organe geleitet wird. Die staatliche Leitung der Kirche in der Zeit des Staatskirchentums ist jetzt abgelöst durch die von der Kirche in die eigene H a n d genommene geistliche Leitung. Die geistliche Leitung der Kirche steht in diesem Sinn vor allem im Gegenüber z u m Staat, dessen bald latente, bald offen zutage tretende Neigung zum Hineinregieren in die Angelegenheiten der Kirche abgewehrt werden muss. Geistliche Leitung ist unter dem Gesichtspunkt der vergangenen Staatskirche nicht-staatliche Leitung. Die geistliche Leitung steht damit allerdings auch innerkirchlich den nach quasi-staatlichen Mustern aufgebauten und arbeitenden Institutionen und Gremien, den Behörden und Synoden der Kirche gegenüber 2 . A n den folgenden Beispielen wird deutlich, wie der Generalsuperintendent der K u r m a r k besonders die Unabhängigkeit der geistlichen Leitung innerhalb und außerhalb der Kirche zu wahren versuchte und dabei auch nicht vor innerkirchlichen und öffentlichen Konflikten zurückscheute. 5.1.1 Der „Fall Vogel" Der Pfarrer an der Potsdamer Friedenskirche, Dr. Johannes VOGEL, dem als Garnisonpfarrer im Jahr 1912 der Titel „Hofprediger" übertragen wurde, lud zusammen mit den Vaterländischen Verbänden auch noch nach der Abdankung des Kaisers jahrelang an dessen Geburtstag zu einem Dank- und Bittgottesdienst für das ehemalige Staatsoberhaupt ein 3 . Auch im Jahr 1926 folgte VOGEL dieser gottesdienstlichen Praxis und hielt am Vorabend des 27. Januar in der unweit des Schlosses Sanssouci gelegenen Friedenskirche einen Gottesdienst für die in den Vaterländischen Verbänden zusammengeschlossene königstreue Bürgerschaft Potsdams sowie für die Prinzenfamilien und die Abordnungen der ehemaligen Potsdamer Leibregimenter des Kaisers. Seiner Predigt legte VOGEL das Wort aus IPetr 2,17 zugrunde: „Tut Ehre jedermann, habt die Brüder lieb; fürchtet Gott, ehret den König!" 4 In die Auslegung konnte der Prediger unschwer seine schon bekannt-berüchtigten monarchistischen und antirepublikanischen Uberzeugungen einfließen lassen.
2 Dibelius als Vorsitzender des Brandenburgischen Konsistoriums bei der Provinzialsynode 1929: „Eine synodale Körperschaft darf sich nach der Verschiedenheit der Uberzeugung und der Mannigfaltigkeit der Art in mancherlei Teile und Gruppen gliedern. Das Amt der geistlichen Leitung ...darf das nicht, sondern muß für seine Verantwortung stehen, wenn ich das so sagen darf, mit einer gewissen Einsamkeit, ohne sich anlehnen zu dürfen hierhin oder dorthin" (Provinzialsynode 1929, S.556f.). 3 Hofprediger VOGEL zählte zu den persönlichen Vertrauten des abgedankten Kaisers und besuchte WILHELM II. des Öfteren in seinem holländischen Exil in Doorn. 4 Dieses Wort aus IPetr 2,17b („Fürchtet Gott, ehret den König!"), das in unserem Zusammenhang die biblische Begründung für die Staatsform der Monarchie lieferte, wurde der 5. These der Barmer Erklärung als biblisches Motto vorangestellt - und nicht etwa Mt 22,21b oder Apg 5,29 oder R o m 13,1 (vgl. dazu: E. JÜNGEL, Frieden, 1984, S.37).
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Bereits am folgenden Tag erschien im Berliner ,8-Uhr-Abendblatt' ein zweispaltiger Bericht unter der Uberschrift: „,Wer nicht königstreu ist, ist ein Lump...', das sagt ein Mann, der von der Republik sein Gehalt nimmt!" 5 . Gegen die Republik, so war in dem Artikel zu lesen, seien die Worte zu hören gewesen: „Das neue Haus, das sich die Deutschen gebaut haben, ist nicht viel wert. In das Haus von Weimar ist der Schwamm gleich mit hineingebaut. Sein Gestank erfüllt dieses Haus". Die Links-Presse nahm diese Äußerungen mit Empörung über eine solche gottesdienstliche Beschimpfung der Republik und der republikanischen Bevölkerung auf. Entrüstete Proteste gegen die Kirche bis hin zu Aufrufen zum Kirchenaustritt 6 waren die Folge. Das Berliner Konsistorium erreichten Zuschriften, in denen die Sorge um den guten Ruf der Kirche zum Ausdruck gebracht wurden. Ein Erfurter Bankdirektor fragte als „Angehöriger der evangelischen Kirche, der aber trotzdem republikanisch gesinnt" war, bei der Kirchenbehörde an, „ob tatsächlich in einer evangelischen Kirche von der Kanzel obiger Ausdruck gefallen sei, und was das Konsistorium gegen eine solche Beleidigung vieler Angehöriger der evangelischen Landeskirche zu tun" 7 gedenke. Auch die „Vereinigten Vaterländischen Verbände Potsdams" schalteten sich über die Rechts-Presse 8 in die Diskussion ein, indem sie den zusammenhängenden Wortlaut der Predigt in einer angeblich stenographischen Nachschrift veröffentlichten; die inkriminierten Ausdrücke und Sätze der Predigt sollten so in einem milderen Licht 9 erscheinen. Jedenfalls war der Pressekrieg zwischen „links" und „rechts" hell entbrannt, und seine Stichflammen erhitzten die Gemüter weit über die Grenzen der Provinz hinaus 10 . Sollte nun „die Kirche" in diesen Streit öffentlich eingreifen, Position beziehen für oder gegen den Potsdamer Hofprediger, etwa auch für oder gegen die eine oder andere Staatsform? Und wer sollte im Namen dieser Kirche das Wort nehmen? Und sollte dieses Wort politisch oder geistlich ausgerichtet sein? Anlass und Anstoß für ein Eingreifen der Kirche in dieser prekären Lage bot ein Artikel der Linkspresse: Der sozialdemokratische .Vorwärts' war ebenfalls Acht-Uhr-Abendblatt v. 27.1.1926; der ganze Vorgang in: E Z A BERLIN, 14/11.647. Vgl. Potsdamer Volksblatt v. 15.2.1926. 7 O . KRAUSS an das Berliner Konsistorium v. 29.1.1926 (EZA BERLIN, 14/11.647). In der Antwort machte sich das Konsistorium die Erklärung von Dibelius vom 4.2.1916 zu Eigen; allerdings wurden darin - offenbar bewusst - die beiden folgenden Sätze von Dibelius unterschlagen: „Die Geistlichen sind verpflichtet, das Evangelium so zu verkündigen, daß jeder, der guten Willens ist, sich dies Evangelium zu eigen machen kann, zu welcher politischen Richtung er auch gehört. Wo das nicht geschieht, wird die Kirchenleitung eingreifen". 8 Vgl. K r Z v. 30.1.1926, T R v. 31.1.1926. ' „... Wer aber diese Tatsachen (sc. der Jahrhunderte währenden Treue des Hohenzollernhauses gegenüber dem Volk) wider besseres Wissen fälscht und solche Lüge zu hetzerischer Wühlarbeit mißbraucht, der ist nicht königstreu, der ist ein Lump." „...Auch im neuen deutschen Hause riecht es nach Schwamm. ...Es ist Schwamm der Sünde, Fäulnis des Materialismus, der alles zersetzt und zerfetzt" (Pressemitteilung der Vaterländischen Verbände v. 29.1.1926). 10 Vgl. z.B. Frankfurter Zeitung v. 28.1.1926 und die (katholische) Kölnische Volkszeitung v. 9.2.1926. 5 6
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empört über die Provokation der verfassungstreuen Bevölkerung in der Predigt VOGELs und gab seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass die vorgesetzte Behörde des Hofpredigers sich offenbar nicht genötigt sah, gegen diesen einzuschreiten: „Anlaß zum schärfsten Vorgehen ist mehr als genug gegeben ... Das aber schleunigst nachzuholen, ist die Pflicht der vorgesetzten preußischen Behörde, in diesem Falle des Kultusministeriums, sowie der Staatsanwaltschaft, denn es liegt ein eklatanter Verstoß gegen das noch immer bestehende Gesetz zum Schutze der Republik vor. Handeln die Behörden nicht sofort aus eigenem Antriebe, dann wird sie die preußische Volksvertretung dazu zwingen!" 1 1 Nicht von der Kirche, sondern - nach alter und durch die Revolution längst überholter Anschauung - von staatlichen Organen sollte also der Potsdamer Pfarrer gemaßregelt werden. Auf dem Hintergrund dieser fehlgeleiteten Erwartungen ist nun das Eingreifen des kurmärkischen Generalsuperintendenten zu verstehen. Dibelius ließ sich zunächst von Pfarrer VOGEL den Sachverhalt berichten. Unter Beifügung des stenographischen Wortlauts seiner Predigt betonte VOGEL, dass es sich bei diesem Gottesdienst, der ohne öffentliche Ankündigung und ohne Glockengeläut stattgefunden habe, gleichsam u m eine geschlossene Veranstaltung gehandelt habe; „in diesen sehr bescheidenen Kreis" von königstreuen Bürgern und Verbänden habe sich aber „der wegen sehr übler Handlungen in Stralsund abgehalfterte Stud.Dir. a. D . MÜLLER - bezahlter Judenknecht u. ...hauptamtlich Zeilenschinder in jüd. Blättern" 1 2 eingeschlichen und den Bericht über den Gottesdienst an die Presse lanciert. Mit dieser Erklärung VOGELs, die Dibelius offenbar nicht weiter überprüfte, konnte der Potsdamer Hofprediger mit seiner Predigt aus der Schusslinie der Presse genommen werden: denn 1. handelte es sich u m einen nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Gottesdienst, 2. wurde dieser Gottesdienst von einem ungebetenen Gast bespitzelt und 3. wurde der Inhalt der Predigt verzerrt und entstellt an die Presse weitergegeben. Dibelius sah sich deshalb auf diesem Hintergrund nicht genötigt, zu der Person des Pfarrers und zu seiner Predigt Stellung zu nehmen. Viel wichtiger und 11 Vorwärts, 43.Jg., v. 28.1.1926. In der Sonntagsnummer v. 31.1.1926 brachte der ,Vorwärts' eine Karikatur, die den Hofprediger als Vogel im Talar mit Beffchen darstellte, mit wilhelminischem Oberlippenbart und die schwarz-weiß-rote Flagge im Gefieder - darunter Spottverse, in denen es heißt: „Herr VOGEL sang im Eichenbaum / ein königstreues Lied. / Die Republik, sie hört es kaum, / sie hat zuviel Gemüt. / Sie gab ihm täglich einen N a p p / voll Futter bis zum Rand. / Dafür legt er sein Häufchen ab / auf ihre milde Hand...". 12 Schreiben von VOGEL an Dibelius v. 1.2.1926. - Sicherlich bestand zwischen dem Antirepublikaner VOGEL und dem SPD-Mitglied MÜLLER eine Intimfeindschaft auf Gegenseitigkeit. MÜLLER hat in einem Schreiben v. 9.2.1929 ein weiteres Mal eine Predigt VOGELs moniert, die dieser an Kaisers Geburtstag in D o o m gehalten hatte und in der er WILHELM II. mit Christus verglichen haben soll. Nachdem VOGEL diesen Brief nicht beantwortet hatte, wandte sich MÜLLER an das Konsistorium mit der Bemerkung, man müsse jetzt die evangelische Kirche vor solchen Geistlichen schützen; gleichzeitig kündigte er seinen Kirchenaustritt an, den er dann auch wenig später vollzog (Schreiben an das Konsistorium v. 27.2 u. 21.9.1929; Protokoll der Stellungnahme VOGELs vor dem Konsistorium v. 23.4.1930).
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richtiger erschien es ihm, die Aufmerksamkeit auf das Grundsätzliche dieses Falles zu lenken. So ging dann Dibelius bei einem „Evangelischen Abend" in Potsdam am 4.2.1926 nur am Rand auf die aktuellen Vorgänge ein und stellte sein eigenes Hauptanliegen in den Vordergrund. Seine auf die Kirche und die Aufgabe der geistlichen Leitung gerichtete Grundsatzerklärung lautete deshalb: „Die evangelische Kirche steht grundsätzlich jenseits des politischen Parteigetriebes. Wir Geistlichen sind verpflichtet, das Evangelium so zu verkündigen, daß jeder, der guten Willens ist, sich dies Evangelium zu eigen machen kann, zu welcher politischen Richtung er auch gehört. W o das nicht geschieht, wird die Kirchenleitung eingreifen." Mit diplomatischem Geschick drehte nun aber Dibelius den „Spieß" um und machte den Ankläger zum Angeklagten: „Aber Spitzeltum im Gottesdienst kann nicht geduldet werden! ... Für ernste Beschwerden ernster Gemeindeglieder werde ich als Generalsuperintendent stets ein offenes O h r haben. Für Spitzel bin ich nicht zu sprechen! Ein Pfarrer der Kurmark, der auf Spitzelberichte hin böswillig und verleumderisch angegriffen wird, soll dessen gewiß sein, daß sein Generalsuperintendent schützend vor ihn tritt, ohne um Einzelheiten zu rechten und ohne Rücksicht darauf, ob ein solcher Fall der Kirchenleitung im Augenblick bequem ist oder nicht. ... ich werde, unbeirrt durch das, was geredet und geschrieben wird, für den angegriffenen Pfarrer einstehen, wie das meine Pflicht vor Gott und vor meinem Amt ist." 13 Mit dieser Erklärung bekam die öffentliche Entrüstung über die Predigt des Hofpredigers das Vorzeichen des Denunziantentums. Gleichzeitig machte Dibelius deutlich, dass die geistliche Leitung der Kirche nicht auf politisch-taktische, auch nicht auf innerkirchliche Gesichtspunkte Rücksicht nehmen könne, sondern einem denunzierten Pfarrer zur Seite stehen müsse, wie das seine Pflicht vor Gott und vor seinem Amt sei. Dibelius erteilte mit seiner Erklärung zugleich auch den ganz und gar kirchenfremden Forderungen des ,Vorwärts' nach einem Eingreifen des Kultusministeriums, des Staatsanwalts oder der Volksvertretung eine klare Absage: Wenn schon nach einer Stellungnahme in einem solchen „kirchlichen" Fall gerufen wird, dann ist dafür in der neuen Zeit nicht mehr eine Behörde, nicht die kirchliche Konsistorialbehörde, schon gar nicht die staatliche Kultusbehörde, zuständig, dann darf die Kirche auch nicht dem parteipolitischen Streit ausgeliefert werden, dann hat die Kirche vielmehr durch sich selbst zu sprechen, d.h. durch den Mund ihrer „geistlichen Leitung", durch den Generalsuperintendenten als dem Träger
13 Vgl. KrZ v. 5.2.1926, Berliner Lokal-Anzeiger v. 5.2.1926; T R v. 6.2.1926. Dibelius geriet dabei nun selber ins Kreuzfeuer der Kritik der Links-Presse: „Herr Dibelius und sein Pfarrer VOGEL. Wandlungen eines Stenogramms." (Acht-Uhr-Abendblatt v. 5.2.1926) Dibelius erinnerte in seiner Erklärung auch daran, dass schon SCHLEIERMACHER bei seinen Predigten in der Berliner Dreifaltigkeitskirche bespitzelt worden sei („Mit Beschämung denken wir daran zurück"). Nicht ohne Häme wurde diese Erinnerung damit gekontert, dass damals nicht ein kirchenfremder und kirchenfeindlicher Spion die Gottesdienste SCHLEIERMACHERs bespitzelt habe, „sondern die Kirchenbehörde, die gleiche Kirchenbehörde, der auch Generalsuperintendent Dibelius angehört".
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des kirchenleitenden bischöflichen Amtes. Ein Staatsanwalt hat also hier nichts zu suchen und auch nichts zu ermitteln 14 . Wenn Dibelius in seiner Grundsatzerklärung auch nicht gewillt war, bei der strittigen Sache „um Einzelheiten zu rechten", so nahm er doch durch seine „kirchliche" Solidarisierung mit dem Potsdamer Hofprediger den Verdacht in Kauf, dass er den „politischen" Inhalt der Predigt billige15. Noch später, im Rückblick auf den Verfassungstag am Sonntag, dem 11. August 1929, verwahrte sich Dibelius mit dem leisen Hinweis auf die damalige Potsdamer Affäre 16 noch einmal gegen die Bespitzelung von Gottesdiensten, erst recht „an politisch beanspruchten Tagen"; jetzt konnte er auch zugeben, dass es auch zu „Beschwerden über politische Entgleisungen auf der Kanzel - wie sie wohl einmal vorkommen können - " Veranlassung gegeben habe, aber berechtigt zu solchen Beschwerden sei nur die Gemeinde. Nicht nur kritische Stellungnahmen, sondern auch „anerkennende Worte über die politische Haltung eines Predigers wünschen wir grundsätzlich nicht zu lesen. Eine Predigt ist unter anderen als parteipolitischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Und es geschieht unserem Volke wahrlich kein Dienst damit, daß man selbst in die Gottesdienste den politischen Streit hineinträgt! Eine evangelische Gemeinde hat ein Recht darauf, unbefangen und unbelauert am Sonntag vor Gottes Angesicht zu treten." 17 Seine Amtsbrüder ermahnte er daher dringlich, „Kirche und Gottesdienst von der Parteipolitik frei zu halten". Um der glaubwürdigen Existenz einer Volkskirche willen begründete Dibelius solche parteipolitische Enthaltsamkeit: „Sonst können wir die Volkskirche nicht aufrecht erhalten!"18 Dass die gebotene politische Präsenz der Kirche mit der parteipolitischen Abstinenz ihrer Amtsträger zu vereinbaren sei, dafür konnte Dibelius auf seine eigene kirchlich-politische Existenz während seiner Pfarrerszeit verweisen: „Es hat mich während meiner Berliner Amtstätigkeit immer mit besonderer Dankbarkeit erfüllt, daß Männer und Frauen von den Deutschnationalen bis zu den So14 Dass eine solche Anschauung höchst problematisch ist und Fragen aufwirft, denen sich Dibelius in diesem Zusammenhang nicht stellte, soll hier nur angedeutet werden: Darf eine Kirche, die für sich den Schutz des Staates in Anspruch nimmt, staatliches Recht und staatsanwaltliche Ermittlungspflicht in so grundsätzlicher Weise in Frage stellen? Kann ernsthaft von einem politischen Mandat der Kirche gesprochen werden, wenn die Kirche in ihrem eigenen politischen Reden, gar in ihrer politischen Predigt sich selber für „vogel"-frei erklärt und nahezu jede Narrenfreiheit zulässt? 15 Dibelius hatte offensichtlich Mühe, seine politische Ubereinstimmung mit VOGEL in der Öffentlichkeit von seiner kirchlichen Haltung zum „Fall Vogel" zu unterscheiden. Dibelius trat, wie VOGEL auch, schon als Hauptredner des monarchistischen „Bundes der Aufrechten" auf (vgl. D . FRICKE, Parteien I, 1968, S.103). 16 SoSp. v. 25.8.1929. In Anspielung an den damaligen Potsdamer Streit schreibt Dibelius dort: „An bestimmten Tagen wird in Potsdam und anderwärts Gottesdienst in geschlossenem Kreis gehalten für Angehörige der kaiserlichen Familie und solche, die ihr nahestehen. Immer wieder finden in diesen Kreisen Leute Eingang, ,ausgesandt zu erkunden', ob da nicht etwas gesagt werde, worüber man Lärm schlagen könnte in der Presse". 17 SoSp.v. 25.8.1929. 18 RdBr. v. 12.2.1926 (vgl. dort auch die öffentliche Erklärung zum „Fall Vogel"); das folgende Zitat EBD.
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zialdemokraten in unsere Kirche kamen, obwohl mein Amtsbruder und ich aus unserer persönlichen politischen Stellung nie einen Hehl gemacht haben. Wo Gott offene Türen haben will, dürfen wir nicht mit menschlichen Meinungen Türen zuschließen!" Ein weiteres Beispiel zeigt, wie Dibelius in der Wahrnehmung seiner geistlicher Leitung sich nicht durch irgendwelche taktischen Rücksichten gegenüber den kirchlichen Behörden oder staatlichen Instanzen bestimmen ließ. 5.1.2 Der „Fall Schnoor" Anlässlich einer Ephorenkonferenz Anfang März 1927 erfuhr Dibelius über den Fehrbelliner Superintendenten RAHN von einem Vorkommnis, das in dem dortigen Kirchenkreis öffentliches Aufsehen erregt hatte: Pfarrer Friedrich SCHNOOR aus Königshorst wurde am 11. Februar vor einem Abendgottesdienst in einer Filialgemeinde von zwei Berliner Kriminalbeamten aufgefordert, sich mit ihnen unmittelbar nach dem Gottesdienst zu einer Vernehmung ins Berliner Polizeipräsidium zu begeben. Der Grund für diese spektakuläre Aktion war eine unaufgeklärte Mordsache, die sich bereits acht Jahre zuvor im Hause des Pfarrers abgespielt hatte 19 . Die Vernehmung des Pfarrers in Berlin zog sich bis in die tiefe Nacht hinein, so dass SCHNOOR in einem Gasthaus übernachten musste und erst am folgenden Tag in seine Gemeinde zurückkehren konnte. Nachdem der zuständige Superintendent - nach Meinung von Dibelius angesichts der für die Kirche und Gemeinde alarmierenden Situation viel zu spät seinen Vorgesetzten über den Vorgang in Kenntnis gesetzt hatte, begab sich der Generalsuperintendent umgehend in die durch den Vorfall aufgebrachte und verstörte Gemeinde, um seinerseits direkt und spontan zu reagieren 20 . Ungeachtet der Bedenken des Konsistoriums reiste Dibelius am 27. März nach Königshorst, um sich in einem öffentlichen Sonntags-Gottesdienst vor den angeschuldigten Pfarrer zu stellen. Denn das plötzliche und aufsehenerregende Eingreifen der Kriminalpolizei musste - auch nach der Uberzeugung der Konsistorialbehörde „den in jeder Hinsicht makellos dastehenden Seelsorger und seine treu an ihm hängenden Gemeindeglieder auf das schwerste treffen" 21 .
19 Damals war der Schwager von SCHNOOR, der Leutnant Hans WlRTH, im Pfarrhaus erschossen aufgefunden worden. Die Sache konnte nicht aufgeklärt werden; erst durch eine zunächst anonyme Anzeige vom November 1926 fielen Verdachtsmomente auf Pfarrer SCHNOOR, denen dann die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft ab Januar 1927 nachgingen. 20 Bereits am 23. März kündigte Dibelius in der Kollegialsitzung des Konsistoriums an, dass er nach Königshorst fahren werde, um sich „vor der Kirchengemeinde für den Pfarrer einzusetzen" (vgl. Schreiben des Konsistoriums an den E O K v. 2.4.1927, in: E Z A BERLIN, 14/10.591). In der Besprechung wurde Dibelius von verschiedenen Seiten aus dringend geraten, nicht vor Klärung der Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen bzw. „nach Möglichkeit mit Rücksicht auf die ungeklärte Sachlage Zurückhaltung zu üben" (EBD.). 21 Schreiben des Konsistoriums an den Polizeipräsidenten v. 28.3.1927 (EBD.). Die kirchlichen Gemeindeorgane hatten sogar Beschwerde beim Neuruppiner Oberstaatsanwalt und im Preußischen Innenministerium gegen das Vorgehen der Polizei eingelegt.
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In jenem Gottesdienst gab Dibelius vom Altar aus eine Erklärung ab, in der er sich nicht nur von der Unschuld des Pfarrers überzeugt zeigte, sondern auch heftige Vorwürfe gegen die respektlose Vorgehensweise der Berliner Polizei erhob: Die Polizei habe in einer Nacht- und Nebelaktion den Pfarrer wegen eines für einen Pfarrer ungeheuerlichen, dazu noch anonym geäußerten Mordverdachts vom Ort seiner gottesdienstlichen Verkündigung nach Berlin verschleppt. Doch, so soll Dibelius seine Rede, ins Grundsätzliche gewendet, fortgesetzt haben: „die evangelische Kirche hat in einem Volksstaat den Anspruch darauf, daß ihre Pfarrer nicht ohne weiteres wie Verbrecher behandelt werden. Gemeinde, Kirchenregiment und die öffentliche Meinung, der daran liegt, daß Recht und Gerechtigkeit Fundament unseres Staates bleiben, verlangen von der Polizei, daß sie zu den sittlichen Qualitäten eines evangelischen Geistlichen mehr Vertrauen hat, als zu dem Geschreibsel irgend eines anonymen Schurken." Deshalb erwarte der Generalsuperintendent „von der Polizei, daß sie das Amt eines evangelischen Geistlichen respektiert." 22 Nicht nur eine neutrale Haltung forderte Dibelius von den staatlichen Behörden, sondern eine besondere Achtung vor der Würde des geistlichen Amtes und seines Trägers. Es müsse deshalb von vornherein und grundsätzlich klar sein: Ein Pfarrer, der - auch nach dem schon vor Jahren nicht geklärten Tötungsdelikt - nun schon jahrelang das Evangelium verkündet und die Sakramente gespendet hat, kann keinen Mord begangen haben 23 . Es konnte nicht ausbleiben, dass die Intervention von Dibelius öffentliche Wirkungen und Weiterungen nach sich zog und eine ganze Flut von Presseberichten auslöste. So nannte das ,Protestantenblatt' das Vorgehen von Dibelius ein Beispiel für eine verfehlte Praxis des „Offentlichkeitswillens der Kirche" 2 4 . Von anderen Artikeln wurde die Angelegenheit zu einem grundsätzlichen Konflikt zwischen Kirche und Polizei hochstilisiert. Dies forderte eine eigene öffentliche Darstellung der Königshorster Vorgänge durch den Polizeipräsidenten heraus; zusätzlich beschwerte dieser sich beim E O K in der Erwartung, dass gegen den Vgl. die Wiedergabe der Erklärung im Bericht der (Deutschen Zeitung' v. 28.3.1927. Dibelius schreibt in seinem Bericht an den E O K v. 1.4.1927 weiter: „...es war mir sofort klar, daß nicht nur dem Pfarrer offenbares Unrecht zugefügt worden sei, sondern daß damit auch die Gemeinde sich in einer völlig unerträglichen Lage befände. Daß ein Pfarrer, der unter Mordverdacht steht, das Evangelium predigt, das Abendmahl austeilt, ist eine Unmöglichkeit. Entweder muß der Pfarrer sofort suspendiert werden, um sich von seiner Anschuldigung zu reinigen, oder es muß zum Ausdruck gebracht werden, daß man ihn deshalb im Amt läßt, weil man an seine Unschuld glaubt." (EZA BERLIN, 7/Pers. D 9, Beiheft I) Dibelius nahm überhaupt Anstoß an dem damaligen Polizeiwesen (vgl. Deutsche Zeitung v. 28.3.1927) und der unter parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgten Besetzung von Spitzenpositionen in den Ministerien, Ämtern und Behörden. Der Berliner Polizeipräsident war SPD-Mitglied. Damit verband Dibelius den Vorwurf, dass „die heutige Polizeiverwaltung es oft an demjenigen Verständnis für die Belange der evangelischen Kirche hat fehlen lassen, das wir von ihr fordern müssen" (Dibelius an E O K v. 1.4.1927, in: E Z A BERLIN, 7/Pers. D 9, Beiheft 1). 24 Das Eingreifen von Dibelius sei außerdem „im kleinen ein Abbild, wie unsere ... Führer mit großen Worten am falschen Platze in den Krieg hineinschlitterten" (PrBl 60, 1927, Sp.229). Diesen Vorfall nahm das ,Protestantenblatt' zum Beispiel dafür, weshalb es nicht für das geistliche und bischöfliche Führertum, sondern für eine kollegiale Leitung der Kirche plädiere (vgl. auch PrBl 60, 1927, Sp.261). 22 23
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kurmärkischen Generalsuperintendenten mit disziplinarischen Maßnahmen vorgegangen werde. Abgesehen von der falschen Darstellung des Sachverhalts durch Dibelius habe dieser sie „in einer Form vorgebracht, die man von einem so hoch gestellten kirchlichen Beamten nicht erwarten sollte. Dass er die Kanzel und den öffentlichen Gottesdienst benutzte, um derartig haltlose Vorwürfe gegen eine Staatsbehörde zu erheben, muß ihm besonders zum Vorwurf gemacht werden." 25 Der Hauptvorwurf gegen Dibelius lautete indessen, er habe als Vorgesetzter in ein schwebendes Untersuchungsverfahren öffentlich eingegriffen. Dibelius glaubte sich jedoch mit dem Hinweis auf sein Amtsverständnis rechtfertigen zu können: er habe nicht nur die formal-juristische, sondern auch die persönlichmenschliche Seite zu beachten. Im Übrigen unterliege die „Form, in der der Generalsuperintendent zu einer Kirchengemeinde spricht" nicht „der Kritik des Polizeipräsidenten"; es sei vielmehr „eine selbstverständliche Pflicht des Generalsuperintendenten, schützend vor einen Pfarrer zu treten, dem er volles Vertrauen entgegenbringen zu dürfen meinte." 26 Zu seinem großen Kummer musste Dibelius schon unmittelbar nach seinem öffentlichen Auftritt in Königshorst eingestehen, dass sein Vertrauen keineswegs gerechtfertigt war. Im Zuge der Ermittlungen konnte der Mordfall zwar nicht aufgeklärt werden, dagegen musste Pfarrer SCHNOOR Zeitungsgerüchte bestätigen, wonach er sich vor acht Jahren zusammen mit dem Dienstmädchen in seinem Hause sittlicher Verfehlungen schuldig gemacht habe. „Das Schmerzliche in der ganzen Angelegenheit", so schließt Dibelius seinen Bericht an den E O K ab, „ist und bleibt das, daß der Pfarrer, für den der Generalsuperintendent eingetreten ist, sich nicht als intakte Persönlichkeit erwiesen hat." 27 Der E O K schloss über dem Fall, der nun zugleich zu einem „Fall Dibelius" geworden war, die Akten, nicht ohne das Verhalten des kurmärkischen Generalsuperintendenten ernstlich zu beanstanden 28 . Dem Polizeipräsidenten sprach der E O K sein Bedauern darüber aus, „daß der Genannte in seine Ansprache Vorwürfe gegen die Polizei einflocht, die überdies nach den neueren Feststellungen der hinreichenden tatsächlichen Unterlagen entbehrten" 29 . Entgegen der kirchenamtlichen Rüge, die sich Dibelius durch sein ungestümes und vorschnelles öffentliches Auftreten einhandelte, fand das Verhalten des Generalsuperintendenten in der kirchlichen Öffentlichkeit weithin Zustimmung 25 Schreiben des Polizeipräsidenten an den E O K v. 28.3.1927 (EZA BERLIN 7/Pers. D 9, Beiheft I). Seine Beschwerde wiederholte der Polizeipräsident mit Schreiben vom 4.4.1927 (EBD.). 26 Dibelius an den E O K v. 1.4.1927 (EBD.). 27 EBD. Das Konsistorium leitete daraufhin gegen SCHNOOR das Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Amtsenthebung ein. 28 E O K an Dibelius v. 20.4.1927. Dessen Verhalten wird darin „trotz Würdigung der Gründe zum Eintreten für Pfarrer SCHNOOR ...vom ganzen Kollegium in mehrfacher Hinsicht nicht gutgeheißen" und „ernstlich beanstandet" (EBD.). 29 E O K an den Berliner Polizeipräsidenten v. 20.4.1927 (EBD.), abschriftlich an den Generalstaatsanwalt (der mit Schreiben vom 30.4.1927 die Beschwerde des Polizeipräsidenten aufrechterhielt) und den Preußischen Minister für Kunst und Wissenschaft. Der Е 0 К sah allerdings den Vorwurf, Dibelius habe in ein schwebendes Verfahren eingegriffen, nicht als gerechtfertigt an.
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und Anerkennung. Seine Intervention wurde als Tatbeweis dafür gewertet, dass und wie das neue Verständnis einer wirklich „geistlichen" Leitung der Kirche realisiert werden müsse. Man würdigte sein Verhalten kurz als die neue „bischöfliche Praxis": „Daß es auch heute schon eine bischöfliche Praxis bei uns gibt, hat D. Dibelius jüngst bewiesen, indem er in einem besonders subtilen Falle sich lebhaft für Recht und Selbständigkeit des Pfarrerstandes eingesetzt hat. Der Brandenburgische Pfarrerverein hat ihm mit Recht dafür seinen Dank votiert." 3 0 Dibelius selbst blieb bei seiner Begründung für die Wahrnehmung der geistlichen Leitung und die Wahrung des geistlichen Amtes der Kirche: Zwar kenne die evangelische Kirche nicht wie der Katholizismus einen weltlichen und einen geistlichen Stand, doch müssten die sittlichen Anforderungen an den Träger eines kirchlichen Amtes, aber auch Anspruch und Recht auf Vertrauen und Rücksichtnahme gegenüber einem solchen Amtsträger an der Weite seiner Verantwortung gemessen werden - ungeachtet dessen, dass Unrecht als Unrecht und Schuld als Schuld benannt werden müsse. „Wo aber besondere Anforderungen gestellt werden, darf auch Vertrauen und Rücksicht erwartet werden. ...So wird auch für einen evangelischen Pfarrer Vertrauen und Rücksicht gefordert werden dürfen auch wenn dies Vertrauen einmal schmerzlich enttäuscht wird. ... Nur wer das versteht, wird recht zu urteilen und zu würdigen wissen." 31 Dass das geistliche Amt nicht nur Vertrauen genießt, sondern auch einen Vertrauensvorschuss beansprucht, verteidigte Dibelius auch in seinem Rundbrief an die Amtsbrüder: „Wer die Dinge verwaltungstechnisch und formal-juristisch ansieht, wem die Vorsicht wichtiger ist als das Risiko entschlossenen Handelns, wird in einem solchen Falle nicht auf meiner Seite sein - ganz zu schweigen von
30 RBo. v. 10.4.1927. Umgekehrt sah das ,Protestantenblatt' in diesem ,,üble(n) Fall" das, was unter der Parole vom „Offentlichkeitswille(n) der Kirche" und unter der „geistliche(n) Leitung" eines Einzelnen verstanden wird, auf die Spitze getrieben; die Kirche hätte in ihrem eigenen Interesse lieber schweigen sollen. „Die Bischofsfreunde sind ja immer für die ,geistliche Leitung' durch einen geistlichen Führer, weil es jedem Kollegium an Aktivität fehle - ist es nicht doch gut, wenn ein Kollegium den Übereifer eines einzelnen zügelt?" (PrBl 60, 1927, Sp.229). 31 SoSp. v. 3.4.1927. Dibelius fügte diese Begründung zugleich ein in seine bekannte Geschichtsschau, wonach nach 1918 die Situation für die Kirche „ganz anders" geworden sei: 400 Jahre lang sei es, sozusagen unabhängig vom Charakter und von der Ausstrahlungskraft eines kirchlichen Amtsträgers, darauf angekommen, nur die reine evangelische Lehre zu vertreten „Das ist ganz anders geworden. Die evangelische Kirche steht in schwerem Kampfe. Der christliche Glaube, den zu verkünden ihre Mission ist, ist tausendfach umstritten. Viele kehren der Kirche den Rücken, weil das Band sich gelöst hat, das sie mit dem Glauben der Väter verbindet. Wirkungskräftig ist in einer solchen Zeit nicht in erster Linie das Wort. Unser Geschlecht ist der Worte müde geworden. Werbekräftig ist nur die praktische Frucht des Glaubens". Entscheidend für Dibelius ist also die „Persönlichkeit" des Amtsträgers, der mit seiner ganzen Person hinter dem verkündigten Wort zu stehen hat; nur so könne „wirkungskräftig" und „werbekräftig" der das Wort verkündigenden Kirche gedient werden. - In der schon erwähnten Replik des ,Protestantenblattes' werden trotz der Beteuerungen von Dibelius auch hier katholisierende Tendenzen im Amtsverständnis des Geistlichen angemahnt: „Wir wehren uns ...gegen den Schein, als ob der Pfarrer auch nur eine Haaresbreite aus dem allgemeinen Recht herausgenommen werden solle; wir wollen nichts gemein haben mit dem katholischen Kirchenrecht, das den Priester aus dem bürgerlichen Rechte für exemt (herausgenommen) erklärt" (PrBl 60, 1927, Sp.229f.).
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denen, die den gegenwärtigen Kurs unserer inneren Politik gut zu heißen imstande sind. Aber das hat mich nicht irre gemacht und wird mich auch in Zukunft nicht irre machen! Und ich habe zu meiner Freude gesehen, daß es nicht an Menschen fehlt, die verstanden haben, worum es mir geht." 32 Die beiden dokumentierten „Fälle" zeigen, dass Dibelius in seinem geistlichen Leitungsamt keine Rücksicht auf „sachfremde" Zweckmäßigkeitsüberlegungen nehmen und sich auch nicht die behördenübliche Vorsicht zu Eigen machen wollte. Die geistliche Leitung der Kirche weiß sich demnach unabhängig und eigenverantwortlich gegenüber allen kirchlichen und außerkirchlichen Instanzen, so wie Dibelius im Jahrhundert der Kirche' das in sich ruhende Bischofsamt beschrieben hatte 33 . Die geistliche Leitung der Kirche liegt im Schnittpunkt behördenkirchlicher Interessen und gesellschaftlicher Eigendynamik und hat gerade dort ihre Unabhängigkeit zu bewähren. In ihrem Außenverhältnis bringt sie insbesondere den Offentlichkeitsanspruch der Kirche zur Geltung. 5.1.3 Der Offentlichkeitsanspruch der Kirche 5.1.3.1 Kulturautonomie Entsprechend der Forderung des Jahrhunderts der Kirche' nach einem eigenen Kulturprogramm der evangelischen Kirche 34 prägte Dibelius in einem viel beachteten Vortrag vor dem preußischen Richterverein am 16.12.1929 das Wort von der „Kulturautonomie" 35 der Kirche. In einem von wechselnden Mehrheiten beherrschten Staat ist es nach Dibelius notwendig, dieser Institution eine eigenständige und für Kontinuität und Wertbeständigkeit bürgende Lebensform, wie sie die Kirche seit der Revolution darstellt, gegenüberzustellen; nur sie kann in Fra32 RdBr. v. 14.5.1927. Freilich bekennt Dibelius auch, dass ihn das Schweigen des Amtsbruders im Blick auf seine jahrelangen Verfehlungen schwer getroffen habe: „Das hat mir mitten im Kampf für einen Pfarrer meines Sprengeis das Schwert zerbrochen. Das war eine furchtbare Enttäuschung - die schwerste, die ich in meinem amtlichen Leben bisher erfahren habe." Umso ernster und dringender schließt sich die Bitte an: „Lassen Sie nie, nie durch verheimlichte Schuld das Amt und die eigene Seele Schaden nehmen! Es ist gewiß nicht nötig, daß wir alles, was unser Leben belastet hat, wahllos in die Öffentlichkeit hinausrufen. Aber wo etwas ist, was das Recht auf unser Amt anrührt, da muß der Mut gefunden werden, zu sagen, was gewesen ist. W o dieser Mut sich findet, wird immer auch geholfen werden können.!" (EBD.; vgl. auch: Christ, 1961, S.153f.). 33 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.92f. 34 Jahrhundert der Kirche, S.223ff. Noch zur Abfassungszeit des ,Nachspiels' (1928) sah Dibelius die Voraussetzungen für ein solches Kulturprogramm noch nicht als gegeben an: „Die Voraussetzung für eine solche Haltung der evangelischen Kirche würde es auch sein, daß sie ein kulturpolitisches Programm hätte, für das sie Zustimmung und Gefolgschaft in Anspruch nehmen könnte. Aber ein solches Programm hat sie nicht. Sie hat in ihrer Verbindung mit dem alten, christlichen Staat niemals die Nötigung gehabt, es zu schaffen. Sie kann es auch jetzt nicht aus den Ärmeln schütteln. Sie steckt jetzt noch in der Vorfrage, ob sie überhaupt ein kulturpolitisches Programm haben darf. Und wenn diese Vorfrage einmal mit einem klaren Ja entschieden sein wird, so wird doch dies Programm niemals zur Geltung eines Parteiprogramms oder eines dogmatischen Lehrsatzes erhoben werden dürfen" (Nachspiel, S.95). 35 Der Vortrag stand unter dem Thema: „Die Stellung der Kirche im Staat". Das Thema wurde zwei Wochen vorher vor dem gleichen Auditorium von der katholischen Seite aus behandelt (vgl. PrBl 63, 1930, Sp.61f.; R K Z 80, 1930, S.13f.; C h W 44, 1930, Sp.94).
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gen der Gesinnung und Gesittung, der Erziehung und Lebensgestaltung und besonders auch in der weltanschaulichen Auseinandersetzung klare Orientierung geben und deutliche Zeichen setzen. Dibelius versäumte es dabei nicht, dem Staat von Weimar im Sinn der „Königsberger Kundgebung" von 1927 eine Loyalitätserklärung abzugeben; gleichzeitig aber sprach er ihm das Monopol in kulturellen Dingen ab und forderte deshalb eine Kulturautonomie der Kirche, „in der eine klare Scheidung der kulturellen Interessensphären von Kirche und Staat gezo" gen"36 werden muss. Im Besonderen könne die „geistliche Leitung" durch das selbständige Amt und die eigenständigen Kundgebungen der Generalsuperintendenten wahrgenommen werden 37 . Die Forderung nach einer Kulturautonomie sollte gleichzeitig die Bereitschaft zum Kulturkampf wachhalten. Denn kein Bereich des öffentlichen und gesellschaftlichen, des privaten und familiären Lebens darf von der eigenständigen Kulturprogrammatik der Kirche ausgenommen werden. Im umfassenden Sinn erhebt die Kirche damit den geistlichen und geistigen Führungsanspruch bei der gesellschaftlichen Werte-Bildung und Werte-Erhaltung. Mit diesem Offentlichkeitsanspruch sucht die Kirche aufzunehmen und zu verwirklichen, was Dibelius im Jahrhundert der Kirche' den „Weltwillen Gottes" 38 genannt hat. 5.1.3.2 Sonntagssitte Im Zusammenhang einer Öffnung der Kirche für die gesellschaftlichen Entwicklungen und familiären Freizeitgewohnheiten der 20er Jahre hat sich Dibelius besonders in der Sonntags- und Wochenendfrage engagiert. Im zweiten Jahr seiner Tätigkeit als Generalsuperintendent startete Dibelius eine großangelegte Kampagne zur Erhaltung der Sonntagssitte. „Rettet den Sonntag!", so war das zweiseitige Flugblatt überschrieben, das in Tausenden von Exemplaren verbreitet wurde. Die Not der Zeit wird darin auf die fehlende Sonntagsheiligung zurückgeführt: die Sonntagsfeier werde der Vergnügungssucht, dem Sport, der Politik geopfert. Dibelius wollte den Sonntag der privaten Verfügung entnehmen und ihn wieder zu einer öffentlichen Gemeinschaftsaufgabe machen; denn die „Auflösung des christlichen Sonntags führt zum Ruin unse36
V Z v . 19.12.1929. D. BONHOEFFER bezog sich in seiner Vorlesung über das „Wesen der Kirche" (1932) ausdrücklich auf die These von der Selbständigkeit der Kirche und auf die Forderung nach einer Kulturautonomie der Kirche. Er bestritt die These von Dibelius, wonach mit der Kulturautonomie und der Selbständigkeit der Kirche ihr eigentlicher O r t angegeben und ihre wesensmäßige Signatur getroffen sei (vgl. D. BONHOEFFER, GS V, S.232 / D. BONHOEFFER, Das Wesen der Kirche, 1971, S.22). BONHOEFFER stellte gleichzeitig die für Dibelius grundlegende Voraussetzung in Abrede, dass mit der „Selbständigkeit der Kirche" gegenüber dem Staat die entscheidende Wende schon geschehen sei (D. BONHOEFFER, GS V, S.215). 38 Vgl. dazu oben S.217ff. - In seiner letzten Predigt im Jahr 1966 sprach Dibelius weit bescheidener von dem Weltwillen Gottes: „Gott regiert die Welt von innen her, und was in der Welt Gewalt hat, ist das, was in der Stille lebt und was erst ganz allmählich und ganz leise in die Erscheinung tritt. Nicht die Lauten, sondern die Leisen regieren diese Welt" (Gott regiert von innen her, Predigt über Mt 28,18, in: Sammlung Scharf BERLIN - mit dem handschriftlichen Vermerk SCHARFs: „die letzte Predigt unseres Bischofs!"). 37
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res Volkes!" 39 Deshalb soll die sonntägliche Gottesdienstzeit von allen Parallelund Konkurrenzveranstaltungen freigehalten bleiben; und wo ein öffentliches oder privates Fest einmal den ganzen Sonntag beanspruche, soll der Gottesdienstbesuch zum festen Bestandteil des Programms gehören. Schließlich endet der Aufruf wieder mit dem Kreuzfahrerruf „Gott will es!": „Laßt uns nicht auf die anderen warten! Die Hand ans Werk! Gott will es. Das deutsche Volk soll wieder seinen Sonntag haben!" 40 Besonders gegenüber den Parteien führte Dibelius den Kampf um die Freihaltung der Gottesdienstzeiten von ihren Versammlungen. Deshalb wurde er z.B. anlässlich einer Generalkirchenevangelisation in Gransee wegen einer Parallelveranstaltung der DNVP bei der dortigen Parteileitung vorstellig41. In Neuruppin protestierte der Generalsuperintendent gegen eine Sonntagsversammlung der DVP 4 2 . Aber er sparte auch nicht mit anerkennenden Worten, wenn führende Persönlichkeiten der DDP sich öffentlich zur Sonntagssitte bekannten: „Ungefähr zur gleichen Zeit haben zwei hervorragende Persönlichkeiten aus dem demokratischen Lager das Wort ergriffen, um gegen die Entheiligung des Sonntags durch politische Versammlungen zu protestieren. Frau Gertrud B Ä U M E R in der frankfurter Zeitung' und der frühere badische Staatspräsident Dr. H E L L P A C H in der ,Vossischen Zeitung'. Man sieht: auch da, wo man mit der Kirche und ihrer Arbeit vielleicht nicht so verbunden ist, wie wir es wünschen müssen, ist das klare Bewußtsein davon vorhanden, daß wir mit der Entwürdigung des Sonntags unser bestes Teil ruinieren."43 Um angesichts der wachsenden Wochenendmobilität auch kirchlicherseits Entgegenkommen zu zeigen, benannte Dibelius für jeden Kirchenkreis einen Pfarrer, der für die jeweiligen Ausflugsgebiete an den Sommerwochenenden Gottesdienste für Wanderer und Ausflügler organisieren sollte. Die dafür beauftragten Pfarrer wurden vom Generalsuperintendenten zu einem Lehrgang zusammengerufen, auf dem sie einheitliche Instruktionen für die Planung und Gestaltung solcher Gottesdienste entgegennahmen. In seinem Rechenschaftsbericht als Vorsitzender des Konsistoriums konnte Dibelius der Provinzialsynode die ersten Ergebnisse dieser neuen WochenendInitiative vorlegen: So fanden im Jahr 1928 an 14 Orten 155 Gottesdienste in geschlossenen Räumen statt; an 35 Orten wurden 176 Gottesdienste für Ausflügler und Wochenendler im Freien gehalten. Insgesamt wurden also in einem Jahr 331
39 „Rettet den Sonntag!" (BES v. 8.8.1926). - Gegenüber der heutigen, von Industrie, Wirtschaft und Handel bestimmten Sonntagspraxis sprach der Berliner Bischof M. KRUSE einmal vom Sonntag als einem zu erhaltenden „sozialen Biotop". 40 „Rettet den Sonntag!" (EBD.). Im Blick auf die überwiegend ländlich geprägte Kurmark entwickelte Dibelius 12 Leitsätze für die Bewahrung und Intensivierung der gemeindebezogenen und gemeinschaftsbestimmten Sonntagssitte (vgl. Sonntagsfeier auf dem Lande, in: EvMark v. 26.2.1928). 41 Siehe unten S.281ff. 42 Vgl. RdBr. v. 7.7.1927. 43 RdBr. v. 7.7.1927.
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Gottesdienste gehalten, für die eine Besucherzahl von 66.000 errechnet werden konnte 44 . Durch Beschluss der Provinzialsynode wurde noch einmal die Forderung unterstrichen, dass die Zeit des Hauptgottesdienstes frei bleiben müsse von öffentlichen Veranstaltungen jeglicher Art. Dazuhin sollten die gottesdienstlichen Angebote durch das gedruckte Wort ergänzt werden: „es sollte kein evangelisches Haus ohne evangelisches Sonntagsblatt sein" 45 . 5.1.3.3 Pressearbeit Schon in den Tagen des Vertrauensrates nützte Dibelius die Möglichkeit, mit dem gedruckten Wort auf die kirchliche Meinungsbildung Einfluss zu nehmen, die Massen zu informieren und zu mobilisieren. In A. HINDERER46, dem gebürtigen Schwaben und Leiter des Evang. Preßverbandes in Berlin, hatte Dibelius einen Mitstreiter gefunden, der der Presse nicht feindlich gegenüberstand, sondern ihre Möglichkeiten in die eigene Hand zu nehmen und sie den kirchlichen Interessen nutzbar zu machen wusste. Durch seine Vermittlung bekam Dibelius Zugang nicht nur zu den kirchlichen Blättern, sondern auch zu den Tageszeitungen ganz verschiedener Provenienz; nicht zuletzt dadurch erklärt sich auch der Bekanntheitsgrad des kurmärkischen Generalsuperintendenten. In dem von HINDERER 1924 gegründeten überregionalen Kirchenblatt ,Das evangelische Deutschland' 47 erschien Dibelius regelmäßig als Kolumnist; seine eigenständigen Veröffentlichungen wurden dort durchweg positiv rezensiert oder mit einer entsprechenden Empfehlung auszugsweise vorabgedruckt. A m bemerkenswertesten freilich ist die sicherlich singulare Erscheinung, dass ein Kirchenmann mit einem so umfangreichen Aufgabengebiet zunächst für ein kirchliches Wochenblatt, dann zusätzlich auch noch für eine Tageszeitung SonnBericht von Dibelius bei der Provinzialsynode 1929 (EZA BERLIN, 14/1649). Beschluss der Provinzialsynode 1929 (EBD.). 46 Vgl. G. MEHNERT, Presse, 1983, S.218ff. 47 Die Idee, für das gesamte evangelische Deutschland ein Kirchenblatt herauszugeben, wurde schon im Werbeausschuss des Vertrauensrates erörtert. Damals wurde vorgeschlagen, die .Mitteilungen' zu einer solchen „dauernden Einrichtung, womöglich für das gesamte evangelische Deutschland" auszubauen (vgl. Protokoll v. 7.1.1919, E Z A BERLIN, 7/953, pag.157). ,Das Evangelische Deutschland' kam zunächst monatlich, dann ab Oktober 1924 wöchentlich heraus. Im Geleitwort zur ersten Ausgabe des Blattes begründete der Präsident des D E K A und des Berliner E O K , R. MOELLER, die Herausgabe einer überregionalen Kirchenzeitung damit, dass die Kirche mit einem solchen publizistischen Organ über das gepredigte Wort hinaus eine einheitliche evangelisch-christliche „Weltanschauung" verbreiten wolle: „Das gepredigte Wort allein vermag heute nicht alles zu schaffen, was not tut. Es erreicht nur einen Teil der evangelischen Christen und vermag deshalb allein nicht mehr, eine Gemeinsamkeit evangelisch-kirchlichen Bewußtseins herbeizuführen und so zur Wiedergewinnung einer einheitlichen evangelisch-christlichen Weltanschauung beizutragen. Dazu gehört ein gemeinsames evangelisches Blatt, in dem die Vertreter der Kirchen und des Kirchenbundes zu Worte kommen, das die Gemeinden und ihre Glieder in lebendigen Zusammenhang mit dem Ganzen bringt und der evangelischen Kirche, getragen von dem lebenswarmen Interesse ihrer Gemeinden, die Stellung in der Öffentlichkeit zu erringen sucht, die ihr nach ihrem Wert, ihrer Geschichte und ihrer Bedeutung im staatlichen und kulturellen Leben Deutschlands zukommt" (EvDt, N r . l / J a n u a r 1924, S.l; vgl. auch das Geleitwort des Herausgebers A. HINDERER in: EBD., S.2). 44
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tag für Sonntag in steter Regelmäßigkeit je einen Artikel schrieb - ohne Rücksicht auf seine dienstliche Inanspruchnahme und gleichgültig, ob er krank oder im Urlaub war oder sich auf Auslandsreisen befand. Im ,Berliner Evangelischen Sonntagsblatt' schrieb Dibelius ab 1920 bis zum 25.6.1933 regelmäßig seine ,Wochenschau' 48 , in der deutschnational orientierten Tageszeitung ,Der Tag' veröffentlichte er auf jeden Sonntag den .Sonntagsspiegel' (ab 28.11.1926 bis 25.6.1933) 49 . Dabei behandelte Dibelius im Kirchenblatt schwerpunktmäßig die nationale und internationale Politik, und in der Tageszeitung warb er um Aufmerksamkeit für die mehr kirchlichen Themen. Im Verlauf von über zwölf Jahren kamen so nahezu tausend Sonntagsartikel zusammen, die für sich genommen nicht nur eine bedeutsame politische und kirchliche Chronik der Weimarer Zeit darbieten, sondern auch ein eindrucksvolles und von einem durchgängig kirchlichen Interesse geprägtes Bild von den damaligen Tagesereignissen und aktuellen Debatten liefert. Dem Einfluss und Einsatz von Dibelius ist es außerdem zuzuschreiben, dass auch das Kirchenblatt für seinen eigenen Sprengel, die .Evangelische Mark', eine wachsende Verbreitung fand 50 . Die Motivation für eine solch ergiebige und konsequent durchgeführte publizistische Tätigkeit lag für Dibelius in seiner Uberzeugung, dass bei der wachsenden Bedeutung der Presse in jenen Jahren dort sich der Offentlichkeitswille und der Offentlichkeitsanspruch der Kirche manifestieren könne. Im Gegensatz zu dem Negativbild einer Presse, deren „parteipolitische Einseitigkeit", deren „Amerikanisierung" und „Entseelung" 51 Dibelius beklagte, sollte ein Beispiel für eine klare kirchliche Orientierung gegeben werden, die die Presse von sich aus nicht leistet. Die Presse darf sich nicht selbst überlassen bleiben. Die Medien sollten als zweite „Kanzel" genutzt werden, so wie dies dann Dibelius in späteren Jahren 48 Die von K. MEIER aufgestellte, aber nicht belegte Behauptung, dass es Dibelius schon im Februar 1933 verboten worden sei, „fernerhin die politische .Wochenschau' im Berliner Evangelischen Sonntagsblatt zu schreiben", ist also nicht zutreffend (K. MEIER, Kirchenkampf I, 1976, S.279). 49 Bevor Dibelius die alleinige Federführung für den .Sonntagsspiegel' übernahm, war offenbar im Kreis der kurmärkischen Ephoren geplant, mit wechselnden Autoren die jeweiligen Sonntagsartikel zu bestreiten: „Endlich wurde die Frage der Presse durchberaten. Es ergibt sich, daß gegenwärtig in den Pfarrhäusern der Kurmark der .Reichsbote' nur noch wenig gelesen wird, daß auch die .Tägliche Rundschau' an Boden verloren hat. Die größere Hälfte der Geistlichen liest den .Tag'. Es wurden Richtlinien gegeben, in welcher Weise auf diese Zeitung eingewirkt werden könne, um sie mehr als bisher mit evangelischem Geiste zu durchdringen." (Bericht über den Ephorenkonvent vom 4./5.10.1926, in: E 2 A BERLIN, 14/1663 u. 7/11.109) - Während Dibelius' Bruder Wilhelm die von HUGENBERG angeführte D N V P im Jahr 1927/28 verließ, behielt der kurmärkische Generalsuperintendent trotz seiner wachsenden Distanz zu dieser Partei seine Mitgliedschaft bei, um nicht seine publizistische Plattform im ,Tag' zu verlieren (Mitteilung von Pfarrer Hans Otto DIBELIUS, Sohn von Wilhelm DIBELIUS). Der ,Tag' gehörte zum SCHERL-Verlag und dieser zum übermächtigen Presse-Imperium HUGENBERGs. 50 Auf dem schon erwähnten Ephorenkonvent wurde auch „über Inhalt und Verbreitung der ,Evangelischen Mark' verhandelt, die sich allmählich durchzusetzen beginnt. Die Ephoren werden gebeten, sich der Sonntagsblätter noch mehr als bisher anzunehmen" (Bericht über den Ephorenkonvent v. 4./5.10.1926, in: E Z A BERLIN, 14/1663 / E Z A BERLIN, 7/11.109). 51 „Die Märkische Zeitung und die evangelische Kirche" (EvMark v. 15.1.1928).
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zusätzlich auch durch regelmäßige Morgenandachten und Ansprachen „zur Lage", vor allem im Berliner RIAS und im SFB, praktiziert hat. Aus demselben Interesse heraus ist es zu verstehen, dass sich Dibelius für eine kirchliche Beteiligung auf der Kölner Presse-Ausstellung (1928) eingesetzt hat. Dibelius hatte für diese in den kirchlichen Blättern heftig umstrittene „Evangelische Schau" erhebliche Gelder erkämpft, die es seinem Freund, dem Architekten Otto BARTNING, ermöglichten, für diese Ausstellung einen modernen Kirchenbau aus Stahl und Glas zu schaffen 52 . Dibelius hielt zu der evangelischen Sonderschau einen Eröffnungsgottesdienst. Auch der Schwedische Primas Nathan SÖDERBLOM besuchte die „Pressa" und sprach dort sogar vom „Apostolat der Presse" 53 . Die evangelisch-kirchliche Präsenz im katholisch geprägten Köln sollte ihre Signalwirkung für das Selbstbewusstsein, die Eigenständigkeit und den Offentlichkeitswillen der evangelischen Kirche nicht verfehlen. Wie sich die Kirche auf der „Pressa" öffentlichkeitswirksam in Szene setzen konnte, so hatte sich Dibelius auch mit seiner regelmäßigen publizistischen Tätigkeit eine breite Basis geschaffen, um nicht nur eine persönliche Meinung, sondern die Haltung „der Kirche" zur Geltung zu bringen, für die er zu sprechen und zu schreiben beanspruchte. Er hatte so die Möglichkeit, nicht nur zum aktuellen Tagesgeschehen Stellung zu nehmen, sondern auch in allen Fragen der „Sittlichkeit" Partei zu ergreifen und Flagge zu zeigen. Seinen Wahrnehmungsdefiziten ist es freilich zuzuschreiben, dass Dibelius meinte, in Ausübung seines geistlichen Amtes könne dies immer in überparteilicher und objektiver, zumindest in einer Meinungsgrenzen übergreifenden und konsensfähigen Weise geschehen. Immer wieder meinte Dibelius sich selbst und der Öffentlichkeit den Beweis dafür liefern zu müssen, dass der Träger eines geistlichen Amtes persönliche Optionen und Mentalitätstendenzen zu Gunsten der „Uberparteilichkeit der Kirche" zurückstellen kann. 5.2 Die geistliche Leitung in Unabhängigkeit von der Parteipolitik Dibelius wollte mit aller Entschiedenheit die Uberparteilichkeit der Kirche und des kirchlichen Amtes - trotz seiner eigenen, auch in der Öffentlichkeit bekannten Parteigebundenheit - gewahrt wissen. Er selbst war deshalb aus übergeordneten Gründen durchaus bereit, auch seine eigene parteipolitische Bindung außer Acht zu lassen, ja sogar seine Parteimitgliedschaft in der D N V P zur Disposition zu stellen.
52 Bild der Kölner Pressa-Kirche in: EvDia 10, 1928, S.167. O. BARTNING stand der avantgardistischen Bauhaus-Tradition nahe, die dann von den Nazis verfemt und bereits im Jahr 1933 zerschlagen wurde. 53 Vgl. WoSch. v. 15.4.1928; Furche 14, 1928, S.lOOff.; Eiche 16, 1928, S.421; KJ 55, 1928, S.537ff. ; R K Z 78, 1928, S.203ff.; PrBl 61, 1928, Sp.429.
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5.2.1 Generalevangelisation in Gransee und die D N V P Bei der von Dibelius im Herbst 1926 durchgeführten Generalevangelisation in Gransee hatte die DNVP-Ortsgruppe eine Parallelveranstaltung angekündigt und sie nicht, wie es Dibelius erwartet und gefordert hatte, zu Gunsten des kirchlichen Ereignisses wieder vom Programm abgesetzt. U m ein Exempel zu statuieren und um die Wichtigkeit der Angelegenheit zu unterstreichen, wandte sich Dibelius an den DNVP-Kreisvorsitzenden AVERDUNK mit der Drohung, sich öffentlich von der D N V P zu distanzieren, vielleicht sogar seinen Austritt aus der Partei zu erklären: „Ich werde - spätestens auf meinem nächsten Kirchentag in Potsdam - die kirchliche Lage in meiner Kurmark öffentlich dahin präzisieren, daß wir für den neuen kirchlichen Willen, der jetzt wachgeworden ist, bei den politischen Organisationen, die für die Kurmark in Betracht kommen, bisher kein Verständnis, geschweige denn Unterstützung gefunden haben. Und daß es eine Illusion sei, daß die Organisationen der Deutschnationalen Volkspartei sich in dieser Beziehung von denen anderer politischer Parteien unterscheiden. Ich werde das an dem Granseer Fall illustrieren. Daraus ergibt sich dann die Konsequenz, daß wir, wenigstens in der Kurmark, als Evangelische Kirche rein auf uns selbst gestellt sind. Und daß wir mit dem Grundsatz noch ganz anders ernst machen müssen, daß die Evangelische Kirche jenseits der politischen Parteien steht. Praktisch wird das bedeuten, daß ich bestimmte Folgerungen ...jetzt ziehen muß, weil die praktische Haltung meiner eigenen Partei in meinem eigenen Sprengel dem nicht entspricht, was ich nach der Haltung der parlamentarischen Vertreter immer erwarten zu dürfen geglaubt habe. Es ist mir sehr schwer, daß es so ist. Aber ich muß die Verpflichtung gegen mein Amt meinen parteipolitischen Wünschen überordnen." 5 4 Dibelius fand freilich bei seiner Partei zunächst nur wenig Verständnis für seinen kirchlich begründeten Protest, schon gar nicht für seine Androhungen. Die Kreisvertreter der Partei werteten vielmehr den von Dibelius hochgespielten Fall als Anlass für seine längst beabsichtigten Absetzbewegungen und vertraten der Parteileitung gegenüber die Ansicht, „daß der geringfügige Vorfall in Gransee nicht der Grund zu der scharfen Stellungnahme gegen die Deutschnationale Volkspartei sein kann ... Man war allgemein der Auffassung, daß Euer Hochwürden diesen Vorfall als Anlaß nehmen, um aus politisch kirchlichen Gründen von der Deutschnationalen Volkspartei abzurücken und freie Hand zu bekommen" 5 5 . Jedenfalls ließ Dibelius keinen Zweifel daran, dass er um seines kirchlichen Amtes und seiner geistlichen Verantwortung willen den offenen Konflikt mit der D N V P nicht scheute und deutlich auf Distanz zu seiner eigenen Partei zu gehen gewillt war.
54 Dibelius an Dr. AVERDUNK v. 27.11.1926 (BA Abt. pag.499/509). 55 Dr. AVERDUNK an Dibelius V. 14.12.1926 (EBD., pag.496).
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Mehr Verständnis fand Dibelius bei seinem Freund Reinhard MUMM, der sich der Sache in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Evangelischen Reichsausschusses der Partei annahm und auch den Parteivorsitzenden GRAF WESTARP einschaltete: „Der Evangelische Reichsausschuß und der Reichskatholikenausschuß der deutschnationalen Volkspartei bitten im Blick auf den christlichen Grundcharakter der Partei die Parteileitung, dafür zu sorgen, dass bei Parteiveranstaltungen die Stunde von Haupt- und Festgottesdiensten von öffentlichen Parteiveranstaltungen freigehalten werde. Deutschnationale Veranstaltungen in der Stunde des Hauptgottesdienstes geben den an dem christlichen Grundcharakter der Partei bewußt festhaltenden Mitgliedern starkes Ärgernis." 56 GRAF WESTARP wandte sich auf Grund dieser Resolution vorsichtig» mahnend und zum Frieden ratend an die DNVP-Ortsgruppe von Gransee: „Die Partei steht nach ihrem Programm auf christlichem Boden und Sie wissen, wie sehr in meiner gesamten öffentlichen Wirksamkeit mir am Erhalt dieses Grundgedankens gelegen ist. Herr Generalsuperintendent D. Dibelius ist einer der angesehensten führenden Männer der evangelischen Kirche, zugleich ein durch Vieles verdienter Parteigenosse." Und um das Äußerste an öffentlichem Ärgernis zu verhindern, gab der Parteivorsitzende zu bedenken: „Ein Austritt von Generalsuperintendent D. Dibelius, wobei der Anlaß dann in die weitesten Kreise kommen würde und vermutlich andere Austritte nach sich zöge, wäre ein kaum zu verantwortender Schade für unsere Partei." 57 5.2.2 Die vaterländischen Verbände und die Königsberger Kundgebung von 1927 Gerade gegenüber denjenigen Parteien, denen der Protestantismus in seiner Mehrheit traditionellerweise nahestand, hielt es Dibelius für geboten, auf die Wahrung der kirchlichen Unabhängigkeit besonders zu achten. Auch bei den vaterländischen Verbänden sah Dibelius seine Aufgabe darin, die Kirche von deren nationalpolitischen Umklammerungsversuchen freizuhalten. Durch die markante Äußerung im Jahrhundert der Kirche', die Revolution von 1918 sei ein „befreiendes Gewitter" 58 gewesen, als auch durch den Satz des ,Nachspiels', dass mit „Stahlhelmpastoren" 59 den heiligen Aufgaben der evangelischen Kirche ebensowenig gedient sei wie mit „Reichsbannerpastoren", sind namentlich die national gesinnten Kreise und die vaterländischen Verbände in ihrem Verhältnis zur Kirche verunsichert worden. Dibelius ergriff daher die Initiative und lud führende Persönlichkeiten der vaterländischen Verbände, der Patronatsverbände und vor allem auch des Stahlhelm, auf den 24.1.1929 ins Berliner
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MUMM an Dibelius v. 11.12.1926 (EBD., pag.502 R, vgl. pag.504f.). GRAF WESTARP V. 26.11.1926 (EBD., pag.522f.) - Gegen eine Sonntagsversammlung der D V P in Neuruppin hatte Dibelius später ebenfalls Protest eingelegt (vgl. RdBr. v. 7.7.1927). 58 Jahrhundert der Kirche, S.75. 59 Nachspiel, S.98f. 57
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Hotel Prinz Albrecht zu einer ganztägigen Aussprache ein 60 . Der Generalsuperintendent ließ seinen Provinzialjugendpfarrer WLLM, der sich zum Sprachrohr der vaterländischen Verbände machte, vor der 50-köpfigen Versammlung das Einleitungsreferat über die Stellung dieser Verbände zur Kirche halten. WLLM fasste dabei all die Gravamina zusammen, die er in seinen Vorgesprächen für diese Tagung gesammelt hatte: vermisst werde bei der Kirche im Allgemeinen und bei Dibelius im Besonderen „die schuldige Dankbarkeit gegenüber der Vergangenheit, insonderheit gegenüber dem Hohenzollernhaus". „Die Mitarbeit an der ökumenischen Bewegung und im Völkerbund sei unvereinbar mit dem nationalen Ehrgefühl, solange die Kriegsschuldlüge nicht restlos aus der Welt geschafft sei." Die „überaus lebhafte ...und zum Teil mit Schärfe geführte Debatte" gipfelte in der Forderung, dass die verfehlte, keineswegs einstimmig gefasste „Vaterländische Kundgebung" des Königsberger Kirchentags (1927) „rückgängig oder wenigstens unschädlich gemacht werden" müsse; die Kirche habe eigentümlich schnell den Anschluss an den jetzigen Staat gefunden, für dessen Obrigkeit man nicht beten könne. Dibelius gab zu bedenken, dass eine Volkskirche immer „eine complexio oppositorum" sei, innerhalb deren der Geist der vaterländischen Arbeit „weithin" bejaht werden könne. „Wo aber Rache und Haß gepredigt würden, sei die Grenze da." Vorrangige N o r m der Kirche sei die Predigt des Evangeliums, das für alle Schichten und Teile des Volkes über alle Parteien hinweg Geltung habe und nicht politisch instrumentalisiert werden dürfe. Eine einseitige Parteinahme für das nationale Bürgertum komme deshalb für die Kirche nicht in Frage. Für die positive Annäherung an den neuen Staat sei die Königsberger Kundgebung 6 1 „ein für allemal grundlegend": „Ein Generalsuperintendent, der die Königsberger Kundgebung nicht bejahen könne, könne nicht in seinem Amte bleiben. ... Wir kennen keinen Gehorsam aus taktischen Gründen, sondern treten für Staat und Obrigkeit gemäß Römer 13,5 ein ,um des Gewissens willen'." Die Versammlung musste sich von Dibelius sogar sagen lassen, dass es unter den vaterländischen Verbänden nicht an Versuchen fehle, „germanisches Heidentum wieder aufzu60 Vgl. Christ, 1961, S.148f. und den 7-seitigen Bericht von Dibelius über die Tagung der vaterländischen Verbände am 24.1.1929 (EZA BERLIN, 7/742, pag.25-31; die folgenden Zitate EBD.). 6' Die Vaterländische Kundgebung des Königsberger Kirchentages hat durchaus ein Doppelgesicht: zum einen betont sie, dass „Christentum und Deutschtum ...seit mehr als einem Jahrtausend eng miteinander verwachsen" und deshalb auch das deutsche „Volkstum" und die „Freude am Heimatland" von der Kirche aus zu bejahen seien; zum anderen stellt sie die Uberparteilichkeit der Kirche heraus, erkennt den Staat, damit also auch den Weimarer Staat, als eine „Gottesordnung mit eigenem wichtigen Aufgabenkreis" an und verpflichtet die Kirche zur „Fürbitte für Volk, Staat und Obrigkeit" (vgl. die Kundgebung, in: H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.207f.). Auffallend ist, dass Dibelius die Königsberger Kundgebung nicht im Sinn des darin auch enthaltenen vaterländischen Gedankenguts oder des neokonservativen Volkstumsgedankens, sondern nur ihre staatsloyalen und vernunftrepublikanischen Passagen in Anspruch nahm. Dies entsprach auch der gesamtkirchlichen Linie des D E K A , dem diese Kundgebung als „Plattform für den Kurs der kooperativen Loyalität" gegenüber dem Weimarer Staat diente (K. NOWAK, Kirche, 1981, S.177; vgl. auch J . WRIGHT, Parteien, 1977, S.122ff.).
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richten"; außerdem lasse die Kirchlichkeit und die kirchliche Mitarbeit von dieser Seite aus „oft außerordentlich zu wünschen übrig". Dibelius ließ die Repräsentanten der vaterländischen Verbände also nicht im Zweifel über seine eindeutig „kirchliche" Haltung 62 , die keinesfalls irgendeinen politischen oder nationalen Missbrauch dulden könne; denn nur in dieser Haltung lägen „die Kräfte für die innere Erneuerung des Volkes" 63 . Gegenüber seinen kurmärkischen Amtsbrüdern fasste Dibelius das Ergebnis dieser Ausspra" che64 noch einmal zusammen: in den entscheidenden Punkten sei keine Einigung erzielt worden, die vaterländischen Verbände sollten aber in ihren Reihen eine „geräuschlose Kirchlichkeit" pflegen, ohne von der Kirche zu verlangen, sich in einseitiger Weise politisch zu exponieren. Die vom Staat getrennte Kirche sei nach 1918 nicht den Weg der „schottischen Disruption" von 1843 gegangen, sondern habe den Zusammenhang mit dem Staat gewollt und gewahrt; die Königsberger Kundgebung sei nicht mehr rückgängig zu machen, und Rom 13 sei in Kraft. „Eigentliche christliche und kirchliche Töne sind uns bei der Besprechung nicht eben viel entgegengeklungen. Es waren doch wesentlich politische Ziele, für die man die Bundesgenossenschaft der evangelischen Kirche wünschte. Je mehr ich mich aber persönlich manchen dieser Ziele verwandt fühle, um so bestimmter muß ich dabei verharren, daß wir als evangelische Kirche nicht den Auftrag haben, die vaterländische Bewegung zu fördern, sondern das Wort Gottes lauter und rein zu verkündigen mit seiner herben Kritik an allem, was es an vorletzten Werten gibt. Der letzte Wert ist Gott und Gott allein!" Bei seinem Rechenschaftsbericht als Vorsitzender des Konsistoriums auf der September-Provinzialsynode stellte Dibelius mit Berufung auf die Königsberger Kundgebung noch einmal die „Uberparteilichkeit" der Kirche heraus. Im Plenum erntete er dafür, wie das Protokoll vermerkt, noch „lebhafte Zustimmung", vor allem als er betonte, dass „die evangelische Kirche auf ihren Kanzeln und in ihren Häusern Seelsorger, nicht politische Agitatoren" 65 brauche. Die in der Königsberger Kundgebung mitenthaltene Frage der Staatsloyalität wollte Dibelius jedoch mit den Synodalen lieber hinter verschlossenen Türen in einem eigens dafür erweiterten Ausschuss klären, „um die politischen Fragen, die uns berühren, unbefangen zu besprechen"66. In diesen vertraulichen Beratungen gab es „viel innere Bewegung und manchen dramatischen Höhepunkt"; diese Bemerkung deutet darauf hin, dass sich die Situation seit der Aussprache mit den vaterländischen 62 Diese eindeutig „kirchliche" Haltung, bei der im Grundsatz der Vorbehalt gegenüber dem Staat als einer Frucht der Trennung v o n Staat u n d Kirche aufrechterhalten bleibt (vgl. RdBr. v. 14.2.1929), kann aber nicht als Versuch interpretiert werden, „die vaterländische Bewegung zu .verchristlichen'" (K. NOWAK, Kirche, 1981, S.307; vgl. auch S.200). Dibelius hat die vaterländischen Verbände gerade nicht zu vereinnahmen versucht; er ist ihnen gegenüber vielmehr deutlich und mutig auf Distanz geblieben. 63 64 65 66
E Z A BERLIN, 7/742, pag.31. R d B r . v. 14.2.1929; die folgenden Zitate EBD. Provinzialsynode 1929, S.44. R d B r . V. 8.10.1929; die folgenden Zitate EBD.
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Verbänden am Anfang des Jahres „nicht entspannt" hat. Dibelius missbilligte dabei vor allem, dass und wie die Stahlhelm-Führer mancherorts Pfarrer und Gemeinden im Blick auf die Gestaltung der Gottesdienste anlässlich des zehnjährigen Verfassungstages am 11. August unter Druck gesetzt hätten 67 . Dazuhin konnte er ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass die Verbände bei ihren Zusammenkünften und Übungen keine Rücksicht auf die sonntäglichen Gottesdienstzeiten nähmen. 5.2.3 Parteiverhalten und Parteizugehörigkeit evangelischer Pfarrer Der kurmärkische Generalsuperintendent geriet bei diesem Fragenkreis besonders deshalb unter Beschuss, weil er einem Pfarrer der Kurmark, der Gauführer im Stahlhelm war, das „Auftreten in politischen Versammlungen untersagt" 68 hatte. Offenbar hatte der Amtsbruder „bei seinen Agitationsreden das Niveau nicht" gewahrt, „das dem Geistlichen gebührt." Es handelte sich um Pfarrer Georg SCHULTZE aus Stolpe (Ephorie Angermünde), der auch schon an der Zusammenkunft mit den vaterländischen Verbänden anfangs 1929 teilgenommen hatte. Schon damals hatte Dibelius seine Gesprächspartner nicht im Zweifel darüber gelassen, dass „ich es für unvereinbar mit den Pflichten eines evangelischen Gemeindepfarrers halte, wenn ein Amtsbruder das Stahlhelmabzeichen auf den Gängen durch seine Gemeinde trägt." 69 SCHULTZE ließ sich trotz mehrfacher Gespräche und Ermahnungen seitens des Generalsuperintendenten nicht davon abbringen, immer wieder als Redner in agitatorischer Weise bei politischen Versammlungen aufzutreten, so dass er namentlich in der sozialistischen Presse „immer wieder als Beispiel des politisch hetzenden Stahlhelmpastors angeführt" 70 wurde. Dibelius kritisierte auch nach einem Gottesdienstbesuch in Stolpe die Gestaltung der Kriegergedenktafel in der dortigen Kirche, unter die SCHULTZE eine aufgehende Sonne malen und das Wort schreiben ließ: „Möge uns aus ihren Gebeinen ein Retter und Rächer erstehen!" 71 Nachdem alles gute Zureden nichts gefruchtet hatte und SCHULTZE der Bitte des Generalsuperintendenten nicht nachgekommen war, sich von weiteren politi67 Ein Stahlhelmführer hat „,für seinen Befehlsbereich' die Anordnung getroffen.., daß ihm über die Predigten der Pastoren am 11. August berichtet werde und daß jeder Stahlhelmer die Kirche während der Predigt zu verlassen habe, sobald der Verfassung in freundlicher Weise gedacht werde" (Dibelius an E O K v. 1.8.1929, in: E Z A BERLIN, 7/1994, pag.59R). - Zum Königsberger Kirchentag und seiner Kundgebung vgl. außerdem oben S.49f. 68 RdBr. v. 8.10.1929; die folgenden Zitate EBD. 69 RdBr. v. 14.2.1929. 70 Dibelius an E O K v. 1.8.1929 (EZA BERLIN, 7/1994, pag.56). Von den politischen Auftritten SCHULTZEs berichtete z.B. auch der .Vorwärts* am 10.7.1929: „In Stahlhelmuniform auf der Kanzel!". 71 Dibelius an E O K v. 1.8.1929 (EZA BERLIN, 7/1994, pag.56R.). Auf die Frage von Dibelius, wie diese Unterschrift mit dem Wort aus R o m 12,19 zu vereinbaren sei, gab SCHULTZE ausweichend und verharmlosend zur Antwort, die Unterschrift unter der Gedenktafel sei nicht so schlimm gemeint und es habe auch noch niemand daran Anstoß genommen (vgl. EBD.).
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sehen Aktivitäten fernzuhalten, teilte Dibelius dem Pfarrer in Stolpe am 18. Juli 1929 mit: „Ich kann dieser Betätigung nicht länger zusehen. Ich muß von den Geistlichen der Kurmark verlangen, daß sie ihre Kraft der Seelsorge in ihrer Gemeinde widmen, die das bitter nötig hat. Was darüber hinaus an Kraft und Zeit verfügbar bleibt, muß der Kirche gehören, nicht einer politischen Arbeit. ...Mit dem politischen Standpunkt als solchem hat das nichts zu tun. U m welche Partei es sich auch handelt, der Pastor darf nicht politischer Agitator sein! Die Sache ist zu ernst, als daß ich nicht darauf bestehen müßte, daß die Amtsbrüder sich dieser Direktive fügen." So kam Dibelius zu seiner ultimativen Verfügung: „Ich untersage Ihnen hiermit das Auftreten in politischen Versammlungen irgendwelcher Art."72 SCHULTZE kam der Erwartung von Dibelius nicht nach, sich seiner „Anordnung stillschweigend und verständnisvoll" 73 zu fügen, sondern gab das Abmahnungsschreiben des Generalsuperintendenten an die Stahlhelmleitung weiter. Von dort machte es in Hunderten von Abschriften bei den vaterländischen Verbänden 7 4 die Runde. Gegen die Maßnahme von Dibelius legte SCHULTZE darüberhinaus Beschwerde beim Oberkirchenrat 7 5 ein; seinem Bescheid sah Dibelius aber gelassen und selbstbewusst entgegen: „Die Antwort steht noch aus. Sie wird
72 Dibelius an SCHULTZE v. 18.7.1929 (EZA BERLIN, 14/Pers. Georg Schultze). Den Angermünder Superintendenten BORRMANN bat Dibelius, SCHULTZEs Aktivitäten im Auge zu behalten; seine Maßnahme verband Dibelius mit einem gesamtkirchlichen Aspekt: SCHULTZE „ist der einzige Geistliche der Kurmark, der dauernd politisch hervortritt. Ich halte es für untragbar, daß er in gegnerischen Blättern ständig als Exponent einer Haltung angeführt wird, die von Andersdenkenden als herausfordernd empfunden wird. ...Und dieser Eindruck ist nun einmal nicht zu vereinbaren mit der überparteilichen Haltung der Kirche, zu der wir durch die Königsberger Kundgebung verpflichtet sind und auf die wir gerade jetzt besonders achten müssen" (Dibelius an
BORRMANN v. 1 8 . 7 . 1 9 2 9 , in: EBD.). 73
Dibelius an BORRMANN v. 18.7.1929 (EBD.).
In einer von Pfarrer WLLM unterzeichneten öffentlichen Erklärung der Pfarrer-Arbeitsgemeinschaft im Stahlhelm, Landesverband Brandenburg, heißt es, dass Dibelius mit seinem Redeverbot selber die „kirchenregimentliche ...Neutralität auf politischem Gebiet" gefährdet habe. Außerdem wird grundsätzlich konstatiert: „Wir müssen ... ein Verbot politischer Betätigung schlechthin ablehnen, weil es der Kirchenverfassung wie der Reichsverfassung widerspricht und außerdem einen gefährlichen Eingriff in die evangelische Gewissensfreiheit bedeutet. Die unhaltbare Vermengung von Parteipolitik und dem aus Gottverantwortung und Gewissensernst geborenem Ringen um die deutsche Not muß noch besonders festgestellt werden." (EZA BERLIN, 7/1994 und 14/Pers. Georg Schultze) In der Erwiderung des Konsistoriums auf diese Erklärung wird der Vorwurf bestritten, „daß der Schritt des Herrn Generalsuperintendenten D. Dibelius gegen eine bestimmte Gesinnungsgruppe gerichtet" sei. „Was die Form angeht, so können wir es nicht für zulässig halten, daß der Provinzialjugendpfarrer dem Vorsitzenden des Konsistoriums in einem Erklärungs-Entwurf, der durch Vieler Hände gelangt und für öffentlichen oder amtlichen Gebrauch bestimmt ist, ein Befremden ausspricht und den Vorwurf erhebt, daß er ,bewußt oder unbewußt' die vaterländischen Teile des Kirchenvolkes politisch schwächen wolle." (Konsistorium an EOK v. 11.10.1929, in: EZA BERLIN, 7/1994, pag.60f.) Das Schreiben ist unterzeichnet von KonsPräs. GENSEN, während Dibelius den Entwurf für diese Stellungnahme geliefert hat (vgl. den handschriftlichen Entwurf v. 9.10.1929, in: EZA BERLIN, 14/Pers. Georg Schultze). 74
75
SCHULTZE an E O K v. 2 0 . 7 . 1 9 2 9 ( E Z A BERLIN, 7 / 1 9 9 4 ) .
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an meinem Verbot nichts ändern. In der geistlichen Leitung seines Sprengeis ist der Generalsuperintendent selbständig gegenüber jedermann." 76 D a durch die förmliche Beschwerde beim E O K das Rede- und Auftrittsverbot nach Meinung SCHULTZEs mindestens vorläufig ausgesetzt war, führte dieser auch weiterhin seine politische Agitation fort, namentlich in der Propaganda für das gegen den Young-Plan gerichtete Volksbegehren 77 . Dibelius wusste sehr wohl zu unterscheiden zwischen einer Anordnung der „geistlichen Leitung" eines Generalsuperintendenten und einer Disziplinarmaßnahme einer kirchlichen Behörde. Während Dibelius als Generalsuperintendent ein striktes Rede- und Auftrittverbot aussprach, sah er als Vorsitzender des Konsistoriums keine Handhabe, gegen SCHULTZE vorzugehen, als dieser anlässlich einer Fahnenweihe des Stahlhelm-Ortsvereins Lübben eine politische Weiherede hielt: „Da der Vortrag in einem geschlossenen Kreise und... vor Gleichgesinnten gesprochen war, hatten wir keinen Anlaß, den Pfarrer SCHULTZE zur Rechenschaft zu ziehen." 78 Für diese bemerkenswerte Unterscheidung warb Dibelius bei seinen Amtsbrüdern um Verständnis: „Ich unterscheide zwischen der geistlichen Leitung des Generalsuperintendenten und zwischen der Dienstaufsicht, die Sache des Konsistoriums ist. Die Dienstaufsicht ist eine Angelegenheit der rechtlich geordneten Verwaltung. Ihr äußerstes Mittel ist das Disziplinarverfahren. Die geistliche Leitung kennt keine rechtlichen Formen. Sie geht als Seelsorge von Person zu Person. Von einem Disziplinarverfahren weiß sie nichts. Sie kann vieles sagen und tun, was die Behörde nicht kann. Sie hat auf der anderen Seite die äußere Macht der Behörde nicht und will sie nicht haben. ...Ich will, wo es nötig ist, bitten und raten, wie der Seelsorger bittet und rät. Wenn das nichts hilft, will ich bestimmt und energisch sagen: Dies geschieht und jenes unterbleibt! Wenn der Amtsbruder dann die Achseln zuckt, so muß ich ihn fortan betrachten als einen, der sich außerhalb meiner seelsorgerlichen Verantwortung gestellt hat. Ich werde daraus gewisse Folgerungen ziehen. Aber ich werde die Sache nicht dem Konsistorium übergeben und nichts tun, was äußere rechtliche Formen hat. Ich vertraue darauf, daß unter Geistlichen das Geistliche schwerer wiegt als das Rechtliche. Wenn dann von anderer Seite die Sache auf den Weg der Dienstaufsicht gebracht wird, so muß ich das geschehen lassen. Ich selbst werde es nicht tun. Ich will meinen Brüdern im Amt frei ins Auge sehen können, wie das der Freund dem Freunde gegenüber tut. ...Wenn der Amtsbruder sich über mein bestimmtes Verbot hinwegsetzt und sich sein Gewissen entlasten läßt durch irgendwelche Instanzen der Kirche oder des politischen Lebens, so muß ich ihn seinen Weg gehen lassen." 79
RdBr. v. 8.10.1929. Berichte von den weiteren Aktivitäten SCHULTZEs z.B. in: Vorwärts v. 9.10.1929: „Kreisblätter hetzen unentwegt weiter" und in: V Z v. 23.10.1929: „Neutralität ...?". 78 Dibelius als Vorsitzender des Konsistoriums an E O K (Eingang beim E O K am 12.11.1929, E Z A BERLIN, 7/1994, pag.80R). 79 RdBr. v. 8.10.1929. 76
77
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Obwohl Dibelius sein Vorgehen gegen SCHULTZE dem E O K gegenüber ausführlich begründet 80 hatte, wurde die Dienstaufsichtsbeschwerde dort so entschieden, wie es Dibelius wohl auch befürchten musste: Der Oberkirchenrat beugte sich dem Druck, der von den Verbänden des „Stahlhelm" ausgeübt wurde, und bestätigte die von Dibelius in Wahrnehmung seiner geistlichen Leitung ausgesprochene Verfügung nicht, da ihr „die Wirkung eines rechtlichen Verbots nicht beigemessen werden kann". Das allgemeine staatsbürgerliche Recht auf politische Betätigung wurde SCHULTZE zuerkannt; er wurde lediglich an die Grenzen politischer Betätigung erinnert, die ein im geistlichen Amt der Kirche stehender Pfarrer zu wahren habe 81 . In seinem Bescheid an Dibelius bedauerte der E O K zwar, dass er von der formalen Seite her dem Generalsuperintendenten in seiner Anordnung „eines Redeverbotes in politischen Versammlungen nicht zu folgen vermochte..."; in der Sache aber teile die Kirchenbehörde seinen Standpunkt 82 . De facto ist der E O K damit dem Generalsuperintendenten in den Rücken gefallen; jedenfalls konnte SCHULTZE seine politische Agitation ungestört und unbehelligt weiterbetreiben 83 . Nachdem der Oberkirchenrat dem Generalsuperintendenten die Rückendeckung für sein Verständnis von „geistlicher Leitung" versagt hatte, fiel die Ermahnung gegenüber einem nationalsozialistischen Pfarrer in Niegergörsdorf in einem ähnlich gelagerten Fall weit moderater aus. Klagen wegen dessen politischer Propagandatätigkeit waren dem Vorgesetzten auf regierungsamtlichem Weg zu Ohren gekommen. Daraufhin versuchte Dibelius den dortigen Pfarrer davon zu überzeugen, dass über der Eingangstür zum Pfarrhaus nicht das Hakenkreuz mit dem Spruch „Deutschland erwache!", sondern allenfalls ein Bibelwort oder ein Wort religiösen Inhalts anzubringen sei und dass in der Predigt nicht „politische Erörterungen" angestellt und „nationalsozialistische Formulierungen und Gesten" 8 4 gebraucht werden dürfen. Dibelius wollte bei evangelischen Pfarrern parteipolitische Betätigung von einer durchaus möglichen Parteizugehörigkeit unterschieden wissen. Die Uberparteilichkeit der Kirche sollte der Maßstab für das öffentliche Auftreten der Pfarrer sein, damit sich die Kirche den Zugang zu allen Gemeindegliedern offen halten und so Volkskirche bleiben Dibelius an E O K v. 1.8.1929 (EZA BERLIN, 7/1994, pag.55-59). E O K an SCHULTZE und Konsistorium v. 25.1.1930 (EZA BERLIN, 7/1994, pag.78R und 14/Pers. Georg Schultze). - SCHULTZE hatte sozusagen die beiden Entschließungen der Generalsynode zur „parteipolitischen Betätigung der Geistlichen" v. 20.4.1920 und „zur politischen Neutralität der Kirche" v. 24.4.1920 (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.746f.) auf seiner Seite. Denn dort wird zwar betont, dass die Diener der Kirche „in erster Linie das Amt am Wort für Volk, Gemeinde und einzelne auszurichten" haben, dass aber „grundsätzlich den evangelischen Geistlichen als Staatsbürgern das Recht der politischen Betätigung nicht verkürzt werden darf" und dass es ihnen erlaubt sein muss, „für die Grundsätze und Forderungen eines politischen Glaubensbekenntnisses einzutreten". 82 E O K an Dibelius v. 25.1.1929 (EZA BERLIN, 7/1994, pag.79). 83 Vgl. „Stahlhelmappell in Schwedt" (Der Tag v. 25.5.1930). 84 Dibelius an Pfarrer ZlMMERMANN (Niedergörsdorf, Kirchenkreis Jüterborg) v. 11.5.1931 (EZA BERLIN, 7/1994, pag.228R). 80 81
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Zugang zu allen Gemeindegliedern offen halten und so Volkskirche bleiben kann. D a sich aber die evangelische Kirche - im Unterschied zur katholischen Kirche - nicht auf eine Partei oder eine parteipolitische Richtung festlegen konnte und wollte, hielt er es nicht nur für möglich, sondern geradezu für wünschenswert, wenn auch Pfarrer verschiedenen parteipolitischen Lagern angehörten. Er selbst hat seine Mitgliedschaft in der D N V P nicht nur als Bekenntnis zu seiner konservativen Grundhaltung verstanden; er war zugleich auch der Uberzeugung, dass eine Partei sich auf einen grundsatztreuen Mitgliederstamm verlassen können muss, ohne immer nach den schnell wechselnden Wählerinteressen und Wählermeinungen schielen zu müssen. Im Übrigen aber muss den Belangen der Kirche, der Gemeinde vor Ort wie der Gesamtkirche, absolute Priorität eingeräumt werden; ihre Anerkennung erwartete Dibelius von den Parteien und Verbänden genauso, wie er ihre Wahrung insbesondere von den mit der geistlichen Leitung einer Gemeinde betrauten Pfarrern verlangte. 5.2.4 Die politischen Gedenktage des Jahres 1929 Das Jahr 1929 bescherte der deutschen Öffentlichkeit drei Gedenktage, die politischen Sprengstoff enthielten, weil sie „unter dem Fluch der deutschen Zersplitterung" 8 5 standen. Es handelte sich dabei einmal um den 27. Januar, an dem Kaiser WILHELM II. im holländischen Exil seinen 70. Geburtstag feierte; dann war es der 28. Juni, an dem im Jahr 1919 der Versailler Friedensvertrag unterzeichnet wurde; und schließlich gedachte man am 11. August der Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung vor zehn Jahren. Dibelius sah in dieser Reihe von Gedenktagen eine besondere Herausforderung, bei der die Kirche die Nagelprobe darauf bestehen müsse, ob sie es gelernt hat, ihre Mission als Volkskirche an der Gesamtheit des Volkes auszurichten, und ob sie es verstanden hat, ihre friedens- und einheitsstiftende Stellung „über den Parteien", d.h. ihre politische Unabhängigkeit durchzuhalten. Sorgfalt, Geschick, Klugheit und die Konzentration auf die biblische Verkündigung des Evangeliums waren wohl vonnöten, um diese Herausforderung situations- und sachgerecht, taktvoll und sensibel bestehen zu können. Dibelius hielt es deshalb für angezeigt, seinen Amtsbrüdern über die Anweisungen der Kirchenbehörde hinaus konkrete Vorschläge für die Gestaltung der jeweiligen Gottesdienste, für den Gedankengang der Predigt und für die Formulierungen des Fürbittegebets zu unterbreiten. Für den 27. Januar, der auf einen Sonntag fiel, bot Dibelius eine ausführliche Predigtdisposition über das Sonntagsevangelium (Mt 20,1-16: Die Arbeiter im Weinberg) an 86 . N u r am Schluss der Predigt oder erst im Fürbittegebet sollte dabei „des ehemaligen obersten Bischofs unserer Kirche - nicht des deutschen Kaisers!" gedacht werden. Für den außergottesdienstlichen Bereich gab Dibelius die Anweisung: „Niemand von uns soll bei öffentlichen Kaisers-Geburtstags-Feiern 85 86
R d B r . v . 19.6.1929. Vgl. RdBr. v. 17.12.1928; die folgenden Zitate EBD.
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als Redner mitwirken." Insgesamt aber galt folgende übergeordnete und gesamtkirchlich orientierte Direktive: „Dieser 27. Januar wird die große Probe darauf sein, ob die evangelische Kirche aus der Verquickung von Evangelium und Politik herausgekommen ist, die in den Tagen des christlichen Staates ihr innerliches Recht hatte, die aber unter den veränderten Verhältnissen der Zeit zu einem Verrat an dem wird, was der Kirche befohlen ist.... Die Losung besteht: Die Kirche hält sich heraus aus dem politischen Parteileben, sie nimmt auch in der Frage der Staatsform nicht Partei." Für den zehnten Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler Vertrags, am 28. Juni, hatte der Oberkirchenrat für 15 Uhr ein Glockengeläute in allen Gemeinden angeordnet. Wo eine gottesdienstliche Feier an diesem Freitag vorgesehen war, sollte sie nach Dibelius' Vorstellung „schlicht und ernst", „ohne Gepränge und Geräusch" 87 abgehalten werden. Im Rahmen einer extra erweiterten Liturgie sollte nur eine kurze Ansprache Platz finden nach dem Grundsatz: „Wir haben keine politischen Reden zu halten, sondern sollen die äußere und innere Not unseres Volkes in das Licht des göttlichen Wortes stellen und Gott um Gnade und Durchhilfe anrufen!" Freilich sei es kaum zu umgehen, dass auch von der in der Mantelnote des Friedensvertrages festgeschriebenen „Schuldlüge" gesprochen werden müsse, die zur inneren Not des Volkes gehöre. Keine deutsche Regierung habe die allein auf Deutschland lastende Schuldzuweisung anerkannt; immerhin sei es ein Erfolg der ökumenischen Begegnung gewesen, dass die kirchlichen Führer des Auslandes erklärt hätten, dass „ein solches erzwungenes Schuldbekenntnis ,moralisch wertlos und religiös kraftlos' sei". Die furchtbare Not bestehe darin, dass unter den materiellen Konsequenzen bei Aufrechtherhaltung der Schuldlüge, „die man vielleicht vor zehn Jahren mit der Aufregung und der gegenseitigen Erbitterung hat entschuldigen können", noch die Enkelgenerationen bis in das Jahr 1988 hinein zu leiden hätten. „Vor allem aber wollen wir Gott bitten, daß er bald die Stunde schlagen lasse, wo in aller Form der Makel von uns genommen wird und nicht nur wir, sondern die Welt überhaupt befreit werde von dem Fluch der Lüge!" Es ist unverkennbar, wie Dibelius bei diesem Stichwort, das bei einem national denkenden und fühlenden Deutschen erhebliche Emotionen freisetzen würde, auf ein maßvolles Reden bedacht war, ohne das heikle und umstrittene Thema der „Schuldlüge" und den damit verbundenen Schmerz einfach auszuklammern. Jedenfalls sollten die Vorschläge dazu dienen, nach Wortwohl und Tonart chauvinistische Reden zu verhindern, die propagandistisch oder provokativ auf eine - womöglich gewaltsame - Revision des Versailler Friedensvertrags gerichtet waren. Der dritte nationale Gedenktag des Jahres, der Verfassungstag am 11. August, fiel auf den 11. Sonntag nach Trinitatis: „Wir stehen wiederum vor der Aufgabe, an einem Tage, an dem viele die Haltung der evangelischen Kirche aufmerksam und kritisch betrachten werden, die Uberparteilichkeit unserer Kirche zur Gel87
RdBr. V. 19.6.1929 (vgl.: So habe ich's erlebt, 1980, S.153f.); die folgenden Zitate EBD.
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tung zu bringen und den Beweis zu liefern, daß wir das Evangelium predigen und nicht politische Weisheiten und Ansichten. Am 27. Januar und 28. Juni ist das, soweit ich sehen kann, gelungen."88 Gegen die Beflaggung der Kirche hatte Dibelius nichts einzuwenden, allerdings nur mit der Kirchenfahne. Der Oberkirchenrat hatte in seiner Kundgebung zum 11. August lediglich auf die Rechtssicherheit verwiesen, mit der die Reichsverfassung die großen christlichen Kirchen ausgestattet hat. Fast euphorisch klingt demgegenüber die kirchliche Bedeutung, die Dibelius den Kirchenartikeln der Weimarer Reichsverfassung beimaß: „Die evangelische Kirche hat durch die Reichsverfassung in Deutschland grundsätzlich eine Freiheit gewonnen, wie sie sie nach meiner Kenntnis der Dinge in keinem anderen Land der Erde besitzt." Dass der neue Staat religiös neutral ist, sei schmerzlich, aber gleichzeitig auch zu verschmerzen. Denn „erst in einem religiös neutralen Staat kann die evangelische Kirche die Kirche werden, die sie sein soll." Für die Predigt standen an diesem Sonntag zwei Texte zur Auswahl: „Die alttestamentliche Lektion aus dem Buch Daniel - bei deren Behandlung allerdings der Gefahr, auf das Politische zu kommen, mit besonderem Ernst begegnet werden muß. Und dann das hohe Lied des Glaubens, Römer 8." Natürlich entschied sich Dibelius für den Text aus Rom 8. In einer Kurzauslegung dazu konkretisierte er, was dort mit der Aufzählung von Trübsal, Angst, Verfolgung und Hunger angesprochen sein kann: „Da sind wir bei der Not unseres Vaterlandes! Da ist der Ort, an dem die Königsberger Botschaft zitiert werden kann: .Getreu den Weisungen der heiligen Schrift tut die Kirche Fürbitte für Volk, Vaterland und Obrigkeit' - ganz einerlei, wie die politische Stellung des einzelnen auch ist. ...Gott gebe uns allen, daß wir kein fremdes Feuer auf seinen Altar bringen, sondern das Evangelium predigen, wie es uns geboten ist!" Gerade in dieser Spannung von öffentlicher Erinnerung und überparteilichem Auftrag sah Dibelius eine besondere Aufgabe, der die Kirche nur durch die Konzentration auf ihre Verkündigung in Freiheit und Wahrheit gerecht zu werden versuchen kann. 5.3 Die geistliche Leitung und das
Führerprinzip
Das geistliche Amt eines Generalsuperintendenten ist nach Dibelius unantastbar und - einmal von der Kirche verliehen - menschlich nicht mehr verfügbar. Es hat gleichsam die Qualität einer Gottunmittelbarkeit, so dass nicht einmal die Kirche, geschweige denn der Staat, das Recht hat, hier einzugreifen oder sich einzumischen. Das Amt der geistlichen Leitung stellt sozusagen in Reinheit und Kontinuität die Unabhängigkeit und Unveränderlichkeit der göttlichen Botschaft und ihrer kirchlich-irdischen Erscheinungsweise dar89. RdBr. V. 20.7.1929 (vgl.: So habe ich's erlebt, 1980, S. 157-159); die folgenden Zitate EBD. Gegen die Überbetonung und Überhöhung des geistlichen Amtes bei Dibelius polemisierte das ,Protestantenblatt': geistliche Leitung könne auch zur geistlichen „Verleitung" führen (vgl. PrBl 60, 1927, Sp.229; 1928, Sp.517f.). 88
8'
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Die nach rein äußeren Gesichtspunkten naheliegende Affinität des auf eine Person konzentrierten und nicht mehr kontrollierbaren geistlichen Amtes zu dem nationalsozialistischen Führerprinzip hätte eine Verschmelzung beider Anschauungen möglich gemacht, wie sie ja dann auch die „Deutschen Christen" für die Kirche praktiziert und sanktioniert haben. Für Dibelius stand allerdings fest, dass die Autorität einer kirchlichen Instanz mit der Autorität eines staatlichen Prinzips schon im Grundsatz nicht kompatibel sein kann und darf, so sehr er sowohl für den Bereich der Kirche als auch für den Bereich des Staates nicht nach Prinzipien, sondern nach Persönlichkeiten verlangte, die mit Recht für sich Autorität beanspruchen konnten 9 0 . Bereits am Vorabend der „nationalen Erhebung" fand Dibelius Gelegenheit, sein Verständnis der geistlichen Leitung im Blick auf die Lehrautorität der Kirche zu präzisieren. Hier sah Dibelius schon seit Jahren ein Desiderat der evangelischen Kirche, das im „Jahrhundert der Kirche" nicht mehr hinnehmbar war 9 1 . 5.3.1 Das Lehramt der Kirche - Das Altonaer Bekenntnis Dibelius beklagte die Kompetenzlosigkeit und die Mutlosigkeit der evangelischen Kirche; sie habe es noch nicht vermocht und noch nicht gewagt, ein autoritatives Wort der Lehre für die Gegenwart zu sprechen: „Uber die Tatsache breitet ...die allezeit dienstwillige Theorie den Mantel der Liebe: die Bekenntnisbildung ist mit dem 16. Jahrhundert abgeschlossen, weshalb von kirchenwegen zu den Fragen des Glaubens nichts weiter zu sagen ist!" 9 2 T r o t z der unverkennbaren katholisierenden Anklänge scheute sich Dibelius nicht, ein geistliches Lehramt auch für die evangelische Kirche zu reklamieren. Denn die Kirche dürfe das A m t der Lehre nicht allein den (staatlichen) theologischen Fakultäten überlassen, vielmehr stehe jetzt im bischöflichen A m t eine originär kirchliche Instanz zur Verfügung, von der aus das Lehramt in Unabhängigkeit und in gesamtkirchlicher Verantwortung wahrgenommen werden könne 9 3 . Im „Altonaer Bekenntnis" sah Dibe-
90 Besonders thematisiert hat dies R. STUPPERICH in seinem Aufsatz: Der Kampf um das „Führerprinzip", 1980, S.211-229. 91 Schon anlässlich der ökumenischen Konferenz für Glaube und Kirchenverfassung (Faith and Order) von Lausanne (1927) klagte Dibelius über das Fehlen einer evangelischen Lehrautorität: Eine „Instanz, die bereit und imstande wäre, über die Fragen, um die es bei der Lausanner Bewegung geht, ein autoritatives Wort zu sprechen, haben wir in Deutschland nicht. ...Der einzelne Geistliche mag es tun. Der einzelne Professor mag es tun. Auch ein Verein. Vielleicht einmal eine Fakultät. Aber die Instanzen, in denen die Kirche als Gesamtheit handelt, können es nicht oder tun es jedenfalls grundsätzlich nicht. ...Will eine Konferenz wie die von Lausanne eine kirchliche Antwort auf Fragen und Gutachten on faith and order haben - nun dann mag irgendein beliebiger Kreis von Theologen diese Antwort geben. Die evangelische Kirche Deutschlands hat des kirchlichen Lehramts, im größten Sinn des Wortes verstanden, sich begeben" (Lausanne, in: Eiche 18, 1930, S.448). 92
93
EBD.
Vgl. auch C h W 47, 1933, Sp.143.
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lius z u m e r s t e n M a l v e r w i r k l i c h t u n d erfüllt, w a s A u f g a b e u n d A u f t r a g e i n e s e v a n g e l i s c h e n L e h r a m t s in e i n e r k o n k r e t e n g e s c h i c h t l i c h e n S i t u a t i o n 9 4 sein k a n n . D a s E c h o a u f dieses B e k e n n t n i s , das in s e i n e n f ü n f A r t i k e l n 9 5 b e s o n d e r s z u m Kirche-Sein der K i r c h e aufrief u n d jegliche staatliche u n d ideologische
Heilser-
w a r t u n g v e r w a r f , r i c h t e t e s i c h in Z u s t i m m u n g u n d W i d e r s p r u c h v o r a l l e m a u f die p o l i t i s c h e n F o l g e r u n g e n . D e m g e g e n ü b e r befasste s i c h D i b e l i u s in d e m f r e u d i g - z u s t i m m e n d e n , S o n n t a g s s p i e g e l ' 9 6 n i c h t m i t d e n p o l i t i s c h - i d e o l o g i s c h e n I m p l i k a t i o n e n dieses B e k e n n t n i s ses, s o n d e r n s a h die h e r a u s r a g e n d e B e d e u t u n g d e r A l t o n a e r B o t s c h a f t d a r i n , dass n u n auch „Pfarrer einer g r o ß e n Stadt u n t e r der F ü h r u n g ihres P r o p s t e s "
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„ L e h r a m t der K i r c h e " „energisch u n d t e m p e r a m e n t v o l l " 9 7 w a h r g e n o m m e n
ha-
b e n . D i b e l i u s ü b e r s c h ä t z t e d a b e i f r e i l i c h - m e h r d e m W u n s c h als d e r W i r k l i c h 94 Dieses Bekenntnis war auf dem Hintergrund des „Altonaer Blutsonntags" entstanden, bei dem es im Juli 1932 zur offenen Straßenschlacht zwischen SA-Leuten und Kommunisten kam und bei dem siebzehn T o t e und viele Verletzte zu beklagen waren. Das unter Federführung von H . ASMUSSEN verfasste „Wort und Bekenntnis Altonaer Pastoren in der N o t und Verwirrung des öffentlichen Lebens" wurde von Propst G. H . SlEVEKING am 11. Januar 1933 feierlich verkündet. Vgl. K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.226f., S.233ff. und E. KONUKJEWITZ, Asmussen, 1984, S.48ff. Interpretation und Wertung des „Altonaer Bekenntnisses" durch KONUKJEWITZ, besonders im Blick auf den Einfluss der Theologie K. BARTHS, folgen inhaltlich, manchmal fast wortgleich, der Darstellung von K. SCHOLDER. 95 Der Wortlaut des „Altonaer Bekenntnisses" (H. ASMUSSEN, Politik, 1933, S.181-187; K . D . SCHMIDT, Bekenntnisse, 1934, S. 19-25; G. van NORDEN, Protestantismus, 1979, S.28-34; H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.240ff.). In der .Niederdeutschen Kirchenzeitung* wurde die Diskussion über diese Kundgebung dokumentiert: vgl. Niederdeutsche Kirchenzeitung 3, 1933, S.21-26. Die weitere Diskussion darüber in: EBD. 1933, S.52ff. ; 1933, S.65ff.; 1933, S.91; 1933, S.105ff.; 1933, S.161ff„ S.167. Ende April wollten die Altonaer Pastoren ihr Bekenntnis als einen Schritt auf dem Weg zur Reichskirche und zur Vereinigung mit den „Deutschen Christen" verstanden wissen! Die Altonaer Pastoren erklärten ferner in der Mai-Nr. 10/1933, „daß Volk und Vaterland, die für uns Gottes Ordnungen sind, seine Söhne bis zum Einsatz des Lebens fordern kann. D e r Tod, den der Soldat für sein Vaterland stirbt, ist darum für ihn die Krönung seines Dienstes, und kein Dank, der ihm werden kann, ist groß genug. Von der Kirche aus sagen wir, daß es für uns alle nur einen Weg gibt, vor Gott zu bestehen: Sich mannhaft beugen unter das Wort der Wahrheit und sich Freudigkeit schenken zu lassen zum Leben und Sterben aus der Gnade Gottes, die uns in Jesus Christus unserem Herrn geschenkt ist. Wir freuen uns von ganzem Herzen, daß wir heute eine Obrigkeit haben, die die Ehre unseres Volkes hoch hält und die bezeugt, daß Deutschland nur aus der Kraft des christlichen Glaubens gesunden und gesund bleiben kann. Darum ist es unser heißer Wunsch, daß die Wege, die der Herr Reichskanzler Adolf HITLER gewiesen hat, gegangen werden zum Segen für unser Volk und zum Heil für unsere Kirche." (S.187) - Gleichwohl wurde ASMUSSEN später wegen angeblicher Beleidigung des Oberpräsidenten vom Dienst vorläufig suspendiert. Die N S D A P lehnte daraufhin „einen Mann wie ASMUSSEN ein für allemal ab"; er versuche nach dem Scheitern seines Bekenntnisses die „Deutschen Christen" zu diffamieren, „um selbst den Anschein zu erwecken, er kämpfe mit Adolf HITLER gegen Demokratie und Liberalismus in der Kirche" (EBD. 1933, S.210). 96 SoSp. V. 15.1.1933; vgl. C h W 47, 1933, Sp.143. 97 SoSp. v. 15.1.1933, vgl. auch Niederdeutsche Kirchenzeitung 3, 1933, S.54. - Angesichts dieses zustimmenden Artikels wirkt ein Gegensatz zum Verständnis von Kirche als einer wesentlich „volkskirchliche(n) Organisation", „wie es der preußische Generalsuperintendent Dibelius in den zwanziger Jahren propagiert hatte", konstruiert und basiert auf einer zu kurz gegriffenen, zu oberflächlich und klischeehaft gehaltenen Interpretation des Kirchen-Verständnisses bei Dibelius (vgl. E. KONUKIEWITZ, Asmussen, 1984, S.55).
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keit folgend - die tatsächliche kirchliche Situation und die öffentlich-kontroverse Diskussion, indem er rundweg behauptete, dass die Zustimmung zu diesem Bekenntnis im „Jahrhundert der Kirche" eigentlich selbstverständlich sei: Das Altonaer Bekenntnis „ist zum großen Teil nichts anderes, als was heute innerhalb der evangelischen Kirche ganz allgemein gedacht und gesagt wird." In ihm sieht Dibelius nämlich den ekklesiologischen Vorbehalt der Kirche gegenüber allem staatlichen Wesen und Unwesen praktisch-politisch bestätigt und konfessorischkirchlich konkretisiert: dass „die Kirche nicht dazu da ist, sich ruhig und unauffällig in das Staatsgefüge einzuordnen, sondern daß sie einen Kampf zu führen hat, in dem es kein Ausruhen und kein Müdewerden geben darf, das ist tausendmal ausgesprochen worden. Ebenso die Mahnung an den Staat, sein Wesen zu begreifen, und die Mahnung an die Parteien, das Staatswesen zu erhalten und es nicht durch einen chronischen Bürgerkrieg zu zerstören."98 Wieder zeichnet Dibelius in kurzen Strichen seine Geschichtsschau und fügt das Altonaer Bekenntnis in seinen historisch-kirchlichen Schematismus ein: Noch „vor zwanzig und dreißig Jahren" habe die „Lehre" in der evangelischen Kirche als eine Angelegenheit zweiten Ranges gegolten. „Praktisches Christentum war die Losung! Dann aber kam die große geistige Krisis... Der Versuch des Bolschewismus, eine grundsätzlich neue Sittlichkeit zu schaffen, trieb die Krisis weiter." In „diesem babylonischen Wirrwarr" habe nun die Altonaer Botschaft im Gefolge der „Vaterländischen Kundgebung" des Königsberger Kirchentags von 1927 nicht die private Meinung des Pastors X oder des Professors Y, sondern ein Wort kirchlicher Lehre gesagt, wozu in der neuen Zeit weder auf reformiertem Boden die Synoden noch auf lutherischem Boden theologische Fakultäten ermächtigt und befähigt seien: „Seit der Trennung zwischen Staat und Kirche" sind die theologischen Fakultäten „Einrichtungen des Staates", denen die Kirche freilich die Ausbildung ihres Nachwuchses anvertraut. „Aber sie bleiben eben doch Veranstaltungen des Staates. Daß die Kirche den staatlichen Fakultäten das kirchliche Lehramt überläßt, ist unmöglich." Und die auf Grund des Verhältnis Wahlrechts nach Gruppen geordneten und zusammengesetzten Synoden können neue Bekenntnisse, die Dibelius für eine evangelische Kirche nicht ausschließen will, nur bestätigen und in Geltung setzen, nicht aber kraft einer kirchlichen Lehrautorität verfassen. Da also die theologischen Fakultäten" staatliche Einrichtungen sind und auch die kirchlichen Synoden nach quasi-staatlichen Ordnungsprinzipien gewählt und zusammengesetzt sind, kommt nach Dibelius für das Lehramt einer evangeliSoSp. v. 15.1.1933; die folgenden Zitate EBD. In den Verhandlungen u m den Preußischen Kirchenvertrag (1931) gab es ein zähes Ringen u m ein kirchliches Mitspracherecht bei der Ernennung der Theologieprofessoren. Dieser Kampf ging zu Gunsten des Staates aus: Vor der Anstellung der akademischen Lehrer ist der kirchlichen Behörde lediglich „Gelegenheit zu gutachterlicher Äußerung" zu geben; die weit weniger brisante Ernennung der evangelischen Universitätsprediger durch die Staatsbehörde geschieht dagegen „im Einvernehmen mit der Kirchenbehörde" (Art.11,2.3; vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.711). 98
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sehen Kirche nur in Frage, wer ein geistliches Amt bekleidet, das Predigtamt ausübt und in kirchlicher Verantwortung steht. „Daß die evangelischen Bischöfe und Generalsuperintendenten ein Lehramt auszuüben haben, ist heute eine allgemeine Erkenntnis auf evangelischem Boden geworden." Freilich: das geistliche Predigtamt ist auf allen Stufen der kirchlichen Hierarchie - im Unterschied zur katholischen Kirche - dasselbe: „Der evangelische Bischof hat keine höhere Lehrautorität als jeder Pfarrer auch." 100 Gemeinsam vielmehr ist den Bischöfen und Pfarrern die Aufgabe der Verkündigung und die Unterordnung unter die Autorität des Evangeliums: „Sie haben alle das Evangelium zu verkündigen und sich dabei auf das Bekenntnis ihrer Kirche zu gründen. Die letzte Autorität ist bei dem Evangelium - auch für das Bekenntnis der Kirche." Weil Dibelius weiß, dass das kirchlich-autoritative Lehramt die Domäne der katholischen Kirche ist, sieht er sich veranlasst, das unter der Autorität des Evangeliums stehende Lehramt der evangelischen Kirche gegenüber dem katholischen Lehramt abzugrenzen. Dabei steht es für ihn fest, dass die evangelische Kirche „keinen unfehlbaren Papst und keine endgültigen Konzilsbeschlüsse" haben kann. Das evangelische Lehramt ist daher nicht statisch-autoritativ, sondern hat dynamischen Prozesscharakter: „aus der Mannigfaltigkeit der Stimmen" wird und muss sich immer wieder „eine Einheit heraushören lassen, weil ja alle Stimmen vom Evangelium herkommen.... Die Lehre der evangelischen Kirche wird immer in Bewegung und Spannung bleiben. Darin liegt ein Moment der Unsicherheit. Aber auch eine Quelle der Kraft." 1 0 1 Das „Lehramt der Kirche", das Dibelius seit der öffentlichen Auseinandersetzung mit Karl BARTH102 (1931) mehr und mehr für die evangelische Kirche reklamierte 103 , steht nach seinem Verständnis über den Befugnissen und Möglichkei1 0 0 Dibelius wiederholt hier fast wortgleich, was er schon im Rahmen des Jahrhunderts der Kirche' zur Bestimmung und Begrenzung des Bischofsamtes gesagt hatte: Der „Bischof hat keine höhere Weihe als der Pfarrer" (vgl. Jahrhundert der Kirche, S.93). 1 0 1 S o S p . v . 15.1.1933. 1 0 2 „Das Lehramt der Kirche, wie es unsereinem befohlen ist, ist anderer Art als das Lehramt des Professors." (Dibelius an BARTH v. 5.4.1932, K B A BASEL). Dazu s. unten S. 355 ff. 103 Yg] z b SoSp. v. 15.5.1932. In diesem Pfingst-Artikel verbindet Dibelius, angesichts des ersten Bandes der .Kirchlichen Dogmatik' von Karl BARTH, das Jahrhundert der Kirche" mit dem Lehramt der Kirche: „Es ist ein unendliches Mißverständnis, wenn man der evangelischen Kirche von heute Selbstsicherheit zum Vorwurf macht. Wenn wir von einem Jahrhundert der Kirche' sprechen, so drücken wir damit nichts anderes aus als eine Tatsache, die vor aller Augen ist: Der Protestantismus ist aus dem Zeitalter der ungehemmten Individualisierung heraus. Es geht jetzt überall und überall um die Kirche. In der Theologie und im praktischen Leben. Aber auch im Leben der breiten Öffentlichkeit. U n d die Kirche besinnt sich darauf, daß sie ein Lehramt hat - nicht nur ein Predigtamt, bei dem die Person des Pfarrers stark hervortritt, sondern ein Lehramt als Kirche. Das alles sind Tatsachen..." - In einer Entgegnung auf Dr. Horst MICHAEL macht Dibelius deutlich, dass es bei der Wahrnehmung des Lehramts der Kirche um kirchliche Gesichtspunkte und nicht auch z.B. um verfassungsrechtliche Probleme gehen kann (vgl. SoSp. v. 11.9.1932). Obwohl das Lehramt der Kirche die Kirche selbst zum Gegenstand habe, wollte Dibelius nicht ausschließen, dass die Kirche auch einmal ein Wort zum Staat, zur Staatsform und zum staatlichen Verhalten sagen könne: „Die evangelische Kirche wird nicht darum herumkommen, über die Vaterländische Kundgebung des Königsberger Kirchentages hinaus einmal ein
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ten einer Synode oder einer theologischen Fakultät. Es geht dabei nicht eigentlich um die Frage der Lehre, wie sie im Katechismus und in den Bekenntnisschriften bereits verankert ist und nicht weiter problematisiert zu werden braucht; vielmehr drängen die aktuellen Fragen der konkreten Lebensgestaltung in der Gesellschaft, die Fragen des politisch-ethisch Handelns auf kirchlich verbindliche Antworten. In der Konfrontation mit der Autorität des Evangeliums kann dann je und dann auch der Status confessionis gegeben und die „Lehre der Kirche" gefragt sein. Man fragt: „was lehrt nun eigentlich die Kirche? Immer wieder kamen Briefe und Fragen: wir wollen wissen, was die evangelische Kirche über die Ehe, über die Geburtenbeschränkung, über den Staat, über den Krieg, über den politischen Mord und über andere Dinge sagt!"104 Dem schon beschriebenen Prozesscharakter in der Findung solcher Antworten entspricht bei Dibelius der Dialogcharakter im Blick auf die Akzeptanz und Verbindlichkeit dieser Antworten. Wenn erst einmal der Dialog über die konkreten Fragen und Anliegen der Zeit in Gang gekommen ist, dann wird sich die Wahrheit des Evangeliums letztlich durchsetzen. Die Altonaer Pastoren haben nach Dibelius in der Funktion von Impulsgebern das Lehramt der Kirche wahrgenommen: „Die Altonaer Pastoren haben recht getan, wenn sie das Lehramt der Kirche geübt haben. Kein Konsistorium und keine Synode kann ihnen dies Amt streitig machen. Aber was die Altonaer Pastoren sagen, kann nur ein Aufruf sein an diejenigen, die sich um die gleichen Fragen bemühen, auch ihrerseits zu sagen, was sie erkannt haben. Aus gemeinsamem Ringen um das Verständnis des Evangeliums wird sich etwas ergeben, was dem Suchen einer verwirrten Zeit zum Halt und zur Rettung werden kann." In dreierlei Hinsicht kann zusammengefasst werden, was Dibelius - nicht unwidersprochen105 - unter dem kirchlichen Lehramt in der evangelischen Kirche versteht und von ihm erwartet: Einmal beschränkt Dibelius die Wahrnehmung des Lehramtes nicht auf die kirchliche Hierarchie. Sie kann und soll auch von den Gemeindepfarrern ausgeübt werden und von denjenigen, „die sich um die gleichen Fragen bemühen". W o r t zu sprechen über die Frage des Staates, die heute die Herzen bewegt. Dabei wird zutage kommen, daß vom Evangelium und von der Reformation her sich ganz große Wahrheiten ergeben, die jenseits der parteipolitischen Kämpfe liegen" (SoSp. v. 15.5.1932). 1 0 4 SoSp. v. 15.1.1933; das folgende Zitat EBD. 1 0 5 Nach der Bischofsdebatte des Jahres 1927 war es fast naturgemäß zu erwarten, dass die .Reformierte Kirchenzeitung' umgehend ihren Widerspruch gegen diese Deutung des Altonaer Bekenntnisses anmeldete, mit der sich Dibelius dieses Bekenntnis ganz im Sinn des Jahrhunderts der Kirche' zu Eigen gemacht hatte: Die Ausführungen von Dibelius seien verwirrend und voller „Unklarheiten"; sie bedeuteten eine „Verwischung aller Grenzen" zwischen Leugnern und Bekennern des Evangeliums innerhalb der Kirche und böten einen „übertriebene(n) Optimismus" im Blick auf die letztlich herauszuhörende Einheit in der Mannigfaltigkeit der Stimmen. Der Haupteinwand der Reformierten jedoch bestand darin, dass Dibelius auch bei der Bestimmung des kirchlichen Lehramts wieder einmal die Gemeinde außer Acht gelassen habe. Das kirchliche A m t „im biblischen Sinn ist etwas davon toto coelo verschiedenes": es sei nicht nur von einer Kirchenbehörde verliehen, sondern sei auf die Gemeinde bezogen und in ihr verankert (vgl. R K Z 83, 1933, S.35).
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Zum anderen antwortet das „Lehramt der Kirche" auf die ethischen Gegenwartsfragen und nimmt sich der Problematik der Grundfunktionen und -Ordnungen menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens und Zusammenlebens an (Fragen des Staates, der Ehe, der Wirtschaft, Frage von Krieg und Frieden u.a.m.) 106 . Die Verbindlichkeit und Einheitlichkeit der Antworten können nicht dekretiert werden, sondern müssen in einem sich immer erneuernden Prozess des Dialogs gefunden werden. Und drittens geht es bei allen das Lehramt betreffenden Fragen letztlich um das „Verständnis des Evangeliums", dessen maßgebende und feststehende Wahrheit sich je und je durchsetzen wird. Besonders in der Zeit des Kirchenkampfes bekam die Lehrautorität der Kirche und die kirchliche Legitimität von geistlicher Leitung grundlegend ekklesiologische und konfessorische Bedeutung107. Geistliche Leitung wurde schon in den ersten Auseinandersetzungen um die Person von Dibelius (April 1933) gefordert - gerade als Gegengewicht zu einer von staatlichen Interessen mehr und mehr infizierten Kirchenpolitik 108 . 5.3.2 „Die Staatskirche ist da!" Nachdem 1932 die Preußen-Fraktion der NSDAP unter Wilhelm K U B E sich die „Glaubensbewegung Deutsche Christen" (GDC) für ihre Ziele nutzbar gemacht und unter deren Führung den Gleichschaltungsgedanken von Kirche und Staat im Jahr 1933 in die Öffentlichkeit getragen hatte, distanzierte sich die Partei immer mehr von den „Deutschen Christen", die sich als „HlTLER-Riege" innerhalb der Kirche verstanden. Ludwig M Ü L L E R , zunächst der persönliche Beauftragte des Führers, wurde zwar von den „Deutschen Christen" auf der „braunen Synode" im September 1933 zum Reichsbischof gewählt, musste sich aber nach den skandalösen Äußerungen des Berliner DC-Gauobmanns Dr. K R A U S E bei der Sportpalastkundgebung im November 1933 von der Glaubensbewegung distanzieren und deren Leitung abgeben. M Ü L L E R wurde vom NS-Staat nicht mehr
1 0 6 Im J a h r h u n d e r t der Kirche' forderte Dibelius noch die Theologie auf, aus der v o r n e h m e n A t m o s p h ä r e grundsätzlicher Erörterungen hinunterzusteigen zu den Gefilden der praktischen Einzelfragen: „Führerin zu evangelischer Lebensgestaltung m u ß sie werden. U n d das Kulturprogramm, das sie erarbeitet, m u ß dann die Kirche aufnehmen und als ein Stück ihrer öffentlichen Mission zur Geltung bringen im Leben der Welt!" (Jahrhundert der Kirche, S.229) Inzwischen erwartet Dibelius die Erarbeitung und Durchsetzung eines Kulturprogramms allein noch v o n der Kirche, sie selbst soll in Wahrnehmung des kirchlichen Lehramts die „Führerin zu evangelischer Lebensgestaltung" werden.
Vgl. W . NlESEL, Kirche, 1978, S.162. DlESTEL an Dibelius v. 15.4.1933: „Wird jetzt nicht die Gelegenheit ergriffen, um die geistliche Leitung durchzuführen und damit das Nebeneinander und unter Umständen auch Gegeneinander v o n Behörde einerseits und persönlicher geistlicher Leitung andererseits zu beseitigen, so ist ein Grundfehler unserer Verfassung verewigt. In meiner Synode sehe ich es ja am deutlichsten, wie verhängnisvoll es ist, w e n n sich die verschiedenen G r ö ß e n gegenseitig einen schwer zu befördernden Wagen aufs Gleis schieben" (EZA BERLIN, 29/Gen G 229). 107
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ernst genommen; man ließ ihn „in vollem Ornat in einer Nische verstauben" 109 . Nachdem immer wieder von Repräsentanten des Staates und der NS-Partei Einfluss auf die Kirche und den Kirchenkampf genommen worden war 1 1 0 , sollte nun das Führerprinzip mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols in der Kirche eingeführt werden. D a auch die rigide Gleichschaltungspolitik des Rechtswalters der D E K JÄGER gescheitert war, versuchte der Staat nun, sich die Kirche über eine Politik der „Befriedung" gefügig zu machen. Mit diesem Ziel wurde Hanns KERRL 1935 zum Reichskirchenminister bestellt und mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet. Sein erster Erlass zur Wiederherstellung geordneter und verfassungsmäßiger Zustände in der evangelischen Kirche vom 3. Oktober 1935 sah für die D E K die Bildung eines Reichskirchenausschusses, für die Landeskirchen Landes- und Provinzialkirchenausschüsse vor. Personell sollten diese Ausschüsse von kirchlichen „Mittelparteilern" besetzt werden, um dadurch auch das Vertrauen der Bekennenden Kirche zu gewinnen. Die Leitung des Reichskirchenausschusses wurde dem altehrwürdigen westfälischen Generalsuperintendenten Wilhelm ZOELLNER übertragen, der Dibelius schon deshalb suspekt war, weil er in früheren Zeiten nicht einmal der eigenen Kirche gegenüber die Autorität der „geistlichen Leitung" zur Geltung zu bringen verstand 111 . Die Leitung des Lan1 0 9 K . KUPISCH, zit. nach W. JETTER, Führer, 1982, S . l l l . - Auf einer Ephorenkonferenz im Juni 1934 sagte Dibelius: „Wer jetzt zu den D . C . geht, tut einen weiteren Schritt zur Vernichtung der Kirche!" (Sup. SCHOLZ aus Wittenberge an Dibelius v. 23.6.1934, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 21) Als Reichsleiter der „Deutschen Christen" fungierte der EOK-Vizepräsident Dr. KINDER. Dibelius erhob in seinem „Offenen Brief" v. 24.9.1934 gegen dessen Behauptung Einspruch, die äußere Gestalt der D E K „sei praktisch entschieden", und verband damit die Ankündigung: „alles, was in der evangelischen Kirche noch evangelisch fühlt und denkt, wird sich bis zum letzten Atemzug dem widersetzen, was jetzt unter dem Zeichen der .äußeren Ordnung' in unserer evangelischen Kirche aufgerichtet worden ist. Das ist das System der reichsbischöflichen, und das heißt praktisch: der deutsch-christlichen Diktatur in der Kirche, das zu Schrift und Bekenntnis in einem unaufhebbaren Gegensatz steht." (EZA BERLIN, 50/403, pag.48 u. E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, А 6) In gleicher Sache veröffentlichte am 27.9.1934 auch H . ASMUSSEN einen „Offenen Brief" an KINDER (vgl. EBD.). 1 1 0 Ein im Entwurf erhaltenes Protestschreiben von Dibelius (1935) gibt einen Eindruck von der Gehässigkeit, die der Oberpräsident KUBE in öffentlichen Versammlungen und in Zeitungsartikeln an den Tag gelegt hat. In einer Eingabe, die an den Reichskanzler, den Innenminister, den preußischen Ministerpräsidenten, den Stellvertreter des Führers und an die Reichsleitung der N S D A P (Abteilung für den kulturellen Frieden) adressiert werden sollte, beschwert sich Dibelius über die öffentlichen Auslassungen KUBEs: „Wiederholt hat der Herr Oberpräsident ...die der Bekenndenden Kirche angehörigen Geistlichen als .Schwarze Bande', als ,Scheißkerle' u. dgl. bezeichnet. Er hat in Crossen gesagt, daß diesen Leuten das Genick umgedreht werden müsse, daß ein Galgen aufgestellt werden müsse, an dem sie alle baumeln müßten u.s.f." Außerdem führt Dibelius in seiner Beschwerde an, daß KUBE gegen die Gültigkeit des Alten Testaments gesprochen habe und führt dagegen aus: „Das Alte Testament ist für die evangelische Kirche - wie für alle anderen christlichen Kirchen auch - Heilige Schrift, durch die Gott zu den Menschen redet" (EZA BERLIN 50/101b, pag.238ff.). 1 1 1 „Wie lebendig stehen mir unsere Aussprachen über die Unabhängigkeit des Generalsuperintendenten-Amtes vor der Seele. ZOELLNER in unserer Mitte immer mit stärksten Worten. Schickten wir ihn dann zu KAPLER, um dem E O das Erforderliche zu eröffnen, dann war er die Bescheidenheit selbst. Durchgesetzt hat er - einem Gegner gegenüber - nie etwas. Wie oft habe
Die geistliche Leitung der Kirche d e s k i r c h e n a u s s c h u s s e s f ü r A l t p r e u ß e n w u r d e i n die H a n d v o n
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tendent i.R. E G E R gelegt112. K E R R ! d i s t a n z i e r t e s i c h z w a r v o n d e r E i n g l i e d e r u n g s p o l i t i k JÄGERS u n d v e r sprach, keine Staatskirche anstreben z u w o l l e n 1 1 3 . T r o t z d e m verhielten sich die v o n K E R R L z u n ä c h s t f ü r z w e i J a h r e e i n g e s e t z t e n A u s s c h ü s s e s o , dass sie d e f a c t o die g e i s t l i c h e L e i t u n g d e r K i r c h e f ü r s i c h in A n s p r u c h n a h m e n u n d d a m i t p r a k tisch die B e k e n n e n d e K i r c h e b e v o r m u n d e t e n . O b w o h l sich Dibelius grundsätzlich - auch s c h o n f r ü h e r 1 1 4 - n i c h t d e m V e r such verschließen wollte, eine Befriedung der K i r c h e herbeizuführen, scheiterte sein B e m ü h e n d o c h i m m e r w i e d e r a n d e r leidigen T a t s a c h e , dass d i e K i r c h e n a u s s c h ü s s e n i c h t m i t k i r c h l i c h e r L e g i t i m i t ä t a u s g e s t a t t e t u n d e b e n d o c h s t a a t l i c h gelenkt waren. T r o t z d e m b e s t a n d die G e f a h r , dass s i c h T e i l e d e r B e k e n n e n d e n K i r c h e d u r c h die p r o p a g i e r t e „ B e f r i e d u n g s p o l i t i k " b l e n d e n l i e ß e n u n d die B e k e n n e n d e K i r c h e d a d u r c h gespaltet, z u m i n d e s t g e s c h w ä c h t w ü r d e 1 1 5 . B e r e i t s i m J a n u a r 1 9 3 6 , also
ich früher gesagt: dieser Löwe brüllt, aber beißen tut er nicht! Nein: mit ZOELLNER wird nichts erreicht, sondern nur mit klaren Entscheidungen im Lande. ...ZOELLNER muß zurücktreten. Unter der Wirkung dieses Schrittes muß die Bekennende Kirche wieder einig werden" (Dibelius an MARAHRENS V. 7.12.1935, in: L K A BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.325 Fasc.l; vgl. K . D . SCHMIDT, Dokumente Π/2, Nr.473, s . 1 3 8 1 ; vgl. auch (allerdings ungenau zitiert): R . STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.254f.). 1 1 2 In einem Offenen Brief an EGER vom 4.3.1936 wehrte sich der Rat der Bekennenden Kirche in der Mark Brandenburg gegen die vom Staat eingesetzten Kirchenausschüsse: „Die Synode von Oeynhausen hat uns die Pflicht auf das Gewissen gelegt, das Amt der kirchlichen Leitung wahrzunehmen, bis eine andere Kirchenleitung vorhanden ist, die auf unangefochtener Bekenntnis· und Rechtsgrundlage steht." Unterzeichnet ist der Brief von K. SCHARF; interessant dabei ist eine handschriftliche Glosse von W. NIEMÖLLER, die den Wortlaut des Briefes auf den „Einfluß Dibelius" zurückführt (vgl. L K A BIELEFELD 5 / N r . l , Bd.160 Fasc.2). 1 1 3 Vgl. H . BRAUN / C. NICOLAISEN, Verantwortung Π, 1993, D o k . l , S.lOf. 1 1 4 Vgl. z.B. das von Dibelius Ende Juni 1934 verfasste „Memorandum über die Möglichkeit, in der evangelischen Kirche zum Frieden zu kommen" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 21). 1 1 5 „Wenn es jetzt zur Aufspaltung der B K kommt, dann haben wir in absehbarer Zeit eine nationalsozialistische Staatskirche und eine kleine bekenntnistreue Freikirche nebeneinander. Das innere und äußere Schicksal beider Kirchen brauche ich nicht auszumalen. Wir sind dann da, wohin uns Herr JÄGER und Herr KERRL immer hatten haben wollen. ...Das Ministerium KERRL hat uns innerhalb von zwei Monaten mit Riesenschritten der Staatskirche entgegengeführt. Staatliche Finanzabteilungen, staatliche Kirchenausschüsse, staatlich-autoritäre Entscheidungen unter bestimmendem Einfluß der Gauleiter, staatliches .Ersuchen', einen Bischof in das Disziplinarverfahren zu bringen, staatliches Verbot, von Irrlehre zu reden. Vorladung ad audiendum verbum, um dann im Auftrag des Ministers Provinzialausschüsse zu bilden usw. Das ist die Staatskirche. Wer glaubt, daß der nationalsozialistische Staat, wenn er eine Kirche zwei Jahre lang in dieser Weise zwangsbewirtschaftet hat, sie dann frei in die Welt stellen wird, der ist - verzeihen Sie ein Narr! Entweder wird dieser Entwicklung jetzt Halt geboten, oder sie ist unwiderruflich. Herr KERRL mag versprechen, was er will - er kann es nicht halten! Die Wucht des totalen Staates ist viel zu groß. Befriedung der Kirche auf bekenntnismäßiger Grundlage durch einen Reichsminister ist eine Illusion! Wenn die evangelische Kirche jetzt in die staatliche Gefangenschaft geht, dann bleibt sie gefangen auf unabsehbare Zeit. Das zeigt die Geschichte der Kirche jedem, der sie kennt. Hier liegt die ungeheure Verantwortung derer, die jetzt Kirchenleitung haben" (Dibelius an MARAHRENS v. 7.12.1935, in: L K A BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.325 Fasc.l / K.D. SCHMIDT, Dokumente П/2, Nr.473, S.1380).
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Kirche als neue Autorität zwischen Staat und Politik
wenige Monate nach Einsetzung der Kirchenausschüsse, gab Martin NlEMÖLLER deshalb eine Streitschrift von Dibelius heraus, deren Parole wie keine andere den damals noch anonym gebliebenen Autor kennzeichnete: „Die Staatskirche ist da!" 116 Die am 16. Januar 1936 zum ersten Mal erschienene, dann mehrfach gedruckte und in Vervielfältigungen und Abschriften verbreitete Kampfschrift richtete sich direkt gegen die Politik des Kirchenministers und der ihm hörigen Ausschüsse. In zehn Thesen (mit Erläuterungen) wird KERRL vorgeworfen, die Staatskirche durch die finanzielle Knebelung und durch eine Politisierung der Kirche (Thesen 1, 2, 3, 6) bereits herbeigeführt zu haben; das deutsch-christliche Programm und JÄGERs Ziel seien im Kampf gegen die Bekennende Kirche bereits verwirklicht (Thesen 8, 9); die „staatliche Gefangenschaft der Kirche" werde „auf unabsehbare Zeit" andauern (zu These 10). Die gravierendsten Kennzeichen für das Bestehen der Staatskirche seien darin zu sehen: Der Staat hat „auch die geistliche Leitung der Kirche in seine Hand genommen", dazuhin noch „im Zusammenwirken mit der Geheimen Staatspolizei" (Thesen 4, 5); und eine „politisierte Kirche ist nicht mehr frei für den Gehorsam gegen Schrift und Bekenntnis" 117 (These 7). Nur eine Kirche, die frei von staatlichem Einfluss, frei von politischen Interessen oder gar persönlicher Willkür ist, kann auch gehorsam gegen Schrift und Bekenntnis sein. Geistliche Leitung legitimiert sich also in der gegenseitigen Bedingtheit dieser speziellen Freiheit und dieses spezifischen Gehorsams. Dibelius vertrat demzufolge kompromisslos den Gedanken, dass man sich nichts aufoktroyieren lassen dürfe, weil die Bekennende Kirche „unter den heutigen Umständen der Staatskirche auch nicht den kleinen Finger reichen will, was
1 1 6 Die 9-seitige Flugschrift (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius) wurde herausgegeben vom Rheinisch-Westfälischen Gemeindetag Wuppertal-Barmen. Ohne Zweifel enthielt diese Kampfschrift, die mit dem Schriftzitat schließt: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!" (Apg 5,29), so viel Sprengstoff, dass sie sowohl für den Autor als auch für die Bekennende Kirche gefährlich werden konnte. Als Vorsichtsmaßnahme und als Schutzfunktion ist deshalb der von NlEMÖLLER vorangestellte Hinweis zu verstehen: „Diese mir von Brüdern der Bekennenden Kirche unterbreitete Denkschrift lege ich den Bruderräten hiermit zur Prüfung vor." Eine anders gedruckte Flugschrift (LKA BIELEFELD, 5 / N r . l Bd.325, Fasc.l) gibt den Text allerdings ohne die Titelparole und die beiden abschließenden Zitate von LUTHER und CALVIN wieder: Als Überschrift (und ohne den Begleitsatz von NlEMÖLLER) heißt es hier nur: „Ein Wort zur kirchlichen Lage!" - Mit dem Schreiben BORMANNs vom 25.1.1936 wurde die V K L darüber unterrichtet, dass die seitherigen kirchlichen Beschwerden, also auch diese Flugschrift von Dibelius, staatlicherseits nicht mehr untersucht werden sollen, künftige Fälle aber in der Zuständigkeit des Ministeriums für kirchliche Angelegenheiten liegen werden, (vgl. G. GRÜNZINGER / C . NICOLAISEN, Dokumente ΙΠ, S.169f.) - Auf die Frage, warum NlEMÖLLER den Mut gehabt habe, für die anonym herausgegebene Streitschrift mit seinem Namen zu bürgen, antwortete dieser (am 10.5.1982), Dibelius sei im Gegensatz zu ihm ein vorsichtiger Kirchenmann gewesen - vorsichtig nicht im Sinn von ängstlich, sondern von taktisch denkend. 1 1 7 Terminologisch muss man genau formulieren und unterscheiden: Dibelius lehnte nicht die „politische" Kirche ab (so K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.295), sondern die „politisierte Kirche". Richtig jedenfalls ist die Erkenntnis, dass Dibelius eben nicht den Weg gegangen ist, den SCHOLDER - missverständlich und tendenziös - den Weg der „politischen" Theologie (z.B. bei
ALTHAUS,
GOGARTEN,
Sp.1609 / 1988, S.134).
HIRSCH)
genannt
hat
(vgl.
K . SCHOLDER,
Kirchenkampf,
1987,
Die geistliche Leitung der Kirche
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ihr die Kirche noch einmal danken wird." 118 Deshalb verübelte es Dibelius auch dem Lutherrat, dass dieser vorschnell bereit war, mit dem Reichskirchenausschuss und seinem Vorsitzenden ZOELLNER zusammenzugehen. Dadurch entstand ein nahezu unüberbrückbarer „Riß" 1 1 9 in der Bekennenden Kirche, den Dibelius um der Geschlossenheit der Bekenntnisfront willen gern gekittet hätte und deshalb auch zu vermitteln 120 suchte. Noch einmal nahm Dibelius den Kampf mit dem Reichskirchenminister auf, als dieser im Februar 1937 anlässlich des Rücktritts des Reichskirchenausschusses in einer Rede vor den Vorsitzenden der Landes- und der preußischen ProvinzialKirchenausschüsse sein Programm für die Zukunft 121 vortrug: Die D E K werde in zwei Säulen aufgeteilt, wobei die zur Bekennenden Kirche neigenden Landeskirchen unter dem Kirchenregiment der Kirchenausschüsse stünden, während Dissidenten zusammen mit den selbständigen nationalkirchlichen Gemeinden („Deutsche Christen") der von dem Minister geleiteten Reichskirchenkanzlei zugeordnet werden sollten 122 . Die Wirtschaftsführung der Kirche müsse noch straffer vom Staat kontrolliert werden. Für die Pfarrer der D E K finde das Beamtengesetz Anwendung, damit die Kirche von staatsfeindlichen und jüdischen Elementen gereinigt werde. Das Theologie-Studium umfasse sechs Semester; die 1. theologische Prüfung müsse an staatlichen Fakultäten abgelegt werden. Es war klar: Wenn dieses Programm zur Durchführung käme, dann würde sich die Prognose von Dibelius voll bewahrheiten: „Die Staatskirche ist da!" 123 Dibelius reagierte auf die angekündigten Maßnahmen KERRLs mit einem „Offenen Brief" 1 2 4 und verglich sie in ihrer Folgewirkung für das Verhältnis zwi1 1 8 Dibelius an MEINZOLT v. 30.8.1936 ( H . B R A U N / C. NICOLAISEN, Verantwortung Π, 1993, Anhang IV, S.566). 1 1 9 Vgl. MEISER über ein Gespräch mit Dibelius am 16.1.1937 in Stuttgart (EBD., S.493, Anm.l). 1 2 0 Vgl. EBD., Dok.35, S.360. 121 Die Rede KERRLs v. 13.2.1937 ist in zwei Nachschriften überliefert (K.D. SCHMIDT, Dokumente Π / 2 , N r . 4 6 2 , S.1347-1351 und S.1351-1355; vgl. auch G . GRÜNZINGER / C . NlCOLAISEN, Dokumente Ш, S.318ff.). 1 2 2 Schon Ende 1935 erkannte Dibelius diese kirchenpolitische Zielrichtung des Reichskirchenministers: „Herr KERRL bereitet das Trennungsgesetz v o r " (Dibelius an MARAHRENS V. 7.12.1935, in: K . D . SCHMIDT, Dokumente Π / 2 , Nr.473, S.1381). 1 2 3 KERRL ließ sich nach seiner zweistündigen Rede auf keine Diskussion ein mit dem Hinweis, dass seine Pläne bereits zwei Tage später als gesetzliches Verordnungswerk veröffentlicht und in Kraft gesetzt würden. Stattdessen kündigte HITLER an - wohl auch um das außenpolitische Ansehen seiner Kirchenpolitik besorgt - , Wahlen zu einer Generalsynode der D E K ausschreiben zu lassen. 124 Offener Brief an Reichsminister KERRL (Ende Februar 1937, E Z A BERLIN, 5 0 / 2 5 8 , pag.l61ff.; KJ 6 0 / 7 1 , 1933-1944, S.158ff. und K.D. SCHMIDT, Dokumente Π / 2 , N r . 4 6 5 , S.1358ff.). - D e m „Offenen Brief an Reichsminister KERRL bin ich in so massenhaften Nachdrucken begegnet, daß ich schätzen möchte, er sei heute wohl in einer halben Million Exemplaren verbreitet. Vielleicht sind es noch mehr." (Rundbrief: „Auf Pilgerschaft [wie der Vater BODELSCHWINGH zu sagen pflegte], in der Karwoche 1937", in: E Z A BERLIN, 5 0 / 4 2 6 ) . - Auch M. NlEMÖLLER wandte sich protestierend an KERRL, da dieser ihn in seiner Rede als Staatsfeind namentlich genannt hatte (vgl. NIEMÖLLER an KERRL v. 18.2.1937, in: K.D. SCHMIDT, Dokumente Π / 2 , N r . 4 7 4 , S.1382).
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sehen der evangelischen Kirche und dem Kirchenministerium mit dem, „was die Sportpalastversammlung vom November 1933 für das Verhältnis zwischen uns und den Deutschen Christen bedeutet hat: der Schleier ist zerrissen, der die Wirklichkeit vor vieler Augen bisher verhüllte; die Gegensätze sind klar; es ist jetzt deutlich vor jedermann, was das Kirchenministerium mit seinen Maßnahmen bisher beabsichtigt hat und was es für die Zukunft beabsichtigt." Da durch die Ankündigung HlTLERs, Wahlen zu einer Generalsynode ausschreiben zu lassen 125 , die Pläne KERRLs vorerst nicht mehr zur Diskussion standen, konzentrierte sich Dibelius in seinem „Offenen Brief" zunächst auf KERRLs Aussage, dass Bischof v. GALEN und Generalsuperintendent ZOELLNER ihm hätten „beibringen wollen, was Christentum sei, daß es um die Anerkennung ginge, Jesus sei Gottes Sohn. Das sei lächerlich (und) nebensächlich! Die Gestalt Jesu auf sich wirken (zu) lassen, (und) ein Christentum der Tat (zu) leben, das sei alles." 126 Wenn die Kirche, so argumentiert Dibelius dagegen, sich das Bekenntnis zu dem Juden Jesus als dem Gottessohn nehmen lasse, dann verfalle sie auch der Staatskirche: „Denn wenn Jesus von Nazareth ein Mensch gewesen ist wie wir alle, dann kann jeder seine Lehre kritisieren und abändern. Dann haben die Sakramente der Kirche keinen Sinn mehr. Dann hat die Kirche nicht mehr das Recht, dem Mythus Alfred ROSENBERGS das Evangelium entgegenzustellen als die ewige, unabänderliche Wahrheit Gottes. Von dem Felsengrund der Offenbarung Gottes sind wir dann in den Flugsand menschlicher Meinungen gestoßen und stehen hilflos in einer Zeit, die uns neue Götter anpreist. Nein: daß Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, der Sohn des lebendigen Gottes ist, ist der feste Grund für allen unsern Glauben. Was muß die deutsche Christenheit empfinden, wenn der Minister für die kirchlichen Angelegenheiten das als lächerlich bezeichnet!" 127 Allein das Christusbekenntnis immunisiert also die Kirche gegen die Versuchungen und Bedrängnisse einer Staatskirche: „Wenn Sie fordern, daß die evangelische Kirche nicht Staat im Staate sein dürfe, so sagt jeder evangelische Christ dazu Ja! Die Kirche soll Kirche sein, nicht Staat im Staate! Die Grundsätze aber, Vgl. G . GRÜNZINGER / C. NICOLAISEN, Dokumente Ш, S.320ff. Nachschriften der Rede KERRLs am 13.2.1937 ( L K A BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.303 Fasc.2; K . D . SCHMIDT, Dokumente Π / 2 , N r . 4 6 2 , S.1353, vgl. EBD., S.1348); geglättete bzw. (ergänzte) Wiedergabe bei Dibelius (vgl. K.D. SCHMIDT, Dokumente Π / 2 , N r . 4 6 5 , S.1359). - D e r kommissarische Gau-Schulungsleiter von Berlin befürchtete in seinem Schreiben v. 16.3.1937 gegenüber dem Parteigenossen D r . Matthes ZlEGLER, dem Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der N S D A P , „von diesem .Offenen Brief' ungünstige Auswirkungen im Ausland und darüberhinaus"; mit der Bekanntmachung dieses Redeteils durch den „Offenen Brief" von Dibelius sei der Kampf gegen die Bekennende Kirche erschwert und die „ersehnte Einheitsfront der verschiedenen Richtungen der Deutschen Christen" geschwächt, „da viele Tausende bester Nationalsozialisten im Glauben an die Gottessohnschaft Christi den Kern des Christentums sähen, den sie nie preisgeben würden, und daher keinerlei Bindungen mit denen eingehen würden, die ihnen diesen Glauben nehmen wollen" (Fr. ZIPFEL, Kirchenkampf, 1965, Dokument N r . 3 4 , S.377). 127 Offener Brief an Reichsminister KERRL (KJ 6 0 / 7 1 , 1933-1944, S.158f. bzw. K.D. SCHMIDT, Dokumente II/2, N r . 4 6 5 , S.1359). 125 126
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die Sie verkündigen, laufen darauf hinaus, daß der Staat zur Kirche werden soll, indem er über Predigt und Glaubensbekenntnis der Menschen Bestimmungen trifft, gestützt auf seine Mittel der Macht. Hier liegt die Wurzel des ganzen Kampfes zwischen Staat und Evangelischer Kirche. Dieser Kampf wird nie zu Ende kommen, wenn nicht der Staat sich seiner Grenzen bewußt wird." 1 2 8 Deshalb steht am Schluss des umfangreichen Briefes die Forderung an den Kirchenminister: „Lassen Sie (das Kirchenministerium) sich aller weiteren Eingriffe in das Leben der Kirche grundsätzlich enthalten und die Rechte, die es neu für sich in Anspruch genommen hat und durch die es tief in das innere Leben der Kirche eingreift, wieder abgeben. Lassen Sie die Kirche ihre Angelegenheiten in wirklicher Freiheit und Selbständigkeit ordnen. Wenn das geschieht, dann kann der Kirchenkampf in drei Monaten zu Ende sein. ...Geben Sie diese unsere evangelische Kirche endlich, endlich wieder frei! Deutschland braucht das Evangelium! Es braucht das unverkürzte und unverfälschte Evangelium! Wer dazu hilft, dessen H a n d wird gesegnet sein!" 1 2 9 Der „Offene Brief" hatte offensichtlich „eingeschlagen" 1 3 0 und deshalb auch die Gestapo auf den Plan gerufen, denn er erzielte durch die öffentlich gemachten Aussagen und Absichten KERRLs einen erneuten Solidarisierungs- und Konsolidierungseffekt auf Seiten der Bekennenden Kirche. A n ein Ende des Kirchenkampfes war also nicht zu denken, er verschärfte sich sogar noch: A m 1. Juli 1937 wurde Martin NlEMÖLLER verhaftet; Dibelius wurde auf Veranlassung von KERRL wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz am 2. August festgenommen und vor dem Moabiter Kriminalgericht angeklagt, weil er in seinem „Offenen Brief" „vorsätzlich und öffentlich unwahre Behauptungen tatsächlicher Art aufgestellt (habe), die geeignet waren, das Ansehen der Reichsregierung und das Wohl des Reiches schwer zu schädigen" 1 3 1 . Der Staatsanwalt beantragte für dieses Vergehen eine sechsmonatige Gefängnisstrafe. In seinem Tagebucheinträg notierEBD., S.160 bzw. S.1361. EBD., S.160f. bzw. S.1362 - Verärgert reagierte Dibelius auf die konfessionellen Lutheraner, die sich immer noch von der Bekennenden Kirche distanzierten und nicht verstehen wollten, daß jetzt der gemeinsame Kampf gegen die fortschreitende Errichtung einer Staatskirche nötig wäre: „Die Bekennende Kirche führt heute für den ganzen Protestantismus den Kampf gegen die Staatskirche. Dieser Kampf ist das Thema des gegenwärtigen Abschnitts der Kirchengeschichte. Wenn die Staatskirche bleibt, die heute bereits da i s t d a n n nützt keiner lutherischen Kirche ihr lutherischer Bekenntnisstatus, sondern dann werden wir alle von der deutsch-christlichen Staatskirche erstickt." Und verbittert fügte Dibelius hinzu: „Die Bekennende Kirche führt den Kampf mit dem stärksten persönlichen Einsatz. Von den altpreußischen Pfarrern haben 6-700 im Gefängnis gesessen. ...Und während unsere Brüder im Gefängnis sitzen für die Freiheit des Evangeliums, bringt die LuTHARDTsche Kirchenzeitung einen Artikel nach dem andern, der die Bekennende Kirche schmäht." Dibelius zog daraus die Konsequenz: „Das ertrage ich nicht länger und bestelle die Zeitung nun endgültig ab" (Schreiben v. 18.6.1937, in: BA KOBLENZ, N L Dibelius, N 1439/7). 1 3 0 „...der Brief hat eben eingeschlagen", notierte Η. K. HESSE am 18.3.1937 in seinem Tagebuch (G. ABRATH, Subjekt, 1994, S.283). HESSE schätzte die Auflage des Protestbriefes „auf einige Millionen" (EBD., S.289). 1 3 1 Bericht über den Dibelius-Prozess in der Personalakte (EZA BERLIN, 7/Pers. D 9, Beiheft I). - Vgl. auch W. NlESEL, Kirche, 1978, S.145. 128
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te d e r P r o p a g a n d a m i n i s t e r GOEBBELS a m 1 . 8 . 1 9 3 7 : „ A n k l a g e s c h r i f t gegen NlEMÖLLER u n d D i b e l i u s gelesen. D a s sind lauter U n v e r s c h ä m t h e i t e n . H o f f e n t l i c h w e r d e n diese scheinheiligen B r ü d e r n u n auch fest v e r k n a x t (!)." 132 Diese H o f f n u n g e r f ü l l t e sich n i c h t : D i b e l i u s w u r d e a m 6. A u g u s t 1 9 3 7 f r e i g e s p r o c h e n , w a s f ü r d e n Staat eine v e r n i c h t e n d e Niederlage bedeutete u n d f ü r KERRL e i n e r ö f f e n t lichen Blamage gleichkam. D e r K i r c h e n m i n i s t e r erreichte a u ß e r d e m m i t s e i n e m S t r a f a n t r a g nicht, dass auch D i b e l i u s i n e i n e m K o n z e n t r a t i o n s l a g e r festgesetzt wurde133. D a k e i n E n d e des K i r c h e n k a m p f e s i n Sicht w a r , u n t e r n a h m D i b e l i u s i m Späth e r b s t 1 9 3 7 d e n w o h l gewagtesten V o r s t o ß z u r A b w e h r e i n e r Staatskirche u n d z u r B e f r i e d u n g d e r evangelischen K i r c h e : D e r o b e r s t e n Heeresleitung u n t e r b r e i tete er a n o n y m eine „ D e n k s c h r i f t ü b e r die A u s w i r k u n g des K i r c h e n k a m p f e s auf die m o r a l i s c h e W e h r b e r e i t s c h a f t des deutschen V o l k e s " 1 3 4 . O f f e n s i c h t l i c h w o l l t e 132
J . GOEBBELS, T a g e b ü c h e r 1/3, 1987, S . 2 2 0 .
Der Vorsitzende Richter, Landgerichtsdirektor Dr. WESENBERG, war daraufhin erheblichen staatlichen Repressalien ausgesetzt, erlitt einen Nervenzusammenbruch, wurde von seinem Posten abberufen und starb bald danach (vgl. Fr. ZIPFEL, Kirchenkampf, 1965, S.99; Christ, 1961, S.196). Vgl. auch den Prozessbericht in der ,New York Times' v. 10.8.1937 (EZA BERLIN, 50/AP Nr.20) - In einer die Fakten und Zusammenhänge völlig verdrehenden Darstellung führt die DDR-„Dokumentation" über Dibelius diesen Freispruch zum Beweis für die faschistische Haltung des nachmaligen Berliner Bischofs an: „Dieses Sondergericht, das Hunderte von Antifaschisten zum Tode oder zu hohen Zuchthausstrafen verurteilte, spricht Dibelius frei, und die Reichskasse trägt die Kosten des Verfahrens. ...Die nazistische Haltung des Otto Dibelius ist also auch von einem faschistischen Sondergericht bestätigt!" (Hier spricht Dibelius, 1960, S.93). In Erinnerung an seine Erwiderung auf ROSENBERGS „Protestantische Rompilger" (Drei Randbemerkungen zu einem Kapitel Rosenberg, 1937) verschickte Dibelius am 23.6.1960 an alle Geistlichen der Kirchenprovinz eine kurze Entgegnung unter dem Titel „Drei Randbemerkungen zu einer .Dokumentation' " (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, Nr.31). Eine Antwort erfolgte außerdem in den von L. BESSERT herausgegebenen .Berliner Informationen' (Die Kirchenfrage, Nr. 13 / 1960), eine noch ausführlichere Entgegnung (nachdem eine englische Fassung der „Dokumentation" erschienen war) in: ,Berliner Informationen' (Die Kirchenfrage, Nr.15 / 1960). - Die „Dokumentation" geht zurück auf eine Sammlung von Aussprüchen, die das .Neue Deutschland' schon 1958 zusammengestellt hat. Einen gegen Dibelius gerichteten, gehässigen Artikel, der sich auf diese Sammlung bezog, nahm H: GRÜBER zum Anlaß, um öffentlich vor der EKD-Synode 1958 eine Erklärung für Dibelius abzugeben: „... Es sind in der Presse konkrete Vorwürfe erhoben worden. Man hat mit viel Fleiß aus fünf Jahrzehnten Aussprüche gesammelt und zusammengestellt, um den Synodalen ein Bild von Bischof Dibelius zu zeichnen. Ich brauche hier nicht zu betonen, daß ich in vielen Punkten anderer Meinung bin als Bischof Dibelius... Aber alles hindert uns doch nicht, und ich glaube, darin sind w i r alle einig, uns zu verbitten, daß von Menschen, die über weniger Sach- und Personalkenntnis als wir verfügen, das Bild von Bischof Dibelius verzerrt wird. Man glaubt eben, Worte aus der Vergangenheit, zum Teil aus dem Zusammenhang gerissen, zum Teil auch unrichtig wiedergegeben zusammenstellen zu müssen. ... trotz aller Verschiedenheit ist Bischof Dibelius für mich ein Pontifex und kein Partisan" (H. GRÜBER, Erinnerungen, 1968, S.397-400). 1 3 4 Vgl. EZA BERLIN, 50/700b, pag.175-179 (die folgenden Zitate EBD.) und LKA BIELEFELD 5/Nr.l, Bd.326, Fasc.2. Dibelius schreibt dazu in seinen Erinnerungen lediglich: „Ich hatte seinerzeit eine Denkschrift für die Oberste Heeresleitung über die Auswirkungen des Kirchenkampfes auf den Wehrwillen des deutschen Volkes gemacht. Diese Denkschrift war von den Militärs sehr beachtet worden. Im nationalsozialistischen Staat konnte sie keine praktischen Folgen haben. Aber was ich damals an Befürchtungen ausgesprochen hatte, war nunmehr da." (Christ, 1961, S.202) - Weil die Denkschrift vor allem in Militärkreisen kursierte, erhielt sie im 133
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D i b e l i u s m i t dieser D e n k s c h r i f t die G e n e r a l i t ä t 1 3 5 a u f die m i l i t ä r p s y c h o l o g i s c h e n F o l g e n des K i r c h e n k a m p f e s a u f m e r k s a m m a c h e n u n d d e n n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Staat a n s e i n e m e m p f i n d l i c h s t e n N e r v t r e f f e n , n ä m l i c h an d e m N e r v s e i n e r m i l i t ä r p o l i t i s c h e n A b s i c h t e n . D i e G e n e r a l i t ä t sollte d a f ü r g e w o n n e n w e r d e n ,
Druck
a u f d e n n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Staat a u s z u ü b e n m i t d e m Z i e l , die e v a n g e l i s c h e K i r c h e endlich v o m staatlichen Z w a n g z u befreien. F o l g e n d e
Argumentation
sollte dabei den Nationalsozialisten einleuchten: E i n e p s y c h o l o g i s c h e
Mobilma-
c h u n g d e r d e u t s c h e n B e v ö l k e r u n g sei n i c h t m ö g l i c h , s o l a n g e die e v a n g e l i s c h e K i r c h e n i c h t b e f r i e d e t sei; s o n s t k ö n n e m i t d e m W e h r w i l l e n u n d d e r W e h r b e r e i t schaft der evangelischen C h r i s t e n nicht gerechnet w e r d e n 1 3 6 . I n d e r D i a g n o s e des s t a a t l i c h - k i r c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e s ließ D i b e l i u s in s e i n e r D e n k s c h r i f t k e i n e n Z w e i f e l d a r a n , dass die g a n z e E n t w i c k l u n g n a c h w i e v o r a u f e i n e S t a a t s k i r c h e h i n a u s l a u f e : „ I n n e r k i r c h l i c h g e h t es d a r u m , d a ß die e v a n g e l i s c h e K i r c h e in e i n e S t a a t s k i r c h e u n t e r d e r d i k t a t o r i s c h e n L e i t u n g des R e i c h s k i r c h e n m i n i s t e r i u m s u m g e w a n d e l t w e r d e n soll. D i e 1 5 . D u r c h f ü h r u n g s v e r o r d n u n g f a ß t z u s a m m e n , w a s n a m e n t l i c h seit d e m E i n t r i t t des S t a a t s s e k r e t ä r s M U H S in d a s M i n i s t e r i u m ständig praktiziert wird: D i e gesamte kirchliche V e r w a l t u n g an d i e W e i s u n g e n des M i n i s t e r s g e b u n d e n ; die v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n R e c h t e
wird der
G e m e i n d e n , d e r S y n o d e n u s w . sind beseitigt. D e r M i n i s t e r a b e r b r i n g t ü b e r a l l die
Zuge der weiteren Verbreitung den Titel: „Denkschrift evangelischer Heerespfarrer über die Auswirkung des Kirchenkampfes", der Wortlaut ist in dieser Traditionskette nicht ganz identisch (vgl. Z E K i H N DARMSTADT 35/78; B A Abt. FREIBURG, R H 15/262, pag. 142-144 (Abschrift von Abschrift); L K A HANNOVER S 1, Η 11,270; L K A OLDENBURG, Archiv der Bekenntnissynode Oldenburg Ш,3 Wehrmacht; L K A STUTTGART D 1, 99,1). 1 3 5 Offenbar verfügte Dibelius über vertrauensvolle und vertrauliche Kontakte zur obersten Heeresleitung; er konnte deshalb hoffen, sich in seinem Anliegen mit dem Teil der militärischen Führung verbünden zu können, der ohnehin den antikirchlichen Kurs des Nationalsozialismus wenigstens im Raum der Armee zu verhindern oder einzudämmen bestrebt war (vgl. dazu K.-J. MÜLLER, Armee, 1987, S.83ff.). Besonders General BECK wollte HITLER seit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 1935 von dessen Kriegsvorbereitungen abbringen und versuchte, die Generalität unter folgenden Parolen zu sammeln: „Für den Führer! Gegen den Krieg! Gegen die Bonzokratie! Friede mit der Kirche! Freie Meinungsäußerung! ..." (Vortragsnotiz v. 19.7.1938, in: K.-J. MÜLLER, Armee, 1987, S.351). Im Juni 1937 erging die Weisung „für die einheitliche Kriegsvorbereitung der Wehrmacht". Am 5.11.1937 eröffnete und erläuterte HITLER der obersten Generalität seine konkreten Kriegspläne zur Erweiterung des Raumes für das deutsche Volk. General BECK nahm zu den im „HOSSBACH-Protokoll" aufgezeichneten Gedanken am 12.11.1937 kritisch Stellung (vgl. K.-J. MÜLLER, Armee, 1987, Dok. Nr.143-146, S.310ff.). 1 3 6 Eine Deutung, wonach mit dieser Argumentation implizit auch die Bejahung der Kriegsvorbereitungen und Kriegsabsichten des HLTLER-Regimes enthalten sein könnte, würde dem gesamten Duktus der umfangreichen Denkschrift nicht gerecht. Denn das Interesse ist dort ganz auf die Befriedung der Kirche gerichtet. Tatsächlich hatten die Nationalsozialisten selbst in dieser Denkschrift nicht eine freundliche Unterstützung oder gar kirchliche Befürwortung ihrer Kriegsabsichten gesehen, sondern umgekehrt die ganze Denkschrift als einen verwerflichen Versuch der Wehrkraftzersetzung verstanden. Der evangelische Militärbischof wurde deshalb alarmiert, der seinerseits fieberhafte, aber ergebnislose Anstrengungen unternahm, um unter den evangelischen Militärpfarrern den Autor dieser Denkschrift bzw. die Traditionskette ihrer Verbreitung ausfindig zu machen (vgl. B A Abt. FREIBURG, R H 15/262). Es ist kaum auszudenken, in welche unkalkulierte und unkalkulierbare Gefahr sich Dibelius mit dieser Denkschrift gebracht hatte.
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Deutschen Christen wieder an die Macht und zwar gerade diejenigen, die die Substanz des christlichen Glaubens preisgegeben haben. Das ist die Unterhöhlung der Kirche von innen her. Gleichzeitig erfolgt der Angriff von außen". Als Therapie für die Gesundung der Kirche wusste Dibelius nur einen Weg: Es „muß mit der Methode der Gewaltdiktate gebrochen werden. Friede ist nur möglich auf dem Weg der Verhandlung und Verständigung mit den Kräften, die das Leben der Kirche tragen. Das sind nicht die Deutschen Christen, vollends nicht die Neutralen." Gegen das staatliche Gewaltregiment, das unter dem Vorwand, nur die äußere Ordnung der Kirche wiederherstellen zu wollen, in Wirklichkeit aber in das innere Leben der Kirche einzugreifen versuchte, setzte Dibelius die Autorität von Bibel und Bekenntnis. Dieser Autorität allein musste sich die geistliche Leitung der Kirche gleichermaßen verpflichtet fühlen wie deren Gemeinden: „ich bezeuge es vor aller Welt, daß geistliche Kirchenleitung - und um diese geht es hier möglich ist ohne Anwendung von Gewalt. Denn der Gefahr der Disziplinlosigkeit steht in unseren Reihen gegenüber eine unendliche Bereitschaft, echte geistliche Autorität anzuerkennen, wo immer sie sich findet. Und ich bezeuge, daß die Anwendung von Gewalt gegenüber Bedenken, die von Schrift und Bekenntnis her kommen, wider die Schrift und wider das Bekenntnis der Kirche ist." 137 Mit allem Nachdruck widersetzte sich Dibelius also dem Anspruch, die Kirche müsse, wie es KERRL in seiner Rede am 13.2.1937 forderte, „den Primat des Staates"138 anerkennen. Das innere Leben und damit auch die äußere Ordnung der Kirche können nicht durch den Führungsanspruch und das praktizierte Führerprinzip des Staates, sondern nur durch die Bevollmächtigung einer geistlichen Leitung der Kirche wiederhergestellt werden. 5.3.3 Die Forderung nach einer geistlichen Leitung der Kirche Mit der „17. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche" 139 vom 10.12.1937 übertrug der Reichskirchenminister dem jeweiligen Leiter der Verwaltungsbehörden in Altpreußen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Nassau-Hessen nahezu unbeschränkte kirchenregimentliche Vollmachten nach dem Führerprinzip. Gemildert wurde diese Maßnahme durch eine „Ausführungsanweisung" zu dieser 17. Verordnung vom 24.8.1939. Diese bestimmte, dass den Kirchenführern in den vier „Einmannkirchen" zur Bearbeitung der geistlichen Angelegenheiten besondere Vertrauensleute an die Seite gestellt werden sollten. Wohl in Erinnerung an die erfolgreiche Arbeit des Vertrauensrats in der Nachrevolutionszeit und in Anknüpfung an das von L. MÜLLER im September 1 3 7 Rundbrief von Dibelius „An der Ostsee, Anfang August 1938" (LKA BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.161 Fasc.l). 1 3 8 L K A Bielfeld, 5 / N r . l , Bd.303 Fasc.2; K.D. SCHMIDT, Dokumente II/2, Nr.462, S.1353, vgl. EBD., S.1348. 1 3 9 Vgl. KJ 60/71, 1933-1944, S.224f.; die kritischen Stellungnahmen dazu in: EBD., S.225ff.
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1933 berufene „Geistliche Ministerium" wurde so ein „Geistlicher Vertrauensrat" gebildet. Damit sollte der von der Bekennenden Kirche penetrant geforderten „Idee einer geistlichen Leitung" 1 4 0 Rechnung getragen werden. N o c h Ende August 1939 hat der Leiter der Reichskirchenkanzlei Dr. WERNER im Einvernehmen mit der Kirchenführerkonferenz einen Geistlichen Vertrauensrat berufen. In diesem Beratungsgremium sollten diejenigen Maßnahmen getroffen werden, „die sich aus der Verpflichtung der evangelischen Kirche gegen Führer, Volk und Staat ergeben und ihren geordneten und umfassenden Einsatz zu seelsorgerlichem Dienst am deutschen Volke zu fördern geeignet sind" 1 4 1 WERNER hoffte, dass mit der Einrichtung des Geistlichen Vertrauensrates besonders auch angesichts des von den Nationalsozialisten v o m Zaun gebrochenen Krieges - mehr Ruhe an der Kirchenfront einkehren würde und dass der kirchenregimentliche Status quo gegen alle bekenntnisorientierten Neuordnungsbestrebungen aufrechterhalten werden könnte. Im April 1940 wurde das Beratungsgremium deshalb zum Leitungsgremium der D E K aufgewertet: D e m Geistlichen Vertrauensrat wurden nun Mitwirkungsrechte vor allem in Personalangelegenheiten sowie in Angelegenheiten zugesprochen, die die Verwaltung und die Rechtspflege aller Landeskirchen betrafen 142 . Diese Mitwirkungsrechte konnten aber nur im Einvernehmen mit dem Präsidenten der Kirchenkanzlei wahrgen o m m e n werden. O b w o h l der Geistliche Vertrauensrat sich z.B. in der Frage des Minderheitenrechts innerhalb der Kirche eine gewisse Selbständigkeit erkämpft hatte, blieb er doch der staatlichen Leitung untergeordnet und fand bei den Landeskirchen keine Anerkennung und kein Vertrauen - vollends nicht bei der Bekennenden Kirche. D a s Desiderat einer wirklichen geistlichen Leitung der Kirche bestand also weiterhin. Wenn in der Folgezeit immer wieder durch Eingaben die Einrichtung einer wirklichen geistlichen Leitung der Kirche angemahnt wurde, dann richteten sich
1 4 0 Vgl. K.-H. MELZER, Vertrauensrat, 1991, S.17ff. - Eine von G . BURGHART und R. ZMMERMANN angeführte „Konferenz" von neutral gesinnten und kompromissbereiten Pfarrern legte ihrerseits einen Entwurf für die geistliche Leitung in Altpreußen vor, gegen den Dibelius in einem Brief an seinen Schwiegersohn H . OSTMANN heftig protestierte: „Mit wirklicher Erschütterung habe ich den Entwurf gelesen, wie diese Konferenz sich die Schaffung einer geistlichen Leitung in Altpreußen denkt. D e m Staat soll alles überlassen bleiben, was er in seine H a n d genommen hat, die gesamte äußere Verwaltung, die Finanazen u.s.f. Dann sollen die Superintendenten einen .Präses' wählen - sprich ZLMMERMANN - , der die heiligen Handlungen macht und sich mit der staatskirchlichen Behörde in freundschaftlicher Fühlung hält, ohne ihr gegenüber irgendwelche Kompetenzen zu besitzen. Das ist genau das, was Herrn MUHS vorschwebt. Daß aber Männer wie BURGHART in dieser Weise die Kirche preiszugeben bereit sind, habe ich nicht für möglich gehalten" (Dibelius an OSTMANN v. 16.3.1938, in: L K A STUTTGART, D 1 / 151,1). 1 4 1 G D E K (Ausgabe В - Altpreußen) v. 2.9.1939, S.97; vgl. auch K.-H. MELZER, Vertrauensrat, 1991, S.44ff. Zu Mitgliedern dieses Gremiums wurden berufen: Landesbischof August MARAHRENS (Hannover), Landesbischof Walther SCHULTZ (Mecklenburg), EOK-Vizepräsident Johannes ΗΥΜΜΕΝ und - ab April 1940 als Vertreter der Reformierten und nur als assoziiertes Mitglied - der Göttinger Theologie-Professor Otto WEBER. 1 4 2 G D E K (Ausgabe А - Reich) v. 2.4.1940, S.13.
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diese Forderungen gegen den Geistlichen Vertrauensrat. Denn der erwünschten Einrichtung einer geistlichen Leitung der Kirche konnte gerade mit dem Hinweis auf die beiden genannten Erlasse des Kirchenministeriums, nach denen der Geistliche Vertrauensrat berufen wurde, entsprechender Nachdruck verliehen werden. Besonders in Altpreußen kam es 1940/41 in einer konzertierten Aktion der Bekennenden Kirche zu Masseneingaben 143 an die Kirchenleitung, die mit diesbezüglichen Unterschriftensammlungen und organisierten Briefaktionen förmlich bombardiert wurde. In Westfalen ging es bei diesen Masseneingaben um die kirchenamtliche Anerkennung von Präses KOCH 144 als geistliche Leitung der Provinzialkirche. In Schlesien suchte man die Wiedereinsetzung des beurlaubten Generalsuperintendenten ZÄNKER zu erreichen 145 . Aus der Rheinprovinz wurden über das Konsistorium 393 „Anträge von BK-Geistlichen auf Einsetzung einer bekenntnistreuen geistlichen Leitung" an den Berliner E O K weitergeleitet 146 . Als Beispiel für die „ganz Preußen betr. Aktion" 1 4 7 sei der Text der Eingabe zitiert, die der Dibelius-Sohn Wolfgang (Pfarrer in Altkolziglow / Kreis Rummelsburg in Pommern) an den Berliner E O K geschickt hat: „Unter Bezugnahme auf den Erlaß des Herrn Reichskirchenministers vom 24. August 1939 beantragen wir hiermit die Schaffung einer bekenntnistreuen Leitung sowohl beim Evangelischen Konsistorium unsrer Provinz wie auch beim Evangelischen Oberkirchenrat. Die Evangelische Kirche muß eine Leitung haben, zu der wir volles Vertrauen haben können. Deshalb behalten wir uns Vorschläge für die personale 1 4 3 Dieser bedeutsame Vorgang ist nur kurz erwähnt bei K.-H. MELZER, Vertrauensrat, 1991, S.147. - Für Altpreußen wurde eine (nicht datierte) Denkschrift erstellt, deren „Vorschläge zur Bildung einer geistlichen Leitung innerhalb der Kirche der altpreußischen U n i o n " als Übergangslösung betrachtet wurden und einer gesamtkirchlichen Neuordnung nicht vorgreifen wollten. Die geistliche Leitung sollte für jede Provinz von einer legitimierten Wahlversammlung für einen Zeitraum von vier Jahren bestimmt werden, und ihre Aufgaben sollten in klarer funktionaler Abgrenzung und Vorordnung gegenüber der äußeren kirchlichen Verwaltung wahrgenommen werden (vgl. E Z A BERLIN, 50/54, pag.38-41). 144 v g l . d i e ca _ n o jeweils von mehreren Pfarrern und Gemeindegliedern der B K Westfalen unterschriebenen Vordrucke (Febr./März 1941), in denen mit Berufung auf den Erlass des Reichskirchenministers vom 24.8.1939 gefordert wird, dass das A m t der geistlichen Leitung an Präses D . KOCH übertragen und dieser mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet werde ( L K A BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.857, Fasc.2). Zum schon langandauernden Streit über die Anerkennung von Präses KOCH als rechtmäßige geistliche Leitung vgl. B. HEY, Westfalen, 1974, S.131ff. - D i e Unterschriftenaktion, an der sich 564 westfälische Pfarrer beteiligten, wird dort nur kurz erwähnt (EBD., S.146). 1 4 5 In Sachsen wurde immerhin erreicht, dass ein BK-Vertrauensmann zur Leitung der Kirche hinzugezogen wurde. Der Schlesischen Bekennenden Kirche war es selbstverständlich, „daß in Schlesien nur Bischof D . ZÄNKER als geistliche Leitung in Frage kommt, wie etwa Präses KOCH in Westfalen" (Schlesische Synode der B K an E O K v. 17.5.1941, in: E Z A BERLIN, 7/1039). 1 4 6 Der Düsseldorfer Konsistorialpräsident KOCH listete peinlich genau die Absender solcher Schreiben auf. Entsprechende Anträge stellten demnach 3 Superintendenten (aus Rheydt, Oberwinter und Köln), 236 Pfarrer (davon 25 im Heeresdienst), 9 Ruheständler, 6 legale Hilfsprediger (davon 1 im Heeresdienst und 3 Vikarinnen) und 139 illegale Hilfsprediger (davon 89 im Heeresdienst) - vgl. KOCH an E O K v. 28.6.1941 (EZA BERLIN, 7/1000). 1 4 7 Schlesische Synode der Bekennenden Kirche v. 17.5.1941 (EBD.).
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Z u s a m m e n s e t z u n g d e r s e l b e n v o r . Z u r Z e i t e n t s c h e i d e t ü b e r die g e i s t l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n d e r E v a n g e l i s c h e n K i r c h e e i n e V e r w a l t u n g s b e h ö r d e , die n i c h t a n die H e i l i g e S c h r i f t u n d das r e f o r m a t o r i s c h e B e k e n n t n i s g e b u n d e n ist. D a s a b e r b e d e u t e t f ü r u n s e i n e s t ä n d i g e G e w i s s e n s b e l a s t u n g , die u n s n i c h t l ä n g e r z u g e m u t e t w e r d e n darf. W i r b i t t e n d a h e r , u n s e r e m A n t r a g e n u n m e h r i m I n t e r e s s e e i n e r a n z u b a h n e n d e n w i r k l i c h e n B e f r i e d u n g d e r K i r c h e alsbald s t a t t z u g e b e n . " 1 4 8 K o n k r e t w u r d e s o l c h e G e w i s s e n s b e l a s t u n g z . B . d u r c h die A n o r d n u n g e n d e r K i r c h e n v e r w a l t u n g i m B l i c k a u f d i e I n h a l t e des K o n f i r m a n d e n u n t e r r i c h t s 1 4 9 . In einem mit d e m Kirchenminister abgesprochenen Schreiben v o m
18.9.1941
suchte der E O K der eingegangenen Flut v o n Anträgen H e r r zu werden, indem er die o r g a n i s i e r t e n U n t e r s c h r i f t e n a k t i o n e n missbilligte u n d i h r e B e r u f u n g a u f d i e m i n i s t e r i e l l e n E r l a s s e als u n s a c h g e m ä ß b e s t r i t t , d a diese n o c h v o r A u s b r u c h des K r i e g e s e r g a n g e n s e i e n 1 5 0 . D e r K i r c h e n k a m p f d a u e r t e also w e i t e r h i n an. D e r B e s c h e i d e n t h i e l t n ä m l i c h n a c h E i n s c h ä t z u n g d e r B e k e n n e n d e n K i r c h e „eine radi-
1 4 8 Wolfgang DIBELIUS an E O K v. 3.1.1941 (EBD.). Vgl. die nahezu wortgleiche Eingabe z.B. aus dem Brandenburgischen Fehrbellin an das „Kirchen-Ministerium" v. 16.12.1940 (EZA BERLIN, 50/475). - Schon im Kirchenstreit des Jahres 1933 hatte er ganz im Sinn seines Vaters Stellung bezogen: „Die Kirche muß eine freie Kirche bleiben. ...Denn der Streit, der zur Zeit die Gemüter verwirrt, geht darum, ob politische Motive bei der Gestaltung der Kirche mitwirken dürfen oder nicht. ... Die Frage ist eine politische, weil wir politische Menschen sind. Sie wird immer eine Frage nach dem Staat sein. Die Antwort aber darf keine politische sein, weder reaktionär, noch revolutionär, sondern es muß eine Antwort vom Evangelium her sein. ...Und von dieser Antwort wird nicht nur das Schicksal der Kirche abhängen, sondern eben so sehr das Schicksal der deutschen Revolution." (Zum Ringen um die Kirche, in: Burschenschaftliche Blätter, Juli 1933, S.265 u. September 1933, S.287f.; Zitat: EBD., S.288) - In der Mitteilung der Eltern über das Schicksal des Sohnes Wolfgang, der 1943 in Russland vermisst wurde, heißt es: „Schon mit jungen Jahren hat er in Predigt und Seelsorge vielen etwas geben dürfen. Klar, tapfer, aber auch besonnen stand er zu seiner Bekennenden Kirche. Und die Sorge um die ihm anvertraute Gemeinde verließ ihn auch in den Nöten des russischen Winters nicht einen Tag. Wir durften von seinem Leben viel erhoffen" (Otto und Armgard Dibelius an „die Verwandten und Freunde unseres Hauses" v. 16.12.1943, in: Sammlung Zimmermann BERLIN). 1 4 9 Aus dem Berliner Kirchenkreis Kölln Land 1 nahmen 40 Pfarrer die Verfügungen des Konsistoriums, die den Konfirmandenunterricht betrafen, zum Anlass, die Einsetzung einer geistlichen Leitung zu fordern: es sei belastend und erschwerend, „daß das einzige, was uns an Kirchenleitung geblieben ist, der behördliche Verwaltungsapparat, immer wieder Entscheidungen trifft, die nur unter Abweichung vom Grunde der Schrift möglich und offenbar unter nationalkirchlichen oder einseitig deutschchristlichen Einflüssen entstanden sind" (Schreiben v. 4.1.1941 an E O K [abschriftlich an das Berliner Konsistorium und den Geistlichen Vertrauensrat], in: E Z A BERLIN, 7/1000). Zu den Unterzeichnern des Schreibens gehörten die Pfarrer ASMUSSEN, AUGUSTAT, BALTZER, BÖHM, GRÜNEISEN, HÜFFMEIER, MOLDAENKE. Besondere Sorgen bereitete „das allgemein bekannte Vorgehen gegenüber den christlichen Kirchen im Warthegau", das die völlige Zerstörung des Amtes der geistlichen Leitung zum Ziel hatte (vgl. das Schreiben des Rats der evangelischen Kirche der A p U an den E O K v. 1.12.1941, in: EBD.). Durch eine „eigentümliche Flüsterpropaganda" sei in der Bevölkerung bekanntgeworden, dass nach dem Krieg in ähnlicher Weise wie im Warthegau vorgegangen werden solle (Sup. SEIMERT an das Breslauer Konsistorium v. 28.3.1941, in: EBD.). 1 5 0 Vgl das Schreiben des E O K an die Konsistorien v. 18.9.1941 (EBD., pag,175ff., und E Z A BERLIN, 1 / A 4/573, pag.ll7ff.).
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kale Ablehnung der vorgetragenen Wünsche. Das ist sehr schmerzlich, denn es bedeutet das Zurückstoßen einer ausgestreckten Friedenshand." 151 Für unseren Zusammenhang ist es bedeutsam, dass der E O K in seinem Schreiben vom 18.9.1941 es für „unverkennbar" hielt, „daß die Anregung zu diesen Eingaben von einer Stelle ausgegangen" sei 152 . Deutlicher äußerte sich der Düsseldorfer Konsistorialpräsident KOCH; er ließ den E O K nämlich wissen, wer hinter dieser Briefaktion stand: „M.E. sind diese Anträge eine Folge des dem Ev. Oberkirchenrat bekannten Dibelius'schen Plans und daher als der Versuch, ihn in einem Teilstück schon jetzt zu verwirklichen, zu werten." 153 Dieser Dibelius-Plan sah - ähnlich wie die vom Geistlichen Vertrauensrat anfänglich unterstützten „Wiener Entwürfe" 154 - eine geordnete Entflechtung der heterogenen Gruppierungen in der Kirche vor, um dadurch ein friedliches Nebeneinander zu erreichen. Dibelius ging dabei sogar soweit, dass er bereit war, mit der Verwirklichung dieses Plans die Auflösung der Kirche der A p U in Kauf zu nehmen und sie in einen lutherischen und einen kleineren reformierten Zweig aufzuteilen 155 . Die Neuordnungsversuche der „Wiener Entwürfe" für die D E K wurden von der Bekennenden Kirche zusammen mit Dibelius 156 abgelehnt und waren dann sowieso durch den Einspruch von Reichsleiter B O R M A N N hinfällig. Der Befriedungs- und Neuordnungsversuch von Dibelius aber, der sich auf das Gebiet der Kirche der A p U bezog, wurde von den Bruderräten abgelehnt und trug dem Generalusperintendenten ein nachhaltiges Misstrauen von Teilen der Bekennenden Kirche ein. Dies kam dann deutlich zum Vorschein bei der großen Sammlungsbewegung des WURM'schen Einigungswerks 157 . Obwohl Dibelius maßgeblich an der Abfas1 5 1 Schlesische Synode der Bekennenden Kirche v. 26.1.1942 (EZA BERLIN, 7/1000, pag.210). Umso dringlicher forderte der Rat der A p U im April 1941 die Einrichtung einer geistlichen Kirchenleitung: „Die Kirchenbehörden machen immer angestrengtere Versuche, so etwas wie eine geistliche Kirchenleitung darzustellen. ...Deshalb jetzt .geistliche Leitung'!"(EZA BERLIN, 50/588, pag.24). Der Rat teilte deshalb dem E O K am 14.11.1941 sein Festhalten an dieser Forderung mit: „Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, daß man noch einmal erkennen wird, daß in einer Zeit der N o t ganze Maßnahmen getroffen werden müssen, und zwar vom Wesen der Kirche her, daß eine solche Zeit Männer braucht, die die Freiheit zum Handeln haben, und daß dann Persönlichkeiten mit geistlicher Vollmacht zur Leitung der Kirche bestellt werden" (EZA BERLIN, 7/1000, pag.187). 1 5 2 Schreiben des E O K an die Konsistorien v. 18.9.1941 (EBD., pag.175, und E Z A BERLIN, 1/A 4/573, pag. 117). 1 5 3 KOCH an E O K v. 8.2.1941 (EZA BERLIN, 7/1000, pag.84R). 1 5 4 Vgl. dazu K.-H. MELZER, Vertrauensrat, 1991, S.160ff. und S.339. 1 5 5 Vgl. K. MEIER, Kreuz, 1992, S.188f.; K. MEIER, Kirchenkampf ΠΙ, 1984, S.159. Der Ministerialdirigent im Kirchenministerium Dr. STAHN wehrte sich gegen den Vorwurf, eine geistliche Leitung getrennt nach kirchlichen Gruppen einrichten zu wollen (STAHN an KonsPräs. THÜMMEL[Münster] v. 21.3.1941, in: E Z A BERLIN, 50/570, pag.3). 1 5 6 Vgl. K.-H. MELZER, Vertrauensrat, 1991, S.167, Anm.94. 1 5 7 Die Bemühungen um die Einsetzung von geistlichen Leitungen in den preußischen Provinzen wurde von WURM nachdrücklich unterstützt (vgl. WURM an v. BODELSCHWINGH, Dibelius und MARAHRENS v. 15.11.1941, in: L K A STUTTGART, D 1/177 [G. SCHÄFER, Dokumentation VI, S.853ff.] und WURM an V.BODELSCHWINGH v. 21.1.1942, in: L K A STUTTGART, D 1/177 [G. SCHÄFER, Dokumentation VI, S.884f.] und flössen in das „Einigungswerk" mit ein.
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sung der 13 Sätze für das Einigungswerk beteiligt 158 war, gab es aus den Reihen der Bekennenden Kirche massive Einwände gegen die Mitunterzeichnung dieser grundlegenden Sätze durch Dibelius 159 . WURM lehnte es freilich ab, Dibelius fallenzulassen, und bat um Verständnis dafür, „daß ich ... einen ebenso treuen Mitarbeiter, der in der ganzen Sache eine sehr aktive und entgegenkommende Haltung eingenommen hat, nicht hinterdrein bitten kann, sich zurückzuziehen" 160 . Auch von der Gegenseite, von Seiten des Kirchenministeriums, geriet Dibelius wegen seiner Beteiligung an der WURM-Aktion unter Beschuss, weil er versuchte, im Sinn des Einigungswerks Schlichtungsausschüsse in Altpreußen ins Leben zu rufen 161 . Das Misstrauen gegen Dibelius blieb auch über das Schwellenjahr von 1945 erhalten. Es lag wohl daran, dass man sich in den bruderrätlich bestimmten Teilen der Bekennenden Kirche wieder neu darauf besann, Kirchenverwaltung und geistliche Leitung der Kirche im Sinne der Beschlüsse von Barmen und Dahlem (1934) nicht auseinanderzureißen. Dibelius hingegen blieb entsprechend den ja auch von der Bekennenden Kirche getragenen Bemühungen um eine geistliche Leitung der Kirche bei der Nebenordnung von geistlicher Leitung und des für das Recht und die Verwaltung zuständigen Kirchenregiments. Zunächst aber ließ sich Dibelius von den nach dem Zusammenbruch von ihm einberufenen „Beirat" 1 6 2 in seiner geistlichen Leitungsfunktion als Bischof von Berlin bestätigen: „Die Bekennende Kirche ist dem 11-jährigen Zermürbungskrieg weithin erlegen, äußerlich und innerlich. Was uns geblieben ist, ist die aufrechte Schar der illegalen Brüder aus dem Rheinland und aus Brandenburg - ob und wann wir das WURM bildete dafür einen „Engeren Rat", dem u.a. v. BODELSCHWINGH, Dibelius, MEISER, HERNTRICH, LILJE und Sup. RIEHL angehörten (vgl. KonsPräs. HEINRICH an E O K v. 21.2.1943, in: E Z A BERLIN, 7/1000, pag.289R). 1 5 8 „Im weiteren Verlauf wurden hauptsächlich auf Anregung von D . Dibelius Sätze ausgearbeitet, die eine gemeinsame Grundlage für alle auf dem Boden des biblischen evangelischen Glaubens stehenden Brüder bilden sollten, besonders auch in der praktischen kirchlichen Haltung und im Streben nach Erneuerung des Kirchenregiments. So entstanden die Dreizehn Sätze" (WURM an NIEMÖLLER v. 10.8.1945, in: G. SCHÄFER, Dokumentation VI, S.1380; vgl. auch T h . WURM, Erinnerungen, 1953, S.165). 1 5 9 Vgl. J. THIERFELDER, Einigungswerk, 1975, S.114f. 1 6 0 WURM an Sup. BORRMANN (Angermünde) v. 11.12.1942 (EZA BERLIN, 7/1039, pag. 293). - Ebenso wollte WURM auch die Unterzeichnung der 13 Sätze durch MARAHRENS aufrechterhalten: „nach allem Vorausgegangenen müßte ich mich schämen, nun hinterdrein Dibelius auszubooten. Diese Forderung widerspricht ebenso dem Charakter dieses geistlich gemeinten Unternehmens wie die von anderer Seite an mich herangetragene Forderung, Ihre Unterschrift möge wegbleiben" (WURM an MARAHRENS v. 16.12.1942, in: E Z A BERLIN, 7/1000, pag.294R). 1 6 1 Das Reichskirchenministerium wollte es nicht dulden, dass „zur Konstituierung der im Rahmen der sog. WURM-Aktion vorgesehenen Schlichtungsausschüsse für Altpreußen", also „an der Gründung dieser illegalen BK-Ausschüsse" Dibelius sowie der ehemalige E O K Vizepräsident BURGHART, Sup. RIEHL (Crossen) und Sup. BORRMANN (Angermünde) beteiligt waren (Schreiben an den E O K v. 2.6.1943, in: E Z A BERLIN, 7/1000, pag.295). Der E O K antwortete bedauernd: „Dem Generalsuperintendenten a.D. Dr. Dibelius können wir dienstliche Weisungen nicht erteilen, da er nicht mehr ein kirchliches Amt bekleidet" ( E O K an das Reichskirchenministerium V. 2.12.1943, in: E Z A BERLIN, 7/1001, pag.6). 1 6 2 Vgl. Dibelius an WURM v. 12.6.1945 (J.J. SEIDEL, Neubeginn, 1989, Dok.72, S.432).
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wackere Häuflein aus Ostpreußen und Schlesien Wiedersehen werden, weiß Gott allein - und ein sehr kleiner Kreis von klar sehenden älteren Männern und Frauen, ebenfalls im Wesentlichen aus den genannten Provinzen. Dieser Kreis hat jetzt die kirchliche Leitung, muß aber darauf bedacht sein, das Neue, das ihm geschenkt ist, in Versöhnlichkeit gegenüber den Andern, die aus Mangel an Opferbereitschaft in die konsistoriale Linie eingeschwenkt waren, zu verwirklichen. Die alleinige Verantwortung zu tragen, dazu ist der Kreis zu klein und hat viel zu wenig Persönlichkeiten mit geistlicher Führerqualität. Für den Raum zwischen Elbe und Oder liegt die Leitung wesentlich in meiner Hand als des ev. Bischofs von Berlin. Ich versuche aber, diese Leitung in enger Gemeinschaft mit den kräftigen Brüdern der BK auszuüben. Hier ist eine neue Form der Leitung im Werden. Mit dem Oberkirchenrat sind wir noch nicht so weit. Ich hoffe aber, daß es auch da noch in Ordnung kommen wird" 163 . Diese angestrebte „Ordnung" wurde im Rückgriff auf die altpreußische Kirchenverfassung164 zunächst auf der konsistorialen Ebene, dann auch auf der Ebene des Oberkirchenrats verwirklicht. Ein Jahr nach dem „Neuanfang" war die Trennung der geistlichen Leitung von den Verwaltungsaufgaben der Kirche vollzogen: „Der Bruderrat der Ev. Kirche der altpreuß. Union hat seine kirchenregimentlichen Funktionen auf die Kirchenleitung der Ev. Kirche der altpreuß. Union übertragen. Voraussetzung für diese Übertragung war, daß der Evangelische Oberkirchenrat keine kirchenleitenden Funktionen mehr hat, sondern daß er nur noch Dienststelle der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der altpreuß. Union ist. Demgemäß ist nun seine Dienstbezeichnung in ,Kanzlei der Kirchenleitung der altpreußischen Union' zu ändern."165 Dibelius hatte die „geistliche Leitung der Kirche" in der Form der altpreußischen Verfassungsurkunde restituiert und sie dann auch in Personalunion als Präsident des E O K in seine Hand genommen.
1 6 3 Dibelius an NIEMÖLLER v. 17.7.1945 (EBD., Dok.71, S.430); vgl. dazu (in der Wiedergabe des Dokuments teilweise abweichend) G. BESIER, Kapitulation Π, 1990, Dok.140, S.135. Vgl. dagegen NlEMÖLLERs Auffassung, dass die neue Kirche nur aus den Wurzeln von Barmen und Dahlem wachsen könne (NIEMÖLLER an WURM v. 5.8.1945, in: G. SCHÄFER, Dokumentation VI, S.1376f.). 1 6 4 „... Dabei unterscheiden wir, wie es unsere Kirchenverfassung von 1922 bereits vorgesehen hat, was aber bisher nie hatte durchgesetzt werden können, zwischen den Aufgaben des Generalsuperintendenten (der nach außen hin die Amtsbezeichnung Bischof führt) und denen des Konsistoriums. Die Leitung des innerkirchlichen Lebens ist Sache des Ersteren; das Konsistorium hat die äußere Verwaltung und die Dienstaufsicht über die Geistlichen und die Gemeinden" (Dibelius an WURM v. 12.6.1945, in: J.J. SEIDEL, Neubeginn, 1989, Dok.72, S.432). 1 6 5 Protokoll über die von Dibelius geleitete Sitzung der Landeskirchenleitung am 28.5.1946 (Auszug, E Z A BERLIN, 7/252).
KAPITEL 3
EKKLESIONOMIE ZWISCHEN THEONOMIE U N D A U T O N O M I E
1. Dibelius und die Friedensfrage 1.1 Völkerbund und Friedensfrage Noch im Herbst 1918 hielt Dibelius in Gemeindevorträgen national-chauvinistische Reden mit Durchhalteparolen ganz im Stil jener Erklärung von Berliner Pfarrern aus dem Vorjahr, die sich und die Öffentlichkeit für einen Sieg-Frieden stark machten 1 . Auch noch nach Beendigung des Krieges schwärmte er von der Vision eines national geeinten und gestärkten Deutschland. Das spätere Korrektiv zu dieser hemmungslosen christlich-nationalen Haltung, in der ganz ungebrochen christlicher Glaube und nationales Bewusstsein miteinander verbunden waren, war noch nicht in Sicht: Die „Kirche" als vermittelnde und auch Distanz schaffende eigenständige Größe und Lebensform. So verwundert es nicht, dass Dibelius damals gegen alles Parteien- und Klassendenken, gegen pazifistische Kulturseligkeit und völkerverbindenden Internationalismus verkündete: „Der nationale Staat ...ist die gottgewollte Lebensform eines Volkes." 2 Dort, wo Jesu Geist sich mit dem nationalen Gedanken verbinde, da werde das Reich Gottes auf Erden verwirklicht. Im Zuge einer neu zu schaffenden Friedensordnung in Europa war man auf der Suche nach einem wirksamen Friedensinstrument. Parallel zu den Verhandlungen über den Versailler Vertrag wurden Überlegungen im Blick auf einen 1 Vgl. Gott und die deutsche Zuversicht, 1918. - Am Reformationstag 1917 wandten sich 154 Berliner Pfarrer gegen eine Erklärung von fünf Amtsbrüdern, die einer Bereitschaft Deutschlands zu einem „Frieden der Verständigung und Versöhnung" das Wort redeten. In der Gegenerklärung dazu heißt es: „Es gibt jetzt nur zweierlei für das deutsche Volk: Sieg oder Untergang!" Die Fortsetzung kennt allerdings nur die Möglichkeit des deutschen Sieges: „Wenn wir erst den Sieg errungen haben, wird es an der Zeit sein, den Engländern und Franzosen unsere Bereitschaft zur Versöhnung kundzutun, wie schwer es uns auch fallen mag, all das Furchtbare zu vergessen, was sie uns in Haß und Lüge angetan haben. ...Einstweilen haben wir noch ein Recht zum heiligen Zorn. Dieses Recht haben uns die Feinde vor Gott und den Menschen in vollem Maße gegeben. Wir wollen es wahren und mit den Versöhnungsangeboten warten, bis wir durch Kampf und Not den Feind besiegt und uns und unseren Kindern die Freiheit und den Frieden gesichert haben." (DtPfrBl 21, 1917, S.138) Unter den Erstunterzeichnern dieser Kundgebung finden sich Pastor W. PHILIPPS und Pfarrer Max BRAUN, ein naher Freund von Dibelius. O b auch Dibelius diese Erklärung unterschrieben hat, ist nicht zu ermitteln. 2
Nationale Erhebung, 1919, S.59. Vgl. dagegen die Rezension in: T L B 43, 1920, S.8.
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Völkerbund angestellt, wobei die Gleichzeitigkeit dieser Friedensbestrebungen mit dem „Friedensdiktat", die Bündelung von Völkerbundstatut und Versailler Vertrag in ein und demselben Dokument von vornherein höchstes Misstrauen und größte Vorbehalte gegenüber dem neuen Friedensinstrument auslöste. Derselbe amerikanische Präsident WILSON, der mit seinen 14 Punkten Anfang 1918 zunächst noch große Hoffnungen auf einen gerechten und auf Ausgleich bedachten Frieden geweckt hatte, trug nun den Entwurf für einen Völkerbund der Öffentlichkeit vor. Selbst die ,Hilfe' reagierte ungläubig und misstrauisch: „Soll wirklich hier auf gerechter Basis eine Gemeinschaft der Völker geschaffen werden, die für die Zukunft die Kriege beseitigt?"3 Trotzdem brachte der Göttinger Professor A. TlTIUS, Mitglied der D D P und Begründer des Volkskirchenbundes, den Mut auf, in seinem Vortrag über das Thema: „Evangelisches Christentum als Kulturfaktor" beim Dresdener Kirchentag im September 1919 öffentlich für den Völkerbund einzutreten. Die hohe Versammlung quittierte dieses Votum mit heftigem Widerspruch; das Protokoll gibt die entsprechende Passage der Rede folgendermaßen wieder: „Wir deutschen Christen wollen alle Rachegedanken ertöten; wir wollen, weil Gott es jetzt will, das Ideal der Militärmacht begraben. Wir wollen ehrlich für den Völkerbund eintreten (Widerspruch), indem wir, was Gottes Walten uns durch unsere Geschichte aufgezwungen hat, freiwillig zu unserer höchsten Aufgabe erwählen. Wer könnte leugnen, daß auch hier ein größtes Ideal und eine wertvollste Aufgabe winkt?" 4 Zwei Jahre später erinnerte Dibelius die Leser seiner ,Wochenschau' an diesen Vorgang, wodurch TlTIUS „bei manchen Beifall - freilich bei noch mehreren scharfen Widerspruch gefunden" 5 habe. Seiner Meinung nach büße der Völkerbund seine moralisch-politische Qualität ein, wenn das Recht nicht durch Macht durchgesetzt werde und wenn die Macht nicht in den Händen derer liege, die auch das Recht wollen. Der Anschluss von Eupen-Malmedy an Belgien, der Äland-Inseln an Finnland, die Ignorierung der Beschwerden der nationalen und religiösen Minderheiten in Osteuropa - dies alles lastete Dibelius dem mit Amerika verbündeten britischen Reich an, und deshalb sei der Völkerbund nichts anderes als „ein politisches Machtinstrument in Englands Händen"; der Völkerbund bringe nicht den Frieden, sondern erzwinge ihn. Noch im Januar 1926 warnte Dibelius vor übertriebenen oder gar illusionären Erwartungen, die sich auf den Völkerbund richteten. Dem Ideal der Völkergemeinschaft stehe die reale Politik der Siegermächte gegenüber: „Man höre auf, uns einzureden, daß der Bund der Nationen das leibhaftige Gottesreich auf Erden sei! Man entscheidet in Genf nach der Macht, nur nach der Macht! Deutschland,
3 4 5
H. GERLAND, Der Entwurf des Völkerbundvertrages (Die Hilfe 25, 1919, S.105). Zit. nach: H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.28. WoSch. v. 28.8.1921; das folgende Zitat EBD.
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das nun bald in den Völkerbund eintreten wird, wird daraus die Konsequenzen zu ziehen haben!" 6 Durch die geschickte und kluge Verständigungs- und Sicherheitspolitik STRESEMANNs vorbereitet trat Deutschland am 10.9.1926 dem Völkerbund bei, löste sich so aus seiner außenpolitischen Isolierung und setzte die Verträge von Locarno in Kraft. Damit aber war für Dibelius „eine völlig neue Lage geschaffen"7. Die seitherige - seiner Meinung nach berechtigte - Kritik am Völkerbund sei von nun an zurückzustellen. Deutschland müsse jetzt gegen die seitherige politische Praxis des Völkerbundes „das Ideal des Völkerbundes in seiner Reinheit vertreten". Die evangelische Kirche dürfe jetzt die deutsche Regierung nicht allein lassen, denn nur „ein christlich verstandenes Ideal der Völkerversöhnung ist rein und nüchtern zugleich. Nur dies christliche Verständnis kann die Mitarbeit Deutschlands im Völkerbund fruchtbar gestalten." Mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund war aber nun nicht bloß eine kommentierende Stellungnahme der Kirche aus der Beaobachterposition gefragt - der Kirche sind nun neue Möglichkeiten 8 eröffnet, sie hat eine neue Aufgabe, gar eine wichtige Sendung zu erfüllen: „Die christlichen Kirchen Deutschlands werden sich einer Neuorientierung in ihrer Stellung gegenüber dem Völkerbunde unterziehen müssen. Es gilt, den Eintritt Deutschlands als gegebene Tatsache hinzunehmen und nun allerdings von Seiten der Kirche eine sehr wichtige Sendung zu erfüllen. Christlicher Glaube bejaht zwar entschieden die Volksgemeinschaft, aber der Weg zum Dienst am eigenen Volk erweitert sich zum Dienst an der Menschheit." 9 Gemessen an der früheren Haltung von Dibelius 6 WoSch. v. 10.1.1926. Die angegebenen Zitate widerlegen die Einschätzung R . STUPPERICHs, wonach Dibelius auch schon in seinen vor 1926 erschienenen Schriften den Völkerbund als „eine Notwendigkeit der modernen Zeit und eine Vorbedingung für das gedeihliche Zusammenwirken der Christen in aller Welt" angesehen habe (R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.174). Vielmehr galt Dibelius gerade als ein Exponent jener Majorität, die der Meinung war, „daß der Völkerbund ein Instrument in der Hand der Siegermächte sei, das gegen Deutschland gerichtet sei, und daß Deutschland daher von ihm nichts Gutes zu erwarten habe" (EBD.). 7 „Kirche und Völkerbund" (EvDt v. 26.9.1926, S.306, die folgenden Zitate EBD.). M. RADE machte freudig auf diese überraschende Äußerung aufmerksam: „Versäume Niemand, den Artikel zu lesen." (ChW 40, 1926, Sp.981; vgl. C h W 43, 1929, Sp.l95f.). Andererseits wurde z.B. von Pfarrer J . GAUGER der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund scharf verurteilt (vgl. Licht und Leben 38, 1926, Nr.39). 8 Hier werden nationale, machtpolitische und kirchliche Ziele gleichsam in einem Atemzug genannt: „Deutschland muß fordern, daß die Abrüstung, die man ihm auferlegt hat, auch von den anderen durchgeführt wird. Deutschland muß fordern, daß das Kolonialland der Erde unter die Kulturnationen nach Größe und Leistung verteilt wird. Deutschland muß fordern, daß die militärischen Bündnisse aufhören. Deutschland muß fordern, daß der Schwache nicht zum Raube des Starken werde. Deutschland muß fordern, daß die nationalen Minderheiten ihre volle kulturelle Freiheit gewinnen. ... Der Völkerbund eröffnet neue Möglichkeiten, den schwerbedrängten Glaubensbrüdern in der weltweiten Diaspora zur Freiheit zu helfen" (Kirche und Völkerbund, in: EvDt 3, 1926, S.306). 9 „Die Weltaufgabe der christlichen Kirche" (Der Tag v. 7.11.1926). Für einen großen Teil des Protestantismus war eine solche Wendung nicht nachvollziehbar (vgl. z.B.: Licht und Leben 38, 1926, S.616ff. „Es ist alles in bester Ordnung. Alles umarmt sich in Genf, - und alles bekämpft sich in der Welt" (EBD., S.619).
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
w a r n u n dieser n a h e z u t o t a l e S i n n e s w a n d e l , diese „ U m s t e l l u n g " 1 0 , diese „ B e k e h rung z u m V ö l k e r b u n d " 1 1 erstaunlich. D i b e l i u s w a r b e r e i t , in d i e s e m S i n n a u c h s e l b e r a n d e r V e r w i r k l i c h u n g
der
Völkerbundsidee mitzuarbeiten. So ü b e r n a h m er a m 4. F e b r u a r 1 9 2 7 den V o r s i t z des
Theologischen
Ausschusses
innerhalb
der
schon
seit
1919
bestehenden
„ D e u t s c h e n L i g a f ü r V ö l k e r b u n d " 1 2 . D e r A u s s c h u s s stellte s i c h die A u f g a b e , d e n S t a n d p u n k t d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e in allen A n g e l e g e n h e i t e n des V ö l k e r b u n d e s u n d z u g l e i c h d e n V ö l k e r b u n d s g e d a n k e n i n n e r h a l b d e r K i r c h e selbst z u r G e l t u n g zu bringen. I n s e i n e m E i n f ü h r u n g s v o r t r a g „ K i r c h e u n d V ö l k e r b u n d " anlässlich d e r K o n s t i t u i e r u n g des A u s s c h u s s e s i m Saal des R e i c h s t a g s g e b ä u d e s b e t o n t e D i b e l i u s v o r etwa
120
Theologen,
die
evangelische
Kirche
dürfe
jetzt
nicht
S c h m o l l w i n k e l v e r h a r r e n u n d bei d e r B e s e t z u n g d e r e i n z e l n e n
untätig
im
Sachaussschüsse
des V ö l k e r b u n d e s z u G u n s t e n d e r F r e i d e n k e r u n d d e r k a t h o l i s c h e n K i r c h e a u f ihre Einflussmöglichkeiten
verzichten:
„Die evangelische K i r c h e k a n n
diesen
K r e i s e n n i c h t e i n f a c h das F e l d ü b e r l a s s e n . E s ist f ü r sie u n e r t r ä g l i c h , d a ß . . . c h r i s t l i c h e T ö n e a u f d e u t s c h e r Seite n u r d a n n l a u t w e r d e n , w e n n e i n K a t h o l i k
das
W o r t e r g r e i f t . Sie m u ß i r g e n d w i e d e n A n s c h l u ß a n diese A r b e i t s u c h e n , u m d i e V e r a n t w o r t u n g e n e r f ü l l e n z u k ö n n e n , die sie v o r G o t t u n d M e n s c h e n h a t . " 1 3
WoSch. v. 26.9.1926. Die ,Vossische Zeitung' meldete die Mitarbeit von Dibelius in der „Liga für Völkerbund" mit der Überschrift „Bekehrung zum Völkerbund" (VZ v. 7.2.1927). Dieser Sinneswandel war tatsächlich weder eine religiös begründete noch politisch motivierte „Bekehrung" vom national bestimmten Saulus zum international orientierten Paulus; dies zeigt schon die Tatsache, dass sie ganz im Windschatten der Politik STRESEMANNs erfolgte, der mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ja auch in erster Linie nationale Ziele und Vorteile im Auge hatte (vgl. H . SCHULZE, Weimar, 1982, S.272f.). 12 Mitglieder des Ausschusses waren: Prof. DEISSMANN, O K o n s R t SCHREIBER, Dir. HINDERER, GenSup. ZÄNKER (der dann wieder ausschied), Prof. ALTHAUS, Dir. STEINWEG, Dir. MELLE, und Pfr. JORDAN (vgl. C h W 40, 1926, Sp.187; Eiche 15, 1927, S.313f.). Es war hier also (abgesehen von R. JORDAN, der der Berliner Ortsgruppe der Deutschen Vereinigung des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen angehörte) eine Riege von altund neukonservativen Kirchenmännern versammelt, während die eigentlichen langjährigen Vorkämpfer der internationalen Verständigungsarbeit im „Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen", wie z.B. Prof. SlEGMUND-SCHULTZE oder Prof. RADE, nicht beteiligt waren: „Hat man sie nicht gefragt? Wollten sie nicht dabei sein?" (VZ v. 7.2.1927) - Im März 1927 ist Dibelius als Ausschussvorsitzender nach Genf gereist, wo er auch mit STRESEMANN zusammentraf. Dibelius begründete seine Völkerbund-Mitarbeit folgendermaßen: „In der Tat hat es nicht an Stimmen gefehlt, die ihr Befremden darüber ausdrückten, daß ich nun auch unter die hoffnungslosen Optimisten gegangen sei, daß ich die allgemeine Verbrüderung der Nationen vor der T ü r sähe und bereit sei, Freiheit und Ehre des deutschen Volkes auf den Altar pazifistischer Illusionen zu opfern. Ich brauche kein Wort darüber zu verlieren, daß dem nicht so ist. ...Es handelt sich nur noch darum, ob die evangelische Kirche ausgeschaltet sein soll, wo in kultureller Beziehung Entscheidungen von großer Tragweite fallen. Auf diese Frage antworte ich mit einem bestimmten: Nein. U n d darum habe ich gehandelt" (RdBr. v. 14.5.1927 / So habe ich's erlebt, 1980, S.155f.). 13 Kirche und Völkerbund, 1927, S.15f. Die .Vossische Zeitung' (7.2.1927) kommentierte: „Die Rede des Generalsuperintendenten Dibelius ist gewiß nicht ohne Windungen und Wendungen, die etwas erstaunlich sind. Statt eines schlichten und klaren pater peccavi ein etwas plötzliches, aber sehr erfreuliches Bekenntnis zu den Zielen des Völkerbundes." - A m 23.1.1929 sprach 10 11
Dibelius und die Friedensfrage
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Mit all dem bisher Gesagten könnte man den Eindruck gewinnen, dass Dibelius das Eintreten für den Völkerbund nur aus taktischen und praktischen Uberlegungen und aus Gründen der Anpassung an eine nicht mehr aufzuhaltende politische Entwicklung heraus befürwortete. Aber neben allem kirchlichen Pragmatismus unterstrich Dibelius gleichzeitig, dass „eine Mitarbeit der evangelischen Kirche an den Aufgaben des Völkerbundes" nur möglich sei, „wenn auch die Idee, die hinter dem Völkerbund steht, freudig bejaht werden kann" 14 . Der Völkerbund sollte also nicht bloß als eine willkommene Plattform zur Erreichung wichtiger Ziele der Kirche instrumentalisiert werden. Dibelius strebte an, dass die Kirche sich zum Völkerbund selbst, seinen Statuten und Zielen unter Außerachtlassung seitheriger Bedenken bekenne. Damit rückte Dibelius deutlich von einer rechtskonservativen Haltung ab, die man bei den Repräsentanten des Mehrheitsprotestantismus in Deutschland sonst gut aufgehoben glaubte. Die Kirche sollte nun eine neue Rolle in der Welt spielen und ein anderes Bild abgeben: „Es geht die Meinung durch die Welt, als ob auf deutschem Boden zwar die katholische Kirche die Sache des Friedens führe und daß daneben der Sozialismus den Krieg bekämpfe. Die evangelische Kirche aber sei die Kirche der Stahlhelm-Pastoren, die den Krieg verherrlichen und die Wiedergewinnung nationaler Macht durch Blut und Eisen mit religiösen Motiven betreiben. Dies Bild von der evangelischen Kirche Deutschlands ist ein Zerrbild! Es ist an der Zeit, daß es endgültig zerstört wird." 15 Es kann nicht verwundern, dass diese neue Haltung in Stahlhelm-Kreisen und bei den Vaterländischen Verbänden16 auf schärfsten Protest stieß, dessen Ursache auch nicht durch eine persönliche Aussprache mit Dibelius ausgeräumt werden konnte. Dass Dibelius sich hier standhaft zu seinem eigenen Umdenken bekannte und unbeirrt seiner neuen Linie treu blieb, wird man auf kirchliche, ökumenische, konfessionelle und politische Gründe und Motive zurückführen können: Zum einen war Dibelius in der Zeit des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund gerade mit der Fertigstellung seines Buches vom Jahrhundert der Kirche' befasst, in der er der Kirche eine selbständige Lebensform und unabhängige Haltung in Volk und Staat zuwies. Die Kirche sollte dabei wirklich eine „Macht der Dibelius, eingeladen von der „Zentralstelle für studentische Völkerbundsarbeit in Deutschland", um ein weiteres Mal über die neue Einstellung der Kirche zum Völkerbund: „Man kann diese Haltung des D. Dibelius ihm nur hoch anrechnen. Denn es ist Gefahr, daß die Welt den Krieg ächtet (vgl. STRESEMANNs jüngste Reichstagsrede), wie Kirche (bezw. die Theologen) ihn hegt." (ChW 43, 1929, Sp.195) Gertrud BÄUMER dagegen misstraute diesem nur einer politischen Lage folgenden Sinneswandel und fragte: „Ist das eine religiöse Begründung?" (vgl. PrBl 60, 1927, Sp.430) - Zum ganzen Problemkreis vgl. auch R. GAEDE, Kirche, 1975, S.81f.; A . LlNDT, Totalitarismus, 1981, S.41. Kirche und Völkerbund, 1927, S.29. EBD., S.18f. 16 Bei einer Tagung am 24.1.1929 im Berliner Hotel Prinz Albrecht, zu der Dibelius etwa 50 Vertreter der vaterländischen Verbände eingeladen hatte, kam es zu keiner Einigung über die kirchliche Haltung zum Weimarer Staat, zur Ökumene und zum Völkerbund (Protokoll der Tagung, in: EZA BERLIN, 7/1994). 14
15
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Versöhnung" und des Friedens sein17. Dabei wehrte sich Dibelius allerdings gegen triumphalistische Tendenzen in den amerikanischen und englischen Kirchen, die das Reich Gottes und das Reich der Welt in eins setzten und den „Völkerbund mit dem Heiligenschein eines Aktionskomitees für das Reich Gottes umgeben"18 wollten. Zum andern wirkte sich Dibelius' Teilnahme an der Weltkonferenz in Stockholm im Jahr 1925 aus, auf die er im Zusammenhang mit seiner Mitarbeit am Völkerbundgedanken immer wieder zu sprechen kam 19 . Seine jetzt immer wiederkehrende Begründung lautete: Die evangelische Kirche hat seit 1918 ihre staatliche Bindung und damit auch ihre Fixierung auf nur die eigene Nation aufgegeben, sie hat eine „Weltaufgabe"20 übernommen, sie ist in eine „ökumenische Atmosphäre"21 eingetreten und fühlt sich fortan auch dem übernationalen Menschheitsgedanken verpflichtet. Mit dem Selbständigwerden der evangelischen Kirche ist drittens auch die Parität gegenüber der katholischen Kirche erreicht. Deshalb darf man ihr besonders in politischen und kulturellen (und das heißt bei Dibelius ja auch immer: in religiösen und konfessionellen) Dingen nicht mehr allein das Feld überlassen. Und schließlich hatte die Interessenkonvergenz - anders als in innenpolitischen Fragen - zwischen evangelischer Kirche und deutscher Außenpolitik eine gute Tradition; schon in den Aktivitäten des Propaganda-Ausschusses hatte Dibelius eine solche gute Zusammenarbeit aus eigener Erfahrung bestätigt und bewährt gefunden. Deshalb konnte er hoffen, in der Völkerbundsarbeit zusammen mit dem Auswärtigen Amt auch weiterhin etwas für die deutsch-evangelischen Minderheiten in den abgetretenen Ostgebieten tun zu können. Mit der Weltaufgabe der Kirche und ihrer Öffnung zur Ökumene hin, durch ihre konstruktive Mitarbeit in der Völkerbundsarbeit war unausweichlich auch die Haltung der Kirche zu Krieg und Frieden und die Auseinandersetzung mit dem „Pazifismus" verschiedener Richtungen berührt. Auch hier unterzog sich Dibelius konsequenterweise einem „Lernprozeß"22, der durch das Jahrhundert der Kirche' initiiert war. Schon dort scheute Dibelius das vielfach verpönte und
17 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.241ff. „Es geht in Deutschland die Rede, die katholische Kirche habe sich als eine Macht des Friedens erwiesen, während die evangelische Kirche widerhalle von den Rachepredigten der Stahlhelm-Pastoren" (EBD., S.247). 18 Jahrhundert der Kirche, S.176. 19 Vgl. V Z V. 7.2.1927; Friede auf Erden?, 1930, S.172ff. Dibelius beteiligte sich auch an der Stockholmer Nachfolgekonferenz in Lausanne im Sommer 1927 und beurteilte ihren Ertrag zurückhaltend (vgl. Das Konzil von Lausanne, in: Der Tag v. 28.8.1927; Das Einigungswerk der Kirchen, in: EvDt v. 4.9.1927; RdBr. v. 16.9.1927). Er war Mitglied des deutschen Fortsetzungsausschusses der Lausanner Konferenz, auf der er sich im Blick auf die ökumenischen Einigungsbestrebungen dafür einsetzte, dass „für die Bewegung von Lausanne eine wirksame deutsche Mitarbeit zustande komme" (Eiche 16, 1928, S.416). 20 Der Tag v. 7.11.1926. 21 Vgl. Jahrhundert der Kirche, S.254ff. 22 Vgl. R. GAEDE, Kirche, 1975, S.21.
Dibelius und die Friedensfrage
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politisch einseitig besetzte Wort „Pazifismus" 23 keineswegs, obwohl es ihm im Munde anderer in missbräuchlicher, zumindest missverständlicher Weise Verwendung zu finden schien. Einen „anderen Pazifismus" verkündete er jetzt als Aufgabe der Kirche: „dem Volksgenossen ohne Stand und Partei in der Liebe dienstbar sein, weil er der Nächste ist, aber die Wurzeln dieser Liebespflicht in dem Willen Gottes haben, der über das eigene Volk hinausgreift; durch den Dienst am eigenen Volk dem Menschheitswillen Gottes dienen - das ist auch Pazifismus! Denn nimmermehr kann es der Menschheitswille Gottes sein, daß die Völker einander belauern und hemmen und mit Mord und Blutvergießen einander vertilgen. Gottes Wille zielt immer auf gegenseitigen Dienst. Und Voraussetzung für allen fruchtbaren Dienst ist Friede! Solchen Pazifismus zu vertreten das ist die Aufgabe der Kirche!" 24 Dass diese Aufgabe der Kirche auch gottesdienstlich zur Darstellung gebracht werden kann, daran erinnerte Dibelius seine kurmärkischen Amtsbrüder im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des KELLOGG-BRIAND-Paktes in Paris am 27. August 1928. Große Hoffnungen setzte man auf diesen Vertrag, weil er den Krieg als Mittel der Politik und der Konfliktlösung ächtete. Von seinem Urlaubsort Bad Gastein aus bat Dibelius in einem kurzen, vertraulichen Rundbrief die Geistlichen seines Sprengeis, dem Beispiel Englands zu folgen und auch in der Kurmark am letzten August-Sonntag dieses Vertrags zu gedenken: „Nicht um Politik darf es uns gehen, sondern einzig und allein darum, daß sich unsere evangelische Kirche vor aller Welt als eine Macht des Friedens und der Versöhnung erweist. Darauf kommt gerade gegenwärtig unendlich viel an. Das Evangelium darf nicht durch unsere Schuld zur Winkelsache werden! Es will seine Mission erfüllen an dem gesamten Leben der Welt! Wir sollten eine Gelegenheit, wie sie jetzt sich bietet, nicht ungenutzt lassen, um das wahr zu machen!" 25 Doch schon in der ,Lutherischen Kirchenzeitung' sah man in dieser Empfehlung eine unzulässige Einmischung in die politische Auseinandersetzung über diesen Pakt und las „diese wohlgemeinte Verfügung mit gemischten Gefühlen.... 23 Auch bei sonst großer Zustimmung wurde Dibelius immer wieder angekreidet, dass er dieses belastete Wort „Pazifismus" für sich in Anspruch nahm und nicht stattdessen einfach „Friedenswille" sagte (vgl. z.B.: Pazifismus höherer Ordnung, in: Leipziger Neueste Nachrichten v. 9.12.1929, S.2). D a s Wort „Pazifismus" war für weite Kreise ein Synonym mit Landesverrat, Internationalismus, Sozialismus, Kommunismus und Reichsbanner. „Der echte evangelische Christ und der heute in Deutschland übliche Pazifist sind noch größere Gegensätze als Feuer und Wasser" (DtPfrBl 34, 1930, S.229). Besonders in der nationalsozialistischen Presse wurden pazifistische Gedanken im Rahmen des Antisemitismus bekämpft: In Chicago hatte Albert EINSTEIN zur organisierten Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern aufgerufen. Als EINSTEIN kurzzeitig wieder nach Deutschland zurückkehrte, wurde er in der NS-Presse mit folgenden Worten begrüßt: „ N u n ist Herr EINSTEIN wieder in Deutschland, hoffentlich vergißt er es nicht, was er den Amerikanern erzählte, nämlich, daß er auswandern werde, falls HITLER ans Ruder kommen sollte" (Der Jude EINSTEIN empfiehlt Kriegsdienstverweigerung, in: Völkischer Beobachter [München] v. 3.4.1931; weitere Zeitungsartikel zu Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in: E Z A BERLIN, 51/ К I, h u. i). 24 Jahrhundert der Kirche, S.246. 25 RdBr. v. 14.8.1928; vgl. Eiche 16, 1928, S.565; C h W 42, 1928, Sp.829.
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Wenn die Kirche für den Frieden beten will, tut sie wohl ... Die pazifistischen Lichtspiele der Politik soll sie nicht an ihren Altar bringen."26 In Militärkreisen wurde davor gewarnt, die Kirche könne durch solche unzulässige Einmischung „in einen nicht wiedergutzumachenden Gegensatz zum Staat geraten"; stattdessen habe sie sich von Amts wegen „um die Seele des einzelnen zu kümmern, nicht um das Auf und Ab der weltlichen, irdischen Dinge" 27 . Das umstrittene Verhältnis von Staat und Kirche wurde auf dem Königsberger Kirchentag im Jahre 1927 mit seiner „Vaterländischen Kundgebung" zu einer vorläufigen Klärung im Sinne einer vernunftrepublikanischen Staatsloyalität28 gebracht; der Streit brach allerdings dann wieder auf, als es um die Behandlung der beiden Großkirchen in der Konkordatsfrage ging. Zunächst aber beherrschte in den ausgehenden 20er Jahren die Friedensfrage die Diskussion und bewegte die Gemüter innerhalb und außerhalb der Kirche. Anders ist die Publizität, die der „Fall Dehn" 29 in der Öffentlichkeit annahm, nicht zu erklären. Einerseits ist durch die Außenpolitik Deutschlands der hoffnungsvolle Boden für Völkerverständigung und dauerhaften Frieden bereitet worden, eine Politik freilich, die mit dem Tod STRESEMANNs30 wieder ins Stocken geraten war; andererseits meldeten sich in der innenpolitischen Auseinandersetzung mit dem Ruf nach einer Revision des Versailler Vertrags schon längst wieder Gruppen zu Wort, die die Heldenverehrung pflegten und eine Kriegsbereitschaft stimulierten. Während die Partei von Dibelius, die D N V P , den Weg der nationalen Opposition ging, versuchte er sich einer staatsloyalen Position anzunähern. In einer sol-
26
AELKZ 61, 1928, Sp.971 (vgl. auch PrBl 61, 1928, Sp.517f.). Diese letztere Formulierung nahm die Zeitschrift des Nationalverbandes Deutscher Offiziere, die ,Deutsche Treue', auf, u m gegen den neuen Friedens-Kurs der Kirche zu wettern: „Wie tief die führenden Kirchenmänner in den, wie man die ganze Sache umfassend bezeichnet, ,Locarno-Schwindel' hineingeraten sind, zeigt auch ein Erlaß des Generalsup. D. Dibelius, in welchem er ...die Geistlichen der Kurmark ersucht: ,im Gottesdienst ...des KELLOGG-Paktes zu gedenken, um zu bekunden, daß die ev. Kirche willens sei, in Sinn und Geist des Evangeliums für den Frieden zu wirken!' ...Die schändliche Kriegsschuldlüge auf Synoden, Kirchentagen usw. auf die Tagesordnung zu setzen, davor scheuen die Kirchenführer zurück, aber nicht davor, den politischen Kelloggschwindel an die Altäre unserer Kirchen heranzutragen." (Deutsche Treue v. 30.5.1929) Darauf wiederum bezieht sich Dibelius in seinem Rundbrief vom 19.6.1929, in dem er gelassen davon berichtet, „daß uns in einer Stahlhelm-Zeitung ein Vorwurf daraus gemacht wurde, daß wir die Kriegsschuldfrage, und was damit zusammenhängt, nicht behandelt hätten". In einer weiteren Erklärung weist Dibelius darauf hin, es sei der erfolgreichen internationalen und ökumenischen Zusammenarbeit der Kirchen zuzuschreiben, dass „die Kirchen der ganzen Welt... die Kriegsschuldlüge verurteilen" (EvMark v. 3.5.1931). 27 Deutscher Offizier-Bund, 1930, v. 25.3.1930, S.330 (MENENIUS). 28 Vgl. dazu oben S.282ff. 29 Siehe unten S.350ff. 30 „Von den öffentlichen Gebäuden wehen die Fahnen halbmast. Auf den Verwaltungsgebäuden der evangelischen Kirche, die ebenfalls im Staatseigentum stehen..., weht die Kirchenfahne mit dem Trauerflor!" (Dibelius' Nachruf in: SoSp. v. 6.10.1929). Dibelius hatte selber eine persönliche Begegnung mit STRESEMANN in Genf (vgl. Christ, 1961, S.166).
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chen Zeit durchaus gegenläufiger31 politischer Tendenzen und gegensätzlicher Stimmungen schrieb Dibelius sein Buch ,Friede auf Erden?'. 1.2 „Friede auf Erden?" Die ,Vossische Zeitung' stellte in einem Artikel von W. M A H R H O L Z im Februar 1929 die herausfordernde Frage: „Was ist es um die Evangelische Kirche?" 32 . Darin kritisiert der kompetente Schreiber das für selbstverständlich gehaltene Kartell der Kirche mit einer parteipolitischen Rechts-Orientierung und „eine ungesunde Verquickung von politischer Propaganda und religiöser Handlung". Sein Fazit lautet deshalb: „Die Umwandlung aus der Staatskirche in die Volkskirche ist nicht gelungen; die Staatskirche hat großenteils sich in die Parteikirche verwandelt." Daraus ergebe sich auch die Stellung des Mehrheitsprotestantismus zur Frage von Krieg und Frieden: „Gerade in diesem Punkt ist die Botschaft des Evangeliums zwingend einfach: ,Friede auf Erden'. Trotzdem: die Meldungen von Haßpredigten wollen nicht aufhören; pazifistische Pfarrer, die es - in kleiner Zahl - auch gibt, haben nicht Förderung, sondern eher Erschwerung ihrer Tätigkeit zu erwarten. Auch in diesem Punkt hat sich die Kirche noch zu keinem scharfen und klaren Wort aufraffen können." 33 Gerade der behauptete ursächliche Zusammenhang von missglückter Erneuerung der nachrevolutionären Kirche und ihrer national- und kulturkonservativen Haltung musste den Autor des Jahrhunderts der Kirche' auf den Plan rufen. Deshalb verschloss sich Dibelius auch nicht einer Antwort, nachdem er dazu ausdrücklich aufgefordert worden war34. Indem Dibelius den Verkündigungsdienst und die Überparteilichkeit der Kirche hervorhob, kam er zu folgender Antwort: Wenn auch die Kirche im Blick auf ein evangelisches Kulturprogramm nicht „auf jede Frage fertige Rezepte aus altmodischen Schubladen hervorzuholen" habe, müsse sie zuerst einmal danach bewertet werden, ob und wie sie das Evangelium „in Reinheit und Kraft" zur Geltung bringe. „Die evangelische Kirche hat das Evangelium zu verkündigen. Sie hat nicht Stellung zu nehmen zum Kampf der politischen Parteien. Daß sie 31 W . WETTE diagnostiziert - allerdings unter Ausblendung fast der gesamten Anti-Kriegsliteratur - für diese Zeit sogar ein Ubergewicht der Kriegsverherrlichung und Kriegsbereitschaft in der Öffentlichkeit und benennt „Indizien zur Remilitarisierung der öffentlichen Meinung in Deutschland ab 1929", als deren Folge u.a. auch die „Machtergreifung" HITLERS gesehen werden könne (vgl. W . WETTE, Kellogg, 1981, S.166ff.). Umso mehr verdient dann das Friedensbuch von Dibelius mit seiner gegensteuernden Intention Aufmerksamkeit und Beachtung. 32 V Z v. 14.2.1929. Darin werden vier Fragen an die Adresse der evangelischen Kirche gerichtet: (1) Wann beschleunigt die Kirche „ihre Entwicklung zur Volkskirche? (2) Wann bekennt sie sich als Hüterin der evangelischen Friedensbotschaft? (3) Wann steigt sie helfend und ratend, nicht verdammend und moralisierend, in die Arena des Kampfes um neue menschenwürdige und Gott wohlgefällige Lebensordnungen unseres privaten und öffentlichen Lebens? (4) Wann verläßt sie den Heerbann der Kulturreaktion im Vertrauen auf die Macht ihrer eigenen Sendung ...?"
Zitate aus V Z v . 14.2.1929. „Was ist es um die evangelische Kirche? Eine Antwort" (VZ v. 22.2.1929). - Dibelius nahm noch einmal im Juli 1929 Bezug auf diesen Artikel in einem Vortrag in Potsdam zur „Stellung der evangelischen Kirche zu Krieg und Frieden" (EvMark v. 28.7.1929, S.119). 33 34
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zum modernen Staat, nachdem er sich konsolidiert hat, eine positive Stellung einnimmt, hat sie in der vaterländischen Botschaft von Königsberg bezeugt" 35 . Schließlich stehe die Kirche in der Friedensfrage zwischen einem eudämonistischen Pazifismus, der „die Pflicht gegen Volk und Vaterland in einer Weise zurückstellt, die vor dem Evangelium schwer zu rechtfertigen sein wird", und einer rigorosen Kriegsprophetie: „Die evangelische Kirche kann gar nicht anders, als einstehen für den Frieden! Das muß klar und bestimmt gesagt werden vor aller Welt!" Freilich meinte Dibelius dabei unter Berufung auf Ε. M. ARNDTS ,Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann' 36 , die „Pflicht zum Frieden und das sittliche Recht eines heiligen Krieges" könnten miteinander vereinbart werden; diese Pflicht und dieses Recht seien kein „innerer Widerspruch, sondern eine Einheit für den Glauben, der sich unter den Gekreuzigten stellt" 37 . „Nie hat es die evangelische Kirche anders gewußt, als daß der Krieg ein Übel sei, etwas, das Gott nicht will" und „daß der Krieg nur das letzte Mittel sein" 38 darf. Namentlich von sozialdemokratischer Seite her, so konstatiert Dibelius, werde bewusst und „in zäher Wiederholung" das Vorurteil gepflegt und aufrechterhalten, „die katholische Kirche (sei) die Kirche des Friedens und der Liebe..., die evangelische Kirche dagegen die Kirche der Kriegshetze, der Sozialreaktion und aller erdenkbaren Lieblosigkeiten" 39 . U m diesem Vorurteil mit allem Nachdruck und in einem übergreifenden Zusammenhang zu begegnen, nahm sich Dibelius vor, in seinem Sommerurlaub Zeit „für eine größere, zusammenhängende Arbeit" 40 zu finden. Gleichzeitig stand dabei im Hintergrund die Absicht, mit einem kirchlichen Plädoyer für den Frieden den Sozialdemokraten den Wind aus den Segeln zu nehmen, da von dieser Seite immer noch politische Bedenken und moralische Einwände gegen den bevorstehenden Abschluss eines Staatsvertrags mit den Kirchen in Preußen 41 zu erwarten waren.
35 „Was ist es um die evangelische Kirche? Eine Antwort" (VZ v. 22.2.1929). - Damit hat Dibelius auf Grund der staatlichen Entwicklung und der Königsberger Botschaft von 1927 sein Urteil revidiert, das er noch im Jahrhundert der Kirche' verkündete: „Da die Stimmung in der Kirche ganz überwiegend republikfeindlich ist, steht die Kirche dem neuen Staat sehr reserviert gegenüber." Qahrhundert der Kirche, S.76) Diese neue Beurteilung änderte aber natürlich nichts an der grundsätzlich selbständigen und unabhängigen Haltung der Kirche dem Staat gegenüber, so dass der „ekklesiologische Vorbehalt" nach wie vor gewahrt blieb. 36 Ernst Moritz ARNDT, Katechismus für den teutschen Kriegs- und Wehrmann, worin gelehrt wird, wie ein christlicher Wehrmann seyn und mit Gott in den Streit gehen soll (1814). Freilich sind auch schon bei ARNDT mitleiderweckende Erfahrungen dessen beschrieben, welche grauenvollen Opfer und Leiden der Krieg fordert (zit. in: Die literarische Welt 8, 1932, S.5). 37 SoSp. v. 24.2.1929. 38 SoSp. v. 2.6.1929. 39 SoSp. v. 11.8.1929. 40 RdBr. v. 20.7.1929; vgl. auch das Urlaubsgesuch v. 16.7.1929 (EZA BERLIN, 7/11066). 41 A m 14.6.1929 wurde das Konkordat zwischen der katholischen Kirche und dem Freistaat Preußen abgeschlossen (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.322ff.), während der Staatsvertrag mit den evangelischen Landeskirchen in Preußen erst zwei Jahre später, am 11.5.1931, zustande kam (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.709ff.).
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A u ß e r d e r p a r t e i - p o l i t i s c h e n M o t i v a t i o n 4 2 , ein F r i e d e n s b u c h z u s c h r e i b e n , bes t i m m t e D i b e l i u s a u c h die H e r a u s f o r d e r u n g ,
eine religiös-seelsorgerliche
Ant-
w o r t a u f die F r a g e n z u g e b e n , die j u n g e , m e i s t s t u d e n t i s c h e S o l d a t e n in i h r e n B r i e f e n a u s d e m 1. W e l t k r i e g 4 3 g e ä u ß e r t h a t t e n ; v o n d o r t w u r d e n e r n s t e Z w e i f e l laut, o b m a n d e n n h e u t e n o c h als C h r i s t g u t e n G e w i s s e n s in d e n K r i e g z i e h e n k ö n n e . S c h l i e ß l i c h m u s s t e es s i c h e r w e i s e n , dass m i t d e m a n g e b r o c h e n e n
„Jahr-
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nicht-staatskonforme
Entscheidungsmöglichkeit
gegen
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Kriegsdienst
u n d d a m i t das V e r w e i g e r u n g s r e c h t aus ( c h r i s t l i c h e n ) G e w i s s e n s g r ü n d e n z u g e s t a n den werden muss. N i c h t m e h r Ε . M . A R N D T , s o n d e r n I. K A N T m i t seiner S c h r i f t „ Z u m e w i g e n F r i e d e n " ( 1 7 9 5 ) 4 4 g a b n u n d e n geistes- u n d i d e e n g e s c h i c h t l i c h e n H i n t e r g r u n d f ü r die A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die F r i e d e n s f r a g e ab. A b e r , s o w e n d e t D i b e l i u s bei aller W ü r d i g u n g K A N T s ein, m i t e i n e m blassen H u m a n i t ä t s i d e a l u n d e i n e m F r i e den der
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der
Vgl. Friede auf Erden?, S.22. Vgl. EBD., S.239ff. und S.247. Sein Autorenexemplar widmete Dibelius seiner Frau Armgard Frieda Josephine geb. WlLMANNS mit der handschriftlichen Eintragung: „Meiner lieben Frau im Gedenken an die gefallenen Brüder am Vorabend des Totensonntags 1929" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius). Sowohl Dibelius' jüngster Bruder Franz, als auch der jüngste Bruder seiner Frau, Gerhard WlLMANNS, sind im 1. Weltkrieg umgekommen. Am 19.8.1916 ist Dibelius' Bruder Franz, Lie. Dr. Privatdozent für Neues Testament und Geschichte der christlichen Kunst in Bonn, als Vizefeldwebel bei Thiaumont gefallen (vgl. DtPfrBl 31, 1927, S.131; Bischof O t t o Dibelius, Sonderdruck aus den Akademischen Blättern, 1955, S.101). - Das fünfte Kind des Ehepaars Dibelius trug die Namen dieser beiden im 1. Weltkrieg gefallenen Brüder: Franz Gerhard DIBELIUS. Franz Gerhard war Konfirmand bei M. NIEMÖLLER, versah an der Dahlemer Kirche die Küsterstelle (der etatmäßige Küster war ein DC-Mann), studierte Theologie und ist 1940 in Belgien gefallen. - Der ältere Sohn, Wolfgang DIBELIUS, war Pfarrer in Schönow/Hinterpommern, hatte wegen seiner BK-Zugehörigkeit und als Sohn seines Vaters manche Benachteiligung und Angriffe (vgl. E Z A BERLIN, 7/12827) zu ertragen und ist 1943 in Russland vermisst. 44 Friede auf Erden?, S.12, 68ff, vgl. S.212ff. - Vgl. auch K. v. RAUMER, Friede, 1953, S.152174, (die Schrift KANTs ist - neben den Einzelausgaben - auch dort vollständig abgedruckt auf den Seiten 419 bis 460). 45 Vgl. Friede auf Erden?, S.76f. - KANTs Ansatz für seine Schrift ist freilich weder eudamonistisch noch philanthropisch bestimmt, sondern gründet in einem für alle Menschen geltenden und zu postulierenden Recht, dessen Durchsetzung nicht den materiellen Wert angehäuften äußeren Glücks, sondern den sittlichen Wert erfüllter Pflicht zum Inhalt hat. 46 Vgl. Friede auf Erden?, S.86f.; SoSp. v. 23.3.1930. - Die .Kölnische Zeitung' sekundierte in diesem Punkt Dibelius: „wegen seiner breiten Volkstümlichkeit am gefährlichsten ist die Idee des ,Friedens der gemeinen Naturen'. Ihnen quillt die Forderung: Nie wieder Krieg! aus der rein selbstischen Sehnsucht nach Ruhe, Schmerzfreiheit, Genuß. Man kann das verstehen bei seelisch und leiblich von gewaltigem, forderndem Geschehen überlasteten Menschen - aber das ist das armselige Gegenteil des Worts, daß der Mensch nicht dazu da ist, glücklich zu sein, sondern seine Pflicht zu tun." (E. NACK, Evangelische Kirche und Pazifismus, in: Kölnische Zeitung v. 13.4.1930) Auf nationalsozialistisch-christlicher Seite war der Pazifismus aus dem selben Grund obsolet und verpönt: „Der Pazifismus ist nichts anderes als das Sekuritätsideal des aufgeklärten Bürgers, der in seiner Lebensbetätigung und in seinem Lebensgenuß nicht gestört werden möchte" (W. STAPEL, Kapitel, 1931, S.21). 42
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Macht, eine Pax Romana oder eine Pax Germanica. Und der radikale christliche Pazifismus von L. TOLSTOI oder der historischen Friedenskirchen (Mennoniten, Quäker) sei, bei allem Respekt, ohne große durchschlagende Wirkung geblieben. Deshalb versuchte Dibelius, einen anderen Weg zu gehen und zu beschreiben: den „Weg der Kirche" 47 . Dieser Weg ist ähnlich wie bei der Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche auch in der Frage von Krieg und Frieden von einer entscheidenden geschichtlichen Markierung geprägt, und zwar durch die Kriegserfahrungen des 1. Weltkrieges: „Das aber ist die ernste Erfahrung, vor die der Weltkrieg uns gestellt hat, daß (die) sittliche Höhe (sc. des Krieges) nicht zu halten ist, wenn der Krieg sich steigert zu einem Vernichtungsringen der Völker. Die Welt nach 1918 hat die anderen Seiten des Krieges mit unerbittlicher Schärfe gesehen."48 Als literarisches Zeugnis für die Sinnlosigkeit und Furchtbarkeit eines solchen Krieges zitiert Dibelius ausführlich aus dem 1929 erschienenen und zur Abfassungszeit seines eigenen Buches schon heftig umstrittenen 49 Roman von Ε. M. REMARQUE ,Im Westen nichts Neues'. Darin heißt es lapidar: „Erst das Lazarett zeigt, was Krieg ist." Der Blick wendet sich also von dem angeblichen sittlichen Wert, den man in der Vergangenheit dem Krieg beimessen zu können glaubte, auf die Opfer des Krieges. „Seit die Menschheit diese Dinge erlebt hat, hört sie schärfer als früher auf eine andere Stimme, die neben dem Lob des Krieges durch die Jahrhunderte hindurchklingt." 50 Diese Stimme will jetzt das „Jahrhundert der Kirche" zur Geltung bringen. Die Welt ist seit 1918 anders geworden. Die von Dibelius bereits als vollzogen und vollendet behauptete Trennung von Staat und Kirche hat der Kirche eine
Friede auf Erden?, S.202. EBD., S.62. 49 Vgl. Eckart 5, 1929, S.283f., S.478-484 - Die AELKZ berichtet, dass das Urteil über das Buch REMARQUES SO weit auseinander gehe, dass die einen es als „Leichenschändung" bezeichnen und die anderen (z.B. W . v. MOLO) es für würdig erachten, dass seinem Verfasser der LitaraturNobelpreis zuzuerkennen sei. Die Meinung des dortigen Rezensenten selbst sei mit folgendem Satz zusammengefasst: „Bei dem Buche REMARQUES handelt es sich nicht um irgendein bereits als Schundbuch gekennzeichnetes Schreibsei, das Leute anständiger Gesinnung zu meiden wissen, sondern es handelt sich um ein Buch, das in Riesenauflage in die Hände der deutschen Jugend kommt und noch mehr kommen soll, und in ihre Phantasie seinen Giftstachel tief einbohren wird" (AELKZ 62, 1929, Sp.952 und 953; vgl. dagegen z.B. E. THURNEYSENs Beurteilung in: Eiche 19, 1931, S.112f.). - Das Buch wurde von der ,Vossischen Zeitung' im Herbst 1928 in Auszügen vorabgedruckt, bevor es dann am 31.1.1929 als Ganzes erschien. In den Elite- und Literatenkreisen wurde der Roman hoch gerühmt und aus all den anderen Kriegsromanen der Zeit hervorgehoben, z.B.: Das Buch „halte ich für das stärkste Dokument der ,großen Zeit', stärker als ZWEIG, bei dem romantische und realistische Elemente sich nicht immer binden. Dieses Buch ist ganz wahrhaftig, ohne rhetorische Zutat, ohne dialektische Spitzfindigkeit. ... Dieses Buch ist Wirklichkeit und Vision" (E. TOLLER in: Die literarische Welt 5, 1929, S.5 / E.M. REMARQUE, Westen, 1992, S.286f.). C. ZUCKMAYER rühmte das Buch am Tag seines Erscheinens: „Dieses Buch gehört in die Schulstuben, die Lesehallen, die Universitäten, in alle Zeitungen, in alle Funksender, und das alles ist noch nicht genug" (Berliner Illustrirte Zeitung v. 31.1.1929 / E.M. REMARQUE, Westen, 1992, S.277). 50 Friede auf Erden?, S.63. 47 48
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geistige und geistliche Unabhängigkeit verliehen, die im Zeitalter des landesherrlichen Kirchenregiments so nicht möglich gewesen wäre. Dieser neue Status der Kirche hat nach Dibelius Auswirkungen auch auf ihre Position in der Frage von Krieg und Frieden und besonders in der Frage der Kriegsdienstverweigerung. Die Kirche selber soll gegenüber dem Staat zum Gewissen des Staates werden, ja sie wird ihrerseits das christliche Gewissen auch gegen den Staat und vor dem Zugriff des Staates zu schützen haben. Der Schutz des Gewissens durch die Kirche ergibt sich aus der geschichtlich gewordenen Trennung zwischen Staat und Kirche; denn im „Jahrhundert der Kirche" muss das christliche Gewissen nicht mehr mit den Staatsinteressen identisch sein: „Ein künftiger Krieg wird auch in Deutschland Dienstverweigerer in nicht geringer Anzahl sehen. Gerade auch Dienstverweigerer aus Gewissensgründen. Das bringt die Trennung zwischen Staat und Kirche mit sich. Nie wieder wird die evangelische Kirche Deutschlands bereit sein, sich unbesehens und bedingungslos für staatliche Zwecke zur Verfügung zu stellen. Der Staat mag aussehen, wie er will. Sie wird Kirche sein wollen. Sie wird es einmal wirklich sein. Dann wird sie selbständig beurteilen, was im Staatsleben vor sich geht. Und sie wird danach ihre Entscheidung treffen." 51 Die Trennung von Staat und Kirche also war für Dibelius das historische Datum und das ekklesiologisch relevante Faktum, das nun eine andere Beurteilung und Behandlung einer theologischen Sachfrage möglich oder erforderlich machte, als dies zu Zeiten einer Symbiose von Staat und Kirche üblich gewesen war. Dibelius geht freilich nicht so weit, dass er hier im Namen der Kirche zur Kriegsdienstverweigerung aufruft; er bringt sie aber als eine vom Staat ernstzunehmende und von der Kirche zu schützende Option der individuellen Gewissensentscheidung ins Gespräch. Schon diese Tatsache allein ist höchst bemerkenswert. Freilich ist zu beachten, dass die Gewissensgründe, die sich auf die genuine Botschaft und Substanz des Evangeliums berufen und zur Kriegsdienstverweigerung führen, von der Kirche selbst nicht geteilt werden müssen, sondern dass ein Kriegsdienstverweigerer „nur" mit dem Schutz der Kirche auch gegen die wohlverstandenen Interessen und Anordnungen des Staates rechnen kann. Der inhaltliche Begründungszusammenhang liegt in der Gewissensentscheidung des einzelnen Kriegsdienstverweigerers, während die Position der Kirche von der Statusfrage gegenüber dem Staat bestimmt wird. Die geschichtliche Trennung von Staat und Kirche ist längst nicht mehr eine rein formale Signatur des Verhältnisses von Staat und Kirche, sondern sie ist zum bestimmenden Axiom, zum Vorzeichen und zur geschichtlich gegebenen und inhaltlich verbindlichen Voraussetzung allen kirchlichen Wesens im „Jahrhundert der Kirche" geworden 52 . EBD., S.198f. Wie sehr dieses Gegenüber der Kirche zum Staat bei Dibelius auch andere Problemfelder und Sachfragen präjudizielle und überlagerte, könnte man auch an der im Jahre 1948 im Gefolge der Tauflehre K. BARTHS problematisierten Kinder- bzw. Säuglingstaufe zeigen (vgl. auch BARTH an Hannelotte REIFFEN in der D D R v. 19.8.1963, in: Briefe 1961-1968 [Gesamtausgabe V/3], 1975, S.179ff.). Die weniger an den theologischen Implikationen interessierte Argumentation bei Dibelius läuft darauf hinaus, dass die Säuglingstaufe kirchlich deshalb geboten sei, damit die Kir51
52
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
M i t dieser der K i r c h e zugewiesenen Zwischenstellung m e i n t Dibelius,
den
neuen kirchlichen Pazifismus53 u n d den alten nationalen Patriotismus nebeneina n d e r stellen u n d m i t e i n a n d e r v e r b i n d e n z u k ö n n e n . D e n n a u f d e r e i n e n Seite gilt „ o h n e W e n n u n d A b e r , o h n e E i n s c h r ä n k u n g u n d o h n e K o m p r o m i ß " : „ K r i e g soll n i c h t sein, w e i l G o t t d e n K r i e g n i c h t w i l l ! " 5 4 D i b e l i u s n a h m d a m i t a u c h d i e Impulse der S t o c k h o l m e r W e l t k i r c h e n k o n f e r e n z (1925) auf u n d n a h m v o r w e g , w a s d a n n d e r Ö k u m e n i s c h e R a t d e r K i r c h e n in A m s t e r d a m ( 1 9 4 8 ) z u m
Thema
„ K r i e g u n d F r i e d e n " 5 5 p r o k l a m i e r t e . D i b e l i u s u n t e r s t r e i c h t d a n n dieses g ö t t l i c h e Axiom
mit einer kategorialen Handlungsanweisung.·
„Gott
will den
Frieden!
E i n e W e l t o r d n u n g , in d e r alle L ä n d e r v o n W a f f e n k l i r r e n u n d d e r K r i e g e i n fest g e o r d n e t e s R e c h t d e r V ö l k e r ist, ist g e g e n G o t t e s W i l l e n ! D i e s e
Weltordnung
m u ß u m g e s t a l t e t w e r d e n ! U n d die C h r i s t e n s i n d es s c h u l d i g v o r G o t t , d a ß sie dabei m i t H a n d a n l e g e n ! " 5 6 che den Religionsunterricht bei getauften Kindern in der staatlichen Schule rechtfertigen bzw. einfordern könne, weil die Kirche also die Säuglingstaufe als Aktivlegitimation zur Begründung des konfessionellen Religionsunterrichts an der staatlichen Schule benötige. - Vgl. demgegenüber z.B. die das reformatorische Bekenntnis und Schriftverständnis einbeziehende Argumentation bei J . BECKMANN, Taufe, 1985, S. 111-124. 53 Es handelt sich dabei um einen „Pazifismus höherer Ordnung", um einen „Pazifismus des Glaubens und der sittlichen Kraft" (vgl. Friede auf Erden?, S.196). 54 Friede auf Erden?, S.181 - Dibelius schwenkte mit diesem Grund-Satz auf die Linie der liberalen Mitte der Kirche ein, als deren Vertreter sein akademischer Lehrer A. v. HARNACK oder auch A. T m u s und O. BAUMGARTEN gelten können. Schon 1919 formulierte BAUMGARTEN: „Gott will nicht den Krieg, er will den friedlichen Ausgleich der Völkergegensätze" (O. BAUMGARTEN, Lebensgeschichte, 1929, S.395). ,Die Eiche' entnahm dem .Berliner Tageblatt' einen Weihnachtsartikel von HARNACK aus dem Jahr 1928 mit dem Titel „Friede auf Erden"; ausgehend von den Erfahrungen des Weltkrieges tritt dort v. HARNACK für den Völkerbund ein und für einen wirklichen Pazifismus, der eben nicht in Konkurrenz zur nationalen Identität steht: „Man fürchte aber nicht, durch den ,Pazifismus' könne die nationale Eigenart und Kraft leiden; wenn es der rechte Pazifismus ist, wird er sie stärken; denn er bedarf der Anspannung ihrer besten heroischen Kräfte, muß also der Vollendung der nationalen Eigenart dienen" (Friede auf Erden, in: Eiche 17, 1929, S.8). 55 In einer Resolution der Stockholmer Weltkirchenkonferenz (1925) heißt es: „Der Krieg ... ist unvereinbar mit der Gesinnung und dem Verhalten Christi und darum auch mit der Gesinnung und dem Verhalten der Kirche Christi." (vgl. R. FRIELING, Weg, 1992, S.316) Aus dieser „Urform" hat dann die Amsterdamer Weltkonferenz (1948), in überraschendem Anklang an den Satz bei Dibelius, die Aussage entwickelt: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein." (vgl. EBD., S.320) - Die Amsterdamer Zusammenkunft stand unter dem Generalthema „Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan". Die vierte Sektion, an der sich auch Dibelius mit einem Redebeitrag beteiligte (vgl. Kirche, Staat und Kriegsgefahr, in: ChrWelt v. 18.9.1948; J . W . WINTERHAGER, Dibelius, 1970, S.192), beschäftigte sich mit dem Problem „Die Kirche und die internationale Unordnung". Es ging dabei um den Themenkreis von Krieg und Frieden und um den Friedensbeitrag der Christen und der Christenheit angesichts der internationalen Spannungen. - Dibelius zitierte diesen Satz (ohne ihn als Zitat kenntlich zu machen) auch in der Debatte um Wiedervereinigung und Aufrüstung: „Krieg soll nach Gottes Willen überhaupt nicht sein. Aber wenn Deutsche auf Deutsche schießen, dann ist das ein Verbrechen ohnegleichen. ...Ihr Politiker seid unserem Volk die Wiedervereinigung schuldig!" (Sonntagsblatt - Die Kirche v. 25.5.1952, zit. nach: M. LÖTZ, Kirche, 1992, S.106). 56 Friede auf Erden?, S.193. - Diese Sätze zitierte Dibelius noch einmal in seinem Briefwechsel mit dem Präsidenten der Volkskammer der D D R , J . DIECKMANN. Dibelius bemühte sich vergeblich darum, auch in der D D R die Bereitschaft zu wecken, das Recht auf Kriegsdienstver-
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A u f der anderen Seite r e c h n e t Dibelius auch w e i t e r h i n n o c h m i t der Realität des Krieges; n i c h t w e n i g e r eindeutig ist deshalb die andere A n t w o r t : „ U m d e r L i e b e willen geht der C h r i s t , der für das V a t e r l a n d die W a f f e z u r H a n d n i m m t , in eine W e l t hinein, die G o t t n i c h t will. E r geht in eine A t m o s p h ä r e der F i n s t e r nis hinein, in ein L e b e n , in d e m die m e n s c h l i c h e Sünde sich a u s w i r k t . U n d e r t u t das in G o t t e s N a m e n u n d n a c h G o t t e s W i l l e n . " 5 7 Z w e i W i l l e n s ä u ß e r u n g e n G o t t e s stehen hier einander i m G r u n d e u n v e r e i n b a r gegenüber: G o t t will d e n K r i e g n i c h t , u n d d o c h geht der C h r i s t in die W e l t des Krieges, die G o t t n i c h t will, „nach G o t t e s W i l l e n " . Dibelius v e r k e n n t die G e g e n sätzlichkeit d e r A u s s a g e n nicht u n d spricht deshalb v o n einer „ n o t w e n d i g e n Par a d o x i e in dieser W e l t m e n s c h l i c h e r Selbstsucht" 5 8 . D o c h e r m e i n t , dass diese S p a n n u n g n i c h t auszuschalten, aber d o c h auszuhalten sei in der v o n der K i r c h e z u s c h ü t z e n d e n M ö g l i c h k e i t der Kriegsdienstverweigerung - u n t e r
Umständen
u m d e n Preis des M a r t y r i u m s : „ U b e r diese christlichen Pazifisten w i r d die K i r c h e ihre H ä n d e halten. A u c h w e n n sie ihre Stellungnahme n i c h t billigt." 5 9
Weigerung aus Gewissensgründen - das im Bonner Grundgesetz als ein allgemeines Menschenrecht an vorderster Stelle steht (Art.4,3 GG) und verfassungsrechtlich deshalb nicht als Ausnahmerecht zu gelten hat - gesetzlich zu verankern (vgl. Dibelius an DIECKMANN v. 13.6.1956 und dessen Antwortschreiben v. 20.6.1956, gedruckt und hg. von der Nationalen Front des demokratischen Deutschland, in: LKA BIELEFELD 5 / N r . l Bd.327, Fasc.2). 57 Friede auf Erden?, S.208f. (gesperrt gedruckt). Dies entspricht einer durchaus geläufigen Argumentation, die sich auch gern auf LUTHERS Schrift „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können" (1526) beruft, wonach der Christ in der Welt der Sünde lebt und deshalb „um der Liebe willen" auch der Eigengesetzlichkeit der Welt, der Sünde und so auch des Krieges unterworfen sei. - Dieser schwankenden Haltung wegen ordnet K. NOWAK Dibelius in seiner Typisierung, die von den Kriegstheologen bis zu den realen bzw. radikalen Pazifisten reicht, in die Mittelgruppe der „Semipazifisten" ein (vgl. K. NOWAK, Kirche, 1981, S.190). 58 Friede auf Erden?, S.209; vgl. auch ChW 44, 1930, S.947 - Heftig wird im .Deutschen Offizier-Bund' gegen diese zwiespältige Haltung gestritten; es wird dort gefragt, warum sich die Kirche der christlichen Kriegsdienstverweigerer annehme (ohne ihre Haltung zu billigen), statt „von vornherein gegen die Irrlehre anzukämpfen" (Deutscher Offizier-Bund v. 25.3.1930, S.330). „Der Verfasser gerät - man fühlt es deutlich an gar vielen Stellen - in schweren Konflikt zwischen seinem nationalen Empfinden und seinem theologischen Gewissen. Aber das Buch wirkt schädlich. ... Er vergißt über dem Friedenswillen den Wehrwillen, der für jedes Volk gleichbedeutend ist mit Lebenswillen schlechthin. Das Buch bejaht die Pflicht zur Verteidigung des Vaterlandes. Das genügt nicht. Diese Pflicht muß unbeschadet des grundsätzlichen Friedenswillens auf das schärfste und immer, immer wieder und mit allen Mitteln unserem Volke eingeprägt werden" (EBD. v. 15.5.1930, S.495). 59 Friede auf Erden?, S.199 (vgl. auch Fr. GOLLERT, Dibelius, 1959, S.102). Das christliche Gewissen ist jetzt nicht mehr an den Staat gebunden, sondern es darf den Schutz von Seiten der vom Staat getrennten Kirche erwarten: In „der evangelischen Kirche ist schon heute eine kleine Zahl von Menschen da, die jede Mitarbeit am Kriege zu verweigern entschlossen sind. Von ihnen werden nicht ganz wenige auf ihrem Grundsatz auch dann verharren, wenn es ernst wird. Hier sind Kräfte des Gewissens wieder zum Leben erwacht, die unter der Geschichte der letzten vierhundert Jahre verschüttet waren" (Friede auf Erden?, S.199). „Dann wird die Kirche die einzige Macht auf Erden sein, die für sie eintritt. Wie der Bischof von London und der Bischof von Durham für die englischen Conscientious Objectors eingetreten sind, so werden auch die deutschen Generalsuperintendenten und Landesbischöfe für die Glieder der Kirche eintreten, die nicht weiter wollen, als Gott gehorsam sein. Und Schande über sie, wenn sie es nicht tun" (EBD., S.201). Tatsächlich brachte die Bekennende Kirche mit ihren Generalsuperintendenten und Landes-
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Der kirchliche Schutz einer solchen Gewissensentscheidung resultiert also nach Dibelius aus dem neuen distanzierten Verhältnis, das Kirche und Staat nach ihrer Trennung bestimmt. Die Kirche ist in Fragen der ethischen Grundeinstellung aus der bedingungslosen Verpflichtung dem Staat gegenüber entlassen, sie ist deshalb und seither gleichermaßen offen für eine staatsloyale wie für eine staatskritische Haltung. Die Frage freilich, die Dibelius offen lässt, bleibt: woher bezieht die Kirche letztlich, inhaltlich und substantiell, die Kriterien im Allgemeinen für ihre jeweilige Haltung dem Staat gegenüber und im Besonderen für ihre Einstellung zur Frage von Krieg und Frieden? 1.3 Zustimmung und
Auseinandersetzung
1.3.1 Zustimmung auf der Seite des theologischen Liberalismus Als eine „wahrhafte Sensation" 60 wirkte das Friedensbuch von Dibelius in der kirchlichen Öffentlichkeit. Trotzdem sind die Aussagen des Buches keine Uberraschung, wenn man sie in der Linie und in der Fortschreibung des Jahrhunderts der Kirche' sieht 61 . Dennoch gilt: „Daß ein führender Mann der evangelischen Kirche mitten in die durch die Kriegsliteratur und das Erwachen der Kriegssphinx bewegte Gegenwart dies Buch hineinwirft, das ist eine tapfere Tat, die größte Beachtung verdient." 62 bischöfen weder die Kraft noch den Mut auf, sich vor solche Kriegsdienstverweigerer zu stellen (vgl. z.B. den Bericht über die konsequente, das Todesurteil in Kauf nehmende Wehr- und Kriegsdienstverweigerung von Hermann STÖHR, des Mitarbeiters von Fr. SLEGMUNDS C H U L T Z E , in: E . R Ö H M , Sterben, 1985; E . R Ö H M , S t ö h r , 1994; vgl. F r .
SLEGMUND-SCHULTZE,
Friedenskirche, 1990, S.228). 60 J . RATHJE, Welt, 1952, S.401. Das Friedensbuch hatte in der Vorweihnachtszeit einen solchen Verkaufserfolg, dass bereits nach 14 Tagen eine zweite Auflage nötig wurde (vgl. PrBl 62, 1929, Sp.788). - Nicht nur der Wirkung, sondern auch dem Inhalt des Buches wird es nicht gerecht, wenn W. WETTE in dem Standard-Werk „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg" dem Friedensbuch von Dibelius „eine kaum verhüllte Glorifizierung des Krieges und des Soldatenstandes" und eine „metaphysische Kriegstheologie" bescheinigt (W. WETTE, Ideologien, 1979, S.59 u. S.60). Bezeichnend für die Zitationsweise bei WETTE sind die Auslassungen, mit denen er die durchaus spannungsreiche Aussage „bereinigt". In einer zitierten Passage fehlen z.B. folgende Sätze: Der Christ „weiß: Gott will etwas ganz anderes als den Krieg! Man wird ihm anmerken, daß er das weiß. N i e wird der Christ sich über den Krieg freuen. Die Sehnsucht nach einem ,frischen, fröhlichen Krieg' ist etwas Unvollziehbares für ihn. Das Grauen vor den Fürchterlichkeiten des Krieges wird nie aus seiner Seele weichen." (vgl. Friede auf Erden?, S.210 mit dem Zitat WETTEs auf S.59). Auch W. DlGNATH trifft nicht die pointierte Aussage des Buches, wenn er darüber schreibt: „Das nationale Ethos erscheint in neuem, kirchlichem Gewände. ...Nation, Staat und Volk, historische Gegebenheiten, historische Notwendigkeiten sind ,christliche' Realitäten geblieben." (W. DlGNATH, Kirche, 1955, S.70). - Ganz anders würdigt M. KRUSE das Buch seines Vorvorgängers im Berliner Bischofsamt als ein Zeichen für einen bedeutsamen Bewusstseinswandel (vgl. M. KRUSE, Gruppierungen, 1982, S.46). Im gleichen Sinn weist auch E. JÜNGEL auf das Friedensbuch von Dibelius hin (vgl. E. JÜNGEL, Frieden, 1984, S.59). 61 Dies merkt bereits K.-W. DAHM richtig an (Pfarrer, 1965, S.120, Anm.290). „Vom Jahrhundert der Kirche' aus ist mein Büchlein über den Frieden geschrieben" (Antwort an Paul Althaus, in: Eckart 6, 1930, S.106). 62 Rezension in: Furche 16, 1930, S.317.
Dibelius und die Friedensfrage
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Dibelius hat sich mit seinem neuen Buch ganz augenscheinlich von seiner früheren rechtskonservativen Haltung abgesetzt und einen deutlichen Anschluss an linksliberale Positionen gewonnen. Schon in der Frage des Völkerbundes hat M. RADE auf den überraschenden Sinneswandel in Dibelius' Haltung aufmerksam gemacht. Dementsprechend hat die ,Christliche Welt' das Friedensbuch lebhaft begrüßt: damit habe der teilweise in fruchtlosen Auseinandersetzungen erstarrte Streit um den Pazifismus „eine mächtige Neubelebung erfahren" 63 . In seinem ausführlichen Bericht bezeichnet A. SCHOWALTER „die Inschutznahme der Kriegsdienstverweigerer" als „das Entscheidende in dem Buch. Ein Schritt von ungeheuerer Tragweite; das erste wirklich Neue und Schwere, was Dibelius von der Kirche fordert. An dieser Forderung werden sich die Geister scheiden, weil sie eine wirkliche Tat, ein Wagnis, vielleicht ein Martyrium fordert. Von da an gibt es keinen Stillstand mehr und keinen Rückzug; von da an heißt es für die Kirche: siegen oder untergehen." 64 In einem Geleitwort zu der deutschen Ubersetzung des Buches, das der Leidener Theologieprofessor G. J. HEERING in Holland schon 1928 veröffentlichte: „Der Sündenfall des Christentums" (1930) 65 , regt M. RADE an, diese holländische Schrift mit dem aus deutscher Feder stammenden „verwandte(n), mit Recht viel beachtete(n)" Buch des kurmärkischen Generalsuperintendenten zu vergleichen. Obwohl viele Berührungspunkte zwischen beiden Büchern bestehen, wird im direkten Vergleich allerdings auch deutlich, dass Dibelius mit seiner Verbindung von nationalem Patriotismus und kirchlichem Pazifismus „auf halbem Weg ste-
63 A. SCHOWALTER, Pazifismus und Kirche (ChW 44, 1930, Sp.98). „Es ist eine gewaltige Tat, daß ein preußischer Generalsuperintendent solch ein Buch zu schreiben wagt. Hätte er es im Jahrhundert oder Jahrtausend der Staatsverbundenheit der Kirche getan, so säße er heute bereits in Spandau" (EBD., Sp.103). 64 A. SCHOWALTER, EBD., Sp.102. Eine nüchternere Stellungnahme hat in demselben Blatt G. KEHNSCHERPER nachgereicht: „Generalsuperintendent Dibelius ist zu volkskirchlich eingestellt, als daß er selbst Kriegsdienstverweigerer sein könnte. Die Verantwortung gegen das Vaterland und sein äußerer Schutz ist ihm ebenso eine christliche Pflicht seines Gewissens, wie die Verkündigung der christlichen Friedensbotschaft in dem also geschützten Staat." Dieselbe grundsätzliche Kritik wird hier wie schon gegenüber dem Jahrhundert der Kirche' geübt: „Die an sich nicht falsche Botschaft ist hier eingekapselt worden in eine rechtliche Form; die Kirche tut, als rede sie an Gottes Statt, als verfüge sie über Gott" (Gedanken zu Dibelius „Friede auf Erden?", in: C h W 44, 1930, Sp.317f.). - Verwunderlich ist es, dass Fr. SlEGMUND-SCHULTZE in seiner überwiegend zustimmenden Rezension das entscheidende Thema der Kriegsdienstverweigerung überhaupt nicht erwähnt. Abgesehen davon, dass Dibelius die lutherische Tradition und die Kriegspredigt der deutschen Theologie in einem viel zu freundlichen Licht erscheinen lasse, begrüßt der Rezensent das Buch als „ein(en) wertvolle(n) Bundesgenosse(n) im Kampf um den Frieden" (Eiche 18, 1930, S.123f.; zu Fr. SlEGMUND-SCHULTZE und seiner Friedensarbeit vgl. auch: DERS., Friedenskirche, 1990 - weitere Literatur s. dort S.455f.). Ebenso unterschlägt oder übersieht der Schriftleiter der .Kasseler Post' in seiner ausführlichen Buchbesprechung den Aspekt der Kriegsdienstverweigerung völlig (vgl. E. HECKMANN, Evangelische Kirche und Völkerfrieden, in: Kasseler Post v. 28.12.1929). 65 Die holländische Ausgabe wurde von dem Kölner Pfarrer Georg FRITZE besprochen in: C h W 43, 1929, Sp.160-165.
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hen geblieben" 66 ist. Dies wird auch anderweitig so empfunden und entsprechend als „Kompromißwirtschaft" und „Relativismus" gebrandmarkt 6 7 . Auch der Rezensent jener Zeitung, die den Anstoß zur Abfassung des Friedensbuches gab, blieb skeptisch, weil Dibelius die Friedensliebe derjenigen, die den Krieg nur aus ihrem Selbsterhaltungstrieb heraus ablehnen, abschätzig als eudämonistisch bzw. als eine Friedensliebe „der gemeinen Naturen" diffamiert: „Die Kirche wird noch Jahrzehnte an dem Mißtrauen gegen ihre in Kriegs- und Friedensangelegenheiten betätigte Haltung zu tragen haben." 6 8 1.3.2 Kritik von Gottfried Traub Ganz offensichtlich wollte Dibelius mit seinem Friedensbuch nicht nur Türen und Herzen für die Kirche dort öffnen, wo sie wegen deren nationalprotestantischen Schieflage schon längst kein Gehör mehr fand. Andererseits versuchte Dibelius auch Bundesgenossen im neukonservativen Lager zu finden für die Öffnung zu einer gleichermaßen vernunftrepublikanischen und eigenständig-kirchlichen Haltung. N o c h bevor das Buch an die Öffentlichkeit kam, wandte sich Dibelius an Gottfried TRAUB, mit dem er in den Tagen des Vertrauensrates bei der angestrebten Durchsetzung von Urwahlen manche „Frühlingsträume der Kirche" 6 9 zu verwirklichen versuchte. In der Erinnerung an die Gemeinsamkeit, „die uns in früheren Jahren manchmal Schulter an Schulter hat kämpfen lassen" 70 , und in 66 A. SCHOW ALTER, Die Halben und die Ganzen (ChW 44, 1930, Sp.965). „Sie sind beide einig im Endziel, daß der Krieg nach Gottes Willen verschwinden sollte, nur daß das dem Einen ein kategorischer Imperativ, dem Anderen ein consilium evangelicum ist." (EBD., Sp.964; vgl. auch SCHOWALTERs Hinweis auf HEERINGS Buch in: PrKZ 26, 1930, Sp.180) - Das Friedensbuch von Dibelius wurde auch auf einem Jugendlager des „Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen" diskutiert und begrüßt, aber auch seine inneren Widersprüche stark empfunden (vgl. ChW 44, 1930, Sp.946f.) Diese „Halbherzigkeit" in der Behandlung der Friedensfrage ist zweifellos eine Schwäche des Buches, weil es immer noch allen alles recht machen will. Deshalb konnte z.B. sogar eine zeitgenössische Soldatenzeitschrift ein positives Echo auf das FriedensBuch geben: „Ein Buch, wert von allen Soldaten gelesen zu werden, die sich über das Wesen ihres Berufes Gedanken machen." (Wissen und Wehr, 1930, S.256) - In der deutschen Ausgabe seines Buches setzt sich HEERING ausführlich und tiefgründig mit Dibelius auseinander (vgl. G.J. HEERING, Sündenfall, 1930, S.209-211). In RADES Geleitwort heißt es kategorisch und selbstsicher: „Für die christliche Ethik ist der Krieg erledigt. Was man zu seiner Rechtfertigung oder Entschuldigung von dieser Seite noch geltend macht, ist nur Rückzugsgefecht der Nachhut eines geschlagenen Heeres" (EBD., S.III; vgl. demgegenüber die Ausführungen z.B. von K. BARTH zum Krieg bzw. zur Kriegsdienstverweigerung in: KD Ш/4, S.515, 520, 534ff.). 67 Vgl. ZMRW 1930, S.223f. Der Rezensent (DEVARANNE) bemängelt dort, dass Dibelius von den Christen in Amerika auf Grund ihrer geopolitischen Lage erwartet, dass sie der Welt jetzt den christlichen Pazifismus schuldig seien, während er diesen Anspruch den Christen in Deutschland in dieser Grundsätzlichkeit und Eindeutigkeit noch nicht zumuten will, weil die nationale Konsolidierung und die internationale Gleichberechtigung Deutschlands noch nicht garantiert seien. 68 K. LEESE, Religion, Kirche und Theologie (VZ v. 7.2.1932). 69 Vgl. Dibelius an TRAUB v. 18.2.1919 (BA KOBLENZ, NL Traub/26). 70 Dibelius an TRAUB v. 19.11.1929 (BA KOBLENZ, NL Traub/69). - Im NL Traub/29 befinden sich noch mehrere aufschlussreiche Briefe von Dibelius aus den Jahren 1947 bis 1956.
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der vermeintlichen Hoffnung, dass sich die Freunde „in der Grundstimmung" nahe geblieben sind, bat Dibelius den ehemaligen Mitstreiter u m eine konstruktiv-kritische Äußerung zu den Aussagen seines Friedensbuches vor einer breiteren Öffentlichkeit. Dibelius hielt es „für ein Gebot der Stunde, daß wir uns als Evangelische politisch grundsätzlich orientieren. Die alte naive Identifizierung von Kirche und nationaler Politik ist vorbei. Wir müssen versuchen, v o m Evangelium her die Grundlinien dessen zu entwickeln, was wir im öffentlichen Leben vertreten wollen. Die Tendenz auf eine solche evangelische Politik bricht immer stärker durch. Wir müssen hier Ziele aufzeigen und Leitgedanken entwickeln." Dibelius erlaubte sich deshalb die Bitte, „ob Sie etwa bereit sein würden, sich in der München-Augsburger Abendzeitung aus Anlaß meines Buches zu der Sache zu äußern. Vielleicht werden meine Positionen nicht überall die Ihrigen sein. Aber das schadet nichts. Mir liegt nicht an glatter Zustimmung, sondern an der grundsätzlichen Erörterung der großen Lebensfragen der Nation." 7 1 D o c h Dibelius wurde doppelt enttäuscht: einmal äußerte sich TRAUB nicht, wie von Dibelius erbeten, in der von ihm herausgegebenen ,München-Augsburger Abendzeitung', sondern nur vor dem relativ kleinen, kirchlich-theologisch esoterischen F o r u m der Leserschaft seiner ,Eisernen Blätter' 7 2 . Z u m andern zeigte sich, dass die beiden ehemaligen Gesinnungsgenossen nicht einmal mehr „in der Grundstimmung" einig waren. Gleich im ersten seiner „Offenen Briefe" an Dibelius fasste TRAUB seinen Gesamteindruck von der Lektüre des Buches zusammen: „Es ist ein armes Buch!... Die verhängnisvollste Wirkung Ihres Buches sehe ich darin, daß es Ihren Lesern die Meinung erleichtert: das Wichtigste an Gottes Willen sei, daß man für den Weltfrieden eintrete, und die Kirchen hätten jetzt kaum Dringenderes und Eilenderes zu tun, als diese .Weihnachtsbotschaft' zu verwirklichen. Das ist der große Irrtum Ihres Buches: Sie verkünden zu Weihnachten nicht den Frieden Gottes, sondern einen Frieden zwischen Staatsgebilden." 7 3 Dass gerade die Besten der Verkündiger der Himmelsbotschaft jetzt sich, wie TRAUB meinte, mit den Dingen der Welt und der Erde gemein machten, das wirke auf ihn „wie eine Bankrotterklärung der Kirche" 7 4 . Ein vernichtenderes Urteil konnte kaum über den Verfasser und Verfechter des Jahrhunderts der Kirche' gesprochen werden. Wenn die ,Christliche Welt' es bedauert hat, dass Dibelius mit seiner schaukelnden Paradoxie auf halbem Weg stehen geblieben sei, so zeigt TRAUB keinerlei Verständnis für eine solche Dialektik. Er bestreitet dem Autor die Notwendigkeit und den Sinn seiner Ausführungen: „warum dann das ganze Buch?" 7 5 wenn einerseits Gott den Krieg nicht will und andererseits der Christ beim Dibelius an TRAUB v. 19.11.1929 (BA KOBLENZ, N L Traub/69). Vgl. EB1. 1930, Nr.1-5, S.15f., 30-32, 46-48, 62-64, 78-80; zusammengefasst ließ TRAUB die fünf Beiträge auch in einer Einzelausgabe unter dem Titel erscheinen: „Briefe von D. Traub..." (1930); im Folgenden wird nach dieser Ausgabe zitiert. 73 TRAUB-Briefe (1930), S.3. 74 EBD., S.4. 75 EBD., S.7. 71
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kämpfenden Einsatz für das Vaterland im Dienst dieses Gottes steht? Dibelius begehe gleichsam auf der Ebene der Massenpsychologie und der Pädagogik „einen unheimlichen Denkfehler", weil der Christ durch die paradoxe Spannung letztlich verunsichert und in seiner Wehrbereitschaft geschwächt werde: „Denn um einen Krieg führen zu können, muß man vorher ein Volk, seine Jugend und sein Mannesalter so erziehen, daß es einen Krieg führen kann. Sieht es im Krieg den Teufel, das Böse, und wird es in stete innere Zwiespältigkeit zu ihm gestellt, dann fehlt ihm selbstverständlich innerhalb des Krieges jede zweckentsprechende Haltung." Deshalb sollten die Theologen die Politik lieber den Politikern überlassen und bei ihrer eigenen Sache bleiben. „Darum kommt mir die ganze Auseinandersetzung über Krieg oder Frieden so nutzlos und ermüdend vor. Sie bewegt sich auf dem ,moralischen' Gebiet und verfällt hier leicht der glatten Kasuistik, welche zudem ihren Genuß darin findet, sich immer im Kreis zu drehen. Gott und der Glaube, also die Religion, haben damit nichts zu tun." 7 6 T R A U B verharrte also im Gegensatz zu Dibelius in seiner strikt antirepublikanischen Haltung und blieb bei seiner Kriegstheologie 77 stehen; er sah in dem Friedensbuch von Dibelius eine unwürdige weltanschauliche Anbiederung der Kirche an den Staat, der es weder verdiene noch der es wolle, als Obrigkeit im Sinn von R o m 13 angesprochen und geachtet zu werden: „Man versucht heute von gewissen kirchlichen Kreisen aus, die evangelische Kirche dem heutigen glaubensfeindlichen Staate angenehm und empfehlenswert zu machen. ... Gerade als Evangelischer sehe ich mit Schmerzen, wie kurzsichtig all die Kreise handeln, die heute mit diesem Wechselbalg von Zentrum und Sozialdemokratie für ihre Kirche damit Geschäfte zu machen meinen, daß sie in das Lied vom Völkerbund, vom Völkerfrieden, von neuen großen Zeiten einstimmen. Je nachgiebiger die Kirche sich in ihren weltanschaulichen Grundlagen zeigt, desto verächtlicher wird sie behandelt und das dann mit Recht." 78 76 EBD., S.10. - Auch der .Deutsche Offizier-Bund' wirft Dibelius die Schwächung der Wehrbereitschaft vor: „Indem die Kirche einem Phantom (sc.: der Gewissensbindung und des Glaubensgehorsams) nachjagt, versagt sie sich dem eigenen Volke gerade dann, wenn wir in entscheidender Stunde die Lebenskräfte, die von der Kirche ausströmen, am bitter nötigsten haben. Schon der Gedanke der Möglichkeit einer solchen Einstellung der Kirche hat verhängnisvolle Wirkungen. Er darf nicht ausgesprochen, noch in der gewählten Art begründet werden, ohne daß er auf den Wehrwillen des Volkes schwer schädigenden Einfluß ausübt" (Generalmajor a.D. VOGT, in: Deutscher Offizier-Bund v. 15.5.1930, S.495f.). 77 TRAUB ist hier seinem DNVP-Parteigenossen Max MAURENBRECHER zuzurechnen, der seinerseits ein „Jahrhundert der Kirche" - freilich ohne Rückbezug auf Dibelius - proklamierte. Darin vertritt er eine strikte Kriegstheologie, angereichert mit einem deutschen Erwählungsglauben und Sendungsbewusstsein und mit antisemitischen Sentenzen (vgl. M. MAURENBRECHER, Heiland, 1930, S.170ff., 181f., 201ff.). 78 TRAUB-Briefe (1930), S.14. Erstaunlicherweise stimmt die Reformierte Kirchenzeitung' den Ausführungen TRAUBs ZU, denn sie seien „eine würdige Antwort": „Wenn die Prediger die Gemeinde nicht mehr himmelan führen, sollen sie ihren Beruf aufgeben. Mit Nachdruck geht TRAUB der bei uns einreißenden Verweichlichung des Denkens und Empfindens zu Leibe und ruft zurück zu Wahrheit und Nüchternheit." (RKZ 80, 1930, S.70) Entsprechend verständnislos reagierte man dort auf den Positionswechsel bei Dibelius: Wenn nänmlich Dibelius behaupte, die Frage des Pazifismus sei eine Aufgabe der Kirche, dann „müssen wir widersprechen. ...Man wird
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Auf der ganzen Linie also ist Dibelius mit seinem Buch bei dem vermeintlichen Gesinnungsgenossen auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen. Beider Wege haben sich seit der gemeinsamen Zeit im Vertrauensrat weit voneinander entfernt. Die Hoffnung, dass das Friedensbuch einen breiten Konsens innerhalb der Kirche und - sicherlich auch im Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen um den preußischen Staatsvertrag mit der evangelischen Kirche - eine gemeinsame politische Annäherung an die staatstragenden Parteien bringen werde, hat sich damit nicht erfüllt. 1.3.3 Auseinandersetzung mit Paul Althaus Eine gerade unter theologisch und kirchlich interessierten Laien breit gestreute Leserschaft erreichte nun doch noch eine öffentliche Debatte über das Friedensbuch von Dibelius. Der Mentor des Evangelischen Pressewesens in Deutschland, A . H L N D E R E R 7 9 , veranlasste in seinen unter dem Titel ,Eckart' 8 0 herausgegebenen „Blätter(n) für evangelische Geisteskultur" eine kritische Besprechung des Friedensbuches durch P. A L T H A U S 8 1 . Weil der Pazifismus, den Dibelius meint, sich deutlich abhebe von dem radikalen und bedingungslosen Pazifismus z.B. eines F r . W . F O E R S T E R , deshalb lohne sich immerhin, so A L T H A U S , die Auseinandersetzung mit Dibelius 82 .
ihm heftig widerstehen, wird vielleicht jetzt einmal von rechts, wie sonst gelegentlich von links, erklären, die Kirche solle bei der Sache bleiben." (RKZ 80, 1930, S.200) Ebenfalls aus dem reformierten Lager wird Dibelius von „rechts" her angegriffen im Sinn einer christologisch schon vollendeten Friedenserfüllung und einer realapokalyptischen Gerichts- und Kriegserwartung: „,Gottes Wille', sagt der Herr Generalsuperintendent, ,ist der Friede!' Gewiß. Aber für den Glauben, und nicht für das Fleisch. Man könnte da gerade umgekehrt sagen: Gottes Wille ist für die von Ihm abgefallene Menschheit, die das Evangelium der Gnade und des Friedens von sich weist, der Unfriede, der Krieg, das Gericht. ...Dann soll das Schwert ohne Aufhören hinter ihnen her sein, der Krieg, der Reiter auf rotem Pferd samt Teuerung, Hunger und Pestilenz, wie es uns Gottes Wort bei den Propheten und auch in den Endreden des Friedefürsten selber bezeugt" (Biblische Zeugnisse 27, 1929, S.380). 79 Vgl. G. MEHNERT, Presse, 1983, S.218ff. 80 Vgl. dazu besonders: R. STÖVER, Kultur, 1982, S.53f. 81 P. ALTHAUS, Friede auf Erden?, 1930, S.97-103; ALTHAUS fügte diesen Aufsatz seinem Buch ,Staatsgedanke und Reich Gottes' ohne die Antwort von Dibelius bei (P. ALTHAUS, Staatsgedanke, 1931, S.114-125; s. auch das Vorwort zu dieser vierten Auflage, S.6). 82 Friedrich Wilhelm FOERSTER war als christlicher Radikalpazifist bekannt und in den Kreisen des Mehrheitsprotestantismus berüchtigt. Er propagierte den Verzicht Deutschlands auf militärisch gegründete Macht und Größe, erkannte die Hauptschuld Deutschlands am Weltkrieg an, hielt die Reparationen an Frankreich für gerechtfertigt und setzte sich für die Aussöhnung mit Frankreich ein: „Erst die Revision einer unmöglichen Geistesart wird die Revision eines unmöglichen Friedensvertrages bedeuten." (FOERSTER zitiert dieses Wort von Carl v. OSSIETZKY in seinem Buch: Mein Kampf gegen das militaristische und nationalistische Deutschland, 1920, S.262). - Dibelius, damals noch ganz und ungebrochen im Nationalismus gefangen, stellte zu FOERSTERs Programm die anklagend-aggressiven Fragen: „Heißt das aber Christentum, wenn man die eigenen Volksgenossen dem triumphierenden Feinde als Steigbügel vor die Füße legt? Heißt das Christentum, wenn man die körperliche und damit schließlich auch die sittliche Verelendung des eigenen Volkes als Ziel seiner Sehnsucht proklamiert? Wer Christ sein will,... der kämpfe und wirke für seines Volkes künftige Größe! So wird er das Gesetz Christi erfüllen!"
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A L T H A U S w i d e r s p r i c h t d a b e i d e r W e r t u n g d e s K r i e g e s d u r c h D i b e l i u s , als o b der K r i e g nur eine F r u c h t menschlichen Unrechts u n d menschlicher Bosheit u n d d e s h a l b a u c h , w i e e t w a eine P e s t - E p i d e m i e , z u m e i d e n u n d z u b e k ä m p f e n sei. D e n n „ R e c h t k a n n w i d e r R e c h t streiten, n i c h t n u r U n r e c h t w i d e r R e c h t " , u n d dieses R e c h t m ü s s e d a n n kriegerisch ausgefochten u n d entschieden w e r d e n k ö n n e n . E b e n s o w e n d e t s i c h A L T H A U S , der z u s a m m e n m i t D i b e l i u s i m t h e o l o g i schen A u s s c h u s s der deutschen Liga für V ö l k e r b u n d 8 3 mitarbeitete, gegen die grundsätzliche B e j a h u n g des Selbstbestimmungsrechts der V ö l k e r bei Dibelius: „ E s ist d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e u n w ü r d i g , sich n a m e n s d e s E v a n g e l i u m s z u M o d e g e d a n k e n d e r g e g e n w ä r t i g e n P o l i t i k z u b e k e n n e n , selbst w e n n w i r als D e u t s c h e d i e s e v o n u n s e r e n F e i n d e n n u n e i n m a l i n die W e l t g e w o r f e n e n I d e e n i m K a m p f e u m u n s e r e F r e i h e i t als W a f f e e r g r e i f e n m ü s s e n ! " 8 4 A L T H A U S hält D i b e l i u s w e i t e r h i n e n t g e g e n , d a s s m a n a u s d e m N e u e n T e s t a m e n t w o h l e i n e n F r i e d e n s w i l l e n i n n e r h a l b e i n e r W e l t m e n s c h l i c h e r S ü n d e ableit e n k ö n n e , a b e r n i c h t e i n e n „ P a z i f i s m u s " als eine g r u n d s ä t z l i c h e T h e o r i e , d i e „noch immer
m i t einer e v o l u t i o n i s t i s c h - o p t i m i s t i s c h e n
Geschichtsphilosophie
v e r b u n d e n " 8 5 sei. U n t e r B e r u f u n g auf L U T H E R m e i n t A L T H A U S die P a r a d o x i e bei D i b e l i u s n o c h v e r s c h ä r f e n z u m ü s s e n : i m K r i e g geht d e r C h r i s t in e i n e W e l t , die G o t t n i c h t will, u n d d o c h i m N a m e n u n d nach d e m Willen Gottes. A b e r , so ALTHAUS, der C h r i s t e r f ü l l e d a m i t i m A u f t r a g d e s Staates ein „ A m t " 8 6 , d a s G o t t w o l l e : „ W i e
verlorene Zeit. Mit Dibelius zu verhandeln, hat Sinn und Aussicht" (Eckart 6, 1930, S.98). 83 Nachdem sich ALTHAUS von der Mitarbeit in der Liga zurückgezogen und dem Völkerbundgedanken den Abschied gegeben hatte, wandte er sich im Jahr 1931 zusammen mit E. HIRSCH in einer Erklärung gegen die Völkerverständigung auf ökumenisch-kirchlicher Ebene (vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.804ff.). Indem HIRSCH vorgab, mit dieser Erklärung „der evangelisch-ökumenischen Idee" im Grunde dienen zu wollen, erklärte er apodiktisch: J e d e s Bekenntnis zum gegenwärtigen Völkerbunde, jedes Bekenntnis zum Weltfrieden unter den gegenwärtigen Voraussetzungen macht die Teilnahme an ökumenischer Arbeit für einen aufrechten, seiner ihm von Gott gegebenen Pflicht gegen sein Volk sich bewußten deutschen evangelischen Christen jetzt unmöglich" (E. HIRSCH, Evangelische Kirche und Völkerverständigung, in: A E L K Z 64,1931, Sp.716). 84 Eckart 6, 1930, S.99. 85 EBD., S.100. - Die Frage, ob aus der Bibel gefolgert werden könne, dass es zu allen Zeiten Kriege gebe, wurde noch einmal Ende der 50er Jahre verhandelt (vgl. Dibelius, Anfragen an die Theologen, in: Kirche und Mann, 1958, S.l). M. FISCHER pflichtete der These von Dibelius bei, dass die Bibel nicht eine gleichsam ontische und unabänderliche Friedlosigkeit der Welt voraussetze, begründete dies aber anders: „Praktizierte Hoffnungslosigkeit hat mit der Sünde gegen den Heiligen Geist zu tun" (Muß Krieg immer sein? Ist Frieden auf Erden möglich?, in: M. FISCHER, Weeemarken, 1961, S.446). Diesem Gedanken vom göttlichen bzw. gottgewollten Amt und Beruf eines Christen stimmt Dibelius später mit dem Hinweis auf ALTHAUS' Schrift,Staatsgedanke und Reich Gottes' ausdrücklich zu: Der Christ wird „Dinge tun können und tun müssen, die im Gegensatz zur Bergpredigt zu stehen scheinen. Auch Gewalt und blutigen Zwang. Er wird auch zur Waffe greifen, wenn es sein muß. Und wird dies alles mit freudigem Gewissen tun". Doch dass der Krieg als solcher eine Ordnung Gottes sei, die man gehorsam zu verwalten habe, dieser Aussage konnte sich Dibelius nicht anschließen: „Diesen Schritt kann ich nicht mittun." (SoSp. v. 4.1.1931) Der Krieg hat also nach Dibelius allenfalls innerhalb einer Situationsethik, nicht mehr aber innerhalb
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können wir die allgemeine Kampfeslosung ausgeben gegen etwas, das trotz allem in der Welt der Sünde eine Ordnung Gottes sein kann und dann als solche in aller ihrer Härte gehorsam verwaltet werden muß, ebenso wie das staatliche Strafamt, ja selbst - die Revolution?" 87 Schließlich stimmt A L T H A U S dem Satz zu, dass das Gewissen der Kriegsdienstverweigerer durch die Kirche zu schützen sei; aber er erwartet, dass die Kirche zugleich ihre pädagogische Aufgabe wahrnimmt, ein irrendes Gewissen auch von seiner Fehlentscheidung abzubringen. Weil Dibelius diese Konsequenz aber nicht ziehe, suggeriere er eine moralische Vorrangstellung der Kriegsdienstverweigerer vor den dienenden Soldaten: „Es ist doch eine schlimme Entstellung, die religiösen Dienstverweigerer vor den anderen als die Unbedingten erscheinen zu lassen und die anderen indirekt als die Kompromißler hinzustellen."88 Gerade die schwankende Haltung zwischen religiös berechtigter Kriegsdienstverweigerung und national verpflichtender Vaterlandsliebe offenbare eine schwärmerische Tendenz, gegen die schon L U T H E R angegangen sei. So kommt A L T H A U S abschließend zu dem Urteil: „Man kann nicht LUTHER und die Schwärmer anerkennen. Man muß hier wählen. Sonst bleibt am entscheidenden Punkte eine bedenkliche Unklarheit." 89 Der der Schwärmerei bezichtigte Generalsuperintendent stellte in seiner Erwiderung klar, dass er auf Grund der geschichtlichen Gegebenheiten nur noch bedingt mit LUTHER und der lutherischen Tradition argumentieren könne: „Was mich von A L T H A U S unterscheidet, ist im Grunde nur eins. Mir erscheint der Bruch der Zeiten, in dem wir stehen, ungeheuerer als ihm - so ungeheuer, daß ich von LUTHER wohl grundsätzliche Einstellungen des Glaubens lernen kann, nicht aber mehr die praktische Anwendung. ... Das Korrelat zum religionslosen Staat ist und bleibt das Jahrhundert der Kirche'. ...Von dieser Grundeinstellung aus komme ich zur Forderung kirchlicher Aktivität und zu einer Geschichtsbeeiner Ordnungsethik seinen Platz. Entsprechend bleibt die Frage der Kriegsdienstverweigerung die Gewissensentscheidung des Einzelnen und kann nicht von der Kirche beantwortet werden. 87 Eckart 6, 1930, S. 102. 88 In der Tat ist dies ein Widerspruch, den Dibelius freilich in seinem Buch unaufgelöst so stehen lässt: Die Kirche schützt Kriegsdienstverweigerer, die eine Gewissensentscheidung getroffen haben, die von der Kirche zwar nicht gutgeheißen wird, die aber die Kirche mit ihrem pädagogischen Einsatz und mit ihrer Uberzeugungskraft zu revidieren sich auch nicht aufgerufen oder berechtigt fühlt. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass die „Lehre" der Kirche an dem Gewissen des einzelnen Christen ihre Grenze findet und dass der einzelne Christ in seiner Gewissensentscheidung weiter gehen kann (oder muss), als dies die Kirche kann. Zu erklären ist dies, ohne dass Dibelius dies selber ausdrücklich tut, auf dem Hintergrund der Einsicht, dass die „geistliche Leitung" der Kirche, auf die jeder Christ im reformatorischen Sinn Anspruch hat, unterschieden ist von der Lehre und von der Leitung „der" Kirche. Anders ausgedrückt: die libertas christiana ist der libertas ecclesiae vor- und übergeordnet. - Dasselbe Denkmuster begegnet uns in anderem Zusammenhang und sicherlich unabhängig von Dibelius bei Dietrich BONHOEFFER, der wegen seiner konspirativen Beteiligung am politischen Widerstand und an der Verschwörung gegen das HlTLER-Regime erwogen hat, durch seinen Austritt aus der Kirche diese nicht mit seiner eigenen Gewissensentscheidung in Anspruch nehmen oder sie belasten zu müssen (vgl. E. BETHGE, Bonhoeffer, 1986, S.893f.). 89 P. ALTHAUS, Friede auf Erden?, 1930, S.103.
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trachtung, die allerdings eine andere ist als die des Luthertums früherer Zeiten.... Das richtet den Blick allerdings ganz anders in die Zukunft, als es im alten Luthertum der Fall sein konnte. Der Wille zur Zukunft wird immer etwas von Optimismus in sich haben." 90 Die Kirche hat jetzt nicht mehr den Staat in einem Kartell gegenseitiger Anerkennung und grundsätzlicher Verständigung an der Seite; vielmehr hat sie, nun freigeworden von allem staatlichen Wesen, den religionslosen Staat als Gegenüber, der sich u.U. - Dibelius nennt als Beispiel die radikale Regierung in Russland - auch gar nicht an Gottes Gebot und Gerechtigkeit „erinnern" 91 lassen will und in dem der Christ sich deshalb auch nicht heimisch fühlen wird. Im Blick auf einen solchen Staat bleibt Dibelius bei seiner Meinung, „daß da, wo in einem religionslosen Staat ein Mensch um der Bergpredigt willen den Gebrauch der Waffe verweigert und den Ernst seiner Gewissensentscheidung durch das Martyrium bewährt - daß da jeder Christ Heimatluft verspüren muß." 92 Deshalb scheut sich Dibelius auch nicht, das Schlagwort „Pazifismus" in seinem Sinn und zur leichteren Verständigung93 mit denen, die dieses Schlagwort sonst für sich in Anspruch nehmen, zu verwenden. Die Kluft zu diesen Pazifisten im herkömmlichen Sinn „wird nur dadurch überwunden, daß man den Mut hat, das Schlagwort der anderen zu akzeptieren, auch wenn man darüber bei den eigenen Freunden in Verdacht und Verruf kommt." 94 Auch an dieser Auseinandersetzung wird deutlich, dass bei Dibelius der hermeneutische Schlüssel für die Entscheidung in kirchlichen und theologischen Sachfragen nicht in der Sache selbst, sondern in der Wahrnehmung des geschichtlichen Umbruchs besteht. Eine geschichtspositivistische Voraussetzung wird so zum theologisch und kirchlich wirksamen Axiom und zum Fixpunkt seines Denkens. Dieser Fixpunkt besteht in dem radikalen Bruch der Zeiten, in der Revolution von 1918, deren Ergebnis die Trennung von Staat und Kirche war und das „Jahrhundert der Kirche" heraufführte. In der Friedensfrage liegt bei Dibelius die Konsequenz dieser Grundvoraussetzung in der Absage an die Theorie des gerechten Krieges bzw. in der Absage an den Krieg als einer Ordnung Gottes, ohne dass sich Dibelius dabei schon zu dem
„Antwort an Paul Althaus" (Eckart 6, 1930, S.108f.). Dibelius rechnet mit dem grundsätzlich „religionslosen" Staat als einer der Kirche grundsätzlich entgegenstehenden Lebensform, die sich weder aus sich selbst an Gottes Gebot und Gerechtigkeit erinnern kann noch sich von sich aus an Gottes Gebot und Gerechtigkeit erinnern lassen will. 92 „Antwort an Paul Althaus" (Eckart 6, 1930, S.103). 93 Vgl. Friede auf Erden?, S.22. U m der pädagogischen und werbenden Wirkung willen begrüßte auch W . SCHUBRING diese Terminologie des Buches (PrBl 63, 1930, Sp.364f.). 94 Friede auf Erden?, S.104. - In einem Vortrag in Potsdam (Juli 1929) über die „Stellung der evangelischen Kirche zu Krieg und Frieden" wollte Dibelius noch nicht so weit gehen und machte den Vorschlag, man solle „lieber statt Pazifismus Verantwortungsbewußtsein als den treffenden Ausdruck gebrauchen" (EvMark v. 28.7.1929, S.119). Von einem Schutz der Gewissensentscheidung bei zukünftigen Kriegsdienstverweigerern durch die Kirche ist hier noch nichts zu vernehmen. 90 91
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nächsten Schritt verstehen kann und daraus die Notwendigkeit einer Praxis des gerechten Friedens ableitet und herausarbeitet. 1.3.4 Konflikt in der Zeit der Diktatur Den Lesern seines Buches ist es nicht verborgen geblieben, dass Dibelius es „wagte", aus REMARQUES Kriegsroman ,1m Westen nichts Neues' zu zitieren, ohne sich davon zu distanzieren. U m der Aktualität seiner Fragestellung willen hat er REMARQUES Roman ins Schlepptau genommen und musste es deshalb auch hinnehmen, dass sein Friedensbuch in den Strudel der öffentlichen Auseinandersetzung geriet, die der Antikriegs-Roman auslöste. Wie weit sich Dibelius damit auch von der kirchlichen Mehrheitsmeinung entfernte, zeigt die Beurteilung, die das Buch von REMARQUE in dem überregionalen und renommierten Kirchenblatt ,Das Evangelische Deutschland' erfahren hatte. Hier wurde dem Roman zwar nicht der Realitätssinn für den Krieg abgesprochen, doch er dringe nicht „bis zum Erlebnis Gottes" im Krieg vor, „darum ist auch (dieses) Buch im Grunde von einer trostlosen Ode. ...Für uns aber ist der Krieg das ganz neue Erlebnis der letzten Wirklichkeit der Welt gewesen, der Wirklichkeit Gottes. Diese Erfahrung wirkt gestaltend in uns weiter, und wir wissen, daß dieser Glaube die Ode eines ideenlosen, gottlosen Materialismus überwindet." 95 Erst recht prallten die Urteile und Emotionen aufeinander, als der Roman durch seine Verfilmung einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Bezeichnend für die allgemeine Stimmungslage war dann, dass die Vorführung dieser Hollywood-Verfilmung auf den Druck nationalistischer Agitation hin schließlich verboten wurde 96 . Sogar der Radikalpazifist Fr.W. FOERSTER, darin einig mit H. SCHAFFT, verurteilte in der ,Zeit' die Machart dieses amerikanischen Filmes (es „ist ein hundsschlechter Film"), und er begründete sein Urteil über den Antikriegs-Film mit der Wirkung, die er in Deutschland ausgelöst hat: Der Film habe es durch die Einseitigkeit seiner Aussage den Nationalsozialisten leicht gemacht, jegliches pazifistisches Gedankengut zu diskreditieren, und er habe es den verantwortlichen Stellen schwer gemacht, sich für den Film einzusetzen. FOERSTER kritisierte allerdings auch die Nachgiebigkeit gegenüber dem Druck der Rechtsparteien, jenen „Umfall der Regierung, der im Ausland den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht hat" 97 . In welche „Komplizenschaft" Dibelius mit dem Hinweis auf REMARQUES Roman aus nationalsozialistischer Sicht geriet, mag die Besprechung deutlich machen, die der ,Völkische Beobachter' schon am 14.6.1929 der Öffentlichkeit zur Kenntnis gab: REMARQUES Buch „ist aus der Latrinenperspektive geschrieben....
EvDt 6, 1929, S.133; eine Entgegnung darauf findet sich allerdings in EBD., S.149. Zum Verbot des REMARQUE-Films vgl. die Reichstagsdebatte v. 2.3.1931 (34. Sitzung), Reichstagsprotokoll S.1284 u. 1299; vgl. auch: Deutscher Reichsanzeiger v. 12.6.1931 und v. 4.9.1931; Der Ring, 1930, S.873; W. WETTE, Kellogg, 1981, S.167ff.; W. SCHULZE, Weimar, 1982, S.127. 97 Zit. von H. SCHAFFT, in: Neuwerk 12, 1931, S.289f. 95
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Drückeberger und somit ein zweiter Dolchstoß an der Front, an den Gefallenen aber eine Leichenschändung. ... Woanders hinge ein solcher Schmierfink längst von Staatswegen an einer Laterne auf einem öffentlichen Platz zur Abschreckung. Oder er wäre von den Frontsoldaten in seinem Element, der Latrine, ersäuft worden" 9 8 . Wohl auch im Blick auf Dibelius' Friedensbuch beschwerte sich das Sprachrohr der Nationalsozialisten darüber, dass die evangelische Kirche sich in einen charakterlosen, liberalen Pazifismus verloren habe: „Erst tat'st du deine Pflicht als Christ, / Dann ward dein Pastor Pazifist!" 99 Es ist kein Zufall, dass man sich auf Seiten der Nationalsozialisten im Jahr der „nationalen Erhebung" (1933) sofort an das Buch von Dibelius erinnerte. Alles, was Dibelius damals schrieb und sagte, wurde von ihnen nicht anders verstanden, als dass sich hier derjenige äußert, der gar die Kriegsdienstverweigerung propagiere und so seine nationale Zuverlässigkeit eingebüßt habe. Zwei Tage nach dem „Tag von Potsdam" (21. März), an dem Dibelius bei der gottesdienstlichen Feier die Predigt zu halten hatte, kündigte der neue Reichskanzler unzweideutig an, worauf seine Politik im Innern und nach außen abzielte. HITLER schloss seine Rede zur Einbringung des Ermächtigungsgesetzes mit den Worten: „Mögen Sie, meine Herren, nunmehr selbst die Entscheidung treffen über Frieden oder Krieg." 1 0 0 Nachdem alle kritische und nonkonformistische Literatur, die sich augenscheinlich dieser Politik in den Weg stellte, am 10. Mai 101 auf dem Scheiterhaufen landete und den Flammen übergeben wurde - darunter waren z.B. die Bücher von Fr.W. FOERSTER, S. FREUD, E. KÄSTNER, H. MANN, C. v. OSSIETZKY, E. TOLLER, K. TUCHOLSKY, Th. WOLFF, Α. ZWEIG und eben auch von E.M. REMARQUE102 - , war es nur eine Frage der Zeit, dass auch das Friedensbuch von Dibelius, das 1933 bereits in 3. Auflage erschienen war, indiziert und so der öffentlichen Diskussion entzogen wurde 103 . Dibelius versuchte, sich der Angriffe gegen seine Person zu erwehren, indem er - zwei Tage nach der öffentlichen Bücherverbrennung am 10. Mai - der Grundaussage seines Buches die Spitze nahm. Nur noch in einem abgeschwächten Sinn bekannte er sich zu dieser Passsage des Buches, indem er nicht mehr die vorgängige Schutzbedürftigkeit von Kriegsdienstverweigerern herausstellte, sondern ihnen nur noch, gleichsam aus Zit. nach H . RÜTER, Remarque, 1980, S.160; vgl. E.M. REMARQUE, Westen, 1992, S.313. Von Dibelius zit. in: RdBr. v. 26.4.1932. 1 0 0 R. MORSEY, Ermächtigungsgesetz, 1968, S.41; W . LAUKMANN / M. SCHLENKE, Geschichte V, 1975, S.282. 101 Vgl. den „Bildbericht für das deutsche Christenvolk", 1933, N r . l (Evangelium im Dritten Reich V. 4.6.1933); H . - U . THAMER, Verführung, 1986, S.304f.; Chr. Graf v. KROCKOW, Die Deutschen, 1992, S.255f. 1 0 2 Eine Wiener Zeitung wies dabei vor allem auf REMARQUES Roman ,1m Westen nichts Neues' hin, aus dem Dibelius in seinem Friedensbuch so ungeniert zitiert hatte: „...lehrreich ist's immerhin, auf welchen Geist sie es abgesehen haben. Der bestgehaßte deutsche Schriftsteller im Hakenkreuz-Deutschland ist der Frontkämpfer REMARQUE; er hat ja das Verbrechen begangen, das wahre Bild des Krieges in die breiten Massen zu tragen; das können ihm diejenigen nicht verzeihen, die den Massen, die sie wieder an die Schlachtbank führen wollen, ein heroisches Trugbild v o m Krieg vorspiegeln müssen!" (zit. bei: U . WALBERER, 10. Mai 1933, 1983, S.118). 103 Vgl. L i s t e cJ es schädlichen und unerwünschten Schrifttums, 1938, S.25. 98
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der kirchlichen Distanz, die begleitende oder nachträgliche Achtung nicht versagen wollte: „Mit dem Pazifismus in seiner landläufigen Form hat der Christ nichts gemein. Der Pazifismus der ,gemeinen Naturen', wie ich es genannt habe, also der Pazifismus des Herrn Kurt T U C H O L S K Y und seiner Gesinnungsgenossen, ist eine Schande für das deutsche Volk", aber „die Achtung vor dem christlichen Gewissen der andern darf eine christliche Kirche nicht vergessen, auch wenn sie selber einen anderen Weg geht. Das ist Sinn und Inhalt des Buches."104 Diese defensive Angstreaktion von Dibelius ist zu erklären in dem Kesseltreiben, das von interessierter deutsch-christlicher Seite aus gegen ihn und sein Friedensbuch bereits im Gange war. Im April 1933 ließ der Fraktionsführer der Nationalsozialisten im preußischen Landtag, Wilhelm K U B E , im ,Märkischen Adler' Passagen aus dem Friedensbuch von Dibelius nachdrucken. Und wenige Tage später stellte Alfred BlERSCHWALE, der Reichskulturreferent der GDC, in einer Flugschrift „Ein offenes Wort an Herrn Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius" alle die Passagen aus dem Friedensbuch zusammen, die geeignet waren, die vaterlandslose Gesinnung von Dibelius an den Pranger zu stellen. Die Kampagne gegen Dibelius bewirkte schließlich, dass Dibelius den Nationalsozialisten und den „Deutschen Christen" von Anfang an als ein Hauptverdächtiger galt und dass er deshalb als einer der ersten im Jahr 1933 von Staatskommissar J Ä G E R beurlaubt und dann vom Kirchensenat der „braunen Synode" in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden war 105 . Aber auch in der Folgezeit gab es Gelegenheit, dem zwangsemeritierten Generalsuperintendenten seine „Friedensgedanken" vorzuhalten. Dibelius hielt am 19.11.1934 in Neuruppin einen Vortrag mit dem Thema: „Uber die Erneuerung der Kirche im Kampf unserer Tage". Es kam dabei zu tumultartigen Szenen, im Verlauf derer der Neuruppiner Pfarrer FALKENBERG den Redner von einer verdeckten Position aus immer wieder laut einen „Landesverräter" nannte. Daraufhin wurde die Versammlung polizeilich aufgelöst und Dibelius im Potsdamer Polizeigefängnis bis zum nächsten Tag festgehalten, weil er, so die amtliche Begründung, gegen den durch das Vertrauen des Führers in seine Stelle eingesetzten Reichsbischof M Ü L L E R polemisiert und agitiert habe und sich so des Landesverrats schuldig gemacht habe106. In dem Prozess am 15./16. April, den Dibelius auf dringendes Anraten der Neuruppiner Bekennenden Gemeinde gegen FALKENBERG anstrengte, und in der Revisionsverhandlung am 14./15. August 1935 bestritt der Angeklagte den Vorwurf, Dibelius einen Landesverräter genannt zu haben. Die Verhandlungsstrategie der Verteidigung suchte vielmehr Dibelius zum Angeklagten zu machen, indem sie das Buch ,Friede auf Erden?' als Beweismittel dafür aufbot, dass der Vorwurf des Landesverrats, wäre er denn geäußert worden, wegen seines Eintretens für die Kriegsdienstverweigerer auch beRdBr. v. 12.5.1933. Die ausführliche Begründung dieser These findet sich im nächsten Kapitel (vgl. S.414ff.). 1 0 6 Vgl. Schreiben der Reichswehrwerbestelle Neuruppin v. 2 2 . 1 1 . 1 9 3 4 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, A 6). 104 105
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äußert worden, wegen seines Eintretens für die Kriegsdienstverweigerer auch berechtigt gewesen wäre. Außerdem machte FALKENBERG geltend, das Buch von Dibelius sei schon „von Seiten des Staatskommissars HLNKEL beim Propagandaministerium als unglaublicher Skandal und schändliches Machwerk bezeichnet" worden 107 . In beiden Verhandlungen ließ sich das Gericht von der Partei und der ortsansässigen SA nicht beeinflussen, sondern folgte jedesmal den glaubwürdigen Zeugenaussagen und verurteilte den Neuruppiner Pfarrer zu einer Geldstrafe 108 . Auch A. ROSENBERG, der Verfasser des „Mythus des 20. Jahrhunderts", ließ es sich nicht entgehen, den Prediger des Jahrhunderts der Kirche" zu zitieren und auf Grund seines Friedensbuches den Vorwurf des Landesverrats zu erneuern. In seiner Schrift „Protestantische Rompilger" (1937) zitiert Rosenberg die wichtigsten Passagen des Friedensbuches, um dann das vernichtende Urteil über Dibelius zu sprechen: „Der Herr Dibelius tut, als begriffe er nicht! Wenn ein Staat eine derartige aus Grundsatz des Christentums landesverräterische Haltung anerkennen würde, dann gäbe es keine Staaten mehr, keine Verteidiger einer Tradition, d.h. aber am Ende: diese Christen und ihre Freunde würden von der bewaffneten bolschewistischen Unterwelt zusammengeschlagen werden. Dr. Dibelius, der einst auf dem denkwürdigen ,Tag von Potsdam' am 21. März 1933 die Festpredigt in der Kirche hielt, zieht dann auch für Deutschland die Konsequenzen." 109 Die Aussagen von Dibelius machen nach ROSENBERG vollends klar, wohin das prominente Mitglied der Bekennenden Kirche in letzter Konsequenz zu rechnen sei: „Der protestantische Generalsuperintendent unterscheidet sich im Grundsatz also nicht von jüdischen und marxistischen Saboteuren der Systemzeit. Er weiß auch ganz genau, daß er sich mit diesem Schutz der Deserteure in die Gesellschaft auch des Lumpengesindels begibt und ist deshalb bereit, ein ,Maryrium' für die fahnenflüchtigen Jünger Christi' anzuerkennen. ... Also: Gott gehorsam sein heißt Landesverräter und Deserteur sein! Wenn das Christentum ist, dann gnade Gott dem deutschen Volk, wenn derartige .Bekenner' je Einfluß gewinnen sollten!"110 Und mit einer Drohgebärde beschließt ROSENBERG seine wilde Polemik: „Man wird sich zur gegebenen Zeit des Herrn Dibelius zu erinnern wissen." 111 Nachdem das ,Schwarze Korps' bereits einen Vorabdruck 112 der ROSENBERG'schen Schrift veröffentlicht hatte, versuchte Dibelius, mit einer Auswahl von Zitaten aus seinem Friedensbuch die dort geäußerten Vorwürfe zu entkräften 113 . 107 FALKENBERG an Konsistorium v. 15.9.1935 (EZA BERLIN, 14/22797; zum Ganzen vgl. EZA BERLIN, 14/13335, G. HARDER, Kirche, 1935, S.3f. u. S.13-16, Fr. GOLLERT, Dibelius, 1959, und Fr. ZIPFEL, Kirchenkampf, 1965, S.98). 108 Vgl. Christ, 1961, S. 185-190. 109 A. ROSENBERG, Rompilger, 1937, S.81; vgl. LKA OLDENBURG, Präs.d. Bek.Syn. in, 3-6. 110 EBD., S.83f. 111 EBD., S.84. 112 Auf der Titelseite des ,Schwarzen Korps' vom 2.9.1937 war der Hetzartikel unter der Überschrift abgedruckt: „Rosenberg an die Protestanten. Ketzerei und Landesverrat". 113 Drei Randbemerkungen zu einem Kapitel Rosenberg (1937). Dibelius verteidigt sich dort mit dem Hinweis auf Textauszüge aus seinem Buch .Friede auf Erden?' (dort S. 204, 205, 207f., 208, 210).
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(1927), u m die vaterländische und staatsloyale Gesinnung der Kirche gegen die Vorwürfe ROSENBERGS unter Beweis zu stellen 114 . Weit offensiver nahm ein anderes leitendes Mitglied der Bekennenden Kirche die diffamierende Provokation der ROSENBERG-Schrift zum Anlass, u m sich gegen diese Art von Beschimpfung und Verunglimpfung von nationalsozialistischer Seite zur Wehr zu setzen. Mit einem drei Seiten langen Brief 1 1 5 an die Schriftleitung des ,Schwarzen Korps' protestierte der reformierte Pastor Friedrich MIDDENDORF gegen die „sehr billige Wiederholung der Schimpfrede v o m ,volksvergessenen Pfaffengezänk'" und bezeichnete solche Unterstellungen als „ein wenig würdiges und unritterliches Verhalten gegen Wehrlose und mundtot Gemachte". Als „Mitglied des Rates der Deutschen Evangelischen Kirche und Mitunterzeichner jener an den Führer gerichteten, wahrscheinlich Monate lang ihm vorenthalten gebliebenen Denkschrift von Ende Mai 1936" solidarisierte er sich mit Dibelius und gab zu verstehen, dass er mit dem Angriff ROSENBERGS auch sich selber getroffen fühle. MIDDENDORF stellte in seinem Erwiderungsschreiben die Position von Dibelius richtig: Dibelius vertrete die Meinung, „daß die Kriegsdienstverweigerung oft einem irrenden Gewissen entspringt. Was er als unzulässig verwirft, ist lediglich die Vergewaltigung eines irrenden Gewissens." Darüberhinaus interpretiert und verteidigt MIDDENDORF Dibelius - mit dem Hinweis auf den Angriffs- und Eroberungskrieg des faschistischen Italien gegen Abessinien (Äthiopien) im Jahr 1935 - dahingehend, „daß auch einmal aus gesundem und zutreffendem Gewissensurteil die politische Haltung des eigenen Volkes im Falle eines Krieges von einem Christen abgelehnt werden muß". Weit mutiger als der lutherische Generalsuperintendent und vielleicht schon in der Vorahnung des Kommenden nimmt hier der reformierte Pastor den Fall in den Blick, dass ein Christ seinem Gewissen folgen können muss, auch wenn er sich dabei gegen seine eigene Kirche und gegen sein eigenes Volk stellt. N o c h einmal wurde das Friedensbuch von 1930 für die öffentliche Auseinandersetzung instrumentalisiert, nachdem im Jahr 1950 der neue Ratsvorsitzende der E K D dem amerikanischen Präsidenten TRUMAN auf der Durchreise nach Kanada einen Besuch abstattete. Der Schweriner Domprediger Karl KLEINSCHMIDT, früher streitbarer Anhänger der religiösen Sozialisten 1 1 6 und späteres SED-Mitglied, versuchte in einem Offenen Brief 1 1 7 , die Aussagen des Friedensbuches von 1930 gegen den angeblich kriegstreibenden Berliner Bischof ins Feld zu führen. KJLEINSCHMIDT sprach den „hochwürdigen Herrn Bischof" auf sein damaliges Buch an und forderte ihn auf, seine Friedensgesinnung unter Beweis zu stellen und dem in der veröffentlichten Meinung Ost-Deutschlands kolportierten Vorwurf zu begegnen, er sei amerikahörig und habe den „Stockholmer Appell" Drei Randbemerkungen zu einem Kapitel Rosenberg, 1937, S.5f. Fr. MIDDENDORF (auf der Reise in der Eisenbahn) an die Schriftleitung des „Schwarzen Koros" in Berlin v. 2.9.1937 (EZA BERLIN 50/71, pag.55-57). 1 1 6 Vgl. ChW 45, 1931, Sp.612ff., 788f. ; ZRS 1931/3, S.274ff. 1 1 7 KLEINSCHMIDT an Dibelius v. 14.7.1950 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Nr.30; dort finden sich auch Zeitungsartikel zu der öffentlichen Kampagne gegen Dibelius). 114
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Vorwurf zu begegnen, er sei amerikahörig und habe den „Stockholmer Appell" zur Achtung der Atombombe nicht unterschrieben, weil er es mit den amerikanischen Imperialisten nicht verderben wolle. KLEINSCHMIDT nahm dafür jene Sätze in dem Friedensbuch von 1930 in Anspruch, in denen Dibelius auf die absolute Friedenspflicht der USA hinwies, da sie auf Grund ihrer geopolitischen Lage von niemandem bedroht seien und sich deshalb ohne Einschränkung der Sache des Friedens hingeben könnten. Dibelius hätte also in der Zeit des Kalten Krieges und des Korea-Krieges dem amerikanischen Präsidenten gegenüber eben diese Haltung entgegenbringen müssen. Längst freilich hatte Dibelius selber Gelegenheit gehabt, noch einmal auf sein damaliges Friedensbuch zurückzukommen - freilich in einem Zusammenhang, den das diktatorische SED-Regime in Ost-Deutschland für sich selbst nicht gelten lassen wollte. Auf der EKD-Synode im April 1950 forderte die Kirche vom Staat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein. Ein „Wort zum Frieden" wurde dort „in großer Einmütigkeit" (Präses G. H E I N E M A N N ) beraten und dann einstimmig verabschiedet. Mit Genugtuung und „einer gewissen inneren Bewegung" stellte der EKD-Ratsvorsitzende Dibelius in seinem Schlusswort fest: „Dieses Wort hätte vor 20 Jahren nicht gesprochen werden können. ...Als ich vor etwas mehr als 20 Jahren - damals als Generalsuperintendent der Kurmark - in einem Buche schrieb, daß, wenn sich Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen einmal finden, die Kirche vor ihrem Herrn Jesus Christus die Pflicht und Schuldigkeit habe, ihnen an der Seite zu stehen und ihnen zu sagen, auch wenn sie ihren Entschluß etwa nicht billigen sollte: ihr gehört zu uns und seid unsere Brüder! da erhob sich ein Sturm in unserer Kirche, daß jemand so etwas sagen könnte. Und heute sagen wir es in großer Einmütigkeit. Was für ein Wandel der Dinge liegt darin." 118
1 1 8 EKD-Synode Berlin-Weißensee 1950, S.397, S.390. - Noch im selben Jahr hieß es in einer Erklärung, die der Rat der E K D am 27.8.1950 auf dem Essener Kirchentag zur Wiederaufrüstung abgab: „Einer Remilitarisierung Deutschlands können w i r das W o r t nicht reden, weder was den Westen noch was den Osten anbelangt. ...In jedem Fall aber m u ß derjenige, der u m seines christlichen Gewissens willen den Dienst mit der W a f f e verweigert, die Freiheit haben, sein Gewissen unverletzt zu erhalten." (Kundgebungen der E K D 1 9 4 5 - 1 9 5 9 , S.104) Ein Jahr später sprach Dibelius nicht mehr v o n der „Remilitarisierung" und stellte sich nur noch gegen die Einführung der „allgemeinen Wehrpflicht": die evangelische Kirche stehe entschieden f ü r den Frieden und die Einheit Deutschlands ein und könne „der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht das W o r t reden". K. ADENAUER mußte dann allerdings immer weniger den Widerstand des Berliner Bischofs gegen die Wiederbewaffnung fürchten, da sich f ü r Dibelius im Gegenzug der W e g zu einem v o n ihm so sehr gewünschten Vertragsverhältnis zwischen Staat und Kirche im Blick auf die Einführung der Militärseelsorge öffnete - gegen die ursprüngliche Beschlusslage der E K D S y n o d e (vgl. J. LISTL, Konkordate I, 1987, S.94ff.; W . HUBER, Öffentlichkeit, 1973, S.248 u. S.258f.; zum Ganzen vgl. J. VOGEL, Wiederbewaffnung, 1978). Trotzdem hielt Dibelius die „Absage an den Krieg" aufrecht, „der im Atomzeitalter schlechthin zum Verbrechen wird" (Dibelius im SFB zum 10. Jahrestag der Kapitulation [Aufnahmedatum: 5.5.1955], in: D R A FRANKFURT, Band-Nr. 9 0 1 584).
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Dibelius und die Friedensfrage
1.4 Die Friedensfrage und der Kampf um den preußischen
Kirchenvertrag
Nicht nur kirchliche Gründe und seelsorgerliche Absicht waren leitend bei der Abfassung des Buches ,Friede auf Erden?'. Nicht weniger gewichtig war für Dibelius eine politische Motivation verbunden, mit seinem Friedensbuch an eine breite Öffentlichkeit zu gehen; er war bestrebt, mit seinem Buch „aus der parteipolitischen Verkrampfung unserer Tage" 1 1 9 herauszukommen und das nach seiner Ansicht bewusst und zielgerichtet von der Sozialdemokratie kolportierte Vorurteil zu entkräften, wonach die evangelische Kirche in ein schwarz-weiß-rotes Kartell mit den Monarchisten, den vaterländischen Verbänden, dem Stahlhelm eingebunden sei - mithin mit den Militaristen und Kriegshetzern. Dass es gerade jetzt von so entscheidender Wichtigkeit sei, von der evangelischen Kirche sichtbar und hörbar andere Signale auszusenden, deutete Dibelius in einem seiner ,Sonntagsspiegel' an: „Es fällt schwer, sich des Eindrucks zu entschlagen, daß hier eine bestimmte Haltung vorbereitet werden soll, die die Sozialdemokratie einzunehmen gedenkt, wenn es nun Ernst werden soll mit dem Vertrag zwischen Staat und evangelischer Kirche." 120 Was also schon von TRAUB und auch vom jungkonservativen Lager 121 aus vermutet wurde, bestätigt sich hier: Dibelius wollte bewusst die evangelische Kirche politisch in eine neue Richtung führen und an die Sozialdemokratie 122 annähern. Diese politische Neuorientierung bestand allerdings in dem Kalkül, dass von Seiten der Kirche gute Voraussetzungen geschaffen werden sollten für einen erfolgreichen Abschluss des schon lange in Aussicht genommenen Staatsvertrages mit der Kirche. Schon einmal hatte Dibelius ja miterlebt, wie der Staat bzw. die staatstragenden Parteien den Weg der Kirche, in diesem Fall den Weg zur neuen Kirchenverfassung, mit politischen Mindestforderungen erschwerte, ohne deren Erfüllung das Verfassungswerk damals nicht den staatlichen „Segen" hätte bekommen können.
1 1 9 RdBr. v. 12.12.1929. Ausführlich und kontrovers wurde im Hauptausschuss des Preußischen Landtages über die Haltung der Kirche im Allgemeinen und die von Dibelius im Besonderen debattiert. Dabei ging es um die staatsfeindliche oder staatsfreundliche Haltung und die parteipolitische Neutralität der Kirche und um den Pazifismus - äußere Anlässe waren der 70. Geburtstag des Kaisers, die kirchliche Behandlung des Verfassungstages und der Flaggenfrage. Frau WELLMANN (SPD) äußerte den Vorwurf, die „evangelische Kirche sehe alles das als unpolitisch an, was im Sinne der Rechtsparteien geschehe, und betrachte das als politisch, was im Sinne der Linksparteien sei" (EZA BERLIN, 7/2045, pag.77R). 1 2 0 SoSp. v. 11.8.1929. 1 2 1 Vgl. R. LANGENBACH, Die Friedensfrage und die evangelische Kirche (Der Ring, 1930, S.236ff. / Standarte, 1930, S.276-281). Zur Herkunft, Entwicklung und Zielsetzung des „RingKreises" vgl. Y. ISHTOA, Jungkonservative in der Weimarer Republik, 1988. 1 2 2 Der Entschluss, die Kirche den Sozialdemokraten anzunähern, fällt in eine politische Phase, in der nach dem Erfolg der SPD bei den Reichstagswahlen von 1928 eine relativ stabile und dauerhafte SPD-Führung in der Reichsregierung zu erwarten war (tatsächlich war die Reichsregierung Hermann MÜLLERS mit 636 Tagen in der Zeit der Weimarer Republik am längsten im Amt). Diese Aussicht bedeutete zugleich eine Stärkung der in Preußen seit 1925 SPD-geführten Regierung von Otto BRAUN (vgl. H. SCHULZE, Braun, 1977, S.475ff.). Ohne die Sozialdemokraten oder an ihnen vorbei würde es also keinen Kirchenvertrag geben.
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Wieder sah Dibelius eine solche Konstellation dadurch gegeben, dass die evangelischen Kirchen Preußens auf den Abschluss eines Staatsvertrags drängten, nicht nur um ihre eigene „Konkordatsfähigkeit" unter Beweis zu stellen, sondern auch um der Parität mit der katholischen Kirche willen. Diese katholische Kirche war ja bereits im Juni 1929 mit ihrer Konkordatspolitik auch in Preußen zum Ziel gekommen, obwohl zu den Forderungen der evangelischen Kirche 123 , und so auch von Dibelius 124 , gehörte, dass das preußische Konkordat und der Staatsvertrag mit den evangelischen Kirchen gleichzeitig und paritätisch 125 ausgehandelt und abgeschlossen werden sollten. Aber dagegen stand, dass das Preußenkonkordat 126 durch die hartnäckige Politik von Nuntius PACELLI im Zusammenwirken mit der Zentrumspartei schon viel länger vorbereitet war und dass die Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit der evangelischen Kirche weit komplizierter waren, weil die preußische Regierung es hier mit mehreren evangelischen Landeskirchen 127 zu tun hatte. Der geplante Kirchenvertrag war nach Dibelius' Uberzeugung „eine Sache von so ungeheurer kirchengeschichtlicher Bedeutung, daß ich die Entscheidung, um die es jetzt geht, für überaus ernst und überaus weittragend ansehe." 128 Für Dibelius ging es vor allem darum, dass die Kirche ihre Selbständigkeit dem Staat gegenüber wahrt, ihr Dienst und ihr Leben von parteipolitischen Gesichtspunkten frei bleibt und dass sie so mit dem Staat in ein „Verhältnis eines gleichberechtigten Vertragspartners" 129 kommt. Die Nagelprobe darauf sah Dibelius in der Frage, ob der Kirche ein Mitspracherecht bei der Besetzung der theologischen Lehrstühle 130 an den Universitäten eingeräumt werde. Vor allem aber richtete sich sein Interesse auf die Frage der „politischen Klausel", mit der der preußische Vgl. Berichterstatter WOLFF (Generalsynode 1929, S.25). Vgl. z.B. SoSp. v. 9.6.1929 u n d R d B r . v. 19.6.1929. 1 2 5 D e m entsprachen auch die Aktivitäten der beiden konfessionellen Reichsaussschüsse der D N V P , die zusammen am 6.12.1928 tagten (vgl. MUMM an KAPLER v. 26.11.1928, E Z A BERLIN, 7/437, pag.55). Dabei wurde gefordert, dass dem preußischen Landtag um des konfessionellen Friedens willen „gleichwertige, der Eigenart der beiden Kirchen entsprechende Verträge gleichzeitig und in unlöslicher Verbindung vorgelegt werden" (EBD., pag.59). 1 2 6 H . SCHULZE bezeichnet das Preußenkonkordat als das „beeindruckendste... staatsmännische... Jonglierkunststück", das der Autorität und der taktischen Beweglichkeit des preußischen Ministerpräsidenten O t t o BRAUN zu verdanken sei (H. SCHULZE, Braun, 1977, S.854, vgl. S.550ff.). 1 2 7 Dibelius forderte wegen dieser Inkompatibilität kirchlicher und staatlicher Strukturen innerhalb Preußens zumindest ein besseres institutionelles Zusammenwirken, wenn nicht gar den Zusammenschluss der acht Landeskirchen in Preußen (vgl. SoSp. v. 29.5.1932). 1 2 8 RdBr. v. 19.6.1929. 1 2 9 RdBr. v. 23.3.1931. „Im kommenden Jahre wird die endgültige Entscheidung darüber fallen, ob die evangelische Kirche in Preußen dem Staat als gleichberechtigter Vertragspartner gegenübertritt, oder ob es bei dem bisherigen Verhältnis bleiben soll: die katholische Kirche selbständig und gleichberechtigt, die evangelische ein geduldiges Objekt staatlicher Beschlüsse in den Händen der Regierung und der Parlamente" (WoSch. v. 28.12.1930). 1 3 0 „Namentlich die Marburger Fakultät hat mit Leidenschaft und Zähigkeit gegen jede Einmischung der Kirche in die Bestellung der Professoren gekämpft. Aber es ist schließlich ein Weg gefunden worden, der allen berechtigten Wünschen Rechnung trägt. Die Wünsche der Marburger rechne ich dabei nicht zu den berechtigten" (WoSch. v. 28.12.1930). 123
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Dibelius und die Friedensfrage
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Staat ein Mitwirkungs- bzw. Vetorecht bei der Besetzung der höchsten kirchlichen Amter 131 festzuschreiben beabsichtigte. Nachdem es doch vorzeitig und einseitig zum preußischen Konkordatsabschluss gekommen war und deshalb die evangelische Kirche bei den künftigen Verhandlungen über ihren Staatsvertrag nicht mehr mit der Schützenhilfe der katholischen Kirche und mit dem Engagement der Zentrumspartei rechnen konnte, beklagte es Dibelius, dass nun die evangelische Kirche ins Hintertreffen geraten sei: Durch das Konkordat „wird es in Preußen, dem zu zwei Dritteln evangelischen, ebenso wie in dem katholischen Polen, Recht und Gesetz sein, daß unter den gleichberechtigten Konfessionen die katholische Kirche eine Vorzugsstellung einnimmt!" 132 Und immer wieder hämmerte Dibelius es seiner Leserschaft ein: Seit dem Konkordatsabschluss ist die evangelische Kirche in Preußen „eine Kirche minderen Rechts" 133 geworden. Der demokratische preußische Staat hat der evangelischen Kirche eine empfindliche und kaum mehr zu heilende Wunde geschlagen. Dibelius hatte es darauf angelegt, in der Öffentlichkeit Stimmung gegen die „politische Klausel" und gegen ein einseitig staatlich besetztes Schiedsgericht134 zu machen, um damit ein öffentliches Signal für die Selbständigkeit und gegen jede staatliche Einmischung zu geben. Gleichzeitig sollte das vitale Interesse der Kirche an diesem Vertrag auch nicht nur den Anschein einer Ergebenheit, einer Nachgiebigkeit oder gar Erpressbarkeit der Kirche erwecken 135 . Unter diesem Gesichtspunkt war die öffentliche Debatte um die „politische Klausel" in gewisser Weise ein Ablenkungsmanöver mit dem Zweck, die kirchliche und politische Öffentlichkeit von der Diskussion über die substantiell wichtigen Regelungen der kirchlichen Bestandsgarantie durch den Staat, der finanziellen Absicherung
131 Die Generalsynode hatte die „politische Klausel", die vom Staat aus Paritätsgründen mit dem Konkordat zur conditio sine qua non für den ganzen Vertrag erklärt wurde, bereits im Vorfeld der eigentlichen Vertragsverhandlungen akzeptiert. Dennoch sah Dibelius in dieser Klausel eine „Belastung" für das Verhältnis Kirche - Staat (vgl. WoSch. v. 28.12.1930). Die Kirche muss „mit der politischen Klausel auf ein Stück (ihrer) Freiheit verzichten... Insofern ist kein Grund zu überschwenglicher Freude" (RdBr. v. 29.4.1931). 1 3 2 SoSp.v. 7.7.1929. 1 3 3 SoSp. v. 14.7.1929, 21.7.1929, 28.7.1929, 12.1.1930, 2.11.1930. 1 3 4 WoSch. v. 23.3.1930. Zur Frage des Schiedsgerichts vgl. die gutachterlichen Äußerungen von W . SCHÜCKING und Fr. PREISER (PrKZ 27, 1931, Sp.91f. und Sp.98-100). - Bei einer Besprechung der Konsistorialvertreter mit dem E O K am 26.2.1931 drängte Dibelius darauf, bald mit der Diskussion um den Kirchenvertrag an die Öffentlichkeit zu gehen, um „die öffentliche Meinung in der Richtung zu beeinflussen, daß die kirchliche Erörterung und Beurteilung des Kirchenvertrages sich auf rein kirchliche Gesichtspunkte zu beschränken habe" ( E Z A BERLIN, 7 / 1 0 8 7 , pag.65). 1 3 5 Die Gemeindevertretung von Zehdenick forderte am 24.11.1930 auf Grund eines Artikels von Dibelius (vgl. WoSch. v. 16.11.1930) in einer Eingabe an den E O K , „im Vertrage mit dem Staate keinerlei Bindungen einzugehen, die eine Abhängigkeit der Kirche v o m Staate erneut festlegen würden" ( E Z A BERLIN, 1 / B 3 / 2 3 9 , pag.179). Mit ähnlichen Entschließungen gingen auch kirchliche Verbände wie z.B. der Evangelische Bund oder DOEHRINGs Lutherring an die Öffentlichkeit.
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der Kirche und der Behaftung des Staates auf seine Kirchenhoheit abzuhalten136. Nach außen hin bedeutete für Dibelius der Kampf gegen die „politische Klausel" 137 die Nagelprobe auf die Wahrung der Eigenständigkeit der Kirche, während die Diplomatie der kirchlichen Verhandlungsführung um der Staatsdotationen willen hier Kompromisse einzugehen bereit war. Diese Kompromissbereitschaft war für Dibelius unerträglich, und nur mühsam konnte er sich zügeln, dies auch in aller Deutlichkeit öffentlich auszusprechen. Denn damit wäre ja die von Dibelius immer geübte und auch von anderen geforderte Loyalität gegenüber dem amtlichen Kurs der Kirche untergraben. Trotzdem konnte Dibelius nicht umhin, wenigstens leise seine Unzufriedenheit in einem seiner Sonntagsartikel anklingen zu lassen. Zunächst stellte Dibelius dort in aller Klarheit fest: „Worum es sich jetzt vor allem handelt, ist die Frage der sogenanntem politischen Klausel und die damit zusammenhängende Frage des Schiedsgerichts. Die Kirche wünscht für etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen sich und dem Staat ein Schiedsgericht. Der Staat hat das Schiedsgericht bisher nicht zugestanden." In einer logisch nicht ganz klaren Gedankenführung bekundete Dibelius dann sein Unbehagen mit den Vorverhandlungen über den Kirchenvertrag. Denn einerseits forderte auch er dieses Schiedsgericht für Meinungsverschiedenheiten in finanziellen Dingen, lehnte es andererseits aber ab, dass die Kirche sich bei Meinungsverschiedenheiten wegen der Besetzung der leitenden kirchlichen Amter einer staatlichen Instanz, etwa einem Oberverwaltungsgericht, beugen solle: „Eine Kirche, die wirklich Kirche ist, unterwirft sich in einer Frage, bei der es um ihr innerstes Leben geht nicht ohne ganz zwingende Notwendigkeit einem Schiedsgericht, das von außen her einen Schiedsspruch fällt." Im Grunde stellte Dibelius überhaupt das Mitbestimmungs- bzw. das Vorbehaltsrecht des Staates und damit die „politische Klausel" in Frage, die „für die Kirche das viel ernstere Problem" darstelle als die Frage des Schiedsgerichts. Freilich empfand Dibelius auch, dass er mit dieser Stimmungsmache u.U. die Verhandlungen erschweren würde, da es durch den Vorgang des Preußenkonkordats klar war, dass wie die katholische Kirche auch die evangelischen Landeskirchen aus Paritätsgründen eine politische Klausel im Staatsvertrag akzeptieren müsse138.
1 3 6 In einer vertraulichen Denkschrift über „leitende Gesichtspunkte für die publizistische Behandlung der Konkordatsfrage" ( E Z A BERLIN, 7 / 4 3 7 , pag.39f.), die EOK-Präsident KAPLER an Justizrat HALLENSLEBEN weiterleitete, wird davon abgeraten, „gegen das Konkordat an sich" zu polemisieren. Denn es war klar, dass ein Konkordat, das eine politische Klausel enthält, entsprechende paritätische Folgen für die Bestimmungen eines Staatsvertrags mit der evangelischen Kirche nach sich ziehen würde. 1 3 7 Vgl. SoSp. v. 16.3.1930, 23.11.1930, 4.1.1931, 12.4.1931, 26.4.1931, 21.6.1931 und WoSch. v. 23.3.1930, 16.11.1930, 19.4.1931. 138 Vgl. Artikel 6 und 7 dss Preußenkonkordats v o m 14.6.1929 mit Artikel 7 des Kirchenvertrags v o m 11.5.1931 (E.R. HUBER / W . HUBER, Staat IV, S.325 und S.710). Der preußische Staat hat sich letztlich mit seiner Ablehnung eines Schiedsgerichts durchgesetzt, was das Gewicht der Staatsregierung ja noch verstärkt. Die „unselige politische Klausel" (SoSp. v. 23.11.1930) wurde lediglich durch die „Freundschaftsklausel" (Art. 12) und durch das Schlussprotokoll zu Art.7,2
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U m sein Gewissen zu salvieren, sah sich Dibelius veranlasst, noch vor Veröffentlichung seines ,Sonntagsspiegels' den EOK-Präsidenten KAPLER handschriftlich mit einem Entschuldigungs- und Rechtfertigungsschreiben 139 vom Inhalt des Artikels zu unterrichten: „Lieber Herr Kollege! Ich habe für den Sonntagsspiegel des ,Tag' heute ein kurzes Wort zum Staatsvertrag geschrieben. Es mußte sehr eilig gehen. Sonst hätte ich versucht, mich mit Ihnen noch einmal zu verständigen. Sie werden vielleicht nicht ganz zufrieden mit mir sein. Aber der Augenblick wird kommen, in dem Sie sich auf mich berufen können. Ich habe die gemeinsame Front gewahrt, aber meinen Dissensus ganz leise anklingen lassen. Ich bin nämlich von Tag zu Tag mehr gegen das Schiedsgericht. Für finanzielle Fragen lasse ich es gelten. Aber in Sachen der politischen Klausel kann sich eine Kirche nach meiner Meinung niemals einem Schiedsgericht unterwerfen. Sie kann es tragen, wenn sie einmal dem Diktat weichen muß. Aber einem Dritten, der doch, ideell jedenfalls, außerhalb der Kirche steht, in einer Sache ihres inneren Lebens richten zu lassen zwischen ihr und dem Staat - das ist für eine Kirche, die sich ihres Eigenwerts und ihrer überzeitlichen Sendung bewußt ist, schlechtweg unerträglich. ...Verzeihen Sie! So ist nun mal Ihr Dibelius." 140 In Wirklichkeit hat Dibelius die unvermeidliche Loyalitätsforderung des Staates, die mit der „politischen Klausel" verbunden war, lieber in Kauf genommen gegenüber der Möglichkeit, dass ein solches Vertragswerk zwischen Staat und Kirche womöglich gar nicht zustande käme. Dibelius stellte das Zustandekommen des Kirchenvertrags in seiner Bedeutung gleichrangig an die Seite jener Entgemildert (vgl. EBD., S.711f.); dadurch wurde aber keine verbindliche Rechtssicherheit hergestellt. Art.7 des Kirchenvertrags bestimmt, dass vor der Besetzung kirchenleitender Amter die Staatsregierung die politische Unbedenklichkeit des vorgesehenen Stelleninhabers erklären muss. Umgekehrt gibt aber der Staat bei der Besetzung von ordentlichen und außerordentlichen Professuren an den theologischen Fakultäten der kirchlichen Behörde nur die „Gelegenheit zu gutachtlicher Äußerung" (Art.11,2). Die abschließende „Freundschaftsklausel" (Art.12) führt nur sehr vage aus: „Die Vertragschließenden werden eine etwa in Zukunft zwischen ihnen entstehende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beseitigen." (EBD., S.710f.) - Die von Dibelius in seinem ,Sonntagsspiegel' geäußerten Bedenken wurden bereits wenige Jahre später bei dem Eingriff des NS-Staates in die evangelische Kirche bestätigt: „Das Entscheidende ist die Frage, ob der Staat sein Verhältnis zur evangelischen Kirche wirklich und endgültig bereinigen will. Dann muß er der Kirche die Gewißheit geben, daß sie unbedingt und in allen Fällen in einer Atmospähre des Rechtes und der Gerechtigkeit leben kann und nicht unter staatlicher Willkür. Die Zeiten wandeln sich, Staatsregierungen kommen und gehen. Wer will sagen, was für politische Verhältnisse wir nach zehn Jahren in Preußen haben werden! ...Und wenn Staat und Kirche einen gemeinsamen Boden finden sollen, dann muß es der Boden des Rechts sein. Nicht der Boden augenblicklicher politischer Interessen" (SoSp. v. 23.11.1930). 1 3 9 Dibelius an KAPLER v. 21.11.1930 (EZA BERLIN, 7/437, pag.114). 1 4 0 Dibelius behauptet, dabei scheinbar einlenkend: „Die politische Klausel bin ich bereit zu akzeptieren. Die schadet der Kirche nicht. Aber das Schiedsgericht macht die Sache nicht besser, sondern schlimmer" (Dibelius an KAPLER v. 21.11.1930, in: E Z A BERLIN, 7/437, pag.114); es ist sehr wohl zu spüren, dass sich Dibelius im Grunde nur widerstrebend mit der „politischen Klausel" abfinden konnte, weil er doch wusste, dass sie als Verhandlungsgegenstand gar nicht mehr zur Disposition stand.
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wicklung, die 1922 mit dem Zusammenschluss der 28 Landeskirchen Deutschlands zu einem öffentlich-rechtlichen und staatlich anerkannten Kirchenbund 141 gekrönt worden war. Mit unverhohlenem Jubel begrüßte Dibelius den Abschluss des Kirchenvertrags und beglückwünschte in seiner privaten Grußadresse den EOK-Präsidenten zu diesem Verhandlungserfolg: „Ich möchte bei der heutigen allgemeinen Lage nicht gern in der Öffentlichkeit zu viel darüber sagen, was der Staatsvertrag nach meiner Meinung bedeutet. Ihnen gegenüber aber darf ich es offen aussprechen, daß dieser Vertrag meines Erachtens nächst der Gründung des Kirchenbundes das Bedeutungsvollste ist, was unserer Kirche in den letzten Menschenaltern zuteil geworden ist. Noch vor wenigen Jahren schien es undenkbar, daß die evangelische Kirche dem Staat gegenüber jemals selbständige Vertragspartnerin sein könnte. Die evangelische Öffentlichkeit ging noch so völlig in den Bahnen alter Staatsauffassungen, daß sie ein solches Verhältnis nicht einmal für wünschenswert ansah. Und doch hätte es die evangelische Kirche mehr und mehr zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, wenn sie Objekt innerstaatlicher Gesetzgebung geblieben wäre. Jetzt war die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Evangelische seine eigene Kirche respektieren kann. Und damit zugleich die Voraussetzung dafür, daß die Kirche gegenüber dem Staat mit einer gewissen Unabhängigkeit auftreten kann, um die Aufgaben zu erfüllen, für die sie da ist." 142 Mit dem Kirchenvertrag143 war also rechtlich und öffentlich vollzogen, was Dibelius für das „Jahrhundert der Kirche" gefordert hatte: die evangelische Kirche bekommt die staatliche Garantie einer Rechts- und Bestandssicherheit; sie ist in ihrer Konkordatsfähigkeit vom Staat anerkannt; die evangelische Kirche ist damit auch der katholischen Kirche gleichgestellt144, die ja sogar völkerrechtlich wirksame Verträge mit den Staaten schließen kann, und die evangelische Kirche ist zusammen mit der katholischen gegenüber anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts in ihrer Vorzugsstellung bestätigt145. Die evangelischen Landeskir1 4 1 Auch im Kirchenbund manifestierte sich für Dibelius das „Jahrhundert der Kirche", indem sich die Kirche in ihrer vierhundertjährigen Zergliederung und Zersplitterung in die vielen landesherrlichen Kirchentümer ein Stück weit vom „Elend der deutschen Kleinstaaterei" lossagte: „Für den, der die Dinge kennt, ist es nicht eine Selbstverständlichkeit - es ist wie ein Wunder, daß der Zusammenschluß der evangelischen Kirchen zu einem Kirchenbund zustandegekommen ist" (SoSp. v. 29.5.1932). 1 4 2 Dibelius an KAPLER v. 22.6.1931 (Sammlung Kapler BERLIN). 1 4 3 Der preußische Kirchenvertrag vom 11.5.1931 wurde am 26.6.1931 gegen die Stimmen der Kommunisten und Nationalsozialisten bei 105 Enthaltungen ratifiziert (vgl. A E L K Z 64, 1931, Sp.644f.). 1 4 4 Nach Meinung von Dibelius hat der Kirchenvertrag nicht nur eine Gleichstellung mit der katholischen Kirche erreicht, sondern weit mehr: „Wir danken Ihnen insbesondere dafür, daß der evangelische Staatsvertrag ein Gebilde eigener Art geworden ist und nicht, wie in Bayern, ein Paritäts-Produkt, das der evangelischen Kirche sozusagen schandenhalber übergestülpt worden ist" (Dibelius an KAPLER v. 22.6.1931, in: Sammlung Kapler BERLIN). 1 4 5 In der Terminologie des Kirchenrechtlers Ulrich STUTZ werden T y p und Status einer solchen „Vertrags- oder konkordatsgesicherten autonomen Trennungskirche" folgendermaßen beschrieben: Es handelt sich um eine Kirche, „die nicht mehr als Staats- oder Landeskirche, sondern als eine von mehreren mit öffentlicher Korporationsqualität ausgestatteten Religionsgemeinschaf-
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chen Preußens gingen gestärkt und selbstbewusst aus den langwierigen Verhandlungen um den Kirchenvertrag hervor 146 . In der Frage z.B. der „Einsichtnahme in den Religionsunterricht" musste sich das Kultusministerium - unter Protest der Preußischen Lehrerverbände - dem kirchlichen Druck, beugen 147 . Im Blick darauf, dass auch andere Religionsgesellschaften oder gar die Freidenkerbewegung in den Genuss eines Staatsvertrages und der staatlichen Anerkennung kommen könnten, hat Dibelius schon vor der Unterzeichnung des Kirchenvertrags seinen Amtsbrüdern größte Zurückhaltung der Öffentlichkeit gegenüber empfohlen: „Es wäre sehr unklug, wenn wir angesichts solcher Möglichkeiten den Anschein erwecken würden, als erwüchse der evangelischen Kirche ein Vorteil, für den andere Leute Kompensationen zu fordern hätten. In unserem Kreise aber darf ich es ruhig aussprechen, daß der Tag, an dem Kirchenleitung und Staatsregierung einen Vertrag zwischen dem Freistaat Preußen und den evangelischen Kirchen unterschreiben, ein kirchengeschichtlich bedeutsamer Tag sein wird, wie wir ihn in der Geschichte des deutschen Protestantismus kaum je erlebt haben. ...Es ist damit ...der entscheidende Schritt zu derjenigen Freiheit und Selbständigkeit getan, deren die evangelische Kirche bedarf, um ihre Kräfte selbständig entfalten zu können. ...Das Jahrhundert der Kirche' ist wirklich da. Und damit zugleich jene Welt von Aufgaben und Verantwortungen, von der wir so oft miteinander geredet haben." 148 U m dennoch die Freude über den Vertrag nicht als einen totalen Sieg der Kirche erscheinen zu lassen, hielt Dibelius nach außen hin daran fest, dass der Kirten im Staate das Rückgrat diesem gegenüber durch einen mit ihm geschlossenen Vertrag gestärkt erhält und sich als vertragsgesichert gegenüber den anderen Religionsgesellschaften, auch denen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechtes anerkannt sind, stark abhebt. Ein Rückzug ist damit freilich von den Kirchen vollzogen, aber im Sinne einer Konzentration in eine befestigte Stellung, von der aus möglicherweise der Verweltlichungs- bezw. Entkirchlichungsprozeß allmählich zum Stehen gebracht wird und neue Eroberungen gemacht werden können" (U. STUTZ, Konkordat und Codex, 1930, zit. nach: C h W 45, 1931, Sp.485). 1 4 6 Im Gefühl dieses Selbstbewusstseins ging Dibelius sogar wieder zum Angriff auf den preußischen Staat über. Das über die ganze Zeit der Weimarer Republik verschleppte Problem eines zu erarbeitenden Reichsschulgesetzes nahm auch der E O K zum Anlass, in der Sache der „Einsichtnahme in den Religionsunterricht" den Konflikt mit dem preußischen Kultusminister GRIMME in die Öffentlichkeit zu tragen.Dibelius wurde vom Preußischen Richterverein Berlins eingeladen, am 26.2.1932 über die „Stellung der evangelischen Kirche zum Staat nach dem Vertrag des Freistaates Preußen mit den evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai / 26. Juni 1931" zu sprechen (vgl. Einladung des Richtervereins an KAPLER und E O K v. 18.2.1932, in: E Z A BERLIN, 7/384; Staat und Kirche, in: D A Z v. 27.2.1932); weitere Zeitungsausschnitte dazu finden sich in: E Z A BERLIN, 7/4463. Dibelius bezeichnete es als eine Brüskierung der Kirche durch den Kultusminister, dass dieser auf die vom E O K angebotene „vornehme und ritterliche Lösung" nicht eingegangen sei, wonach in Anlehnung an die Württembergische Lösung (vgl. WURM an E O K v. 4.3.1932, in: E Z A BERLIN, 7/4461) die Einsichtnahme nicht mehr durch die Geistlichen, sondern durch die im Einvernehmen mit der Kirche beauftragten evangelischen Schulräte vorzunehmen sei. 1 4 7 GRIMME an E O K v. 5.3.1932 (EBD.); vgl. R K Z 82, 1932, S.270 u. 310. „Auf die regelmäßigen Konferenzen, die der Generalsuperintendent mit den Schulräten abhalten soll, wird viel ankommen" (RdBr. v. 19.11.1932). 1 4 8 RdBr. v. 29.4.1931; das folgende Zitat EBD.
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wurde. Der grundsätzliche und bleibende Vorbehalt, den Dibelius gegenüber der „politischen Klausel" hegte und pflegte, verdichtete sich dann auch zum Gerücht, in dem kolportiert wurde, dass Dibelius bereits im Jahr 1932 gesprächsweise vorgeschlagen habe, „durch nur kommissarische Besetzung der obersten Kirchenstelle die vertraglich vorgeschriebene Zustimmung des Preußischen Staates zu umgehen" 1 4 '. W e n n Dibelius mit seinem Buch ,Friede auf Erden?' im Blick auf den abzuschließenden Kirchenvertrag auch eine atmosphärische Verbesserung der Beziehungen zur deutschen Sozialdemokratie erreichen wollte, so hat ihn dieser bedeutsame Annäherungsversuch in eine Spagatposition zwischen die politischen E x t r e m e gebracht: bei der politischen Linken gewann er nicht an Glaubwürdigkeit 1 5 0 , und bei den national Gesinnten hat er sich, wie das Jahr 1933 zeigen wird, erst recht diskreditiert und sich noch mehr von ihnen entfernt, als dies ohnehin in der Entwicklung seines kirchlichen Wirkens erkennbar war. Freilich hatte Dibelius nicht die Kraft, diese Spagatposition durchzuhalten. Dies zeigt seine Haltung im „Fall DEHN". 1.5
Die Friedensfrage
konsequent
und der „Fall Dehn "
Im November 1928 hielt Günther DEHN in Magdeburg einen Vortrag über das Thema „Kirche und Völkerversöhnung" 1 5 1 . Anstoß erregten dabei vor allem die Beispiele 152 , die DEHN für eine angemessene Friedenshaltung aufzählte. Die wachsende Begeisterung für Heldentum und Krieg im deutschen Bürgertum, dann auch in den nationalsozialistischen Studentenverbänden, setzte wilde E m o tionen gegen DEHN frei. Dazu kamen denunziatorische Verleumdungen im ,Tag' EvDrR. v. 16.7.1933, S.270. Auch bei den Sozialdemokraten spielte man mit dem Gedanken, die „politische Klausel" u.U. als Hebel gegebenüber unliebsamen Kirchenführern zu benützen. Von einer Anfeindung gegenüber seiner eigenen Person berichtete in diesem Zusammenhang Dibelius: „Uber das, was die gegenwärtige Staatsregierung mit dieser politischen Klausel bezweckt, kann kein Zweifel sein. Wir werden dafür sorgen, daß wir keine Generalsuperintendenten mehr bekommen, die Sonntagsspiegel für den ,Tag' schreiben! - hat vor geraumer Zeit ein bekannter Abgeordneter in einem unbewachten Augenblick gesagt" (SoSp. v. 4.1.1931). 1 5 1 G. DEHN, Kirche und Völkerversöhnung (1931); BARTH hatte DEHN von der Herausgabe dieser Dokumentation abgeraten (vgl. Chr. SCHWÖBEL, Karl Barth - Martin Rade, 1981, S.253, 256f., 260). - Zum „Fall Dehn" und zum Universitätskonflikt in Heidelberg und Halle vgl. E. BIZER, „Fall Dehn", 1957, S.239-261; G. DEHN, Zeit, 1962, S.247ff.; K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.217ff.; K. NOWAK, Kirche, 1981, S.192, Anm.19; H. LUDWIG, Völkerversöhnung, 1982, S.191-197. 1 5 2 Solche Beispiele sprach DEHN mehr in der Form von Fragen und Problemanzeigen an: die Frage nach einer konsequenten Friedenserziehung schon bei den Kindern, nach der Reinigung der Geschichts- und Lesebücher von aller Verherrlichung des kriegerischen Heldentums; der Hinweis auf den Missbrauch des Schriftwortes in Joh 15,13 („Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde."); das Problem des Instituts der Militär- und Feldgeistlichkeit, das Problem von Gefallenen-Denkmälern in der Kirche. Schließlich warf DEHN auch die Frage der Kriegsdienstverweigerung auf, in deren Beantwortung er allerdings längst nicht so weit ging wie Dibelius in seinem Friedensbuch (vgl. auch H . SASSE im KJ 59, 1932, S.86ff.; G . DEHN, Zeit, 1962, S.254). 149
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tionen gegen DEHN frei. Dazu kamen denunziatorische Verleumdungen im ,Tag' und in T R A U B S ,Eisernen Blättern', die die zunächst auf den akademischen Raum begrenzte Angelegenheit zum öffentlichen „Fall" eskalieren ließen. Die Kirchenleitung verhielt sich in alledem sehr zurückhaltend. Inzwischen wurde DEHN Ende 1931 durch die Befürwortung des sozialdemokratischen Kultusministers GRIMME auf einen Lehrstuhl der Fakultät in Halle berufen, nachdem schon im selben Jahr das Berufungsverfahren in Heidelberg durch den Druck rechtsradikaler Studenten gescheitert 153 war. Das Schweigen der Kirche konnte dabei als eine kirchliche Parteinahme für DEHNs Widersacher gedeutet werden. Karl B A R T H zögerte zunächst mit einer Verlautbarung in der Öffentlichkeit. Als jedoch die Göttinger Professoren E. H I R S C H und H . D Ö R R I E S mit ihrer Erklärung 154 vom 27.1.1932 gegen D E H N geltend machten, dass auch ein Professor der Theologie sich solidarisch erklären müsse mit der Nation und ihrem leidenschaftlichen Freiheitswillen, schrieb B A R T H am 9.2.1932 einen Artikel, der am 15. Februar in der .Frankfurter Zeitung' (Nr. 122) unter dem Titel abgedruckt wurde: „Warum führt man den Kampf nicht auf der ganzen Linie? Der Fall Dehn und die ,dialektische' Theologie". Doch schon bevor B A R T H den „Fall D E H N " zu einem Fall der „Dialektischen Theologie" zu machen sich entschlossen hatte, hob der Münsteraner Theologieprofessor Otto P I P E R den „Fall D E H N " aus dem Dunkel des politischen Meinungsstreits in das Licht des theologischen Richtungskampfes, in dem die Kirche Stellung beziehen und Farbe bekennen müsse. Am 29.1.1932 erschien in der ,Vossischen Zeitung' sein Artikel „Schweigt die Kirche?" P I P E R erklärt dort, im „Fall D E H N " gehe es nicht um einen akademischen Einzelfall, sondern um eine bestimmte Theologie: „Man hat begriffen, daß hinter D E H N S beanstandeten Sätzen eine bestimmte Theologie steht. Man bekämpft deshalb jetzt in D E H N den Vertreter der Theologie, die sich an den Namen Karl Barths knüpft: sie sei wirklichkeitsfremd und staatsfeindlich." Außerdem gehe es jetzt „um die Frage, wie weit der evangelischen Theologie heute noch ein Daseinsrecht in den staatlichen Fakultäten zugestanden wird. Am Fall D E H N wird nur der latente Kulturkampf deutlich, in dem die evangelische Kirche schon seit einer Reihe von Jahren steht." U m dann besonders die Kirche und ihre Führer herauszufordern, erinnert P I P E R auch an das Friedensbuch von Dibelius: Es haben „doch auch kirchliche Führer wie der Generalsuperintendent D. Dibelius sich zu dem Satz bekannt, die Kirche werde ihre Hand über die halten, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern würden. Das deckt sich sachlich mit dem, was man D E H N in besonderem Maße vorwirft." 1 5 5 1 5 3 Lediglich der Neutestamentier Martin DIBELIUS, der Vetter von Otto Dibelius, stellte sich mit einem Minderheitenvotum gegen den Ablehnungsbeschluss der Fakultät. 1 5 4 Vgl. D A Z v. 31.1.1932; E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.802f. (Erklärung von
HIRSCH und DÖRRIES v. 27.1.1932).
1 5 5 O. PIPER, Schweigt die Kirche? (VZ v. 29.1.1932). - Ein in der proletarischen Jugendbewegung großgewordener Leserbriefschreiber forderte die Kirche zur Solidarität mit DEHN auf: „Erkennt die Kirche nicht, daß hier von einem Manne mit persönlichem Einsatz und Opfer aus-
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Dibelius hielt sich entsprechend der kirchlichen Linie in öffentlichen Äußerungen zum „Fall DEHN" zunächst zurück - sicherlich auch aus dem Grund, weil er mit DEHN seit der gemeinsamen Zeit in HARNACKs Seminaren und durch die gute Zusammenarbeit im Religionspädagogischen Institut 1 5 6 persönlich, ja freundschaftlich verbunden war. Zudem hatte DEHN das Friedensbuch von Dibelius eingehend, zustimmend und kritisch, gewürdigt und in ihm den hoffnungsvollen Beginn einer kirchlichen Neubesinnung über die Friedensfrage begrüßt 1 5 7 . Wie sollte sich Dibelius entscheiden und öffentlich erklären zwischen kirchlicher Loyalität und der Verbundenheit unter Freunden und in der Sache. Erst als PIPER mit seinem Vorstoß und der herausfordernden Frage „Schweigt die Kirche?" an die Öffentlichkeit trat und als darin auch Dibelius namentlich als kirchlicher Repräsentant genannt und sein Friedensbuch zitiert worden war, fühlte sich der Generalsuperintendent genötigt, ein „Wort der Kirche" zu sagen. Da Dibelius mit dem von PIPER in Erinnerung gerufenen Passus des Friedensbuches im Grunde viel weiter ging 158 als DEHN mit seinen Vorschlägen zur Friedensliebe und Friedenserziehung, musste Dibelius fürchten, nun auch selbst in den Strudel aufgewühlter und sich verselbständigender Emotionen hineingezogen zu werden. Damit der Konflikt nicht auch noch auf die Kirche überschwappen sollte, reagierte Dibelius vorsichtig und ängstlich; heraus kam eine defensive Haltung in der Sache, eine distanzierende Redeweise gegenüber DEHN und eine „bedauerlich einseitige" 159 Stellung zum Halle'schen Universitätskonflikt. Z u m einen wehrt sich Dibelius dagegen, aus dem „Fall DEHN" eine Entscheidungsfrage über die Dialektische Theologie zu machen. Z u m andern weist er schließlich und lediglich ihre Sache geführt wird? ...Wenn heute die Kirche diesem treuesten ihrer Diener nicht nur die Hilfe und den Schutz versagt, sondern sich zum Teil in das Lager der akademischen Buben stellt,... dann erweist sie sich auch als Klassenkirche, die gar nicht die nach ihrer Ansicht Verirrten und Verlorenen zu gewinnen sucht, und trägt selbst die Verantwortung für die wachsende kirchen- und dadurch christenfeindliche Haltung des überwiegenden Teiles der proletarischen Bevölkerung" (VZ v. 7.2.1932). 1 5 6 Dibelius an E O K v. 3.6.1927 (EZA BERLIN, 7/4503; G. DEHN, Zeit, 1962, S.84 u. S.248). 1 5 7 G. DEHN, Friede auf Erden?, 1930, S.229-233. „Man wird Dibelius seine Stellungnahme um so höher anrechnen müssen, als man ganz deutlich sieht, wie schwer es ihm gefallen ist, sich auf die Seite von Menschen zu stellen, die geistig vielfach einem andern Boden entstammen als er. Er kommt ganz vom nationalen Bürgertum her, und das merkt man dem Buch freilich auf jeder Seite an. Es steckt viel Ressentiment gegen Demokratie und die gegenwärtige Zeitlage überhaupt in ihm. Das nationale Pathos erklingt bisweilen so stark, daß der neue T o n des Buches dadurch gelegentlich fast zum Schweigen gebracht wird. ...Diese kritischen Randbemerkungen sollen aber nicht den Dank mindern, den wir dem Verfasser für sein Werk schuldig sind. Möchte es Anlaß geben zur Bildung einer neuen Haltung kirchlicher Kreise in der Friedensfrage, die ihnen von so manchen Freunden der Kirche seit langem schon inständig gewünscht wird" (EBD., S.232f.). 1 5 8 Vgl. K J 59, 1932, S.88f. In einem Brief an M. RADE begab sich DEHN ganz in die Defensive und erklärte: »1. Ich glaube an das Recht des zwar gewiß nicht heiligen, aber um der Sünde willen notwendigen Krieges, bin also nicht das, was man einen Pazifisten nennt. 2. Ich lehne demgemäß die grundsätzliche Dienstverweigerung ab. 3. Ich habe in meinem Vortrag von der Größe und Würde des Todes für das Vaterland gesprochen. ...4. Ich halte die Kriegsschuldfrage für ein überaus ernstes Problem und keineswegs für eine Phrase" (AELKZ 64, 1931, Sp.214f.). 1 5 9 H . SCHAFFT, Dibelius, 1932, S.384; vgl. auch S. WEHOWSKY, Interpretation, 1980, S.118f.
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darauf hin, dass die Kirchenbehörde nichts gegen DEHNs Berufung auf den Halleschen Lehrstuhl und gegen seine Mitwirkung bei den theologischen Prüfungen einzuwenden gehabt habe. So sei auch der Hallesche Konflikt „nicht eine Angelegenheit der Kirche, sondern eine Angelegenheit des akademischen Lebens, der akademischen Disziplin und der akademischen Pädagogik" 1 6 0 . Die Frage nach dem angeblichen Schweigen der Kirche wendet Dibelius nun aber offensiv um in die Frage nach dem Reden DEHNS. Der Kirchenmann hält nun dem Praktischen Theologen dessen undiplomatisches „Nachwort" 1 6 1 zum Konflikt und einen unsensiblen und unpädagogischen Umgang mit der studentischen Jugend 1 6 2 vor; damit habe er nur noch mehr O l ins Feuer gegossen. So gerät die Professorenschelte zur „verstehenden" Parteinahme für die aufgebrachte nationalsozialistische Studentenschaft: „Das versteht die Studentenschaft nicht, und sie will es nicht verstehen, daß ein akademischer Lehrer den T o d für das Vaterland unter dem Gesichtspunkt betrachtet, daß Menschen getötet werden, die selber hatten töten wollen. Das versteht sie nicht, daß ein theologischer Lehrer für die, die in freier, leidenschaftlicher Begeisterung ihr Leben eingesetzt haben für das Vaterland, kaum ein W o r t des Dankes, der inneren Verbundenheit und der Ehrung findet. Das versteht sie nicht, daß man die Frage aufwerfen kann, ob es recht sei, den Gefallenen ein Gedächtnismal in der Kirche zu errichten. Das versteht sie nicht, daß ein akademischer Lehrer nicht fühlt, wie empfindlich in diesem Punkte eine Jugend sein muß, die in einer Zeit der deutschen Erniedrigung das Andenken ihrer gefallenen Väter und Brüder fortwährend von außen und von innen geschmäht sieht." 1 6 3 SoSp. V. 14.2.1932; die folgenden Zitate EBD. Vgl. G . DEHN, Völkerversöhnung, 1931, S.80-90. 1 6 2 Zur gleichen Zeit sah Dibelius gerade diese Jugend im Kampf gegen den Bolschewismus und die Gottlosenpropaganda an der Seite der Kirche kämpfen; und mit dieser Jugend wollte es Dibelius nicht verderben. Er überhöhte diese Frontstellung sogar noch und wies diesem Kampf gar einen Offenbarungscharakter zu: „Es ist kein Zufall, daß heute die Jugend in diesen Kampf mit einer Leidenschaft eingetreten ist wie nie zuvor. Sie spürt instinktiv, daß dieser Kampf sich lohnt. Wo aber ein solcher Kampf entbrannt ist, da offenbart sich Gott. Er offenbart sich nicht zuletzt in den Beweisen der Kraft, die vom Evangelium ausgehen - in Rußland und anderswo. Auch in Deutschland." (SoSp. v. 15.11.1931) - So sehr Dibelius zum Nationalsozialismus als Partei und Ideologie den kritischen Abstand wahrte, so sehr meinte er, den von der Parteiideologie in eine „nationale Bewegung" einmündenden Irrationalismus und Anti-Intellektualismus (vgl. dazu auch K. SONTHEIMER, Denken, 1962, S.42ff.) gutheißen und die sich darauf gründenden „Instinkte" fördern zu können. Als eklatantes Beispiel dafür muss der von Dibelius im Herbst 1932 in Berlin gehaltene Vortrag gelten: „Das Wiedererwachen des Glaubens in der Gegenwart" (gedruckt 1933). 1 6 3 Fr. DELEKAT erinnert sich an ähnliche Vorgänge in Dresden: „Im Jahre 1932 wurde die politische Spannung an den deutschen Hochschulen so groß, daß man als Dozent in Gefahr war, das Vertrauen seiner Studenten zu verlieren, wenn man nicht politisch Stellung bezog. Die Sache begann damit, daß ein Teil der Studentenschaft anfing, das Ehrenmal der Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg am Eingang der Hochschule beim Hinein- und Herausgehen ostentativ zu grüßen." (Fr. DELEKAT, Lebenserinnerungen, 1971, S.158) - Ein Jahr später wird Dibelius - vielleicht in Erinnerung auch an solche Vorgänge - in seiner Predigt am „Tag von Potsdam" sagen: „Wenn der Staat seines Amtes waltet gegen die, die ...den Tod für das Vaterland begeifern - dann walte er seines Amtes in Gottes Namen!" (zit. nach: G. van NORDEN, Protestantismus, 1979, S.54). 160 161
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Freilich versäumt es Dibelius nicht, seinen Vorbehalt gegenüber aller christlichen oder nationalen Rechthaberei auf der einen wie auf der anderen Seite zu erklären; denn die Kirche müsse sich als Heimat für die Sünder zur Rechten wie zur Linken anbieten: „Das Gericht ...ergeht über den Nationalismus ebenso wie über die Theologie, über den Sozialismus ebenso wie über das Quäkertum. Aus diesem Gericht aber steht der Glaube auf, der in der Gnade die Freiheit wiedergefunden hat, auch die Freiheit von der Problematik. Wer in diesem Glauben u m Ehre und Zukunft des Vaterlandes kämpft, soll dessen gewiß sein, daß er in der evangelischen Kirche seine Heimat hat." 164 Abgesehen davon, dass hier jegliches kritische Wort in Richtung der fanatischen und fanatisierten Studentenschaft fehlt, wiegelte Dibelius die Frage einfach ab, ob nicht mit dem „Fall DEHN" auch eine ganz bestimmte und immer dominanter werdende Theologie, die gerade der Kirche unbequem sein könnte, zur öffentlichen Debatte stehe. Hätte die Kirche nicht auch unter diesem Gesichtspunkt zum „Fall DEHN" 1 6 5 Stellung nehmen können oder müssen? Freilich: Dibelius hatte diese Debatte um die Dialektische Theologie schon in aller Öffentlichkeit geführt, als er sich mit Karl BARTH auseinanderzusetzen hatte. Und zu einer solchen Debatte, so hatte er damals versprochen, wolle er sich öffentlich nicht wieder äußern. Von dieser Auseinandersetzung und ihren Wirkungen wird im folgenden Kapitel die Rede sein.
1 6 4 H. SCHAFFT vermisst hier mit Recht, dass Dibelius auch nicht eine kritische Frage an die Adresse der Gegner DEHNs ZU stellen gewagt und eine Position in der Nähe der Göttinger Professoren HIRSCH und DORRIES bezogen hatte: „es scheint mir allerdings unmöglich, ...kein kritisches Wort zum Verhalten der Gegner DEHNs zu sagen, sondern sich einfach darauf zu beschränken, ,den Pulsschlag der Opferbereitschaft zu fühlen, der durch das nationale Wollen der Studentenschaft hindurchgeht' und als Antwort des Glaubens auf die N o t des Vaterlandes nicht .Problematik', sondern nur Hingabe und .leidenschaftliches Wollen' zu fordern. - Diese Formeln offenbaren Göttinger Geist" (H. SCHAFFT, Dibelius, 1932, S.385). 1 6 5 Allerdings behandelte Dibelius den „Fall Dehn" anders als die durch diesen Fall sehr ramponierte „Person Dehn": nachdem DEHN von den Nationalsozialisten im Jahr 1933 aus seinem akademischen Lehramt entfernt worden war, bemühte sich Dibelius, DEHN in seiner früheren Berliner Gemeinde Zum Heilsbronnen auf einer freigewordenen Pfarrstelle unterzubringen (vgl. G. DEHN, Zeit, 1962, S.309). DEHN versah dann dort ein Jahr lang den Dienst als Hilfsprediger, bis er 1934 auf Betreiben der DC-Mehrheit in der Gemeinde vom Oberkirchenrat abberufen wurde (vgl. J. NOSSOL, Deutsche Christen, 1990, S.203ff.). Innerhalb der Bekennenden Kirche fand DEHN dann ein neues Betätigungsfeld: in der 1935 gegründeten Berliner Kirchlichen Hochschule konnte er sich nun der Ausbildung der Theologen widmen (vgl. auch E Z A BERLIN, 14/4431).
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2. Dibelius und die Dialektische Theologie 2.1 Karl Barth: „Quousque tandem...?" Während sich Karl BARTH in den 20er Jahren v o r allem durch die katholische Kirche herausgefordert sah, thematisch zum Begriff und zur Wirklichkeit der Kirche 1 öffentlich Stellung zu nehmen, hielt er sich gegenüber der evangelischen Kirche, ihrer Gestaltung und Entwicklung zunächst noch auffallend zurück. Offensichtlich behielt er sie aber immer im Auge, um sich dann zu gegebener Zeit umso vehementer zu W o r t zu melden. Die direkte Auseinandersetzung mit dem Erscheinungsbild der Kirche, mit ihrer sich selbst auf den Schild hebenden und sich selbst gefallenden A r t der Selbstdefinition und Selbstdarstellung, w a r überfällig 2 . Verhältnismäßig spät, erst im Wintersemester 1928/29, beschäftigte BARTH sich und seine Studenten mit dem Bestseller von Dibelius - also erst nachdem die öffentliche Debatte über das Jahrhundert der Kirche' (1926) und die A n t w o r t des Autors in seinem .Nachspiel' (1928) erfolgt war. Dem Freund Eduard THURNEYSEN vertraute BARTH brieflich das Ergebnis seiner Lektüre an: „Im Offenen Abend lasen w i r bis jetzt Dibelius ,Das Jahrhundert der Kirche', ein in Deutschland vielgelesenes Buch, das man ohne Übertreibung ein nichtswürdiges Buch nennen darf." 3 Schon früher äußerte BARTH den Verdacht, dass SCHNEIDERS ,Kirchliche Jahrbücher' „mit ihrem gewaltig daherrauschenden statistischen Material" die A u f merksamkeit von der eigentlichen Aufgabe der Kirche ablenkten. Hinter der Fassade, das Reich Gottes bauen zu wollen, verberge sich „nur allzuleicht das massive Kirchenhaus mit seiner Eigengesetzlichkeit und seinen Geltungsansprüchen, 1 Vgl. die im 2. Aufsatzband gesammelten Vorträge (K. BARTH, Die Theologie und die Kirche, 1928; vgl. E. BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.191ff.; vgl. K. SCHOLDER, Pacelli, 1988, S.107f.). 2 Bereits im Vorfeld der direkten Auseinandersetzung mit BARTH bekam Dibelius den massiven Widerstand der „Dialektischen Theologie" gegen sein soziologisch-empirisches Kirchenverständnis zu spüren. Bei den mehrtägigen Beratungen des deutschen Lausanne-Ausschusses im April 1929 kam es nur zu einer teilweisen Verständigung über den Kirchenbegriff: „Die BARTHGOGARTEN'sche Richtung, die eindrucksvoll vertreten war, geht für mein Gefühl zu schnell an dem geschichtlich-empirischen Material vorüber. In ihrer Verachtung des .Soziologischen' konnten diese Freunde sich nicht genug tun. Für sie beginnt die Theologie erst da, wo die Offenbarung religiös-begrifflich gefaßt wird" (RdBr. v. 30.4.1929). 3
BARTH an THURNEYSEN v. 21.12.1928 (K. BARTH, Briefwechsel, 1974, S.639). BARTH be-
nützte offenbar die an Ostern 1928 herausgekommene 5. Auflage des Jahrhunderts der Kirche'. Das Handexemplar BARTHS zeigt über das ganze Buch hin verstreut reichlich Lesespuren mit Unterstreichungen und an den Rand gesetzte Frage- und Ausrufungszeichen (vgl. KBA BASEL). Wohl aus dieser Zeit (Ende 1928) stammt dann auch die handschriftliche Eintragung in BARTHS Handexemplar der .Christlichen Dogmatik im Entwurf' (1927), die auf einen - im Grunde marginalen - Satz des Jahrhunderts der Kirche' Bezug nimmt (vgl. K. BARTH, Die Christliche Dogmatik im Entwurf, 1982, S.42. In veränderter Form wurde diese Eintragung dann auch in KD 1/1 (1932, S.64) übernommen (vgl. dazu oben S.238f.).
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die d a s M a ß r e l a t i v e r B e d e u t s a m k e i t , die i h m z u k o m m t , w e i t
überschreitet"4.
U b e r h a u p t k o n n t e es B A R T H i n dieser e v a n g e l i s c h e n K i r c h e in D e u t s c h l a n d n i e so
richtig
w o h l w e r d e n , w e i l sie in i h r e m , w i e es i h m e r s c h e i n e n m o c h t e , u n g e -
b r o c h e n z u r Schau gestellten Selbstbewusstsein w e d e r t h e o l o g i s c h n o c h politisch in V e r l e g e n h e i t z u b r i n g e n w a r , w e i l sie s i c h f o r t w ä h r e n d g l e i c h s a m a u f die eigen e S c h u l t e r k l o p f t e u n d n i c h t a u c h a n die e i g e n e B r u s t s c h l u g 5 . E i n s t o l z e r u n d selbstbewusster
Rückblick
auf
zehn
Jahre
kirchlicher
Selbstbehauptung
S C H N E I D E R S . K i r c h l i c h e m J a h r b u c h ' 6 b r a c h t e d a n n das F a s s z u m
in
Uberlaufen.
B A R T H S s c h r i l l e r P r o t e s t r u f s c h r e c k t e die e v a n g e l i s c h e C h r i s t e n h e i t auf:
„Quo-
usque tandem...?"7 „ U n t e r A u ß e r a c h t l a s s u n g aller p r o f e s s o r a l e n U m s t ä n d l i c h k e i t , R ü c k s i c h t u n d V o r s i c h t " d i a g n o s t i z i e r t e B A R T H z u m A n f a n g des J a h r e s 1 9 3 0 e i n e C a t i l i n a r i s c h e „ g e f ä h r l i c h e V e r s c h w ö r u n g g e g e n die S u b s t a n z d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e " 8 ;
er
4 Z Z 1, 1923, Heft 4, zit. nach K J 51, 1924, Vorwort, S.m. - Ebenso wartet G. DEHN mit einer massiven Kritik am ,Kirchlichen Jahrbuch' auf (vgl. EBD.). In den weiteren Jahrgängen berichtet das ,Kirchliche Jahrbuch', wie tapfer und siegreich die von religionslosen Kräften totgesagte Kirche die Kirchenaustrittsbewegung und den von Atheisten inszenierten „Massenabfall" von der Kirche überstanden habe (vgl. z.B. KJ 52, 1925, S.391; KJ 53, 1926, S.533; KJ 54, 1927, S.478f.). Die kritische Beobachtung und Beurteilung dieser Art von Kirchentum beginnt also nicht erst mit BARTHS .Quousque tandem...?' (gegen K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.154). 5 In der Retrospektive des Jahres 1961 machte BARTH zwei Gründe geltend, weshalb es ihm in den 20er Jahren in Deutschland ganz und gar nicht behaglich war: Die deutsche evangelische Kirche „hatte, jedenfalls in ihren führenden Organen und Kreisen, eine unverkennbare Schlagseite nach der schwarzweißroten Reaktion hin. Und sie entwickelte, dem Staat gegenüber zum erstenmal auf eigene Füße gestellt, ein merkwürdig pompöses Selbstbewußtsein, dem der Gehalt und Tiefgang ihrer Verkündigung nun doch nicht zu entsprechen schien. Schon gab es da und dort .Bischöfe'... U n d schon sahen etliche an einem, der Arglist der Zeit spottend, violett gewordenen Himmel den Stern eines ganzen .Jahrhunderts der Kirche' am Horizont emporsteigen. Beide Tendenzen konnte ich nicht als der Sache der Kirche dienlich ansehen und habe mich dagegen gestemmt, so gut ich konnte" (zit. nach: E. BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.204). 6 Vgl. K J 56, 1929, S.315f. 7 K. BARTH, Quousque tandem ...?, zuerst erschienen in: Z Z 8, 1930, S . l - 6 ; hier und im Folgenden zitiert nach: K. KUPISCH, Götze, 1964, S.27-32 / H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.227-231. Dieser bedeutsame Text ist außerdem zugänglich in: H.-W. KRUMWIEDE u.a., Quellen I V / 2 , 1986, S. 106-110. - J . SCHNEIDER pflegte in seinen Jahrbüchern eine Übersicht zu geben über die „Kirchliche Zeitlage". Der von BARTH inkriminierte Passus stammt aus dem Unterabschnitt: „Der Untergrund der kirchlichen Zeitlage". BARTH zitiert - abgesehen von ein paar wenigen Auslassungen - genau, gibt aber in der Einleitung zu erkennen, dass er aus einer sekundären Quelle, nämlich aus der Verlautbarung einer evangelischen Pressestelle (vgl. Der Götze wackelt, 1961, S.57, Anm.6), zitiert, was ihm in der darauf folgenden Diskussion - auch von Dibelius - als ein schwerer Formfehler angelastet wurde (vgl. auch R K Z 80, 1930, S.78f.; PrBl 63, 1930, Nr.13, Sp.l99ff.). Weil BARTH nur aus der sekundären Quelle zitierte, musste er nicht wohl weil er nicht wollte! - die einschränkenden Bemerkungen zur Kenntnis genommen haben, die SCHNEIDER seinem einleitenden Passus folgen lässt. Darin heißt es u.a.: „Nichts wäre verhängnisvoller als der leichtherzige Optimismus, der sich vermessen wollte zu sagen: ,wir haben's geschafft'. W i r freuen uns von Herzen der aggressiven Glaubenszuversicht, die das vielbesprochene Buch von D . Dibelius: ,Das Jahrhundert der Kirche' atmet. ...Nur das sei noch gesagt, daß die, welche darin nichts als optimistische Vorstellungen gesehen haben, doch wohl den Kern der Sache übersehen haben dürften..." (KJ 56, 1929, S.316). 8 K. BARTH, Quousque tandem...?, S.28 / S.228.
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protestierte gegen die Sprache kirchlichen Selbstbewusstseins und kirchlicher Selbstdarstellung, eine Sprache, die für BARTH „ein zum Himmel schreiender Skandal" sei und die anzeige, wie sehr die Kirche die Verheißung und den Glauben verleugne. In dieser Sprache blicke die Kirche angesichts der sie umgebenden Zeitlage mit „selbstzufriedenem Spott", mit „breitem Behagen", mit einer „ans Lästerliche streifenden Sicherheit", mit „Eitelkeit", mit „Hartherzigkeit" auf die angeblich existenzbedrohenden Jahre nach der Revolution zurück wie „auf eine überstandene Grippe". Nach SCHNEIDER habe sich das „heilige Dennoch"9 durchgesetzt; eine Kirche aber, die eine solche Sprache sprechen könne, habe ihre Substanz aufgegeben und trotz aller äußeren Aktivität ihre innere Glaubwürdigkeit verloren; sie habe „die Einbildung nach innen und Lüge nach außen" nur noch verstärkt. Mit „dem Greuel einer Sprache, die eine Beleidigung gegen das Christentum ist", rede die Kirche „an der wirklichen Not der wirklichen Menschen" vorbei. In einem Rundumschlag und in der Form einer Generalabrechnung macht BARTH schließlich alles zunichte, worauf die Kirche meinte, ihre Daseinsberechtigung und ihre empirische und institutionelle Existenz gründen zu können: „Da wird keine Neuentdeckung der ,reformatorischen Botschaft', da wird keine Liturgie· und Gesangbuchreform, da wird kein Lutherfilm und kein violettes 10 Jahrhundert der Kirche', da wird keine kirchliche Jugendbewegung und Gemeindearbeit, da werden keine ökumenischen Ideologien und Machenschaften auch nur das geringste helfen: eine Kirche, die zugestandenermaßen damit beschäftigt ist, ihren (ihren!) Wert zu behaupten, ja zu steigern, eine Kirche, die das Jubeljahr der Augsburger Konfession damit antritt, zu bejubeln, daß sie (sie!) wieder einmal ,aus dem Engpaß heraus' ist, eine solche Kirche kann in keinem Wort ihrer Weihnachts- und Oster- und Sonntagspredigt glaubwürdig sein."11 9 BARTH ärgert sich an der geistlichen Überhöhung dieses Ausdrucks von SCHNEIDER. Welchem Umstand die Kirche ihre Weiterexistenz trotz der Krise der Revolution zu verdanken hat, beschreibt die Reformierte Kirchenzeitung' ganz nüchtern: „Wir in Preußen hatten den Eindruck, daß neben der geschickten kirchlichen Diplomatie die feste Haltung Roms und die Indolenz der Massen den äußeren Zusammenbruch unserer Kirche vorläufig verhindert haben. Ob man diese drei Momente als das ,heilige Dennoch' bezeichnen darf, ist mir nicht sicher" (RKZ 80, 1930, S.62). 10 In der Auseinandersetzung mit dem damals noch evangelischen Theologen Erik PETERSON (1925) bespöttelte BARTH - längst bevor das violett gebundene Buch vom „Jahrhundert der Kirche" erschien - seinen Kontrahenten als den „Freund mit den violetten Strümpfen 1 ' (oder auch kurz „der Violette" genannt). Schon damals sah BARTH rot, wenn er der Kirchenfarbe ansichtig wurde! (vgl. E.JÜNGEL, Dialektik, 1982, S.133) - PETERSON (1890-1960) war Dozent in Göttingen, seit 1924 Professor für Neues Testament und alte Kirchengeschichte in Bonn und konvertierte 1930 zum Katholizismus (vgl. auch: B. NICHTWEISS, Peterson, 1992). 11 К. BARTH, Quousque tandem ...?, S.31 / S.230f. - Mit wachsendem Missmut beobachtete BARTH schon Jahre vorher den Weg der Kirche, wenn er in seinem Osterartikel 1927 schreibt: „Viele blicken heute aus nach einer von den Reformationen, die einst CALVIN ...Auferstehungen der Kirche genannt hat. Täuschen wir uns nicht darüber, daß wir heute in keiner solchen Reformationszeit stehen. Unter einem anderen Zeichen, nämlich unter dem Zeichen deutlicheren Redens und Hörens, würden sonst Welt und Kirche Ostern feiern" (K. BARTH, Auferstehung, 1927, S.205).
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D e r in faktischer A u s ü b u n g des prophetischen A m t e s 1 2 begründete Frontalangriff gegen das bestehende K i r c h e n t u m war mit lautem G e t ö s e eröffnet - nicht gegen E i n z e l n e nur, nicht gegen n u r eine kirchlich-theologische R i c h t u n g o d e r e i n e k i r c h e n p o l i t i s c h e G r u p p i e r u n g , s o n d e r n g e g e n P r o f . S C H N E I D E R 1 3 b z w . gegen „unzählige seinesgleichen", insbesondere gegen die verantwortlichen
„Füh-
r e r " u n d das mitverantwortliche „ K i r c h e n v o l k " , gegen die z u einer solchen verrät e r i s c h e n S p r a c h e f ä h i g e n K i r c h e , w o r i n „ j e d e r ein V e r r ä t e r d e r K i r c h e
(und
n i c h t n u r d e r K i r c h e ) " sei. D i b e l i u s ist d a b e i n i c h t n a m e n t l i c h g e n a n n t , a b e r u m s o m a r k a n t e r u n d signifikanter sein das angegriffene K i r c h e n t u m repräsentierendes violett g e b u n d e n e s B u c h v o m „ J a h r h u n d e r t der K i r c h e " 1 4 . B e i d e m v i e l s t i m m i g e n E c h o , d a s dieses k o m p r o m i s s l o s e u n d k o m p r o m i t t i e rende „Trompetengeschmetter"15
ausgelöst hatte, wartete m a n natürlich
auch
d a r a u f , w i e u n d w o d e r A u t o r des J a h r h u n d e r t s d e r K i r c h e ' s e i n e G e g e n r e d e h ö r b a r w e r d e n ließe.
12 BARTH hatte es immer abgelehnt, seinen Ruf zur Sache mit der Rolle eines Propheten zu erklären. In einer Zuschrift des württembergischen Pfarrers Erich SCHICK (Bickelsberg) wird BARTH sogar ermutigt, dieses prophetische Amt anzunehmen und wahrzunehmen: „Ich halte es für äußerst gefährlich, ja für eine geheime Verleugnung, immer wieder den Anspruch des Prophetischen ausdrücklich abzulehnen. Sehen wir auch keinen unter uns, der als Individuum, als Persönlichkeit, ein Prophet ist, so liegt doch in unserem Amt, in dem des akademischen Lehrers, wie dem des Pfarrers, etwas ganz wesentlich Prophetisches, gar nicht als .Anspruch', sondern als Gegebenheit, als heilige Verantwortung, als unerschöpfliche Kraft" (Kirchlicher Anzeiger für Württemberg v. 8.1.1931, S.6). 13 SCHNEIDER wehrte sich selber nicht weniger angriffslustig gegen BARTHS Attacke in einem Artikel des .Deutschen Pfarrerblatts'. Er diskutierte das von BARTH angezeigte Problem, unter mehrmaligen Hinweisen auf Dibelius, innerhalb des Gegensatzes von Theorie und Praxis der Kirche: BARTH verkenne den Ernst und die Notwendigkeit der praktischen Arbeit der Kirche, „die doch etwas mehr als Sonntagspredigt, theologische Forschungsarbeit und dialektische Finesse" sei. SCHNEIDER sucht dabei den literarischen Angriff BARTHS mit einer „professoralen Weltfremdheit" zu erklären und auf das persönliche Problem „eines zum Abstraktum gewordenen Akademikers" zu reduzieren (DtPfrBl 34, 1930, S.258: Das Richteramt der dialektischen Theologie und die Arbeit der Kirche; die dortige Debatte um ,Quousque tandem...?' in: DtPfrBl 34, 1930, Nr.8 bis Nr.26). 14 BARTHS polemische Erwähnung der Kölner Presseausstellung zielte ebenfalls auch auf Dibelius, der sich für die Beteiligung der evangelischen Kirche an der „Pressa" besonders eingesetzt hatte. BARTH schreibt dazu: Wenn die Kirche „dazu übergeht und dabei bleibt, als eine Marktbude neben anderen (wie auf der ,Pressa' unseligen Andenkens erschreckend drastisch geschehen ist) sich selbst anzupreisen und auszuposaunen, dann hat sie einfach und glatt aufgehört, Kirche zu sein. Die Kirche kann nicht Propaganda treiben" (K. BARTH, Quousque tandem ...?, S.30 / S.230; zur „Pressa" vgl. oben S.280f.). 15 Die .Reformierte Kirchenzeitung' zeigte sich dankbar für BARTHS „zwar nicht den Regeln sächsischer Höflichkeit entsprechendes, aber doch wahres und deutliches Wort", wenn auch den deutschen Reformierten „solches Trompetengeschmetter in der Seele verhaßt" sei. (RKZ 80, 1930, S.62). Allerdings werden auch dort die Regelverstöße und Formfehler BARTHS als peinlich empfunden (vgl. EBD., S.79). Das ,Protestantenblatt' bemängelte ebenfalls bei gleichzeitiger Zustimmung in der Sache, „daß man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten darf" (PrBl 63, 1930, Sp.200). - Als Beispiel für eine völlig entgegengesetzte Stellungsnahme sei G. TRAUB zitiert: „Ich finde diesen Angriff nach Tonart und Inhalt so anmaßend, daß man ihn ruhig beiseitelegen kann. ...Dieser Aufsatz Quousque tandem ist eines Professors der Theologie an einer deutschen Universität unwürdig. Moskau und Rom werden ihm zujubeln" (EB1. 1930, S.145).
Dibelius und die Dialektische Theologie
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Nachdem BARTHS „Kassandraruf"16 durch die auszugsweise Wiedergabe des Aufsatzes an verschiedenen Orten schnell eine große Verbreitung gefunden hatte, war auf der Generalsynode im Februar 1930 die erste und beste Gelegenheit, ebenfalls öffentlichkeitswirksam darauf zu reagieren17. Als Sprecher der Positiven Union hatte Dibelius den gemeinsamen Tätigkeitsbericht von Kirchensenat und EOK zu kommentieren18. Zum Schluss seiner Stellungnahme kam er auf BARTHS Artikel zu sprechen, weil er darin einen Generalangriff auf alle kirchliche „Tätigkeit", auf den kirchlichen Aktivismus, auf „unsere ganze Art zu arbeiten" sah. Zunächst zeigte sich Dibelius freilich „mit vielen in unserer Mitte einig in der Dankbarkeit dafür, daß heute auf den Kathedern unserer Universitäten mit einem andern Ernste, als es in früheren Jahrzehnten der Fall gewesen ist, immer wieder ausgesprochen wird, worum es in der Kirche zu gehen hat." 19 So sehr die Kirche dafür ein offenes Ohr habe - auf BARTHS Seite fehle aber jegliches Verständnis dafür, dass eine Kirche auch dazu da sei, erst die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das Evangelium in dem von BARTH gemeinten Sinn gepredigt und ausgerichtet werden könne. „Es sitzt manch einer in seiner sicheren Studierstube, der keine Ahnung davon hat, was für Mühsal und Kampf und Arbeit dazu gehört, Neues zu schaffen, damit das Evangelium überhaupt gepredigt werden kann." Denn, und hier kommt Dibelius auf seinen immer wiederkehrenden Begründungszusammenhang zu sprechen, man dürfe nicht außer Acht lassen, „daß die Zeiten sich ein wenig gewandelt haben. In einem grundsätzlich christlichen Staate, in dem die Türen für die Verkündigung des Evangeliums offen standen und - wenigstens grundsätzlich - die Normen christlicher Lebensgrundsätze galten, da war es schließlich nicht weiter gefährlich, wenn der ev. Deutsche seine Innerlichkeit dadurch zu beweisen suchte, daß er an seiner Kirche so viel kritisierte, wie er nur irgend konnte. Die Zeiten, sage ich noch einmal, sind ganz anders geworden. Wenn ein religionsloser Staat nicht führen soll zu einer Volksgemeinschaft ohne Religion, dann muß er als Korrelat die Kirche von Fleisch und Blut haben, die in ihrer Arbeit die Verkündigung des Evangeliums zur Wirksamkeit bringt. Weil das so ist, darum fordern wir, daß
PBl 73, 1930/31, S.250. W. ZOELLNER lässt durchblicken, dass man darüber gestritten habe, ob es richtig sei, die Erörterung über BARTHS Aufsatz in die Verhandlungen der Synode miteinzubeziehen: „Man hat gemeint, dadurch habe dieser Aufruf eine Bedeutung erlangt, die ihm an sich nicht zukomme. Ich bin anderer Meinung. Wenn ein Mann von der Geltung D . BARTHS sich veranlaßt sieht, in einem solchen Tone... über die gesamte Kirchenleitung der altpreußischen Landeskirche den Stab zu brechen, ...dann ist es gewiß nicht unangebracht, wenn auch in der Generalsynode darüber etwas gesagt wird" ( A E L K Z 63, 1930, Sp.467). K. SCHOLDER schreibt fälschlicherweise, Dibelius habe BARTHS Angriff zurückgewiesen innerhalb des „Rechenschaftsbericht^), den er namens des Kirchensenats und des Evangelischen Oberkirchenrats am 24. Februar 1930 der preußischen Generalsynode erstattete" (K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.155). Die Synodalrede von Dibelius wurde auch abgedruckt in: RBo. v. 28.2.1930. 19 Generalsynode 1930, 1. Teil, S.34; das folgende Zitat EBD. 16
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
m a n d e r K i r c h e die F r e u d i g k e i t z u i h r e r A r b e i t s t ä r k t . W i r f o r d e r n D a n k b a r k e i t dafür, d a ß G o t t uns das I n s t r u m e n t unserer K i r c h e gegeben h a t . " 2 0 D i e s e v o n d e r V e r s a m m l u n g m e h r f a c h m i t Z u s t i m m u n g u n d H e i t e r k e i t 2 1 beg l e i t e t e R e d e des k u r m ä r k i s c h e n
Generalsuperintendenten
k o n n t e es s i c h
mit
d e m s c h a r f e n P r o t e s t B A R T H S e i n i g e r m a ß e n l e i c h t m a c h e n ; d e n n sie v e r m i t t e l t e d e n E i n d r u c k , i m K e r n des v o n B A R T H a n g e s p r o c h e n e n P r o b l e m s h a b e m a n es n u r mit einer arroganten Ignoranz oder professoralen Geringschätzung der konk r e t e n V e r a n t w o r t u n g u n d der praktischen A u f g a b e n der K i r c h e in der Gesells c h a f t 2 2 z u t u n ; es s c h i e n so, als lasse s i c h die g a n z e A u s e i n a n d e r s e t z u n g a u f e i n e n Gegensatz zwischen Katheder und Kanzel, Theorie und Praxis23, korrekte Theologie u n d k o n k r e t e A r b e i t der Kirche, O r t h o d o x i e u n d O r t h o p r a x i e reduzieren a u f e i n e n G e g e n s a t z also z w i s c h e n E s s e n z u n d E x i s t e n z , L e h r e u n d L e b e n d e r Kirche. A u f d i e s e m V e r s t e h e n s h i n t e r g r u n d w i e d e r h o l t e D i b e l i u s sein d o p p e l t e s U r t e i l ü b e r B A R T H S P r o t e s t r u f v o r d e r L e s e r s c h a f t seines , S o n n t a g s s p i e g e l s ' . E i n e r s e i t s s t i m m t e r B A R T H S e r n s t e m u n d l e i d e n s c h a f t l i c h e m R u f z u r S a c h e u n d z u r Selbstb e s i n n u n g d e r K i r c h e z u ; a n d e r e r s e i t s v e r w a h r t e r s i c h g e g e n diese A r t v e r ä c h t -
20 EBD., S.34f. Vgl. auch R K Z 80, 1930, S.77f. (HESSE), S.115 (WOLFF) und S.115f. (HESSE); C h W 44, 1930, Sp.430f. (VORDEMFELDE). 21 Justizrat HALLENSLEBEN, der für die liberalen „Freunde der Freien Volkskirche" sprach, mahnte seine Vorredner (Dibelius, Präses WOLFF, Syn. BOCK): „ich meine, man muß der Sache doch etwas ernster entgegentreten, als es bisher geschehen ist." (Generalsynode 1930, 1. Teil, S.58; vgl. W. STÄHLIN, Via Vitae, 1968, S.260) - In STÄHLINs Tagebuch findet sich folgender Eintrag zur Synodal-Rede von Dibelius: „Es ist erschütternd, mit welchem selbstsicheren Journalismus hier die Kritik von Karl BARTH abgetan wird, und wie es der gewandte Volksredner versteht, Entrüstung und Gelächter der Versammlung hervorzurufen. Es ist genau so gegangen, wie ich es BARTH gesagt habe, als er uns den Aufsatz im Manuskript vorlas: er ist bei denen, gegen die er kämpfen sollte, gar nicht gehört worden, sondern hat sie nur in ihrer Selbstsicherheit durch das Bewußtsein, das Opfer ungerechter Vorwürfe geworden zu sein, befestigt" (Abschrift im K B A BASEL). 22 Selbst HALLENSLEBEN vermochte nicht, tiefer zu sehen; auch er charakterisierte den Gegensatz zwischen BARTH und der von ihm angegriffenen Kirche so: „Es ist der alte Streit, ob es berechtigt ist, daß die ev. Kirche sich in der Welt betätigt, oder ob ihre Aufgabe die Wortverkündigung und Lehre allein ist" (Generalsynode 1930, 1. Teil, S.58). E r stellt sich innerhalb dieser Alternative nicht auf BARTHS Seite, teilt aber dessen Sorge und Beunruhigung: „Wer weiß, ob es richtig ist, die Lobpreisungen vom Jahrhundert der Kirche zu erheben? ...wir haben noch einen ganz weiten Weg, ehe wir eine wirkliche Volkskirche geworden sind ...Deshalb kann ich jemanden, der so wie BARTH in ernster Sorge das ausspricht, nicht einfach mit einer Handbewegung abtun..." (EBD., S.59; vgl. auch: R B o . v. 4.3.1930 - Beilage). - Paul ALTHAUS gegenüber beklagte sich BARTH bitter über den Verlauf der Synodaldebatte und über die Ja-Nein-Reaktion auch bei ALTHAUS selber: „Ist denn an der Berliner Generalsynode, abgesehen von gewissen Wendungen in dem Votum des liberalen (!) Redners, auch nur ein einziger sinnvoller T o n zu der Sache laut geworden? Ich kann jene ganze Abwehr nur als ein gründliches Mißverständnis meines Angriffs ablehnen und wenn ich nun höre, wie auch Sie mit Ja und Nein reagieren und mich auf Kirchenführer verweisen, die ein bißchen anders seien als Dibelius, so kann ich eben nur seufzen darüber, in was für verschiedenen Welten wir offenbar leben" (BARTH an ALTHAUS v. 19.4.1930, K B A BASEL). 23 In diesem Gegensatz zwischen Praxis („Kirchenkunde", „kirchliche Statistik") und theologischer Wissenschaft ist auch J . SCHNEIDER gefangen (vgl. K J 56, 1929, Vorwort, S.IVf.).
Dibelius und die Dialektische Theologie
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lichmachender Kritik an der Arbeit der Kirche in der neu gewordenen Zeit: „Die Gefahr der BARTHschen Art liegt darin, daß sie von der empirischen Kirche und ihrer organisatorischen Aufgabe viel zu gering denkt. Predigt des Evangeliums ist doch nur möglich, wenn dafür die äußeren Voraussetzungen geschaffen sind. Das aber bedeutet in einem weltanschaulich neutralen Staat ein ganz anderes Maß von Arbeit, es bedeutet eine viel umfassendere Aufgabe, als in dem christlichen Staat von ehedem. ... Die kirchliche Arbeitsfreudigkeit aber darf nicht herabgedrückt werden durch Angriffe, die den Anschein erwecken, als sei diese ganze äußere Arbeit etwas Gleichgültiges und Minderwertiges. Auf einer Arbeit, die sich selbst fortdauernd diskreditiert, kann kein Segen ruhen!" 24 Weil Dibelius den ganzen Ernst der von BARTH vorgetragenen Sache nicht anzuerkennen bereit oder fähig sei, musste sich Dibelius vom neukonservativen ,Ring' als „Beschwichtigungsapostel" apostrophieren lassen: „er bleibt in seiner Sprache, in der verbindlich-unverbindlichen Sprache, die man seit Jahren denen gegenüber sprechen zu können glaubt, die im Gegensatz zu dem offiziellen Optimismus sehen, daß die evangelische Kirche in einer inneren Krise steht... Mit Beschwichtigungsreden wird aber eine Krise weder gelöst noch aus der Welt geschafft." 2 5 Hatte BARTH nicht die Behauptung aufgestellt: die Gefahr, dass die Kirche, gerade die „empirische Kirche" 26 , in ihrer Substanz zerstört wird, kommt nicht von außen, sie wird „nur von innen erfolgen" 27 können? Wie stellte sich Dibelius nun zu dem Vorwurf, der äußere Erfolg der Kirche decke sich nicht mit ihrer inneren Verfassung, ja der äußere Erfolg der Kirche verdecke ihre innere Krise, die Krise, in der sich die Kirche mit dem gesamten religiösen und geistigen Leben der Zeit befinde? Zwar erkannte Dibelius sehr wohl die Gefahren einer äußerlichen Betriebsamkeit und Geschäftigkeit der Kirche 28 , aber unter den gegenwärtigen Umständen war er allen Ernstes der Meinung, die Behauptung einer inneren Krise der Kirche sei nicht zeit- und situationsgemäß und deshalb auch nicht sachgemäß. Denn jetzt habe sich die Kirche im Gegenüber zu einem religiös neutralen Staat zu behaupten, und jede künstlich erzeugte 24 SoSp. v. 2.3.1930. Im Rückblick auf die Generalsynode unterstreicht Dibelius in seinem vertraulichen Rundbrief: „Ich muß für mein Teil daran festhalten, daß BARTHS Art, von der praktischen Arbeit der empirischen Kirche zu reden, unentschuldbar ist. Seine Sorge, daß die Kirche zum Selbstzweck werde und sich an die Stelle des Evangeliums setze, ist gewiss nicht unbegründet. Darüber wäre viel zu sagen. Aber nur der hat ein Recht, der Kirche das Gewissen zu schärfen, der für den ungeheuren Ernst unserer praktischen Verantwortungen und für die riesengroße Aufgabe einer völlig veränderten Zeit wirkliches Verständnis zeigt. Tut er das nicht - und Karl BARTH tut es nicht! - dann führt seine Art der Prophetie zu einer Diskreditierung und H e m m u n g der praktischen Arbeit überhaupt..." (RdBr. v. 24.3.1930 / So habe ich's erlebt, 1980, S.161). 25 Der Ring, 1930, S. 196. 26 K. BARTH, Q u o u s q u e tandem ...?, S.32 / S.231. 27 EBD., S.29 / S.229. 28 „Der Ewigkeitswert unseres Lebens liegt nicht in dem, was wir tun, sondern in dem, was wir sind. U n d das Evangelium wird mehr dadurch getrieben, daß seine Verkündiger geheiligte Menschen sind, als dadurch, daß sie in unermüdlicher Geschäftigkeit die Hände regen" (RdBr. v. 12.11.1927).
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Krisenstimmung würde demnach die Position der Kirche nur schwächen und sie erst recht in eine äußere Krise stürzen. Gerade von Seiten der Kirche dürfe man der Kirche nicht in den Rücken fallen, „das wäre nicht mehr und nicht weniger als ein Dolchstoß in den Rücken der kämpfenden Kirche" 29 . Die Zeiten sind anders, ganz anders geworden, das „Jahrhundert der Kirche" ist angebrochen: „BARTH redet von der Kirche, als habe sich seit dem Jahre 1530 nichts auf der Welt geändert.... Mit dem Zusammenbruch des christlichen Staates und mit der Entstehung eines Religionslosen' Staatswesens ist diese empirische Kirche etwas Neues geworden. Im Religionslosen' Staat steht und fällt der Bestand evangelischen Lebens damit, daß wir eine arbeitende, kämpfende, festgefügte evangelische Kirche haben. ...Christliche Verkündigung und christliche Barmherzigkeit stehen im zwanzigsten Jahrhundert eben unter anderen Bedingungen als im Zeitalter des BONIFATIUS und der heiligen ELISABETH." 30
Hier ist ausgesprochen, dass die Kirche damit „steht und fällt", ob und wie sie sich in und unter den „Bedingungen", die sie in Zeit, Welt und Staat antrifft, die Voraussetzungen zu ihrem Verkündigungsdienst schafft und so „die sittlichen Normen des Evangeliums" in und gegenüber einer als feindlich erlebten Umwelt zur Geltung bringen kann. Wer hier sozusagen eine Krisis herbeiredet und immerfort diese um ihren Bestand und um die Möglichkeit ihres Auftrags kämpfende Kirche kritisiert, der betätigt sich in den Augen von Dibelius als theologischer Nestbeschmutzer und als kirchlicher Brunnenvergifter. Weil es hier nicht bloß um Einzelheiten und Nebensächlichkeiten geht, weil hier nicht weniger als alles auf dem Spiel steht, deshalb rückt Dibelius sein Anliegen in die Nähe eines kirchlichen Credos: „Es geht, menschlich gesprochen, um Alles und um das Letzte." In dieser Weise sind mit BARTH und Dibelius zwei Antipoden aufeinandergetroffen mit so entgegengesetzten Standpunkten, zwischen denen es keine Vermittlung oder Versöhnung zu geben scheint. Die Gegensätze beziehen sich dabei nicht nur auf irgendwelche Einzelheiten der kirchlich-theologischen Auseinandersetzung; denn beiden geht es ja um den wahren und wirklichen articulus stands et cadentis ecclesiae, um „Alles und um das Letzte".
29 RdBr. V. 24.3.1930 / So habe ich's erlebt, 1980, S.161. Mit dem Wort „Dolchstoß" rührt Dibelius an Ereignisse unseligen Angedenkens bzw. an eine politisch bestimmte Deutung und Bewertung des staatlichen Niedergangs und Zusammenbruchs des Kaiserreic und an die landläufig gewordene Begründung für die militärische Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg. Durch die Verwendung dieses Wortes hindurch spricht ein ungeheueres Angstpotential, das im diametralen Gegensatz zu jener Sprache steht, mit der sich die Kirche in der Öffentlichkeit präsentierte und mit der sie wohl auch ihre eigenen Ängste zu zerstreuen suchte. Der „Skandal" dieser Sprache besteht dann, so wäre BARTH zu interpretieren, darin, dass die Kirche ihre Existenzangst nach außen projiziert und dass sie nicht erkennt, dass ihre - berechtigte - Existenzangst von innen her begründet ist und von ihr selber herrührt. 30 „Beschwichtigung?" (Der Ring, 1930, S.226 / Standarte 1930, S.275); das folgende Zitat EBD.
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B a l d s o l l t e s i c h die G e l e g e n h e i t e r g e b e n , diese G e g e n s ä t z e n o c h e i n m a l k o n t u r i e r t u n d p o i n t i e r t in E r s c h e i n u n g t r e t e n z u lassen. W ü r d e es a u c h e i n e G e l e g e n heit sein z u r K l ä r u n g dieser Gegensätze?
2.2 Die „Not" und die „ Verantwortung" der Kirche Im Dezember
1930 erging an BARTH v o n d e m Leiter der Berliner
MACHER-Volkshochschule31,
Professor
FABRICIUS,
eine
Einladung
SCHLEIERzu
einem
„ V o r t r a g v o r Studierenden u n d interessierten evangelischen H ö r e r n " 3 2 . Als T h e m a f ü r diesen B e r l i n e r V o r t r a g w ü n s c h t e s i c h FABRICIUS „ein z e n t r a l e s
Thema
d e r c h r i s t l i c h e n R e l i g i o n , e t w a das T h e m a , G n a d e ' < д з . B e r e i t s v i e r T a g e s p ä t e r h a t t e F A B R I C I U S die Z u s a g e B A R T H S in H ä n d e n . F ü r d e n 1 4 . F e b r u a r
nämlich
h a t t e B A R T H s c h o n f ü r H a m b u r g e i n e n V o r t r a g in V o r b e r e i t u n g , in d e m e r d e n I n h a l t s e i n e r viel d i s k u t i e r t e n S t r e i t s c h r i f t , Q u o u s q u e t a n d e m . . . ? ' in aller G r u n d s ä t z l i c h k e i t 3 4 n o c h e i n m a l n e u d u r c h d e n k e n u n d n o c h e i n m a l a n d e r s sagen w o l l t e . E s k o n n t e B A R T H n u r r e c h t sein, dass dieser V o r t r a g , d e m e r d e n T i t e l g a b : „ D i e N o t d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e " 3 5 , n u n in B e r l i n , d e r M e t r o p o l e d e r g r ö ß t e n u n d b e d e u t e n d s t e n L a n d e s k i r c h e D e u t s c h l a n d s , seine P r e m i e r e h a b e n sollte. N a c h d e m d e r Z e i t p u n k t des V o r t r a g s s c h l i e ß l i c h auf S o n n a b e n d , 3 1 . J a n u a r 1 9 3 1 , festgelegt u n d das K o m m e n B A R T H S n a c h B e r l i n b e r e i t s ö f f e n t l i c h ange-
31 Die Eröffnungsvorträge für die neu gegründete Schleiermacher-Volkshochschule fanden im Januar 1920 statt (vgl. E Z A BERLIN, 7/380). 32 FABRICIUS an BARTH V. 13.12.1930 (KBA BASEL). FABRICIUS erwähnt in diesem Schreiben, dass anlässlich einer früheren Anfrage BARTH Bedenken geäußert habe, ob mit der Firmierung „SCHLEIERMACHER"-Hochschule gegenüber der Öffentlichkeit nicht eine ihn verpflichtende Vereinnahmung verbunden sein könnte (auch BARTH hatte seine „Ängste"!). FABRICIUS zerstreute die Bedenken mit dem Hinweis darauf, dass der Name dieser Volkshochschule lediglich zum Ausdruck bringe, „daß wir unsere Vorträge auf evangelischer Basis halten. Wir haben den Namen des großen Berliner Theologen gewählt, so wie weltliche Volkshochschulen sich in Berlin nach HUMBOLDT und LESSING ,Humboldt- und Lessing-Hochschule' nennen, ohne sich irgendwie auf die Gedanken dieser Männer festzulegen". 33 FABRICIUS an BARTH V. 13.12.1930, K B A BASEL. 34 BARTH äußerte seinen „grundsätzlichen Protest ...gegen den Tenor der Stimmen der Kirche - gerade gegen den guten Durchschnitt dieser Stimmen" (BARTH an ALTHAUS V. 19.4.1930, EBD.). Zu dem guten Durchschnitt der kirchlichen Stimmen rechnete BARTH eben auch Dibelius, während ÄLTHAUS sich von diesem distanzierte: „Dibelius ist wahrlich nicht typisch" (ALTHAUS an BARTH V. 28.3.1930, EBD.). 35 BARTH an FABRICIUS V. 16.12.1930 (EBD.) - Der Vortrag, den BARTH zwei Wochen später in Bremen (am 13.2.) und dann erst in Hamburg (am 14.2.) wiederholt haue (vgl. P. TLLUCH, Briefwechsel VI, 1983, S.369, Anm.7), erschien, geringfügig ergänzt und um ein Nachwort erweitert, in: Z Z 9, 1931, S.89-122; hier und im Folgenden zitiert nach: K. KUPISCH, Der Götze wakkelt, 1961, S.33-62. - In Hamburg hatte der dortige Protestantenverein erst nachträglich für den 26.2.1931 ein Korreferat und eine öffentliche Aussprache über BARTHS Ausführungen arrangiert (vgl. PrBl 64, 1931, Sp.l57f.). In dem Vortrag, mit dem die öffentliche Diskussion eingeleitet wurde, sprach Prof. WEHNERT zum Thema: „Was hat der ,christliche Idealismus' zum Realismus Barths zu sagen?" (Einladungszettel im K B A BASEL). Für die evangelische Fakultät in Münster veranstalteten im Herbst 1931 Prof. SCHMITZ, Prof. PIPER und Privatdozent ELUGER eine Tagung zum Thema: „Das Streitgespräch über die Kirche (Karl Barth - O t t o Dibelius)" (vgl. R K Z 81, 1931, S.294 u. S.303).
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kündigt war, musste die Veranstaltung wegen der starken Nachfrage schon im vorhinein in die Aula der Universität verlegt werden 36 . Die Zahl der Besucher ist sicherlich noch dadurch gestiegen, dass FABRICIUS offenbar ohne BARTHS Wissen - zusätzlich einen Gegenvortrag arrangiert und terminiert hatte, der von dem kurmärkischen Generalsuperintendenten gehalten werden sollte. Diese geplante und angekündigte37 Gegenüberstellung zweier Kontrahenten erhöhte beim interessierten Publikum den Reiz und das Interesse an der Vortragsreihe. Jedenfalls war schon das erste öffentliche Auftreten BARTHS in der Hauptstadt „für das evangelische Berlin eine Art Sensation" 38 . Vor einem Auditorium von 1400 Menschen, die „unter lebensgefährlichem Gedränge" 39 zusammengeströmt waren, hielt BARTH seinen Vortrag. „Es ging oft fast volksversammlungsmäßig zu, mit Unterbrechungen durch Beifall und Widerspruch" 40 . BARTH beginnt mit einer dialektischen Einleitung darüber, dass die Kirche nur so zu sich selber Ja sagen könne, wenn und indem sie zu ihrer wesensmäßig eigenen Not Ja sage, dass aber zu der Not ihrer heutigen Existenz ebenso deutlich, unverhüllt und kompromisslos Nein gesagt werden müsse. BARTH macht damit von vornherein klar, dass und in welchem Sinn es ihm um das Ja zur Kirche geht, das allerdings von einem deutlich hörbaren Nein umschlossen ist. Bei diesem das Ja zur Kirche miteinschließenden Nein handelt es sich immer zugleich um Wesen und Existenz der Kirche, sofern Kirche ihrem Wesen nach als Kirche unter dem Kreuz verstanden und das Kreuz nicht als ein immanentes Prinzip der Kirche in Anspruch genommen wird. Deshalb muss, so folgert BARTH, in der Kirche der „gekreuzigte Christus draußen", der Christus extra me 36 FABRICIUS an BARTH v. 18. l. 1931 (KBA BASEL) . FABRICIUS schlug BARTH sogar vor, den Vortrag am nächsten oder übernächsten Tag zu wiederholen, um dem erwarteten Interesse und dem voraussehbaren Andrang gerecht werden zu können. Diesem Wunsch entsprach BARTH aber nicht. Stattdessen folgte er am nächsten Tag einer Einladung von G . DEHN in dessen Neuwerk-Kreis und besichtigte die Antiken-Museen der Reichshauptstadt (vgl. BARTH an FABRICIUS v. 21.1.1931; E . BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.221). 37 Im Veranstaltungs-Programm für das 1. Quartal 1931 kündigte die Schleiermacher-Hochschule zwei Einzelvorträge zur „Kirchenfrage der Gegenwart" an: BARTHS Vortrag mit dem T h e m a „Die N o t der evangelischen Kirche" (Samstag, 31. Januar, 18 U h r ) und Dibelius' Vortrag unter dem vorläufigen Titel „Die Verantwortung der evangelischen Kirche in den Kämpfen der Gegenwart" (Freitag, 6. Februar, 20 Uhr); die Eintrittskarte kostete für je einen Einzelvortrag 1 R M , für beide Vorträge zusammen 1,50 R M (vgl. Programmzettel in: E Z A BERLIN, 7 / 3 8 4 ) . Damit ist die in der Literatur immer wiederkehrende Behauptung zu berichtigen, wonach Dibelius seinen Gegenvortrag acht Tage später und am gleichen O r t sozusagen spontan, in eigener Regie und in eigenem Auftrag gehalten habe (vgl. auch PrBl 64, 1931, Sp.89 und Sp.279). 38 SoSp.v. 8.2.1931. 39 BARTH an THURNEYSEN V. 22.2.1931, zit. nach: E . BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.221. 40 In seinem Rundbrief vom 22.1.1931 (KBA BASEL) beschreibt BARTH darüber hinaus die ihn umgebende, insgeheim mitredende Kulisse der Universitätsaula: „...und nun hatte ich 2 Stunden lang das W o r t von einem Känzlein herunter, in dessen Hintergrund ein Fresko-Gemälde den eindringlich zur deutschen Nation redenden FICHTE, umgeben von General SCHARNHORST, Pfarrer SCHLEIERMACHER und dem ganzen übrigen Personal der Befreiungskriege, zeigte. Gewiß eine würdige, aber auch eine irgendwie komische Situation, weil der Kerl dahinten eben fortwährend auch redete und zwar ohne Zweifel etwas ganz Anderes als ich".
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und extra ecclesiam, anerkannt41 werden. Erst so könne sich die Kirche selber je und dann und immer wieder neu erkennen als das, was sie ist, als creatura verbi divini: „Gott schafft und offenbart zu allen Zeiten und an allen Orten ihre sichtbare Einheit, wann und wo es ihm gefällt. Was die Kirche selbst tun kann, wird Weg und Wanderung sein nach diesem Ziel, nicht mehr, nicht eigenmächtiges Bewirken und Behaupten ihrer sichtbaren Einheit. Die Aufrichtung von Zeichen ist ihre Aufgabe. Sie wird aber über die Aufrichtung von Zeichen nach keiner Seite hinausgehen. Zeichen ist ihre Verkündigung, Zeichen ihre Anbetung, Zeichen ihr Sakrament, Zeichen das Zeugnis des Lebens ihrer Glieder sowohl wie das Zeugnis, das sie als Kirche der Gesellschaft gegenüber ablegt in dem, was man ihre innere und äußere Mission nennt. Zeichen ist sowohl ihre rechtliche Organisation wie ihr theologisches Bekenntnis." 42 Die Kirche kann deshalb mitten in der menschlichen Gesellschaft, keinesfalls außerhalb oder abseits von ihr, nur das eine sein wollen: „ein Zeichen, ein in anspruchslosem Gehorsam abgelegtes Zeugnis" jener Situation, in der „der Konfrontierung des Menschen mit dem gekreuzigten Christus als dem schlechthin ausschließlichen Gesetz und Urheber seines Heils" 43 standgehalten werden muss. Unter dieser Vorgabe des spannungsreichen und nicht anders als not-voll zu erfahrenden Gegenübers des himmlischen Herrn zu seiner irdischen Kirche definiert BARTH dann das Sein und Wesen der Kirche von ihren beiden sie ständig begleitenden und bedrohenden Grenzerfahrungen und Grenzgefährdungen her. Der Weg der Kirche bewegt sich demnach immer zwischen zwei Kautelen: die eine besteht in der „Flucht vor der Sichtbarkeit" (S.44ff.), die andere in der „Flucht in die Sichtbarkeit" (S.48ff.); dabei ist die konkrete Gefahr im Lauf und im Wechsel der Zeiten mehr in der Nähe der einen oder der anderen Grenze auszumachen. BARTH lässt demnach keinen Zweifel daran, dass die Bestimmung der Kirche ihre „Sichtbarkeit", also ihre reale, ihre irdische und tätige Existenz ist, und wehrt so dem kurzschlüssigen Missverständnis, mit dem man ihm in der Debatte über sein ,Quousque tandem...?' meinte begegnen und entgegentreten zu können: K. BARTH, Die Not, S.37. EBD., S.40. - Zeichencharakter hat also nicht nur die christliche Tat, sondern auch das Bekenntnis und die Verkündigung. Sie sind nicht die Sache selbst; aber die Sache selbst wird nicht ohne den Zeichen- und Hinweischarakter von Tat, Bekenntnis und Verkündigung zur Sprache und zur Wirksamkeit kommen. Insofern bietet der Vortrag von BARTH manche Berührungspunkte mit dem .Berneuchener Buch', auf das bereits hingewiesen wurde. Allerdings hat sich BARTH vor und nach dem Berliner Vortrag gegenüber der Rede von der „Symbolkraft" aller möglichen Zeichen abgegrenzt, als ob solche Zeichen aus sich selbst und eo ipso eine sachgerechte Mächtigkeit und Wirksamkeit besitzen oder entwickeln (vgl. K. BARTH, Die Christliche Dogmatik im Entwurf [1927], 1982, S.43 und K D 1/1 [1932], S.64). 43 K. BARTH, Die Not, S.43. - Martin RADE, der Schwiegervater von BARTHS Bruder Peter und von BARTH als „Onkel Rade" angeredet, hatte gerade gegen diese theologische Grundlegung seines ehemaligen Redaktionshelfers in der .Christlichen Welt' und gegen die Konzentration auf den gekreuzigten Christus den Einwand geltend gemacht, dies käme einer „Verkürzung" der christlichen Botschaft gleich (vgl. ChW 45, 1931, Sp.428f.); zur persönlichen Beziehung zwischen RADE und BARTH vgl. A. NAGEL, Rade, 1996, S.145 u. 257. 41
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er habe nur eine am grünen Tisch der Dogmatik konzipierte Kirche im Sinn und nicht zugleich auch die geschichtlich gewordene und real gegenwärtige Kirche vor Augen. Demgegenüber betont B A R T H : Die „Sichtbarkeit" macht die Herkunft und Zukunft der Kirche, ihr Wesen und ihr Sein aus, sie ist ihre Bestimmung und Signatur. Aber - und das ist die zweite Not der Kirche - sie gewinnt ihre Bestimmung nie ganz, sondern sie begegnet ihrer Bestimmung wesensmäßig in der Flucht, also in der Verkehrung von „Weg und Wanderung" (S.40). Und deshalb muss die Kirche in ihrer verkehrten Fluchtbewegung immer neu zur Umkehr gerufen werden, weil sie heilsam begrenzt und heillos bedroht ist durch ihre Flucht in die Sichtbarkeit und durch ihre Flucht vor der Sichtbarkeit. Dass von den beiden Fluchtgefahren in der gegenwärtigen Zeit mit der ersteren die größere Not der Kirche bezeichnet ist, das ist für B A R T H eine gesicherte Voraussetzung seiner weiteren Ausführungen. Immerhin versuchte B A R T H seinem Kontrahenten eine goldene Brücke der Verständigung zu bauen, indem er ad bonam partem interpretierte: Wenn nun das „Jahrhundert der Kirche" proklamiert und darin die Sichtbarkeit der Kirche herausgestellt worden sei, so „könnte" ja damit durchaus „ein ernsteres Erfassen der kirchlichen Aufgabe, ein nüchternes Sichbescheiden, ein gehorsames Sich-anseinen-Ort-Stellen" und „die schlichte Rückkehr zum Kreuze Christi und zum Glauben" 44 gemeint sein. Zur Debatte stellt B A R T H nämlich nicht die Frage, ob die Kirche irdisch existieren, konkret tätig sein und sich bewusst in bestimmte weltliche Bindungen begeben darf oder muss, sondern wie die Kirche irdisch existiert, faktisch tätig ist und in welche Bindungen sie sich frag- oder kritiklos einlässt. Im Sinn der Bejahung der sichtbaren Kirche kritisiert B A R T H in sechs Fragehinsichten45 die so und nicht auch anders sich darstellende Kirche, ihr öffentli44
K . BARTH, D i e N o t , S.50.
Der vierte Fragenkreis fehlte noch im mündlichen Vortrag BARTHS. - Die konkreten Fragen lassen sich im Wesentlichen folgendermaßen zusammenfassen: 1. Warum fällt die „Wendung nach rechts innerhalb der Kirche" so fraglos zusammen „mit allerlei entsprechenden Weltbewegungen derselben Zeit?" (S.50) 2. "Warum steckt so wenig oder auch gar keine rechtschaffene Theologie gerade hinter den wuchtigsten Existenzäußerungen der heutigen evangelischen Kirche?" (S.51) 3. Warum nimmt die Kirche den Indikativ des Evangeliums in einer so unangefochtenen Getrostheit für sich in Anspruch? (vgl. S.52f.) 4. Ist die Verkündigung der Kirche „nicht gerade da, wo sie sich am eindringlichsten und ausdrücklichsten an die ihr scheinbar entgleitende Welt, an die Gebildeten, an die Arbeiter, an die Jugend wendet, kaum oder auch gar nicht verhüllte Gesetzespredigt", so dass sie „fast auf der ganzen Linie die Sünde des Menschen tatsächlich ernster nimmt als die Gnade Gottes"? (S.53) 5. Wenn die Kirche nach „Sicherung gegenüber dem Staat", nach „Einfluß auf die Gesellschaft, die Schule und Sitte", nach „Aufmerksamkeit und... Gefolgschaft der Masse" strebt, setzt sie dann nicht eben dies alles als Selbstzweck ein, „alles an sich und als solches", oder sollte sie nicht lieber „nur eine bestimmte Art ...von Offentlichkeitswillen, Tatwillen, Organisationswillen, Arbeitswillen" im Auge haben? (S.54f.) 6. Wie kommt es denn, dass in der Kirche „erbauliche Ketzereien aller Art" geduldet werden und eine „Ideologie des gehobenen Mittelstandes" und „der Bindestrich zwischen Christentum und Volkstum, evangelisch und deutsch" heutzutage „das eigentliche Kriterium der kirchlichen Orthodoxie geworden" sind? (S.56). 45
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ches Reden, ihre offiziellen Verlautbarungen und ihren tätigen Eifer für christliche und gegen gottlose Ideale. Dabei, so urteilt B A R T H , stelle sie sich nicht mehr die Frage, ob sie damit eben nur sichtbar, aber nicht auch evangelisch sei. Nicht um ein Weniger an Sichtbarkeit geht es ihm, sondern um die spezifische und unverwechselbare Sichtbarkeit der „evangelischen" Kirche. Eben dies führte B A R T H zu seinem lauten Protest und zu seiner herben Kritik, dass die Kirche ihre „Wendung zur Sichtbarkeit" gründlich verfehlt habe. Gerne wollte B A R T H sich eines anderen belehren lassen, und gerne wollte er sein „gerade in dieser Richtung anklagendes Quousque tandem...? zurücknehmen können. Was mich an beidem hindert, ist die Tatsache, daß eben die Rede der Kirche, aus der doch zu entnehmen ist, wie sie es meint mit dieser ihrer Wendung, nach wie vor immer wieder so tönt, daß nach meiner Einsicht daraus zu entnehmen ist: Nun ist die evangelische Kirche erst recht in Not, ist von der Scylla weg der Charybdis in den Rachen gelaufen, noch einmal, nur nach der anderen Seite im Ausweichen vor dem ihr durch ihr Wesen Gebotenen."46 Weil die Kirche in ihrer „Sichtbarkeit im allgemeinen und als solche"47, in ihrer Sichtbarkeit „um ihrer selbst willen"48 ein Bündnis mit allerlei „Schibboleths des neuen Realismus"49 eingegangen sei, deshalb prophezeit B A R T H ihr abschließend in ihrer doppelten Fluchtgefahr den eigenen Untergang: „Eine Kirche, die nicht existieren will, und eine Kirche, die nicht ihrem Wesen entsprechend existieren will, ist vom Untergang bedroht. Vom inneren Untergang sicher und vom äußeren früher oder später ebenfalls sicher, so zäh sie inzwischen als geschichtliches Gebilde weiterleben mag." Deshalb aber hält er auch in seinem Bußruf an dieser Kirche fest, auch wenn sie durch ihren allgemeinen (und also nicht spezifischen, ihr eigenen und ihr eignenden) Pragmatismus und Realismus dem Untergang geweiht ist: „Wer heute die Kirche lieb hat, der muß es ihr ruhig, aber laut und immer wieder zu verstehen geben: So nicht weiter, weder zur Linken noch zur Rechten!"50 Der umfangreiche und facettenreiche Berliner Vortrag B A R T H S wurde hier wenigstens in seinen Grundzügen wiedergegeben, um dann an der Gegenrede von Dibelius deutlich werden zu lassen, was durch diesen Vortrag - ob „ruhig" oder „laut" - der „Kirche" wirklich zu verstehen gegeben worden ist. Hat die Kirche B A R T H S Anliegen verstanden, konnte sie es verstehen? Der Vortrag von Dibelius unter dem Titel „Die Verantwortung der Kirche"51 präsentierte sich vor einem ähnlich zusammengesetzten Zuhörerkreis, der „die K. BARTH, Die Not, S.50. Ebd., S.50f.; vgl. S.48 und S.55: „ganz allgemein", „Sichtbarkeit im allgemeinen". 48 EBD., S.57. 49 „Handelt es sich doch bei der neu zu betonenden Sichtbarkeit der Kirche wirklich so einfach um Geschichte, Schicksal, Wirklichkeit, soziologische Notwendigkeit, Gemeinschaft, Gestalt, Ordnung, Gegebenheit, Leibhaftigkeit und wie die Schibboleths des neuen Realismus alle heißen mögen?" (EBD., S.50). 50 EBD., S.57. 51 Im Druck erschienen unter dem Titel: Die Verantwortung der Kirche. Eine Antwort an Karl Barth, 1931; vgl. dazu auch: PrKZ 27, 1931, Sp.140. 46
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Ausführungen des Redners mit Beifall und Widerspruch begleitete"52, als eine „Antwort an Karl BARTH".
Dibelius schrieb den bereits geplanten und terminierten Gegenvortrag erst nieder, nachdem er BARTHS Ausführungen selbst gehört hatte53. Auch er würde sich gern von BARTH bei aller Wertschätzung seines theologischen Ernstes eines Besseren belehren lassen, so versicherte er verständnisbereit: „An dem Tage, an dem man mich dessen überführt, daß ich über die Kirche ohne Glauben und ohne Gehorsam gegen den gekreuzigten Christus geschrieben habe, will ich alle meine Bücher, die von der Kirche handeln, verbrennen und die Asche in die Spree werfen."54 Aber weil er in den Ausführungen BARTHS nur „die Zuspitzung auf das Theologische"55 und darin eine doktrinäre Abstraktion herausgehört haben will, weil es ihm zu wenig und zu kurz gegriffen ist, wenn die Kirche nur „hin und her Zeichen" aufrichten soll für das Wort vom Kreuz, um ja nicht den vermessenen Anschein zu erwecken, „den Geist Gottes zu haben und Gottes Sache gegenüber der Welt zu führen"56 - deshalb bleibt Dibelius auch bei seinem Widerspruch und bei dem Gegensatz. Angesichts „der ewigen Bedenklichkeiten" sei die „Tatsache einer Kluft zwischen Theologie und Kirche"57 zu konstatieren, die allerdings gerade die Kirche aufgerufen sei zu überbrücken, wenn anders sie wirklich Kirche geworden sei58. Den Fehler bei BARTH sieht Dibelius darin, dass er den bedeutsamen Wechsel der Zeiten nicht erkannt habe: die Kirche kann heute nicht mehr wie ehedem mit einer christlichen Obrigkeit rechnen und staatlicherseits die christliche Durchdringung des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens voraussetzen: „Die
EvBerl. v. 15.2.1931. Dibelius war selber unter den Zuhörern des Vortrags, obwohl er am selben Tag die Trauerrede für seinen verstorbenen Bruder, den damals bekannten Anglisten Prof. Wilhelm DIBELIUS, zu halten hatte (vgl. Wilhelm Dibelius. Worte der Erinnerung, 1931; SoSp. v. 1.2.1931). 54 Die Verantwortung der Kirche, S.6. 55 EBD., S.5. 52 53
56
EBD., S . 7 . EBD., S.9.,
vgl. S.13. - In K. BARTHS gedrucktem Exemplar von der ,Verantwortung der Kirche' finden sich handschriftliche Glossen; sie beziehen sich auf eine Nachschrift des Vortrags durch Gertrud STAEWEN geb. Ordemann, der Schwester von Hilda HEINEMANN geb. Ordemann, „BARTHS Bannerträgerin in Berlin" (E. BETHGE, Dibelius, 1990, S.180; vgl. auch die Briefe BARTHS an G. STAEWEN, in: K. BARTH, Briefe, 1975, S.47f., 140f., 519). - An dieser Stelle (S.13) heißt es: „Auch in diesem Teil ist diese Druckschrift um einige starke Stellen, die er im mündl. Vortrag gesagt hat, gebracht worden. Es wirkte mündlich viel provokatorischer als hier". 58 Dibelius löst hier ein, was er im Vorwort des Jahrhunderts der Kirche' gesagt und angekündigt hatte: „Bisher ist auf deutschem Boden ganz überwiegend die Theologie der gebende Teil gewesen. Ihre Dienste konnte die Kirche nur in bescheidenem Maße erwidern, weil sie - nicht Kirche war! Das wird, wenn nicht alle Zeichen trügen, in Zukunft anders sein." 0ahrhundert der Kirche, 1926, Vorwort) - Ist die Theologie eine Funktion der Kirche (BARTH) oder umgekehrt die Kirche eine Funktion der Theologie (Dibelius)? Wer dient wem: die Theologie der Kirche (BARTH) oder die Kirche der Theologie (Dibelius)? Hinter dem Streit darüber, wer wessen Diener sein darf oder zu sein hat, steht auch die Einlösung einer Herrschafts- und Machtfrage: wem ich dienen kann oder muß, über den kann ich auch herrschen! 57
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Z e i t e n s i n d v o r b e i . . . W i r d ü r f e n n i c h t m ü d e w e r d e n , es i m m e r u n d i m m e r w i e d e r z u s a g e n : es h a t s i c h in dieser B e z i e h u n g - ä u ß e r l i c h s i c h t b a r m i t d e m J a h r e 1 9 1 8 - e t w a s U n g e h e u e r e s in u n s e r e n a b e n d l ä n d i s c h e n L e b e n s o r d n u n g e n g e w a n d e l t . " 5 9 D i e K i r c h e h a t es h e u t e m i t e i n e m r e l i g i o n s l o s e n Staat u n d e i n e r c h r i s t u s f e i n d l i c h e n U m w e l t z u t u n . U n d d e s h a l b gilt: „ D i e K i r c h e u n s e r e r T a g e h a t s i c h n i c h t z u e n t s c h u l d i g e n , w e n n sie a r b e i t e t u n d k ä m p f t . Sie w ä r e n i c h t m e h r K i r c h e J e s u C h r i s t i , w e n n sie es n i c h t t ä t e ! " 6 0 Wie d a b e i die K i r c h e i h r e V e r a n t w o r t u n g w a h r n i m m t - u n d d a r i n b e s t e h t d e r g r a v i e r e n d s t e s a c h l i c h e U n t e r s c h i e d z u B A R T H - dies b e t r a c h t e t D i b e l i u s allerd i n g s n u r als „eine F r a g e d e r Z w e c k m ä ß i g k e i t " 6 1 ,
denn wirkliche Liebe
lebt
„nicht v o n Bedenklichkeiten und Zaghaftigkeiten..., sondern v o n einem M u t , der alles g l a u b t , alles h o f f t u n d s e h r vieles ü b e r w i n d e t " . 6 2 Z u l e t z t gibt D i b e l i u s A n t w o r t
a u f die f ü n f F r a g e n , w i e e r sie in
BARTHS
m ü n d l i c h e m V o r t r a g n o c h in E r i n n e r u n g h a t t e . D i b e l i u s v e r t e i d i g t d a r i n
die
E x i s t e n z d e r K i r c h e g e g e n alle a n g e b l i c h e n V o r w ü r f e , die e i n e m a n g e l n d e t h e o l o g i s c h e F u n d i e r u n g i h r e s W e s e n s a n z e i g e n s o l l t e n . U n d e r v e r t e i d i g t d e n gewissm a c h e n d e n I n d i k a t i v ; n a t ü r l i c h „ h a t " die K i r c h e das E v a n g e l i u m : „ W i r u n s e r e n S c h a t z in i r d e n e n G e f ä ß e n - a b e r w i r haben
haben
ihn!"63
Die Verantwortung der Kirche, S.12. EBD., S.21. Dibelius konnte und wollte von dieser Voraussetzung her nicht verstehen, inwiefern man angesichts dieser geschichtlichen Lage von einer wesensmäßigen N o t der Kirche sprechen konnte. Die „Not" der Kirche sah Dibelius allenfalls darin, dass sie ihrer durch die neue Zeit zugewachsenen „Verantwortungen" nicht gerecht werden könnte. „Die N o t der Kirche ist ihm (sc. Dibelius) eine zeitgeschichtlich bedingte und darum zeitgeschichtlich zu behebende" (K. FISCHER, Die Rechtfertigung der Kirche, in: Neues Sächsisches Kirchenblatt 24, 1927, Sp.321f.). 61 Die Verantwortung der Kirche, S.26. - Man erinnere sich: auch die Fragen der Verfassung, denen Dibelius in den Jahren nach 1918 so eminente und essentielle Bedeutung beigemessen hatte, verwies der damalige Geschäftsführer des Vertrauensrates in das Reich der gleichsam voraussetzungs- und absichtslosen „Zweckmäßigkeiten" - wie wenn Einigkeit bestehe darüber, was denn nun und warum etwas zweckmäßig sei. Man darf wohl annehmen, dass BARTH nichts gegen ein bewusst-reflektiertes zweckmäßiges Handeln einzuwenden gehabt hätte; vielmehr wendet sich sein Protest gegen die vielen unbewusst gehaltenen und bedrohlich schlummernden Implikationen einer Zweckmäßigkeit, eines kirchlich-politischen Realismus und eines kirchlich-theologischen Pragmatismus, die nicht hinterfragt werden und auch nicht hinterfragt werden dürfen. 62 Die Verantwortung der Kirche, S.27. 63 EBD., S.29. „Um hier recht zu antworten, müßte man dialektischer Theologe sein. Man müßte ausführen, inwiefern die Kirche das Evangelium hat und es doch wieder nicht hat, wie sie besitzt, als besäße sie nicht, und wie sie in ihrer Armut wieder ihren Reichtum hat. Im Ernst kann hier ein grundsätzlicher Streit überhaupt nicht sein." G. STAEWEN notiert dazu: „An dieser Stelle hat er .haben als hätte man nicht' so lächerlich gemacht, daß alles lachte." (vgl. G. STAEWENs Glossen im gedruckten Exemplar ,Die Verantwortung der Kirche', S.29, K B A BASEL) Ausführlich verteidigte auch der Rheinische Generalsuperintendent STOLTENHOFF an dieser Stelle die Position von Dibelius, indem er den Unterschied zwischen „über das Evangelium verfügen" und „das Evangelium besitzen" gewahrt wissen wollte: „Wir verfügen nicht über das Wort, aber wir haben das Wort. Die Kirche hat das Evangelium, sonst hat sie nichts. Darin bin ich mit Ihnen völlig einig. Sie hat das Wort nicht nur als Verheißung, so gewiß das Wort nicht nur von Verheißung, sondern von Erfüllung spricht. Christus ist für uns nicht nur Verheißung, 59
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Lediglich in der Diagnose, dass die heutige Predigt noch weithin „dem gehobenen Mittelstand eine mit Moral durchsetzte Mystik vortrage" 64 , stimmt Dibelius teilweise zu. In der Abwehr eines „Bindestrich-Christentums"65 weiß sich Dibelius von BARTH nicht getrennt, sondern gerade mit BARTH ebenfalls einig, da es der Kirche ja gerade um die Freiheit von staatlicher Macht und den politischen Parteien gehe. Freilich stelle sich die Kirche mitten hinein in das Volkstum und lebe und leide mit dem Volk, genauso wie sie für ihr Volk kämpfe und bete. Dem „Deutsch-Schweizer" will es Dibelius scheinbar großherzig nicht verargen, „daß er das, was da in deutschen Herzen vorgeht, nicht in der Tiefe mitempfinden kann" 66 . Im Schlussabschnitt ertönt noch einmal das bekannte Pathos des Jubelrufs „ecclesiam habemus!" in vollen Registern gegen das ganze selbstquälerische und kirchenschädigende Problematisieren bei BARTH: „Unter der schweren Not des deutschen Zusammenbruchs war in der evangelischen Christenheit Deutschlands ein neues Verantwortungsbewusstsein entstanden und, vielleicht zum erstenmal, ein wirkliches Verständnis für das, was Gott uns mit unserer evangelischen Kirche geschenkt hat. Darum geht unser Kampf, daß dies neue Verantwortungsgefühl nicht sofort wieder zerstört werde durch das Erbübel des deutschen Volkes: durch fruchtlose Problematik und durch zersetzende theoretische Rechthaberei. Die Zeit ist seit 1918 wahrhaftig nicht weniger ernst geworden. Wir sind in einen Kampf gezwungen, wie er so folgenschwer nicht geführt worden ist, seit das Kreuz Jesu Christi auf deutschen Boden getragen worden war. In diesem Kampf werden Entschuldigungszettel wegen theologischer Hemmungen nicht geschrieben. In diesen Kampf werden wir alle hineingefordert. Und wir führen ihn dankbar dafür, daß Gott uns inmitten dieser Welt ohne Hoffnung und ohne Liebe unsere Kirche gegeben hat als die Gemeinschaft, in der wir miteinander glauben und hoffen und in ungebrochener Freudigkeit dienen dürfen. Der Dank für dies Geschenk unseres Gottes ist es, der uns immer wieder aufs neue den Ruf erheben läßt, um den wir alle sammeln möchten, die mit uns dem Gekreuzigten dienen wollen: ecclesiam habemus! Wir haben eine Kirche!" 67
sondern auch Erfüllung. Natürlich haben wir diese Erfüllung nur im Glauben und nicht im Schauen" (STOLTENHOFF an BARTH v. 20.5.1931, in: E. STOLTENHOFF, Hand, 1990, S.441). 64 Die Verantwortung der Kirche, S.30. 65 EBD., S.31; vgl. K. BARTH, Die N o t , S.56 („Bindestrich zwischen Christentum und Volkstum, evangelisch und deutsch"). - Schon im „Tambacher Vortrag" von 1919 stellte BARTH die Wortverbindungen „christlich-sozial", „evangelisch-sozial", „religiös-sozial" als „gefährliche Kurzschlüsse" in Frage und wandte sich gegen eine Säkularisierung von Christus „der Sozialdemokratie, dem Pazifismus, dem Wandervogel zu Liebe, wie ehemals den Vaterländern, dem Schweizertum und Deutschtum, dem Liberalismus der Gebildeten zu Liebe" (Der Christ in der Gesellschaft, zit. nach: J . MOLTMANN, Anfänge der dialektischen Theologie, Teil 1, S.5f.). 66 Die Verantwortung der Kirche, S.32. Nach der handschriftlichen Glosse lautete der Satz im mündlichen Vortrag: „Aber ein Schweizer ist eben nicht im Stande, das, was da in deutschen Herzen vorgeht, in der Tiefe nachzuempfinden" (G. STAEWENs Glosse im gedruckten Exemplar S.32, K B A BASEL). 67 Die Verantwortung der Kirche, S.32.
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Das „Jahrhundert der Kirche" war wieder unverrückbar in den Mittelpunkt gestellt. Der Gegensatz war da, nahezu unüberbrückbar und unversöhnlich; die Hörer- und Leserschaft der beiden Vorträge wurde ganz automatisch in Anhängerschaften polarisiert. Die Atmosphäre beider Vorträge wurde nicht nur vom Ernst der Sache bestimmt; auf beiden Seiten versuchte man, die Zuhörerschaft nicht nur mit Argumenten, sondern auch mit auf Heiterkeitserfolge 68 spekulierende rhetorische Effekte zu gewinnen oder zu provozieren. Dadurch geriet diese ernste und ernsthafte Auseinandersetzung in ihrer Wirkung streckenweise zu einem öffentlichen Schaukampf 69 mit höchstem Unterhaltungswert. Die öffentliche und die veröffentlichte Meinung wurde dadurch erst recht herausgefordert und in ihrem Urteil gespalten: BARTH habe an Dibelius gänzlich vorbeigeredet, und Dibelius habe nicht richtig auf BARTH gehört, so lauteten die gegensätzlichen Urteile 70 .
68 S. KNAK beklagte sich bei BARTH über diese Art, beim Publikum Eindruck zu machen: „Als Sie den Vergleich zwischen Reich Gottes und preußischer Generalsynode zogen, antwortete Ihnen das Beifalls-Gelächter fast des ganzen Hauses. Dieses Gelächter hatte zweifellos nicht nur evangelische Quellen. ...Nachher aber sprachen Sie von dem .Konsistorium in seiner Sünden-Maienblüte' und ernteten dasselbe Gelächter von denselben Leuten. Hier verdarben Sie sich sogar das Verständnis Ihres Satzes... Das Gelächter der Zuhörerschaft blamiert sehr oft die Zuhörerschaft, bisweilen aber auch den Redner. In diesem Fall saß Christus nicht auf der Seite des Redners, sondern auf der Seite der Mitglieder des Konsistoriums, die durch Ihr Wort dem höhnischen Gelächter unreifer Jugend preisgegeben waren. ...Als ich aus der Aula nach Hause ging, hörte ich Studenten um mich herum begeistert einander zurufen: ,Fein hat er das gesagt: Wie bist du gefallen, du schöner Morgenstern'! Ich kann mir nicht denken, daß das die Wirkungen sind, die Sie mit Ihrem Vortrag beabsichtigten." (KNAK an BARTH v. 9.2.1931, K B A BASEL) - BARTH anwortete auf diese Vorhaltungen mit verständnisvollem Ernst: „Daß Geist und Fleisch bei Redner und Hörern immer wieder und in sehr unerwarteter Weise höchst nahe beieinander sind, daß ein solcher Vortrag überhaupt und die Polemik in einem solchen Vortrag noch insbesondere eine geistlich höchst gefährliche Angelegenheit ist, in der man sich als Redner wie als Hörer jeden Augenblick versündigen kann.., das Alles ist mir sehr klar, man kann es sich aber nicht genug sagen lassen, und darum bin ich Ihnen für Ihren Zuruf dankbar." Nicht zur eigenen Rechtfertigung, sondern lediglich als Erklärung fügte BARTH hinzu, was ihm durch die Nachrichten in der Presse und durch Frau STAEWEN zugespielt worden war: „Viel ,Gelächter' hat es nach den mir zugekommenen Berichten auch anläßlich des 8 Tage später stattgefundenen Gegenvortrags des Herrn D. Dibelius gegeben. .Gelächter' ist nach den damaligen Berichten z.B. des .Reichsboten' vor einem Jahr in der Hauptsache auch die Antwort gewesen, die die preuß. Generalsynode auf mein Q u o u s q u e tandem gegeben hat. Ich will mich damit nicht entlasten. Aber ich darf annehmen, daß Sie bereit sind zu dem Zugeständnis, daß sich meine kirchlichen Gegner, was .Gelächter' betrifft, mindestens in derselben fragwürdigen Situation befinden wie ich" (BARTH an KNAK V. 7.3.1931, EBD.). 69 Das „Turnier Karl BARTHS mit dem Generalsuperintendenten D . Dibelius" hatte „viel Unbehagen und ungelöste Fragen zurückgelassen" (J. RICHTER in: EvBerl. 1932, S.150). 70 Auch vermittelnde Positionen meldeten sich zu Wort: sie wollten sozusagen beiden Kontrahenten recht geben in ihrem Anliegen gegen kirchliche Werkgerechtigkeit (BARTH) und gegen kirchlichen Quietismus (Dibelius), vgl. z.B. in: MPTh 27, 1931, S.193f. - BARTH selber setzte sich verärgert gegen solche Harmonisierungsversuche zur Wehr: die Art erscheine ihm etwas bequem, „in der man mich los wird, indem man mir ich weiß nicht welchen prinzipiellen Quietismus zuschreibt, der meiner Seele ganz fremd ist und dem gegenüber man sich selber dann im Dibelius'schen Posaunenton als den Mann nicht der Studierstube, sondern des wirklichen Lebens so leicht in Vorsprung setzen kann" (BARTH an KNAK v. 13.3.1931, K B A BASEL).
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
2.3 Klärungsversuche und Verständigungsbemühungen BARTH selber hielt es nicht für möglich und verbat es sich sogar, seine Position irgendwie mit der von Dibelius zu vermitteln und zu vermischen. Zu sehr witterte er dabei die Gefahr, dass seine eigene Haltung nivelliert und harmonisiert oder ihr die Spitze genommen werden könnte; er wollte gerade den unmittelbaren, unvermittelbaren und unversöhnlichen Gegensatz. So unternahm BARTH seinerseits auch gar nicht den Versuch bzw. widersetzte sich der „Versuchung", Dibelius verstehen zu wollen, während bei Dibelius jetzt ernsthafte Verstehensbemühungen zu beobachten sind 71 . Statt oder wenigstens neben der polarisierenden und polemisierenden Redeweise vermisst zumindest der heutige Leser bei BARTH das solidarische Verstehen, das sich ja auch e contrario im solidarischen Leiden an der N o t und Krise der Kirche hätte ausdrücken können 72 . Jedenfalls: die beiden Kontrahenten vermochten es zunächst nicht, selber zur Klärung der Gegensätze beizutragen. Umso mehr hält man Ausschau nach weiterführenden Verständigungsversuchen. 2.3.1 Karl Barth und Siegfried Knak - ein Briefwechsel Die unter den gegebenen Umständen nicht mögliche Klärung ist in einem ausführlichen, menschlich wie sachlich beeindruckenden Maße aufgenommen worden - zunächst nicht zwischen BARTH und Dibelius selbst, sondern zwischen dem Berliner Missionsdirektor Siegfried KNAK und dem Bonner Theologieprofessor. KNAK griff dabei zunächst das Bindestrich-Thema „Christentum und Volkstum" auf und knüpfte an den Satz von Dibelius an, dass ein DeutschSchweizer wohl im Innersten nicht nachempfinden könne, was den Deutschen ihr Volkstum bedeute: „Schweizer haben anscheinend nicht die innere Fühlung zu den Dingen, wenn sie über dieses schwierige Problem Christentum und Volkstum, Christentum und Nation reden wollen. ... Wer nicht erkennen läßt, 71 Anlässlich einer Abendgesellschaft bei Sup. DlESTEL in Berlin-Lichterfelde am 23.2.1931 widersprach Dibelius einem evangelischen Pressemann, der ganz „unmanierlich" gegen den Vortrag von BARTH wetterte, „und sagte, so einfach wäre BARTH doch nicht abzutun" (vgl. E. BETHGE, Bonhoeffer, 1986, S.207f.). Dass Dibelius sich auch lernfähig zeigen konnte und zur von BARTH geforderten Sprache der Buße gefunden habe, darauf machte die .Reformierte Kirchenzeitung' anlässlich einer von Dibelius verfassten Kundgebung zur Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen N o t aufmerksam: „Spricht nicht jedenfalls aus den erwähnten Worten etwas ganz anderes als der Geist von Laodizea?" (RKZ 81, 1931, S.138) In seinem Berliner Gegenvortrag hatte Dibelius noch sagen können: „Die Buße gehört in das Kämmerlein vor Gott. Vor die Augen der Welt gehört etwas ganz anderes!" (Die Verantwortung der Kirche, S.29) - Nicht unberührt von der Auseinandersetzung mit BARTH dürfte auch Dibelius' „tiefgreifende Ausführung zu einer in der theologischen Debatte der letzten Zeit viel besprochenen Frage" (redaktionelle Einleitung) sein: „Die Buße der Kirche" (EvDt v. 15.11.1931, S.379-381). 72 Das Nicht-verstehen-wollen bei BARTH hatte freilich Methode und sollte neue Orientierungsmöglichkeiten und eine andere Ebene der theologischen Diskussion eröffnen: „Mir kommt es vor, als sei die theologische Lage gegenwärtig wieder einmal in das Stadium des BewegungsKrieges getreten, in dem es abgesehen von kleinsten Kampftruppen fast unmöglich ist, Zusammengehörigkeit und Gegnerschaft an Hand der gewohnten Orientierungen auch nur einigermaßen deutlich zu unterscheiden" (BARTH an ALTHAUS v. 19.4.1930, K B A BASEL).
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daß von ihm die Zugehörigkeit zum Volkstum als eine Gottesgabe und darum als Gottes Aufgabe ernst genommen wird, wird am Gewissen der deutschen Christen vorbeireden."73 In der Antwort BARTHS heißt es dazu ganz unnachgiebig: „Was gegen das immer wieder und aus verantwortlichstem Munde stattfindende Auftreten der Begriffe ,christlich' und ,deutsch' zu sagen ist, das bedarf nach meiner Einsicht keinerlei tiefer Untersuchung, sondern gerade das Tiefste, was dagegen zu sagen ist, ist ein glattes, scharf protestierendes Nein. Was hier geschieht, das dürfte so wenig geschehen, wie der gleichzeitige Dienst Jahwes und Baals geschehen durfte." In gereiztem Ton fügt BARTH hinzu: „Es hat auch gar nichts damit zu tun, ob es ein Schweizer oder ein Chinese ist, der das ausspricht, sondern hier geht es nach meiner Einsicht um ein primitives Element der Erkenntnis der Einheit und Alleinherrschaft Gottes, über dessen Mißachtung auch und gerade in so vielen positiv christlichen Kreisen ich mich eben nur wundern kann." 74 Nachdem KNAK noch einmal präzisierend das Volkstum als die vorrangige „gottgewollte", „erste Gegebenheit" des Menschseins herausgestellt hatte, versicherte ihm BARTH, dass auch er als Schweizer sein Vaterland liebe, aber dass er nicht meine, dies immer im Munde führen zu müssen. BARTH wendet sich jedoch grundsätzlich und entschieden dagegen, einen Primat des Volkstums innerhalb der Schöpfungsordnung und des „Reichtum(s) des Gebotes Gottes" anzuerkennen und so „eine maßlose und sehr gefährliche Ubertreibung" und „eine durch nichts gerechtfertigte Willkür und Eigenmächtigkeit" zu unterstützen: „Ich bejahe es mit Ihnen, daß das Volkstum, in dem jemand geboren wird, zu dem gottgewollten schöpfungsmäßigen Bestand seiner Existenz gehört und daß diese Komponente seiner Existenz für ihn dauernd und auf alle Fälle eine Komponente des ihn in Anspruch nehmenden Gebotes Gottes bilden wird.... Gerade im Blick auf die menschliche Schöpfungswirklichkeit und auf das göttliche Schöpfungsgebot möchte ich für ein gelösteres, offeneres Verständnis plädieren... Glauben Sie wirklich, daß der göttliche Sinn und das göttliche Recht des Volkstums zu kurz kommen, wenn auch es in seiner Relativität - nicht nur zu Gott, sondern auch konkret in seinem Verhältnis zu Allem, was sonst Schöpfungswirklichkeit und Schöpfungsgebot ist, gesehen wird?" 75 KNAK fühlte sich im Gegenzug herausgefordert, seine Position zu rechtfertigen, indem er gleichzeitig auf die Frontstellung seiner Haltung hinweist: „Darum geht es mir, daß wir mit dem Pfunde wuchern, das uns Gott gegeben hat, daß wir die Verantwortung sehen und einlösen, die uns Gott aufgelegt hat. Welche Gefahr ist wohl heute größer: daß wir unsere Nation zum Götzen machen oder daß wir uns von den Fluten des Internationalismus überschwemmen lassen und amerikanisiert oder bolschewisiert werden? ...Denn daß uns ebensoviel daran gelegen ist wie Ihnen, keine Vergötzung der Nation mitzumachen oder schweigend 73 74 75
KNAK an BARTH V. 9.2.1931 (EBD.). BARTH an KNAK V. 7.3.1931 (EBD.). BARTH an KNAK V. 13.3.1931 (EBD.).
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anzusehen, das kann ich Ihnen fest versichern. Das wird uns, wie ich mit Sorge und Schmerz sehe, in der nächsten Zeit zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Führern der nationalen Bewegung bringen, die ich gern vermiede, aber um des Gewissens willen nicht glaube vermeiden zu dürfen."76 Der briefliche Diskurs hatte beide Autoren einander menschlich und sachlich näher gebracht. Im Schutz des privaten Gesprächs kommt BARTH dann selber der Differenz beider Positionen auf die Spur: „im übrigen bedeutet unsere Differenz sicher weithin eine Differenz der Beurteilung der praktischen Lage. Ich habe im Kampf gegen den Idealismus, wie ich glaube, das Meinige getan. Aber nun sehe ich in der Theologie eine Hochflut von Realismus, in der Kirche - Dibelius und WOLFF, in der Philosophie die Phänomenologen, unter meinen Studenten den Nationalsozialismus, finde die Widerstandskraft der deutschen Nation gegen alle Wahrheit zur Linken geradezu erstaunlich und hätte kein gutes Gewissen, wenn ich nun auch noch in dieses Horn stoßen und nicht vielmehr an die Grenzen auch der Wahrheit zur Rechten erinnern würde. Nun, in solchen praktischen Beurteilungen ist man doppelt dem Irrtum ausgesetzt. Ich kann Sie nur versichern, daß ich mir Mühe geben werde, offen zu bleiben."77 Von einer solchen verstehenden und hörbereiten Offenheit konnte bei BARTH, was seine Gegnerschaft zu Dibelius anging, zunächst nicht die Rede sein. 2.3.2 Barths Nachwort Während aus Anlass des „Berliner Religionsgesprächs"78 im privaten Raum solche verständigen und moderaten Briefe ausgetauscht wurden, bereitete BARTH die Veröffentlichung seines Berliner Vortrags im April-Heft von ,Zwischen den Zeiten' vor. Jedoch war hier noch nichts von der Bemühung um eine öffentliche Verständnisbereitschaft gegenüber der gegnerischen Position zu spüren. Sichtlich irritiert dadurch, dass Dibelius mit der Veröffentlichung seiner Gegenrede bereits vier Tage nach dem Vortrag einen publizistischen Vorsprung erzielt hatte, fügte BARTH der Drucklegung seiner Ausführungen ein Nachwort hinzu, das noch einmal in lauter und kompromissloser Kritik alle Aufmerksamkeit auf den von ihm selbst initiierten Ausgangspunkt des verbalen Schlagabtauschs zu lenken suchte.
76 KNAK an BARTH V. 22.3.1931 (EBD.) - In der aktuellen Situation des Jahres 1933 erinnerte sich KNAK freilich nicht mehr an diese Vorhersage und vertrat zusammen mit W . KÜNNETH und gegen BARTHS entschiedenen Rat eine Kompromisslinie gegenüber den „Deutschen Christen" (vgl. H. LUDWIG, Die Entstehung, 1987, S.271 u. S.291, Anm.32f.). 7 7
B A R T H a n K N A K V. M ä r z 1 9 3 1 , K B A B A S E L .
Vgl. E. DETERT / K. SCHARF (Hg.), D. Dr. Otto Dibelius, wie wir ihn kennen, 1933, S.7; zur Entstehung und Verbreitung dieser Broschüre vgl. das Schreiben von K. SCHARF an etwa 50 kurmärkische Pfarrer v. 11.8.1933 (K. SCHARF, Gewissen, 1972, S.29). Das Aufeinandertreffen von BARTH und Dibelius wurde so bezeichnet in Erinnerung an das „Marburger Religionsgespräch" von 1529, bei dem der Schweizer ZWINGLI und der Norddeutsche LUTHER einander in der Abendmahlsfrage unversöhnlich gegenüberstanden. „Fast wiederholt sich die Szene v o n Marburg: ,Ihr habt einen andern Geist als wir'" (M. RADE in C h W 45, 1931, Sp.574). 78
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B A R T H hatte es offensichtlich darauf angelegt, den Gegensatz nicht abzumildern, sondern ihn noch zu verstärken und zu verschärfen, indem er ihn personalisierte und vollends auf die Person des kurmärkischen Generalsuperintendenten zuspitzte: „Ein anderes Verhältnis als das eines tiefsten Befremdens kann ich ja zu der rasch gefundenen und gegebenen Anwort des Berliner Kirchenmannes wirklich nicht finden. Er hat ein Votum neben das meinige gestellt, dessen entscheidende Eigenschaft darin besteht, zu jenem - ich weiß, was ich sage - keine Beziehung zu haben. Auseinandersetzung'?! Um sich auseinanderzusetzen, müßte man wenigstens antithetisch zuvor beieinander gewesen sein. D. Dibelius und ich sind, nach seinem Votum zu schließen, keinen Augenblick beieinander gewe" sen."79 Schließlich fasst B A R T H dann in gedrängter Kürze die ganze Gegenüberstellung der beiden Positionen aus seiner Sicht zusammen. Sein Ergebnis lautet: Es kann nur die totale Beziehungslosigkeit80 zwischen den beiden Kontrahenten festgestellt, ja es muss sogar diese Beziehungslosigkeit unter allen Umständen auch festgehalten werden81. In seinem „heiligen" Eifer und in seinem unerschütterlichen Sendungsbewusstsein spricht B A R T H aber nun nicht mehr als Partei, sondern bereits als Schiedsrichter aus der Höhe übergeschichtlicher Betrachtung, wenn er dekretiert: „Ich stehe nicht dort, wo D. Dibelius mich stehen sieht, und ich kann auch nicht zugeben, daß er selber wirklich dort steht, wo er mir gegenüber zu stehen vor gibt."82 Und in radikaler und in direkter Anknüpfung an .Quousque tandem...?' wird das Urteil in Bausch und Bogen gesprochen: „Es ist nach meiner Einsicht kein Wort in dem Vortrag des Herrn D. Dibelius, das nicht durch und durch laodicenisch gedacht und gesprochen wäre. ... Merkt er denn gar nicht, daß es Menschen gibt, die sich der Verzweiflung an der deutschen evangelischen Kirche zu erwehren haben, weil sie das Wort von Christus fast nicht mehr, weil sie fast nur noch fremdes, feindseliges Heidenwort in ihr hören können? Warum? Wegen des Brodems von greulicher Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit, der uns von ihrer Predigt und Verkündigung fast auf der ganzen Linie wie ein Giftgas
K. BARTH, Die N o t . Nachwort, S.58. Nach dem T o d des 73-jährigen J . SCHNEIDER im Sommer 1930 übernahm der Lutheraner H . SASSE die Herausgabe und Redaktion des ,Kirchlichen Jahrbuchs'. Er stellte sich im Wesentlichen - bei manchen Einwänden gegen Form und T o n des von BARTH Vorgetragenen - auf die Seite BARTHS und deutete diese Beziehungslosigkeit so: „Die mächtige kirchliche Aufbauarbeit und die tiefgehende theologische Arbeit des letzten Jahrzehnts stehen fast beziehungslos nebeneinander" (KJ 58, 1931, S.24, vgl. S.24ff.). 81 BARTH behauptet, dass die Antworten und Bestreitungen von Dibelius gar keinen Anhalt an seinen, BARTHS, Ausführungen hätten. Allerdings urteilte umgekehrt G. GLOEGE, dass auch BARTH nicht sorgfältig hingehört bzw. gelesen habe und so in seinem vernichtenden Nachwort übers Ziel hinausgeschossen sei und die durchaus vorhandenen Ansätze und Möglichkeiten des freilich kontroversen - Gesprächs gar nicht wahrzunehmen bereit gewesen sei (vgl. A E L K Z 64, 1931, Sp.ll60ff.). 79
80
82
K. BARTH, Die N o t . Nachwort, S.58.
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entgegenschlägt. Kein grundsätzlicher Streit? Sehr grundsätzlicher Streit, Herr Generalsuperintendent, verlassen Sie sich darauf!" 83 D a nun bei Dibelius nicht einmal nur „fast" aus jedem Wort, sondern „durch und durch" der Geist und die Sprache von Laodizea spreche, will BARTH schon im Voraus, endgültig und grundsätzlich ausgeschlossen wissen, dass es eine vermittelnde und versöhnende Mitte 84 gebe, in die man sich zwischen ihn und Dibelius stellen könne. Im rigorosen und groben Ton von ,Quousque tandem...?' schließt BARTH die Akten über diese „Auseinandersetzung": „Des unwahren Friedens ist es für einmal genug. Ich protestiere jedenfalls für mich selbst im voraus gegen jedes Geschichtsbild, das mir eine andere Stellung zuweist als die des ganzen Protestes gegen das ganze, die Sprache von D. Dibelius redende Kirchentum. Ecclesiam habemus - Sie haben recht, Herr Generalsuperintendent, eben darum kann ich mich gegen die heute noch ungebrochene Herrschaft Ihres Geis-
83 EBD., S.61. - E. STOLTENHOFF, der Dibelius in seiner Zeit als Oberkonsistorialrat im Berliner E O K (1924-1928) kennen und trotz dessen Schwächen auch schätzen gelernt hatte („Ich kenne ihn. Ich kenne auch seine Schwächen, ich kenne sie genau."), wendet sich scharf gegen solches psychologisierende Bescheidwissen über den theologischen Gegner: „Aus meiner eingehenden Kenntnis heraus sage ich: Sie tun ...D. Dibelius Unrecht. Sie können sagen, wie der Vortrag des D . D . Wort für Wort auf Sie gewirkt hat, aber Sie können doch nicht wissen, wie Wort für Wort des Vortrages .gedacht und gesprochen' ist, wenn Sie damit die Gesinnung und die innersten Beweggründe des Vortrags bei jedem seiner Worte meinen und kennzeichnen wollen." Darüberhinaus hält STOLTENHOFF dem Bonner Professor das „Ärgernis der Übertreibung" vor, wenn dieser behauptet, dass „fast nur noch fremdes, feindseliges Heidenwort" in der deutschen evangelischen Kirche zu hören sei, und stellt die schlichte Gegenfrage: „Haben Sie einen so umfassenden Uberblick über das, was in den deutschen evangelischen Kirchen und auf allen ihren Kanzeln gepredigt wird?" (STOLTENHOFF an BARTH v. 20.5.1931, in: E. STOLTENHOFF, Hand, 1990, S.441f.) - STOLTENHOFF charakterisierte Dibelius in seinen Lebenserinnerungen nicht unzutreffend folgendermaßen: „Dibelius, ein Mann von ungewöhnlicher Begabung und selten vielseitigem Wissen, von starker Initiative und außerordentlichem Tatendrang, nicht immer ruhig abwägend, aber stets original in seinem Denken und Vorgehen, neigte dazu, alles ,ganz anders zu machen' als seine Mitmenschen. Er konnte mit seiner Kritik an bestehenden Verhältnissen und Einrichtungen lästig werden, in ihr wohl auch ungerecht sein, aber er wollte etwas, er wollte vorwärts, aus bequemer Gewöhnung und unfruchtbarer Erstarrung heraus. Er wußte, was er konnte, aber er konnte auch wirklich etwas" (EBD., S.166). 84 Dieses von BARTH gebrauchte Bild lässt allerdings zumindest die Frage zu: wie nah müssen eigentlich zwei Positionen selbst im Streit beieinander sein, wenn sie keinen Platz mehr zwischen sich lassen und wenn man sich nicht mehr dazwischen stellen kann? In diesem Sinn ist die von K. SCHOLDER im Blick auf die weitere Geschichte aufgestellte und von K. STOCK in Frage gestellte Behauptung zu werten: „in der Sache standen sich die beiden Männer näher, als sie wahrhaben wollten. ...Den Beweis für die sachliche Nähe lieferte der Fortgang der Geschichte, nämlich Dibelius' Weg im Dritten Reich." (K. SCHOLDER, Dibelius, 1981, S.95 / 1983, S.328, / 1992, S.328; vgl. K . STOCK, Kirche, 1989, S.451). Ähnlich wie SCHOLDER urteilt auch A. LlNDT, der mit Erstaunen feststellt, wie in der Zeit des Kirchenkampfes „die beiden Kontrahenten von damals bei allen bleibenden Gegensätzen je von ihren Voraussetzungen her sich zusammenfanden in der kompromißlosen Ablehnung des Totalstaates und seiner kirchlichen Trabanten.... In der Bekennenden Kirche haben sich die theologischen und ekklesiologischen Ansätze von BARTH und Dibelius in der Abwehr des HlTLERschen Staatskirchentums zusammengefunden. N a c h 1945 hat dann das erneute Auseinandertreten der beiden Ansätze den weiteren spannungsreichen Weg des deutschen Protestantismus nicht unwesentlich geprägt" (A. LlNDT, Totalitarismus, 1981, S.lSOf.).
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tes u n d I h r e r A r t in d e r K i r c h e n u r a u f l e h n e n . I c h h o f f e a u f e i n e n a n d e r e n , n e u e n T a g der deutschen evangelischen K i r c h e . " 8 5 D a s T i s c h t u c h z w i s c h e n b e i d e n K o n t r a h e n t e n w a r z e r s c h n i t t e n ; die T ü r ist w e i t h i n h ö r b a r ins S c h l o s s gefallen. Umso
mehr
schien
es a n g e b r a c h t ,
klärend,
vermittelnd -
oder
im
Sinne
BARTHS: parteiergreifend -
die bis ins U n e r t r ä g l i c h e a n g e s p a n n t e
Atmosphäre
des t h e o l o g i s c h - k i r c h l i c h e n
G e s p r ä c h s zu entschärfen o d e r den Streit z u
ent-
s c h e i d e n . A u f m e r k s a m k e i t v e r d i e n e n in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g v o r a l l e m z w e i B e i t r ä g e 8 6 , die i n d i f f e r e n z i e r t e r W e i s e D i b e l i u s in S c h u t z n e h m e n u n d a u c h f ü r ihn Partei ergreifen. Z u m e i n e n h a n d e l t es s i c h u m e i n e A u f s a t z r e i h e v o n G e r h a r d G L O E G E 8 7 , i n d e r d i e s e r s i c h als g e l e h r t e r u n d g e l e h r i g e r , t i e f s i n n i g e r u n d h e l l s i c h t i g e r l u t h e r i s c h e r S c h ü l e r d e r D i a l e k t i s c h e n T h e o l o g i e a u f die Seite v o n D i b e l i u s stellte, o h n e dessen
ekklesiologischen
Fundamentalismus
zu
teilen88.
Der
andere
Beitrag
s t a m m t v o n M a r t i n SCHIAN, d e m früheren G i e ß e n e r P r a k t i s c h e n T h e o l o g e n u n d n a c h m a l i g e n K o l l e g e n v o n D i b e l i u s i m B r e s l a u e r A m t des G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n . O b w o h l S C H I A N s e i n e m V o r t r a g d e n p r o g r a m m a t i s c h e n u n d P o s i t i o n bez i e h e n d e n T i t e l gab: „ E c c l e s i a m h a b e m u s " , g i n g e r d o c h a u c h a u f D i s t a n z z u d e n a l l z u t r i u m p h a l i s t i s c h k l i n g e n d e n T ö n e n 8 ' bei D i b e l i u s . E r k o n n t e a b e r -
schon
85 K. BARTH, Die N o t . Nachwort, S.62. Die ganze Rede BARTHS ist von hintersinnigen Anspielungen und Andeutungen durchzogen und durchwoben; so könnten z.B. auch in dem erwarteten „Tag" mancherlei Anspielungen verborgen sein und mitgehört werden: (1) Den emphatischen Schlussabschnitt des Friedensbuches stellt Dibelius unter die Verheißung der Weihnachtsbotschaft: „Ein neuer Tag bricht an" (Friede auf Erden?, S.241). (2) Dibelius schrieb ja seine wöchentlichen Sonntagsartikel in dem zum SCHERL-Verlag und HUGENBERG-Konzern gehörenden Berliner Blatt ,Der Tag'. (3) Ist dieser Tag der eschatologische Tag des Zorns und des Gerichts: „dies illa, dies irae"? (4) Oder ist der erwartete „andere, neue Tag der deutschen evangelischen Kirche" nur das bescheiden verkleinerte Pendant zum bereits angebrochenen und großspurig daherkommenden „Jahrhundert der Kirche"? 86 BARTH war und blieb im Blick auf die ausführliche Aufarbeitung seines Anliegens allein und isoliert; freilich hatte er seine nicht gerade kleine Anhängerschaft, deren Voten allerdings nicht über pauschale Loyalitätserklärungen hinausgingen. Es gehört wohl zu dem von BARTH nicht unbeabsichtigten Effekt seines originären Denkstils und seiner komplizierten Schreibweise, dass man ihn nicht einfach adaptieren, imitieren kann. Man wird sich auf seine Seite nur stellen können, indem man das von ihm Gesagte und Gemeinte in einer wiederum eigenen originären Weise neu und damit eben anders zu sagen versucht. BARTHS Theologie ist eine Einladung zum eigenen und selbständigen Denken und eine Warnung vor bloßer Repristination. BARTH machte es also seinen Anhängern schwer, ein Barthianer zu sein! 87 G. GLOEGE, Polemik aus Buße, 1931. 88 J . SCHNEIDER zitiert GLOEGE mit dem eindrücklichen Satz: „Mit der Bitte: Dein Reich komme, bittet die Kirche um ihren eigenen Untergang" (KJ 57, 1930, S.440). 89 M. SCHIAN, Ecclesiam habemus, S.9ff. Einen sachlichen, sicherlich berechtigten Einwand macht SCHIAN geltend, indem er auf die exklusive und hochstilisierte Bedeutung des Gegenübers von Kirche und Staat bei Dibelius hinweist: „Es ist zwar ganz gewiß eine sehr wichtige Sache für eine evangelische Kirche, wie sie zum Staat steht, und wie sich der Staat ihr gegenüber verhält.... Aber es ist nicht die einzige Seite der Sache, und sie ist nicht von einer dermaßen alles überragenden Wichtigkeit, daß sich danach allein die Frage entscheiden würde, ob wir überhaupt eine Kirche haben oder nicht." (EBD., S.8f.) Doch sonst schlägt sich SCHIAN auf die Seite von Dibelius (vgl. dazu auch PrKZ 27, 1931, Sp.346). - Gegen eine triumphalistische Redeweise vom J a h r -
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aus pädagogischen Gründen - keinerlei Verständnis aufbringen für die derart die Kirche herabsetzende und despektierliche, spöttische und höhnische Sprache 90 bei BARTH. SCHIAN und GLOEGE sind letztlich der Meinung, dass die Auseinandersetzung die strittige Sache mehr verdeckt als zum Vorschein gebracht habe, weil BARTH seine Sprache nicht mit der gemeinten Sache in Übereinstimmung bringen wollte oder konnte, weil also die Form der Auseinandersetzung nicht dem Inhalt und der Bedeutung des Streits entsprach. So steht SCHLAN im Grunde ratlos vor diesem „Vorgang von wunderlicher Tragik" 91 . Und deshalb attackiert auch GLOEGE: „Weil wir mit BARTH den ,unwahren Frieden' hassen, hassen wir gegen ihn (und zugleich doch wohl auch mit ihm?) den unwahren Streit. Weil wir nach wahrer Polemik begehren, graut uns vor der falschen', die einen Vorstoß des Deus nudus bedeuten würde." 92 Auch Siegfried K N A K meldete sich wieder brieflich zu Wort und ließ erkennen, dass er für B A R T H S Schärfe in seinem Nachwort zwar Verständnis aufbringe; er bat aber, als mildernden Umstand zu berücksichtigen, dass Dibelius' „theologischer Unterbau nicht entfernt jene Klarheit und grundsätzlichen Tiefen hat wie Ihre Position" 93 . Auf dem Hintergrund solcher captatio benevolentiae versuchte er aber auch, bei B A R T H eine Lanze für Dibelius zu brechen, indem er darauf aufmerksam machte: „Menschen, die die konkreten Aufgaben des Augenblicks tapfer und hingebend in die Hand nehmen, haben ihre Verdienste auch dann, wenn sie Fehler machen. Und Dibelius' Taten sind weitaus besser als die Worte, mit denen er sie zu deuten sucht." 94 Zumindest auf der menschlichen Ebene wollte dieses Votum eine Brücke zwischen den beiden Kontrahenten ins Blickfeld rücken und vielleicht sogar begehbar machen.
hundert der Kirche" wendet sich SCHIAN auch schon ein Jahr vorher (vgl. M. SCHIAN, Was ist uns unsere evangelische Kirche?, 1930, S.3). Dibelius gibt ihm darin recht, wenn damit ein „flacher Optimismus" gemeint sei, bekennt sich aber zu einem im Glauben gegründeten Siegesbewusstsein: „Unsere lutherische Kirche hat nie recht gewußt, was es um das Siegesbewußtsein der Kirche ist. Wir singen in unseren Gottesdiensten viel zu wenig Lieder von Kampf und Sieg. Viel zu wenig Lieder dankbarer Freude darüber, daß der Christ sich dieser Welt überlegen weiß. Das Jahrhundert der Kirche' besteht darin, daß die deutsche Christenheit sich dessen bewußt wird, was ihr jenseits alles staatlichen und politischen Lebens in der Gemeinschaft gegeben ist, die sich auf den Glauben gründet. Wo dies Jahrhundert der Kirche anbricht, da ist Siegesbewußtsein. U n d wo Siegesbewußtsein ist, da ist das Jahrhundert der Kirche. U n d in diesem Jahrhundert, dessen sind wir gewiß, erwächst auch eine neue Zukunft des deutschen Volkes!" (SoSp. v. 11.1.1931). 90 Dreimal wiederholt SCHIAN das für ihn besonders anstößige Zitat, in dem BARTH „den Pastor und das Konsistorium in ihrer Sünden offenkundiger Maienblüte" rhetorisch so effektvoll attackierte (vgl. M. SCHIAN, Ecclesiam habemus, S.15, 16, 19). Schon gegenüber .Quousque tandem...?' hatte SCHIAN seinen massiven Protest angemeldet (PrKZ 26, 1930, Sp.207f.); eine Gegenrede dazu von M. KRACHT findet sich in: EBD., Sp.287-290. 91 M. SCHIAN, Ecclesiam habemus (1931), S.27. 92 A E L K Z 64, 1931, Sp.1183. 93 KNAK an BARTH V. 24.4.1931, К Б А BASEL. 94 KNAK an BARTH V. 24.4.1931 (EBD.) Zum Vergleich fügt KNAK am Rande handschriftlich hinzu: „Auch Albert SCHWEITZERS Taten werden Sie von Ihrem Standpunkt aus bejahen, während Sie seine Kulturphilosophie doch energisch ablehnen müssen!" (EBD.).
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I m folgenden J a h r w a r BARTH auf Veranlassung v o n P r o f . Julius RICHTER95 e i n g e l a d e n , w i e d e r in B e r l i n z u s p r e c h e n - dieses M a l bei d e r B r a n d e n b u r g i s c h e n Missionskonferenz z u m wart"
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Thema
„ D i e T h e o l o g i e u n d die M i s s i o n der
Gegen-
. D i e s e s T h e m a w u r d e a u c h s c h o n i n d e r K o r r e s p o n d e n z m i t K N A K 9 7 an-
g e s p r o c h e n u n d v o r b e r e i t e t . Z w a r w a r die t h e o l o g i s c h e A u f a r b e i t u n g d e r „ Ä u ß e r e n M i s s i o n " in B A R T H S A u g e n e i n d u r c h a u s paralleles S o n d e r p r o b l e m z u d e r ü b e r g e o r d n e t e n F r a g e n a c h d e r „ K i r c h e " ; aber h i e r sah e r s i c h w e i t
weniger
veranlasst98, den scharfen Konfrontationskurs fortzuführen. S o h a t t e a u c h d e r V o r t r a g , d e r a m 1 1 . 4 . 1 9 3 2 ebenfalls w i e d e r in d e r A u l a d e r Berliner Universität stattfand und zu d e m Missionsdirektor KNAK ursprünglich ein K o r r e f e r a t 9 9 h a l t e n sollte, eine w e i t g e r i n g e r e O f f e n t l i c h k e i t s w i r k u n g als das A u f t r e t e n BARTHS i m J a h r zuvor. D i b e l i u s sah a u c h in d i e s e m V o r t r a g seine V o r b e h a l t e g e g e n ü b e r d e r T h e o l o gie B A R T H S bestätigt: „eine T h e o l o g i e d e r u n a u s g e s e t z t e n E i n w ä n d e k a n n sicherl i c h a u c h als ein . F e r m e n t d e r D e k o m p o s i t i o n ' w i r k e n , w i e d e r alte M O M M S E N
Vgl. J . RICHTER, Antwort an Karl Barth (EvBerl. v. 24.4.1932, S.150f.). Vgl. R K Z 82, 1932, S.151, 199, 278. 97 Vgl. BARTH an KNAK V. März 1931 und KNAK an BARTH v. 24.4.1931, K B A BASEL. 98 In seinem ersten Berliner Vortrag wies BARTH das diakonische und missionarische Handeln der Kirche als selbständiges Thema der Theologie brüsk zurück: Die Kirche habe Gott zu dienen, nicht dem Menschen: „Gewiß am Menschen, aber darum nicht dem Menschen!" Und: Die Kirche „hat das Heil weder mitzuteilen noch fortzupflanzen noch auszubreiten" (K. BARTH, Die N o t , S.39). - Schon im März 1931 schrieb BARTH dazu: „In Bezug auf das Verhältnis von Mission und dialektischer Theologie trage ich gerne nach, daß es mir wohl bewußt i s t d a ß die führenden Missionskreise sich durch eine viel größere innere Beweglichkeit auszeichnen vor den führenden Kirchenkreisen. Es wird ja kein Zufall sein, daß unsereiner sich mit einem Mann wie Sie weithin verständigen kann, während von mir zu Dibelius und umgekehrt vorläufig weit und breit keine Brücke zu sehen ist" (BARTH an KNAK V. März 1931, KBA BASEL). - Dies wurde auch so von der Hörerschaft empfunden, aber gegenüber dem Berliner Vortrag im Vorjahr als eine Standortverschiebung auf der Seite BARTHS gewertet: „Wenn man die Haltung BARTHS bei diesem Vortrage mit der des ersten vergleicht, so ist eine Milderung seines Standpunktes wohl kaum zu verkennen. Daß BARTH entwicklungsfähig ist, wissen Freunde wie Gegner. Es ist also wohl nicht unberechtigt anzunehmen, oder zu hoffen, daß aus der Gegnerschaft, die bisher in den Vordergrund getreten ist, sich mit der Zeit auch eine gemeinsame Arbeit entwickeln wird. Die BARTH-Schüler sind vielfach noch einseitiger als ihr Meister ..." (Refor. v. 8.5.1932). - So waren manche Hörer des Missions-Vortrags überrascht (und vielleicht auch enttäuscht!), dass bei den Ausführungen BARTHS seine sonst gewohnte Schärfe fast völlig fehlte: „Ich hatte den Eindruck, daß BARTH am 11. April so maßvoll, so positiv, um nicht zu sagen kirchenfromm, redete, daß ich mich wunderte, solche Worte aus seinem Munde zu hören" (M. KRACHT in: PrKZ 28, 1932, Sp.145). Zu dem Aufeinandertreffen von BARTH und KNAK in Berlin vgl. auch: H. BALZ, Missionstheologie, 1989, S.421ff. 99 BARTHS Vortrag zog sich so in die Länge, dass nur noch für eine Diskussionsrunde Zeit war (vgl. PrBl 65, 1932, Sp.260f.). KNAK eröffnete die Aussprache mit der ungelenken Frage, „worin nach BARTHS Ansicht der Unterschied zwischen preußischem und schweizerischem Nationalgefühl" bestünde (D. BONHOEFFER, GS I, S.30; vgl. E. BETHGE, Bonhoeffer, 1986, S.218; E. BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.232). KNAK war über den Verlauf des Vortragsabends bzw. über seine eigenen Beiträge im Nachhinein völlig unglücklich und „ganz zerschlagen" (KNAK an BARTH v. 12.4.1932, K B A BASEL). 95
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sich ausdrückte. Sie kann alle Energie und alle Unbefangenheit ertöten. Sie kann die praktische Arbeit der Kirche lähmen und zersetzen." 100 Jetzt aber erkannte Dibelius an, dass BARTH sich mit Recht gegen den Vorwurf verwahre, er sei nur ein „Mann der Theorie"; vielmehr müsse man es „BARTH zugeben, daß er gerade aus der Praxis zu seiner Theologie getrieben worden ist". Diese Erkenntnis führte nun allerdings bei Dibelius - ungeachtet aller weiterhin bestehenden Differenzen - zu einer erstaunlich harmonisierenden und bejahenden Sichtweise des BARTH'schen Standpunktes, so dass er sogar behaupten konnte: „Was er sagt, dreht sich immer irgendwie um die Kirche. Seine Theologie ist, wenn auch in sehr eigenartiger Weise, eins der stärksten Zeichen dafür, daß der Protestantismus heute in einem Jahrhundert der Kirche' steht." 101 2.3.3 Burgfriede zwischen Barth und Dibelius Wie konnte es dazu kommen, dass Dibelius BARTHS Theologie „wenn auch in sehr eigenartiger Weise" als einen Beweis für die Geltung ausgerechnet des violetten „Jahrhunderts der Kirche" ansehen und so auch empfehlen konnte? Hatte er nicht BARTHS „Zuspitzung auf das Theologische" zunächst nur als „abstrakt, doktrinär und dadurch dem Reformatorischen wesensfremd" 102 beurteilt? Wenn man auch die Neigung bei Dibelius in Betracht zieht, zumindest vor der Öffentlichkeit persönliche und sachliche Differenzen in Kirche und Theologie möglichst zu vermeiden oder doch wenigstens zu minimalisieren, so bedarf der Umschwung in der Einstellung von Dibelius zu seinem theologischen Kontrahenten einer Erklärung. Sie ist sicherlich in der persönlichen Begegnung zwischen Dibelius und BARTH ZU finden, die bei dem zweiten Berlinbesuch BARTHS im April 1932 möglich geworden war. Der durch BARTH in der Öffentlichkeit so exponierte und diffamierte Generalsuperintendent war es, der den Kontakt zu dem Bonner Professor wieder aufnahm. Er bat ihn brieflich, während dessen Berlinaufenthalts Gast in seiner Steglitzer Wohnung (Kaiser-Wilhelm-Str. IIa) zu sein. Angesichts der von BARTH attestierten totalen Beziehungslosigkeit schien es Dibelius angebracht, von sich aus den Boden für ein würdiges und nützliches Zusammentreffen zu bereiten und „die innere Unbefangenheit der Begegnung zu sichern" 103 . Es ist wohl wert, die folgende Passage dieser brieflichen Kontaktaufnahme im Zusammenhang wiederzugeben: „Mein lieber Herr Professor! ... Es ist sehr gegen meinen Willen dazu gekommen, daß ich heute in unserer Kirche, namentlich bei der theologischen Jugend, sozusagen als Ihr kirchenregimentlicher Gegenspieler gelte. Mein Vortrag vom 100 SoSp. v. 17.4.1932 (die folgenden Zitate EBD.); vgl. zur sonstigen Reaktion auf BARTHS Vortrag: PrBl 65, 1932, Sp.256ff., S.328; PrKZ 28, 1932, Sp.l44ff. 101 SoSp. v. 17.4.1932. „Daß die Kirche zur Buße gerufen wird, ist der königliche Beweis dafür, daß ein Jahrhundert der Kirche angebrochen ist." (Die Buße der Kirche, in: EvDt v. 15.11.1931, S.379). 102 Die Verantwortung der Kirche, S.5. 103 Dibelius an BARTH v. 5.4.1932, KBA BASEL (das folgende Zitat EBD.).
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v o r i g e n J a h r hat, entgegen der u r s p r ü n g l i c h e n A b s i c h t , erst i m letzten A u g e n blick d e n C h a r a k t e r einer , A n t w o r t ' a n g e n o m m e n . M e h r e r e A u f f o r d e r u n g e n , die in d e n l e t z t e n M o n a t e n an m i c h ergangen sind, diese R o l l e z u w i e d e r h o l e n , h a b e ich abgelehnt. D e r dialektischen T h e o l o g i e k a n n ich m i c h n i c h t v e r s c h r e i b e n . A b e r i c h k a n n es a u c h n i c h t als m e i n e A u f g a b e ansehen, sie z u b e k ä m p f e n . D a s L e h r a m t d e r K i r c h e , w i e es u n s e r e i n e m befohlen ist, ist a n d e r e r A r t als das L e h r a m t des P r o f e s s o r s . A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n lassen sich n i c h t v e r m e i d e n . A b e r eine K i r c h e , die n i c h t R a u m hätte für m a n c h e r l e i A r t v o n T h e o l o g i e , w ü r d e sich z u r Sekte degradieren. E s k o m m t h i n z u , d a ß das W o r t , ü b e l n e h m e n ' in m e i n e m L e x i k o n n i c h t steht. Ich h a b e m i r m e i n e n E h r b e g r i f f 1 0 4 v o n J o h . 5 her aufgebaut u n d m i c h d a d u r c h u n a b h ä n g i g g e m a c h t v o n d e m , w o d u r c h andere sich b e s c h w e r t fühlen. I c h stehe a u c h viel z u sehr in der F r o n t öffentlicher E r ö r t e r u n g , als d a ß n i c h t A n g r i f f e pers ö n l i c h e r A r t m e i n tägliches B r o t w ä r e n . W e n n einer m e i n e r G e g n e r in der Leidenschaft e r n s t e r sachlicher V e r a n t w o r t u n g p e r s ö n l i c h w i r d , so k a n n ich das i m m e r n u r d a d u r c h e r w i d e r n , d a ß ich m i c h u m s o gewissenhafter b e m ü h e , es meinerseits nicht z u w e r d e n . V o l l e n d s u n e m p f i n d l i c h bin ich gegen das, w a s gegen K i r c h e n l e i t u n g u n d K i r c h e n b e h ö r d e n i m allgemeinen gesagt w i r d . W a r u m sollen andere n i c h t sagen, w a s ich selbst n o c h viel schärfer sage 1 0 5 - w e n n auch, u m meines A m t e s willen, n i c h t in d e r Ö f f e n t l i c h k e i t ?
104 n Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?" (Joh 5,44). 1 0 5 Schon früher verteidigte Dibelius öffentlich sein Plädoyer für eine ungebrochene, aber nicht kritiklose „Freudigkeit" an der Kirche in einem - heute noch lesenswerten - Vortrag am 14.12.1931 vor der jungen Theologengeneration: „Heute brauchen wir Pfarrer und Religionslehrer, die Freudigkeit zur Kirche haben! Das heißt nicht: die der Kirche, dieser Kirche von Fleisch und Blut, mit bequemer Kritiklosigkeit gegenüberstehen. Es ist ein schwer zu entschuldigendes Mißverständnis, als ob der, der sich freudig zu seiner Kirche bekennt, in dieser Kirche alles herrlich und schön fände und ihre Zukunft mit rosigem Optimismus betrachte. Zwar kann ich die dialektische Unterscheidung zwischen der Kirche des kirchlichen Lebens und der Kirche Gottes, zwischen der Kirche Esaus und der Kirche Jakobs, wie sie Karl BARTH in seinem .Römerbrief' und an vielen anderen Orten vorgetragen hat, nicht mitmachen. Ich kann sie deshalb nicht mitmachen, weil ich den dialektischen Ansatzpunkt für unlutherisch und die dialektische Durchführung für eine Vergewaltigung der neutestamentlichen Aussagen über die Ekklesia halten muß. Aber die Spannung, die er darstellt, soll und muß jeder empfinden, der seine Kirche kennt. Nicht nur die Spannung, daß die Kirche so weit von dem entfernt ist, was sie nach dem Willen ihres Herrn sein soll. Diese Spannung ist für unsereinen die Not seines ganzen Lebens. Sondern vor allem die Spannung, daß auch für die Kirche das Wort gilt: es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben! Aber - diese Spannung darf nicht das letzte Wort sein. Das wäre wider das Evangelium." (Was erwartet die Kirche von der jungen Theologen-Generation?, 1932, S.23f.; vgl. dazu auch: Der Streit zwischen Dibelius und Barth, in: Treuga Dei, 1932, S.6f.) - Dibelius äußerte sich in dem erwähnten Vortrag auch zu dem damals großen Theologennachwuchs. Unter den Hörern des Vortrags war auch der Berliner Studentenpfarrer D. BONHOEFFER: „Dibelius hat uns neulich in einem Vortrag davon unterrichtet, daß die Kirche 2500 Theologiestudenten zu viel habe, daß daher (!) an den Theologen besondere Ansprüche gestellt werden müssen, zu welchen als erster Punkt, der zu unterschreiben wäre, die Bereitschaft zum Martyrium gehöre... Das Auditorium trampelte wie irrsinnig. Es lebe die ,violette Kirche'." (Brief v. 25.12.1931, in: D. BON-
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
W e n n i c h p e r s ö n l i c h Z u s p i t z u n g e n b e d a u e r e , d a n n g e s c h i e h t es l e d i g l i c h u m d e r K i r c h e w i l l e n . I c h h a l t e es n i c h t f ü r h e i l s a m , w e n n G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n u n d Professoren gegeneinander temperamentvoll werden. W i r haben meines E r a c h t e n s alle U r s a c h e , d e r B e d e u t u n g dieser b e i d e n A m t e r u n d i h r e n V e r a n t w o r t u n g e n a u c h in d e r F o r m , i n d e r w i r m i t e i n a n d e r d i s k u t i e r e n , R e c h n u n g z u t r a g e n . G e r a d e i n e i n e r Z e i t , in d e r d i e p o l i t i s c h e n L e i d e n s c h a f t e n
hemmungslos
ü b e r die C h r i s t e n r e g e l 1 0 6 v o n R ö m e r 12 V e r s 10 hinweggehen. I c h habe die H o f f n u n g , daß der W u n s c h , den der junge G L O E G E neulich in d e r L U T H A R D T ' s c h e n K i r c h e n z e i t u n g 1 0 7 v o r g e t r a g e n h a t , e i n m a l in E r f ü l l u n g geh e n w i r d . S o w e i t i c h in F r a g e k o m m e , b r a u c h t die B a h n d a f ü r n i c h t e r s t frei gem a c h t z u w e r d e n . Sie ist i m m e r frei g e w e s e n u n d ist es n o c h h e u t e . " Mit diesem noblen und v o n menschlicher G r ö ß e zeugenden A n g e b o t - damals h ä t t e m a n gesagt: m i t d i e s e m r i t t e r l i c h e n G e s t u s - w a r D i b e l i u s s i c h t l i c h d a r u m
ein Jahr später ganz rigorose Vorschläge (vgl. A E L K Z 65, 1932, Sp.1187-1189; PrBl 66, 1933, Sp.l2f.); Dibelius versuchte als Prüfungsvorsitzender im 2. Examen auch die Gesamtpersönlichkeit des Kandidaten zu würdigen und strebte zugleich einen gerechteren Ausgleich in der Benotung der Prüfungsleistungen an (vgl. Dibelius an Prof. E. SEEBERG v. 11.1.1933, in: B A KOBLENZ, N L E. Seeberg/7). 106 д ) ; е brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor" (Rom 12,10). 1 0 7 Dibelius spricht damit den Wunsch an, dass auch theologische und kirchliche Gegner miteinander Geduld haben sollten und dass eine ausgestreckte Hand nicht abgewiesen werden sollte. - GLOEGE untersucht in diesen beiden schon erwähnten Artikeln sehr sorgfältig und scharfsinnig Argumente und Gegenargumente der beiden Kontrahenten, besonders das Verhältnis von Sache und Sprache bei BARTH, und stellt daraufhin so etwas wie „Regeln der polemischen Auseinandersetzung" auf. Dabei wendet GLOEGE eine frühere Äußerung von BARTH gegen diesen selbst: „Man könnte in der Frage, ob eine bestimmte Theologie einen bloßen Begriffsgott oder den lebendigen Gott zum Gegenstand habe, geradezu zu einem ersten Kriterium das machen, ob sie wohl auch das Wissen um ihre eigene Relativität und darum anderen Theologien gegenüber die nötige ...Geduld habe. Eine in der Polemik allzu ungeduldige Theologie könnte sich jedenfalls gerade damit als Theologie des Deus nudus verraten. V o m Worte Gottes herkommend müßte sie ja eigentlich ebenso scharf wie geduldig sein. Gott ist doch geduldig, und mit wem müßte er wohl mehr Geduld haben auf dieser dunklen Erde als eben mit uns Theologen aller Schattierungen?" (K. BARTH, Schicksal und Idee in der Theologie, in: Z Z 7, 1929, S.309ff.; vgl. A E L K Z 64, 1931, S p . l l S l ) . Gleichzeitig bemerkt GLOEGE, dass BARTHS Polemik nicht etwas Peripheres sei, sondern „in das Zentrum seiner Theologie" gehöre und „zum Kriterium ihrer Echtheit" geworden sei. Was BARTH ursprünglich nur als Korrektiv, als Glosse und Randbemerkung, als das „bißchen Zimt" zur Speise (S. KIERKEGAARD) verstanden wissen wollte, hat sich allerdings ausgewachsen: „Aus der Glosse von einst sind recht umfangreiche Scholien geworden, aus dem Korrektiv beginnt sich ein System zu bilden, das neben andere Systeme tritt. Aus dem ,bißchen' Zimt ist mittlerweile eine gehörige Portion geworden." Aber umso kritischer geht nun GLOEGE mit BARTH ins Gericht: „... weil wir den Bußruf als den Ruf zur Sache hörten und aus ihm heraus zu leben wagten, wehren wir uns heute dagegen, daß einer unfruchtbaren Augenblicks-Polemik zuliebe der Bußruf von einst verfälscht werde. Und er wird verfälscht, gerade auch inhaltlich verfälscht, wenn seine Formen derartig zu werden drohen... N u r da, wo die Siege unserer menschlichen Rechthaberei aufgehört haben, kann Polemik aus Buße anfangen, in Gottes Auftrag zu kämpfen." Zuletzt erspart GLOEGE dem polemischen und prophetischen Mahner nicht den Vorwurf, dass er „das unbußfertige Kirchentum in vollendete Rat-Losigkeit (im eigentlichen, nicht emotionalen Sinne!) zurückstößt und eine von drüben entgegengestreckte Hand zurückweist" (AELKZ 64, 1931, Sp.ll83f.).
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bemüht, irgendwelche beleidigten Regungen, beleidigenden Vorwürfe oder auch schulmeisterlichen Untertöne zu vermeiden. Das Schreiben war eine ehrlich ausgestreckte Hand, die BARTH denn auch postwendend ergriff, indem er sich für den „gütigen Brief und für die liebenswürdige Einladung"108 bedankte. So kam es, dass BARTH, der im Hotel Excelsior beim Anhalter Bahnhof logierte, Dibelius in dessen Wohnung am Sonntagnachmittag, dem 10. April 1932, aufsuchte. Bei dieser wohl erstmaligen persönlichen Begegnung kam es zu einer Aussprache, die offensichtlich auch zu einem ersten gegenseitigen Verständnis führte. Das Ergebnis dieses Gesprächs unter vier Augen war kein fauler Kompromiss, sondern ein ehrlicher „Burgfriede". Noch in späteren Jahren erinnerte sich Dibelius daran, „daß Karl BARTH mir sagte: Mit Ihrer Theologie komme ich ebensowenig zusammen, wie Sie mit der meinigen; aber machen Sie Ihre praktische diakonische Arbeit, ohne sich darüber theologisch zu äußern, - von mir werden Sie gewiß keine Schwierigkeiten und Hinderungen erfahren."109 In ihren öffentlichen Äußerungen haben sich die beiden Kontrahenten an diese Abmachung, an dieses „Stillhalteabkommen", weitgehend gehalten. Die wenn auch indirekte, aber bedeutendste und kräftigste Antwort von BARTHs Seite allerdings wird darin zu sehen sein, dass er dem ersten Band seiner völlig neubearbeiteten Dogmatik und damit seinem gesamten Opus Magnum - gewiss zum Leidwesen von Dibelius! - nun den Titel gab: „Die kirchliche Dogmatik" 110 . Andererseits ließ es sich der spätere Berliner Bischof nicht nehmen, wenigstens in einem vertraulichen und internen Schreiben die Brandenburgischen Ephoren auf seine Gegnerschaft zu eben dieser „Kirchlichen Dogmatik" aufmerksam zu machen. Mit dem Hinweis auf die zurückliegende Kontroverse um seine „Obrigkeitsschrift" (1959/60), die vor allem von Heinrich VOGEL angeführt wurde, sah BARTH an Dibelius v. 7.4.1932, K B A BASEL. Interview v. 10.4.1965 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Nr.7 + 8). Wenn hier speziell von der „diakonischen", anstatt sinngemäß richtiger von der „kirchlichen" Arbeit die Rede ist, dann rührt das daher, dass Dibelius diese Reminiszenz im Zusammenhang eines Interviews erwähnte, in dem seine Einstellung zur diakonischen Arbeit der Kirche erfragt wurde. 1 1 0 BARTH hatte seine 1927 herausgegebene ,·Christliche Dogmatik im Entwurf' zur kirchlichen Dogmatik' umgearbeitet. In dieser bedeutsamen Änderung der Nomenklatur sind vielerlei Veränderungen und Weiterentwicklungen seiner Theologie impliziert und auch initiiert, die wohl ohne die explosive und eruptive Auseinandersetzung mit dem faktischen Kirchentum in den Jahren 1929-1932 nicht zu verstehen sind. Denn „Dogmatik ist keine ,freie', sondern eine an den Raum der Kirche gebundene, da und nur da mögliche und sinnvolle Wissenschaft. ...Einige werden doch gerade daraus ersehen, wie es gemeint war, wenn ich in den letzten Jahren ...mehrfach etwas lebhaft gegen - nein für die Kirche das Wort ergriffen habe." (KD 1/1, 1932, Vorwort, S.Viil) Insofern darf behauptet werden, dass die Auseinandersetzung dieser Jahre vielleicht keine Klärung der dort zutage getretenen Gegensätze bringen konnte (vielleicht auch gar nicht wollte), sondern - zusammen mit BARTHS ANSELM-Buch (1931) - als ein Markstein auf dem Weg des eigenen Klärungs- und Lernprozesses bei Karl BARTH selbst betrachtet werden muss. BARTH hat aus dem Blickwinkel des Jahres 1938 bei sich selber festgestellt, „daß ich in diesen letzten zehn Jahren zugleich sehr viel kirchlicher und sehr viel weltlicher geworden bin" (How my mind has changed, S.186). - In der gesamten kirchlichen Dogmatik' finden sich nur zwei ausdrückliche und namentliche Bezugnahmen auf Dibelius (vgl. K D 1/1, S.64 u. S.223; s. dazu ausführlicher unten S.437ff.). 108
109
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Dibelius theologische Meinungen am Werk, in denen er eine ernste Gefahr für die Kirche sah: „Ihre Anknüpfungen finden diese Gedanken, soweit ich sehen kann, in der Regel in der Dogmatik Karl BARTHS. Ich habe dem Lebenswerk Karl BARTHS meinen tiefen Respekt nie versagt und bin auch heute der Meinung, daß er u m das Jahr 1930 herum unserer Kirche einen Dienst von entscheidender Bedeutung geleistet hat, obwohl ich seine Theologie im einzelnen damals ebenso wenig mitmachen konnte wie heute." 111 Als Anlage verschickte Dibelius einen Teil der Besprechung der Versöhnungslehre BARTHS (KD IV/3) „aus der Feder unseres alten Freundes Gerhard GLOEGE, des Dogmatikers aus Jena. Was GLOEGE in dieser Besprechung ausführt, scheint mir die gesunde, biblische Lehre zu sein, die unserer Kirche nottut." 112 2.4 Dibelius' Predigt am „ Tag von Potsdam " - die Vorgeschichte und die Folgen O h n e die persönliche Begegnung zwischen BARTH und Dibelius im April 1932 hätte es nicht zu einem denkwürdigen Briefwechsel der ehemaligen Kontrahenten in einer wichtigen Stunde des Jahres 1933 kommen können. In der Erinnerung an jenes vertrauensbildende Gespräch ließ Dibelius seinen Rundbrief an die kurmärkischen Amtsbrüder vom 8. März 1933 auch Karl BARTH zukommen: „Vielleicht interessiert es Sie, einen praktischen Beleg für einiges von dem, was ich damals ausführte, zu Gesicht zu bekommen." 113 2.4.1 Dibelius' Rundschreiben vom 8. März 1933 Für den 5. März wurden die vorgezogenen Reichstagswahlen angesetzt, die mit einem gewaltigen Propagandafeldzug der Nationalsozialisten vorbereitet wurden. Aber auch die propagandistisch ausgeschlachteten Verfolgungsaktionen, die gegen Kommunisten und Sozialdemokraten nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 114 unternommen wurden, erzielten nicht den erhofften Effekt: die 111
Rundbrief an die Herren Ephoren in Berlin-Brandenburg v. 22.4.1960 (EZA BERLIN, 6 0 6 / N L Fischer, 16). In einem verkürzten Abdruck brachte die ,Deutsche Woche' v. 15.6.1960 diesen vertraulichen Brief von Dibelius der Öffentlichkeit zur Kenntnis. - Zur Obrigkeits-Debatte vgl. auch unten S.483ff. und S.496ff. 112 Rundbrief an die Herren Ephoren in Berlin-Brandenburg v. 22.4.1960 (EZA BERLIN, 6 0 6 / N L Fischer, 16); zur Besprechung GLOEGEs vgl. unten S.458f. 113 Dibelius an BARTH v. 13.3.1933 (KBA BASEL). Es ist das Verdienst von K. SCHOLDER, diesen Briefwechsel in seiner Bedeutung und im zeitgeschichtlichen Kontext gewürdigt zu haben (vgl. K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.293-297). Zugleich ist es unverständlich, dass R. STUPPERICH in seiner Dibelius-Biographie (1989) mit keinem Wort auf dieses aufschlussreiche und wichtige D o k u m e n t zu sprechen kommt: die Biographie ist älter, als es ihr Erscheinungsdatum vermuten lässt! 114 Schon im Jahr 1932 erwartete Dibelius einen gewaltsamen kommunistischen Umsturz und befürchtete, „daß die kommunistische Front... die neue Revolution mit aller Energie und Planmäßigkeit vorbereitet und nach dem psychologischen Augenblick für das Losschlagen ausspäht" (RdBr. v. 19.11.1932). Auf diesem Hintergrund erlag er nach dem Reichstagsbrand völlig der nationalsozialistischen Propaganda und betätigte sich als überzeugter Multiplikator dieser Propaganda: „Daß dieser Brand ein kommunistisches Attentat gewesen ist, ist klar erwiesen" (WoSch. v. 12.3.1933). Ebenso waren ihm die „kommunistischen Aktionspläne (Brandstiftung,
Dibelius und die Dialektische Theologie Wahl
verschaffte den Nationalsozialisten
nicht
die s i c h e r
385 geglaubte
absolute
M e h r h e i t , s o n d e r n n u r d i e F ü h r u n g in e i n e r R e c h t s k o a l i t i o n . In seiner , W o c h e n s c h a u ' v o m 5 . 3 . 1 9 3 3 m a c h t e Dibelius die
Reichstagswahl
z u m T h e m a u n d z e i g t e auf, u n t e r w e l c h e n P a r t e i e n - u n t e r A u s s c h l u s s d e r K o m m u n i s t e n u n d des Z e n t r u m s / d e r B a y e r i s c h e n V o l k s p a r t e i - e v a n g e l i s c h e C h r i s t e n z u w ä h l e n haben. Z u r besseren O r i e n t i e r u n g in der unübersichtlichen Vielfalt d e r P a r t e i e n l a n d s c h a f t fasste e r die w ä h l b a r e n P a r t e i e n , die s i c h t e i l w e i s e a u c h s c h o n z u W a h l b ü n d n i s s e n z u s a m m e n g e f u n d e n h a t t e n , in v i e r G r u p p e n men:
1. N S D A P
2. „Kampffront
Schwarzweißrot"
zusam-
(Zusammenschluss
von
D N V P u n d S t a h l h e l m ) 3 . die M i t t e l p a r t e i e n ( D V P , C S V , D e u t s c h e B a u e r n p a r t e i u n d D e u t s c h - H a n n o v e r a n e r ) 4. S P D u n d S t a a t s p a r t e i ( e h e m a l s D D P ) . „ U n t e r diesen vier G r u p p e n m u ß sich der evangelische C h r i s t entscheiden."115 A m 8 . 3 . 1 9 3 3 v e r s c h i c k t e D i b e l i u s w i e d e r e i n e n s e i n e r als v e r t r a u l i c h g e k e n n z e i c h n e t e n R u n d b r i e f e an die A m t s b r ü d e r d e r K u r m a r k - e r w a r d e r e r s t e n a c h der „ M a c h t e r g r e i f u n g " A d o l f HlTLERs; gleichzeitig w a r er die R e a k t i o n
unmit-
t e l b a r a u f die R e i c h s t a g s w a h l e n v o m 5. M ä r z . Z u m e r s t e n M a l seit d e r R e v o l u Vergiftung, Geiseln, Frauen und Kinder als Kugelfang)" eine feststehende „Tatsache". BARTH urteilte hier vorsichtiger und kritischer: Hinter die von Dibelius angeführten Aktionspläne wollte er, „bevor die Regierung einleuchtenderes Material vorgelegt hat, ein Fragezeichen" gesetzt wissen (BARTH an Dibelius v. 17.3.1933, K B A BASEL). - HITLER nahm den Reichstagsbrand, den man dem Holländer Marinus van der LÜBBE anlastete, zum Anlass, gegen politisch missliebige Kommunisten, auch SPD-Mitglieder und Reichsbanner-Angehörige vorzugehen (vgl. WoSch. v. 12.3.1933). Als gesetzliche Grundlage dafür dienten die beiden am 28.2.1933 erlassenen und vom Reichspräsidenten unterschriebenen Verordnungen „zum Schutz von Volk und Staat" und „gegen Verrat am deutschen Volk". Zusammen mit dem am 23.3.1933 vom Reichstag verabschiedeten, zunächst auf vier Jahre begrenzten und dann 1937, 1939 und 1943 durch einfache Regierungsverordnung verlängerten Ermächtigungsgesetz „zur Behebung der N o t von Volk und Reich" bildeten diese Notverordnungen die scheinlegalistische Grundlage für den anhaltenden Staatsterror im Dritten Reich (vgl. R . MORSEY, Ermächtigungsgesetz, 1968, S.65f„ S.78, S.73; A. LINDT, Totalitarismus, 1981, S.133f.; H.-U. THAMER, Verführung, 1986, S.248ff., S.272ff.). Der Selbstentmachtung des Parlaments durch die Annahme des Ermächtigungsgesetzes ging der selbstverschuldete, schleichende Machtverlust des Reichstags voraus; dieser Machtverlust ermöglichte zugleich den totalen Machtmissbrauch der Nationalsozialisten. Die Annahme des Ermächtigungsgesetzes war dann das leicht errungene Ergebnis der „rücksichtslosen" Einschüchterungspolitik nach links und eines gigantischen Propagandafeldzuges, um die „national gesinnte" Bevölkerung und die Kirchen (und mit ihnen die katholische Zentrumspartei) zu gewinnen (vgl. auch J. GOEBBELS, Tagebücher 1/2, S.382ff.; K. SCHOLDER, Mittwochs-Gesellschaft, 1982, S.19f. und S.66-69, Sitzung v. 26.4.1933 Q. POPITZ]). 1 1 5 WoSch. v. 5.3.1933 (auszugsweise abgedruckt in: So habe ich's erlebt, 1980, S.187, wobei dieser Artikel dort fälschlicherweise auf den 26.2.1933 datiert ist!). Dibelius legte Wert auf die Feststellung, dass diese Aufzählung der wählbaren Parteigruppen im Sinn der „über den Parteien" stehenden Kirche nur eine Wahlorientierung sein könne, durch die die Unabhängigkeit der Kirche gewahrt und die Identität der Kirche als Gegenüber zu jedwedem Staat erhalten bleibe: „Sie muß sagen, wo die Grenzen des Staates sind, wo in der Wirtschaft der Mensch und das Menschliche seine Stelle hat. Sie muß sagen, worum es bei der Erziehung des jungen Geschlechtes geht, und was als göttliche Ordnung Bestand haben muß in allem Wandel der Anschauung. Weil die Kirche diesen Dienst zu tun hat, kann sie sich niemals mit einer Partei oder mit einer politischen Bewegung gleichsetzen. Sie ist eben Kirche! Als Kirche hat sie eine Aufgabe an dem Staat und an den Parteien - eine selbständige, religiöse Aufgabe. Mahnerin und Helferin, aber, wenn es nottut, auch Richterin des Staates soll sie sein".
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tion, so schreibt Dibelius in seinem Rundbrief, haben die Wahlen „eine parlamentarische Mehrheit von bewußt nationaler Haltung gebracht. Was für ein Gegensatz zwischen dem neuen Reichstag und ... der Nationalversammlung von Weimar! Es werden unter uns nur wenige sein, die sich dieser Wendung nicht von ganzem Herzen freuen." 1 1 6 Denn nun „sind Macht und Masse wieder bei denen, die die Kirche bejahen und zu denen sich die treuen Besucher der Kirche in ihrer erdrückenden Mehrheit politisch bekennen." 1 1 7 Von dieser freudig begrüßten Lagebeurteilung aus wäre es nur noch ein kleiner Schritt zu der Folgerung gewesen, dass die Kirche sich nun auch ihrerseits zu dieser politischen Wendung und Bewegung klar bekennen, sich ihr verschreiben und dass sie sozusagen mit fliegenden Fahnen zu den „Deutschen Christen" überlaufen müsse 1 1 8 . Ganz anders aber sah Dibelius nun die Aufgabe und den Weg der Kirche und hier k o m m t der grundsätzliche ekklesiologische Vorbehalt des „Jahrhunderts der Kirche" zur Geltung, wonach die Kirche jederzeit gegenüber allem staatlichen Wesen und Unwesen ihre Unabhängigkeit 1 1 9 wahren muss. Aus der gesellschaftlichen Opposition heraus war es in den vergangenen 14 Jahren gewissermaßen leichter, das eigenständige Profil der Kirche unter Beweis zu stellen und zu bewahren. Jetzt aber, da Dibelius glaubte, Kirche und Regierungsmehrheit verfolgten gemeinsam auf ein und demselben politischen Weg dasselbe nationale Ziel, musste es weit schwieriger sein, dieses eigenständige, spezifisch kirchliche Gesicht zu wahren und aller kirchlich-politischen Vermischung und
1 1 6 Wenn man diesen letzten Satz allein zitiert, ohne auf den ihn umgebenden Zusammenhang zu verweisen, entsteht ein ziemlich schiefes Bild, so z.B. in: B. HEY, Westfalen, 1974, S.23, Anm.l. 1 1 7 Mit großen Erwartungen bedachte Dibelius schon 1930 die Nationalsozialisten, die im Punkt 24 ihres Parteiprogramms sich zu einem „positiven Christentum" bekannten (vgl. WoSch. v. 29.9.1930). Besonders in der Kulturpolitik der Nationalsozialisten gab es bedeutsame Übereinstimmungen mit den von Dibelius schon lange erhobenen Forderungen. Der Reichskommissar im Preußischen Kultusministerium RUST machte handfeste Zusagen im Kampf gegen die Gottlosenbewegung und forderte die beiden großen Konfessionen zur Mitarbeit auf. Ab Ostern 1933 sollten die weltlichen Schulen abgeschafft und der Religionsunterricht in den Berufs- und Fortbildungsschulen als ordentliches Lehrfach eingeführt werden (vgl. KrZ v. 23.2.1933, S.l). 118 Genau dies wird suggeriert, wenn man aus dem Rundbrief z.B. nur den Satz zitiert: Jetzt kommt der Kirche das Verlangen, ja die selbstverständliche Erwartung entgegen, daß sie auch als Kirche sich klar und offen zu der neuen politischen Mehrheit bekennen müsse." (vgl. H. HÜRTEN, Katholiken, 1992, S.229) Der Satz wird aber mit einer entgegengesetzten Intention fortgeführt: Jetzt muß es sich zeigen, ob jene Losung von der Überparteilichkeit und Unabhängigkeit der Kirche wirklich aus innersten Gründen entsprungen ist! Jetzt muß es sich zeigen, ob unsere Kirche in der bitteren Schule von fast anderthalb Jahrzehnten gelernt hat, Kirche zu sein!" (RdBr. v. 8.3.1933). 1 1 9 Die Ephoren der Kurmark waren „fast ausnahmslos mit der grundsätzlichen Haltung des Generalsuperintendenten" einig, der die Aufgabe der Kirche in der Staatskrise des Jahres 1932 dahingehend kennzeichnete, dass die Kirche „unter allen Umständen Kirche bleibt, und, wie auch die politischen Verhältnisse sich gestalten mögen, niemals mit dem modernen Totalstaat eine Verbindung eingehen darf, wie sie in früheren Jahrhunderten unter ganz anderen Verhältnissen bestanden hat" (Protokoll der Ephorenkonferenz v. 2.11.1932, in: EZA BERLIN, 7/989, pag.113).
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G l e i c h m a c h e r e i z u b e g e g n e n , s o v e r l o c k e n d u n d n a h e l i e g e n d dies a u c h aus p o l i t i s c h e n u n d n a t i o n a l e n G r ü n d e n sein m o c h t e . S o s e h r s i c h D i b e l i u s z u m S p r e c h e r d e r v o r b e h a l t l o s e n B e f ü r w o r t e r des p o l i t i s c h e n U m s c h w u n g s z u m a c h e n s c h i e n : „ E s w e r d e n u n t e r u n s n u r w e n i g e sein, die s i c h d i e s e r W e n d u n g n i c h t v o n g a n z e m H e r z e n f r e u e n . " - s o s e h r stellte e r in F o r t f ü h r u n g dieses S a t z e s , also i m selben A t e m z u g , d e n V o r b e h a l t d e r s e l b s t ä n d i g e n u n d ü b e r p a r t e i l i c h e n K i r c h e h e r a u s u n d e r k l ä r t e : „ U n d es w i r d , w i e i c h d e n k e , n i e m a n d u n t e r u n s sein, d e r n i c h t e m p f i n d e t , auf w e l c h e P r o b e u n s e r e e v a n g e l i s c h e K i r c h e d u r c h diesen W a n d e l d e r D i n g e gestellt w i r d ! " 1 2 0 In den Verhandlungen über O r t und Gestaltung der gottesdienstlichen Feiern u n d des Staatsaktes für den „ T a g v o n P o t s d a m " a m 2 1 . M ä r z 1 9 3 3 1 2 1 sollte die e v a n g e l i s c h e K i r c h e die e r s t e P r o b e i h r e r s t a a t l i c h e n U n a b h ä n g i g k e i t
bestehen.
1 2 0 Im weiteren Verlauf des Schreibens nennt und erläutert Dibelius drei Grundsätze, unter denen die Kirche sich als Kirche zu bewähren habe: „Es gilt die Reinheit der evangelischen Verkündigung!" „Es gilt die Verantwortung der Kirche für die Gesamtheit unseres Volkes!" „Es geht jetzt darum, daß die Kirche das Gewissen des Staates bleibe!" Zusätzlich mahnt Dibelius seine Amtsbrüder, daß die Pfarrer keine politischen Abzeichen tragen und ihren Gemeindegliedern nicht mit dem Parteigruß begegnen sollen: „Diese ganze große Aufgabe werden wir nur dann erfüllen können, wenn wir mehr als je zuvor in kirchlicher Disziplin zueinander stehen" (RdBr. v. 8.3.1933). 1 2 1 Ursprünglich wurde von Regierungsseite gewünscht, dass die Reichstagseröffnung in der Garnisonkirche stattfinden sollte. Durch die entschlossene Intervention von Dibelius wurde Sup. GÖRNANDT beauftragt, die Garnisonkirche „lediglich für den Eröffnungsgottesdienst zur Verfügung" zu stellen ( E O K an Sup. GÖRNANDT v. 3.3.1933, in: E Z A BERLIN, 7/690, pag.2ff.). Zwischenzeitlich einigte man sich mit dem Reichsinnenministerium auf folgenden Kompromiss, für den sich besonders auch Dibelius eingesetzt hatte: Dem evangelischen Gottesdienst in der Nikolaikirche und dem parallel dazu stattfindenen Gottesdienst in der katholischen Kirche folgt ein Staatsakt in der Garnisonkirche, während zur Eröffnung des Reichstages die Berliner Kroll-Oper bereitgestellt werden sollte. Dibelius war daran gelegen, die vorauszusehende Gefahr einer rein politischen Demonstration in den beiden Kirchen durch bewusst kirchliche Gestaltung zu vermindern. Es sollte deshalb alles dafür getan werden, „was in unseren Kräften steht, daß Eröffnungsgottesdienst und Staatsakt von starker kirchlicher Kraft werden. Die Schwierigkeiten eines solchen Augenblicks lassen sich schließlich doch nur dadurch überwinden, daß die Kirche etwas Positives, Eindrucksvolles und Respektgebietendes schafft." (Dibelius an KAPLER v. 6.3.1933, in: E Z A BERLIN, 7/419, pag.221f.) Der Gemeindekirchenrat St. Nikolai-Potsdam fasste am 10.3.1933 dann folgenden Beschluss: „Da der Reichstag zum ersten Mal in der Hauptstadt der Kurmark zusammentritt, spricht der Gemeindekirchenrat der Hauptkirche der Kurmark die einmütige Bitte aus, daß der Herr Generalsuperintendent der Kurmark die Predigt bei diesem Eröffnungsgottesdienst übernehmen möchte." (EZA BERLIN, 7/690, pag.17; vgl dazu auch: SoSp. V. 12.3. u. 26.3.1933; C. NICOLAISEN, Dokumente I, S.21f.) Wie sehr sich dabei kirchlicher Gestaltungswille und nationalsozialistische Formgebung einander gegenüberstanden, zeigen die Tagebucheintragungen von J . GOEBBELS (Tagebücher 1/2, S.393): „Wir haben einen großen Plan für die feierliche Eröffnung des neuen Reichstags in Potsdam entworfen. Dort wird der neue Staat sich zum ersten Male symbolisch präsentieren." (16. März) „Die Potsdamer Feier soll zum erstenmal im Stil nationalsozialistischer Formgebung abgehalten werden." (17. März) „Der Potsdamer Tag geht in Ordnung" (18. März). - Die Garnisonkirche wird bis heute im Zusammenhang mit ihrem unrühmlichsten Tag, dem 21. März 1933, gesehen. Friedensgruppen wehren sich deshalb gegen Pläne, die den Wiederaufbau der Garnisonkirche zum Ziel haben, die 1945 durch einen Bombenangriff zerstört wurde. Die Ruine, in der 1950 eine Notkirche entstanden war, wurde 1968 auf Anordnung der SED-Führung ganz abgetragen (vgl. epd-Wochenspiegel BadenWürttemberg, Nr. 19 v. 9.5.1997, S.18).
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Dibelius ist immer wieder der naiven und gutgläubigen, aber irrigen Anschauung begegnet, die Kirche müsse als „eine Kultureinrichtung des Staates" dem Staat zu Diensten sein, so wie dieser es gerade wünsche. Damit wäre aber nun allerdings, ohne dass dies Dibelius ausdrücklich betont, das „Jahrhundert der Kirche" verraten und verloren: „Alles, was wir zehn Jahre lang über Wesen und Aufgabe der Kirche geredet und geschrieben haben, ist in unserer engen Welt geblieben. Die große Menge draußen lebt noch heute in den Vorstellungen der alten Zeit. U n d so k o m m e n die Zumutungen am laufend Bande: Wenn HITLER redet, müssen alle Kirchenglocken 1 2 2 läuten; wenn ein SA-Mann erschossen wird, muß er in der Kirche aufgebahrt 1 2 3 werden; für politische Versammlungen mit nationalem Vorzeichen müssen Kirchen und Pfarrer selbstverständlich zur Verfügung stehen; und so fort! Alles oft gut gemeint - aber wenn wir hier nicht Widerstand leisten, dann sind wir in kurzer Frist wieder Staatskirche und sind es in viel schlimmerem Sinn, als wir es unter einem Summus episcopus waren.... Wir können dem Vaterland keinen besseren und heiligeren Dienst tun, als indem wir uns mit ganzer Person dafür einsetzen, daß die evangelische Kirche Kirche bleibt!" 1 2 4 Die Kirche muss also in allem Wandel der politischen Ereignisse Kirche bleiben, und sie bleibt es nur, wenn und solange sie nicht mehr oder nicht wieder Staatskirche ist. Die Staatskirche - das wäre nach Dibelius der Rückfall ins Mittelalter! Die Kirche muss „Widerstand" leisten, d.h. der Versuchung der politischen Vereinnahmung und Gleichmacherei widerstehen. Das ist die kirchliche Leitlinie von Dibelius - auch und gerade im Dritten Reich, auch und gerade bei seiner anfänglichen und höchst illusionierenden Übereinstimmung mit dem nationalen und antibolschewistischen Bekenntnis der neuen Bewegung.
1 2 2 Im Schlussteil des Rundbriefs klärte Dibelius seine Amtsbrüder darüber auf - als Beispiel kirchlicher Disziplin und kirchlicher Unabhängigkeit und Überparteilichkeit - , dass bei der großen im Rundfunk übertragenen abschließenden Wahlkundgebung HlTLERs in Königsberg am 4. März weder die Glocken des Doms, geschweige denn der anderen ostpreußischen Kirchen geläutet haben, „wie Herr Dr. GOEBBELS im Rundfunk behauptete... Das Konsistorium hatte das verboten. Das Verbot ist respektiert worden. Man hat im Rundfunk eine Schallplatte mit Glockengeläut laufen lassen, und den Hörern eingeredet, das wäre der Königsberger D o m ! " (RdBr. v. 8.3.1933) - In der .Kreuzzeitung' war am 14.3.1933 aus der Feder von Dibelius zu lesen: „Vor allem ...muß der Staat sich jedes Versuchs enthalten, die innere Unabhängigkeit der Kirche anzutasten. Von den Gotteshäusern und ihren Glocken an bis" - und hier übergeht Dibelius schlicht die für ihn so anstößige und unakzeptable „politische Klausel" des preußischen Kirchenvertrags „zu der Berufung der leitenden Persönlichkeiten muß er die Selbständigkeit der Kirche respektieren" (Kirche und Staat, in: KrZ v. 14.3.1933, S.l). 1 2 3 Dibelius spielt hier auf eine Totenfeier im Berliner D o m für zwei SA-Männer an, die bei der Siegesfeier der „Machtergreifung" auf offener Straße erschossen worden waren. J . HOSSENFELDER hielt die Trauerrede über Joh 15,13: „Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde" (vgl. EvDrR. v. 12.2.1933, S.54f. und v. 19.2.1933, S.59f.) - In einer Aktennotiz hielt GenSup. KAROW ein Gespräch fest, das er am 14.7.1932 mit HOSSENFELDER führte; darin charakterisiert KAROW seinen Gesprächspanner als „tüchtig", „fleißig", „bescheiden", „im Auftreten gewandt", „in seiner Ausdrucksweise bestimmt" und: „Ohne hervorragend begabt zu sein, scheint er eine leidliche theologische Bildung zu besitzen" (EZA Berlin, 7/419, pag.172). 1 2 4 RdBr. v. 8.3.1933.
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Wenn Dibelius nun in der Erinnerung an das persönliche Gespräch mit BARTH im April 1932 diesen Rundbrief seinem damaligen Gesprächspartner zukommen ließ als „einen praktischen Beleg für einiges von dem, was ich damals ausführte"125, dann wird man annehmen können, dass die Fragen nach dem Verhältnis von „Kirche und Volkstum" und „Kirche und Staat" ausführlich besprochen worden waren, wie denn auch diese Themen einen großen Raum im Schriftwechsel zwischen BARTH und KNAK eingenommen hatten. Dieser „praktische Beleg" ist deshalb besonders in jenen Sätzen des Rundbriefes zu finden, in denen Dibelius sich mit BARTH darin einig weiß, dass jeglichem „Bindestrich-Christentum"126 zu wehren und jeder Vermischung von evangelisch und national in der Verkündigung, in den Verlautbarungen und auch im äußeren Erscheinungsbild der Kirche zu wehren sei, dass hier nicht nur eine Grenze, sondern ein „Gegensatz" bestehe. In den Worten des Rundbriefes heißt dies: „Wir mögen, liebe Brüder, mancherlei verschiedene theologische Uberzeugungen haben. Aber darin müssen und werden wir einig sein, daß das Evangelium nicht den eigenmächtigen Menschen, sondern den gerechtfertigten Sünder kennt, daß es nicht den Haß, sondern die Liebe predigt, daß nicht das Volkstum, sondern das Gottesreich Gegenstand evangelischer Verkündigung ist. Wir werden darin einig sein, daß das Evangelium im Gegensatz zu jeder menschlichen Ideologie127 steht, sie mag nationalistisch oder sozialistisch, liberal oder konservativ sein, daß das Evangelium den Menschen in seinen selbstischen Wünschen nicht bestätigt, sondern richtet, und daß erst von der Beugung unter das Evangelium her der Aufbau erfolgen kann, in dem Volk und Staat, Tradition und Freiheit und alle die anderen menschlichen Dinge ihr christliches Recht gewinnen. Dies Evangelium sollen wir predigen! Dies und kein anderes! Wir müssen es predigen als Menschen, die ihrem Volk und ihrem Staat verpflichtet sind, aber immer als Diener unseres himmlischen Herrn, dem man nicht nachfolgen kann, wenn man nicht bereit ist, sich selbst zu verleugnen und das Leben zu verlieren."128 B A R T H antwortete unter dem Datum vom 17. März129 „sehr dankbar für die Zusendung" des Rundschreibens, „über dessen entscheidenden Inhalt ich aufrichDibelius an BARTH v. 13.3.1933, K B A BASEL. Ausdrücklich und zustimmend nahm Dibelius ja dieses Stichwort, das seit BARTHS Tambacher Vortrag im Jahr 1919 zu einem Markstein und zu einem Merk-Zeichen der Dialektischen Theologie geworden war, in seinem Berliner Gegenvortrag auf (vgl. K. BARTH, Die N o t , S.31; O . DIBELIUS, Die Verantwortung, S.56). 1 2 7 Diesen bedeutsamen und gewichtigen Satz nahmen die „Deutschen Christen" nach Mitteilung der .Rheinischen Korrespondenz' zum Anlass, bei staatlichen Stellen Beschwerde einzulegen (Revolution gegen die evangelische Kirche?, in: DtPfrBl 37, 1933, S.225; vgl. auch die Diskussion über diesen Artikel, die vom theologischen Reichsreferenten der „Deutschen Christen" WlENEKE eingeleitet wurde, in: EBD., S.283f., S.298, S.307f.). 1 2 8 Von der Bereitschaft zum Martyrium um des Evangeliums willen hatte Dibelius schon zu den Theologiestudenten am 14.12.1931 gesprochen, allerdings von dem Martyrium nach einer von Dibelius befürchteten kommunistischen Revolution in Deutschland (vgl. Was erwartet die Kirche von der jungen Theologen-Generation, S.18ff.). Jetzt gilt dies bei Dibelius mutatis mutandis auch nach der „nationalen Erhebung" der Nationalsozialisten. 1 2 9 BARTH an Dibelius v. 17.3.1933, K B A BASEL. 125 126
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tig froh bin". Im Einzelnen meldete BARTH zwar „der Aufrichtigkeit halber" Bedenken und Einwände an, bekräftigte aber, dass er „zu der großen Linie des Schreibens ebenso aufrichtig Ja sagen kann". Das Rundschreiben kam ihm so gelegen, dass er es auf eine bevorstehende Reise in die Schweiz mitzunehmen versprach: „Ich weiß aus guter Quelle, daß das Befremden des Auslandes über manche Stimmen aus dem kirchlichen Deutschland bereits wieder sehr groß ist, und ich kann mir denken, daß ich in mehr als einem Gespräch draußen froh sein werde, ein Akten-Stück wie Ihr Schreiben zum Zeugen dafür anrufen zu können, daß energische Widerstände zugunsten des Eigen-Sinns der Kirche gerade an den verantwortlichen kirchlichen Stellen jedenfalls auch auf dem Plane sind." Hier also waren die Berührungspunkte: sicherlich nicht in der Beurteilung der politischen Lage, aber in dem klaren Bewusstsein dessen, welche unzweideutige Aufgabe und welcher klare Weg der Kirche angesichts dieser politischen Lage vorgezeichnet war. Kirche kann nur Kirche bleiben, indem sie ihre Eigen-Ständigkeit bewahrt und bewährt und indem sie ihren „Eigen-Sinn" (in des Wortes doppelter Bedeutung) unbeirrt zur Geltung bringt. Was bei Dibelius der Kernpunkt seiner theologisch-ekklesiozentrischen Entdeckung des „Jahrhunderts der Kirche" 130 war, gehörte bei BARTH zwar nicht zum Kern seines theologisch-christozentrischen Neuansatzes, schloss diesen aber mit ein. 2.4.2 Karl Barth und Theodor Heuss als Ratgeber für die Predigt Nachdem BARTH die Präzisierungen von Dibelius im Blick auf Weg und Aufgabe der Kirche in der konkreten Lage nicht nur bejahen konnte, sondern lebhaft begrüßt hatte, benützte er die Gelegenheit dieser sachlichen und persönlichen Nähe dazu, Dibelius auf seine „außerordentlich schwere Aufgabe" anzusprechen, „dem neuen Reichstag die Eröffnungspredigt zu halten" 131 . „Ich bin überzeugt", so fährt BARTH fort, „daß Sie auch da nach dem Wort der Kirche suchen werden. Vielleicht werden Sie sich auch dessen bewußt sein, daß Sie dieses Wort in einer Situation auszusprechen haben werden, die für viele Millionen von Deutschen die, wenn in Potsdam die Glocken läuten und die Fahnen wehen, schweigend und abgewandt abseits stehen werden - eindeutig unter dem Aspekt von Gewaltherrschaft und Unterdrückung steht. Ich weiß, daß es auch andere Aspekte gibt, und ich setze voraus, daß der Ihrige ein ganz anderer ist. Aber ich traue Ihnen zu, daß Ihnen bei jener Predigt das Bild all derer, die bei dem, was jetzt geschehen ist und noch geschehen wird, von Herzen ergrimmt und bekümmert sind, auch vor Augen stehen wird. Im Namen der heute mundtot Gemachten glaube ich Ihnen
1 3 0 „Das eben sollte der Unterschied zwischen der alten Bindung an den Staat und ... den neuen Verhältnissen sein, das sollte der klare Grundsatz einer Kirche sein, die endlich wieder Kirche geworden ist: Unabhängigkeit von der staatlichen Gewalt, Unabhängigkeit von den politischen Parteien! Nicht Neutralität gegenüber den Fragen, die im politischen Kampf behandelt werden, aber ein klares Bewußtsein davon, daß die Kirche diesen Fragen auf einer anderen Ebene begegnet als die politischen Parteien" (RdBr. v. 8.3.1933). 1 3 1 BARTH an Dibelius v. 17.3.1933, K B A BASEL; das folgende Zitat EBD.
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dies ohne Vordringlichkeit sagen zu dürfen. Und gerade dies erst recht im Namen der Kirche!" BARTH dachte bei dem, was er hier in sehr eindeutiger Weise als „Gewaltherrschaft und Unterdrückung" benannte, an die „heute mundtot Gemachten", d.h. an die bereits eingetretenen Folgen der Maßnahmen auf Grund der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 28.2.1933: Missliebige oder verdächtige Personen wurden ohne richterlichen Haftbefehl eingesperrt, politische Gegner (Kommunisten, SPD-Mitglieder) wurden verhaftet und in die neuen Konzentrationslager verbracht; die Presse- und Versammlungsfreiheit wurde bis auf weiteres aufgehoben. BARTH räumte jedoch ein, dass es für Dibelius „auch andere Aspekte" geben könne, ja er musste gar „angesichts des erstaunlichen Terrors der letzten Wochen" befürchten, dass ihm „diese der Öffentlichkeit aus guten Gründen entzogenen bzw. nicht zum Bewußtsein gebrachte Seite der .Tatsachen' gar nicht bekannt ist" 132 . Mit demselben Anliegen, Dibelius möge in seiner Predigt der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen gedenken und die Wiederherstellung der Gerechtigkeit und rechtsstaatlicher Zustände anmahnen, meldete sich noch ein anderer Ratgeber zu Wort. Es handelte sich dabei um Theodor HEUSS, den früheren DDP-Reichstagsabgeordneten und das jetzige Mitglied der Fraktion der Deutschen Staatspartei. Das ehemalige Berliner Gemeindemitglied von Dibelius wandte sich brief· lieh 133 „aus persönlicher Verehrung und ernster Sorge" an Dibelius, nachdem HEUSS aus der ,Kreuzzeitung' 134 erfahren hatte, dass der kurmärkische Generalsuperintendent die Predigt anlässlich der Eröffnung des Reichstages 135 halten werde. Die Genugtuung über diese Meldung war nicht gering, „denn der Anlaß fordert einen Mann mit vollem Uberblick über die staatliche und politische Problematik". Auch HEUSS spricht Dibelius auf die innerlich freie und unabhängige Position der Kirche an und auf ihre gleichermaßen geistliche wie weltliche Aufgabe, „Mahnerin des Gewissens zu sein": „Es würde in der historischen Durchschau 1 3 2 Eine Antwort von Dibelius auf diesen wichtigen Brief war wohl aus zeitlichen und postalischen Gründen vor dem 21. März nicht mehr möglich. Offenbar gab es aber am 19. März, also zwei Tage vor dem „Tag von Potsdam", noch eine telefonische Verständigung. W. KOCH berichtet, als Bonner Theologie-Student im Hause BARTHS Zeuge eines Telefonats zwischen Dibelius und BARTH gewesen zu sein. KOCH will dem Telefongespräch seinen Inhalt und die Reaktionen BARTHS abgelauscht haben: Dibelius habe BARTH die Gedanken (oder vielleicht schon den fertigen Text?) seiner Predigt vorgetragen, und BARTH habe immer „erfreuter" zugehört und sei „sehr einverstanden" gewesen (vgl. W. KOCH, .Sollen wir K. weiter beobachten?', 1982, S.57). 1 3 3 HEUSS an Dibelius v. 15.3.1933 (BA KOBLENZ, N L Heuss / 76). Der Briefwechsel zwischen HEUSS und Dibelius wurde erstmals (allerdings mit einer unzureichenden Kommentierung) abgedruckt in: I. WURTZBACHER-RUNDHOLZ, Heuss, 1986, S.20-23; nur der Brief von HEUSS (ohne die Antwort von Dibelius) in: Th. HEUSS, Politiker, 1984, S.256f. 1 3 4 Vgl. „Kirche und Staat" (KrZ v. 14.3.1933, S.l). 1 3 5 Von 1925 an fanden die evangelischen Gottesdienste zur Eröffnung einer neuen Sitzungsperiode des Reichstages im Berliner D o m statt. Die Predigt dabei hielt immer der „pastor loci", Hofprediger B. DOEHRING.
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
h e u t e n i c h t s v e r h ä n g n i s v o l l e r sein als e i n e o p p o r t u n i s t i s c h e H a l t u n g . " 1 3 6 S o r g e n b e r e i t e t e H E U S S , dass „ e i n e r d e r h e u t e l e i t e n d e n M ä n n e r n e u l i c h d a v o n s p r a c h , s e i n e A u f g a b e sei n i c h t , G e r e c h t i g k e i t z u ü b e n " . D e s h a l b k o m m t n u n HEUSS auf den bevorstehenden „Tag v o n P o t s d a m " u n d s e i n e g o t t e s d i e n s t l i c h e G e s t a l t u n g z u s p r e c h e n : „ E s m ü ß t e i n dieser S t u n d e e i n s t a r k e s u n d v e r n e h m b a r e s W o r t g e s p r o c h e n w e r d e n , das d e m s t a a t l i c h e n L e b e n i m W a l t e n der Gerechtigkeit gegenüber der bloßen M a c h t t e c h n i k den tieferen Sinn zurückgibt. E s w ü r d e m i r seltsam v o r k o m m e n , w e n n ich Ihnen Bibeltextv o r s c h l ä g e m a c h e n sollte. E s gibt e i n e n p r a c h t v o l l e n S p r u c h b e i H o s e a
10,12137.
E s m ü ß t e a b e r v o r a l l e m das W o r t aus d e n S p r ü c h e n ü b e r diesen T a g gestellt w e r d e n : G e r e c h t i g k e i t e r h ö h e t e i n V o l k , a b e r d i e S ü n d e ist d e r L e u t e
Verder-
ben."138 HEUSS u n d BARTH hatten unabhängig voneinander darauf abgehoben,
dass,
„ w e n n i n P o t s d a m d i e G l o c k e n l ä u t e n u n d die F a h n e n w e h e n " , es die A u f g a b e d e r K i r c h e sein m ü s s t e , die E r i n n e r u n g a n die O p f e r v o n G e w a l t h e r r s c h a f t u n d U n t e r d r ü c k u n g i m G l a n z u n d i m B a n n dieses J u b e l t a g e s n i c h t e i n f a c h a u s z u blenden
( B A R T H ) , ja s o g a r die W i e d e r h e r s t e l l u n g v o n G e r e c h t i g k e i t u n d
von
rechtsstaatlichen Verhältnissen a n z u m a h n e n (HEUSS). B A R T H hat w o h l m e h r die h o m i l e t i s c h e S i t u a t i o n u n d die g a n z e m i t p r e d i g e n d e K u l i s s e v o r A u g e n , in d e r m a n a u c h (oder vielleicht nur) zwischen den Zeilen u n d m i t H i n t e r s i n n
zum
1 3 6 Diesen Vorwurf musste HEUSS sich selbst zeitlebens deshalb machen, weil er zusammen mit den anderen vier Abgeordneten der Staatspartei meinte, bei dem nationalen Erneuerungswerk nicht abseits stehen zu dürfen, und dem „Ermächtigungsgesetz" HlTLERs trotz schwerer Bedenken seine Zustimmung gab (vgl. H . HAMM-BRÜCHER, Gerechtigkeit, 1984, S.100). Damals hatte die Staatspartei ihr Stimmverhalten damit zu rechtfertigen gesucht, dass das „Ermächtigungsgesetz" den Reichstag ohnehin passiert hätte und dass auch ohne die Stimmen der Staatspartei die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit zustande gekommen wäre. Man erlag der illusionären Hoffnung, dass, wer hier mit den Wölfen heule, auch später noch Gehör finden würde. 1 3 7 „Darum säet euch Gerechtigkeit und erntet Liebe; pflüget ein Neues, weil es Zeit ist, den Herrn zu suchen, bis dass er komme und lasse regnen über euch Gerechtigkeit." (Hos 10,12) In der Fortsetzung heißt es dort: „Denn ihr pflüget Böses und erntet Übeltat und esset Lügenfrüchte. Weil du dich denn verlassest auf dein Wesen und auf die Menge deiner Helden, so soll sich ein Getümmel erheben in deinem Volk, dass alle deine Festen verstört werden..." - Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Schwaben HEUSS diese Bibelstelle noch von der grotesk-sinnentstellenden Verwendung im Gedächtnis geblieben war, die in einer Sonntagsbetrachtung des Stuttgarter ,NS-Kurier' vom 27.8.1932 zu finden war: Unter der Uberschrift dieses Bibelzitats verteidigte der württembergische DC-Pfarrer REHM die nationalsozialistischen Potempa-Mörder, die nur auf Grund einer „toten Paragraphengerechtigkeit eines unserem deutschen Gerechtigkeitsempfinden artfremden Rechts" zum T o d verurteilt worden seien (G. SCHÄFER, Dokumentation I, S.156f., Zitat S.157). 1 3 8 Spr 1 4 , 3 4 - Im Altonaer Bekenntnis vom 11.1.1933 wurde unter der Überschrift „Von den Aufgaben des Staates" (Art.4) ebenfalls auf dieses Bibelwort angespielt: „Es hat keinen Sinn, auf Besserung zu hoffen, so lange sich nicht jeder seinen nächstliegenden Pflichten zuwendet. Das ist die Gerechtigkeit, welche ein Volk erhöht, und die Gott von uns fordert." (F. HERBERGER, Bekenntnis, 1983, S.9) - Heute steht dieses Bußwort (Sprüche 14,34) als Tagesspruch über dem Büß- und Bettag, der jetzt allerdings in der B R D weithin als gesetzlicher Feiertag der Finanzierung der Pflegeversicherung zum Opfer fiel.
Dibelius und die Dialektische Theologie
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Ausdruck bringen kann, was HEUSS gerne aus dem Munde eines prophetischen Festpredigers als eine Büß- und Mahnrede gehört hätte. Dibelius antwortete HEUSS - die homiletische Situation vor Augen - deshalb vorsichtig und taktisch abwägend: „Im einzelnen Fall ist die Entscheidung oft sehr schwierig, wie weit die Kirche gehen darf. Es handelt sich ja nicht nur darum, daß etwas gesagt werden muß, sondern auch darum, ob es verstanden werden kann." 1 3 9 Dibelius zeigte sich darüber, was gesagt werden muss oder gesagt werden müsste, mit HEUSS ganz einig; deshalb legte er seiner Antwort an HEUSS ebenfalls seinen vertraulichen Rundbrief vom 8. März bei - wieder zum Beweis dafür, „daß ich in den entscheidenden Punkten ebenso denke wie Sie". Seine Sorge im Blick auf die homiletische Aufgabe dieses besonderen Tages bestand freilich darin, ob das, was gesagt werden muss, auch verstanden werden kann: „In Zeiten der Wahl-Leidenschaften, und vollends im Augenblick einer Revolution, ist es oft unmöglich, bei den Menschen das Verständnis für das zu finden, was man meint." Nicht für die Predigt unmittelbar am „Tag von Potsdam", sondern erst an einem späteren Tag erwartete Dibelius den Zeitpunkt, dass „die Gemüter sich soweit beruhigt haben, daß man sich wieder verständlich machen kann. Daß aber die evangelische Kirche dem Staat predigen wird, daß die Gerechtigkeit ein Volk erhöht - dessen dürfen Sie gewiß sein!" Wenn auch, wie es sich zeigen wird, der Textvorschlag von HEUSS für dieses Mal nicht berücksichtigt worden ist, so ist er doch bei beiden Briefpartnern über die Jahre hinweg nicht in Vergessenheit geraten. Auf dem Hintergrund der Befreiung vom nationalsozialistischen Gewalt- und Unrechtsregime nahm der EKD-Ratsvorsitzende Otto Dibelius das Stichwort „Gerechtigkeit" auf und predigte zur Eröffnung des ersten Deutschen Bundestages über das Psalmwort: „Ich schwöre und will's halten, dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten will" (Psalm 119,106) 140 . Auch HEUSS hatte sich seinen damaligen Textvorschlag gemerkt und stellte sein Amt und seine Amtsführung als erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland unter das Leitwort: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk" (Sprüche 14,34a) 141 . Nach den beiden Ratschlägen für die Predigt am „Tag von Potsdam" hätte man Predigtaussagen erwarten können, in der wenigstens andeutungsweise und gleichsam unter vorgehaltener Hand, freilich nicht im Klartext darüber geredet wird, worin sich alle drei Briefpartner einig waren. Denn zu der „außerordentlich schwere(n) Aufgabe" (BARTH) kam auch noch der politische Druck, unter den Dibelius sich persönlich gesetzt sah: Kirchenpolitisch hatte sich Dibelius vor den Kirchenwahlen im Herbst 1932 mit der Liste „Evangelium und Volkstum" 1 4 2 solidarisiert und damit ein deutliDibelius an HEUSS v. 16.3.1933 (BA KOBLENZ N L Heuss / 76); die folgenden Zitate EBD. Vgl. Unter Gottes Geboten, 1949. In einer Abschrift des epd v. 10.9.1949 findet sich diese Predigt zur Eröffnung des 1. Deutschen Bundestages (BA KOBLENZ, N L Pünder/275, pag.73-77). 141 Vgl. H . HAMM-BRÜCHER, Gerechtigkeit, 1984, S.9, S.13, S.53. 142 „Evangelium und Volkstum. Positive Kampfliste für die Kirche der Reformation, Deutsches Volk und Vaterland". Diese Liste, der die Generalsuperintendenten Dibelius, HAENDLER, 139
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ches Signal gegen die „Deutschen Christen" gegeben, die nun im Aufwind der nationalen Revolution 143 Morgenluft witterten. SCHIAN, STOLTENHOFF, ZÄNKER und ZOELLNER beitraten, präsentierte sich mit ihrem programmatischen Antibolschewismus und Antipazifismus als national ausgerichtete Alternative zu den „Deutschen Christen" (vgl. v. 4.9.1932; EvDrR. v. 27.11.1932, S.3ff.; J . WRIGHT, Parteien, 1977, S.160). Allzu lange unterschätzte auch Dibelius die Erfolgsmöglichkeiten der „Deutschen Christen" und damit die Gefahr der Politisierung der Kirche. In seinem fast unerschütterlichen Zutrauen zur Kirche glaubte er, dass eine Gruppe, die ihre Wurzeln nicht in der Kirche habe, ihr auch keinen ernsthaften Schaden zufüge könne: „Eine Politisierung der Kirche steht nicht zu befürchten. Dazu sind die Kräfte des Evangeliums, die in alle kirchliche Arbeit hineinwirken, viel zu stark. ...Sie machen die Kirche immer wieder zur Kirche. Darauf darf die evangelische Christenheit fröhlich und getrost vertrauen" (SoSp. v. 20.11.1932). Noch am Anfang des Jahres 1933 hielt Dibelius den besonderen Wunsch der „Deutschen Christen" nach dem Aufbau einer Reichskirche für völlig unrealistisch: „Der Ruf nach der evangelischen Reichskirche ist bei den letzten Kirchenwahlen nachdrücklich laut geworden." Aber für den Zeitraum des „Jahrhunderts der Kirche" rechnete Dibelius nicht mit dieser Möglichkeit: „Es wird zu einer evangelischen Reichskirche in den nächsten hundert Jahren sicherlich nicht kommen" (SoSp. v. 1.1.1933; vgl. dagegen SoSp. v. 9.4.1933 - und wieder dagegen: SoSp. v. 30.4.1933). - Neben der kirchenpolitischen Kraft der „Deutschen Christen" schätzte Dibelius auch ihr theologisches Format gering ein: „Die nationale Bewegung innerhalb der evangelischen Kirche, auch die Bewegung, die sich .Deutsche Christen' nennt, hat noch keine theologische Führung. Das kann nicht anders sein. Die Bewegung ist ja nicht eigentlich aus der Kirche herausgewachsen." (SoSp. v. 27.11.1932) Gegen den Vorwurf der Theologielosigkeit der „Deutschen Christen" wehrte sich vehement ihr theologischer Reichsreferent, der Soldiner Dompfarrer Fr. WlENEKE, mit dem Artikel „Herrn Generalsuperintendenten D . Dr. Dibelius zur Kenntnis" (EvDrR. v. 18.12.1932, S.4f.). Bei der Reichstagung der „Deutschen Christen" am 3.4.1933 hielt WlENEKE einen Vortrag unter dem Titel: „Die Theologie der Gegenwart"; dabei führte er u.a. aus: „Die Theologie der Glaubensbewegung Deutsche Christen richtet sich zu allererst auf die Erkenntnis, daß Gott der Herr in der Natur, in Art und Rasse eine für alle Menschen und Völker gültige ewige Verpflichtung kundgetan hat. W i r haben erkannt, daß Hakenkreuz und Christuskreuz zusammengehören, daß sie miteinander vereinbar sind, denn das Zeichen des Ursprungs deutet ebenso auf Gottes Willen hin wie das Zeichen der Erlösung und der Heiligung." (EZA BERLIN, 7/989, pag.22) - Später hatte GenSup. ZOELLNER sein Engagement im Reichskirchenausschuss damit zu rechtfertigen gesucht, dass er behauptete, die „Deutschen Christen" seien im Grunde keine theologischen Gegner und man könne oder müsse sich mit ihnen nicht theologisch auseinandersetzen, weil sie gar keine Theologie hätten. 1 4 3 D e r Fraktionsvorsitzende der Nationalsozialisten im Preußischen Landtag, W . KUBE, polemisierte besonders gegen „einige reaktionäre Superintendenten und Generalsuperintendenten... (es handelt sich besonders um Berliner Herren)" und wies darauf hin, dass „ja schließlich eine Fraktion von 162 Mitgliedern im Preußischen Landtag bei den Verhandlungen über die Zuschüsse zu den Kirchen ein gewichtiges Wort mitzureden" habe (EvDrR. v. 29.1.1933). Tatsächlich nahm KUBE schon 1932 den Generalsuperintendenten der Neumark und Niederlausitz VITS ins Visier, der geäußert haben soll, die N S D A P befände sich noch in den „Flegeljahren" und HITLER sei „nur ein ganz einfacher Mann..., ungebildet dazu" (Zum Konflikt zwischen KUBE und VITS vgl. E Z A BERLIN, 7/11066 und 7 / 1 2 9 5 und den vertraulichen Bericht von T h . HECKEL an E O K v. 26.1.1932, in: E Z A BERLIN, 7/419, pag.158; vgl. außerdem KAROW an E O K v. 16.7.1932, in: E Z A BERLIN, 7/419; W. KUBE, Kirchenwahlen 1932, in: Völkischer Beobachter v. 10./11.1.1932; J . WRIGHT, Parteien, 1977, S.148). Dann machte sich KUBE zum Vollstrecker der Oppositionsstrategie gegen die Repräsentanten und Exponenten des überkommenen Zeitalters und konzentrierte seinen Kampf auf die Person von Dibelius (vgl. auch E Z A BERLIN, 50/101 und 50/403). Die Ausführungen von Dibelius in seiner .Wochenschau' vom 5. März und in seinem Rundbrief vom 8. März waren dem NS-Fraktionsvorsitzenden ein willkommener Anlass, um bei der Reichstagung der „Deutschen Christen" am 3. April nun Dibelius offen beim Namen zu nennen. Davon wird unten ausführlicher noch die Rede sein.
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Auch auf rechtspolitischem Gebiet hatte Dibelius sich mit den Kündern der neuen Zeit angelegt. Nach den Sympathie- und Solidaritätsbekundungen HlTLERs für die nationalsozialistischen Mörder von Potempa 144 sah er das allgemeine Rechtsbewusstsein in Gefahr. Dibelius exponierte sich öffentlich, indem er strikt an der Geltung objektiver Rechtsnormen auf christlicher Grundlage festhielt: „Niemals darf es verwischt werden, daß Mord Mord ist, in welcher Gesinnung er auch begangen sein mag! ...Nur auf solcher Grundlage kann ein Staatswesen fest und sicher ruhen. N u r in einem Rechtsstaat kann der Staatsbürger mit Stolz auf sein Vaterland blicken. Nur wo Recht ist, ist auch Freiheit. Und nur wo die Normen der christlichen Sittlichkeit unangestastet bleiben, kann der Christ in einem Staat Heimatgefühl haben." 145 Die nationalsozialistische Erwiderung auf diese eindeutigen Worte ließ nicht lange auf sich warten und ließ an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Zuerst werden da die „pastoralen Purzelbäume...und Bocksprünge..." in dem Sonntagsartikel von Dibelius lächerlich gemacht. Dann aber wird in allem Ernst mit Anspielungen auf die Fragestellungen im „Fall DEHN" und auf die Auseinandersetzung um das Friedensbuch von 1930 die nationale Haltung von Dibelius in Frage gestellt: „Sind die Millionen, die im Weltkriege für Deutschland gekämpft und gelitten haben oder gar gestorben sind, Menschen, die nach den .ewigen und absoluten Rechtsnormen' des Herrn Dibelius getötet haben, Helden oder Verbrecher?" Schließlich endet der anonym veröffentlichte Artikel mit einer siegessicheren Drohgebärde: „Wir werden ja in der Zukunft sehen, wer Recht behält: Der ,kluge Kopf' Dibelius oder der Mann, dessen Herz heiß für Deutschland und das deutsche Volk schlägt, der sich nicht darin erschöpft, daß er papierene Weisheiten verzapft, sondern der seine ganze reiche Persönlichkeit einsetzt, um höchste Ideale zu verwirklichen: Adolf HITLER.!"146 Parteipolitisch schließlich wurde dem Generalsuperintendenten dessen Wahlaufruf in der ,Wochenschau' zum 5. März, dem „Tag der erwachenden Nation" 1 4 7 , als Wahlempfehlung für die SPD missdeutet und entsprechend verübelt. 1 4 4 Nachdem fünf Nationalsozialisten in dem oberschlesichen Dorf Potempa einen Kommunisten zu Tode getrampelt hatten, unterstützte Dibelius eine Erklärung v. PAPENs und warnte vor der Einführung subjektiver Rechtsnormen: „Leitung und Läuterung ... muß das Rechtsempfinden der Nation aus den großen Grundsätzen der Gottesoffenbarung empfangen, auf deren Boden das Christentum steht. ...Das gilt nicht nur dann, wenn das übergeordnete Interesse das eines Diktators, eines Standes, einer Klasse, einer Rasse oder einer Nationalität ist. Es gilt auch dann, wenn der Staat selbst zur obersten N o r m des Rechts erklärt wird." (SoSp. v. 4.9.1932) Zu den Ereignissen von Potempa vgl. K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.227ff.; H. SCHULZE, Weimar, 1982, S.384f. 1 4 5 SoSp. v. 4.9.1932. - Schon im August 1932, als sich die politischen Positionen und Fronten abzuzeichnen begannen, wandte sich Dibelius vehement gegen alle politischen und staatlichen Gewalttätigkeiten zur Linken wie zur Rechten: „Wo ... ein Staat ist mit fester Rechtsordnung, da gilt der Satz der Bibel schlechthin und unbedingt. Gewalttätigkeiten, wie wir sie jetzt fortwährend erlebt haben, dürfen einfach nicht sein. Selbst wenn sie der Nation einen Nutzen brächten: sie dürfen nicht sein!" (SoSp. v. 7.8.1932). 1 4 6 „Deutschnationale Rechtsbegriffe" (Der Angriff v. 14.9.1932). 1 4 7 Vgl. J. GOEBBELS, Tagebücher 1/2, S.382 u. 385.
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Die Hinwendung zu linksliberalen und sozialdemokratischen Positionen in seinem Friedensbuch von 1930 und diese missdeutete Wahlempfehlung erklärten sich wechselseitig. Damit war in den Augen der jetzt herrschenden Kreise auch die nationale Zuverlässigkeit des Potsdamer Festpredigers stark erschüttert. Dibelius stand unter all diesen Vorzeichen, was seine nationale Glaubwürdigkeit anging, gegenüber den Anhängern der nationalen Erhebung in einer Verteidigungsposition und unter einem Rechtfertigungsdruck - weit mehr jedenfalls, als man es von seiner eigenen nationalkonservativen Grundhaltung her hätte annehmen können. Der national motivierte Zuspruch, den Dibelius gegenüber der neuen Bewegung angedeihen zu lassen bereit war, musste gleichzeitig begleitet, begrenzt und in die Schranken verwiesen werden durch das spezifische Anliegen, in dem die drei Briefpartner vor dem „Tag von Potsdam" weitgehend übereinstimmten: in dem „kirchlichen" Anspruch und Widerspruch, wie ihn Dibelius selber in seinem Rundbrief vom 8. März ganz offen und offensiv vertreten hatte148. Auf Grund seiner eigenen nationalkonservativen Einstellung war es Dibelius ein Anliegen, der durch die Wahlen leidlich149 legitimierten „nationalen Erhebung" genügend Zeit und eine Chance150 für die Gesundung von Volk und Vaterland einzuräumen; andererseits musste er als der Proklamator des „Jahrhunderts der Kirche" deutlich machen, dass diese Kirche um ihrer selbst und um ihres Wächteramtes willen auch einer „nationalen Regierung" gegenüber den kirchlich gebotenen Abstand wahren und - wenn es denn sein sollte - auch den kirchlich gebotenen Widerstand entgegensetzen muss. Tatsächlich ist - für diejenigen, die Ohren haben zu hören!151 - die ganze Predigt von diesem hin- und herschwankenden Zauder-Rhythmus des „Einerseits 1 4 8 Auch D . BONHOEFFER, der wenige Tage zuvor zur Teestunde bei Dibelius geladen war, bestärkte den Generalsuperintendenten darin, „daß die Kirche jetzt nicht bei Akklamationen verharren dürfe" (E. BETHGE, Bonhoeffer, 1986, S.315). 1 4 9 Vgl. H.-U. THAMER, Verführung, 1986, S.256f. 1 5 0 Dibelius bedachte die neue Regierung mit einem ungeheueren Vertrauensvorschuss: Man muss den Wunsch haben, „wie man der neuen Regierung auch gegenübersteht, ... daß sie Zeit finde, etwas Ehrliches und Rechtschaffenes zu leisten." Denn „ein Volk in N o t sehnt sich nach Männern, von denen es den Eindruck hat, daß sie aus der Tiefe des Glaubens leben und darum eine gerade und klare Linie haben. Nach christlichen Staatsmännern' dieser Art sehnt sich auch die evangelische Kirche!" (WoSch. v. 12.2.1933) - Mit den „christlichen Staatsmännern" spielte Dibelius auf das Buch „Der christliche Staatsmann" (1932) von W. STAPEL an, der mit seiner „Theologie des Nationalismus" und mit der Übernahme völkischer Traditionen dem nationalsozialistischen Machtstaat den Weg bereitete. Dibelius lobte an dem Buch die nationale Zuversicht, die es vermittle, kritisierte aber, dass STAPEL sich scheue, vom „christlichen Staat" (freilich „weder im Sinn des angelsächsischen Liberalismus noch im Sinne der Romantik Friedrich Julius STAHLs") zu sprechen, d.h. von der christlichen Fundierung der staatlichen Ordnungen und Anordnungen (SoSp. v. 5.6.1932). Auf denselben Punkt zielt die Kritik, die G. DEHN in seiner theologisch weiter- und tiefergehenden Besprechung an STAPELS Volksnomos-Lehre übt (vgl. G. DEHN, Der christliche Staatsmann, in: Furche 19, 1933, S.45-58). Zur Theologie STAPELS vgl. W. TlLGNER, Volksnomostheologie, 1966, S.89-130. 1 5 1 U m einer nur besserwisserischen Betrachtungsweise der Predigt von Dibelius zu wehren, wird man ihr methodisch, sachlich und historisch am ehesten gerecht, wenn man unter Berück-
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Andererseits", des „Zwar - Aber", also einer nationalen Defensiv- und einer kirchlichen Offensivhaltung durchzogen. 2.4.3 Die Predigt: „Mit Gott zu neuer Zukunft!" Mit dem sicheren Gespür für die Wirkung einer symbolträchtigen Dramaturgie beabsichtigte HITLER, dem Beginn der neuen Regierungstätigkeit einen besonderen Glanz und ein besonderes Gepräge zu geben. Mit der Wahl des Tages und des Ortes für die Reichstagseröffnung und mit der ganzen Dramaturgie des Ereignisses nahm HITLER die Geschichte des geeinten Deutschen Reiches für sich in Anspruch: es war ebenfalls am Frühlingsanfang (21. März) des Jahres 1871, als der damalige erste deutsche Reichstag 1 5 2 von BISMARCK eröffnet wurde. Mit dem Handschlag zwischen dem Generalfeldmarschall und dem ehemaligen Gefreiten nach der Verneigung HlNDENBURGs vor den Särgen des Soldatenkönigs und FRIEDRICHS DES GROSSEN schlich sich HITLER öffentlichkeitswirksam in die Tradition Preußens 153 ein. Mit Gepränge und Staffage brachte HITLER so die Verschmelzung von preußischer Tradition mit nationalsozialistischer Ideologie auf die nationale Bühne. Der Ubermacht politischer Symbolträchtigkeit versuchte Dibelius eine kirchliche Symbolkraft gegenüberzustellen, indem er - entgegen dem Vorschlag von HEUSS - für seine Predigt den Text wählte, über den der kaiserliche Oberhofpresichtigung der predigenden Person (und ihrer schon vorgängigen Einordnung durch die nationalsozialistische Seite) und der homiletischen Situation (das ganze mitpredigende Szenarium und das Gebundensein an einen minuziös ausgearbeiteten und einzuhaltenden Zeitplan) auch den Maßstab jener Rechtsnormen und jenes Rechtsbewusstseins anlegt, in dem Dibelius mit HEUSS und BARTH übereinstimmte. - Zudem muss besonders bei der nachgängigen Beurteilung jeder und so auch dieser Predigt berücksichtigt werden, dass sie gesprochenes Wort und nicht als geschriebene Rede in einer bestimmten Situation, zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten R a u m ist, wobei die rhetorischen Mittel des Vortragens (Betonung, Tonfall, Tempo der Sprache, Modulation der Lautstärke und Stimme, Pausen usw.) und die den Vortrag begleitenden Gesten ebenfalls „mitpredigen", genauso wie das ganze Szenarium, auf das ein Gast- oder Festprediger in der Regel nur wenig Einfluss nehmen kann. D e m betrachtenden und urteilenden Historiker bieten sich nur die dürren gedruckten Worte an - in einer immer ungleichzeitigen Situation. 1 5 2 Vgl. M. MESSERSCHMIDT, Wiedergeburt, 1993, S.66. - Anfänglich zogen die Nationalsozialisten in Erwägung, die Reichstagseröffnung auf den Geburtstag BISMARCKS am 1. April zu terminieren. Dieser Gedanke wurde dann aber bald zu Gunsten des 21. März verworfen, wohl um noch schneller das Ermächtigungsgesetz einbringen und nun ohne Parlament und präsidiale Notverordnungen agieren und regieren zu können. - Dibelius erinnerte in seiner Predigt daran, dass das Deutsche Reich seine erste Weihe vor 62 Jahren empfangen habe: „Der zweiten Weihe harren wir entgegen." Er sah diese „zweite Weihe" mit dem „Tag von Potsdam" also noch nicht vollendet, sondern erwartete sie erst noch für die Zukunft. 1 5 3 Auch Dibelius erlag der Wirkung dieser symbolträchtigen Geste und schwelgte in friderizianischer Nostalgie: „Das war wirklich ein Bild, eines großen Malers würdig! ...Der Repräsentant dieser Zeit (sc. HlNDENBURG) grüßt die Großen der Vergangenheit und bringt, aus der Gruft wieder emporschreitend, als Ehrfurcht gebietender Mittler dem jungen Geschlecht (sc. in der Person von HITLER) den Segen vergangener Jahrhunderte zurück! Wirklich: das Bild wäre Adolf MENZELS würdig gewesen!" (SoSp. v. 26.3.1933; vgl. auch WoSch. v. 2.4.1933) Bemerkenswert ist, dass Dibelius bei diesem Rückblick auf den „Tag von Potsdam" den „greisen Reichspräsidenten" als „Vater des Vaterlandes" ganz in den Mittelpunkt des Geschehens rückte.
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diger und ehemalige kurmärkische Generalsuperintendent v. DRYANDER 154 zur Eröffnung des Reichstags am 4. August 1914 gepredigt hatte: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?" (Rom 8,31) 1 5 5 Eine ganze Ahnengalerie von Namen, die von LUTHER, Ulrich v. HUTTEN und SCHILLER bis zu Heinrich v. TREITSCHKE, BISMARCK und Gustav SCHMOLLER reicht, bot Dibelius auf, u m das gesamte kirchliche, kulturelle und politische Erbe zu bündeln, dem die Deutschen auch in Zukunft verpflichtet seien. Mit der Wahl des Predigttextes 1 5 6 beschwor Dibelius zugleich die Aufbruchstimmung und die nationale Geschlossenheit über alle Parteigrenzen hinweg, mithin den „Geist von 1914": „Der heutige Tag ist jenem Tage ähnlich, und ist doch wieder anders."(S.52) 1 5 7 Die Ähnlichkeit sah Dibelius in der Sehnsucht nach nationaler Einigkeit: „ein Reich, ein Volk, ein Gott!" 1 5 8 Aber in dem allem zählt, so betonte der Festprediger, allein die Offenbarung Gottes in dem gekreuzigten Christus, die für die Menschen da ist, aber nicht von den Menschen k o m m e n kann. Ausgehend von dieser Offenbarung unterliege alle Religion, die menschlichen Ursprungs ist, einer strikten und kompromisslosen Ideologiekritik 159 : „in 1 5 4 Vgl. B. DOEHRING, Burg I, 1914, S.14-18. Der von DRYANDER gewählte Predigttext Rom 8,31 war der Lehrtext im Losungsbüchlein der Herrnhuter Brüdergemeine für den 5. August 1914 (vgl. EBD., S.81). 1 5 5 Dibelius stellte den Predigttext dem .Reichsboten' zur Verfügung, so dass bereits am folgenden Tag der gesamte Wortlaut dort veröffentlicht werden konnte (vgl. RBo. v. 22.3.1933). In Auszügen wurde die Predigt in mehreren anderen Zeitungen und kirchlichen Blättern wiedergegeben (z.B. Die Botschaft der Kirche, in: TR v. 22.3.1933; BES v. 2.4.1933; EvMark v. 16.4.1933). Der gesamte Text wurde außerdem abgedruckt in EvDt v. 26.3.1933. Eine von H. HUPFELD herausgegebene Broschüre enthielt ebenfalls den Wortlaut der Predigt. Ein regierungsamtliches Dokument zitierte den Teil der Predigt, in dem Dibelius das Verhältnis von Staat und Kirche ansprach p e r Staatsakt in Potsdam, S.3, in: EZA BERLIN, 7/690, pag.99ff.). Heute ist der Wortlaut der Predigt am besten zugänglich in: G. van NORDEN, Protestantismus, 1979, S.52-55 (im Folgenden wird danach zitiert). 1 5 6 Während K. SCHOLDER im Blick auf die Parallelisierung mit dem „Geist von 1914" von „der unglückseligen Wahl" dieses Predigttextes spricht (K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.296), wird BARTH über diese Textwahl wohl nicht unfroh gewesen sein können: hatte er doch 1930 selbst eine sachgemäße Auslegung dieses Textwortes (Röm.8,31) in der Spannung zwischen Anfechtung und Verheißung gerade bei den Kirchenführern angemahnt; denn dieses Textwort enthalte und bewahre - recht verstanden - die „Substanz der Kirche" (vgl. K. BARTH, Quousque tandem...?, in: K. KUPISCH, Der Götze wackelt, S.29 / H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, S.229). 1 5 7 In der nur knappen Erwähnung der Predigt im .Völkischen Beobachter' wurde der Halbsatz weggelassen: „und ist doch wieder anders" (vgl. Völkischer Beobachter v. 22.3.1933). Die für die Nationalsozialisten ärgerliche Einschränkung, die mit diesem Halbsatz angedeutet wird, beruht auf einem zeitlichen Vorbehalt, der die ganze Predigt durchzieht. Die Erfüllung jener Sehnsucht ist mit dem „Tag von Potsdam" noch nicht am Ziel, sondern wird erst noch erwartet und muss erst noch bewährt werden: „Noch sind wir nicht wieder ein einiges Volk" (S.52). „Noch ist der Glaube in deutschen Landen nicht wieder die große, bewegende Kraft, die er einstmals war." (EBD.) „Das deutsche Reich ist zum erstenmal geweiht worden, als vor 62 Jahren die Mauern aufgeführt waren, die Nord und Süd zusammenschlossen. Der zweiten Weihe harren wir entgegen" (S.55). 158 Vgl. dazu auch den Bericht der badischen ,Kirchlich-Positiven Blätter' in: Die Evangelische Landeskirche in Baden I, 1991, Nr.456/S.673. 1 5 9 Es sei lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass dieser erste, theologisch grundlegende Hauptteil der Predigt mit der Orientierung an dem „gekreuzigten Christus" auffallende Parallelen
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d e r W e l t d e r R e l i g i o n g e l t e n allein d i e T a t s a c h e n G o t t e s , n i c h t die E i n f a l l e d e r M e n s c h e n . R e l i g i o n e n , die s i c h die M e n s c h e n k o n s t r u i e r e n , es seien m y s t i s c h e oder
völkische
Hirngespinste."
oder Ohne
zusammengemischte die A n e r k e n n t n i s
Allerweltsreligionen, dessen,
sind
dass die b i b l i s c h e
kraftlose Wahrheit
G n a d e 1 6 0 sei, w ä r e es V e r m e s s e n h e i t u n d F r e v e l , a u c h j e t z t z u b e h a u p t e n u n d f ü r s i c h in A n s p r u c h z u n e h m e n : G o t t w i r d m i t u n s sein! I m z w e i t e n H a u p t t e i l k o m m t D i b e l i u s a u f das V e r h ä l t n i s v o n Staat u n d K i r c h e z u s p r e c h e n u n d e n t f a l t e t d a b e i auf seine W e i s e L U T H E R S
Zwei-Reiche-
L e h r e 1 6 1 . E r k o n z e d i e r t dabei, dass „die K i r c h e d e r r e c h t m ä ß i g e n s t a a t l i c h e n G e w a l t n i c h t in d e n A r m fallen darf, w e n n sie t u t , w o z u sie b e r u f e n i s t " . D a b e i k ö n n e d e r Staat a u c h e i n m a l „ k r a f t v o l l u n d d u r c h g r e i f e n d " u n d „ h a r t u n d r ü c k s i c h t s l o s " 1 6 2 v o r g e h e n . „ E i n n e u e r A n f a n g s t a a t l i c h e r G e s c h i c h t e s t e h t i m m e r irg e n d w i e i m Z e i c h e n d e r G e w a l t . D e n n d e r Staat ist M a c h t . " ( S . 5 4 ) D i b e l i u s e r i n n e r t d a n n , w i e s c h o n in s e i n e m R u n d b r i e f v o m 8. M ä r z , a n d i e H a l t u n g L U T H E R S i m B a u e r n k r i e g : „ W i r k e n n e n die f u r c h t b a r e n W o r t e , m i t den e n L U T H E R i m B a u e r n k r i e g die O b r i g k e i t a u f g e r u f e n hat, s c h o n u n g s l o s v o r z u aufweist zu dem großen Einleitungsabschnitt in BARTHS Vortrag von der „Not der evangelischen Kirche" (1931). Die sich daraus ergebende ideologiekritische Komponente deckt sich mit den Ausführungen von Dibelius in seinem Rundbrief vom 8. März. 1 6 0 Dibelius scheute sich nicht, das Wort „Gnade", und damit den Kern der neutestamentlichen Rechtfertigungslehre, gegen völkische und deutsch-christliche Einwände zu verteidigen: „Freunde, wenn der innere Umschwung im deutschen Volk kommen soll, auf den wir warten, dann muß neben manchem anderen auch der törichte Protest moderner Menschen gegen das Wort Gnade verschwinden. Gnade, so sagen sie, mache knechtische Seelen! Mag sein, daß Gnade, die Menschen üben, Knechte macht. Aber Gnade von Gott? ...Sie beugt unter das Gericht, aber sie gibt königliche Freiheit, den Menschen und dem Schicksal gegenüber. Aus der Erfahrung: Gott ist für uns! steigt die trotzige Siegeszuversicht empor: wer mag wider uns sein!" (S.53) „Es ist nicht wahr, daß das Evangelium etwas Fremdes in die deutsche Art hineingetragen habe und daß eine Erlösung von Jesus Christus, statt einer Erlösung durch Jesus Christus nötig sei, damit wir wieder Deutsche werden. Das Gegenteil ist wahr" (S.54). 1 6 1 „Die beiden Reiche, die LUTHER so sorgfältig auseinander hielt, das Reich der weltlichen Gewalt und das göttliche Reich der Gnade, werden eins in der Person des Christen." (S.55) Demgegenüber trennt z.B. W . STAPEL, der theologisch-intellektuelle Wegbereiter der Kongruenz von Glaube und Volkstum, Christentum und Nationalsozialismus, die beiden Reiche strikt und also nicht „sorgfältig" - voneinander: „Die Macht des Staates ist, daß er über Leben und T o d der Menschen zu verfügen befugt ist. Die Macht der Kirche ist der Glaube an den ewigen Gott und die Darbietung des Himmelreiches" (W· STAPEL, Sechs Kapitel, 1931, S.28). 1 6 2 D e r damals offenbar gern gehörte, von HITLER mit einem eindrucksvoll rollenden „r" gebrauchte und bis in kirchliche Verlautbarungen weithin akzeptierte und adaptierte Sprachgebrauch vom „rücksichtslosen" Vorgehen des Staates ist seiner brutalen und menschenverachtenden Bedeutung beraubt worden und hatte nur noch die offenbar lobenswerte Bedeutung einer notwendigen, schnellen, entschlossen zupackenden, Autorität heischenden und Ordnung schaffenden Bereinigung von wirklichen oder angeblichen Missständen. Als Beispiel dafür, wie diese Sprache der sozialsanitären Reinigung auch in kirchlichen Verlautbarungen Verwendung gefunden hat bzw. finden sollte, sei an den 5. Punkt eines von T h . WURM vorgelegten Entwurfs zu einer Kundgebung des D E K A für den Wahltag am 5. März erinnert: „Die Sorge für die Reinheit im gesamten öffentlichen Leben verlangt Säuberung des öffentlichen Dienstes von Korruption jeder Art und rücksichtslose Bekämpfung der vergiftenden und zersetzenden Einflüsse des Kulturbolschewismus in Werbung, öffentlichen Darbietungen, literarischen und künstlerischen Erzeugnissen" (Entwurf v. 27.2.1933, in: G. SCHÄFER, Dokumentation I, S.245).
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
gehen, damit wieder Ordnung in Deutschland werde." 163 Er schränkte aber diese Sanktionierung obrigkeitlicher Gewalt - ebenfalls mit L U T H E R - sofort mit einem Vorbehalt ein: „Aber wir wissen auch, daß L U T H E R mit demselben Ernst die christliche Obrigkeit aufgerufen hat, ihr gottgewolltes Amt nicht zu verfälschen durch Rachsucht und Dünkel, daß er Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gefordert hat, sobald die Ordnung wiederhergestellt war." (S.54) Deshalb will Dibelius eine doppelte Aufgabe der Kirche dem Staat gegenüber festgehalten wissen - und hier stehen ihm auf seine, keineswegs vorurteilslose, Weise diejenigen vor Augen, die durch den politischen Terror und durch staatliche Gewalt in den vergangenen Tagen hinter Schloss und Riegel gesetzt worden sind: „Wenn der Staat seines Amtes waltet gegen die, die die Grundlagen der staatlichen Ordnung untergraben, gegen die vor allem, die mit ätzendem und gemeinem Wort die Ehe zerstören, den Glauben verächtlich machen, den Tod für das Vaterland begeifern - dann walte er seines Amtes in Gottes Namen!" (S.54) Und wieder folgt das einschränkende, mahnende und in die Schranken weisende „Aber" des ekklesiologischen Vorbehalts: „Aber wir wären nicht wert, eine evangelische Kirche zu heißen, wenn wir nicht mit demselben Freimut, mit dem L U T H E R es getan hat, hinzufügen wollten: staatliches Amt darf sich nicht mit persönlicher Willkür vermengen! Ist die Ordnung hergestellt, so müssen Gerechtigkeit und Liebe wieder walten, damit jeder, der ehrlichen Willens ist, seines Volkes froh sein kann." (S.54f.)164 Mit welchen Ohren man diese Sätze auch zu hören vermag oder zu hören sich entschließt: Einen zumindest zwiespältigen Eindruck hinterlässt das Schaukelspiel, das Dibelius hier seiner gottesdienstlichen Gemeinde vorführte - unter ihr die evangelischen Mitglieder des Reichstags, der Reichstagspräsident und preußische Ministerpräsident GÖRING, der Reichsaußenminister K. v. NEURATH sowie der Reichspräsident Paul v. H l N D E N B U R G : Einerseits wird einer „rechtmäßigen" Regierung (nicht auf Dauer, aber auf Zeit) die Anwendung rücksichtsloser Gewalt, d.h. rechtsstaatlich nicht gedeckter Maßnahmen zugestanden; andererseits darf der Staat im Vollzug dieser Gewalt sein Amt nicht mit „Rachsucht", „Dünkel" und „persönliche(r) Willkür" vermischen oder verfälschen und muss „Gerechtigkeit", „Barmherzigkeit" und „Liebe" walten lassen, „sobald die Ordnung 163 Im Rundbrief vom 8.3.1933 hieß es: „Wir fallen gewiß der Staatsgewalt nicht vorschnell in den A r m , sondern denken an LUTHERS furchtbare Worte aus den Tagen des Bauernkrieges, denken freilich gleichzeitig daran, daß LUTHER - was die sozialdemokratische Presse geflissentlich unterschlägt - diesen furchtbaren Worten immer sofort nicht minder kraftvolle gegen die Machthaber angefügt hat, die nun an den besiegten Bauern ihr Mütchen kühlen wollten." Weil BARTH dies noch zu undeutlich und unkonkret im Blick auf die gegenwärtige Situation geschrieben war, bemerkte er zu diesem Passus: „bei der Erinnerung an das, was LUTHER damals gegen die .Machthaber' gesagt hat, hätte ich wohl gewünscht, daß etwas Entsprechendes angesichts des erstaunlichen Terrors der letzten Wochen auch heute gesagt worden wäre" (BARTH an Dibelius v. 17.3.1933, K B A BASEL). Jetzt wurde Dibelius konkreter: Die Obrigkeit darf ihr gottgewolltes A m t nicht „durch Rachsucht und Dünkel" (S.54) verfälschen. 164 v g i . a u c h die vollständige und sinnentsprechende Wiedergabe dieser Predigtpassage in: C h W 47, 1933, Sp.335.
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wiederhergestellt" ist. Dibelius verband die Sehnsucht nach Verwirklichung einer wahren Volksgemeinschaft, wie sie in den Augusttagen von 1914 lebendig geworden war und die immer noch Bestandteil bürgerlich-nationaler Ideologie war, mit dem neuen nationalen Aufbruch und stellte doch den in diesem Aufbruch politisch Handelnden den ekklesiologischen Vorbehalt des „Jahrhunderts der Kirche" entgegen 165 . Im Kontext des ganzen Szenariums hätte man freilich gewünscht, dass in diesen gewichtigen adversativen „Aber"-Sätzen noch deutlicher geredet worden wäre, dass die Opfer staatlicher Gewalt benannt worden wären, dass die sofortige Wiederherstellung der rechtsstaatlichen Ordnung gefordert worden wäre - so blieben es nur Wider-Worte für Eingeweihte; für oberflächliche und durch die ganze inszenierte Stimmung voreingenommene Zuhörer konnten sie durch den Gleichklang der nostalgisch-nationalen Passagen und der gewohnten kulturprotestantischen Ressentiments 166 mit dem regierungsamtlich verordneten Festjubel des Tages leicht überhört werden. Den Möglichkeiten und der Einsicht des Predigers waren hier durch den Rahmen dieser Festtags-Predigt offensichtlich Grenzen gesetzt. Es ist schon beinahe zum Standard des zeitgeschichtlichen Urteils geworden, gleichsam im Vorübergehen und mit dem Beleg nur eines einzigen Zitats - lediglich die national-nostalgische Seite der Predigt hervorzukehren 167 und ihrem Verfasser eine nationalistisch angepasste oder faschistoide 168 Predigt vorzuhalten,
1 6 5 N u r unter Berücksichtigung dieses inkongruenten und auch inkonsequenten Mischungsverhältnisses wird man diese Predigt sach- und situtionsgerecht beurteilen können, so wie dies z.B. А. ThMME vorsichtig andeutet: „vielleicht war diese Predigt eine Mischung von Wunschtraum, Warnung und Beschwörung zugleich" (A. THMME, Flucht, 1969, S.63). 1 6 6 Dibelius zieht hier in bekannter Manier gegen den Geist des seelenlosen Materialismus und den Typus des mechanisierten Menschen zu Felde (vgl. S.53f.). 1 6 7 So z.B. A. LlNDT, Totalitarismus, 1981, S.134, oder das Urteil von K. SCHOLDER (DERS., Dibelius, 1986, Sp.44): „Obwohl der nationalkonservative D. in seiner Predigt zur Eröffnung des Reichstags am 21.3. die neue Regierung Hitler begrüßt hatte, wurde er im Juni seines Amtes enthoben". Noch plakativer formulierte H . WINKLER neuerdings: „Am 21. März 1933, dem berüchtigten ,Tag von Potsdam', gab (Dibelius) in Anwesenheit des Reichspräsidenten von HlNDENBURG dem ,Dritten Reich' in der Nikolaikirche den kirchlichen Segen" (H. WINKLER, Dibelius, 1995, S.8). 1 6 8 In einer kritischen Erwiderung auf die „politische" Kirchengeschichtsschreibung von H. PROLINGHEUER gesteht W. SCHWEITZER seinem Kontrahenten zu, bei den deutschnational eingestellten Christen klinge „vor allem am Anfang ...manches in der Tat faschistisch - so etwa die Predigt des Generalsuperintendenten Otto Dibelius in der Nikolaikirche in Potsdam am 21. März 1933". Mit gutem Grund rückt SCHWEITZER dann aber das einseitig gezeichnete Geschichtsbild von PROLINGHEUER besonders auch im Blick auf Dibelius zurecht: „Daß traditionell deutschnationale Kirchenführer zum Protest gegen die Vergewaltigung der Kirche fähig wurden, ist das Erstaunliche der Jahre 1933 und 1934. ...Wie ist das zu erklären? Hier muß endlich mit Nachdruck theologisch geredet werden...: Das Wort Gottes erwies tatsächlich in den einsetzenden Konflikten seine erstaunliche Kraft: Es machte frei von falscher Knechtschaft, es verband Menschen untereinander zu unbedingtem Vertrauen (das freilich auch manchmal enttäuscht wurde). Da wurde sehr schnell deutlich, daß man die Gleichschaltung der Kirche nicht hinnehmen durfte" (W. SCHWEITZER, Legenden, 1988, Zitate auf den Seiten 259-261). Zur Aus-
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
w ä h r e n d d a b e i d e r e r s t e c h r i s t o l o g i s c h e u n d i d e o l o g i e k r i t i s c h e T e i l v ö l l i g ausgeblendet w i r d : Dibelius habe m i t seiner Predigt d e m Nationalsozialismus
theo-
l o g i s c h e S t e i g b ü g e l h a l t e r d i e n s t e e r w i e s e n , e r h a b e d a m i t allen v e r g a n g e n e n u n d z u k ü n f t i g e n U n t a t e n e i n e n B l a n k o s c h e c k ausgestellt u n d i h n e n d e n k i r c h l i c h e n Segen169 gegeben. Dieses Urteil hält aber der Ü b e r p r ü f u n g der Predigt an i h r e m W o r t l a u t u n d in i h r e m hermeneutischen u n d homiletischen
Gesamtzusammen-
h a n g n i c h t s t a n d . D e n n die e i n s c h r ä n k e n d e n „ A b e r " - S ä t z e des e k k l e s i o l o g i s c h e n V o r b e h a l t s stehen da u n d sind n i c h t u n g e h ö r t geblieben. J e n e ü b l i c h g e w o r d e n e K r i t i k greift a b e r a u c h in i h r e m e i n s e i t i g e n W a h r h e i t s gehalt z u kurz: D a s eigentlich B e k l e m m e n d e u n d Fatale in der Predigt a m „Tag v o n P o t s d a m " besteht nicht n u r in ihren national getönten W e n d u n g e n , s o n d e r n i n e i n e r staats- u n d r e c h t s p o l i t i s c h h ö c h s t b e d e n k l i c h e n K o n z e s s i o n , d i e D i b e l i u s m i t e i n e r n i c h t u n b e t r ä c h t l i c h e n M a j o r i t ä t in P o l i t i k , K i r c h e u n d
Gesellschaft
t e i l t e . E r k o n n t e es v o n d e r K a n z e l h e r a b f ü r t o l e r a b e l h a l t e n , dass d e r p o l i t i s c h e n U n o r d n u n g ( w a s i m m e r das sein m a g ) i n e i n e r Ü b e r g a n g s z e i t 1 7 0
durch
einandersetzung mit PROLINGHEUER vgl. auch die scharfsinnige Miszelle von A. SIEMENS, Prolingheuer, 1988, und P. MASER, Kirchenkampf, 1992, S.12f. 1 6 9 In extremer Weise verfährt so - unter Weglassung der „Aber"-Sätze in Dibelius' Predigt die DDR-„Dokumentation" ,Hier spricht Dibelius' (1960): Es ist „selbstverständlich, daß Dibelius am ,Tag von Potsdam' das Naziregime und seinen Terror segnet". (S.73) „Otto Dibelius segnete HITLER. O t t o Dibelius war ein aktiver Anhänger des Hitlerregimes und propagierte den Nazismus." (S.100) Die „Dokumentation" folgt hier der schon jahrelangen regierungsamtlichen DDR-Version, dass Dibelius sich mit seiner Predigt „schützend vor den Naziterror gestellt" habe. O t t o GROTEWOHL, der Ministerpräsident der D D R , rechnete Dibelius zu jenen hohen Kirchenführern, „die stets die Herrschaft der Monopolisten und Junker verteidigt haben, die den Terror im Nazireich guthießen und die Waffen zu HlTLERs Raubkrieg segneten" (GROTEWOHL am 21.7.1950, in: D R A FRANKFURT, Band-Nr. 63 U 3018/20). - Nicht anders geht H . PROLINGHEUER in seiner Zitationsweise und Interpretation dieser Predigt vor, so dass am Ende sein Resümee plausibel erscheint: Dibelius habe der „Mordbrennerei der HlTLER-Faschisten...auch noch die christliche Würde" verliehen (H. PROLINGHEUER, Irre, 1987, S.98) und: „Allein Freude und Dankbarkeit beseelten die Christenheit in Deutschland!" (H. PROLINGHEUER, Kirchengeschichte, 1985, S.54; die zitierte Predigtpassage mit den entsprechenden Auslassungen der wichtigen Aber-Sätze, in: EBD., S.53, und in: OERS., Irre, 1987, S.98; vgl. auch DERS., Fall, 1984, S.2, Anm.7). Mit der Berufung auf PROLINGHEUER zitiert und urteilt ebenso einseitig auch M. LÖTZ (Kirche, 1992, S.46). 170 " W e n n e s auch in der Weimarer Regierungszeit zwischen 1920 und 1923 schon vier „Ermächtigungsgesetze" (vgl. H . SCHULZE, Weimar, 1982, S.287) gab, dachte Dibelius mit dieser Ubergangszeit und diesem Durchgangsstadium sicherlich an die unmittelbar vorher erlassenen Notverordnungen vom 28. Februar, von denen man glaubte, dass sie zwar den Höhepunkt, aber gleichzeitig auch das Ende der schon seit 1930 geübten Notverordnungspraxis auf Grund des Artikels 48 der Weimarer Reichsverfassung darstellten. - Vorbereitet war diese Ansicht in einem Artikel von Dibelius in der ,Kreuzzeitung', in dem er zunächst erklärte: „Unversöhnlich steht christlicher Glaube einem Staatsideal entgegen, das einem Teil des Volkes die Befugnis überträgt, den anderen auszurotten oder zu knechten. Nicht minder unversöhnlich steht christlicher Glaube gegen alle Versuche, die Macht im Staat zu Vorrechten für einzelne Volksteile auszunutzen." Lediglich eine zeitlich befristete Konzession meinte Dibelius diktatorischen Maßnahmen machen zu können, wenn er fortfährt: „So etwas kann einmal das unvermeidliche Durchgangsstadium der Entwicklung sein. ...Aber das Ziel muß unverändert bleiben: der Staat dient der Nation. U n d die Macht im Staat muß Dienst an der Gesamtheit sein!" (Staat, christlicher Glaube und Freiheit, in: K r Z v. 9.3.1933).
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Übergangsmaßnahmen, durch zeitweises Unrecht und auch durch weitreichende Ausnahmeregelungen, durch die zeitweise Einschränkung oder Aussetzung von Grundrechten begegnet werden dürfe. „Gerechtigkeit", „Barmherzigkeit" und „Liebe" seien dann wieder zu üben und in Kraft zu setzen, „sobald die Ordnung wiederhergestellt" ist. Diese Auffassung entwickelt Dibelius unabhängig von der Situation des „Tages von Potsdam"; er greift vielmehr hier auf eine Anschauung zurück, die er schon in der Reichs- und Preußenkrise des Jahres 1932 publiziert hatte, in einer Zeit also, in der er eher mit einem kommunistischen Putschversuch als einer nationalen Erhebung gerechnet hatte. Er betonte dabei, dass der Christ der Obrigkeit Gehorsam schuldig sei, ganz „gleichgültig, ob sie gut oder schlecht ist, ob sie aus Christen oder Juden oder Heiden besteht! Das ist fester evangelischer Grundsatz! O b diese Obrigkeit vom Volke gewählt oder von einem Fürsten gesetzt ist oder sich selber zur Obrigkeit aufgeworfen hat, das macht keinen Unterschied. Daß eine Obrigkeit ihre .Legitimität' zu erweisen habe, ist ein katholisch-englischer, kein lutherischer Gedanke. Revolutionäre Machthaber werden Obrigkeit im evangelischen Sinne, wenn ihre Macht gefestigt ist und gesetzliche Zustände wiederhergestellt sind. Vielleicht schlechte Obrigkeit, aber doch Obrigkeit." 171 Die Obrigkeit hat also keine menschliche Legitimität, sie begründet ihre Machtausübung nicht auf einen demokratischen, monarchischen oder autonomen Auftrag, sondern sie erweist ihre Legitimität gleichsam in Gottunmittelbarkeit dadurch, dass sie gesetzliche Zustände und verlässliches Recht (wieder-)herstellt. Weniger um des Weges dorthin, sondern um dieses Zieles willen, so fügt Dibelius hinzu, bedarf es des mahnenden Wortes der christlichen Wahrheit: „Dieser Obrigkeit soll der Christ in Gottes Namen die Wahrheit sagen. Die evangelische Christenheit besteht nicht aus ,stummen Hunden', die wegen ,beschränkten Untertanenverstandes' den Mund zu halten und zu gehorchen hätten. Nein. Die Christen sollen der Obrigkeit in Gottes Namen die Wahrheit sagen. Aber sie sollen ihr nicht gewaltsam widerstreben. Wo Obrigkeit ist, da ist Autorität. Und diese Autorität kommt nicht vom Volk, sondern von Gott." Aber wieder schwankend in der Aussage und vertrauensselig im Blick darauf, dass ja mit dem gerade 85 Jahre alt gewordenen v. HlNDENBURG eine „christliche" Persönlichkeit an der Spitze des Staates stehe, kann dann Dibelius sagen: „Verfassungsbruch zugunsten einer Richtung oder einer Partei ist mit evangelischem Glauben unvereinbar. Wohl aber kann die Stunde kommen, in der um der Gesamtheit des Volkes willen ein Notstand beseitigt werden muß, ohne daß der Buchstabe des Gesetzes beobachtet werden kann. ... Zu solchem Notdienst der Obrigkeit gehört höchstes Verantwortungsgefühl und strengste Unparteilichkeit." Einerseits postuliert Dibelius hier ein „ius divinum", andererseits gesteht er der Obrigkeit zu, dass sie sich in einem Notstand auch durch Gewaltmaßnahmen und Rechtsbruch mit dem Ziel der Wiederherstellung der Ordnung legitimieren könne: „Die evangelische Kirche kann sich an Entscheidungen dieser Art nicht 171
SoSp. v. 2.10.1932; die folgenden Zitate EBD.
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b e t e i l i g e n . W o h l a b e r d a r f sie M ä n n e r n , die in A u s ü b u n g e i n e s v e r a n t w o r t u n g s v o l l e n A m t e s diese s c h w e r e n E n t s c h e i d u n g e n t r e f f e n , das g u t e G e w i s s e n g e b e n w i e die E n t s c h e i d u n g e n a u c h ausfallen m ö g e n . " 1 7 2 Seit 1 9 3 0 w a r m a n a n das R e g i e r e n u n d R e g i e r t w e r d e n ü b e r p r ä s i d i a l e N o t v e r o r d n u n g e n leidlich u n d leidvoll „ g e w ö h n t " 1 7 3 ; n u n w a r m a n
offensichtlich
b l i n d u n d u n e m p f i n d s a m g e w o r d e n f ü r das u n v e r g l e i c h l i c h g r o ß e A u s m a ß v o n d i k t a t o r i s c h e n M a c h t b e f u g n i s s e n , die die N o t v e r o r d n u n g e n H l T L E R s
beinhalte-
t e n . W a s seit 1 9 3 0 d e r Stabilität des o h n e h i n n i c h t g e l i e b t e n S y s t e m s u n d d e r H a n d l u n g s f ä h i g k e i t d e r R e g i e r u n g d i e n e n sollte, w u r d e j e t z t n i c h t m e h r e r k a n n t als das, w o z u es g e w o r d e n w a r : die N o t v e r o r d n u n g e n w u r d e n z u m l e g a l i s t i s c h e n Mantel, der über den staatsstreichartigen Angriff auf D e m o k r a t i e , M e n s c h e n r e c h t e u n d V e r f a s s u n g gelegt w u r d e . D e n n R e c h t u n d O r d n u n g s i n d n i e u n d n i r g e n d s d u r c h U n r e c h t , d.h. auch nicht d u r c h eine zeitweise A u s s e t z u n g v o n G r u n d r e c h ten
(wiederherzustellen.
Auch
einen
in
einem
dium"174
d a r f es n i c h t
rechtsfreien
rium175 -
zur Rechten wie zur Linken! -
,,unvermeidliche(n) Raum
geben.
Ein
Durchgangsstasolches
Morato-
b i r g t , w i e die G e s c h i c h t e z e i g t ,
den
1 7 2 Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Sonntagsartikel vom 2.10.1933 warnte die .Vossische Zeitung' davor, dass sich die Kirche in eine bedenkliche Nähe zu dem prominenten und umstrittenen Staatsrechtler Carl SCHMITT begebe, dessen Buch „Legalität und Legitimität" (1932) den Jungkonservativen und den Nationalsozialisten als Begründung ihrer Staats- und Rechtsauffassung diente: „Das sind die Gedankengänge des Juristen der Legitimität', Carl SCHMITT, in die Sprache der Kirche übersetzt. Das Kirchenvolk wird sich mit dieser These seines Führers auseinandersetzen müssen." (Wo steht die Kirche?, in: V Z v. 7.10.1932; vgl. PrBl 65, 1932, Sp.666) - Trotz dieser Bedenken bekräftigte Dibelius seine Auffassung auch während der Preußenkrise des Jahres 1932 und votierte für ein Rechts-Moratorium als ultima ratio: „Nach evangelischer Auffassung... hat die Obrigkeit Recht und Pflicht, in einem Augenblick der N o t dasjenige zu tun, was um des Volkes willen getan werden muß, auch wenn der Buchstabe des Rechts dabei einmal nicht beobachtet werden kann." Aber auch hier fügt Dibelius hinzu: „Auch die Obrigkeit... darf sich zu einem solchen Schritt nur entschließen, wenn die Möglichkeiten des Rechts erschöpft sind. Denn daß der Staat ein Rechtsstaat bleibt, ist ein Anliegen von höchster sittlicher Bedeutung" (SoSp. v. 30.10.1932). 1 7 3 Bis 1924 hatte Reichspräsident EBERT bereits 134 Notverordnungen auf Grund des Artikels 48 erlassen: „wie ohne sie die Republik ihre frühen Krisenjahre hätte überleben sollen, ist schwer zu sehen; und für die Zeit ab 1930 gilt das erst recht" (Chr. Graf v. KROCKOW, Die Deutschen, 1992, S.135). 1 7 4 „Staat, christlicher Glaube und Freiheit" (KrZ v. 9.3.1933). 1 7 5 Auch noch nach dem für den 1. April von den Nationalsozialisten angeordneten JudenBoykott suchte Dibelius das Ausland mit eben diesem Moratorium zu beschwichtigen: Die christliche Kirche „hat den dringenden Wunsch, daß bald die Stunde schlagen möchte, in der die Gewalt nicht mehr nötig ist, sondern eine neugefestigte Ordnung im Staatsleben Raum läßt für Liebe und Gerechtigkeit." (Bericht über Dibelius' Rundfunkbotschaft an die Christen des Auslandes v. 3.4.1933: Evangelischer Appell an Amerika, in: R B o . v. 6.4.1933) - Am 25. Juni 1933 wird K. BARTH in seiner Streitschrift ,Theologische Existenz heute!' schreiben und schon den Anfängen wehren: „Darum kann die Kirche, kann die Theologie auch im totalen Staat keinen Winterschlaf antreten, kein Moratorium und auch keine Gleichschaltung sich gefallen lassen. Sie ist die naturgemäße Grenze jedes, auch des totalen Staates." (K. BARTH, Existenz [1933], 1984, S.86) Im Blick auf die geistliche, politische und gesellschaftliche Gleichschaltung der Kirche war Dibelius hellwach, im Blick auf das Moratorium von Grundrechten befand er sich zum Zeitpunkt des „Tages von Potsdam" noch in einem Dämmerschlaf.
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Hang, ja den Zwang in sich zu seiner eigenen Verlängerung bzw. Verewigung. Grundrechte ertragen kein Ausnahmerecht! Diese kapitale Fehleinschätzung176, die durch eine immer noch wohlwollende Affinität zu der „nationalen Erhebung" gefördert wurde, bestand also in der Anschauung, dass staatlicher Terror und diktatorische Gewalt nur vorübergehende und deshalb hinzunehmende Erscheinungen seien. In diesem folgenschweren Grundirrtum war Dibelius nicht nur im Bann dieses „Tages von Potsdam" zusammen mit vielen anderen gefangen. Dennoch hat Dibelius keinen Zweifel daran gelassen, dass die Wiederherstellung von Recht und Ordnung, Gerechtigkeit und Liebe von diesem Staat und von dieser Regierung zu erwarten sind, wenn anders Kirche und Volk ein positives Verhältnis zu dieser Obrigkeit gewinnen sollten. Der Zauderrhythmus und das Schaukelspiel des durchgängigen „Ja - Aber" erscheinen in der besonderen homiletischen Situation des „Tages von Potsdam" taktisch motiviert zu sein. Diese Ambivalenz resultiert bei Dibelius aber aus der sachlichen Inkongruenz zwischen seinen nationalen, staats- und rechtspolitischen Optionen auf der einen Seite und der eigenständig-theologischen Grundlegung und ekklesiologischen Entfaltung seiner Predigtaussagen auf der anderen Seite. Er stellt damit sein nationales Pflichtgefühl und seine ekklesiologische Neuentdeckung als polare Gegensätze unverbunden und im Grunde unvereinbar nebeneinander, die auch nicht dialektisch miteinander zu vermitteln sind. Wenn Dibelius die aus der Sorge geborenen eindrücklichen und eindringlichen Anregungen von HEUSS und BARTH nicht in der wünschenswerten Deutlichkeit aufgenommen hatte, so sind gerade die Ambivalenz, die sachliche Inkongruenz und die innere Unstimmigkeit ein Ausweis dafür, dass es sich der Prediger nicht gerade einfach mit seiner Aufgabe gemacht hat. Insofern waren seine Ausführungen dennoch eine standhafte Predigt, in der nicht alles glatt aufgeht und die dem fast unbezwingbar scheinenden Sog nationaler Gefühle nur teilweise nachgegeben und sich ihm nicht einfach stromlinienförmig und ohne Widerhaken angepasst hat177. Sie hatte es vermocht, Signale auszusenden, die verstanden wurden - auch von denen, die es anging178. 1 7 6 Zu dieser Fehleinschätzung trug das auch von Dibelius vertretene und bis in das Ausland verbreitete Argument bei, dass - im Gegensatz zu dem gewaltsamen Umsturz im Jahr 1918 Hitler und der Nationalsozialismus „auf streng legalem Wege" an die Macht gekommen sei (Evangelischer Appell an Amerika, in: RBo. v. 6.4.1933). 1 7 7 Freilich wird man entschieden dem überzogenen Urteil von W. KOCH widersprechen müssen, wonach die Predigt, die „in einem so mahnenden Ton gehalten" worden sei, „das erste Zeichen eines Widerstandes (gewesen ist), den wir aus den Reihen der Amtskirche zu sehen bekommen" (W. KOCH, Sollen wir K., 1982, S.59). 1 7 8 Dibelius berichtet in seiner Autobiographie: „Die Nationalsozialisten sahen mich feindselig an." (Christ, 1961, S.172). Propst Walther BORRMANN erinnerte sich an den „Tag von Potsdam", bei dem er die Predigt in der Nikolaikirche selbst gehört hatte: „Beim Hinausgehen traf ich mit einem Kameraden aus dem ersten Weltkrieg zusammen, der jetzt SA-Uniform trug. Nach der Begrüßung gab er seinem Unwillen über die Predigt mit folgenden Worten Ausdruck: .Dafür haben wir nicht vierzehn Jahre gekämpft, um uns von dem Mann solche Grobheiten sagen zu
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Eine Bestätigung dieser Einschätzung findet sich in der unmittelbaren und dann auch weiterreichenden Wirkungsgeschichte dieser Predigt. Bereits am folgenden Sonntag Laetare (26. März) zitierte der württembergische Pfarrer Hermann U M F R I D - ein Sohn des Stuttgarter Pfarrers Otto U M F R I D , der sich als Pazifist einen Namen gemacht hatte179 - im Gottesdienst jene Passage aus der Predigt von Dibelius, in der dieser formulierte: „Staatliches Amt darf sich nicht mit persönlicher Willkür vermengen." UMFRID kommentierte damit die Vorgänge, die sich am Tag zuvor in seiner fränkisch-hohenlohischen Gemeinde Niederstetten und in Creglingen zugetragen hatten: SA-Leute verhafteten Juden aus der Synagoge heraus und misshandelten sie im Rathaus, wobei zwei Juden zu Tode kamen. Mit Berufung auf die Dibelius-Predigt, allerdings auch mit einem Hinweis auf Äußerungen des neuen Reichskanzlers, verteidigte UMFRID die Rechtsstaatlichkeit des staatlichen Gewaltmonopols und verurteilte den Judenpogrom des Vortages: „Denn Strafen und Macht brauchen darf nur die Obrigkeit, und alle Obrigkeit hat über sich die Obrigkeit Gottes und darf Strafe nur handhaben gegen die Bösen und nur, wenn gerechtes Gericht gesprochen ist. Was gestern in unserer Stadt geschah, das war nicht recht. Helfet alle, daß der Ehrenschild des deutschen Volkes blank sei!"180 Diejenigen, die am „Tag von Potsdam" von dem Festprediger eine Rede mit ungebremstem nationalen Pathos und vorbehaltloser kirchlicher Zustimmung zum Werk der „nationalen Erhebung" erwartet hatten, mussten enttäuscht sein. Dibelius hatte sich der symbolträchtigen Dramaturgie und Szenerie dieses Tages in theologischer Grundsätzlichkeit und mit dem ekklesiologischen Vorbehalt 181 entgegengestellt. 2.4.4 Die Agitation gegen Dibelius Erst sechs Wochen nach dem „Tag von Potsdam" haben die inzwischen zur kirchlichen Vorausabteilung der HlTLER-Riege avancierten „Deutschen Christen" mit deutlichen Worten zu erkennen gegeben, dass man jene Predigt des Generalsuperintendenten nicht vergessen, dass man vielmehr sehr wohl verstanden habe, was bzw. wer mit dieser gottesdienstlichen Ansprache gemeint gewesen sei. Im lassen. Das wird der Mann noch zu spüren b e k o m m e n ' " (Leserzuschrift in: Die Welt v. 17.4.1963). 1 7 9 Otto UMFRID (1857-1920) wurde 1914 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen; der Ausbruch des Weltkrieges verhinderte allerdings die Verleihung dieser Auszeichnung. 1 8 0 Das Manuskript der Predigt hat Kirchenrat Prof. Dr. Karl RENNSTICH, Bad Urach, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. - UMFRID war auf Grund dieser Predigt schlimmen Repressalien und sogar Misshandlungen von Schlägertrupps der N S D A P ausgesetzt. Die Stuttgarter Kirchenleitung reagierte überhaupt nicht und überließ den unbequemen und sensiblen Dorfpfarrer dem braunen Terror. Er war „den handgreiflichen und anhaltenden Anfeindungen nicht endlos gewachsen. In einer Verzweiflungstat, am 21. Januar 1934, setzt(e) er, von den Nazis in den T o d getrieben, seinem Leben ein Ende" (Chr. MAUCH / T. BRENNER, Welt, 1987, S.148). 1 8 1 Für die theologische Grundsätzlichkeit steht der erste Teil der Predigt, in dem Dibelius die Ideologiekritik der Kirche christologisch begründet; für den ekklesiologischen Vorbehalt stehen die adversativen „Aber"-Sätze im zweiten Teil.
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DC-Sonntagsblatt ,Evangelium im Dritten Reich' wurde der Vorwurf erhoben, Dibelius habe in seiner Festpredigt „in taktloser Weise" die Warnung ausgesprochen: „Staatliches Amt darf sich nicht mit persönlicher Willkür vermengen.'" Eindeutig müsse daraus gefolgert werden: „Das ging an die Adresse der Regierung Adolf HITLER, die wie keine sich ihrer heiligen Verantwortung bewußt ist. Seine wahre Gesinnung (d.h.: die von Dibelius) blieb begreiflicherweise in dieser Feierstunde mit einem leichten Schleier verhüllt." 182 Um aber die „wahre Gesinnung" des Festpredigers zu entlarven und ihm den „leichten Schleier" vom Gesicht zu ziehen, hatte man sich schon vor dem „Tag von Potsdam" und erst recht danach andere Belegstellen aus dem vielfältigen Schrifttum des Generalsuperintendenten vorgenommen. Die inkriminierte Predigt-Aussage konnte man jetzt als Parteinahme für die zuvor verfolgten und unterdrückten Sozialdemokraten verstehen; denn schon der Wahlaufruf der W o chenschau' vom 5. März wurde fälschlicherweise bereits als Wahlwerbung für die SPD 183 verstanden. Jetzt sah man diese „Wahlempfehlung" im Licht der verweigerten Zustimmung der Linksparteien zum „Ermächtigungsgesetz". Nachdem der evangelische Festprediger für den „Tag von Potsdam" öffentlich bekanntgegeben war, nahm man den Wahlaufruf vom 5. März zum Anlass, Dibelius schon im Voraus in die vaterlandsfeindliche Ecke zu stellen. An dieser Platzanweisung konnte auch die Predigt am 21. März nichts mehr ändern, ja sie scheint diese Standortbestimmung auf der gegnerischen Seite nicht nur bestätigt, sondern sogar noch verstärkt zu haben. Der .Märkische Adler' verkündete am 19. März „ein Kuriosum, das nicht verloren gehen darf", mit der Frage: „wie kommt Dr. Dibelius dazu, dem treuen Kirchenvolk nun auch noch die Sozialdemokraten zu empfehlen?...- difficile est, satiram non scribere, Herr Dr. Dibelius! ... Nein, Herr Generalsuperintendent, das machen wir Deutschen Christen nicht mit - diesen Geist verschwommener Überparteilichkeit werden wir aus der evangelischen Kirche zu entfernen wissen, mit allen Mitteln werden wir ihn bekämpfen als einen Geist, der der Widergeist von D. Martin LUTHERS heldenhaftem Kämpfergeist ist. ... Wer dem evangelischen Kirchenvolke das Bekenntnis zur Sozialdemokratie freigibt, bringt Verwirrung und Unklarheit in die deutsche evangelische Kampffront, der Gottesglaube und Hingabe an das Volkstum aus einer Wurzel wachsen." 184 Der Herausgeber des antisemitisch und antikatholisch eingestellten ,Fridericus', F. C. HOLTZ, sekundierte diesen Angriff und machte ebenfalls mit Empö1 8 2 Pfarrer MEYER (Frankfurt a.M.), Gegen das alte System in der Kirche. Evangelische Kirchenbehörden und theologische Fakultäten als Eingangstor des Marxismus (EvDrR. v. 7.5.1933, S.168). Dort wird weiter berichtet, ein Sonntagsblattleser habe Dibelius um eine Würdigung des Werkes von Adolf HITLER gebeten und folgendes zur Antwort erhalten: „Wir wollen die Augen davor nicht verschließen, daß die politischen Kämpfe sich in einer sehr argen Welt abspielen und daß die Donneraxt Gottes alle in einem Haufen schlägt, die offenbaren Sünder und die falschen Heiligen, die Nazis und die Sozis, BISMARCK und MARX, HITLER und THÄLMANN" (EBD., S.168f.). 183 184
Vgl. dazu oben S.385ff. Der Märkische Adler v. 19.3.1933 (Beilage).
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rung darauf aufmerksam, dass Dibelius die Sozialdemokraten zu den Parteigruppierungen gerechnet habe, die für einen evangelischen Christen wählbar seien: „Das ist ja sonderbar! Ein evangelischer Pfarrer mutet in einem evangelischen Blatt evangelischen Christen zu, die Sozialdemokraten, mit denen die jüdische Staatspartei zusammengeht, zu wählen. ...Wenn Herr Dr. Dibelius schon zu parteipolitischer Angelegenheit das Wort nehmen will, dann sollte er seinen Lesern sagen, daß evangelische Christen ... mit dem Marxismus in keiner Form irgend etwas zu tun haben wollen..."185 Die nationalen Töne, die Dibelius in seiner Predigt am 21. März auch anklingen ließ, verhinderten nicht, dass jetzt erst recht ein Kesseltreiben gegen ihn angezettelt wurde. Der „Geist verschwommener Überparteilichkeit"186 wirkte damals noch aufreizender als jede offene und eindeutige Gegnerschaft, mit der man schon fertig zu werden begonnen hatte. Unmittelbar nach dem „Tag von Potsdam" nimmt deshalb der zum DC-Leitungskreis gehörende Pfarrer A. F R E I T A G nicht die Festpredigt, sondern noch einmal diese ,Wochenschau' des Generalsuperintendenten aufs Korn unter der Parole: „Endlich Schluß mit der zwiespältigen Haltung der Kirche gegenüber der nationalen Erhebung!" 187 Nur eine Woche nach dem „Tag von Potsdam" wurde dem E O K eine Beschwerde der Gemeindekörperschaften der Kirche von St. Georg in Frankfurt/ O. zugeleitet, in der nahezu einstimmig der Wahlartikel von Dibelius missbilligt wurde. Es wurde Klage darüber geführt, dass Dibelius in seinem Wahlaufruf „auch die religions- und kirchenfeindliche Sozialdemokratie aufzählt und die evangelische Christenheit, wenn auch etwas versteckt, so doch ganz eindeutig, aufforderte, diesen Parteien, also auch der Sozialdemokratie, ihre Stimmen ... zu geben"; er habe damit „allen Bestrebungen der Reichsregierung und dem hervorragenden Kampfe des Reichskanzlers um Ausrottung des Marxismus bewußt" entgegengearbeitet. Die knappe Mehrheit der Gemeindevertreter forderte sodann mit einer zusätzlichen Entschließung, daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen: „Wir halten das Verbleiben des Generalsuperintendenten Dr. Dibelius in seinem Amt für ganz unmöglich, da er sich als ein Schädling der nationalen Erhebung und auch der evangelischen Christenheit zu erkennen gegeben hat. Wir bitten, gegen ihn das Disziplinarverfahren mit dem Ziele auf Dienstentlassung einzuleiten."188 Fridericus N r . l l / M ä r z 1933, S.9. Der Märkische Adler 19.3.1933 (Beilage). 1 8 7 EvDrR. v. 26.3.1933, S.104f. und v. 2.4.1933, S.117. 1 8 8 Entschließung vom 28.3.1933. Das Schreiben v. 29.3.1933 wurde auch dem preußischen Staatsministerium und dem Kultusministerium zur Kenntnis gegeben (EZA BERLIN, 7/12149). Der E O K behandelte die Beschwerde nicht inhaltlich, sondern nur formaljuristisch und wies sie ab, da die Eingabe „weder formell" der Kirchenverfassung entspreche, „noch sachlich zur Zuständigkeit der Gemeindekörperschaften" gehöre ( E O K v. 6.5.1933, in: EBD.). In gleicher Weise wurde auch Staatssekretär TRENDELENBURG auf dessen Anfrage beim E O K v. 26.4.1933 (EBD.) beschieden. - Auch schon diese .Wochenschau' vom 5.3.1933 - und nicht nur der Rundbrief vom 8.3.1933 (gegen K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.297) - erregte den Zorn der Nationalsozialisten, weil Dibelius dort feststellte, dass die Kirche sich „niemals" mit einer Partei oder „mit einer 185
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Im April wird nun der als vertraulich deklarierte Rundbrief vom 8. März an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt, um das „wahre Gesicht des Generalsuperintendenten Dr. Dibelius" zu entlarven. Es handelte sich also um jenen Rundbrief, den Dibelius auch an BARTH und HEUSS verschickt hatte, um seine eigene, spezifisch „kirchliche" Haltung in der gegenwärtigen Lage zu verdeutlichen. In KUBEs Presseorgan, dem ,Märkischen Adler', wurde der gesamte Rundbrief abgedruckt und mit der redaktionellen Vorbemerkung versehen: „Die Tatsache, daß Dr. Dibelius den Eröffnungsgottesdienst für den neuen Reichstag gehalten hat, erregt Stürme der Entrüstung in der nationalsozialistischen Bevölkerung. Wer ist Dr. Dibelius? Generalsuperintendent der Kurmark! In dieser Eigenschaft versandte er unter dem 8. März 1933 folgende unerhörte Schmähschrift gegen die Nationalsozialisten. Der offenherzige geistliche Hüter des evangelischen Preußen schreibt darüber: ,Vertraulich! Nr.l, 1933'189. Wahrscheinlich hat dieser loyale Seelenhüter noch weitere Stilübungen derselben Art vor."190
politischen Bewegung gleichsetzen" könne, dass also nicht nur eine einzige Partei, sondern unter allen Parteien auch die SPD wählbar sei. Dibelius wurde daraufhin, wie er Th. HEUSS mitteilte, „mit Zuschriften überschüttet: wie ein evangelischer Generalsuperintendent die sozialdemokratische Partei als eine der Parteien nennen könne, zwischen denen sich der evangelische Christ zu entscheiden habe. Und fortwährend bekomme ich Zeitungen zugeschickt, in denen zu lesen steht, daß ich für die sozialdemokratische Partei werbe!" (Dibelius an HEUSS v. 16.3.1933, BA KOBLENZ, NL Heuss). 189 Dibelius reagierte in seinem Rundbrief vom 1.4.1933 auf die gezielte Weitergabe seines Briefes vom 8. März und bezeichnete ein solches Verhalten als „glatte(n) Vertrauensbruch" und „Hochverrat an der Kirche". Mit Berufung auf den Preußischen Pressedienst der NSDAP empfahl darauf die ,Havelländische Rundschau', „daß Herr Dr. Dibelius veranlaßt wird, seine politische Redseligkeit endlich einzustellen und sich den Pflichten zu widmen, für die er aus Staatsmitteln außerordentlich hoch bezahlt wird, nämlich den Pflichten eines Seelsorgers und Seelenhirten" (Havelländische Rundschau v. 4.4.1933). l'Ö „Das wahre Gesicht des Generalsuperintendenten Dr. Dibelius" (Märkischer Adler v. 2.4.1933). - Der Rundbrief brachte die Gegner von Dibelius zusätzlich in Harnisch, weil das Schreiben als „vertraulich" deklariert war und so den Eindruck eines subversiven Dossiers machte - in völliger Unkenntnis der im Grunde harmlosen Tatsache, dass Dibelius schon von Anfang an seine Rundbriefe mit einem schräg gedruckten „Vertraulich!" versah. - Der ,Märkische Adler' ließ in seinen weiteren Ausgaben neben einem Zitat aus dem Friedensbuch von Dibelius, in dem der Schutz der Kirche gegenüber den künftigen Kriegsdienstverweigerern angekündigt wird, noch eine Leserzuschrift zu der „Schmähschrift des Generalsuperintendenten Dr. Dibelius gegen die Nationalsozialisten" folgen: „Wir Nationalsozialisten rufen hier an dieser Stelle dem Herrn Dibelius die Worte ...zu: .Bist du weiter so unvorsichtig, so trittst du als geknickter Mann demnächst die Fahrt ins Blaue an!' Wir lassen unseren Führer nicht schmähen, selbst nicht durch die höchste Geistlichkeit, und wir lassen unsere Toten, die für die Auferstehung unseres geliebten Vaterlandes starben, nicht in den Dreck ziehen." Gegen das, was Dibelius seit zehn Jahren vom Jahrhundert der Kirche" gesagt und geschrieben hat, macht der Schreiber des offenen Briefes Front: „Ihren Widerstand, den Sie uns entgegensetzen wollen, den werden wir brechen... Sie dienen der Kirche und damit dem Staat, dem diese Kirche zugehört, und Sie haben sich der politischen Ordnung dieses Staates zu fügen.... Auch hier muß mit eisernem Besen ausgefegt werden. ...Sie, Herr Dr. Dibelius, tun weder dem Vaterland einen heiligen Dienst, noch ist es Ihre Sorge, daß die Kirche Kirche bleibt. Sie sind einzig und allein vom Machthunger beseelt, der Ihnen schlecht bekommen soll. Noch gibt es Geistliche, die deutsche Christen sind, und unsere Regierung wird diese so tatkräftig stützen, daß Leute Ihres Schlages uns deutschen Christen nicht mehr schaden".
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l i g e n B e r l i n e r H e r r e n h a u s a m 3 . A p r i l i n s z e n i e r t e . K U B E b e t o n t e in s e i n e r R e d e , die a u c h v o m R u n d f u n k v e r b r e i t e t w u r d e , dass e r n i c h t in s e i n e r E i g e n s c h a f t als O b e r p r ä s i d e n t f ü r B e r l i n u n d B r a n d e n b u r g , s o n d e r n als p r e u ß i s c h e r
Fraktions-
f ü h r e r d e r N S D A P s p r e c h e . „Sie d ü r f e n " , s o e r k l ä r t e e r in s e i n e m G r u ß w o r t d e n D e l e g i e r t e n aus d e n d e u t s c h e n G a u e n u n d L ä n d e r n , „die G e w i ß h e i t
entgegen-
n e h m e n , d a ß d i e P r e u ß i s c h e L a n d t a g s f r a k t i o n d e r N S D A P r ü c k s i c h t s l o s m i t all e n i h r z u G e b o t e s t e h e n d e n M i t t e l n des E t a t s r e c h t s u n d d e r d u r c h d e n K i r c h e n v e r t r a g uns gegebenen Personalpolitik der U m s t e l l u n g in u n s e r e m V o l k e auf d e m G e b i e t d e r K i r c h e n p o l i t i k R e c h n u n g t r a g e n w i r d . ( S t ü r m . Beifall) D a r u m w e i s e i c h a n dieser Stelle d e n u n e r h ö r t e n A n g r i f f des G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n
der
Kurmark
Sie,
Dr.
Dibelius gegen unsere B e w e g u n g
zurück.
( S t a r k e r Beifall)
m e i n e F r e u n d e , w e r d e n die 2 1 1 M a n n d e r P r e u ß e n f r a k t i o n als i h r e n S c h u t z u n d als i h r e V o r k ä m p f e r s e h e n bei d e m B e s t r e b e n , die d e u t s c h e R e v o l u t i o n i m S i n n e M a r t i n LUTHERS auch i m 2 0 . J a h r h u n d e r t v o r a n z u t r a g e n . (Stürm. Beifall)"191 W i e s e h r diese D C - T a g u n g i m Z e i c h e n d e r E n t g e g e n s e t z u n g z u d e r a m t s k i r c h l i c h e n G e s t a l t u n g u n d A u s s a g e des „ T a g e s v o n P o t s d a m " 1 9 2 s t a n d , z e i g t ü b e r d i e s
1 9 1 Redeprotokoll (EZA BERLIN, 7/989, pag.16; vgl. Völkischer Beobachter v. 5.4.1933; KrZ V. 5.4.1933; C h W 47, 1933, Sp.357f.; KJ 60/71, 1933-1944, S.13; C. NICOLAISEN, Dokumente I, S.30). - O K o n s R t FRETZDORFF, der als geladener Vertreter des Brandenburgischen Konsistoriums an der Versammlung teilnahm, vermerkte in seinem Bericht: „Die letzten (sc. auf Dibelius bezogenen) Worte sprach er (sc. KUBE) mit besonders erhobener Stimme und löste mit seinen Worten großen Beifall aus" (Bericht an den E O K v. 4.4.1933, in: E Z A BERLIN, 7/989, p a g . l l R ) . Unmittelbar nach der Rede von KUBE musste FRETZDORFF sein vorbereitetes Grußwort an die Versammlung richten. Er hatte aber nicht die Geistesgegenwart, irgendwie auf die massiven Drohungen KUBEs ZU reagieren, da ihm nicht bekannt war (und da es auch nicht aus den Worten KUBEs hervorging), „worin die von Herrn Oberpräsident KUBE angeführten Angriffe des Herrn Generalsuperintendenten D . Dr. Dibelius bestanden haben sollen" (EBD., pag,12R). - Die kurmärkischen Superintendenten haben sich öffentlich gegen die Angriffe KUBEs verwahrt und sich hinter Dibelius gestellt, weil gegen ihn „Vorwürfe(n) aus der Öffentlichkeit" (Berliner Lokalanzeiger v. 7.4.1933) laut geworden waren und obwohl der Nationalsozialistische Preußische Pressedienst' gar von „Hochverrat an der Kirche" sprach (VZ v. 8.4.1933). Dibelius habe sein nationales Wollen bereits im Einsatz „für unsere deutschen Brüder in den abgetretenen Gebieten" unter Beweis gestellt und vertrete „grade auch um der Sache des Vaterlandes willen die volle Selbständigkeit der Kirche" (EBD.). - Die Generalsuperintendenten der A p U haben Dibelius sogar als ihren Vertrauensmann benannt (vgl. T R v. 14.4.1933 und die darauf Bezug nehmende hausinterne vertrauliche Mitteilung des E O K v. 19.4.1933 in: E Z A BERLIN, 7/419, pag.240; C h W 47, 1933, Sp.382). - Nach diesen kirchlichen Solidaritätserklärungen für Dibelius gratulierte der Neuköllner Sup. Max DlESTEL dem Duz-Freund „zur schönen Secundantur des E.O. und der Ephoren der Kurmark" und gab seiner Hoffnung Ausdruck: „Vielleicht ist auch der Kubismus in Potsdam wie in der Kunst bald durch eine neue F o r m des Futurismus überholt. Alles ist im Fluße - wir auch - aber wir halten unser Pulver trocken" (DlESTEL an Dibelius v. 15.4.1933, in: E Z A BERLIN, 2 9 / G e n G 229). Auch Dibelius selbst glaubte fest an den Erweis, „daß die Kirche etwas anderes ist als ein religiöses Propagandainstitut des Staates": „Dieser Wirrwarr der Geister kann nicht andauern! ...Ich habe selbst genug Angriffe erfahren müssen - und bin trotzdem völlig zuversichtlich. D e r Einfluß, der vom Evangelium her ständig auf die Arbeit der Kirche ausgeht, ist doch so stark, daß er über kurz oder lang die Substanz der Kirche wieder zu kraftvoller Geltung bringen muß" (Dibelius an SPRANGER v. 13.5.1933, in: B A KOBLENZ, N L Spranger/159). 1 9 2 Nach Inhalt und Chronologie völlig konfus stellt R. STUPPERICH die Situation dar: „Erst nach fünf Wochen (sc. nach dem ,Tag von Potsdam'), als Dibelius sich in einem seiner Rund-
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Wie sehr diese DC-Tagung im Zeichen der Entgegensetzung zu der amtskirchlichen Gestaltung und Aussage des „Tages von Potsdam" 192 stand, zeigt überdies die Textwahl für die Predigt, die Pfarrer W. HOFF zur Eröffnung der Reichstagung hielt. Auch HOFF wählte - wie Dibelius vor 12 Tagen zur Eröffnung des Reichstages - das Wort aus Rom 8,31: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein!" 193 Sollte dieses Wort bei Dibelius noch unter Wahrung der kirchlichen Selbständigkeit eine einigende nationale Signalwirkung haben, so wurde jetzt dieses Bibelwort im politischen Richtungskampf zu Gunsten der Sache der „Deutschen Christen" eingesetzt. HOFF sprach in seiner Predigt, wohl auch mit Blick auf das von Dibelius vertretene Kirchentum, von der „heilige(n) Rücksichtslosigkeit" „gegen alle Widerstände, die sich dem lebendigen Einswerden von Volk und Kirche entgegenstellen". Und nun wird ein Beispiel dafür gegeben, wie angesichts der politischen Umwälzung über dieses Apostelwort aus dem Römerbrief zu predigen sei: Die „rücksichtslose... Selbsthingabe" von HITLER und seiner SA wird nicht nur bejubelt, sondern mit dem Opfer Christi verglichen und in eins gesetzt, um dann in Siegesgewissheit zu triumphieren: „Bei solchem Geist rücksichtslosen Opfers und Einsatzes unser selbst wird Gott für uns und kann niemand gegen uns sein." 194 Mit dem Frontalangriff des Oberpräsidenten KUBE gegen Dibelius war auch die Absicht ausgesprochen, dass die NSDAP mit dem Hebel der Finanzzuweisungen an die Kirche und mit Hilfe der „politischen Klausel" des preußischen Kirchenvertrags ihre eigene Kirchenpolitik betreiben und durchsetzen werde. Der E O K sah sich deshalb genötigt, umgehend gegen die von KUBE angekündigten Repressalien „nachdrücklichste Verwahrung" 195 einzulegen. Der angedrohte Eingriff des Staates in die kirchliche Sphäre sei „unvereinbar mit der von dem Herrn Reichskanzler in entscheidungsvoller Stunde vor versammeltem Reichstag abgegebenen Erklärung der Reichsregierung, daß die nationale Regierung die mit den beiden christlichen Konfessionen abgeschlossenen Verträge respektieren werde, daß die Rechte der Kirchen unangetastet bleiben sollten und ihre Stellung zum Staat nicht geändert werden würde". Mit dem Hinweis auf Dibelius' vaterländische Haltung, die dieser mit seiner Predigt am „Tag von Potsdam" 196 und mit der Abwehr der ausländischen Greuel1 9 2 Nach Inhalt und Chronologie völlig konfus stellt R . STUPPERICH die Situation dar: „Erst nach fünf Wochen (sc. nach dem ,Tag von Potsdam'), als Dibelius sich in einem seiner Rundbriefe über die erste Tagung der D C äußerte, attackierte ihn der Gauleiter KUBE wütend" (R. STUPPERICH, Kirchenkampf, 1992, S.32). 1 9 3 Vgl. Evang.-Kirchlicher Anzeiger (BES v. 16.4.1933) u. EvDrR. v. 16.4.1933. 1 9 4 Alle Zitate in: EvDrR. v. 16.4.1933, S.141 (Pfarrer FREITAG). 1 9 5 KAPLER an das Kultusministerium v. 5.4.1933 (EZA BERLIN, 7/989, pag.33f. / B A KOBLENZ R 43 Π / 161, fol.l, pag.33-35; die folgenden Zitate EBD.). 1 9 6 Die Predigt wurde also gerade an höchster kirchlicher Stelle anders gehört oder gelesen als von den Nationalsozialisten oder den „Deutschen Christen"! Allerdings konnte KAPLER auch nichts Anstößiges in Dibelius' Rundbrief vom 8. März finden, so dass er diesen als Anlage beifügte und an den Reichskommissar für das Land Preußen und an die Reichsregierung weiterzuleiten bat.
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p r o p a g a n d a 1 ' 7 u n t e r B e w e i s gestellt h a b e , w e i s t K A P L E R n u n a u c h alle V o r w ü r f e gegen die P e r s o n des Generalsuperintendenten zurück: „Gleichzeitig m ü s s e n w i r u n s e r e m B e d a u e r n d a r ü b e r A u s d r u c k geben, daß die Persönlichkeit des Generalsuperintendenten der K u r m a r k , des Festpredigers unserer K i r c h e anläßlich der R e i c h s t a g s e r ö f f n u n g 1 9 8 in P o t s d a m , a n d e m g l e i c h e n T a g e , a n d e m e r d a z u b e r u fen war, i m Dienst unseres V o l k e s u n d unserer Kirche zur A b w e h r der Greuelp r o p a g a n d a 1 9 9 d u r c h den R u n d f u n k zu unseren G l a u b e n s g e n o s s e n jenseits des O z e a n s zu sprechen, v o n einem der höchstgestellten preußischen Staatsbeamten v o r d e r g a n z e n V e r s a m m l u n g u n d v e r m ö g e des R u n d f u n k s v o r d e r Ö f f e n t l i c h k e i t d e r g a n z e n W e l t i n h e r a b s e t z e n d e r W e i s e a n g e g r i f f e n w o r d e n ist. . . . D e r A n l a ß d i e s e s A n g r i f f s ist v o m R e d n e r n i c h t n ä h e r a n g e d e u t e t ; s o l l t e er i n d e m vertraulichen dienstlichen R u n d s c h r e i b e n des H e r r n Generalsuperintendenten
an
d i e P f a r r e r s e i n e s S p r e n g e i s v o m 8. M ä r z d . J s . z u s u c h e n sein, d a s n u r a u f g r u n d e i n e s g r o b e n V e r t r a u e n s b r u c h s i n d i e Ö f f e n t l i c h k e i t g e l a n g t sein k a n n , s o w ü r d e n w i r erklären m ü s s e n , daß der Inhalt dieses R u n d s c h r e i b e n s den völlig ungew ö h n l i c h e n ö f f e n t l i c h e n A n g r i f f e i n e s h o h e n p r e u ß i s c h e n S t a a t s b e a m t e n a u f ein e n h o h e n W ü r d e n t r ä g e r u n s e r e r K i r c h e i n k e i n e r W e i s e z u e n t s c h u l d i g e n vermöchte." T r o t z dieser hochoffiziellen E n t g e g n u n g w u r d e der K a m p f gegen D i b e l i u s auf u n t e r e r E b e n e u n v e r m i n d e r t f o r t g e s e t z t . K U B E s V o r s t o ß w a r d a s „ S i g n a l z u m allgemeinen Angriff"200. Mit einem Rundschreiben der „Deutschen C h r i s t e n " an die
1 9 7 Dibelius sprach am 3.4.1933, also nach dem von den Nationalsozialisten für den 1. April angeordneten „Judenboykott", zusammen mit dem Methodisten-Bischof NUELSEN über den deutschen Kurzwellensender zu den Glaubensgenossen in Amerika, um sie von einer weiteren „Greuelpropaganda" gegen die Deutschen abzuhalten (vgl. SoSp. v. 26.3.1933, WoSch. v. 9.4.1933 und den Artikel v. 2.5.1933 im ,Theological Magazine' der Evang. Synode von Nordamerika, abgedruckt in: G. HARDER, U m Kirche und Nation, 1935, S.17-20). NUELSEN hatte seine Inspektionsreise durch die Balkanstaaten unterbrochen und überzeugte sich zusammen mit Dibelius bei einem Besuch Ernst THÄLMANNs im Gefängnis von der angeblich korrekten Behandlung der Gefangenen (RBo. v. 6.4.1933: „Wir haben die kommunistischen Führer im Gefängnis besucht. Sie haben uns übereinstimmend gesagt, daß sie durchaus korrekt behandelt würden. An den Schauernachrichten über grausame und blutige Behandlung der Kommunisten in Deutschland ist kein wahres Wort."; vgl. auch K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.341f.). „Auf Veranlassung des Reichswarts der evangelischen Jungmännerbünde D. STANGE hat der Präsident des Weltmissionsrates D. John MOTT, der gegenwärtig in Europa weilt, den Amerikanischen Kirchenbund gewarnt, ohne vorherige Fühlungnahme mit den deutschen Kirchen zu den Vorgängen in Deutschland Stellung zu nehmen." (epd v. 5.4.1933) - Zum Ganzen vgl. auch oben S.61ff. 1 9 8 KAPLER selbst konnte an diesem Gottesdienst nicht teilnehmen, weil er sich „auf einer aus Gesundheitsgründen erforderlich gewordenen Urlaubsreise" befand (handschriftlicher Vermerk auf dem Einladungsschreiben des Potsdamer Nikolai-Gemeindekirchenrats v. 14.3.1933, in: E Z A BERLIN, 7/419, pag.228). 1 9 9 Mit dem doppelten Hinweis auf die Predigt am 21. März und auf seine Beteiligung an der Abwehr der ausländischen „Greuelpropaganda" versuchte sich Dibelius auch später in einem mit umfangreichem Belegmaterial versehenen „Memorandum über die gegen mich betriebene Agitation" gegenüber dem deutsch-christlich beherrschten Oberkirchenrat zu verteidigen (vgl. Dibelius an E O K v. 26.7.1933, in: E Z A BERLIN, 7/11067, Blatt 7). 2 0 0 Dibelius in seinem „Memorandum" an den E O K v. 26.7.1933, S.3 (EBD., Blatt 2). - Während z.B. K. SCHOLDER von dieser DC-Tagung ausführlich berichtet (vgl. K. SCHOLDER, Kir-
Dibelius und die Dialektische Theologie
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K r e i s l e i t e r d e r P r o v i n z w u r d e a n g e o r d n e t , dass m i t H i n w e i s a u f d e n W a h l a u f r u f v o m 5. M ä r z u n d a u f das R u n d s c h r e i b e n v o m 8. M ä r z „in allen
Gemeindekir-
c h e n r ä t e n ein M i ß t r a u e n s a n t r a g g e g e n u n s e r e n G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n gestellt w e r d e n s o l l " 2 0 1 . D i b e l i u s bat seinerseits u m e i n e G e g e n e r k l ä r u n g , m i t d e r d a n n die S u p e r i n t e n d e n t e n d e r K u r m a r k a m 7. A p r i l i h r e m k i r c h l i c h e n F ü h r e r
das
V e r t r a u e n 2 0 2 a u s g e s p r o c h e n h a b e n . G l e i c h z e i t i g s o r g t e D i b e l i u s d a f ü r , dass d i e M i s s d e u t u n g seines W a h l a u f r u f s v o m 5. M ä r z in e i n e m A r t i k e l „ A n die L e s e r d e r W o c h e n s c h a u " 2 0 3 g a n z i m nationalen Sinn wieder richtiggestellt w u r d e . T r o t z aller n a t i o n a l e n B e t e u e r u n g e n u n d a u f w e n d i g e n B e w e i s f ü h r u n g e n Dibelius204 u n d t r o t z der kirchlich-offiziellen u n d öffentlichen
von
Solidaritätsbe-
chen I, 1977, S.273f. u. S.365ff.), lässt R. STUPPERICH in seiner Dibelius-Biographie sie nahezu unerwähnt (R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.639, Anm.19). Gerade aber dieser „SignalCharakter" ist für den Fortgang der Dinge entscheidend, da KUBE hier ganz offen zu erkennen gab, wie man „kirchliche" Interessen mit politischen Druckmitteln durchzusetzen gewillt war. 2 0 1 Sup. GlELEN (Lehnin) an die Amtsbrüder seiner Ephorie v. 11.4.1933 (EZA BERLIN, 50/10). 2 o i Als Flugblatt gedruckt (EZA BERLIN, 50/828; vgl. BES v. 16.4.1933, S.4); vgl. Konsistorium der Mark Brandenburg an E O K v. 3.5.1933 (EZA BERLIN, 7/989, pag,186f.), Berliner Lokalanzeiger v. 7.4.1933 und V Z v. 8.4.1933. Die illoyalen Machenschaften der „Deutschen Christen" trieben auch im Mai noch weitere „Blüten", so dass sich die kurmärkischen Ephoren zu einer neuerlichen Kundgebung (die unverkennbar die Handschrift von Dibelius selbst trägt vgl. Dibelius an KAPLER v. 15.5.1933, in: E Z A BERLIN, 7/989, pag.201) für die „Wiederherstellung der stark gelockerten innerkirchlichen Disziplin" veranlasst sahen: „Es ist ein nicht mehr erträglicher Zustand, daß Gottesdienste von gemeindefremden Pfarrern ohne Fühlungnahme mit dem Pfarramt gehalten werden, daß Mitglieder der kirchlichen Körperschaften Mißtrauensanträge gegen kirchliche Amtsträger einbringen, daß Pfarrer an staatliche Stellen, die in das Leben der Kirche eingreifen, Zustimmungserklärungen senden" (Konsistorium der Mark Brandenburg an E O K v. 17.5.1933, in: EBD., pag.254f.). 203 „An die Leser der Wochenschau" (BES v. 16.4.1933). Der unbefangene Leser der .Wochenschau' vom 5. März hätte schon damals erkennen können, dass Dibelius keineswegs zur Wahl der SPD, sondern innerhalb der von ihm genannten Parteiengruppierungen zur Wahl „christlicher Persönlichkeiten" aufgerufen hatte. Dibelius rückte nun, um sein nationales Renommee zu retten, in bedauerlich eindeutiger und einseitiger Weise von der SPD ab mit dem Hinweis, dass der preußische Spitzenkandidat der SPD, Ministerpräsident BRAUN, ja ein Dissident sei. Bedauerlich ist dieses Abrücken, weil BRAUN zusammen mit dem früheren Innenminister SEVERING einer nationalsozialistischen Hetzjagd ausgesetzt wurde, die dazu führte, dass sich BRAUN panikartig bereits am 4. März, einen Tag vor der Reichstagswahl, in die Schweiz absetzte (vgl. Völkischer Beobachter v. 3.3.1933, v. 4./5.3.1933 und v. 24.3.1933; H . SCHULZE, Braun, 1977, S.785f.); SEVERING wurde am 23. März verhaftet. - Dibelius vermutete, dass Ursprung und Ursache aller Missverständnisse und Missdeutungen ein früherer Satz einer .Wochenschau' sei, in den sich ein kleiner, aber völlig sinnentstellender Druckfehlerteufel eingeschlichen habe. In der .Wochenschau' vom 12.2.1933 war über die Regierung der nationalen Erhebung zu lesen: „Eine Regierung ist da, der eine Welle freudiger und begeisterter Erwartung entgegensteht." Natürlich, so bekräftigte jetzt Dibelius in seiner problematischen Verteidigungsrede, sei gemeint gewesen, dass dieser Regierung eine Welle freudiger und begeisterter Erwartung „entgegenschlägt"! (vgl. An die Leser der Wochenschau, in: BES v. 16.4.1933). 2 0 4 Dibelius beteuerte, dass ein „evangelischer Christ nach unserer immer wieder ausgesprochenen Uberzeugung nicht anders als national sein kann. ... So haben wir immer geschrieben, mehr als ein Jahrzehnt hindurch. Immer kirchlich, nicht parteipolitisch; aber immer bestimmt und fest national." (An die Leser der Wochenschau, in: BES v. 16.4.1933) - So schmerzlich und auch peinlich solche Beteuerungsbekundungen heute wirken, so deutlich muss doch auch ver-
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kundungen konnte die nun einmal in Gang gekommene und sich verselbständigende Eigendynamik der sich formierenden Opposition gegen den kirchlichen Repräsentanten der „alten Zeit" und des „Jahrhunderts der - selbständigen - Kirche" nicht mehr aufgehalten werden. N u r noch lauter wurde das Echo auf solche Beschwichtigungsversuche: „Fort mit Dibelius!" 205 ließ der Reichskulturreferent der G D C , Alfred BlERSCHWALE206, verlauten. Nachdem schon KUBEs .Märkischer Adler' mit einem kurzen Auszug aus dem Friedensbuch von 1930 dessen Autor öffentlich „angeschwärzt" hatte, ergriff nun BlERSCHWALE die Gelegenheit, noch einmal jenen Passus ausführlicher zu zitieren, in dem Dibelius zur Frage der Kriegsdienstverweigerung Stellung genommen hatte. Er stellte ihn damit in die „rote" Ecke; denn nun konnte unschwer der innere Zusammenhang plausibel gemacht werden zwischen den Aussagen, mit denen Dibelius sich damals den Sozialdemokraten freilich nicht ohne kirchenpolitische Absicht - angenähert hatte, und jener .Wochenschau' vom 5. März, in der sich Dibelius mit seiner „Wahlempfehlung" vollends auf die Seite der Sozialdemokratie geschlagen habe. Die Attacke gegen Dibelius geriet sogar zum Angriff gegen die gesamte Kirchenleitung: „An diesen Ausführungen eines der prominentesten Führer der evangelischen Kirche", so schreibt BlERSCHWALE im Blick auf Dibelius' Aussagen zur Kriegsdienstverweigerung, „mag vielleicht die ,Liga für Menschenrechte' ihre helle Freude gehabt haben, wir aber lehnen als bewußt auf dem Boden des Volkstums stehende evangelische Christen derartige Führer ab. Eine Kirchenführung, die bei Kenntnis dieser Ausführungen den Mann auch nur eine Stunde länger im Amte läßt, ist für uns untragbar.... Es ist deshalb das Gebot der Stunde, merkt werden, dass darin nie eine Anerkennung der Führungsposition der N S D A P oder gar eine Ergebenheitsadresse an die Person Adolf HlTLERs enthalten war (und eben dies vermissten die „Deutschen Christen" bei Dibelius!). Auf diese Weise hat sich Dibelius durchaus wirkungsvoll und zu seinem eigenen persönlichen Nachteil seine „kirchliche" Linie bewahrt und diese seiner eigenen nationalkonservativen Grundhaltung vor- und übergeordnet. 2 0 5 „Fort mit Dibelius!" (Neue Zeit des Westens v. 23.4.1933). Der Kirchensenat erwiderte in einer Erklärung vom 21.4.1933 auf die Klage der „Deutschen Christen", dass sie bei der Besetzung der kirchenleitenden Ämter nicht genügend berücksichtigt würden (vgl. E Z A BERLIN, 7/1263, pag.273R). Unter den Dankadressen an den Kirchensenat für diese Erklärung befindet sich u.a. auch ein Telegramm von G. TRAUB, in dem es heißt: „Aufrichtigen Dank für die Erklärung des Kirchensenats. Wir sind wahrhaftig deutsche Christen und brauchen es nicht erst zu werden" (TRAUB an E O K v. 22.4.1933, in: E Z A BERLIN, 7/989, pag.158). 206 B e r e i t s i m Mai hat sich BlERSCHWALE wohl nicht mehr in den eigenen Reihen halten können. Dibelius berichtet jedenfalls davon, dass durch eine Intervention von WEICHERT bei der Reichsleitung der „Deutschen Christen" eine gewisse Entspannung eingetreten sei, „wenn es bisher auch nur gelungen ist, Herrn BlERSCHWALE aus dem Sattel zu heben, noch nicht aber Herrn GREVEMEYER und Herrn D . FREITAG, die neben dem Erstgenannten die Hauptträger der demagogischen Agitation sind" (Dibelius an KAPLER v. 15.5.1933, in: E Z A BERLIN, 7/989, pag.201). BlERSCHWALE ist nach der skandalösen Sportpalast-Kundgebung vom 13.11.1933 vollends in der Versenkung verschwunden; er wurde in seiner Eigenschaft als Kulturreferent der „Deutschen Christen" und als führendes Mitglied des Arbeitsausschusses des Luthertages seiner Amter enthoben (vgl. ChW 47, 1933, Sp.1104 und ChW 48, 1934, Sp.17). - K. SCHOLDER bezeichnet BlERSCHWALE und den nachher noch zu nennenden GREVEMEYER als „die beiden fragwürdigsten Figuren der Berliner DC-Führung" (K. SCHOLDER, Kapitulation, 1970, S.198).
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daß mit dem geistigen Urheber all dieser Dinge 207 auch das evangelische Bundesamt, der Kirchensenat und der evangelische Oberkirchenrat unverzüglich ihren Rücktritt erklären." Bis weit hinein in die Zeit des Kirchenkampfes wurde Dibelius wegen seines Friedensbuches als der „durch seine pazifistischen Schreibereien sattsam bekannte Generalsuperintendent" stigmatisiert und als „Landesverräter" 208 beschimpft. N o c h im April 1933 gab der Verleger Max GREVEMEYER209 eine Flugschrift unter dem Titel herausgab: „Ein offenes Wort an Herrn Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius. Von einem deutschen Christen" 210 ; darin wurden noch einmal 2 0 7 Der Hintergrund dieses Artikels war die ursprüngliche Weigerung der Kirchenführung, die „Deutschen Christen" am Reformwerk der Kirche zu beteiligen. In Dibelius machte man jenen Repräsentanten aus, der am deutlichsten sich der „Forderung der Glaubensbewegung .Deutsche Christen' nach Gleichschaltung der evangelischen Kirche" widersetzte; und eben diesen Dibelius fürchtete man nun nach einer Nachricht der .Täglichen Rundschau' (die sich allerdings als Falschmeldung herausstellte) in einer neu zu schaffenden Institution: angeblich wollte der Kirchensenat seine Befugnisse auf ein handlungsfähiges Direktorium übertragen, dessen Vorsitz von dem neuen Vertrauensmann der altpreußischen Generalsuperintendenten, Dibelius, eingenommen werden sollte (vgl. Die Stunde des Kirchensenats, in: T R v. 14.4.1933). 2 0 8 Zur Wirkungsgeschichte des Friedensbuches in der Zeit der Diktatur vgl. oben S.337ff. Zur selben Zeit, als man Dibelius' Eintreten für die Kriegsdienstverweigerer zum Vorwurf machte, bekannte sich der damalige Dobbrikower Pfarrer H . VOGEL öffentlich zum von der Vergebung der Sünden lebenden „Kriegsgehorsam": „Weil Gott uns in unserm Volk unser Leben gibt und erhält, sind wir unserm Volk unser Leben schuldig. Darum sind wir unserm Volk auch den Kriegsgehorsam schuldig, wenn es gilt, das Leben des Volkes zu verteidigen und zu erhalten. Darum schuldet ein Volk denen, die ihr Leben für das Volk eingesetzt und geopfert haben, Dank und Ehre" (H. VOGEL, Kreuz, April/Mai 1933, Thesen 51-53). In seinen 65 Thesen wendet sich VOGEL gegen die „Glaubensbewegung Deutscher Christen" und will diese Gegenerschaft gleichzeitig „in der mithoffenden und fürhoffenden Solidarität mit dem Kampf, den der deutsche Nationalsozialismus Adolf HlTLERs um unser Volk geführt hat und führt" (Vorwort), verstanden wissen. Bemerkenswert ist, dass man noch Ende April 1933 meinte, theologisch und kirchenpolitisch gegen die „Deutschen Christen" streiten und gleichzeitig ein Bekenntnis zur „politischen Solidarität mit dem Werk Adolf HlTLERs" (redaktionelles Nachwort) bzw. zur „Solidarität mit dem Kampf, den der deutsche Nationalsozialismus Adolf HlTLERs um unser Volk geführt hat und führt" (Vorwort von VOGEL), ablegen zu können - zu einem Zeitpunkt, als HITLER bereits den Wehrkreispfarrer MÜLLER zu seinem persönlichen Vertrauens- und Verbindungsmann berufen hatte und es sich abzeichnete, dass er damit die Glaubensbewegung favorisierte und sie zum Instrument seiner Gleichschaltungsziele machen wollte. 2 0 9 In einem Rundschreiben vom 26.4.1933 an alle Kandidaten der Provinzialsynode kündigte GREVEMEYER in seiner Eigenschaft als brandenburgischer Gauleiter der Glaubensbewegung „Deutsche Christen" eine Kampfschrift an: „Eine ausführliche Schrift ,Der Fall Dibelius' gelangt in den nächsten Tagen zur Verteilung" (EZA BERLIN, 7/989, pag.196). 2 1 0 Die Flugschrift findet sich in: E Z A BERLIN, 7/11067, L K A BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.325 Fasc.l und in: B A KOBLENZ, R 18/5471, B1.19a-g. Im Vorwort nimmt der deutsch-christliche Herausgeber ein Wort von K. BARTH gegen Dibelius in Anspruch: „Erinnert sich Herr Generalsuperintendent D . Dr. Dibelius ... an das Wort, das er selbst vor einigen Jahren aus Professor D. BARTHS Munde hörte: ,In dieser Kirche wiegt die Sünde schwerer als die Gnade'? Das ist der Seelenhirt der Kurmark!" Es handelt sich dabei nur um ein verkürztes Zitat aus BARTHS Berliner Vortrag (Januar 1931); zudem stammt es ausgerechnet aus dem Abschnitt, den BARTH in der gedruckten Veröffentlichung als nachträgliche Ergänzung hinzufügte, den Dibelius also gar nicht aus dem Munde BARTHS hat hören können. Unter der Ziffer 4 schreibt BARTH dort in Frageform: Ist es nicht so, dass die Kirche „fast auf der ganzen Linie die Sünde des Menschen tatsächlich ernster nimmt als die Gnade Gottes, daß sie sie als unvergebene, statt als vergebene Sünde
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all die Belege zusammengefasst, die zu dem öffentlichen Angriff KUBEs auf Dibelius gefühlt haben bzw. ihn auch noch nachträglich rechtfertigen sollten211. Das Ergebnis dieser Auflistung lautet: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Summe dieser Äußerungen und die Gesinnung, die aus ihnen spricht, einen Nationalsozialisten aufs schwerste verletzen müssen."212 GREVEMEYER gab zwar vor, in der Ablehnung einer „Staatskirche oder eine(r) parteipolitisch gebundenen Kirche" mit Dibelius noch einig zu sein. Gerade deshalb aber dürfe die Kirche nicht bleiben, was sie war, sie müsse eine andere werden: „Der Zugriff des Staates nach der Kirche wird gerade eine Kirche, wie Dibelius sie will, am sichersten treffen." Denn der jetzige Staat sei „solche endlosen Tänze um Ja und Nein, die da geführt werden, ... in seinen Reihen und unter Männern nicht gewohnt. Er fordert klare Entscheidung."213 Daraus zieht nun GREVEMEYER die aus seiner Sicht folgerichtige und für Dibelius folgenschwere Konsequenz: „Will die Kirche dem entgehen, daß sie ein unselbständiges Anhängsel der Staatsgewalt wird, so muß sie von sich aus die Frische aufbringen, den Geist der deutschen Erhebung in sich aufzunehmen, zu bejahen und zu weihen. ...Diese Aufgabe ist aber die der Glaubensbewegung .Deutsche Christen'. Der alte Kirchenbegriff, der des bürgerlichen Zeitalters, reicht in die neue Zeit nicht mehr hinein. Er wird und muß mit seiner letzten kennzeichnenden Führergestalt, dem Generalsuperintendenten Dibelius, vom Schauplatz abtreten. Die Bewegung ,Deutsche Christen' mit ihrer Stellung in dem lebendigen Volke und der christlichen Uberlieferung ist berufen, eine neue Gestalt und einen neuen Gehalt der Kirche für die deutsche Zukunft bereitzustellen." Aber
betrachtet und behandelt, daß sie in Wort und Haltung an Stelle der freien, an Unwürdige ergehenden Verheißung Ideale verkündigt, deren Erfüllung oder doch Nacheiferung uns des Friedens mit G o t t erst würdig machen soll?" (K. BARTH, Die Not, S.53). 211 1. Wahlaufruf vom 5. März 2. Skepsis, mit der Dibelius die Regierungsbildung begleitete: „In den beiden sozialistischen Parteien, die in entschlossener Opposition stehen, sammelt sich mehr als ein Drittel des deutschen Volkes." (WoSch. v. 12.2.1933)3. Rundschreiben vom 8. März. „Zu diesen Äußerungen, auf die KUBE vornehmlich Bezug nahm, wurde noch während der Reichstagung der ,Deutschen Christen' eine Briefstelle bekanntgegeben, die noch weniger abgeglättet die politische Gesinnung des Generalsuperintendenten vorträgt: ,Gott schlägt alle mit einer Donneraxt, die offenbaren Sünder und die falschen Heiligen, die Nazis und die Sozis, BISMARCK und MARX, HITLER und THÄLMANN.'" (M. GREVEMEYER, Ein offenes Wort, S.8; diese Briefstelle wurde dann ausführlicher abgedruckt in: EvDrR. v. 7.5.1933, S.168f.)4. Die Verteidigungsrede von Dibelius in BES v. 16.4.1933. - Das Buch .Friede auf Erden?' hatte GREVEMEYER bereits in einem seiner Rundschreiben abgehandelt (vgl. Schreiben von J . WINTERHAGER im Auftrag von Dibelius v. 20.4.1933, in: E Z A BERLIN, 7/989, pag.197, und GREVEMEYER an alle Kandidaten der Provinzialsynode, in: EBD., pag.196). - Später verteidigte sich Dibelius noch einmal: „Die Nationalsozialisten haben nicht nur dies Buch sofort verboten, sondern haben mich drei Monate, nachdem der viel beredete Gottesdienst in Potsdam gehalten worden war, in die Wüste geschickt. Das hätten sie gewiß nicht getan, wenn sie an meiner Predigt damals ihr Wohlgefallen gahabt hätten" (Dibelius' Rundbrief an die Geistlichen und kirchlichen Mitarbeiter in der Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg v. 17.3.1957, in: Sammlung Winterhager BERLIN). 2 1 2 Μ. GREVEMEYER, Ein offenes Wort, S.8. 213 EBD., S. 15.
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Den Gegensatz zwischen der jungen Bewegung der „Deutschen Christen" und der Kirche des alten Zeitalters sah man auf deutsch-christlicher Seite am deutlichsten in der Gestalt des kurmärkischen Generalsuperintendenten repräsentiert. Dieser Gegensatz war nicht an einer etwa mangelnden nationalen Gesinnung festzumachen noch durch die Uberbetonung einer solchen Gesinnung zu überbrücken. Hier gab es keinen Kompromiss, sondern nur ein Für oder Wider, eben eine „klare Entscheidung", die man bei Dibelius vergeblich suchte. Den Generalsuperintendenten erreichten zunächst 42 Kundgebungen215, in denen seine kurmärkischen Pfarrer einzeln oder in Gruppen sich gegen den massiven Angriff GREVEMEYERs zur Wehr setzten und ihrem kirchlichen Oberhaupt das Vertrauen aussprachen. Dibelius machte sich die Mühe, alle Kundgebungen mit einem Dankschreiben 216 zu beantworten und die Abschriften der Vertrauensbekundungen an GREVEMEYER weiterzuleiten. Aus dem unüberbrückbaren und nicht mehr zu harmonisierenden Gegensatz ergab sich für Dibelius folgerichtig auch seine Haltung und Position in den nun folgenden entscheidungsreichen Monaten des Jahres 1933: Im internen Kreis der evangelischen Kirchenführer sprach sich Dibelius von vornherein gegen den deutsch-christlichen „Vertrauensmann des Führers", Wehrkreispfarrer Ludwig MÜLLER, und für
den Betheler Pastor Friedrich v. BODEL-
SCHWINGH217 als Kandidaten für das neu zu schaffende Amt eines Reichsbischofs aus. Dibelius scheute auch nicht davor zurück, unmittelbar nach dieser Nominie-
antwortung hat. D e r Staat kann seinen Charakter ändern, die Kirche nicht. Sie verkündet das Evangelium, sie treibt ihre Seelsorge, sie tut ihre Arbeit der Liebe, dem Gebot ihres himmlischen Königs gehorchend. Sie tut es unter nationaler und sozialistischer Regierung, unter Zentrumsherrschaft und unter Sowjet-Diktatur. Sie leistet damit die entscheidende Arbeit inneren Aufbaus. U n d sie kann diese ihre Arbeit nur dann tun, wenn sie Kirche ist und Kirche bleibt!" (WoSch. v. 19.3.1933). 2 1 5 Dibelius hatte selbst die Anregung für solche Protest-Kundgebungen gegeben (vgl. Dibelius an die Ephoren der Kurmark v. 10.4.1933, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). Die Liste der Absender dieser Protestschreiben findet sich in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Nr.2. 2 1 6 Zum Beispiel dem Gemeindekirchenrat in Bliesendorf, der sich gegen den Antrag des dortigen Patrons mit einem Vertrauensvotum für Dibelius durchgesetzt hatte, antwortete Dibelius mit dem Datum vom 12.5.1933: „Dem Gemeindekirchenrat danke ich herzlich für die Kundgebung vom 24. April. Die große Aufgabe, vor die unsere Kirche in dieser Zeit gestellt wird, fordert innere Geschlossenheit und klares evangelisches Bewußtsein. Es ist mir eine große Freude, daß ich mich darin mit dem Gemeindekirchenrat einig weiß. Ich hoffe zu Gott, daß unter der Mitarbeit unserer Kirche unser deutsches Volk neu gestärkt aus dieser Zeit der Kämpfe hervorgehen wird" (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, Nr. 12). - Lediglich eine Kundgebung ließ Dibelius unbeantwortet - wohl deshalb, weil sie keinen „kirchlichen" Geist atmete und keine konkrete Antwort auf die Flugschrift von GREVEMEYER war: der Gemeindekirchenrat von Herzfelde erging sich nur in allgemeinen Floskeln, als er am 26.4.1933 den Generalsuperintendenten wissen ließ: „Seiner Hochwürden danken wir für die warmen Worte über die innere Erhebung unseres Volkes und erhoffen Gottes reichsten Segen für die Zukunft unserer Kirche und unseres Vaterlandes. In unerschütterlichem Vertrauen auf den Sieg des Glaubens ..." (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, N r . 12). 2 1 7 Vgl. Christ, 1961, S.176f.; K. SCHOLDER, Kapitulation, 1970, S.200; M. HELLMANN, Bodelschwingh d.J., 1988, S.119ff; T h . M. SCHNEIDER, Reichsbischof, 1993, S.126ff.
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kreispfarrer Ludwig M Ü L L E R , und für den Betheler Pastor Friedrich v. B O D E L SCHWINGH217 als Kandidaten für das neu zu schaffende Amt eines Reichsbischofs aus. Dibelius scheute auch nicht davor zurück, unmittelbar nach dieser Nominierung, am 29. Mai, auf dem Kurmärkischen Kirchentag218 durch die Versammlung eine öffentliche Grußadresse an den „designierten neuen Reichsbischof"219 verabschieden zu lassen. Am 1./2. Juni sprachen auch die altpreußischen Generalsuperintendeten unter ihrem Vertrauensmann Dibelius dem designierten Reichsbischof das Vertrauen aus220. 2.4.5 Die „politische Klausel" und die Einsetzung eines Staatskommissars Nachdem die Vorarbeiten für die neue Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche abgeschlossen waren, gab KAPLER im Juni aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt als EOK-Präsident bekannt. Die durch diesen überraschenden und unzeitigen Schritt verwaiste Stelle des EOK-Präsidenten wurde durch den Koblenzer Generalsuperintendenten STOLTENHOFF vorerst nur kommissarisch und deshalb ohne Befragung der zuständigen staatlichen Stellen besetzt221. Mit Hilfe der „politischen Klausel" wäre es nach Lage der Dinge damals dem Staat möglich gewesen, einen erklärten und willfährigen DC-Mann im Amt des EOKPräsidenten durchzusetzen. Als den Drahtzieher für solche geschickten Winkelzüge machte die deutschchristliche Seite den kurmärkischen Generalsuperintendenten verantwortlich, der ohnehin als scharfer Gegner jeglicher staatlicher Einmischung und Gleichschaltungspolitik bekannt war. Man wusste von der Abneigung des Generalsuperintendenten gegenüber der „politischen Klausel" im preußischen Kirchenvertrag und sah in ihm den spiritus rector für die „Umgehung" dieser „politischen Klausel". Mit einer angeblichen Reminiszenz aus dem Jahr 1932 untermauerte der DC-Pfarrer A. F R E I T A G diesen Verdacht: „Der Widerstand, den die kirchliche Neuordnung seitens der bisherigen Führerpersönlichkeiten in der Kirche erfährt, wird durch Äußerungen einer der rührigsten unter ihnen beleuchtet, die seine letzten Wurzeln bloßlegen. D. Dibelius erklärte schon im Frühjahr 1932 auf die Frage eines Pfarrers, wie die Kirche sich 2 1 7 Vgl. Christ, 1961, S.176f.; K. SCHOLDER, Kapitulation, 1970, S.200; M. HELLMANN, Bodelschwingh d.J., 1988, S.119ff; Th. M. SCHNEIDER, Reichsbischof, 1993, S.126ff. 2 1 8 Dibelius' üblicher Lagebericht zum kirchlichen Leben der Kurmark (vom 28. Mai) befindet sich als Anlage zu seinem „Memorandum über die gegen mich betriebene Agitation" vom 26.7.1933 (EZA BERLIN, 7/11067). Dibelius berichtet darin auch vom kurmärkischen Kirchentag: „Als auf der großen Hauptversammlung eine Vertrauenskundgebung für mich beantragt wurde, erhob sich die ganze Versammlung zum Zeichen der Zustimmung spontan von ihren Plätzen - und zwar einschließlich der in nicht ganz geringer Zahl anwesenden Deutschen Christen." (EBD., Blatt 3) - Vgl. auch die auszugsweise Nachschrift des kirchlichen Lageberichts vom 28.5.1933 durch J.W. WINTERHAGER (DERS., Dibelius, 1970, S.17-20). 2 1 9 Vgl. EvMark v. 11.6.1933; vgl. SoSp. v. 4.6.1933 und 11.6.1933. 2 2 0 Vgl. C h W 47, 1933, Sp.572. 221 Zum Ganzen vgl. L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Nationalsozialismus, 1974, S.69ff; J. WRIGHT, Parteien, 1977, S.231ff.; K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.453ff.
Dibelius und die Dialektische Theologie
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i m F a l l e der R e g i e r u n g s ü b e r n a h m e d u r c h den N a t i o n a l s o z i a l i s m u s zu d e r B e s t i m m u n g des K i r c h e n v e r t r a g e s v e r h a l t e n w ü r d e , d a ß bei B e s e t z u n g der o b e r s t e n K i r c h e n ä m t e r die G e n e h m i g u n g des Staates eingeholt w e r d e n müsse (!): könne
durch
Ernennung
von kirchlichen
Kommissaren
umgangen
werden.
Diese Damit
w u r d e also bereits damals der w a h r e G r u n d für den V e r t r a g s b r u c h in P r e u ß e n enthüllt. D e r s e l b e G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t tadelte ebenfalls s c h o n a m 15. A p r i l 1 9 3 2 einen P f a r r e r brieflich, w i e folgt: , W a r es w i r k l i c h nötig, d a ß Sie den A u f r u f für die W a h l HlTLERs u n t e r s c h r i e b e n , d a ß Sie in einer V e r s a m m l u n g der nationalsozialistischen J u g e n d sprachen?' U m diese irdische Einstellung, n i c h t u m die keineswegs gefährdete F r e i h e i t des E v a n g e l i u m s geht es bei d e n W i d e r s t ä n d e n , die b e s o n d e r s v o n d e r b e z e i c h n e t e n Seite h e r d u r c h V e r l a u t b a r u n g e n an die Pfarrerschaft ins W e r k gesetzt w e r d e n . U n d es handelt sich hier geradezu u m organisierten W i d e r s t a n d " 2 2 2 . D i e k o m m i s s a r i s c h e B e s e t z u n g des E O K - P r ä s i d e n t e n a m t e s n a h m der P r e u ß i sche Staat z u m A n l a s s u n d z u m V o r w a n d einer massiven I n t e r v e n t i o n . Kultusm i n i s t e r RUST setzte a m 2 4 . J u n i den ehrgeizigen L a n d g e r i c h t s d i r e k t o r A u g u s t JÄGER als d e n m i t allen Befugnissen ausgestatteten S t a a t s k o m m i s s a r für die evangelischen K i r c h e n in P r e u ß e n e i n 2 2 3 .
2 2 2 A. FREITAG, Zur Klärung der kirchlichen Lage (DAZ v. 7.7.1933, S.2). - Dibelius hatte sich umgehend bei Staatskommissar JÄGER gegen diese „perfide Art zu argumentieren" mündlich beschwert (Handschriftliche Aktennotiz v. 8.7.1933, in: EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, A 6 / So habe ich's erlebt, 1980, S.197). JÄGER unterstellte dem Beschwerdeführer im Gegenzug, dass Dibelius wohl hinter der englischen Berichterstattung über den Kirchenstreit in der .Times' stehe (EBD.). ES handelte sich speziell dabei wohl um eine Leserzuschrift, in der BODELSCHWINGHS Eisenacher „Wort an alle, die unsere deutsche evangelische Kirche lieben" vom 24. Juni und den aus der Feder von Dibelius stammenden „Aufruf der altpreußischen Generalsuperintendenten an die Gemeinden" vom 26. Juni - beide Schreiben wurden bei den Buß-Gottesdiensten am Sonntag, dem 2. Juli, verlesen - in Auszügen wiedergegeben wurde (vgl. The Church in Germany. A Struggle for Freedom, in: The Times, Monday July 3 1933, page 10). 2 2 3 JÄGER verfolgte das Ziel, Präsident des E O K zu werden. Dibelius stellte deshalb Mitte August 1933 im Auftrag der altpreußischen Generalsuperintendenten eine offizielle Anfrage an den Nassauischen Landesbischof KORTHEUER, weil Gerüchte über JÄGERS Ehescheidungsaffäre aufgekommen waren (vgl. auch die spätere eidesstattliche Erklärung von Frau Edith JÄGER geb. Grunow v. 25.9.1934 in: EZA BERLIN, 50/173 und LKA BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.302). JÄGER stellte KORTHEUER zur Rede und reagierte mit unbeherrschten Verbalinjurien: „Dibelius, dieses Schwein, dieses Schwein, dieses Schwein! Ich werde ihn noch fassen. Und Sie, Herr Landesbischof, danken Sie Gott noch heute Abend auf den Knien, daß ich Sie nicht sofort in ein Konzentrationslager sperren lasse, was Sie verdient hätten und wozu ich die Macht hätte. Wenn ich Gnade übe, so tue ich das nur in Gedanken an meinen Vater, der Ihr Mitarbeiter war." (zit. nach K. SCHOLDER, Kirchen I, 1977, S.605; vgl. K. HERBERT, Kirchenkampf, 1985, S.77) - Nachdem JÄGER seine Kirchenpolitik weder in Preußen noch in Nassau(-Hessen) durchsetzen konnte, beteiligte er sich ab Herbst 1939 als Vertreter des für den neu gebildeten Warthegau (Posen) zuständigen Reichsstatthalters Arthur GREISER an der völligen Strangulierung der evangelischen Kirche durch den nationalsozialistischen Staat (vgl. A. SCHMIDT, Kleindienst, 1968, S.75ff.; A. RHODE, Beiträge, 1981, S.92ff.). Nach dem Krieg wurden beide zum Tod verurteilt; trotz der Gnadengesuche des Papstes für GREISER und von Dibelius für JÄGER wurden die Todesurteile am 17.6.1949 vollstreckt (vgl. P. GÜRTLER, Nationalsozialismus, 1958, S.116, Anm.287; K. SCHOLDER, Kirchen Π, 1985, S.353f.).
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
D i b e l i u s e r g r i f f d a r a u f h i n s o f o r t die I n i t i a t i v e u n d t r o m m e l t e seine K o l l e g e n z u e i n e r K r i s e n s i t z u n g in seine W o h n u n g z u s a m m e n . D o r t w u r d e ein
„Aufruf
d e r a l t p r e u ß i s c h e n G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n a n die G e m e i n d e n " 2 2 4 v e r a b s c h i e d e t u n d g e g e n die E i n s e t z u n g des S t a a t s k o m m i s s a r s p r o t e s t i e r t . N i c h t o h n e H i n t e r s i n n e n d e t dieses m u t i g e W o r t m i t d e m P r e d i g t - W o r t des „ T a g s v o n
Potsdam"
aus R o m 8 , 3 1 u n d m a c h t e s o d e n G e i s t u n d d e n A u t o r d i e s e r K u n d g e b u n g k e n n t l i c h : „Ist G o t t f ü r u n s , w e r m a g w i d e r u n s s e i n ! " 2 2 5 I m A u f t r a g d e r K o n f e r e n z d e r altpreußischen
Generalsuperintendenten
übermittelte
Dibelius
diesen
Aufruf
auch dem Reichskanzler226. Z u d e n e r s t e n A m t s h a n d l u n g e n v o n J Ä G E R g e h ö r t e es, d e n
kurmärkischen
G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n , aus dessen F e d e r dieser A u f r u f s t a m m t e , m i t
Datum
v o m 2 6 . J u n i z u b e u r l a u b e n 2 2 7 . D u r c h d i e d i k t a t o r i s c h e n M a ß n a h m e n d e s Staatsk o m m i s s a r s o h n e R ü c k s i c h t a u f die „ F r e u n d s c h a f t s k l a u s e l " 2 2 8
des
Kirchenver-
t r a g s w u r d e n u n D i b e l i u s s e l b e r ein O p f e r d e r „ p o l i t i s c h e n K l a u s e l " 2 2 9 .
2 2 4 B A KOBLENZ, N L Dibelius, N 1439/7; C h W 47, 1933, 668f.; G. van NORDEN, Protestantismus, 1979, S.81f. 2 2 5 Vgl. O . SÖHNGEN, Reaktion, 1971, S.41f.; E. STOLTENHOFF, Hand, 1990, S.264. 2 2 6 B A KOBLENZ, Reichskanzlei R 43 11/161. 2 2 7 Vgl. Völkischer Beobachter v. 27.6.1933; D A Z v. 27.6.1933; Kirchliches Gesetz- und Verordnungs-Blatt v. 27.6.1933, S.71f. Obwohl in der ersten Verordnung des Staatskommissars (EBD., S.69f.) schon Vizepräsident HUNDT und Generalsuperintendent SCHIAN beurlaubt worden waren, hatte erst die Beurlaubung von Dibelius (Verordnung v. 26.6.1933) eine durchschlagende publizistische Wirkung. - Der Weltliche Vizepräsident im E O K HUNDT wurde entlassen, weil er standhaft die Zusammenarbeit mit JÄGER ablehnte (vgl. O . SÖHNGEN, Wie es anfing, 1958, S.184). U n d in M. SCHIAN sahen die Nationalsozialisten einen nahen Gesinnungsgenossen von Dibelius, weil er zusammen mit diesem das „ecclesiam habemus!" vertrat und sich 1932 mit Dibelius der Anti-DC-Gruppe „Evangelium und Volkstum" angeschlossen hatte. Schon in der Mitte dieses Jahres nahm SCHIAN eine distanzierte und reservierte Position gegenüber der N S D A P ein und sprach, ganz im Geist von Dibelius, die Warnung aus: „Eine Rückentwicklung ins Staatskirchentum ist ausgeschlossen" (M. SCHIAN, Evangelische Kirche und Nationalsozialismus, in: D A Z v. 1.5.1932). SCHIANs autobiographischer Rückblick, im 2. Weltkrieg herausgegeben, schweigt sich über die Ereignisse der Jahre 1932/33 gänzlich aus (vgl. M. SCHIAN, Erinnerungen, 1940). - Hinter den Kulissen versuchte Wehrkreispfarrer MÜLLER zusammen mit den lutherischen Bischöfen, mäßigend auf den radikalen Kurs des Staatskommissars einzuwirken, zugleich aber auch die Beurlaubung von Dibelius zu zementieren. So sprach er sich dafür aus, dass HOSSENFELDER nicht die Stelle des Geistlichen Vizepräsidenten des E O K einnehmen, sondern die Nachfolge von Dibelius antreten sollte (vgl. H . BRAUN / C. NICOLAISEN, Verantwortung I, 1985, S.58). 2 2 8 Art.12: „Die Vertragschließenden werden eine etwa in Zukunft zwischen ihnen entstehende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beseitigen" (E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.711). Vgl. auch den Hinweis auf die „Freundschaftsklausel" in dem Brief einiger Berliner Theologen an HITLER v. 29.6.1933 QK 1, 1933, S.29). 2 2 9 JÄGERS Erlass vom 26.6.1933 ist abgedruckt z.B. in: Völkischer Beobachter v. 27.6.1933; dort heißt es: „... 3. Mit sofortiger Wirkung beurlaube ich den Generalsuperintendenten der Kurmark, D. Dibelius" (vgl. auch K. MEIER, Kreuz, 1992, S.42f.). - Zwei Stunden vor der Ernennung des Staatskommissars hatte Dibelius einen neuen Dienstwagen - teilweise aus privaten Mitteln - bezahlt. D e r gemaßregelte Generalusperintendent sollte diesen Dienstwagen wegen seiner Beurlaubung wieder zurückgeben, wogegen sich der Autoliebhaber Dibelius heftig zur Wehr setzte (vgl. Dibelius an E O K v. 29.6.1933, in: E Z A BERLIN, 7/11066).
Dibelius und die Dialektische Theologie
421
K i r c h e übertragen u n d v o n der K i r c h e z u r ü c k g e n o m m e n werden; auch v o n ihr nicht willkürlich, sondern nur wegen Irrlehre oder gemeiner Verbrechen. Darauf b e r u h t die U n a b h ä n g i g k e i t u n d die A u t o r i t ä t des geistlichen A m t e s . A u s diesen i n n e r s t e n P f l i c h t e n m e i n e s A m t e s k a n n ich m i c h d a h e r v o n k e i n e m S t a a t s k o m m i s s a r b e u r l a u b e n lassen. Sie b l e i b e n m e i n e P f l i c h t e n v o r G o t t . Ich m u ß sie e r f ü l l e n u n d w e r d e sie e r f ü l l e n - v o l l e n d s in dieser Z e i t , in d e r w a h r h a f t geistliche Leit u n g i n d e r K i r c h e n ö t i g e r ist als je. ...Es ist u n s e r m V o l k e n i c h t s n ö t i g e r , als d a ß es M ä n n e r hat, d i e n a c h d e m W o r t d e r H e i l i g e n S c h r i f t z u l e b e n w i s s e n : M a n m u ß G o t t m e h r g e h o r c h e n als d e n M e n s c h e n ! " 2 3 0 N a c h d e m JÄGER a n g e o r d n e t hatte, die k i r c h l i c h e n K ö r p e r s c h a f t e n u n t e r d e r A u f s i c h t des Staates n e u z u b i l d e n u n d z w a r so, dass die „ D e u t s c h e n C h r i s t e n " d a r i n ü b e r eine M e h r h e i t v o n 8 0 % v e r f ü g e n s o l l t e n , e r w o g D i b e l i u s sogar, aus d e r K i r c h e a u s z u t r e t e n u n d sich d e n A l t l u t h e r a n e r n a n z u s c h l i e ß e n . D e r Zeitp u n k t d a f ü r schien i h m j e t z t g e k o m m e n , d e n n d e r Staat „ m a c h t d e n v ö l k i s c h e n Nationalismus der deutschen Christen zur offiziellen Religion einer Staatskirche. D a s ist d e r T o d e s s t o ß f ü r die evangelische K i r c h e in D e u t s c h l a n d . " 2 3 1 A l s A n f a n g J u l i die n e u e „ V e r f a s s u n g d e r D e u t s c h e n E v a n g e l i s c h e n K i r c h e " 2 3 2 u n t e r s c h r i f t s r e i f v o r l a g , t r a t D i b e l i u s - allerdings e r f o l g l o s - d a f ü r ein, dass das G e s e t z e s w e r k n i c h t e h e r u n t e r s c h r i e b e n w e r d e n sollte, als w i e d e r r e c h t m ä ß i g e Z u s t ä n d e i n d e r a l t p r e u ß i s c h e n K i r c h e 2 3 3 hergestellt seien. Es s o l l t e in d e r O f f e n t -
2 3 0 Dibelius an JÄGER v. 27.6.1933 0 K 1, 1933, S.17; Evang. Kirchenblatt für Polen 1932/33, S.425; G. van NORDEN, Protestantismus, 1979, S.84f.; So habe ich's erlebt, 1980, S.191f.). Der Brief wurde in Tausenden von Abschriften verbreitet. Dibelius hatte die Veröffentlichung des Briefes mit M . NLEMÖLLER abgesprochen (vgl. P. NEUMANN, Bewegung, 1971, S.99, Anm.41) In einer Eingabe an den Staatskommissar baten sieben kurmärkische Pfarrer: „Geben Sie uns unsern geistlichen Führer wieder!" und begründeten ihre Bitte mit Dibelius' kirchlicher Haltung und klarer nationaler Einstellung: „Wir erinnern an das Vertrauen, das ihm auf dem letzten Kurmärkischen Kirchentag in Potsdam ausgesprochen wurde. In der gleichen Stadt hatte k u r z vorher Generalsuperintendent Dibelius in seiner Predigt zur Reichstagseröffnung ein freudiges Ja zum neuen Staat gesagt. Im Kampfe gegen die Gottlosenbewegung hat er als Führer an erster Stelle gestanden ..." (JK 1, 1933, S.34). 2 3 1 Handschriftliche Aktennotiz v. 7.7.1933 (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, A 6 / So habe ich's erlebt, 1980, S.194). K. SCHARF verfasste zusammen mit Gemeindegliedern am 11.7.1933 aus demselben Anlass ein an den Staatskommissar adressiertes Protestschreiben, in dem „eine Ernennung der kirchlichen Körperschaften durch staatliche Bevollmächtigte als eine Vergewaltigung der Kirche und als nicht in Einklang zu bringen mit dem Wesen und der Freiheit christlichen Gemeindelebens" kritisiert wurde. „Außerdem würde eine Besetzung unserer kirchlichen Gemeindevertretung durch eine Mehrheit von 80% aus den Reihen der ,Deutschen Christen' nicht den tatsächlichen Verhältnissen innerhalb unserer Gemeinde entsprechen" (EZA BERLIN, 7/11066). Das Schreiben wurde zunächst zurückgehalten, weil unmittelbar danach der Staatskommissar wieder zurückgezogen wurde und weil von HITLER kirchliche Neuwahlen für den 23. Juli angeordnet wurden. 2 3 2 Vgl. E.R. HUBER / W . HUBER, Staat IV, S.861ff. 2 3 3 „Am Sonntag (9.7.) schrieb ich einen langen Brief an SCHÖFFEL: in die Hand der lutherischen Bischöfe sei das Schicksal Altpreußens gegeben und damit das Schicksal der evangelischen Kirche Deutschlands überhaupt. Wenn sie erklärten, daß sie am Dienstag die Reichskirchenverfassung nicht unterschreiben würden, wenn nicht in Preußen geordnete kirchliche Organe seien, weil das Neue sonst keine Seele u. keine moralische Kraft habe - dann sei alles zu retten!"
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Gesetzeswerk nicht eher unterschrieben werden sollte, als wieder rechtmäßige Zustände in der altpreußischen Kirche 233 hergestellt seien. Es sollte in der Öffentlichkeit nicht vorschnell der Eindruck eines wieder befriedeten Verhältnisses zwischen Staat und Kirche erweckt werden. Denn immer noch stand die Kirche unter staatlicher Bevormundung. Noch einmal brach der ganze Sturm der Entrüstung und Boshaftigkeit über Dibelius herein, nachdem er es gewagt hatte, wieder eine Kanzel zu besteigen, obwohl seine Beurlaubung noch nicht aufgehoben war. Er predigte am 16. Juli, wieder in der Potsdamer Nikolaikirche, über das Wort aus Offenbarung 13,10: „Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen" 234 . E r erklärte darin trotz des hoffnungerweckenden Telegrammwechsels 235 zwischen Reichskanzler und Reichspräsident nach der Verabschiedung der neuen Reichskirchenverfassung am 11./ 14. Juli: „Der Kirchenkonflikt ist noch nicht bereinigt. Zwar sind die Kommissare des Staates zurückgezogen worden, nicht aber die Männer, die von diesen Kommissaren in die Leitung der Kirche entsandt worden sind ... Die Beurlaubungen sind bis zur Stunde nicht rückgängig gemacht worden. Die ausgeschriebenen Wahlen stehen unter dem Druck einseitiger Informierung durch Rundfunk und Presse. Der Aufruf der Generalsuperintendenten kann nicht herausgehen." 2 3 6 Dibelius verwahrte sich in dieser Predigt außerdem gegen den Wahlaufruf 237 des bisherigen Staatskommissars, in dem dieser öffentlich behauptet hatte: „Das Erscheinen Jesu in der Weltgeschichte ist in seinem letzten Gehalt ein Aufflammen nordischer Art inmitten einer von Zersetzungserscheinungen gequälten Welt." 2 3 8 Dibelius legte dagegen im Namen der „Reinheit evangelischer Lehre" 233 „Am Sonntag (9.7.) schrieb ich einen langen Brief an SCHÖFFEL: in die Hand der lutherischen Bischöfe sei das Schicksal Altpreußens gegeben und damit das Schicksal der evangelischen Kirche Deutschlands überhaupt. Wenn sie erklärten, daß sie am Dienstag die Reichskirchenverfassung nicht unterschreiben würden, wenn nicht in Preußen geordnete kirchliche Organe seien, weil das Neue sonst keine Seele u. keine moralische Kraft habe - dann sei alles zu retten!" (Handschriftliche Aktennotiz v. 11.7.1933, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, A 6 / So habe ich's erlebt, 1980, S.198). 2 3 4 Es ist nicht ohne Bedeutung, wenn Dibelius seinen Predigttext aus dem 13. Kapitel der Johannes-Apokalypse gewählt hat. Denn sein Staatsverständnis steht, biblisch gesprochen, in der Spannung zwischen Römer 13 und Offenbarung 13! - 1934 dichtete und vertonte Dibelius ein Lied mit dem Kehrvers: „Hier ist Geduld und Glaube, und hier, Herr Christ, bist du." (Lied Nr. 16 aus: Wehr und Waffen. Lieder der kämpfenden Kirche, 1934, 2 1 9 3 5 / So habe ich's erlebt, 1980, S.201-203). Eine weitere Predigt über Apk 13,10 stammt aus dem Jahr 1954 und ist abgedruckt in: Wege zum Wort, 1954, S.223-228. 2 3 5 Vgl. E.R. HUBER / W. HUBER, Staat IV, S.867. 2 3 6 Abgedruckt ist die Predigt in: R . STUPPERICH, Dibelius [1970], S.72-77 (Zitat S.72, die folgenden Zitate daraus EBD.), allerdings ohne Quellenangabe und ohne Hinweis darauf, dass in der dortigen Wiedergabe die drei Schlussabschnitte fehlen. Der vollständige Wortlaut der Predigt ist zu finden in: E Z A BERLIN, 7/11067. 2 3 7 Ein Wahlaufruf des bisherigen Staatskommissars, abgedruckt z.B. in: D A Z v. 19.7.1933, S.2 und wiedergegeben in: Evang. Kirchenblatt für Polen 1932/33, S.440. 2 3 8 In seinem „Offenen Brief" an den EOK-Vizepräsidenten und Reichsleiter der „Deutschen Christen" Dr. KINDER v. 24.9.1934 verweigerte Dibelius diesem die Gefolgschaft mit dem Hinweis darauf, dass eine Zusammenarbeit der Bekenntnisfront mit den „Deutschen Christen" so-
Dibelius und die Dialektische Theologie u n d „ o h n e R ü c k s i c h t a u f die F o l g e n " f e i e r l i c h V e r w a h r u n g
423 ein; denn
damit
„ s t e h t u n d fällt d i e A u t o r i t ä t des N e u e n T e s t a m e n t e s . D a m i t s t e h t u n d fällt die B e d e u t u n g J e s u C h r i s t i f ü r m i c h selbst u n d f ü r die K i r c h e . E i n e K i r c h e , die d a r a n r ü t t e l n l ä ß t , ist k e i n e K i r c h e m e h r . " 2 3 9 D i e R e a k t i o n a u f diese d e u t l i c h e n u n d e i n d e u t i g e n W o r t e b l i e b n i c h t aus: E i n O r t s g r u p p e n l e i t e r d e r G D C , ein H e r r G O S T O M S K I , g a b v o n dieser P r e d i g t e i n e n d e r a r t b ö s a r t i g e n B e r i c h t i m , M ä r k i s c h e n T a g e b l a t t ' 2 4 0 , dass D i b e l i u s s i c h v e r a n lasst s a h , g e g e n e i n e s o l c h „ u n e r h ö r t e E n t s t e l l u n g d e r T a t s a c h e n " u n d g e g e n diesen „ u n e r t r ä g l i c h e ( n ) E i n g r i f f in die geistliche W i r k s a m k e i t eines G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n " b e i m E O K B e s c h w e r d e 2 4 1 e i n z u l e g e n . D u r c h d e n A r t i k e l v o n GOSTOMSKI a u f m e r k s a m g e w o r d e n m a c h t e d a n n a u c h d e r , V ö l k i s c h e B e o b a c h t e r ' 2 4 2 d e n „ u n e r h ö r t e n M i ß b r a u c h d e r K i r c h e " u n d d i e „ K a m p f a n s a g e g e g e n die R e g i e r u n g " d u r c h Dibelius einem breiteren Publikum bekannt. I n e i n e r b e i s p i e l l o s e n H e t z k a m p a g n e 2 4 3 e r g o s s s i c h eine g a n z e F l u t v o n
Pro-
t e s t s c h r e i b e n 2 4 4 in d e r W o c h e v o r d e n K i r c h e n w a h l e n , die v o m Staat f ü r d e n 2 3 . J u l i 2 4 5 a n g e o r d n e t w a r e n . I n s g e s a m t sind n i c h t w e n i g e r als 5 0 B r i e f e u n d 1 0 0 lange ausgeschlossen sei, als noch immer JÄGER und andere Repräsentanten der D C evangeliumswidrige Parolen verbreiteten: „In Ihren Reihen steht der .Rechtswalter' der Kirche, der in entscheidender Stunde den Satz gesprochen hat, daß die Erscheinung Jesu ein Aufflammen der nordischen Art bedeute. ...Dies Parteisystem, das sich Kirche nennt, ist nach unserer biblisch gegründeten Uberzeugung keine evangelische Kirche. Den lebendigen Christus, dem wir gehören, finden wir hier nicht. Hier regieren Menschen und menschlicher Machtwille, aber nicht Gottes Wort. Wenn man uns zuredet, uns in dies System mitarbeitend einzufügen, so müssen wir sagen: N o n possumus! W i r müssen die Kirche Jesu Christi in unserm Volk anderswo suchen!" (Offener Brief v. 24.9.1934, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, A 6; EBD., 50/403, pag.48f.). 2 3 9 E Z A BERLIN, 7/11067 / R. STUPPERICH, Dibelius [1970], S.76. 240 „Dibelius' Kampfansage gegen die Regierung" (Märkisches Tageblatt v. 18.7.1933). Von Gemeindegliedern der Nikolai-Kirche erreichten Dibelius Zuschriften, die sich empört über die Berichterstattung des .Märkischen Tageblatts' äußerten (vgl. E Z A BERLIN, 7/11067). 2 4 1 Dibelius an E O K v. 18.7.1933 und v. 24.7.1933 (EZA BERLIN, 7/11067). 2 4 2 Völkischer Beobachter v. 21.7.1933. 243 Vgl. z.B. die Anweisung des kommissarischen Kreisleiters der Glaubensbewegung „Deutsche Christen" SCHWITZKE in Luckenwalde v. 18.7.1933: „In Berlin versucht man, die Beurlaubung von Dibelius rückgängig zu machen und ihn wieder als Generalsuperintendenten einzusetzen. Ich bitte morgen sofort Telegramme oder Brieftelegramme an den Ev. Oberkirchenrat ...zu richten, die dagegen auf das entschiedenste protestieren. Daß Unruhen usw. in den Gemeinden zu erwarten sind und sie dann keine Verantwortung übernehmen könnten" (EZA BERLIN, 7/11067). 2 4 4 Die Kreisleitung der N S D A P in Brandenburg/Havel z.B. gibt dem E O K zu verstehen, dass die Wiedereinsetzung von Dibelius „besonders für Brandenburg unerträglich (ist) wegen seines undeutschen Pazifismus sowie seiner Haltung im Kampf zu Führer und Bewegung"; außerdem habe er einen Pfarrer „getadelt für seinen Kampf gegen Freidenkertum und für offenes Bekenntnis zu Führer und Idee" (EZA BERLIN, 7/11067). 2 4 5 Mit welchen demagogischen Methoden die „Deutschen Christen" den Wahlkampf führten, zeigt ein Flugblatt, in dem es heißt: „Wer nicht für die Liste Deutsche Christen ist, ist gegen uns; und wer gegen uns ist, ist gegen die Staatsordnung; und wer gegen die Staatsordnung ist, wird von uns auf der schwarzen Liste geführt und gehört ins Konzentrationslager." (Mitteilung aus der Kirchengemeinde Lankwitz, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 21) - Nach den Wahlen vom 23. Juli wandte sich Dibelius als Vertrauensmann und Sprecher der altpreußischen Generalsuperintendeten direkt an Adolf HITLER und führte Beschwerde darüber, dass wegen der
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
t e i l w e i s e g l e i c h l a u t e n d e T e l e g r a m m e z u z ä h l e n , in d e n e n d e r E O K a u f g e f o r d e r t w u r d e , D i b e l i u s n i c h t w i e d e r in s e i n A m t e i n z u s e t z e n o d e r z u n ä c h s t e i n m a l d i e Wahlen abzuwarten, deren Ergebnis ohnehin die Frage der R ü c k k e h r v o n Dibelius erübrigen w ü r d e . D e m g e g e n ü b e r erreichten den E O K zahlenmäßig nur wenige Vertrauensbekundungen246 für den kurmärkischen Oberhirten, denen aber teilweise u m f a n g r e i c h e Unterschriftenlisten aus den G e m e i n d e n beigegeben wurden. N o c h bevor die Welle der Protest- u n d Vertrauenskundgebungen die oberste K i r c h e n b e h ö r d e erreichen konnte, w u r d e n in E r f ü l l u n g der staatlichen Z u s a g e n die Staatskommissare zurückgezogen u n d die Beurlaubungen der Generalsuperint e n d e n t e n D i b e l i u s , K A R O W u n d S C H I A N a m 19. J u l i w i e d e r a u f g e h o b e n 2 4 7 . D i e Ö f f e n t l i c h k e i t w u r d e aber über diesen V o r g a n g in den T a g e n v o r den Kirchenw a h l e n b e w u s s t i m U n k l a r e n 2 4 8 gelassen. Angesichts der i m m e n s e n Protestwelle erkundigte sich der deutsch-christlich beherrschte E O K bereits zwei T a g e nach der Wiedereinsetzung der Generalsup e r i n t e n d e n t e n b e i m K u l t u s m i n i s t e r i u m , o b bei d e n s t a a t l i c h e n B e h ö r d e n belast e n d e s M a t e r i a l g e g e n d i e G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n SCHIAN u n d D i b e l i u s eingeg a n g e n sei u n d o b d i e s e s M a t e r i a l a u c h d e r K i r c h e n b e h ö r d e z u g ä n g l i c h g e m a c h t w e r d e n könne249. Z u d e m w u r d e i m ,Ruppiner Stürmer', dann auch in anderen
Kürze der Wahlvorbereitungszeit es nicht möglich gewesen sei, „den Sinn der Neuwahlen überall klarzustellen". Die Wahlvorbereitungen seien im Zeichen politischer Gesichtspunkte gestanden, in manchen Gemeinden sei es sogar zu Gewaltmaßnahmen gekommen. Unter diesen Umständen könnten „diese Wahlen nicht eine freie kirchliche Entscheidung darstellen". Dibelius forderte den Reichskanzler auf, um der inneren Einheit und um des Bestandes der Kirche willen dafür zu sorgen, dass „die Staatsführung eine klare Scheidung zwischen politischer und kirchlicher Sphäre vollzieht." Der Reichskanzler wird in diesem Schreiben, das eindeutig die Handschrift von Dibelius trägt, auf das unveräußerliche und nicht zur Disposition stehende Amt der „geistlichen Leitung" hingewiesen: „Als diejenigen, denen das Amt der geistlichen Leitung der Kirche übertragen ist, bitten wir ernst und dringend, unsere evangelische Kirche als das zu erhalten, was sie nach dem Willen ihres Stifters sein soll: als freie Verkünderin des Evangeliums und als Werkzeug echter evangelischer Seelsorge an unserem geliebten deutschen Volk!" (Undatiertes Schreiben in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 21) O b dieses Schreiben überhaupt abgeschickt worden ist bzw. seinen Adressaten erreicht hat, ist nicht nachzuweisen, da es im Archiv der Reichskanzlei nicht vorhanden ist. 2 4 6 Im Namen von 46 kurmärkischen Pfarrern kabelte K. SCHARF noch am 19.7.1933 an den E O K : „Mit großer Sorge erfüllt uns die Nachricht, daß die Beurlaubung der Generalsuperintendenten noch immer nicht aufgehoben ist. Unter Berufung auf unser Schreiben vom 5.7. an den Herrn Reichsminister Dr. FRICK bitten wir kurmärkischen Pfarrer dringend, daß unser kirchlicher Führer Dr. Dibelius sofort wieder voll in sein Amt eingesetzt wird" (EZA BERLIN, 7/11067). 247 EOK an die GenSup. SCHIAN, KAROW und Dibelius v. 19.7.1933 (EZA BERLIN, 7/11066); vgl. Sup. GlELEN (Lehnin) an die Pfarrer des Kirchenkreises v. 15.7.1933 (EZA BERLIN, 50/10). 2 4 8 Lediglich in einigen wenigen Protestschreiben wurde darin eine unzulässige Wahlbehinderung bzw. Wahlbeeinflussung durch den E O K beklagt. 2 4 9 E O K an den Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung v. 21.7.1933 (EZA BERLIN, 7/11067).
Dibelius und die Dialektische Theologie
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Zeitungen, bereits die Forderung nach einer erneuten Beurlaubung von Dibelius öffentlich erhoben 250 . Dibelius war freilich wieder formell im Amt und übte dieses auch aus. Keine Rede also kann davon sein, dass nach dem Wahlsieg der „Deutschen Christen" Dibelius „in loyaler Würdigung der veränderten Lage" selber um seine Beurlaubung gebeten habe 251 , wie es damals in einer Zeit der sich überstürzenden Ereignisse - vielleicht von interessierter Seite aus - verbreitet worden war. Nachdem die Vermutung durchgesickert war, die Gestapo sammle gerade Material, um Dibelius erneut 252 beurlauben oder endgültig seines Amtes entheben zu 2 5 0 D e r Theologiestudent Wilhelm FRENZEL forderte dies in einer öffentlichen Versammlung (vgl. Ruppiner Stürmer v. 21.7.1933). Vgl. auch das Schreiben von Sup. С. GROTTIAN (Gransee) an den E O K v. 24.7.1933, in dem von einem Telegramm des Untergauleiters FRENZEL an den E O K mit der Bitte berichtet wird, die Beurlaubung von Dibelius nicht rückgängig zu machen (EZA BERLIN, 7/11066). 251 Sowohl E. BETHGE (Bonhoeffer, 1986, S.349) als auch K. SCHOLDER (Kirchen I, 1977, S.569) zitieren hier GAUGERs ,Chronik der Kirchenwirren' ( = ,Gotthard-Briefe'), die sich ihrerseits auf eine Meldung der .Vossischen Zeitung' bezieht (vgl. J. GAUGER, Chronik, 1934, S.95; korrekt berichtet z.B. C h W 47, 1933, Sp718). Tatsächlich hatte Dibelius lediglich einen 5-wöchigen Erholungsurlaub beim E O K eingereicht: „Nachdem die Kirchenwahlen vorüber sind, glaube ich, meinen diesjährigen Sommerurlaub antreten zu können. Ich bitte, mich zunächst für die Zeit vom 26. Juli bis 31. August d.Js. zu beurlauben." (Dibelius an E O K v. 25.7.1933, in: E Z A BERLIN, 7/11066; vgl. Dibelius an die Ephoren der Kurmark v. 1.8.1933, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3) Pfarrer K. SCHARF in Sachsenhausen klärte durch ein Schreiben an etwa 50 kurmärkische Pfarrer die in der Öffentlichkeit kursierende Falschmeldung auf: „Gegenüber allen anders lautenden Gerüchten ist daran festzuhalten, daß Herr Generalsuperintendent Dibelius keineswegs von seinem Amt zurückgetreten ist; er hat lediglich Ende Juli einen Ferienurlaub von ca. 5 Wochen angetreten. Er hat selber in einem ausführlichen Schreiben an den E . O . K , und an das Geistliche Ministerium erneut auf die Grundsätze der Freiheit des kirchlichen Amtes hingewiesen." (Schreiben v. 11.8.1933, in: K. SCHARF, Gewissen, 1972, S.29) - Zumindest dem DibeliusBiographen, der diese Falschmeldung unüberprüft übernimmt und getreulich weitertradiert (vgl. R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.216), hätte auffallen müssen, dass eine solche Bitte um Beurlaubung Dibelius' Auffassung vom kirchlichen Amt im Kern widerspricht und auch dem Inhalt seines „Offenen Briefes" an den Staatskommissar stracks zuwiderläuft. Was immer bei Dibelius an seinem zuweilen wankelmütigen Taktieren und Paktieren zu kritisieren ist: Nie und nimmer hat oder hätte Dibelius „in loyaler Würdigung" irgendeiner Lage sein geistliches Leitungsamt von sich aus zur Verfügung gestellt! Dibelius hat immer „den Grundsatz vertreten, daß das geistliche Amt gegenüber den wechselnden Strömungen in den Gemeinden, in der Kirche und im Volk unabhängig bleiben muß. Es ist das für mich ein fundamentaler Satz meines Kirchenbegriffs .., daß das geistliche Amt an und für sich unantastbar ist" (Dibelius an die Ephoren der Kurmark v. 1.8.1933, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). - Entsprechend missverständlich ist es deshalb, wenn auch W.-D. ZIMMERMANN in seiner Auflistung der Ereignisse von 1933 schreibt, Dibelius sei im Oktober auf Grund des Kirchengesetzes über die Errichtung des Landesbischofsamtes in den Ruhestand „getreten" (So habe ich's erlebt, 1980, S.186). 2 5 2 Sup. SCHLAEGER (Neuruppin) berichtete dem E O K mit Schreiben v. 26.7.1933, dass auf einem Pfarrkonvent alle Teilnehmer über die Rückkehr von Dibelus zufrieden seien. „Niemand berichtete von Unruhe in den Gemeinden deswegen. Im Gegenteil: die Beurlaubung hatte erhebliche Unruhe verursacht." (EZA BERLIN, 7/11067). Auch K. SCHARF verfasste wieder eine Eingabe mit beigefügter Unterschriftenliste und schickte sie am 5.8.1933 an den E O K : „Aufs Höchste beunruhigt durch die Zeitungsnotiz vom 26.7.1933, die von einer erneuten Beurlaubung des Herrn Generalsuperintendenten Dr. Dibelius spricht, bitten wir unterzeichneten Gemeindeglieder von Sachsenhausen den Evangelischen Oberkirchenrat gehorsamst, alles zu tun, was in seinen Kräften steht, um uns unseren kirchlichen Führer, der unser volles Vertrauen hat, in der Kur-
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
können, verfasste Dibelius sichtlich entnervt ein an den Oberkirchenrat gerichtetes „Memorandum über die gegen mich betriebene Agitation" 253 , dem er seinerseits ein umfangreiches Begleitmaterial zu seiner Verteidigung beifügte. Nach der Darlegung aller Fakten und der Darstellung seiner eigenen nationalen und staatsloyalen Haltung findet Dibelius erst am Schluss seiner Verteidigungsschrift wieder zu seiner originär „kirchlichen" Linie: Ein Generalsuperintendent, so betont er dort, „ist in erster Linie der Träger eines geistlichen Amtes. Das geistliche Amt aber muß unabhängig sein von den wechselnden Strömungen in Staat und Kirche. Das ist ein fundamentaler Grundsatz evangelischen Kirchentums." 254 Dibelius forderte deshalb vom EOK eine Verständigung darüber, „wie es mit der Fortführung meines Amtes oder mit der Uberleitung in ein anderes Amt 255 werden soll - immer aber so, daß die Unabhängigkeit des geistlichen Amtes dabei festgehalten wird. Es geht mir dabei nicht um mein persönliches Schicksal. Für mich persönlich und für meine große Familie bin ich bereit, jedes Schicksal zu tragen, das aus Gottes Händen kommt. Ich habe in einem viel beachteten Vortrag vor den Berliner Theologie-Studenten die Bereitschaft zum Martyrium 256 für jeden gefordert, der seiner Kirche dienen will. Ich werde diese Bereitschaft auch für meine Person bewähren. Mir geht es um die Kirche. Die Kirche wird ins Herz getroffen, wenn die Agitation eines kleinen Kreises bei günstiger allgemeiner Konstellation einen Generalsuperintendenten ohne weiteres aus seinem Amt entfernen und ihn für die Dauer in der Öffentlichkeit diffamieren kann." 257 2.4.6 Zwangsweise Amtsenthebung und freiwilliges Pastorat in San Remo Zu der von Dibelius gewünschten Verständigung mit dem E O K über den Verbleib im Amt oder über den Wechsel in ein anderes kirchenleitendes Amt kam es nicht. Dibelius wurde formell im Amt belassen bis zum Zusammentritt der
Pfarrer zu ihrem kirchlichen Führer" unter dem Titel heraus: ,D. Dr. Otto Dibelius, wie wir ihn kennen'. Von verschiedenen, nicht näher gekennzeichneten Autoren wird dort Dibelius als Theologe, Prediger, Bischof, Organisator, als ein Mann der Mission und als weitblickender Kirchenführer gewürdigt. Nach Auskunft von K. SCHARF haben dabei u.a. auch ANDLER und C. SCHWEITZER mitgearbeitet, während er selbst lediglich als Mitherausgeber dieser Schrift fungierte. 2 5 3 Dibelius an E O K v. 26.7.1933 (EZA BERLIN, 7/11067, 11 Blätter und 4 Anlagen). 2 5 4 Dibelius an E O K v. 26.7.1933, S.9 (EBD., Blatt 10). 2 5 5 Vielleicht wollte sich Dibelius mit einer am 12.8.1933 eingereichten „Denkschrift über die Errichtung eines Bischofsamtes für die Auslandsgemeinden der Deutschen evangelischen Kirche" (EZA BERLIN, 1 / C 4 / 3 2 , pag.8-15) für die von ihm selbst vorgeschlagene „bischöfliche Leitung" (EBD., p a g . l l ) der zum Kirchenbund gehörenden Auslandsgemeinden empfehlen. Jedenfalls wurde in das neu geschaffene Amt des Auslandsbischofs der Oberkonsistorialrat im Kirchenbundesamt, Theodor HECKEL, berufen, „der für die deutschen evangelischen Gemeinden im Ausland Ausgezeichnetes geleistet hat" (SoSp. v. 29.6.1930; vgl. auch: K: HECKEL, Vater, 1994, S.169-172). 256 v o r t r a g am 14.12.1931 unter dem Titel: „Was erwartet die Kirche von der jungen Theologen-Generation?" (1932). 2 5 7 Dibelius an E O K v. 26.7.1933, S.lOf. (EZA BERLIN, 7/11067, Blatt 10R + 11).
Dibelius und die Dialektische Theologie
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„braunen S y n o d e " , deren Mitglied er kraft A m t e s n o c h w a r . E r s t der deutschc h r i s t l i c h b e h e r r s c h t e u n d v o n d e r G e n e r a l s y n o d e m i t allen V o l l m a c h t e n ausges t a t t e t e K i r c h e n s e n a t h a t a m 6. S e p t e m b e r d e n 5 3 - j ä h r i g e n k u r m ä r k i s c h e n G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t e n z u s a m m e n m i t a n d e r e n i m Z u g e eines u m f a s s e n d e n R e v i r e m e n t s seines A m t e s e n t h o b e n u n d in d e n v o r z e i t i g e n R u h e s t a n d 2 5 8
versetzt.
N a c h d e m „ K i r c h e n g e s e t z ü b e r die E r r i c h t u n g des L a n d e s b i s c h o f s a m t e s u n d v o n B i s t ü m e r n " w u r d e n alle G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t u r e n a u f g e h o b e n . D i e n o c h v e r b l i e b e n e n A m t s i n h a b e r , s o f e r n sie s i c h n i c h t selber s c h o n in d e n R u h e s t a n d v e r a b s c h i e d e t 2 5 9 h a t t e n o d e r a n d e r w e i t i g V e r w e n d u n g f a n d e n , w u r d e n ebenfalls in Pension geschickt260 u n d mussten ihr A m t s k r e u z 2 6 1 zurückgeben. E n t s p r e c h e n d e i n e r V e r s t ä n d i g u n g m i t L . M Ü L L E R , d e m D i b e l i u s bei a l l e m G e g e n s a t z a u c h i m s p ä t e r e n R ü c k b l i c k „ m e h r F o r m a t " 2 6 2 als d e n
„Deutschen
C h r i s t e n " zuerkannte, k o n n t e der entlassene Generalsuperintendent auf seinen „ e i g e n e ( n ) W u n s c h e i n s t w e i l e n die V e r w a l t u n g des P f a r r a m t s i n S a n
Remo"263
ü b e r n e h m e n . V o m 1 . 1 2 . 1 9 3 3 bis z u m 3 1 . 5 . 1 9 3 4 v e r s a h e r in S a n R e m o u n d B o r -
2 5 8 Vgl. L. MÜLLERS Entlassungs- und Dankschreiben an Dibelius v. 12.9.1933 (EZA BERLIN, 7/11066). Dibelius war also bis zu diesem Zeitpunkt - nur unterbrochen durch die Beurlaubung vom 26. Juni bis zum 19. Juli - im Amt des Generalsuperintendenten. Unrichtig ist es deshalb, von einer Zwangspensionierung „durch Staatskommissar JÄGER" zu sprechen (vgl. H . BRAUN / C. NICOLAISEN, Verantwortung Π, 1993, S.651). - Mit dem Hinweis auf diese zwangsweise Amtsenthebung fühlte sich Dibelius entsprechend seinem Amtsverständnis dennoch nach wie vor „im Amt". Er hat deshalb 1945 in seiner „bischöflichen" Funktion sofort das Kirchenregiment und den kirchlichen Wiederaufbau in die Hand genommen, ohne dass ihm dafür eine erneute Beauftragung und Legitimierung durch eine neu zu wählende Synode nötig erschien. 2 5 9 Z.B. die Generalsuperintendenten HAENDLER und VITS und der EOK-Vizepräsident und ehemalige Generalsuperintendent BURGHART. 2 6 0 Außer Dibelius gehörten dazu die Generalsuperintendenten HEGNER, EGER, KALWEIT und SCHIAN (vgl. E Z A BERLIN, 7/1263, pag.295, die Schreiben des E O K v. 7.9.1933 und das Dank- und Abschiedsschreiben von Landesbischof L. MÜLLER an Dibelius v. 12.9.1933, in: E Z A BERLIN, 7/11066). GenSup. VITS kam seiner Amtsenthebung durch sein beim Kirchensenat eingereichtes Pensionierungsgesuch vom 26.8.1933 zuvor (vgl. EBD.). 2 6 1 Brandenburgisches Konsistorium an E O K v. 12.10.1933 (EZA BERLIN, 7/11071). - Dibelius forderte später den Vorsitzenden des Reichskirchenausschusses, GenSup. ZOELLNER, auf, das Unrecht der Zwangspensionierungen - als Zeichen des guten Willens des Ausschusses - wiedergutzumachen, indem die Pensionsbezüge zumindest auf das Wartestandsgeld, wenn nicht auf den vollen Gehalt aufzustocken seien (vgl. Dibelius an ZOELLNER v. 9.3.1936, in: E Z A BERLIN, 7/11066). 2 6 2 Christ, 1961, S.175; vgl. auch C. NICOLAISEN, Dokumente I, S.92 - Wenn Dibelius bereits am 1.12. sein Auslandspastorat angetreten hatte, konnte L. MÜLLER in der Sitzung des Reichskirchenkabinetts am 4.12.1933 diesen wohl kaum als seinen theologischen Berater in Erwägung gezogen haben (gegen T h . M. SCHNEIDER, Reichsbischof, 1993, S.167, Anm.68). 2 6 3 E O K an Frau Helene DIBELIUS v. 11.10.1933. Die Frau des Onkels von Dibelius, des Dresdener Oberhofpredigers Franz DIBELIUS, bat in einer Eingabe an Ministerpräsident GÖRING um eine weitere kirchliche Verwendung von O t t o Dibelius. Helene DIBELIUS erinnerte GÖRING daran, dass Dibelius am 21. März die Predigt bei dem evangelischen Eröffnungs-Gottesdienst für den neuen Reichstag in der Nikolai-Kirche gehalten habe, bei dem er ja selbst anwesend gewesen sei (beide Schreiben in der Personalakte Dibelius: EZA BERLIN, 7/Pers. D 9). GÖRING hielt man in kirchlichen Dingen für ansprechbar, weil bekannt war, dass seine erste Frau ein aktives Gemeindemitglied der evangelischen Kirche war.
Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
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dighera die jeweils i m halbjährlichen T u r n u s z u besetzende Kurpredigerstelle264, hielt
Gottesdienste,
machte
Hausbesuche,
gründete
eine
Gemeindebibliothek
u n d veranstaltete in seiner U n t e r k u n f t , der P e n s i o n „ A u r o r a " , offene A b e n d e , bei d e n e n - u n t e r d e r B e s p i t z e l u n g d e r a l l g e g e n w ä r t i g e n G e s t a p o 2 6 5 -
religiöse
F r a g e n u n d a u c h die k i r c h l i c h e n u n d p o l i t i s c h e n V o r g ä n g e in D e u t s c h l a n d bes p r o c h e n w u r d e n . I m m e r ans S c h r e i b e n u n d P r o d u z i e r e n g e w ö h n t v e r f a s s t e D i belius d o r t d e n A n f a n g e i n e r A u t o b i o g r a p h i e , d e r e n e r s t e n T e i l e r s e i n e r F a m i l i e , die j e t z t e i n e a r m s e l i g e H a l b k e l l e r w o h n u n g in B e r l i n - L i c h t e r f e l d e b e z o g e n h a t t e , z u m Weihnachtsfest 1933 auf den Gabentisch legen ließ266. Dibelius k o n n t e zunächst nur zurückblicken; v o n einer Z u k u n f t in kirchlichen A m t e r n u n d Diensten w a r k a u m n o c h etwas zu erwarten. V o n
seinem
„ P a t m o s " aus v e r t r a u t e e r d e m s c h w e d i s c h e n P r i m a s , E r z b i s c h o f E r l i n g E l D E M i n U p p s a l a , b r i e f l i c h seine E r w a r t u n g e n an seine p e r s ö n l i c h e Z u k u n f t an: „ I c h selbst b i n seit A n f a n g D e z e m b e r h i e r i n San R e m o , u m die K u r p r e d i g e r s t e l l e w ä h r e n d der Saison z u v e r w a l t e n u n d u m gleichzeitig v o n dem, was w i r i m S o m m e r u n d H e r b s t durchlebt und durchlitten haben, A b s t a n d zu gewinnen. Darüber,
daß
m e i n e k i r c h l i c h e W i r k s a m k e i t z u E n d e ist, b i n i c h m i r k l a r . E s k a n n s i c h f ü r d e n Rest meines Lebens nur n o c h d a r u m handeln, hier und da einmal einen kleinen D i e n s t t u n z u d ü r f e n . ... U n d w i r h a b e n n u r das e i n e G e b e t , d a ß d i e K i r c h e i n D e u t s c h l a n d n i c h t den P o l i t i k e r n u n d den geistlichen Dreiviertel-Politikern z u m Raube wird!"267 2 6 4 Dibelius konnte deshalb auch nicht zu der für alle Beteiligten so bewegenden Barmer Bekenntnissynode delegiert werden, die vom 29. bis 31. Mai 1934 stattfand. Dies mag mindestens auch ein äußerer Grund dafür sein, dass bei Dibelius die Barmer Erklärung später eine höchst untergeordnete Rolle spielte. 2 6 5 Vgl. Dibelius' Tätigkeitsbericht v. 22.6.1934 (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 23). Die Gestapo berichtete in einer geheimen Mitteilung v. 10.3.1934, dass Dibelius „vor einem größeren Publikum Vorträge über den evangelischen Kirchenkonflikt in Deutschland hält, in denen die oppositionelle Einstellung des reaktionären Pfarrernotbundes in Schutz genommen und darüber hinaus auch Angriffe gegen nationalsozialistische Grundideen erhoben werden" (LKA BIELEFELD, 5 / N r . l , Bd.327, Fasc.l). Vgl. auch den solche Observationen bestätigenden Bericht von Dibelius an W. NIEMÖLLER v. 11.4.1961 (EBD.) und von Fr.v. BODELSCHWINGH v. 24.2.1934 (C. NICOLAISEN, Dokumente II, S.62, vgl. S.75). 2 6 6 Aus meinem Leben (Masch.Schr. 1933, 110 S.). Ein zweiter Teil (58 S.) entstand Anfang des Jahres 1934 und führt den Leser bis zum Antritt der ersten Gemeindepfarrstelle in Crossen (1907). „Die große Zäsur in meinem Leben ist da. Ich hätte jetzt Zeit zur Stille, so viel als ich mir nehmen mag. Aber es ist nicht die erquickende Ruhe zwischen fruchtbaren Arbeitszeiten. Es ist ein Pausieren inmitten von Ungewißheiten und nicht frei von Bitterkeiten. Es ist Untätigkeit, während daheim das auf dem Spiele steht, woran man das Leben gesetzt hat" (aus dem Vorwort in: Sammlung Grüneisen BERLIN). 2 6 7 Dibelius an ElDEM V. 2.2.1934 (E. MURTORINNE, Eidem, 1968, S.102). Erst jetzt scheint sich bei Dibelius die für seinen Lebensweg schmerzliche Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass sich in Kirche und Staat ein anderer Geist auf kaum absehbare Zeit eingerichtet und seine Herrschaft aufgerichtet hat. Hatte Dibelius mit vielen anderen am Anfang des Jahres 1933 noch geglaubt, dass die nationalsozialistische Herrschaft des „Kubismus" (M. DlESTEL, vgl. oben Anm.191) in der Kirche nur von kurzer Dauer sein würde, so glaubte er nach der Sportpalastkundgebung der „Deutschen Christen" vom 13.11.1933, dass es mit der Herrschaft der „Deutschen Christen" nun endgültig vorbei sei. So heißt es in einem farbigen Bericht, den vermutlich Charlotte v. KIRSCHBAUM über die parallel gehaltenen Sitzungen des Bruderrates und des Pfar-
Dibelius und die Dialektische Theologie
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L a n g e s c h o n w a r es k l a r , dass D i b e l i u s s e i n e n P l a t z n i c h t a u f d e r Seite d e r „geistlichen Dreiviertel-Politiker" haben k o n n t e . V o n A n f a n g an w a r
Dibelius
M i t g l i e d des v o n NLEMÖLLER, v . R A B E N A U u n d S C H A R F a n g e f ü h r t e n P f a r r e r n o t b u n d e s 2 6 8 . E r b e g a b s i c h d a m i t a u f d e n W e g , d e r i h n in die M i t a r b e i t d e r B e k e n n e n d e n K i r c h e u n d i h r e r b r u d e r r ä t l i c h e n O r g a n e a n d e r Seite des u m 2 2 J a h r e j ü n g e r e n K u r t S C H A R F 2 6 9 u n d in d e r N a c h f o l g e des a m 1 . 7 . 1 9 3 7 v e r h a f t e t e n M a r tin
NLEMÖLLER270
führte.
Sein n o c h
in San R e m o
verfasstes
Andachtsbuch
„ H e i m k e h r z u m W o r t " trug schon damals den bezeichnenden u n d klar Position beziehenden
Untertitel:
„Ein Andachtsbuch
aus d e r B e k e n n e n d e n
Kirche"271.
D a s s s i c h d i e B e k e n n e n d e K i r c h e i m m e r w i e d e r n e u i m R ü c k b e z u g auf d i e A n f ä n g e u n d die U r - K u n d e d e r K i r c h e k o n s t i t u i e r e n m u s s , dies z e i g t e D i b e l i u s , ind e m er eine einführende K o m m e n t i e r u n g der ganzen Apostelgeschichte herausgab: „ D i e w e r d e n d e K i r c h e " ( 1 9 3 8 ) 2 7 2 . glaubt, dass die nationalsozialistische Herrschaft des „Kubismus" (M. DLESTEL, vgl. oben Anm.191) in der Kirche nur von kurzer Dauer sein würde, so glaubte er nach der Sportpalastkundgebung der „Deutschen Christen" vom 13.11.1933, dass es mit der Herrschaft der „Deutschen Christen" nun endgültig vorbei sei. So heißt es in einem farbigen Bericht, den vermutlich Charlotte v. KIRSCHBAUM über die parallel gehaltenen Sitzungen des Bruderrates und des Pfarrernotbundes (am 14. und 15.11.) im Hause JACOBI erstellt hat: „Auch O t t o der Große war siegestrunken geworden und sprach von einem Rannenberg', das den D . C . jetzt zu bereiten sei" (Abschrift eines Briefes v. 18./19.11.1933 ohne Angabe der Absenderin und des Adressaten in: K B A BASEL). 2 6 8 Vgl. C h w 47, 1933, Sp.1156; E. WOLF, Kirchenkampf, 1959, Sp.1447). 2 6 9 Vgl. G. HARDER, Tätigkeit, 1965, S.199. 2 7 0 Vgl. W . NIESEL, Kirche, 1978, S.34; M. SCHREIBER, Pereis, 1989, S.107, Anm.26 - Nach der Verhaftung NlEMÖLLERs am 1. Juli 1937 hielt Dibelius im Hause NlEMÖLLER eine Andacht. A m Sonntag danach (4.7.1937) übernahm Dibelius den Gottesdienst in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche und predigte über 2Tim 2,8-10 („...daß ich gebunden bin wie ein Übeltäter; aber Gottes Wort ist nicht gebunden..."). Dibelius verlas dabei zuerst das Wort des Bruderrats der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, das die Gemeinden über die Verhaftung NlEMÖLLERs in Kenntnis setzte und predigte dann über 2Tim 2 unter dem Thema „Gottes Wort ist nicht gebunden!" (vgl. Predigt-Vervielfäligung, in: Sammlung Zimmermann BERLIN). Zunächst übernahm Dibelius, dann Helmut GOLLWITZER den Konfirmanden-Unterricht in NlEMÖLLERs Gemeinde (vgl. Unterwegs, 1982, S.74 u. 81ff.; G. SCHÄBERLE-KOENIGS, Einmütig beieinander, 1996, S.32f.). 2 7 1 Der anfängliche Arbeitstitel lautete: „Die tägliche Bibel". Dibelius vereinbarte mit M. NlEMÖLLER, die Verbreitung des Buches vor allem über den Pfarrernotbund zu betreiben, und stellte dem Göttinger Verleger Wilhelm RUPRECHT sogar ein oder zwei weitere solcher Andachtsbücher in Aussicht (vgl. Dibelius an RUPRECHT v. 1.5.1934 u. v. 14.6.1934, in: Sammlung Ruprecht GÖTTINGEN; vgl. dazu auch R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.220-223, und DERS., Kirchenkampf, 1992, S.36f.). - Im ,Berliner Evangelischen Sonntagsblatt', für das Dibelius früher die ,Wochenschau' schrieb, wurden schon im Februar „Wünsche eines Laien für ein neues Andachtsbuch" geäußert (BES v. 4.2.1934; vgl. auch die Besprechung des Andachtsbuches durch G. NOSKE in: BES, Nov. 1934). Dibelius blieb auch weiterhin dem Sonntagsblatt verbunden und stellte diesem bis zur Zerstörung des Verlagsgebäudes im Jahr 1941 - anonym zu veröffentlichende - Artikel zur Verfügung (Auskunft von Pfarrer G. NOSKE, der am 1.4.1933 in der Nachfolge von A. KAPLER die Leitung des Christlichen Zeitschriftenvereins und die Hauptschriftleitung seiner Blätter, auch des ,Berliner Evangelischen Sonntagsblatts', übernahm). 2 7 2 Als Motto stellt Dibelius seiner Erklärung ein Wort von Wilhelm LÖHE über die Apostelgeschichte voran: „In dem Buch ist immer Pfingsten ... Ich sehe, ich sehe, ich schaue, ich staune über den Frühling der Kirche!"
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
2.4.7 Barth und Dibelius als Exponenten der Bekennenden Kirche In der Bekennenden Kirche standen die beiden ehemaligen Antipoden, BARTH und Dibelius, gewiss nicht für dasselbe Modell von Kirche, aber sie kämpften auf der gleichen Seite der politischen und kirchenpolitischen „Front". Zwei Stimmen seien erwähnt, die je aus ihrer Position heraus und aus ihrer je eigenen Distanz zur Kirche die Bedeutung des Kontrahenten-Paars BARTH-Dibelius beleuchten: Schon vor der Zeit des Kirchenkampfes nahm Wilhelm STAPEL, der theologisch durch seine Volks-Nomos-Theologie und publizistisch durch seine Zeitschrift ,Deutsches Volkstum' hervortrat und die gottgewollte Sendung des Nationalsozialismus propagierte, Dibelius aufs Korn und rechnete ihn wegen seines ökumenischen Engagements zu den internationalismusverdächtigen „Melanchthoniden" 273 In einer interessanten und amüsanten Wendung kennzeichnete er seinen je unterschiedlichen Abstand zu den beiden Kontrahenten BARTH und Dibelius. Er rückte dabei von Dibelius, der ihm unter dem Gesichtspunkt deutschnationaler Gesinnung eigentlich näher hätte stehen müssen, noch weiter ab als von dem an ökumenischen Dingen zunächst gar nicht interessierten BARTH274. STAPEL ließ sich dazu folgendes Bonmot einfallen: „ich will lieber von Karl BARTH auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden als von seinem Gegner Dibelius einen kirchlichen Verdienstorden auf den verklärten Busen geheftet bekommen" 2 7 5 . Die innertheologische Gegnerschaft von BARTH und Dibelius hatte also nicht zur Folge, dass sich die Anhänger des Nationalsozialismus gegen BARTH und damit für Dibelius aussprachen; die kirchenpolitische Frontlinie verlief sozusagen rechts dieser beiden Antipoden. Dies war bereits im Jahr 1933 auch für einen prominenten Exil-Deutschen erkennbar, der BARTH und Dibelius in einem Atemzug als Exponenten der NaziGegnerschaft nennen konnte. Kein geringerer als Thomas MANN, der mit großem Wohlwollen und Vergnügen BARTHS Schrift „Theologische Existenz 2 7 3 Dibelius wehrte sich gegen den Vorwurf STAPELS, in Stockholm und Lausanne sei auf ökumenischer Ebene „Religionsmixerei, kirchliche Kartellbildung und christliche Betriebsrationalisierung" (SoSp. v. 13.1.1929) veranstaltet worden. Zugleich beklagte Dibelius, dass STAPEL seine Attacken gegen einzelne Persönlichkeiten der ökumenischen Bewegung richte: „IHMELS natürlich, der sei kein .Melanchthonide'. Wohl aber DEISSMANN und SlEGMUND-SCHULTZE. U n d nun auch, auf daß eine Zielscheibe für Invektiven da sei, der Generalsuperintendent der Kurmark. Es steht ihm frei, gegen einzelne zu schreiben, was ihm beliebt. Aber daß er mit Argumenten gegen die Sache auf die einen losschlägt und vor den andern, die in derselben Sache stehen, eine Verbeugung macht, das kann ihm nicht durchgelassen werden. ...Die ökumenische Arbeit ist nicht die Sache einzelner Typen innerhalb unserer Kirche... Sie ist eine Sache der Kirche selbst und wird es bleiben" (SoSp. v. 10.2.1929). 2 7 4 BARTH bezog die Kritik an dem „violetten" Kirchentum in Deutschland auch auf die Ökumene, wie es in einer vertraulichen Denkschrift des Schweizer Okumenikers A. KELLER von Anfang 1932 dargelegt wurde: „Karl BARTH kritisiert Life and Work immer wieder als eine Bewegung, die nicht mit dem Wesentlichen beginne und die eigentliche N o t der Kirche nicht angreife." (zit. nach: A. BOYENS, Kirchenkampf und Ökumene, 1969, S.34) Zudem hatte BARTH eine Aversion gegen alles, was für sich beanspruchte, eine „Bewegung" zu sein (vgl. E. BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.277). 2 7 5 W. STAPEL, Die violette Kirche (Deutsches Volkstum, 1931, S.935).
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heute!" gelesen hatte, notierte am 3.9.1933 in seinem Tagebuch: „Der einzige Trost im Anblick all dieses Auf dem Bauch liegens ist die Schrift des Theologen Karl BARTH. Ein anderer, Dibelius, nimmt immerhin, bei größerer Nachgiebigkeit, den Protestantismus ebenfalls gegen Staat und Nationalsozialismus in Schutz. Nur in dieser Sphäre und von dieser Seite (her) scheint ein gewisser Widerstand, ein gewisses Sich aufrecht halten möglich." 276 Nachdem BARTH 1934/35 seines Lehramtes in Bonn enthoben worden und in seine Geburtsstadt Basel zurückgekehrt war, orientierte sich das nationalsozialistische Feindbild an dem Kirchenrepräsentanten Dibelius und an dem Dahlemiten NlEMÖLLER. An höchster Stelle interessierte man sich für die Prozesse (1937/38) gegen die beiden bekennenden Kirchenführer 277 . Für den Fall eines Kriegsbeginns standen Dibelius und NlEMÖLLER auf der nationalsozialistischen Proskriptionsliste an oberster Stelle 278 . Nachdem bereits NlEMÖLLER am 1.7.1937 verhaftet und dann im März 1938 als „persönlicher Gefangener des Führers" ins Konzentrationslager Dachau verschleppt worden war, sorgte die Bekennende Kirche dafür, dass Dibelius nur noch im kirchlichen Hintergrund und im politischen Untergrund tätig war, um damit einem Anlass oder Vorwand zur Festsetzung des Generalsuperintendenten durch die Nationalsozialisten vorzubeugen. 2.4.8 Die Predigt am „Tag von Potsdam" und ihre Wirkungsgeschichte Wenn man Dibelius' Predigt am „Tag von Potsdam" in ihren zeitgeschichtlichen und biographischen Kontext einbettet, dann muss ihre Wahrnehmung und Beurteilung weit über das wortwörtliche Verstehen des heute gedruckt vorliegenden Textes hinausgehen. Denn die Predigt expliziert nicht nur den Prediger, sondern die Person des Predigers ist zugleich auch der Verstehenshintergrund für die Predigt. Der Wortlaut der Predigt ist nicht zu trennen von der sie umgebenden Situation und auch nicht von der sie prägenden Person. Das hervorstechende Kennzeichen dieser Predigt scheint - zumal beim Lesen aus dem geschichtlichen Abstand und mit dem heutigen Erfahrungswissen - ihre national-nostalgische und die rechtsstaatlich höchst bekenkliche staatsautoritäre Botschaft zu sein. Legt man allein diesen Maßstab an, ist es leicht, von einer der Situation angepassten und die politischen Inhalte der neuen Zeit bestätigenden Predigt zu sprechen. In höchsten Erklärungsnotstand gerät man allerdings spätestens dann, wenn man zur Kenntnis nimmt, welche massive Agitation sich bereits vor dem „Tag von Potsdam" von der nationalsozialistischen und deutsch-christlichen Seite aus gegen die Person von Dibelius richtete und den Generalsuper-
T h . MANN, Tagebücher, zit. nach: A. LlNDT, Totalitarismus, 1981, S.162. Vgl. den Tagebucheintrag von GOEBBELS 0 . GOEBBELS, Tagebücher 1/3, S.220). Zur ganzen Auseinandersetzung von Dibelius mit KERRL vgl. oben S.298ff. 2 7 8 Kaum eine Verlautbarung des Brandenburgischen Bruderrats wurde im Entwurf nicht von Dibelius verfasst, von K. SCHARF dann aber überarbeitet und unterzeichnet (Auskunft von K. SCHARF; vgl. auch H . LlLJE, Memorabilia, 1973, S.144). 276
277
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
intendenten erst recht nach dem „Tag von Potsdam" zum Brennpunkt des kirchenpolitischen Kampfes werden ließ. Dass diese gegenläufigen Intentionen und Interaktionen sich nicht einfach auf eine Geschichte gegenseitiger Missverständnisse zurückführen lassen, stellt einer der schärfsten, aber gerade in seiner Schärfe hellsichtigen Gegner von Dibelius unter Beweis. Max GREVEMEYER wies in seiner schon erwähnten Kampfschrift gegen Dibelius auf den tiefsten und den entscheidenden Grund für die Unvereinbarkeit deutsch-christlicher Zielsetzung mit der Person des kurmärkischen Generalsuperintendenten hin. Nicht ist es ein Mehr oder Weniger an nationaler Gesinnung, das hier über Ablehnung oder Anerkennung dieses Kirchenführers entscheidet; der Streitpunkt liegt vielmehr in dem, was Dibelius das „Jahrhundert der Kirche" genannt hat. So warnte der verständige Pamphletist davor, man dürfe sich nicht von den national gefärbten und politisch angepassten Verlautbarungen des Generalsuperintendenten täuschen lassen: „Die Politik ist ihm eben nicht Herzenssache. Er ist Kirchenmann und will weiter nichts sein. Die Haltung des Generalsuperintendenten ist in seiner Auffassung von der Kirche, in seinem Kirchensystem begründet. Auf das müssen wir darum unser Auge richten, wenn wir ihn verstehen wollen. Sein Kirchensystem ist mit einer gewissen Zwangsläufigkeit unter den Novemberregierungen erwachsen und findet aus diesen Umständen seine Erklärung. Wenn wir hier von dem System Dibelius sprechen, so wollen wir nicht mißverstanden werden. Die Ansichten, die Dibelius vertritt, teilten und teilen mit ihm auch andere Männer der Kirchenleitung ... Wir dürfen nur annehmen, daß Dibelius, der beredteste und gewandteste unter ihnen, als typischer Vertreter der letzten Phase der Kirche des bürgerlichen Zeitalters betrachtet werden kann." 279 In den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des Jahres 1933 und damit exemplarisch im Kampf gegen Dibelius ging es also darum, ob sein aus der November-Revolution hervorgegangenes Kirchensystem, d.h. das „Jahrhundert der Kirche", noch Bestand haben kann, oder ob es bereits einem vergangenen Zeitalter angehört, das nun von den „Deutschen Christen" abgelöst werden muss. Für das deutsch-christliche und nationalsozialistische Vorverständnis, mit dem dann auch die Predigt am „Tag von Potsdam" gehört wurde und an dem diese Predigt dann auch gemessen wurde, heißt dies: gerade die christologisch fundierten, ideologiekritischen Grundlegungen der Predigt (1. Teil) und die ekklesiologisch motivierten Vorbehalte auch gegen den nationalen Staat (2. Teil) hatten in ihrer unmittelbaren Wirkungsgeschichte das Übergewicht. Sie wiesen Dibelius in den Augen seiner Gegner nicht als einen Mann der am Beginn eines neuen „Jahrhunderts" stehenden Kirche aus, sondern als einen Mann der Jahrhunderte alt gebliebenen Kirche, eben als den „typische(n) Vertreter der letzten Phase der Kirche des bürgerlichen Zeitalters".
279
M. GREVEMEYER, Wort, 1933, S.U.
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Die Predigt am „Tag von Potsdam" kann in dem dargestellten historisch-kontextuellen Wirkungszusammenhang als Beispiel dafür gelten, dass Dibelius nicht, zumindest nicht nur, von seiner noch der Tradition verhafteten national-konservativen Grundhaltung her verstanden und nicht allein darauf festgelegt werden kann, sondern dass diese Grundhaltung „kirchlich" überlagert, korrigiert und relativiert wird von der geschichtlich nach vorne und inhaltlich auf das Evangelium weisenden Neuentdeckung des „Jahrhunderts der Kirche". Dibelius wollte seine Predigt am „Tag von Potsdam", wie seine Hinweise auf den Rundbrief vom 8. März gegenüber HEUSS und BARTH zeigen, als Bewährung seiner Botschaft vom „Jahrhundert der Kirche" verstanden wissen. Der Einbruch des Nationalsozialismus bedeutete für ihn nicht in erster Linie die Erfüllung nationaler Sehnsüchte, sondern war eine Herausforderung für die bleibende Geltung des „Jahrhunderts der Kirche". So wahrte Dibelius seinen kritischen Abstand auch gegenüber der nationalen Erhebung; denn für ihn entstand durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten keine das Wesen, die Aufgabe und die Haltung der Kirche verändernde „neue Lage"280. Wenn „kirchlich" keine neue Lage entstanden sein mag, dann darf dies nicht blind oder gleichgültig machen gegenüber einer neuen politischen Konstellation. Gerade in dieser - politischen - Lagebeurteilung unterschied sich Dibelius von HEUSS und von BARTH, die nun eben doch bereits Zeichen und Sachverhalte namhaft machen konnten, in denen eine neue, Kirche und Gesellschaft in Mitleidenschaft ziehende Zeit sich nicht nur ankündigte, sondern schon schrecklich wirksam geworden war. Dass Dibelius in der nationalsozialistischen Machtergreifung keine „neue Lage" sehen wollte, wirkte sich einerseits aus bis hin zu einer - trotz des Stuttgarter Schuldbekenntnisses von 1945 - nur zögerlichen „Vergangenheitsbewältigung" und einer nur halbherzigen „Entnazifizierung" 281 der 280 д е п п m i r heute einer von den Millionen begegnet, die mit leidenschaftlicher Zuversicht den 5. März als den Anfang einer neuen Geschichtsepoche betrachten und von ihrer Kirche erwarten, daß sie sich mit allen ihren Kräften dem neuen Aufbau zur Verfügung stellt, - dann werde ich ihm sagen, daß die evangelische Kirche mit ihrer Predigt und ihrer Seelsorge immer aufbauende Arbeit zu leisten versucht, und daß ihre Arbeit immer der Ausprägung eines festen nationalen Staatswesens zugute kommt, daß darum für sie keine neue Lage geschaffen ist, sondern daß sie nur versuchen kann, ihre alte Arbeit mit neuer Treue zu tun. Der andere wird das hören und - wird es als Verständislosigkeit für die neue Zeit und als kühle Abweisung der nationalen Bewegung durch die eigene Kirche empfinden! Es ist schmerzlich, daß es so ist.., aber es kann und darf uns nicht irre machen in dem, was unsere eigentliche Aufgabe im Dienste unseres Amtes ist" (RdBr. v. 8.3.1933). 2 8 1 Dass sich das Jahrhundert der Kirche" gegenüber den Verlockungen und Versuchungen des „Dritten Reiches" als resistent erwiesen hatte, kann über seine auch in der Rückschau ambivalent gebliebene Beurteilung des nationalsozialistischen Faschismus nicht hinwegtäuschen. Dibelius brachte, wie es scheint, in der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte weder die Kraft noch die Einsicht auf, aus der Tatsache, dass der Nationalsozialismus mit allem, was in dieser Zeit geschah, eine neue geschichtliche Qualität - mithin eine „neue Lage" - hervorbrachte, die entsprechenden personellen Konsequenzen zu ziehen. Im Zusammenhang einer nur halbherzig durchgeführten innerkirchlichen Entnazifizierung hatte die amerikanische Militärregierung in Berlin Anlass, dem Berliner Bischof vorzuhalten, dass die evangelische Kirche nur „halbe ...Maßnahmen ...zur Bereinigung der eigenen Reihen bis jetzt ergriffen hat": „Wir haben erfahren, daß Sie als Bischof etwa
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Kirche. Dies brachte auf der anderen Seite die Nationalsozialisten gegen Dibelius auf; denn sie priesen die „Machtergreifung" als den Beginn einer neuen Epoche, die schlechterdings nichts mehr mit der alten, verhassten Systemzeit zu tun haben wollte 282 . Dibelius jedoch war und blieb auch am „Tag von Potsdam" dem „Jahrhundert der Kirche" verpflichtet: Der Prediger des „Jahrhunderts der Kirche" konnte nicht auch der Propagandist des „Tausendjährigen Reiches" sein. Insofern hatte der ,Reichsbote' in einem weit tieferen Sinne, als es wohl damals gemeint sein konnte, recht, wenn er im Blick auf die Predigt von Dibelius hervorhob, der
20 evangelische Kirchenmänner, welche die Lehren und Taten der Nationalsozialisten unterstützten, schon vor Beginn der Entnazifizierung aus ihren Amtern entfernt haben. Wir glauben, daß Sie damit den richtigen Kurs eingeschlagen haben. Zahlreiche Parteimitglieder stehen jedoch immer noch im aktiven Dienst Ihrer Berliner Kirche. Sie haben sie nicht aus dem Amt entlassen, und es scheint sogar, als wenn Sie sie entlasten und im Amt belassen wollen. Einige von ihnen waren während der gesamten Hitlerherrschaft - von 1933 bis 1945 - Parteimitglieder, manche waren sogar Mitglieder der Deutschen Christen-Bewegung, andere gehörten der SA an, und wenigstens einer war förderndes Mitglied der SS" (Office of Military Government U S Berlin District an Dibelius v. 2.8.1946, in: Landesarchiv BERLIN 4/133 - 1/1 O M G B S DirOff). In seiner Antwort erklärte Dibelius, dass für die personelle Reinigung der Kirche nicht politische, sondern ausschließlich kirchliche Gesichtspunkte leitend seien, die u.U. sogar weitreichender seien, weil die Kirche einen Pfarrer nicht an seiner politischen Haltung oder seiner parteipolitischen Zugehörigkeit, sondern an der Predigt des Evangeliums zu messen habe. Denn, so belehrte er die quasistaatliche Militärregierung über sein eigenes - und wie er behauptete: mit den Kirchen der ganzen Welt übereinstimmendes - Kirchenverständnis, „the Church Administration cannot dismiss her pastors from their pastoral duties in the parishes by an order of the state. This principle is an essential element of the religious independence of the Christian Church. A Church depreciating that principle would become the tool of the political power... F o r this principle ...the Confessional Church fought her fight against the Nazi State with the greatest sacrifices. N o r can she give up that principle now" (Dibelius an die amerikanische Militärregierung v. 30.8.1946, in: EBD.). Die Frage der Schuld am 2. Weltkrieg konzentrierte sich bei Dibelius allein auf die Person HlTLERs: „In bezug auf den zweiten Weltkrieg habe ich immer die alleinige konkrete Schuld bei Adolf HITLER gesehen und habe der Politik der Westmächte immer nur zum Vorwurf gemacht, daß sie HITLER habe so groß werden lassen" (Dibelius an ULLMANN V. 28.6.1949, in: B A KOBLENZ, N L Ullmann). 2 8 2 Dibelius stellte sich und seiner sonntäglichen Leserschaft anfänglich selber die Frage: „Episode oder neue Epoche"? Wenn die „Machtergreifung" wirklich eine neue Epoche eingeleitet hätte, dann wäre nach dem Epochenverständnis von Dibelius das „Jahrhundert der Kirche" schon zu Ende, das ja mit der Revolution von 1918 erst begonnen und nach Dibelius das „Mittelalter" abgelöst hatte. Im Rundbrief vom 8.3.1933 kehrt Dibelius wieder auf den Boden seiner Anschauung zurück und konstatiert, dass aus dem Blickwinkel der Kirche gesehen keine neue Lage entstanden sei (vgl. oben S.385f.). - Ein konträr anderes Epochenverständnis vermittelte der .Völkische Beobachter': „Am 21. März vergeht aber endlich auch das Mittelalter. Diese Epoche, wenn auch getragen von germanischer Größe, zeugte doch den unheilvollen Seelenkonflikt der kirchlichen Konfessionen mit der Folgerung, diesen Geisteskampf auch auf die Machtpolitik zu übertragen" (zit. nach PrBl 66, 1933, Sp.224). Dementsprechend sollten in den Schulen am 21. März Schulfeiern abgehalten werden; die Schüler sollten die Rundfunkübertragung aus der Garnisonkirche mithören; von der Schulleitung sollte ihnen dabei vermittelt werden, „daß sie hier den Beginn einer neuen Epoche deutscher Geschichte unter dem Zeichen des völkischen Staatsgedankens miterleben" (aus dem Erlass von Reichskommissar RUST an die Schulen in Preußen, in: KrZ v. 19.3.1933).
Dibelius und die Dialektische Theologie
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Prediger habe sich „würdig und geschickt" an der Sinndeutung des großen Tages beteiligt und „freimütig und tapfer" das Amt der Kirche zu wahren verstanden283. 2.5 Zum Differenzpunkt zwischen Barth und Dibelius Mit dem bedeutsamen Briefwechsel zwischen Dibelius und BARTH im März 1933 wurde eine Gemeinsamkeit sichtbar, die auf den ersten Blick durch die Herausforderungen des beginnenden Kirchenkampfes und in der Auseinandersetzung mit der politischen Ideologie der „Deutschen Christen" und der Kirchenpolitik des Nationalsozialismus erklärt werden könnte. Es stellt sich aber die Frage, ob eine solche Nähe ihre Begründung und Ermöglichung eben nicht nur in der neuen, anfänglich durchaus verschieden beurteilten „Lage" und in der zeitlich befristeten Solidargemeinschaft der Bekennenden Kirche hatte. Vielmehr zeigt sich hier eine Ubereinstimmung in der „Sache", die in einer auch schon zur Zeit der öffentlichen Gegnerschaft der beiden Antipoden vorhandenen, aber noch verborgen gebliebenen Gemeinsamkeit begründet zu sein scheint. Insofern wären die theologischen Reibungspunkte zwischen BARTH und Dibelius nicht ohne ihre Berührungspunkte zu erfassen, die Konkurrenz der beiden Positionen nicht ohne die ihr innewohnende Kongruenz. Die ursprünglichen Gegensätzlichkeiten lagen offen zutage und waren vor aller Augen. Deshalb will es zunächst so scheinen, dass eine Nähe nur befristet auf die Zeit des Kirchenkampfes und auf Grund einer gemeinsamen Frontlinie zustande kam. Geschichtlich richtig geurteilt ist es deshalb, dass die Nähe zwischen beiden Antipoden in der Zeit des Kirchenkampfes ablesbar war, „als BARTH und Dibelius im Kirchenkampf zusammenstanden", wie E. LESSING im Anschluss an K. SCHOLDER feststellt284. Man wird aber in Anlehnung und Weiterführung des von SCHOLDER Gesagten und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Bekennende Kirche ein Sammelbecken von Menschen durchaus unterschiedlicher politischer, theologischer, kirchlicher, sozialer Herkunft, Zugehörigkeit und Zielsetzung war, differenzierter formulieren müssen: BARTH und Dibelius standen in der Zeit des Kirchenkampfes sachlich auf der gleichen Seite, aber sie standen nicht Seite an Seite. Denn es gibt, soweit es zu übersehen ist, in dieser Zeit keine Bezugnahmen aufeinander und keine Beziehungen zueinander. Viel eher wäre, was Dibelius betrifft, für diese Zeit von einer persönlichen und räumlichen Nähe zu Martin NlEMÖLLER zu sprechen, der mit seinem politischen und kirch„Der Tag von Potsdam" (RBo. v. 23.3.1933). E. LESSING, Selbständigkeit, 1989, S.426. SCHOLDER betont in seinem Gedenkvortrag entgegen dem gängigen Klischee eher die sachliche Nähe und belegt diese Nähe mit dem gemeinsamen Kampf in der Zeit des „Dritten Reiches"; andererseits sieht er die Differenz mehr in der Methode, im Denkstil und in der Sprache: In „der Sache standen sich die beiden Männer näher als sie wahrhaben wollten. Die - freilich folgenreiche - Differenz lag eher in der Methode: was der eine nur dialektisch begreifen konnte, waren für den anderen ganz einfache, undialektische Wahrheiten. Den Beweis für die sachliche Nähe lieferte der Fortgang der Geschichte, nämlich Dibelius' Weg im Dritten Reich" (K. SCHOLDER, Dibelius, 1981, S.95, vgl. 1983, S.328, / 1992, S.328). - Aber war nicht gerade die Methode und die „Sprache" der Anlass für BARTHS Ruf zur Sache und sein Wort zur Lage? 283
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liehen Nonkonformismus freilich dann in den Anfangsjahren der EKD den evangelischen Kirchenführern mancherlei Schwierigkeiten bereitete285. Wenn auch noch für die Zeit des Kirchenkampfes eine Unterscheidung der beiden Positionen von BARTH und Dibelius möglich und notwendig ist, so muss umgekehrt für die Zeit außerhalb des Kirchenkampfes auch eine gewisse Nähe feststellbar sein. Denn Nähe und Distanz in der Sache wird nicht nur in zeitgeschichtlichen Zusammenhängen zu bewerten und nicht nur unter dem Vorzeichen bestimmter politischer Konstellationen abzulesen sein, wenn anders es beiden Kontrahenten wirklich um die von ihnen gemeinte Sache in aller Grundsätzlichkeit ging. Jedenfalls wird man den Differenzpunkt zwischen diesen beiden Antipoden nicht begreifen, wenn man nicht die eine ganz bestimmte Nähe einschließende Distanz und zugleich die die Gegensätze nicht verwischende Nähe beider Positionen in den Blick bekommt. Umso schwieriger wird dann der wirkliche Differenzpunkt 286 auszumachen sein, und er wird sich in dem verschränkten Beieinander von Nähe und Distanz nur annäherungsweise darstellen lassen. Jedenfalls wird dabei keine harmonisierende Synthese, aber auch nicht eine beziehungslose und kontradiktorische Diastase287 darstellbar oder gar herstellbar sein. Vielmehr wird man in der dialektischen Verschränkung von Nähe und Distanz einer ursprünglichen Einheit der Anliegen beider ansichtig - wenigstens in der Weise, wie zwei Kontrapunkte wohl nicht einen Gleichklang, aber hie und da einen überraschenden Zusammenklang hörbar machen können. Eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den beiden Großen288 aus Kirche und Theologie muss dort ansetzen und kann dort wenigstens anfangen, wo uns durch 2 8 5 Trotzdem nahm Dibelius in seiner „Nibelungentreue" NIEMÖLLER gegenüber der Öffentlichkeit immer so weit wie möglich in Schutz. Ein Ausweis für die Freundschaft und Verbundenheit auch über die Verschiedenheiten der Meinungen und der persönlichen Art hinweg mag die Tatsache gelten, dass Dibelius' letzte öffentliche Äußerung diesem Mann galt, der ihm immerhin vorwerfen konnte, er, Dibelius, sei zwar ein Mann der Kirche, aber niemals ein Mann der Bekennenden Kirche gewesen (vgl. Christ, 1961, S.142). Von seinem schweren Krankenlager aus grüßte Dibelius den früheren Kampfgefährten zu dessen 75. Geburtstag (Martin Niemöller zum 75. Geburtstag, in: Der Tagesspiegel v. 14.1.1967). 2 8 6 Der Differenzpunkt wäre in biographischer und sozialgeschichtlicher, historischer und dogmatischer Hinsicht aufzufächern, was den Rahmen dieser Studie sprengen würde. In einem aufwendigen Diskurs unternimmt W. KRÖTKE den Versuch, die kontroverse Ekklesiologie am unterschiedlichen Gottesverständnis von Dibelius und BARTH festzumachen (vgl. W. KRÖTKE, Herrlichkeit, 1989, S.437-450). Dass dieser Versuch nicht überzeugend ausfällt, liegt daran, dass Dibelius und BARTH nicht in dieser Weise miteinander dogmatisch verglichen oder gar gegeneinander ausgespielt werden können. Wenn schon der Differenzpunkt systematisch angegangen werden soll, dann müsste er ohnehin im Bereich des 3. Glaubensartikels und im Zusammenhang mit der Ekklesiologie und Pneumatologie manifest werden. 2 8 7 Eine plakative, aber allzu schlichte Reduzierung des Gegensatzes zwischen BARTH und Dibelius, die weder historisch noch sachlich gerechtfertigt ist, nimmt Chr. STAPPENBECK vor, wenn er die „evangelische Wort-Kirche", die Karl BARTH verpflichtet ist, der „dibelianischen Macht-Kirche" gegenüberstellt (Chr. STAPPENBECK, Panniculus, 1991, S.30). 2 8 8 „Otto der Große", so wird Dibelius in dem schon zitierten Bericht (verfasst von Charlotte von KIRSCHBAUM) genannt, der über die „Notbund"-Gespräche im Hause JACOBI nach dem „Sportpalastskandal" vom 13.11.1933 Auskunft gibt (Abschrift im K B A BASEL). Auch Helene
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Dibelius und BARTH selbst immerhin kleine, aber bedeutsame Hinweise und Winke an die Hand gegeben werden. 2.5.1 Getrennt „durch Messers Breite, aber abgrundtief" Schon bei dem Nachwort BARTHS zu seinem Berliner Vortrag wurden wir auf die eigentümliche Formulierung aufmerksam, in der BARTH nicht nur den himmelweiten Abstand und den beziehungslosen und durch nichts zu vermittelnden Gegensatz zu dem „ganze(n), die Sprache von D. Dibelius redende(n) Kirchentum" 289 gleichsam präventiv und ein für allemal jeglicher Geschichtsschreibung zu Protokoll gegeben hatte. Jeder Leser sollte sich darüber klar sein, „daß er sich zwischen D. Dibelius und mich nicht in eine noch so kluge, noch so vornehme, noch so christliche Mitte stellen kann." Wenn man sich aber zwischen zwei Positionen nicht in eine noch so kluge, vornehme oder christliche Mitte stellen kann, dann ist damit auch gesagt, dass die beiden so weit voneinander geschiedenen Positionen in ihrem womöglich gemeinsamen Anliegen zugleich so nah beieinander sind, dass eine sozusagen arithmetisch zu errechnende oder geometrisch zu vermessende Mitte gar nicht mehr möglich und dass ein Standort oder ein Standpunkt in der Mitte ausgeschlossen ist. Mit einer besonders einprägsamen, fast klassisch zu nennenden Wendung bestätigt BARTH dieses spannungsvolle Ineinander von Nähe und Distanz im ruhigeren, aber nicht weniger leidenschaftlichen Ton des ersten Bandes seiner ,Kirchlichen Dogmatik' (KD). Diese Wendung findet sich an der Stelle, wo BARTH sich mit den Generalsuperintendenten Dibelius und SCHIAN als den Exponenten des „Ecclesiam habemus" und damit auch „mit der herrschenden Richtung in der Kirche", darüber hinaus und zugleich aber mit der „herrschende(n) Richtung auch in der pietistischen Gemeinschaftsbewegung"290 auseinandersetzt. Die Gemeinsamkeit bestehe darin, „daß es gerade hier in bezug auf Glaube, Liebe und Hoffnung, in bezug auf Denken und Leben, in bezug auf Welt und Kirche ums Ganze geht". Noch einmal erhebt BARTH warnend die Stimme, in diesem Streit das Gemeinsame nicht in einem additiven Sinn oder in einem gemeinsamen Nenner zu suchen, sondern sich zu entscheiden: „Möchte doch jedermann wählen, niemand mehr nach neuen langweiligen Vermittlungsversuchen sich umse" hen!"291 In der Sachordnung und in der Erkenntnisordnung „Gott-Mensch", dies konzediert BARTH, wird die „erdrückende Mehrheit unter den Führern und Geführten in der heutigen evangelischen Kirche" mit ihm und er mit ihr einig sein. JACOBS bedient sich später in einem Brief an H. GOLLWITZER (v. 9.4.1942) noch derselben Nomenklatur: „Ich habe mir übrigens schon vor meinem Eintritt in die Век. К. von Otto d. Gr. Dispens erteilen lassen dafür, daß ich diese Stelle nicht als verpflichtend ansehe, sondern nur mit der Einschränkung, daß mein Gewissen stets zur unmittelbaren Verantwortung vor Gott freibleiben muß" (G. SCHÄBERLE-KOENIGS, Einmütig beieinander, 1996, S.272). - Entsprechend könnte man dann auch bei BARTH von „Karl dem Großen" sprechen. 2 8 9 K. BARTH, Die N o t . Nachwort, S.62; das folgende Zitat EBD. 2 9 0 K. BARTH, K D l / l (1932), S.223. 2 9 1 EBD., S.224.
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Aber, so fordert B A R T H seine Leser auf, „sagt ihnen, daß diese Erkenntnisordnung auch und gerade für den frommen Menschen gilt, daß auch und gerade er keine Möglichkeit hat..., sagt ihnen, daß diese Möglichkeit Gottes Möglichkeit ist und bleibt und aus seiner Hand in keines anderen Hand übergeht - sagt ihnen dies, so ist der zornige unversöhnliche Streit sofort da"292. Weil es dabei nach B A R T H „ums Ganze" geht und es sich also nicht „um eine Spitzfindigkeit der theologischen Schulen"293 handelt, deshalb besteht er auf dem unversöhnlichen Streit, deshalb hält er der These des „Ecclesiam habemus" seine „in der Tat nur durch Messers Breite, aber abgrundtief von ihr geschiedene Gegenthese" aufrecht, die er in seinem Berliner Vortrag entfaltet hatte. B A R T H und Dibelius - „nur durch Messers Breite, aber abgrundtief" voneinander geschieden: „abgrundtief", weil sie nahezu in allem, was sie sagen, voneinander getrennt sind; „nur durch Messers Breite" getrennt, weil es ihnen beiden in allem, was sie sagen, „ums Ganze" geht294. Die hermeneutische Pointe der beiden Gegensätze ist also in allen Punkten auszumachen, und die Differenz ist in allen Punkten weniger am plump ins Auge fallenden Gegensatz als an der hauchdünn, aber messerscharf zu nuancierenden Differenzierung zu erkennen. 2.5.2 Gemeinsam gegen ein Bindestrich-Christentum? In der theologischen Entwicklung sowohl bei B A R T H als auch bei Dibelius ist eine Zäsur ausschlaggebend, die zunächst weniger im Bereich des Denkens, sondern der Erfahrung liegt. Gemeinsam in beiden Fällen ist die Krisen-Erfahrung, die sich im Zusammenhang mit dem ersten Weltkrieg einstellte. Dieser gemeinsamen Zäsur liegen allerdings charakteristische Unterschiede zugrunde. Für B A R T H wurde diese Krise bereits am Anfang des Krieges virulent, als er feststellen musste, dass „das schreckliche Manifest der 93 deutschen Intellektuellen ... sich vor aller Welt mit der Kriegspolitik Kaiser W I L H E L M S II. und seines Kanzlers B E T H M A N N H O L L W E G identifizierte... Und unter denen, die es unterschrieben hatten, mußte ich mit Entsetzen auch die Namen ungefähr aller meiner deutschen Lehrer (mit ehrenvoller Ausnahme Martin R A D E s ! ) entdecken. Eine ganze Welt von theologischer Exegese, Ethik, Dogmatik und Predigt, die ich bis dahin für grundsätzlich glaubwürdig gehalten hatte, kam damit und mit dem, EBD., S.223. Darin besteht implizit die K r i t i k BARTHS an allen übrigen Kritikern des J a h r h u n d e r t s der Kirche": In der K r i t i k an Dibelius darf es nicht u m die eine oder andere exegetische, systematische oder kirchenpolitische Einzelheit oder theologische Spitzfindigkeit gehen. In allem und jedem des v o n Dibelius Gesagten und Gemeinten geht es um das Ganze, deshalb zielt die radikale und grundsätzliche Kritik BARTHS auch auf das Ganze, und seine Gegenposition ist „die des ganzen Protestes gegen das ganze, die Sprache v o n D. Dibelius redende Kirchentum" (K. BARTH, Die N o t . N a c h w o r t , S.62). 2 9 4 Die „vehemente Abneigung gegen das v o n O t t o Dibelius proklamierte J a h r h u n d e r t der Kirche' " (E. JÜNGEL, Barth, 1982, S.19) schließt also auch eine hohe Wertschätzung mit ein, wie sie BARTH gerade in seiner radikalen Kritik den Besten seiner theologischen Kontrahenten entgegenzubringen pflegte, z.B. gegenüber PETERSON, GOGARTEN, BRUNNER, BULTMANN - und so auch Dibelius. 292 293
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was man damals von den deutschen Theologen sonst zu lesen bekam, bis auf die Grundlagen ins Schwanken." 295 Im Gegensatz dazu steht Dibelius: ohne Einschränkung stellte er sich hinter die deutsche Kriegspolitik 296 , er bemühte sich - allerdings vergeblich - um den Kriegsdienst an der Front und verkündete dann wenigstens in der Heimat bis zum Kriegsende Durchhalteparolen und warb für einen Siegfrieden. Seine Krisenerfahrung drängte sich ihm erst am Ende und durch den Ausgang des Krieges auf. Die politische und rechtliche Krise, die durch Niederlage und Revolution markiert war, hatte nun auch eine ernste Existenzkrise der Kirche zur Folge. In der Existenznot der Kirche wurde er sich erst der Kirche bewusst. Und das Wunder geschah: In der Krise erstand trotz der Krise und aus der Krise - gleichsam wie der Phönix aus der Asche - die Kirche, die ihrer selbst und damit zugleich ihrer unendlichen Aufgaben und Verantwortungen bewusste und durch die revolutionäre Trennung vom Staat nur auf sich allein gestellte und sich selbst verpflichtete Kirche. Das „Jahrhundert der Kirche" war aus den dämonischen Finsternissen der Revolution heraus geboren: die Kirche hat sich nicht nur als Institution, Organisation und Lebensform etabliert, sondern hat sich damit auch in Raum, Zeit und Geschichte manifestiert und legitimiert. Das „Jahrhundert der Kirche" war die sinndeutende Antwort auf die „Zeit der Krisis und der unerhörten Umwälzungen" 297 . Während Dibelius mit dieser Antwort die Uberwindung der Krise und die zumindest dem Grundsatz nach erreichte - Selbstbestimmung der Kirche propagierte, befand sich B A R T H in immer neuen dialektischen Anläufen auf der Suche nach der richtigen Fragestellung und versagte sich und seinen Lesern und Hörern - im Respekt vor dem Wort Gottes - die Möglichkeit einer eigenen Antwort. Er schwebte gleichsam „zwischen den Zeiten" und sah die Kirche in der durch die Krise aufgezwungenen Selbstbesinnung und in ihrer vermeintlichen Selbstbestimmung nur noch stärker in die Krise taumeln. Dabei bewegte er sich sprachlich und theologisch noch in „fensterlosen Tautologien" 298 , während für Dibelius bereits „die Fensterladen aufgestoßen"299 waren, die Kirche zu ihrer Sache gekommen war und ihre Sprache gefunden hatte. Die Gedanken nahmen bei
2 9 5 BARTHS „unwissenschaftliche Nachschrift" zu einer Ausgabe von ausgewählten SCHLEIERMACHER-Schriften: H. BOLLI, Schleiermacher, 1968, S.293. Unter den namhaften Intellektuellen des Aufrufs waren 13 Theologen. 2 9 6 „Nie ist das deutsche Volk für eine heiligere Sache in den Krieg gezogen! ...Es muß alles mit Freudigkeit getan werden, als ein heiliger Gottesdienst. Wenn der Sieg errungen ist: nicht ruhmredig werden! Gott war mit uns! Drum laßt uns demütig und dankbar ihn preisen: Nun danket alle Gott!" (Gott mit uns! Ein Gruß aus der Heimat, 1914, S.4f.). 2 9 7 Nachspiel, S. 12. 2 9 8 Vgl. E. JÜNGEL, Barth, 1983, S.344. 2 9 9 Jahrhundert der Kirche, S.83. Von SÖDERBLOM berichtete Dibelius, wie er in vorbildlicher Weise den praktischen Kirchendienst und wissenschaftliche Arbeit vereinigte: „Er stieß seiner Kirche die Fenster auf" (EBD., S.183).
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BARTH ihren Ausgangspunkt bei Gott, der der „ganz Andere" 300 ist, der von der Sprache nicht ergriffen und vom Denken nicht begriffen werden kann, von dem man aber reden muss, ohne von ihm reden zu können. Dibelius hingegen verwies auf die Zeit, die nun so „anders, ganz anders" geworden ist. Die Frage des Dienstes wurde zur Legitmations- und zur Machtfrage der Kirche: wer kann der neuen Zeit am besten und zu ihrem Besten dienen - die Kirche oder die Theologie? Und wer sollte für wen die Funktion der Dienerin (und damit insgeheim auch der Herrin) übernehmen - die Kirche für die Theologie oder die Theologie für die Kirche? Wer sollte in diesem Streit den Ton und die Richtung angeben: die „kirchliche Lebensgestaltung" oder die „theologische Prinzipiengestaltung"301? So begegneten sich in den beiden Kontrahenten theologisches Sendungsbewusstsein und kirchliches Selbstbewusstsein. Die gemeinsame und die je eigene Krisenerfahrung und die so unterschiedliche Strategie der Krisenbewältigung setzte auch eine theologiegeschichtliche und kirchengeschichtliche Zäsur, die durch den gemeinsamen Antiliberalismus gekennzeichnet ist. B A R T H blickte auf die vergangenen zwei Jahrhunderte zurück und setzte sich kritisch mit einem theologischen Liberalismus auseinander, in dem die aufklärerische Vernunft und ein gott-loses Christentum den Menschen in den Mittelpunkt des theologischen Denkens zu stellen schien. Für BARTH hinterließ die theologische Tradition, aus der er zusammen mit Dibelius kam, ein „Vakuum in der Mitte unseres Kirchen- und Christentums" 302 , und er sah die Gefahr, dass man an diesem Vakuum einfach vorübergehe und es „kirchlich" kaschiere. Dibelius setzte sich mit seinem Kirchenverständnis und mit seinem historischen Schematismus von der Zeit der vergangenen vier Jahrhunderte des landesherrlichen Kirchenregiments ab, das die Entwicklung zu einem kirchen-losen Christentum und einem „ekklesiologischen Vakuum" förderte303, bis dann die klärende und aufklärende Sonne des „Jahrhunderts der Kirche" alle Bereiche des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens ausleuchtete und erhellte. Aus dem gemeinsamen Ansatz wurde dann der Gegensatz des radikalen Anspruchs des Evangeliums und des universalen Auftrags der empirischen und real existieren3 0 0 Der Ausdruck geht eigentlich auf Rudolf OTTO zurück, der das Heilige das „ganz Andere" nannte (vgl. Fr. DELEKAT, Lebenserinnerungen, 1971, S.67). 3 0 1 Innerhalb dieser Alternative verteidigte sich J. SCHNEIDER gegen BARTHS . Q u o u s q u e tandem ...?' und räumte der „kirchlichen Lebensgestaltung" den Vorrang ein (vgl. DtPfrBl 34, 1930, S.260). 3 0 2 K. BARTH 1924, zit. nach: E. BUSCH, Streitruf, 1989, S.411f. 3 0 3 Wenn Dibelius gegen die liberale Tradition in Theologie und Kirche ankämpfte, dann waren damit zugleich - ähnlich wie bei BARTH - auch der Pietismus und die Aufklärung mitbetroffen: „Das Verhältnis von persönlicher Frömmigkeit und sichtbarer Kirche ist, wie wir alle wissen, bei uns Evangelischen mehr als zwei Jahrhunderte hindurch ein Problem gewesen. Pietismus und Aufklärung haben gemeinsam dahin gewirkt, daß so etwas wie ein .Christentum ohne Kirche' sich in den Herzen festsetzen konnte. Die Verbindung zwischen Kirche und Staat tat ein übriges. D e m Staat gehörten die Herzen. Der Kirche, der empirischen Kirche gehörten sie nicht. Auch bei den Christen nicht! Die ganze liberale Theologie meiner Jugend hatte mit dem Leben der Kirche sehr wenig Verbindung" (Bericht des Ratsvorsitzenden auf der Synode der E K D in Berlin am 13.2.1961, in: So habe ich's erlebt, 1980, S.326).
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Die überfällige geistige Wende, die durch den Weltkrieg vollends ausgelöst worden war, bedeutete einen Bruch mit der theologischen bzw. kirchlichen Vergangenheit und Tradition. Freilich wurde im einen Fall die damit verbundene Krisenerfahrung als eine grundsätzlich dem Wesen der Kirche entsprechende Signatur festgehalten ( B A R T H ) , im anderen Fall wurde sie beantwortet und für grundsätzlich überwunden erklärt durch die Ausrufung des „Jahrhunderts der Kirche" (Dibelius). Dies musste sich dann auf die dann je unterschiedliche Art der Hinwendung zur Gegenwart und der Wahrnehmung von „Wirklichkeit" auswirken. Dabei handelte es sich nicht nur um den Grad von Wirklichkeitsnähe oder Wirklichkeitsferne304 der beiden Konzeptionen, sondern der grundsätzliche Streit um die theologische bzw. kirchliche Wahrnehmung von Wirklichkeit musste ausgefochten werden. Die sachgemäße Wahrnehmung von Wirklichkeit konnte B A R T H auf Grund der Krisenerfahrung und in der Zeit der Krisis zunächst nur negativ beschreiben in der Abwehr jeglichen „Bindestrich-Christentums", das in seinem vermeintlichen Realismus und Rationalismus Christus nur säkularisiere und instrumentalisiere305. Dieser bewusst in Kauf genommene und auch stolz und eigensinnig fest304 F ü r die K r i t i k e r BARTHS stellte sich der Gegensatz eben so dar, als o b Dibelius gleichsam eine T h e o l o g i e der W i r k l i c h k e i t vertrete, während BARTH seine „Theologie i m luftleeren R a u m " betreibe u n d deshalb v o n einer eklatanten Weltfremdheit bestimmt sei (vgl. z.B. H . SCHLEMMER in: C h W 4 7 , 1933, Sp.929). - Bei der Brandenburgischen Provinzialsynode am 2 4 . 8 . 1 9 3 3 , die nicht länger als 5'Δ Stunden dauerte, gab der neugewählte deutsch-christliche Präses, Sup. GRELL, gegenüber der Streitschrift BARTHS ,Theologische Existenz heute!' folgende Erklärung ab: „ W i r brauchen uns nicht sagen zu lassen, daß w i r die theologische Existenz verlieren, D e u t s c h e Christen und J u n g r e f o r m a t o r e n , die v o n einem gewissen Professor v o r k u r z e m mit einer D o n n e r a x t geschlagen worden sind; man braucht uns nicht zu sagen, daß w i r unser W e r k nicht treiben v o m W o r t e G o t t e s aus allein. W i r k ö n n e n in unseren Tagen keine T h e o l o g i e i m luftleeren R a u m gebrauchen, heute weniger denn je... W i r brauchen eine Gottesgelehrsamkeit, die A n t w o r t gibt auf die T a u s e n d e v o n Fragen, die HlTLERs B u c h ,Mein K a m p f , ja, die HlTLERs K a m p f selbst in jedem f r o m m e n , nicht selbstherrlichen M e n s c h e n geweckt hat... W i r brauchen eine T h e o l o g i e , die G o t t e s O f f e n b a r u n g in der Gegenwart versteht und zu deuten w e i ß " (Provinzialsynode 1933, S.23). D e r „luftleere R a u m " und die „Weltfremdheit" waren die K e n n z e i c h e n , mit denen man die T h e o l o g i e BARTHS stigmatisiert hatte: „Was an der dialektischen T h e o l o g i e BARTHS richtig ist, ist nicht neu, und was an ihr neu ist, die absolute Weltfremdheit ihres Wesens, die Paradoxie ihrer philosophisch infizierten Gedankengänge, das Hineingeworfenwerden aller Glaubenszuversicht ins Leere, ist nicht richtig" 0 . SCHNEIDER, in: K J 57, 1930, S.19). - K . FISCHER hielt gerade die gegenseitigen V o r h a l t u n g e n als ein Zeichen für die K r a n k h e i t der Kirche: „Das Ballspiel mit den V o r w ü r f e n lebensfremder Wissenschaft und orientierungsloser kirchlicher A r b e i t ist nur ein Beweis dafür, daß die K i r c h e als Ganzes an einem der empfindlichsten P u n k t e k r a n k ist. Solange die T h e o l o g i e sich nicht selbstverständlich als eine F u n k t i o n der Kirche w e i ß und auf der anderen Seite nicht das L e h r a m t dieser T h e o l o g i e für alle kirchliche A r b e i t anerkannt wird, solange wird auch die V e r w i r r u n g nicht aus den G e m ü t e r n weichen" (PB1 75, 1933, S.591). 305 V g l . dazu BARTHS T a m b a c h e r V o r t r a g v o n 1919 „Der Christ in der Gesellschaft", in dem ja gerade die scheinbar sachgemäßen, zumindest naheliegenden K o m b i n a t i o n e n und Affinitäten zwischen C h r i s t e n t u m und Gesellschaft abgewehrt werden: „Schnell zur H a n d sind alle j e n e K o m b i n a t i o n e n , wie ,christlich-sozial', ,evangelisch-sozial', ,religiös-sozial', aber höchst erwägenswert ist die Frage, o b die Bindestriche, die wir da mit rationaler K ü h n h e i t ziehen, nicht gefährliche Kurzschlüsse sind. ... W o hat denn die G o t t e s w e l t offene Fenster gegen unser Gesellschaftsleben hin? W i e k o m m e n w i r dazu, zu tun, als o b sie es hätte? J a , Christus z u m soundsovielten M a l e zu säkularisieren, heute z.B. der Sozialdemokratie, dem Pazifismus, dem Wander-
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gehaltene Anti-Realismus musste dann natürlich die Kritiker auf den Plan rufen, die an dieser Stelle das Thema der christlichen Weltverantwortung bei B A R T H vernachlässigt glaubten. Dibelius allerdings meinte, im „Jahrhundert der Kirche" die Nahtstelle gefunden zu haben, wo der „Christus draußen"306 im Dienst der Christen in und an der Welt vermittelt und wirksam wird. Mit der überwunden geglaubten Bindung der Kirche an den Staat meinte er auch schon die Garantie dafür zu haben, dass nun auch jedes - auch andere Loyalitäten miteinschließende - „BindestrichChristentum" obsolet geworden sei. Denn mit der Trennung von Kirche und Staat ist der für Dibelius als entscheidend betrachtete Bindestrich gefallen, der Bindestrich zwischen Staat und Kirche: die Staats-Kirche ist in einem unumkehrbaren geschichtlichen Prozess gefallen und hat der Freiheit des „Jahrhunderts der Kirche" Platz gemacht. Aus der Gebundenheit der Staatskirche ist nun die Freiheit der Volkskirche geworden. So sehr auch Dibelius betonen konnte, dass die Kirche damit nicht um ihrer selbst willen existiere, genauso selbstverständlich war ihm, dass die Kirche als ein Werkzeug Gottes nun erst recht im freien und unabhängigen Dienst an Volk und Nation stehe und dass darin ihre Legitimation und ihr Offentlichkeitsanspruch bestehe. Gerade weil die Beteuerung, die Kirche sei kein Selbstzweck, mit ihrem als so selbstverständlich und ehrenvoll gehaltenen Auftrag und Anspruch gegenüber Volk und Nation begründet wurde, hinterfragt B A R T H diese scheinbar unbestreitbare Dienst-Struktur der Kirche auf ihren verborgen gebliebenen und in ihrer Verborgenheit gerade so gefährlichen Bindungs-Charakter, wenn er die komplementär zusammengehörenden Sätze aufstellt: „Evangelische Kirche kann grundsätzlich nur Gott dienen."307 Und: „Evangelische Kirche kann aber auch Gott nur dienen wollen." vogel zu Liebe, wie ehemals den Vaterländern, dem Schweizertum und Deutschtum, dem Liberalismus der Gebildeten zu Liebe, das möchte uns allenfalls gelingen. Aber nicht wahr, da graut uns doch davor, wir möchten doch eben Christus nicht ein neues Mal verraten" (J. MOLTMANN, Anfänge I, 1966, S.5f.). 3 0 6 Vgl. K. BARTH, Die N o t , S.35-37. Das Gegenüber der Kirche ist nach BARTH der „Christus draußen"; sie sollte deshalb ihr Hören, ihr W o r t und ihre Tat zumindest nicht in erster Linie auf die Welt draußen - auf die sich selbst zerstörende und deshalb auch verbesserliche Welt, richten, „als ob der Fehler nur draußen in der immer gleichgültiger werdenden, immer mehr verwildernden und sich zerreißenden Welt zu suchen sei" (EBD., S.53). 3 0 7 EBD., S.39. In radikaler Konsequenz dieses Satzes lautet die pointierte Fortsetzung: „Gewiß am Menschen, aber darum nicht dem Menschen! Also v o r allem auch nicht sich selbst. Sie hat in abstracto keine menschlichen Belange, keine menschlichen Ziele. ...Im selben Sinn gehen sie aber auch die menschlichen Belange überhaupt, von den niedrigsten bis zu den höchsten, als solche nichts an. Sie kann nicht schielen: mit dem einen Auge auf Gott, mit dem anderen auf irgendwelche menschliche Notwendigkeiten und Hochziele" (EBD.). - Das folgende Zitat EBD. Nicht weniger radikal lautet hier die provozierende Fortsetzung, ohne dass schon die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit eines der Offenbarung Gottes analogen oder entsprechenden Handelns der Kirche in Sicht wäre: „Sie ist nicht das Reich Gottes. Sie ist nicht die Fortsetzung, Vergegenwärtigung, Verleiblichung, Versichtbarung der in Christus geschehenen Offenbarung und Versöhnung. Sie hat das Opfer Christi nicht zu wiederholen. Sie hat Christus in keiner
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N a h e z u verzweifelt, aber erfolglos w e h r t e sich Dibelius gegen den v o n B A R T H i m p l i z i t g e m a c h t e n V o r w u r f eines „ B i n d e s t r i c h - C h r i s t e n t u m s " , da e r ja g e r a d e in d e r t h e o r e t i s c h e n u n d t h e o l o g i s c h e n G r u n d l e g u n g , also in d e r „ S a c h e " , d e r v o l l e n u n d ehrlichen U b e r z e u g u n g war, mit B A R T H gerade darin ü b e r e i n z u s t i m m e n . T a t s ä c h l i c h s p r i c h t B A R T H ja a u c h i m S c h u t z d e r b r i e f l i c h g e f ü h r t e n D e b a t t e m i t K N A K die E r k e n n t n i s aus, dass e r s i c h g e g e n die in T h e o l o g i e u n d K i r c h e steigende „ H o c h f l u t v o n Realismus" theologisch zur W e h r setzen müsse, w o b e i „ i m ü b r i g e n ...unsere Differenz sicher weithin eine Differenz der Beurteilung der p r a k t i s c h e n L a g e " 3 0 8 b e d e u t e . B A R T H S „ R u f z u r S e l b s t b e s i n n u n g " 3 0 9 , sein R u f z u r „ S a c h e " s c h l i e ß t also a u c h h i e r ein „ W o r t z u r L a g e " 3 1 0 m i t ein, o h n e dass B A R T H e b e n diese „ L a g e " eigens t h e m a t i s i e r e n k o n n t e o d e r w o l l t e , u m n i c h t d e n v i e l e n politischen L i e d e r n n o c h eine weitere Melodie hinzuzufügen u n d so v o n
der
t h e o l o g i s c h z u b e g r e i f e n d e n S a c h e u n d v o n d e r n u r in dieser S a c h e z u e r k e n n e n d e n L a g e a b z u l e n k e n . I n a l l e m s t r e n g auf das T h e o l o g i s c h e g e r i c h t e t e n D e n k e n w o l l t e e r a u c h ein W o r t z u r L a g e sagen u n d „an die G r e n z e n a u c h d e r W a h r h e i t z u r R e c h t e n e r i n n e r n " 3 1 1 . Sein R u f z u r - die L a g e i m m e r m i t b e d e n k e n d e n -
Sa-
Weise auf den Plan zu führen, darzustellen und wirksam zu machen. Sie hat das Heil weder mitzuteilen noch fortzupflanzen noch auszubreiten. ... Evangelische Kirche kann ihre sichtbare Einheit grundsätzlich nur suchen, aber niemals gefunden zu haben meinen" (EBD. S.39f.). 3 0 8 BARTH an KNAK V. März 1931, K B A BASEL. 309
KNAK an B A R T H V. 9 . 2 . 1 9 3 1 (EBD.).
Vgl. dazu auch, was BARTH in KD 1/1 (1932), S.XIf. (Vorwort) zu „dem weiten Feld der Politik", zu den „wirklichen Bedürfnissen des Tages" und zu „allen ethischen Nutzanwendungen" als dem integrierten Bestandteil einer bei der Sache bleibenden kirchlichen Dogmatik sagt. Damit findet die vorzügliche Interpretation von „Quousque tandem..." durch E. BUSCH auch aus der Feder von BARTH selbst eine Bestätigung, nachdem schon E. THURNEYSEN BARTHS Streitruf mit der Charakterisierung begrüßt hatte: „Endlich ein Wort zur Lage!" (E. BUSCH, Lage, 1989, S.409) Der „Ruf zur Sache" intendiert nicht nur, sondern beinhaltet auch schon ein „Wort zur Lage"; und ein „Wort zur Lage" kann in den oft schnell wechselnden Ereignissen der Tagespolitik in nichts anderem als im „Ruf zur Sache" bestehen. 310
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BARTH an KNAK V. M ä r z 1931 ( K B A BASEL). ALTHAUS s t i m m t e BARTH ein J a h r früher
in der Sache - allerdings „schweigend"- zu, bestritt freilich, dass BARTH die wirkliche Stimmung mit seinem Angriff getroffen habe: „Zu dem Quousque tandem? habe ich Ihnen nicht geschrieben, weil ich Schweigen für die einzige Haltung hielt, in der man das, was Sie - trotz allem! Richtiges sagen, ernstlich bedenken konnte. ...Das wird Ihnen inzwischen von mancher Seite gesagt (worden) sein: die wirkliche Stimmung der Kirchenführer ist eine ganz andere, als Ihr Artikel voraussetzt. Sie sind offenbar wenig mit solchen Leuten ins Gespräch gekommen. Otto Dibelius ist wahrlich nicht typisch" (ALTHAUS an BARTH v. 28.3.1930, KBA BASEL). - Erst viel später und mit dem Wissen des Zurückblickenden, nämlich in seinem Entwurf zum „Darmstädter W o r t " von 1947, spricht BARTH mit deutlichen Worten die in seinen Augen verfehlten Bündnisse der Kirche in der Zeit der Weimarer Republik an und deutet dieses „Bindestrich-Christentum" als Ursache für die Möglichkeit einer Entwicklung zur Diktatur des Nationalsozialismus: „Wir sind in die Irre gegangen, indem wir uns als Kirche mit den konservativen Mächten (Monarchie, Adel, Armee, Großgrundbesitz, Großindustrie) verbündeten, indem wir die christliche Freiheit preisgaben, Lebensformen zu ändern, wenn das Leben der Menschen sie zu ändern forderte, indem wir das Recht zur Revolution ablehnten, die Entwicklung zur nihilistischen Diktatur aber duldeten und guthießen" (Entwurf von BARTH v. 10.7.1947, in: M. GRESCHAT, Zeichen, 1985, S.83).
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che war gegenüber dem Kirchenmann Dibelius auch hier schon ein Ruf „Von der Kirchenpolitik zur Kirche!" 3 1 2 . Die „Beurteilung der praktischen Lage" kann dann nicht anders geschehen als auf dem scheinbaren Umweg der Beschreibung der Sache der Kirche. Und die Lage der Kirche kann nicht anders charakterisiert werden als mit der ihr eigenen und eignenden „Not". Die „Not der evangelischen Kirche" aber ist ihre Sprache, die „ein zum Himmel schreiender Skandal" 313 ist. Dieser Not ist nicht anders aufzuhelfen, als dass sie erkannt und bekannt wird in dem nicht anders als skandalösen „Zeugnis von dem gekreuzigten Christus als von dem dunklen und gerade so uns angemessenen und taghellen Wort des Lebens" 314 ; und das Wort des Lebens wird die Kirche nicht deutlicher als in der Sprache der Buße hörbar machen können. Nicht dass sich die Kirche aus politisch durchaus verständlichen Gründen auf die ekklesiologische Frage konzentriert, nicht dass sie hier und dort politischen, auch parteipolitischen 315 Optionen den Vorzug gibt, ist ihr zum Vorwurf zu machen, sondern in welcher Weise, mit welcher Sprache, in welchem Bewusstsein sie dies tut und dabei sich selbst und ihre Glieder auf die immer gleichbleibenden, nur scheinbar aus dem Evangelium deduzierten, im Grunde aber vor-theologischen und schon im vorhinein feststehenden Loyalitäten und Affinitäten festlegt. Dass die Sprache der Buße die der Kirche in erster Linie angemessene Sprache ist, wenn anders sie ein sachgemäßes Wort zur Lage sprechen will, dies scheint Dibelius nicht unberührt und nicht unverändert gelassen zu haben: Dibelius war schon im Jahr 1930 von der Konferenz der Generalsuperintendenten beauftragt worden, eine Denkschrift über die Arbeitslosenfrage zu erarbeiten. Da der Vorsitzende des Kirchensenats und Präses der Generalsynode WlNCKLER seinerseits eine Kundgebung in dieser Angelegenheit vorbereitete 316 , kam es 1931 zu einer Entschließung der Generalsynode zur Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Not, zum „Ansturm der organisierten Gottlosigkeit", zur Verwirrung der Gewissen und der Kraftlosigkeit des Glaubens. Ausgerechnet die ,Reformierte Kirchenzeitung' machte dabei auf folgenden kirchlichen Sprachwandel aufmerksam: „Der eigentliche Verfasser dieser Kundgebung war Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius, also gerade der Mann, mit dem Karl BARTH die Klingen kreuzte. Wir konnten dem uns befreundeten Pro3 1 2 So lautete ja der ursprüngliche Titel über dem Manuskript, das dann am 1. Juli 1933 unter der Überschrift „Theologische Existenz heute!" veröffentlicht wurde (vgl. H . STOEVESANDT, in: K. BARTH, Existenz, 1984, S.20). 313 K. BARTH, Quousque tandem...? (К. KUPISCH, Götze, S.28 / H . - W . KRUMWIEDE, Kirche, S.228). In Aufnahme dieses Verdikts setzte BARTH in seinem Nachwort zum Berliner Vortrag „die Sprache der Kirche", „die Sprache des Glaubens und also die Sprache der Buße" in eins und stellte sie der „ganz andere(n) Sprache eines verhärteten Laodicenertums" entgegen (vgl. K. BARTH, Die N o t . Nachwort, S.61). 314 K. BARTH, Die N o t , S.41. 3 1 5 Bereits drei Monate nach seinem Berliner Vortrag trat BARTH (am 1. Mai 1931) der SPD bei (vgl. E. BUSCH, Lebenslauf, 1976, S.229f.). 316 Vgl. dazu eine Inhalts-Skizze der Denkschrift, die Schreiben von Dibelius v. 13.10.1930 und BURGHART an Dibelius V. 29.10.1930 ( E Z A BERLIN, 7 / 4 1 9 ) .
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fessor in Bonn im stillen nur dankbar die Hand reichen, als er von der N o t der Kirche sprach. ...Wir haben uns aber auch darüber gefreut, daß der Gegner von Karl BARTH namentlich im dritten Absatz obiger Kundgebung Worte fand, die uns zu der Frage führt, ob die beiden streitenden Männer nicht aneinander vorbei geredet haben. Spricht nicht jedenfalls aus den erwähnten Worten etwas ganz anderes als der Geist von Laodizea?" 3 1 7 Erst als angesichts der konkreten politischen Lage am Anfang des Jahres 1933 Dibelius in seinem Rundbrief vom 8. März an die kurmärkischen Amtsbrüder der im Trend der Zeit und in der traditionsbestimmten Linie der Kirche liegenden Affinität zu der nationalen Bewegung und nationalsozialistischen Ideologie seinen grundsätzlichen ekklesiologischen Vorbehalt entgegenstellte, konnte BARTH deutlich erkennen und dankbar anerkennen, dass „energische Widerstände zugunsten des Eigen-Sinns der Kirche gerade an den verantwortlichen kirchlichen Stellen jedenfalls auch auf dem Plane sind." 318 Die evangelische Kirche hat - zumindest in der Person einer ihrer namhaftesten Vertreter und Verfechter - dem „Bindestrich-Christentum" von der „Sache" her und in dieser „Lage" eine klare Absage erteilt. Dibelius hatte es riskiert, der kompromisslosen „Wahrheit" der Kirche den Vorrang vor der von ihm so oft beschworenen und auch Kompromisse in Kauf nehmenden „Einheit" und Geschlossenheit der Kirche zu geben. 2.5.3 „Der Heilige Geist ist da!" Die synodale Debatte um BARTHS Streitschrift ,Quousque tandem...?' vermittelte zunächst den Eindruck, als ob der Gegensatz zwischen der Dialektischen Theologie und der verfassten Kirche in dem Gegensatz von Theorie und Praxis, Essenz und Existenz der Kirche, zwischen Passivität und Aktivität, zwischen Zusage und Besitz, zwischen Zuspruch und Anspruch des Evangeliums, zwischen der Kirche als Hörraum des Wortes Gottes und dem Tatraum seiner Bewährung - oder zwischen dem zugesagten und verheißenen Indikativ und dem entschlossen befolgten Imperativ des Glaubens bestünde. In der Tat erscheint auch der Rede- und Schreibstil von Dibelius als ein immerwährender Appell zur geschlossenen und entschlossenen Tat der Kirche, so wie er seinen geschriebenen Worten und dem gesagten Wort durch eine Orgie von Ausrufungszeichen Nachdruck verleihen zu müssen meinte. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass BARTH in seinem Berliner Vortrag diese alternativen Gegenüberstellungen nicht als den eigentlichen Differenzpunkt gelten lässt. Gerade das „ecclesiam habemus" des Jahrhunderts der Kirche' bestreitet er im Grundsatz nicht und auch nicht den Indikativ jener Zusage, dass 3 1 7 R K Z 81, 1931, S.138. Im dritten Absatz der Kundgebung heißt es: „In solcher Stunde weiß sie (sc. die evangelische Kirche) sich vor Gottes Angesicht gestellt im Geist der Buße, die aus dem Glauben geht. Sie blickt auf zu ihrem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, daß er seiner Kirche Versäumnisse und Verfehlungen vergebe und daß er neue Kräfte des Glaubens, der Liebe und der Zucht in ihrer Mitte erwecke". 3 1 8 BARTH an Dibelius v. 17.3.1933, K B A BASEL.
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die Kirche das Evangelium hat. Umso vehementer freilich greift BARTH die Kirche darin an, welchen Gebrauch sie von diesem Besitzm macht, und bestreitet darin ihre Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit: „Eine verlegene Kirche war es nun aber sicher nicht, die wir etwa an den Kirchentagen von Bethel, Königsberg und Nürnberg ihr Wort an die Öffentlichkeit richten hörten." Dibelius selbst meinte, dass er mit diesem Vorwurf nicht in Verlegenheit zu bringen sei. Denn auch er betont, dass er von dem Vorbehalt weiß, der in dem „ecclesiam habemus" wirksam ist: Man muss darauf hinweisen, „inwiefern die Kirche das Evanglium hat und es doch wieder nicht hat, wie sie besitzt, als besäße sie nicht, und wie sie in ihrer Armut wieder ihren Reichtum hat. Im Ernst kann hier ein grundsätzlicher Streit überhaupt nicht sein. Wir haben unseren Schatz in irdenen Gefäßen - aber wir haben ihn!"320 Das persönliche Gespräch zwischen BARTH und Dibelius am 10. April 1932 scheint diese Übereinstimmung bestätigt zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, wenn Dibelius daraufhin öffentlich erklärte, dass in der Theologie die Erkenntnis und Neuentdeckung der christlichen Lehre vom Heiligen Geist zum Zuge gekommen sei und dass dafür niemand anderes als ausgerechnet Karl BARTH zum Zeugen angerufen werden könne: „Die neueste Dogmatik - man braucht nur bei Karl BARTH nachzuschlagen - hat die Lehre vom Heiligen Geist erneuert. Und zwar nicht etwa, um die Rückwendung zur altprotestantischen Dogmatik um jeden Preis zu vollziehen. Sondern weil da etwas ist, was nicht untergehen darf, wenn evangelische Theologie wirklich evangelische Theologie bleiben will." 321 Es ist spürbar, dass hier gleichsam das theologische Herz von Dibelius schlägt: „Der Geist weht, wo er will, wie er will und wann er will. Kein Mensch kann ihn zwingen. Die Christenheit kann immer nur um den Geist bitten. Veni creator spiritus! ... Um dies neue Pfingsten bittet die Kirche. Denn Pfingsten und Kirche gehören zusammen. Die Kirche aber hat nur dann ein Existenzrecht, wenn sie Gefäß und Werkzeug des Heiligen Geistes ist. Es ist ein unendliches Mißverständnis, wenn man der evangelischen Kirche von heute Selbstsicherheit zum Vorwurf macht. Wenn wir von einem Jahrhundert der Kirche' sprechen, so drücken wir damit nichts anderes aus als eine Tatsache, die vor aller Augen ist: Der Protestantismus ist aus dem Zeitalter der ungehemmten Individualisierung heraus. Es geht jetzt überall und überall um die Kirche. In der Theologie und im praktischen Leben. Aber auch im Leben der breiten Öffentlichkeit."
3 1 9 „Gott haben heißt für uns in der Zeit und nicht in der Ewigkeit lebende Menschen: seine Zusage haben und durch sie in Anspruch genommen sein. Diese Zusage ist der Besitz der evangelischen Kirche. Von ihr zeugt sie und muß sie zeugen." Und: „Sollte die unangefochtene Getrostheit, mit der man sich auf diesen Indikativ bezieht und zurückbezieht, nicht ein Zeichen dafür sein, daß man nicht weiß, was man hier sagt" (K. BARTH, Die Not, S.40 u. S.52). 3 2 0 EBD., S.29 - Dibelius lässt hier die Sprachstruktur von IKor 7,29-31 anklingen und bezieht sich auf 2Kor 4,7. 3 2 1 SoSp. V. 15.5.1932; das folgende Zitat EBD.
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Freilich beklagte Dibelius immer wieder, dass das Pfingstfest immer nur im Zeichen der Pfingst&ite stehe: „ Veni creator spiritus" 3 2 2 . Die Bitte u m den Heiligen Geist müsse Hand in Hand gehen mit dem dankbaren und freudigen Bekenntnis zur tatsächlichen Gegenwart, zur perfektischen Präsenz des Heiligen Geistes: „Venit creator spiritus": „Der Schöpfergeist ist gekommen! ...Die Christenheit kann nicht Pfingsten feiern, wenn sie nicht mehr den Mut hat zu bekennen: Der Heilige Geist ist gekommen! Wir haben von seinem Wehen etwas verspürt!" 3 2 3 „Der Heilige Geist ist da!" In einer enthusiastisch-chauvinistischen Deutung des August 1914 proklamierte Dibelius an Pfingsten 1915 noch ohne Rückbindung an die geglaubte Kirche der Heiligen: „Der heilige Geist ist da!" 3 2 4 Erst mit dem Beginn des „Jahrhunderts der Kirche" bekommt dieses Bekenntnis eine christliche Prägung in der Gestalt der neu gewordenen evangelischen Kirche, die in den Zirkelschluss 3 2 5 des Heiligen Geistes eingebunden ist. Dies ist das theologische und homiletische, konfessorische und hymnologische Leitmotiv des „Jahrhunderts der Kirche" 3 2 6 . Wie sehr ihm dieses Bekenntnis am Herzen lag, gab Dibelius dadurch zu erkennen, dass er den Schriftsteller Rudolf Alexander SCHRÖDER - mitten in den Stürmen des 2. Weltkrieges, gleichsam „als wäre nichts geschehen" 3 2 7 - auffor3 2 2 Diese Pfingstbitte steht auf dem Grabstein von A . v. HARNACK, dem gemeinsamen Lehrer von Dibelius und BARTH. Zu BARTHS kritischer Schülerschaft von A. v. Harnack vgl. E. JÜNGEL, Barth, 1983, S.341. Vgl. auch den Briefwechsel zwischen K. BARTH und A . v. HARNACK 0 . MOLTMANN, Theologie I, 1962, S.323-347 / H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, 1990, S.151-169). Zu Dibelius' kritischer Schülerschaft von A. v. HARNACK: „Wir werden unseren großen Lehrer nicht vergessen! Nicht einer Meinung sein mit dem anderen, ist das Höchste im Leben. Sondern das Höchste ist, von dem anderen empfangen zu haben und dafür Dank und Treue zu bewahren!" (Nachruf in: SoSp. v. 15.6.1930; vgl. auch Christ, 1961, S.57f.; Adolf v. Harnack als akademischer Lehrer, 1951, S.31-35; In memoriam Adolf von Harnack, 1951, S.274f.). 3 2 3 SoSp. v. 15.5.1932. 3 2 4 Vgl. Gottes Ruf in Deutschlands Schicksalsstunde, 1915, S.52ff. 325 „Denn wo der Heilige Geist ist, da ist die Kirche, in der das Evangelium gepredigt wird. Und wo diese Kirche ist, da ist Gottes Heiliger Geist!" (Der Heilige Geist ist da! [1943], in: Predigten, 1952, S.63; vgl. auch: Der Heilige Geist ist da!, in: Sonntagsblatt v. 13.5.1951). 3 2 6 Dibelius ging es - besonders in der Zeit der N o t , des Krieges und des Kirchenkampfes darum, das Pfingstfest als die einmal und ein für allemal geschehene, nicht wiederholbare und bis in die Gegenwart wirksame Tat Gottes der Botschaft von Weihnachten und Ostern an die Seite zu stellen: „Denn die Pfingstbotschaft heißt nicht: Es ist eine Kirche da, der zu Anfang einmal der Heilige Geist geschenkt worden war und die sich jetzt nach diesem Heiligen Geist voll Inbrunst sehnt, die um ihn bittet, die ihn erhofft, mit Zagen und Bangen, oder mit kühner Zuversicht. ...Aber die Kirche weiß, daß Weihnachten und Ostern Taten Gottes sind, die er einmal getan hat und die er nicht wiederholt, weil da nichts zu wiederholen ist. Christus ist in die Welt gekommen. Christus ist auferstanden. U n d - der Heilige Geist ist da! Die Kirche, wenn sie wirklich Kirche ist, glaubt an den Heiligen Geist!" (Die Kirche glaubt an den Heiligen Geist!, in: J K 9, 1941, S.278). 3 2 7 Dibelius berichtet beiläufig, dass in Berlin alle diejenigen zum Verlassen der Stadt aufgefordert wurden, die dort nicht aus beruflichen Gründen bleiben mussten, „weil man damit rechnet, daß sie in den allernächsten Tagen das Schicksal Hamburgs erleiden wird. ...Die SS ist prompt abmarschiert, um sich das Weitere von außen anzusehen." Er selber war zum Bleiben entschlos-
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derte, der singenden Gemeinde endlich ein Pfingstlied mit diesem indikativischpräsenten und doxologisch-assertorischen Charakter zu schenken. Dibelius schickte dem bekannten Liederdichter eine von ihm zu Pfingsten 1943 verfasste Lektorenpredigt 328 und erinnerte dabei an eine schon weiter zurückliegende Anregung: „Ich habe schon früher einmal zu Ihnen davon gesprochen, daß die größte Gesangbuch-Not darin besteht, daß wir zwar für einige Sonn- und Festtage eine ganze Fülle guter Lieder besitzen, daß aber für andere Tage ein großes Vakuum 329 besteht." Und er fährt fort: „Aber zu Pfingsten besteht noch eine besondere Schwierigkeit. Unsere sämtlichen Pfingstlieder sind Bitten um den Heiligen Geist. Und wir haben nicht ein einziges Pfingstlied, das die Freude und den Dank der Gemeinde darüber ausdrückt, daß der Heilige Geist da ist!" Daraus resultiert die Aufforderung an den Dichter: „dichten Sie uns ein schlichtes, gemeindemäßiges Lied, in dem nichts weiter steht als Freude, Dank und Lobpreis für das, was zu Pfingsten gegeben ist!... Also Pfingstlieder, (die) ihrem Stil nach wie die Weihnachtslieder sind - das ist es, was wir brauchen!"330 Tatsächlich machte sich SCHRÖDER an die Arbeit und schrieb in dem von Dibelius intendierten Sinn gleich zwei - nicht gerade „schlichte" - Pfingstlieder für die Gemeinde, zu denen er sogar noch die Melodie zu finden versprach: „Wir singen dich, Gott, Heilger Geist, der aller Freuden Ursprung heißt, der ewig Einund Dritte! Du hast den Stuhl im Himmelreich, dort herrschest du dem Vater gleich / und wohnst in unsrer Mitte." 331 Die 1. Strophe des zweiten Liedes, „Pfingstpsalm" überschrieben, lautet: „Nun lobe den Schöpfer, о Welt! Sing hell, wie du nimmer gesungen, dem Herrn, der mit feurigen Zungen / das Dunkel der Völker erhellt. Ihm jauchzt das erstandene Jahr: Heut wird es den Flügel der Taube / hoch über vergänglichem Staube / im Wind aus den Himmeln ge* wahr." 332
sen: „Ich selber gedenke mich in meinen Dispositionen nicht stören zu lassen, ehe nicht letzte Notwendigkeiten eintreten" (Dibelius an SCHRÖDER v. 2.8.1943, in: D L A MARBACH, NL Schröder). 3 2 8 Zur Bitte um den Heiligen Geist „ist jeder Tag recht und jeder Gottesdienst. ...Zu Pfingsten aber gilt es etwas anderes. Pfingsten ist eins von den großen Festen der Christenheit. Und alle diese Feste reden davon - nicht daß die Menschen etwas tun sollen, sondern daß Gott etwas getan hat, etwas so Großes, daß die Gemeinde ihm dafür Lob und Danklieder singen muß ohne Ende" (Der Heilige Geist ist da!, in: Predigten, 1952, S.60f.). 329 SCHRÖDER hatte schon Pfingstlieder gedichtet, die auch „nur" auf den Ton der Bitte um den Heiligen Geist gestimmt waren: „Veni Creator" (1927), Pfingstlied (1938), Pfingsten (1937), Hymnus (1939); vgl. R.A. SCHRÖDER, Gedichte, 1949, S.47f., S.206f., S.207-209, S.210f. 3 3 0 Dibelius an SCHRÖDER v. 24.5.1943 (DLA MARBACH, NL Schröder). 3 3 1 1. Strophe eines Pfingstliedes, das SCHRÖDER nach Korrekturvorschlägen von Dibelius 1949 in seinen „Geistlichen Gedichten" (S.211f.) veröffentlicht hat (vgl. Dibelius an SCHRÖDER v. 2.8.1943, in: D L A MARBACH). Vgl. dazu auch: S.M. KLATT, Rückblick, 1950, S.241. 3 3 2 „Pfingstpsalm" (R.A. SCHRÖDER, Gedichte, 1949, S.213). Vgl. dazu auch die Pfingstpredigt des Berliner Bischofs von 1960: Der Heilige Geist ist da!, in: In Gegensätzen leben. 1965, S.152. - Dibelius reagierte prompt auf die Auftragsarbeit („Sie haben mir durch Ihre beiden Pfingstlieder eine sehr große Freude gemacht. Es würde mir schwer sein zu sagen, welchem von beiden ich den Vorzug geben sollte."), befand aber doch das erste der beiden Lieder als „volks-
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Dibelius wurde die Ehre zuteil, beim Abschluss-Gottesdienst der Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Amsterdam am 4.9.1948 die Predigt zu halten 333 . Nicht von ungefähr fasste er auch hier bei dem ökumenischen Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg sein Kirchenverständnis und sein Kirchenbekenntnis in die Worte: „Der Heilige Geist ist da!" Wie es ihm eine fundamentale Gewissheit war, dass mit dem Jahrhundert der Kirche" die Kirche eine unumstößliche „Tatsache" geworden war, genauso war es ihm nun zur axiomatischen Voraussetzung geworden, dass die Einheit der Ökumene nicht nur das praktische Ziel, sondern der geglaubte Ausgangspunkt der Bewegung sei: „Die christlichen Kirchen sind eine Einheit, mehr als sie es selber wissen."334 BARTH, der bei dieser Versammlung am 23.8.1948 den Eingangsvortrag 335 gehalten und damit auch seine früheren Bedenken gegenüber der ökumenischen Bewegung endgültig zurückgestellt hatte, quittierte diese gottesdienstliche Rede ohne Dibelius beim Namen zu nennen - mit einem Vorbehalt pragmatischer Nüchternheit. Nicht die Botschaft selber, sondern eher die Tonlage, in der diese vorgetragen wurde, fand BARTH dabei anstößig: „ein bekannter Mann aus Berlin hat am letzten Tag von Amsterdam von der Kanzel herunter fortissimo verkündigt: ,Der Heilige Geist ist da.' In etwas größerer Zurückhaltung möchte ich sagen: Es gab in Amsterdam bei allen Differenzen jedenfalls eine gute und freie Einmütigkeit
der christlichen A
bsicht."^
Es blieb also auch hier bei der Differenz in der Ubereinstimmung - wir sind, was wir haben, indem wir es nur erwarten und empfangen können: Kirche. Die Kirche steht in der Identität ihrer Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit unter einem eschatologischen Vorbehalt des Wortes Gottes (BARTH); aber diese Kirche stellt ihrerseits mit Hilfe des Wortes Gottes die Welt unter den ekklesiologischen Vor-
tümlicher und gemeindemäßiger" (Dibelius an SCHRÖDER v. 2.8.1943, in: DLA MARBACH, N L Schröder). 333 Dibelius, der Mitverfasser und Endredaktor der Stuttgarter Schulderklärung vom Oktober 1945 (die auf Betreiben der ökumenischen Freunde des Auslandes zustandekam), hielt beim Schlussgottesdienst die Predigt; dies wurde als ein besonderes Zeichen der Wiederaufnahme der ökumenischen Gemeinschaft mit der evangelischen Nachkriegs-Kirche in Deutschland verstanden. - Die problematische komparativische Formulierung in der erwähnten Stuttgarter Erklärung („Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.") könnte durch die Vorgabe von VlSSER'T HOOFT in dessen Brief an Dibelius v. 25.7.1945 evoziert worden sein: „Die Christen anderer Länder möchten gerade nicht als Pharisäer dastehen. Aber sie möchten so gern, daß offen gesagt wird, ...daß das deutsche Volk und auch die Kirche nicht offen und laut genug gesprochen haben" (W.A. VlSSER'T HOOFT, Welt, 1972, S.229; Hervorhebungen von Vf.). 334 Zur Bedeutung des ökumenischen Rates, 1948, S.22. 335 „Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan" (K. BARTH u.a., Amsterdamer Fragen, 1949, S.3-10; vgl. auch E. BUSCH, Lebenslauf, 1975, S.370ff.). 336 K. BARTH, Eindrücke von Amsterdam 1948 (DERS. u.a., Amsterdamer Fragen, 1949, S.21). - Die „Zurückhaltung" BARTHS kann mit Otto WEBER inhaltlich so gefüllt werden: „BARTHS Grundsatz ist der, daß wir den heiligen Geist nur ,in actu der Bitte' ,haben'. Das heißt: nur soweit und sofern wir Bittende sind, von uns Abgewandte, unsere Armut Bekennende sind wir ,im Besitz' des Geistes" (O. WEBER in: RKZ 79, 1929, S.403).
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behalt ihres von der Welt getrennten und in der Welt „eigenwertigen" Daseins (Dibelius). 2.5.4 Der „Eigenwert" und der „Eigensinn" der Kirche U m dem Differenzpunkt zwischen Dibelius und BARTH näher zu kommen, eignet sich weniger eine an den dogmatischen Topoi der christlichen Lehre orientierte Untersuchung. Vielmehr bieten sich Gegen- und Wechselbegriffe an, unter denen eine gemeinsame Zielrichtung mit gleichzeitig unterschiedlicher Akzentuierung kenntlich zu machen ist. Mit Hilfe der Zuordnung der Begriffe „Selbständigkeit" (Dibelius) und „Freiheit" (BARTH) der Kirche arbeitet E. LESSING sowohl die Konvergenz also auch die Divergenz der beiden durch diese Stichworte angezeigten ekklesiologischen Konzepte mit dem Ergebnis heraus: „Als Leitvorstellungen sind Selbständigkeit' und ,Freiheit' der Kirche nicht miteinander zu vermitteln, wohl aber sind sie partiell füreinander offen." 337 In ähnlicher Weise könnte man das Gegenüber von Dibelius und BARTH auch an den Begriffspaaren „Selbstbestimmung und Selbstbesinnung", „Selbstbewusstsein und Selbst-Sein", „Verantwortung und Antwort" der Kirche oder Kirche als „Tatsache und Ereignis" 338 , „Freiheit und Anspruch des Gewissens und Verbindlichkeit und Anspruchslosigkeit des Gehorsams" entfalten. U m einer noch schärferen Konturierung des Differenzpunktes willen scheinen zwei verwandte, von Dibelius bzw. BARTH selbst gebrauchte Begriffe hilfreich zu sein. Sie sind freilich auf dem Hintergrund einer jeweils verschiedenen historischen Situation gesprochen und deshalb ursprünglich nicht aufeinander bezogen; trotzdem können sie zu einem sinnerhellenden Begriffspaar verklammert werden. Es handelt sich dabei um die Rede vom „Eigenwert" (Dibelius) bzw. vom „Eigen-Sinn" (BARTH) der Kirche. Dibelius sprach vom „Eigenwert" der Kirche zu dem Zeitpunkt, als die evangelischen Landeskirchen Preußens kurz vor dem Abschluss eines von der Kirche höchst erwünschten Vertrags mit dem preußischen Staat standen. Vor allem in der Frage der „politischen Klausel" wurde darum gerungen, inwieweit die vom Staat getrennte Kirche eine vertragliche Bindung eingehen kann, um die erhoffte Aufwertung der Kirche durch diese Vertragspartnerschaft nicht mit dem Verlust ihrer inneren Freiheit bezahlen zu müssen. Wie schwer es Dibelius gefallen ist, sich mit dieser „politischen Klausel" abzufinden, hat er gegenüber dem EOK-Präsidenten KAPLER vertraulich ausgesprochen. Es war zutiefst seine Uberzeugung, dass sich die Kirche „in einer Sache ihres inneren Lebens" nicht dem Urteil einer außerkirchlichen Instanz beugen E. LESSING, Selbständigkeit, 1989, S.429. M. PERTIET stellt dem „Positivismus des Jahrhunderts der Kirche'" die Kirche als „Ereignis" im Kirchenverständnis der Dialektischen Theologie gegenüber (vgl. M. PERTIET, Ringen, 1968, S.42ff.). Entsprechend könnte man dem „Geschichtspositivismus" bei Dibelius das allerdings „ominöse" Schlagwort vom „Offenbarungspositivismus" entgegensetzen, mit dem BONHOEFFER 1944 eher beiläufig die Theologie Karl BARTHS gekennzeichnet hat (vgl. E. BETHGE, Bonhoeffer, 1986, S.219). 337
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dürfe, „das ist für eine Kirche, die ihres Eigenwerts und ihrer überzeitlichen Sendung bewußt ist, schlechtweg unerträglich."339 Wenn Dibelius hier vom „Eigenwert" der Kirche spricht und diesen nicht hoch genug zu schätzenden Eigenwert zu schützen versucht, dann tut er dies im Gegenüber zum Staat und angesichts seiner das innere Leben der Kirche bestimmenden Machtmöglichkeiten. Woher bezieht die Kirche aber ihren Wert, der ja eigentlich von anderen Werten nicht abgeleitet werden kann, wenn anders er ein „Eigenwert" sein soll? Oder hat die Kirche überhaupt einen „Wert"? Nach dem Modell einer zwar vom Staat getrennten, aber immerzu auf ihn bezogenen Kirche bemisst sich der Wert der Kirche auch am Wert des Staates. Aber die beiden Größen „Kirche" und „Staat" sprechen sich nicht gegenseitig ihren je eigenen Wert zu, sondern treten als konkurrierende Wertesysteme gegeneinander an. Dabei steigt oder fällt der Wert des einen Systems im umgekehrt proportionalen Sinn: je wert-loser das eine System ist, desto wert-voller wird das andere. In der Tat möchte ja das Jahrhundert der Kirche" den Beweis dafür antreten, dass die Kirche im innerweltlichen Wertevergleich den relativ höchsten und damit einen ganz unverzichtbaren Wert darstellt. Dies ist so und muss mit Notwendigkeit auch so sein, wenn entsprechend dem ständigen Aufeinanderbezogensein von Staat und Kirche der Staat immer mehr an Wert dadurch verliert, dass er sich selber als religiös neutral definiert. Indem der Staat sich selber damit immer mehr Werte abspricht, kann die Werterhaltung nur durch eine Werteverschiebung oder Werteübertragung auf das System der Kirche gewährleistet werden. Der Staat entledigt sich aller Werte und ist dann nichts anderes mehr als „Macht" - ein Staat ohne ethische, geschweige denn christliche Fundierung und Zielsetzung. In seiner säkularen, religiös neutralen Gestalt hat sich der Staat aller seiner Werte begeben; seine Entwertung, sein Unwert, seine Wertlosigkeit ist damit erwiesen. Er wird ein Spielball von divergierenden und destabilisierenden Machtinteressen. Stabilität kann ihm nur eine von ihm anerkannte gleichrangige Partnerin geben, die ihm an Größe, Macht, Einfluss und Geschlossenheit gewachsen, ja durch ihren Bestand an Werten und durch ihre Wertesicherung überlegen ist: die Kirche. Der Ubergang einer ganzen Wertekultur von der Zeit der Staatskirche zum „Jahrhundert der Kirche" hat sich nach Dibelius mit der November-Revolution und mit der damit einhergegangenen Trennung von Kirche und Staat vollzogen. Der Sinn der Werte, die die Kirche in ihrem Jahrhundert zu besitzen und zu schützen meint, erweist sich an ihrer Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit. Damit rückt aber faktisch all das, was Dibelius gern abwinkend und abwertend als eine bloße „Frage der Zweckmäßigkeit" (kirchliche Verfassungsfragen, Loyalitätsfragen, politische Optionen) in einen nachgeordneten Rang verweist und was dann auch nicht mehr weiter der kritischen Diskussion wert zu sein scheint, in den 3 3 9 Dibelius an KAPLER v. 21.11.1930 (EZA BERLIN, 7/437, pag.114). - Die Rede vom „Eigenwert" der Kirche wurde bei Dibelius vorbereitet durch die Erinnerung daran, dass „die Kirche nach Gottes Willen zu einem Eigenleben übergehen soll" (RdBr. v. 12.11.1927; vgl. auch oben S.207).
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Bereich des Essentiellen. Umgekehrt erweist die Kirche ihren Eigenwert darin, dass sie im Vollzug ihrer Verkündigung alles außerkirchliche Wesen, alles, „was es an vorletzten Werten gibt", der herben Kritik des Wortes Gottes unterzieht. Der letzte und höchste Wert in der außerkirchlichen Wertehierarchie allerdings ist fraglos und unhinterfragbar „Gott und Gott allein!" 340 Wenn es sich bei Dibelius mit diesem beschriebenen Modell des normativen und fundamentalen Aufeinanderbezogenseins von Kirche und Staat zutiefst um das „Ganze" des „Jahrhunderts der Kirche" geht, dann muss der Protest von BARTH sich auch darin als eine Entgegensetzung im Grundsätzlichen erweisen. Die Gegensätzlichkeit an diesem Punkt könnte man leicht beweisen, wenn BARTH sich auf die Ebene einer solchen Wertediskussion eingelassen hätte. Da er dies - aus intuitiver Einsicht oder in planvoller Absicht, jedenfalls aus gutem Grund - unterlassen hat, deshalb entstand in der hörenden und lesenden Öffentlichkeit auch der Eindruck, die beiden Kontrahenten hätten einander nicht zugehört und hätten einander nichts zu sagen. So beklagte Dibelius auch bei BARTH „die Zuspitzung auf das Theologische", die „das Leben, die Arbeit und die Gedankenwelt der Kirche abstrakt, doktrinär und dadurch dem Reformatorischen wesensfremd zu machen droht" 3 4 1 . Die „Fehlerquelle" 342 sieht Dibelius bei BARTH darin, dass er die Wandlung des Kirchenbegriffs und die Bezogenheit der Kirche auf einen ganz anderen Staat nicht erkennen und nicht anerkennen will: „Wir dürfen nicht müde werden, es immer und immer wieder zu sagen: es hat sich in dieser Beziehung - äußerlich sichtbar mit dem Jahre 1918 - etwas Ungeheures in unseren abendländischen Lebensordnungen gewandelt." 343 Erst bei dem persönlichen Gespräch am 10. April 1932 fühlte sich Dibelius von BARTH verstanden und merkte, dass BARTH „wenn auch in sehr eigenartiger Weise" 3 4 4 sich um dasselbe Thema bemüht, was auch mit dem „Jahrhundert der Kirche" intendiert sei. Wenn BARTH in sehr eigenartiger Weise das Thema „Kirche" behandelte und wenn er in einer sehr eigensinnigen Weise die Auseinandersetzung mit seinem Gegner führte, dann mag man den wirklichen Grund dafür nicht nur in seinem theologischen Denk- und Schreibstil oder gar in seinem Psycho- und Biogramm suchen (um dann darin sicherlich auch genügend Gründe finden zu können), sondern in der von ihm auf verschlungenen Denkbewegungen dargestellten Sache selbst. Es handelt sich dabei um eine Auseinandersetzung mit der Sache des Gegners, die äußerst scharfsinnig (oder auch ängstlich?) darauf bedacht war, sich nicht die Denkungsart und die Denkrichtung des Gegners aufzwingen zu lassen. Dem „Eigenwert" der Kirche bei Dibelius kann so das Stichwort gegenübergestellt werden, das BARTH in seinem den Rundbrief von Dibelius (v. 8.3.1933) zustimmend beantwortenden Schreiben mit einem bedeutungsvollen Bindestrich 340 341 342 343 344
RdBr. v. 14.2.1929. Die Verantwortung der Kirche, S.5. EBD., S.9. EBD., S.llf. (im Original gesperrt gedruckt). SoSp. v. 17.4.1932.
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versehen und hervorgehoben hat. BARTH versicherte dort, dass er den Rundbrief von Dibelius als Beweisstück dafür benützen werde, dass „energische Widerstände zugunsten des Eigen-Sinns der Kirche gerade an den verantwortlichen kirchlichen Stellen jedenfalls auch auf dem Plane sind." 3 4 5 D e r „Eigenwert" und der „Eigen-Sinn" der Kirche: Wenn BARTH sich auf die Debatte u m den „Wert" der Kirche eingelassen hätte, wäre damit die Anerkennung verbunden gewesen, dass die Position der Kirche auf irgendeiner Stufe der menschlichen oder innerweltlichen Werteskala anzusetzen sei (und darüber ließe sich dann trefflich streiten). Implizit ist damit der Grundsatz des Kirchenverständnisses von Dibelius in „abgrundtiefer" Gegensätzlichkeit bestritten, dass das Wesen und die Bedeutung der Kirche konstitutiv durch ihr Gegenüber zum modernen Staat definiert sei. Lediglich „durch Messers Breite" voneinander entfernt freilich sind die beiden so abgrundtief voneinander getrennten Kontrahenten in der Uberzeugung, dass die Kirche in Wahrung ihres nicht ableitbaren und nichts anderem als der Wahrheit des Evangeliums verpflichteten Eigen-Werts und Eigensinns dem Staat - nicht grundsätzlich und dauernd, aber zuweilen, wenn dies nötig ist - selbstbewusst und eigensinnig, renitent und resistent gegenübertreten oder sich ihm gar entgegenstellen 346 muss. Freilich: Der Eigen-Sinn der Kirche erweist sich nach BARTH in seinem tiefsten Grund darin, dass die Kirche sich auf das kontingente Christusgeschehen, auf den differenzierten Zusammenhang von Kreuz und Auferstehung, gründet und dass auch ihr politischer Eigen-Sinn sich herleitet von einem Geschehen, das gemessen an bloß innerweltlichen Werten wert- und nutzlos, ja sogar wider-sinnig sein kann. Nicht anders wird die Wahrheit des Evangeliums sachgemäß zur Geltung gebracht, nicht anders wird die Kirche glaubwürdig Kirche sein und bleiben als so, dass sie von der Sorge u m die Gewinnung, Erhaltung oder Steigerung ihres Eigenwerts Abschied nimmt und ihrem „Eigen-Sinn" die Treue hält. Eine Konzeption, die am „Eigenwert" der Kirche festhält und darauf ihr Kirchenverständnis aufbaut, so kann BARTHS Position im Gegenüber zu Dibelius nun interpretiert werden, führt unweigerlich in Teufels Küche, während die Rede vom „Eigen-Sinn" der Kirche wenigstens ein gleichnishafter Hinweis auf das Reich Gottes sein kann. Hatte BARTH nicht dies schon zum Anfang der Debatte u m die Kirche gemeint, als er so zornig und verletzend, so grob und eigensinnig seinen „Ruf zur Sache" und sein „Wort zur Lage" ausgehen ließ und alle sonst so mühe-, ehrenund wert-voll geachtete Arbeit der Kirche für nichts achtete, verachtete und ganz ent-wertete? Damals demontierte er das ganze Wertgebäude, mit dem sich die Kirche in seinen Augen vor sich selbst und vor der Öffentlichkeit zu präsentieren versuchte, mit den Worten: „ D a wird keine Neuentdeckung der ,reformatorischen Botschaft', da wird keine Liturgie- und Gesangbuchreform, da wird kein Lutherfilm und kein violetBARTH an Dibelius v. 17.3.1933, K B A BASEL. Dibelius: „Einen omnipotenten Staat kann die Kirche nicht anerkennen" 0ahrhundert der Kirche, S.236). - BARTH: Die Kirche „ist die naturgemäße Grenze jedes, auch des totalen Staates" (Existenz, 1984, S.86; vgl. S.162f., Anm.166). 345
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tes Jahrhundert der Kirche', da wird keine kirchliche Jugendbewegung und Gemeindearbeit, da werden keine ökumenischen Ideologien und Machenschaften auch nur das geringste helfen: eine Kirche, die zugestandenermaßen damit beschäftigt ist, ihren (ihren!) Wert zu behaupten, ja zu steigern,... eine solche Kirche kann in keinem Wort ihrer Weihnachts- und Oster- und Sonntagspredigt glaubwürdig sein." 347 2.6 Der Fortgang der Beziehung zwischen Barth und Dibelius 2.6.1 „agreement within disagreement" Erst über die kritische Distanz 348 fand BARTH schließlich - besonders durch die theologische Federführung bei der Abfassung der „Barmer Theologischen Erklärung" vom Mai 1934 - zur Bundesgenossenschaft mit der Bekennenden Kirche. Der Kirchenkampf sah dann beide, BARTH und Dibelius, auf derselben Seite stehen, kämpfen und leiden349. Als einer der wenigen Kirchenführer schloss sich Dibelius dem Pfarrernotbund 350 an und stellte seine durch die erzwungene Zurruhesetzung freigewordene Arbeitskraft in den Bruderräten von Berlin bzw. Brandenburg und Altpreußen an der Seite von M. NlEMÖLLER und K. SCHARF
zur Verfügung. Nach dem 2. Weltkrieg haben gerade diejenigen, die gegen eine kirchliche „Restauration" 351 unter der Ägide von Dibelius protestiert haben, auch die alten theologischen Gegensätze wieder aufleben lassen. Ein in Abständen gehaltener Briefwechsel zeigt, dass sich BARTH und Dibelius nicht aus den Augen verloren haben. Bei der Amsterdamer Vollversammlung des Ökumenischen Rates (1948) sind sich die beiden Kontrahenten von ehedem wie-
3 4 7 K. BARTH, Quousque tandem...? (К. KUPISCH, Götze, S.31 / H.-W. KRUMWIEDE, Kirche, S.230f., Hervorhebung von Vf.). 348 vgl. a m 1.7.1933 veröffentlichte Schrift „Theologische Existenz heute!" oder BARTHS briefliche Äußerung gegeüber ASMUSSEN über seinen Besuch beim Berliner Bruderrat unmittelbar nach dem Sportpalast-Skandal der „Deutschen Christen": „Ich weiß nur Eines: daß ich, wenn erst die D.C.-Herrlichkeit zusammengerasselt sein wird, dem von diesem Gremium zu übernehmenden Kirchenregiment nicht weniger werde zu widerstehen haben, wie einst dem violetten von Dibelius und jetzt dem der MÜLLER, HOSSENFELDER und Kons." (BARTH an ASMUSSEN v. 17.11.1933, K B A BASEL). 3 4 9 Trotzdem wurden die bleibenden Gegensätze auch innerhalb der Bekennenden Kirche nicht einfach harmonisiert, sondern gerade an den beiden Antipoden BARTH und Dibelius exemplifiziert: D . BONHOEFFER lehrte in einer Vorlesung 1935/36, dass der sichtbaren Kirche gerade in ihrer theologischen Auseinandersetzung mit dem Staat zwei Gefahren drohen: „1. Gefahr einer idealistisch-doketischen Eschatologie ... 2. Gefahr: materialistisch-säkulare oder magisch-sakramentale Ekklesiologie. Beide Gefahren (sind) bei uns im Protestantismus sehr akut. Die erste kommt von einer missverstandenen BARTHschen Theologie, die zweite von einer richtig verstandenen Dibelius-Theologie" (D. BONHOEFFER, GS III, S.325). 3 5 0 V o n den Kirchenführern schlossen sich dem Pfarrernotbund außer Dibelius lediglich GenSup. WEIRICH sowie Präses KOCH an (vgl. E. WOLF, Kirchenkampf, 1959, Sp.1447). 3 5 1 Vgl. dazu unten S.492ff.
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der begegnet: B A R T H hatte dort den Eingangsvortrag zu halten, Dibelius predigte beim Schlussgottesdienst 352 . Die Wege beider gingen nebeneinander her, ohne dass es zu einer weiteren Kontroverse kam. V o r allem in der Frage, wie man der Kirche in der D D R helfen könne und wie sie sich selber gegenüber den bewusst kirchenfeindlichen Maßnahmen der DDR-Führung und -Bürokratie verstehen und verhalten solle, lagen B A R T H und Dibelius in ihrer jeweiligen Beurteilung der „Lage" weit auseinander. Dibelius, ohnehin „von Haus aus" durch einen strammen Anti-Kommunismus geprägt, sah im sozialistischen System einen ebenso „totalen" Staat wie im NS-Staat, also einen Quasi-Faschismus mit umgekehrtem Vorzeichen (und viele Einzelsymptome der staatlichen Zwangsmaßnahmen, Behinderungen und Feindseligkeiten sprachen in der Tat dafür!); er fühlte deshalb sich und seine Kirche zu einem zweiten Kirchenkampf aufgerufen. Bei dieser Konfrontationspolitik mit dem SED-Staat erwuchs ihm in dem thüringischen Bischof Moritz M L T Z E N H E I M (1891-1977) ein scharfer, aber einsamer Gegner 3 5 5 . Das gemeinsame Anliegen von B A R T H und Dibelius war es trotz aller gravierenden Unterschiede auch hier, dass sie eine „freie" Kirche im Blick hatten - nur dass Dibelius die Freiheit der Kirche ausschließlich in ihrem Gegenüber zum Staat sehen konnte und durchsetzen wollte, während B A R T H die Kirche selbst
3 5 2 Dibelius hielt in Amsterdam außerdem eine viel beachtete Ansprache über seine schon im Jahrhundert der Kirche' (vgl. Jahrhundert der Kirche, S.236) begründete Auffassung vom Wesen des Staates: „Die Kirchen mußten einsehen, daß die christliche Kirche und der totalitäre Staat zwei unversöhnliche Gegensätze sind" (Kirche, Staat und Kriegsgefahr, in: ChrWelt v. 18.9.1948). 3 5 3 Trotzdem entsprach es der Noblesse (vielleicht auch der kirchenpolitischen Taktik) von Dibelius, dass er gerade auch seine unbequemsten Gegner in die gesamtkirchliche Verantwortung einzubeziehen suchte. So setzte sich Dibelius - allerdings vergeblich - 1961 für die Wiederwahl von MlTZENHEIM in den Rat der EKD ein: „Landesbischof MlTZENHEIM ist gewiß ein eigenwilliger Mann und steht unter den evangelischen Kirchenführern Deutschlands mit seinen Zielsetzungen so gut wie allein. Aber was er sagt, ist jedesmal nicht nur sorgfältig überlegt, sondern es entbehrt auch nicht der kirchlichen Würde. Das muß ihm gerade von denjenigen bezeugt werden, die nicht eines Sinnes mit ihm sind. Die letzte gesamtdeutsche Synode war nicht gut beraten, als sie es ablehnte, ihn erneut in den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zu berufen, dem er so lange angehört hatte. Er gehört in diesen Rat einfach hinein!" (Dibelius in der RIASSendung „Kirche in der Zeit" am 3.9.1964, Manuskript in: Sammlung Winterhager BERLIN; vgl. auch K. HERBERT, Aufbruch, 1989, S.305). - In ähnlicher Weise machte Dibelius seinen Einfluss geltend, um einem seiner schärfsten Gegner, dem früheren Neuköllner Pfarrer A. RACKWITZ (religiöser Sozialist, später SED-Mitglied), in die Brandenburgische Provinzialsynode zu verhelfen, der er dann von 1946 bis 1962 angehörte (vgl. G. JANKOWSKI u. K. SCHMIDT, Rackwitz, 1976, S.28). J. GRÜNEISEN (geb. Dibelius) erinnerte sich an ein Diktum über RACKWITZ am Anfang der sechziger Jahre: „Aus der Sitzung im Konsistorium kommend sagte mein Vater beim Verlassen des Hauses mit müdem und traurigem Gesichtsausdruck zu mir: ,Ich habe eben wieder jemanden im Amt bestätigt, der gegen mich arbeitet. Ich säge mir selbst den Ast ab, auf dem ich sitze - aber ich kann doch nicht einen Mann blockieren, der tüchtig ist, nur weil er andere Ansichten hat als ich.'" (Notiz in: Sammlung Griineisen BERLIN) Dibelius pflegte seine Pfarrer weniger nach ihrer theologischen und politischen Haltung zu beurteilen als vielmehr unter der Fragestellung nach ihrer persönlichen Wirkung und ihrem geistlichen Charisma: „Geht etwas von ihm aus?" (Mitteilung von Propst Dr. W. DlTTMANN).
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„frei" sehen wollte durch die ihr und nur ihr selbst gegebenen Gaben und Aufgaben 354 . Zum 70. Geburtstag von Karl BARTH hielt Dibelius eine Laudatio im B B C und ließ dem Jubilar durch den Präses der EKD-Synode, Constantin v. DlETZE (1891-1973), eine von ihm selbst gezeichnete Dedikation der Barmer Erklärung überreichen. Im Voraus sandte er folgende Gratulation an BARTH: „Das evangelische Deutschland hat Ihnen viel zu danken, ganz gleich, ob man ein Anhänger Ihrer Theologie ist oder nicht 355 . Sie haben ,zur Sache' gerufen. Das hat uns allen notgetan, und Ihr Ruf ist nicht vergebens ausgegangen! Für alles danke ich Ihnen sowohl persönlich als in meiner Eigenschaft als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gott erhalte Sie und segne Sie noch auf lange hinaus!" 356 Damit nicht genug: in einem zusätzlichen privaten Telegramm fasste Dibelius seinen Glückwunsch und die Geschichte seiner Beziehung zu BARTH in 3 5 4 BARTH fasste dieses zugleich trennende und verbindende Ziel in das Gegenüber von „ K a m p f " und „Aufbau": „heute geht es nicht um Kampf, sondern um Aufbau. Das ist der Grundgedanke, für den wir Christen in der heutigen politischen Welt einzustehen haben. ... U m die Menschlichkeit scheint es ja auf beiden Seiten zu gehen, da man sich gegenseitig so heftig der Unmenschlichkeit bezichtigt. ...Nur daß es sich im Osten um eine Gerechtigkeit zu handeln scheint, die mit der Freiheit - und im Westen um eine Freiheit, die mit der Gerechtigkeit von ferne noch nicht ins rechte Verhältnis gekommen ist. N u r daß der Friede, von dem hier wie dort sicher aufrichtig die Rede ist, hier wie dort voll heimlicher Drohung und Kriegsgefahr ist. Die christliche Kirche ist für den Aufbau. ...Sie glaubt und verkündigt den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft und der eben darum die menschliche Vernunft umfaßt und beieinander hält, der dafür sorgt, daß wir nicht auf Grund unvernünftiger Vernünfteleien übereinander herfallen, der also auch für den menschlichen Frieden sorgt. Die christliche Kirche kann von daher nicht gegen den Westen, nicht gegen den Osten sein. Sie kann von daher nur zwischen beide hineintreten. ...Die Kirche kann gerade heute nur dann Kirche sein, wenn sie dazu frei bleibt. Sie kann nur für Europa sein. Nicht für ein östlich, nicht für ein westlich bestimmtes und orientiertes, sondern für ein freies, einen dritten, seinen eigenen Weg gehendes Europa. Eine freie Kirche ist vielleicht heute die letzte Chance für ein solches freies Europa" (K. BARTH, Kirche, 1949, S.141f.; vgl. auch: DERS., HOW m y mind [1958], S.201-205). 355 Wenn Dibelius in der Sache immer ein Kritiker der BARTH'schen Theologie geblieben ist, so hat er sich nicht gescheut, auch deren „Anhänger" in seine unmittelbare Mitarbeiterschaft zu rufen. In dem „Unterwegs"-Kreis, der sich in der Gefolgschaft der Dialektischen Theologie verstand, sah er nur den „kirchlichen Liberalismus vergangener Tage" und einen „religiösen Individualismus" wieder erstarken; W.-D. ZlMMERMANN gegenüber schreibt er weiter: „Mit der immer wiederholten Versicherung, daß alle Kritik nur aus Liebe zur Kirche erfolge, ist nichts getan ebensowenig wie der Mann seiner Frau auf die Dauer eine echte Liebe glauben kann, wenn sie von früh bis spät nur an ihm herumnörgelt und ihre Liebe niemals sichtbar werden läßt. ...Ich glaube nicht, daß es der Unterschied der Generationen ist, der mich weithin anders denken und fühlen läßt als Sie. Wohl aber liegt eine verschiedene theologische Orientierung zugrunde. Sie wissen, daß ich die Theologie Karl BARTHS nicht mitmachen kann und daß ich die Einflüsse, die von dieser Theologie ausgehen, zwar auch positiv zu werten imstande bin, daß ich sie aber überwiegend als unheilvoll beurteilen muß. Das wird mich aber niemals hindern, mich brüderlich zu denen zu stellen, die in dieser Beziehung anders urteilen. Darum dürfen Sie dessen gewiß sein, daß ich auch Ihnen gegenüber mich nicht durch theologische Unterschiede in meiner herzlichen und freundschaftlichen Gesinnung beirren lassen werde" (Dibelius an ZlMMERMANN v. 28.6.1948, in: Sammlung Grüneisen BERLIN). Tatsächlich hat Dibelius diese Zusage wahr gemacht, indem er ZlMMERMANN - in der Nachfolge von Eberhard BETHGE - zu seinem persönlichen Referenten berief. 3 5 6 Dibelius an BARTH v. 9.5.1956, K B A BASEL.
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die prägnanten, nahezu klassischen Worte: „Früher mußte ich widersprechen, später konnte ich schweigen, jetzt hat die Ehrerbietung freien Lauf. Herzlichen Segenswunsch = Bischof Dibelius" 357 . Aus dem Abstand von 25 Jahren bekannte BARTH dem ehemaligen Gegenspieler nun freimütig, es sei ihm bewusst, „daß ich Ihnen das Leben durch meine Art theologischer Auffassung und Darbietung und im besonderen durch meine Art, an den kirchlichen und politischen Dingen in Deutschland teilzunehmen, von Anfang an und bis auf diesen Tag direkt und indirekt nicht eben leicht gemacht habe. Wie ich denn auch öfters in Ihrem Namen mindestens Einiges von dem zusammengefaßt fand, dem ich mich nach der mir gegebenen Einsicht mehr oder minder lebhaft entgegensetzen zu müssen meinte." 358 BARTH bedauerte - wohl auch in Erinnerung an das fruchtbare persönliche Gespräch am 10.4.1932 in Berlin - , dass es nur zu ganz wenigen persönlichen Begegnungen gekommen ist: „Hätten wir öfters Gelegenheit gehabt, uns nicht nur in Anwesenheit vieler Anderer, sondern auch Auge in Auge - und nicht nur kurz, sondern ein wenig ausgiebig - zu sehen und kennen zu lernen, so hätte sich vielleicht Manches klären lassen, was Ihnen und mir Schwierigkeiten bereitete." Denn trotz des geographischen und biographischen Abstandes 359 hatte BARTH die Möglichkeit im Auge, dass sie beide sich nicht nur über die deutsche Geschichte sachkundig hätten unterhalten können: „Aber es ist klar, daß Ernsteres als Solches zwischen uns stand und Distanzen schuf, über die sich zu verständigen nicht so einfach wäre. N u r daß gerade dieses Ernstere offenbar nicht nur trennend, sondern auch verbindend zwischen uns stand. Seien Sie überzeugt, daß es mir nicht verborgen ist: um ,die Sache', auf die Sie mich so versöhnlich anreden, ging und geht es auch auf Ihren, den meinigen nicht einfach parallelen Wegen. Der Silberblick der Situation des Kirchenkampfes, in dessen Licht auch sonst so viel unerwartete communio sanctorum sichtbar wurde, hat keine allgemeine Dauer gehabt, ist aber auch bei mir nicht vergessen und so auch das nicht, was damals als agreement within disagreement zwischen Ihnen und mir praktisch bedeutsam wurde." Und über die Zeit des Kirchenkampfes hinausblickend versicherte der Basler Jubilar seinem kirchlichen Antipoden, bei seinem nicht uneingeschränkten, aber freudigen „Ja" zu bleiben: „Ich werde dazu auch dann stehen, wenn es - in den kürzer werdenden Tagen, die Ihnen und mir noch beschieden sein mögen - ab und zu wieder dazu kommen sollte, daß ich über die eine oder andere aus der E K D zu mir dringende Kunde den Kopf zu schütteln nicht unterlassen könnte." 3 6 0 357 Telegramm v. 10.5.1956, K B A BASEL. BARTH an Dibelius v. 17.5.1956, K B A BASEL. BARTH, nur sechs Jahre jünger als Dibelius, fühlte sich dennoch einer anderen Generation zugehörig: „Es mag als Vermutung eines nun auch Siebzigjährigen seltsam Idingen, wenn ich damit rechne, daß außer den mir durch mein Schweizertum und Ihnen durch Ihre Eigenschaft als Norddeutscher gesetzten Grenzen auch die zweier verschiedener Generationen sich geltend gemacht haben mag" (BARTH an Dibelius v. 17.5.1956, K B A BASEL). 3 6 0 BARTH an Dibelius v. 17.5.1956, K B A BASEL. 358
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Die „Sache", um deretwillen BARTH den Streit vom Zaun gebrochen hatte, stand also „nicht nur trennend, sondern auch verbindend" zwischen den Gegensätzen, so dass BARTH nicht nur im Rückblick und aus der Warte des gereiften Alters, sondern auch im Blick auf die Gegenwart und Zukunft das „disagreement" nicht ohne das es miteinschließende „agreement" verstanden wissen wollte. Tatsächlich gab es nur wenig Gelegenheit zur persönlichen Begegnung und zur sachlich klärenden Ubereinkunft. Dritten gegenüber hielt BARTH seinen Kontrahenten weiterhin auf Distanz. So spricht er nur sehr abgekürzt von „Dibelius und Genossen" 361 , dann - im Anklang an die VOGEL'sche Wortschöpfung „Dibelianismus" - von den „sturen Dibelianern" und von „Deibeljus" selbst 362 . Trotz solcher „diabolischer" Anspielungen konnte sich BARTH immerhin vorstellen, dass Dibelius, der am 31. Januar 1967 nach schwerem Krankenlager in Berlin verstorben war, einen Platz im Himmel bekommen werde - wenn auch in ,,eine(r) besondere(n) Abteilung für ehemalige Bischöfe" 363 . 2.6.2 Dibelius' Widerspruch in der Obrigkeits-Debatte Noch einmal, im Jahr 1960, signalisierte Dibelius seinerseits das disagreement und seinen Widerspruch gegenüber der ganzen Theologie Karl BARTHS. Die Debatte um die Obrigkeits-Schrift des Berliner Bischofs war im Gange und bedeutete eine Zerreißprobe für die evangelische Kirche. Mit der eigenen Uberzeugungskraft konnte Dibelius selber in diesem hitzigen Streit wohl nicht mehr zur sachlichen und ruhigen Klärung beitragen. So bediente er sich mit einem Hinweis auf die Kritik G. GLOEGEs364 an der Versöhnungslehre BARTHS eines fremden Sprachrohrs, um seine eigene Position noch einmal zu begründen; nur mit einem solchen „Befreiungsschlag" konnte er sich selbst in der die ganze Kirche äußerst bedrängenden Situation Luft verschaffen. In einem internen Rundschreiben an die Ephoren seines Sprengeis 365 führte Dibelius den Streit um seine Obrigkeits-Schrift (1959) auf seinen Widerspruch BARTH an BULTMANN V. 20.6.1931 (Briefwechsel, 1971, S.126). K. BARTH, Briefe, 1975, S.183 u. S.519. 3 6 3 BARTH an KARWEHL V. 1.2.1967 (K. BARTH, Briefe, 1975, S.390). 3 6 4 G . GLOEGE, Versöhnungslehre (1960), S.133-170. Diese Rezension wurde erstmals veröffentlicht in: T h L Z 85, 1960, S.161-186; dann wurde sie, mit einem wichtigen Nachtrag versehen, in die .Theologischen Traktate' (S.171-173) aufgenommen. - In der Debatte der Provinzialsynode im Januar 1960 versuchte Dibelius seine Gegner aus der BARTH-Schule noch mit dem Hinweis auf eine Äußerung BARTHS aus dem Jahr 1938 zu gewinnen; damals schrieb BARTH im Blick auf das NS-Regime: „Diese Staatsform, die totale, die prinzipielle Diktatur stellt uns vor die Gottesfrage und also vor die Glaubensfrage. Denn das ist ja nicht zu verkennen. Diese Diktatur kann nicht mehr als eine Ausführung eines göttlichen Auftrags, sie kann also gerade nicht mehr als ,Obrigkeit' im Sinne von Röm.13 verstanden werden" (zit. nach KJ 85, 1960, S.69). Aber gerade in der undifferenzierten und geschichtslosen Gleichsetzung der Kirchenkampfsituation im „Dritten Reich" und gegenüber dem DDR-Regime waren die Gegner mit Dibelius nicht einverstanden! Weiteres zur Obrigkeits-Debatte s. unten S.483ff. und S.496ff. 3 6 5 Rundbrief an die Herren Ephoren in Berlin-Brandenburg v. 22.4.1960 (EZA BERLIN, 6 0 6 / N L Fischer, 16). 361
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gegen die Dialektische Theologie zurück wie umgekehrt auf die Gegnerschaft von dialektischen Theologen gegen seine in der Frage des kirchlichen Verhältnisses zum Staat der D D R prononcierten und provozierenden Position. In dieser Auseinandersetzung ging es um die kirchliche Ortsbestimmung gegenüber einem theoretisch atheistischen, konkret aber kirchenfeindlichen Staat. GLOEGE kritisierte in seiner Besprechung von KD IV/3 u.a., dass BARTH innerhalb des Gedankenkreises von „Kirche und Welt" das Problem des Atheismus theologisch gar nicht zu fassen bekomme (S.166), dass dabei gar die Gefahren eines verschwommenen Synkretismus und einer spekulativen Christosophie (S.170) zutage träten, weil BARTH die Eschatologie neutralisiere (S.157), das „Letzte" bagatellisiere und das „Vorletzte" radikalisiere (S.165f.). In seiner Gegenkritik witterte Friedrich W. MARQUARDT bei den von GLOEGE postulierten Grenzziehungen eine Absage an die „Solidarität mit den Gottlosen" 366 . Tatsächlich gebrauchte auch Dibelius in seinem Rundschreiben dieses Schlagwort als das eigentlich Trennende und benannte dabei auch dessen Urheber und den zeitgeschichtlichen „Sitz im Leben", in dem dieses in der Obrigkeits-Debatte wieder virulent gewordene Stichwort seinen sachlichen, kirchlichen und politischen Ursprung hatte. In GLOEGEs Ausführungen, so schreibt der Bischof, komme zum Vorschein „die gesunde, biblische Lehre..., die unserer Kirche nottut. Es ist die Abkehr von Formulierungen, die unser lieber Freund Heinrich VOGEL seit mehr als dreißig Jahren ständig vorgetragen hat, noch zuletzt auf unserer Synode: Solidarität mit den Gottlosen' und alles, was um diesen Gedanken kreist. Ich habe das immer für ,falsche Lehre' gehalten und freue mich, daß nun endlich ein Systematiker von Rang dagegen Einspruch erhebt." 367 Der Aufhellung dieser zeitgeschichtlichen Ursprungssituation und der Anfangskonstellation dieses kirchlich-theologischen Streits, der bis zum Ende der Amtszeit von Dibelius dauerte, soll der letzte Abschnitt dieser Studie gewidmet sein.
366
Vgl. GLOEGEs Nachwort, 1965, S. 171-173). GLOEGE präzisierte dabei, dass es ihm nicht um die Absage an den Begriff „Solidarität" gehe, sondern dass er gegen dessen Absolutsetzung protestiere und dass er keineswegs die Grenzziehung zwischen „Kirche und Welt" auf die antithetische Gegenüberstellung von „Christentum und Atheismus" reduziere. 367 Rundbrief an die Ephoren v. 22.4.1960 (EZA BERLIN, 606/NL Fischer, 16).
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Ekklesionomie zwischen T h e o n o m i e u n d A u t o n o m i e
3. Dibelius und die Gottlosenbewegung
3.1 Freidenkertum und
Gottlosenbewegung
Die Revolution von 1918 ebnete allen - den anfangs berechtigten, später aber unberechtigten - Krisenängsten zum Trotz dem „Jahrhundert der Kirche" den Weg. Die „Mächte der Finsternis" sah Dibelius in den kirchenfeindlichen und kirchenstürmerischen Kräften am Werk; sie waren in dem USPD-Kultusminister Adolf HOFFMANN personalisiert und repräsentiert. Die damalige kurzzeitige Bedrohung wurde zum dauernden Trauma des „Jahrhunderts der Kirche": Das Gespenst Adolf HOFFMANNS geisterte weiterhin in verschiedener Gestalt durch die Geschichte, nachdem er politisch längst keine Bedeutung mehr hatte, auch nachdem der radikale Kultusminister von einst 1930 gestorben und unter den Klängen des „Donauwalzers" eingeäschert 1 worden war. Ihm galt deshalb immer noch alle Aufmerksamkeit und Wachsamkeit. Waren es in der Umbruchzeit die kirchen- und religionsfeindlichen Erlasse des preußischen Kultusministeriums, so setzte sich in der Zeit nach der Revolution die latente Bedrohung der Kirche durch die Kirchenaustrittsbewegung 2 fort. In den Vorkriegsjahren wurde sie klassenkämpferisch von den Linksparteien getragen, während in der Zeit der Weimarer Republik die in der Regierungsverantwortung stehenden Mehrheitssozialisten 3 sich mehr davon distanzierten und dieses Feld dem linksradikalen Flügel des Parteienspektrums (KPD und USPD) und den Freidenkerverbänden überließen 4 .
Vgl. SoSp. v. 14.12.1930. Vgl. das M e r k b u c h (hg. v o m Evang. Preßverband) „Der K a m p f gegen die Kirche" (1920). 3 In einzelnen Fällen wurde allerdings ein „Dreibund von Partei, Gewerkschaften u n d Freidenkerverband" hergestellt, so z.B. durch den Freidenkerführer Max SlEVERS, der für die S P D bei der Wahl z u m preußischen Landtag kandidierte (Soll Preußen den Gottlosen ausgeliefert werden?, in: N e u e Preußische Kreuz-Zeitung v. 17.4.1932). Vgl. auch die Werbung für den Kirchenaustritt aus Steuergründen in: D e r sozialistische Freidenker 5, 1930, N r . l , S . l l . 1
2
4 Vgl. J.-Chr. KAISER, Arbeiterbewegung, 1981, S.35ff.. Es gab auch G r u p p e n des Tannenberg-Bundes und der LUDENDORFF-Volkswarte, die sich den Parolen der proletarischen Austrittsbewegung angeschlossen hatten (vgl. E. RUDOLPH an E O K v. 25.7.1931, in: E Z A BERLIN, 7/3576, pag.36f.; Was einem Pfarrer heute zustoßen kann, in: R B o . v. 25.2.1932). Dibelius sprach am 10.6.1930 in Prenzlau bei einer Großkundgebung gegen die LUDENDORPF'sche Austritts-Propaganda „unter Ausschaltung jeder persönlichen Stellungnahme gegenüber dem General" (EvMark v. 29.6.1930). - Schon früher äußerte Dibelius seine Enttäuschung über den politischvölkischen Weg LUDENDORFFs, der ja auch aus der Kirche ausgetreten ist: „Was bei LUDENDORFF so schmerzlich berührt, ist der Mangel an Augenmaß für das Mögliche.... D a ß ... er dem A n d e n k e n an eine große Zeit unsäglich schadet, indem er so in den Tageskampf eintritt und der spöttischen Kritik soviel berechtigten Anlaß gibt - das ist für mich das Schmerzlichste v o n allem!" (RdBr. v. 3.4.1928; z u m Kirchenaustritt LUDENDORFFs vgl. auch Sächsisches Kirchenblatt, 1928, Sp.l84ff.).
Dibelius und die Gottlosenbewegung
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Ob es um die Reichspräsidentenwahl5 oder um die Schulfrage6 ging, ob der Kampf gegen das Volksbegehren um die Fürstenenteignung7 oder für das Reichsschulgesetz geführt wurde, ob die Frage der Sonntagsheiligung8 oder der „Reinhaltung" von Kunst, Literatur und Kultur zur Debatte stand, ob es um den christlichen Geist im Krankenhaus', um die Beibehaltung der Ehescheidungsgesetze10 oder des Paragraphen 218 ging11 - überall sah sich Dibelius aufgerufen, einer Ausschaltung der „absoluten Normen"12 des Christentums entgegenzuwirken und der schleichenden Machtergreifung des Kommunismus oder Bolschewismus13 auf dem Gebiet der Kultur, Moral und Politik vorzubeugen. 5 Vgl. WoSch. v. 24.1.1932, 28.2.1932, 13.3.1932. Zur Kontroverse um diese Stellungnahmen vgl. KAPLER an das Reichspräsidialbüro v. 5.4.1932 (EZA BERLIN, 7/438, pag.9f.). 6 Dibelius legte großen Wert auf die Beteiligung der Gemeindeglieder bei den Elternbeiratswahlen, um die Einführung der weltlichen Schule mit Hilfe des Elternrechts und zusammen mit einer starken evangelischen Eltern-Lobby zu verhindern (vgl. z.B. SoSp. v. 24.6.1928). Vom 1. bis 3. April 1932 fand in Potsdam der Evangelische Reichselterntag (10. Gesamttagung des Reichsverbandes Evangelischer Eltern- und Volksbünde - Reichselternbund) statt. Dabei sprachen u.a. der Hamburger Hauptpastor Dr. SCHÖFFEL über „Deutsches Volkstum und evangelische Schule", Prof. HINDERER über „Die schulpolitische Lage" und bei der abschließenden öffentlichen Kundgebung im Lustgarten Dibelius zum Thema „Wir kämpfen für ein neues Geschlecht" (Programm in: EZA BERLIN, 7/384). 7 In der ihm eigenen Art der Ubertreibung warnte Dibelius vor den sittlichen Folgen einer Fürstenenteignung, die einem „Zusammenbruch des ganzen Staatswesens" gleichkäme (Fürstenabfindung, in: RBo. v. 30.3.1926 / WoSch. v. 21.2.1926 - vgl. gegen die „Meinung dieses hochgestellten Mannes" „von fürstentreuer Hand" M. RADE in: ChW 40, 1926, Sp.345f. u. WoSch. v. 9.5.1926/ Sonntagsgruß. Evang. Gemeindeblatt für das Rheinland 1926, Nr.22, S.315; RdBr. v. 29.5.1926). Nachdem ein der SPD zugeneigter Pfarrer sich für die Fürstenenteignung ausgesprochen hatte, forderten mehrere evangelische Gemeindeglieder in einer Eingabe an den EOK dessen Abberufung: „Nach unserer Meinung müßte dieser Pfarrer seines Amtes entsetzt werden" (EZA BERLIN, 7/955, pag.l). 8 Vgl. das in großer Auflage verbreitete Flugblatt von Dibelius: „Rettet den Sonntag" (vgl. BES v. 31.7.1926; v. 8.8.1926). 9 Besonders im Neuköllner Krankenhaus wurde der Versuch gemacht, Tischgebet und Weihnachtsfeier zu unterbinden und die kirchliche Seelsorge zu behindern. Nicht zuletzt deshalb betrieb Dibelius die Errichtung eines evangelischen Krankenhauses im Berliner Westen. Das Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin-Grunewald, dessen Leitung vom Zehlendorfer Diakonieverein übernommen wurde, konnte Dibelius im März 1931 mit einer Predigt über Rom 5,1 einweihen und dem Dienst an den Kranken übergeben (vgl. SoSp. v. 22.3.1931; RdBr. v. 23.3.1931. Über Lina LlNGNER, die von 1931 bis 1957 die erste Oberin des Krankenhauses war, vgl. I. KRACKER v. SCHWARTZENFELDT, Lebensbilder, 1975, S.123-127). 10 „Ehescheidung" p e r Tag v. 1.2.1927; vgl. SoSp. v. 25.5.1930). 11 „Die Freigabe der sozialen Indikation würde die letzten seelischen Hemmungen um materieller Vorteile willen opfern. Sie wäre ein Schritt zur Bolschewisierung Deutschlands, aus der es kein Zurück mehr gäbe." (SoSp. v. 22.3.1931) Vgl. dagegen z.B. das sozialistische Plädoyer für Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsunterbrechung unter dem Titel: „Das Rekrutendepot der Kirche" (Der sozialistische Freidenker, Nr.2 v. Februar 1930, S.lf.). 12 „Die Gottlosenpropaganda und der deutsche Staat" (epd Nr.22 v. 17.3.1931). 13 Dibelius rechnete es in seiner Annäherungspolitik an die SPD den christlichen Kräften der Religiös-Sozialen als besonderes Verdienst an, dass die SPD noch nicht dem Bolschewismus anheimgefallen ist: „Der Verband der Freidenker ist die Pioniertruppe des Bolschewismus innerhalb der Sozialdemokratie. Wenn die Sozialdemokratie in Deutschland vom Bolschewismus noch nicht verschlungen ist, so verdankt sie das dem Einfluß der christlichen Kirche, der tief in ihre Reihen hineinreicht und der das Abgleiten in die kommunistische .Ameisen-Ideologie' verlang-
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Ekklesionomie zwischen T h e o n o m i e und A u t o n o m i e
Die Proklamation des „Jahrhunderts der Kirche" verstand sich ja zugleich auch als ein Kulturangebot, als ein Angebot zur Pflege, Erhaltung und Rettung der Kultur. Die Kirche wollte ihre Dienste dem Volk und der Nation zugute kommen lassen, damit das ohnehin geschwächte Staatswesen (und mit ihm auch die Kirche) nicht die Beute eines aufrührerischen, radikal-proletarischen Kulturbolschewismus oder eines aufklärerischen, liberal-bürgerlichen Freidenkertums werde. Der politischen Revolution sollte nicht auch noch eine Kulturrevolution folgen. Dibelius sah sich deshalb veranlasst, immer wieder die Kampfbereitschaft, d.h. die Kulturkampf-Bereitschaft der Kirche wachzuhalten und gegebenenfalls zu mobilisieren. Kirchen-Kampf muss sein, solange das „Jahrhundert der Kirche" Bestand haben soll. Doch der Kampf der Kirche „mit geistigen Waffen" stößt nach Meinung von Dibelius ins Leere, wenn er nicht vom Staat unterstützt wird „unter entschlossener Anwendung äußerer Machtmittel." Freilich, wie Dibelius vor- und fürsorglich und vermeintlich unbesorgt um den Bestand der Kirche hinzufügt: „Nicht um der Kirche willen, sondern um des Staates willen."14 Darüber hinaus erwuchs den beiden Großkirchen im Freidenkertum eine Konkurrenz; denn sie befürchteten, diese Bewegung könnte sich gleichsam als dritte Konfession, als eine Konfession des Atheismus, gleichberechtigt neben den Kirchen als Körperschaft des öffentlichen Rechts etablieren15. In die Zeit der so schwerfällig sich dahinziehenden Verhandlungen über den preußischen Kirchenvertrag fiel eine zweite Welle der zunehmenden Agitation und Radikalisierung des proletarischen Freidenkertums. Solange die völlige staatskirchenrechtliche Anerkennung der Kirche durch den Kirchenvertrag noch nicht ausgesprochen war, empfand man umso mehr die atheistische Bedrohung von Religion und Kultur; die Kirche sah sich aufgerufen, einer moskaugesteuerten Sowjet-Kultur entgegenzuwirken, zumal bekannt wurde, dass die Zentrale der Internationalen nach Berlin verlegt werden sollte16. Der Herausgeber des ,Kirchlichen Jahrbuchs', J. SCHNEIDER, beschreibt - um drastische Worte nie verlegen und „ganz absichtlich in aller Schärfe"17 - die Auswüchse gottloser und kirchenfeindlicher Umtriebe: „Berlin hält ja zurzeit noch die Spitze in offen zur Schau getragenen gotteslästerlichen Darstellungen und frivolen Äußerungen der Gottlosigkeit. Die kommunistischen Umzüge mit ihren samt. O h n e diesen Einfluß wäre sie schon heute da, w o Sowjet-Rußland steht" (SoSp. v. 4.5.1930). 14 S o S p . v . 8.3.1931. 15 Dibelius führte Klage darüber, „daß die Freidenkerverbände... das Dissidententum als organisierte Bewegung vertreten. Sie sind es, die jetzt die Anerkennung des Freidenkertums als Körperschaft öffentlichen Rechtes fordern. Sie sind die treibenden Kräfte bei der Errichtung weltlicher Schulen" (SoSp. v. 2.2.1930). - N o c h vor Abschluss des Kirchenvertrages warnte Dibelius seine Amtsbrüder davor, in der Öffentlichkeit eine allzu große Euphorie an den T a g zu legen: „Es wäre sehr unklug, wenn wir angesichts solcher Möglichkeiten den Anschein erwecken würden, als erwüchse der evangelischen Kirche ein Vorteil, für den andere Leute Kompensationen zu fordern hätten." (RdBr. v. 29.4.1931 - mit den „anderen Leuten" sind die Freidenker gemeint.) Zur Freidenkerbewegung vgl. auch J . MEHLHAUSEN, Freidenker, 1983, S.492. 16 Vgl. A E L K Z 63, 1930, Sp.1173; SoSp. v. 7.12.1930. 17 K J 57, 1930, S.455.
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Plakaten, von der Polizei nicht überwacht, sondern bewacht, zur Weihnachtszeit Aufstellungen von Christbäumen am Wittenbergplatz mit gesungenen Hetzrefrains übelster Art, Bühnenvorführungen von einer Schamlosigkeit, die sich nur andeuten läßt; Verächtlichmachung des Herrengebets (,Vater Unser, der du stinkst im Himmel') zeigen genugsam, wohin die Reise gehen soll. In den Krankenhäusern wird der seelsorgerische Dienst der Kirche nach Kräften erschwert; der kommunistische Stadtrat SCHWINCKE in Neukölln erwirbt sich hier besondere ,Verdienste'. ...Die Gegensätze spitzen sich zu. Der Ansturm gegen Religion und Kirche wird immer konzentrischer werden. Sind die Tage der Kirche gezählt? Wird ihre zeitliche Erscheinungsform ausgehöhlt werden wie ein ausgeblasenes Ei? Ihr Organismus - eine ,Kirche ohne Volk'?... Es liegt etwas wie Katastrophenstimmung in der Luft. SPENGLERs .Untergang des Abendlandes' wird derzeit theologisiert, oder besser ekklesiologisiert."18 In Aufnahme und Weiterführung dieser theologisierenden Katastrophen- und Weltuntergangsstimmung verkündete Dibelius: „Die bolschewistische Kulturpolitik ist der Aufstand des materalistischen Menschen gegen die ewigen Ordnungen der Schöpfung." 19 Der unermüdlichen kommunistischen Propaganda, bei der es sich um einen russischen Kulturexport handle und zu deren „Gemeinheiten" 20 Deutsche nicht fähig seien, setzte Dibelius seinerseits eine Mobilisierung der Gemeinden entgegen, da die Gottlosenbewegung der „Einbruch der Barbarei in die christliche Kulturwelt" sei, die „mit allen Mitteln der Gewalt, auch mit den rohesten, gegen das, was anderen Leuten heilig ist" 21 , kämpfe. Unter dem Druck der öffentlichen, nicht zuletzt von den Kirchen und den Rechtsparteien gesteuerten Meinung sah sich auch der Staat genötigt einzugreifen: Durch eine Notverordnung vom 28. März 1931 22 wurden die religionsfeindlichen Ausschreitungen und Anfeindungen unter Strafandrohung gestellt. Schließlich hatte sich Reichspräsident EBD., S.453 U. S.455. SoSp. v. 25.1.1931. 20 „Die Gottlosenpropaganda und der deutsche Staat. Ein Appell in ernster Stunde" (epd Nr.22 v. 17.3.1931). - In der dort wiedergegebenen Predigt vom 15.3.1931 stellte Dibelius klar, „daß es bei den geplanten Schutzmaßnahmen nicht um die Kirche gehe, sondern um den Staat.... Aufgabe der Kirche aber sei es, den Beweis dafür zu liefern, daß die Kraft des christlichen Glaubens im deutschen Volk viel stärker sei, als die Gegner meinen." (EBD.; vgl. auch J.-Chr. KAISER, Arbeiterbewegung, 1981, S.298) - Natürlich fühlte sich durch die Agitation der Gottlosenbewegung auch die Kirche selber angegriffen, bedroht und herausgefordert. Noch in seiner - wohl 1942/43 entstandenen - umfangreichen Darstellung des Kirchenkampfes erinnerte sich Dibelius an provozierend-blasphemische Spottverse der damaligen Zeit: „Wer hat mich beten gelehrt? D e r Pfaffe, der Affe / mit seinem Geblaffe, der hat mich beten gelehrt! Raus, Prolet, heraus / aus dem Gotteshaus! Schmeiß die Opiumfabrikanten, schmeiß die Pfaffen raus!" (Am Vorabend des Kampfes, S.25, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 21). 2· SoSp. v. 8.3.1931. 22 Reichsinnenminister WlRTH (Zentrum) hatte allerdings auch Veranlassung, den D E K A zu bitten, „daß seitens kirchlicher Stellen alles vermieden wird, was von den Andersdenkenden als eine Beschimpfung oder böswillige Verächtlichmachung empfunden werden könnte" (WlRTH an D E K A v. 28.3.1931, in: E Z A BERLIN, 7/3569; vgl. J.-Chr. KAISER, Arbeiterbewegung, 1981, S.300f.). 18
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v. HlNDENBURG dazu bewegen lassen, mit einer weiteren Notverordnung vom 3. Mai 1932 den von der KPD gesteuerten „Verband proletarischer Freidenker Deutschlands" und die ihm nachgeordneten Organisationen zu verbieten23. Damit aber konnte sich ein Kirchenmann wie Dibelius bei aller Genugtuung über die staatlichen Maßnahmen freilich nicht zufriedengeben, bot doch die Gottlosenbewegung die willkommene Gelegenheit, die Kirche bzw. das Kirchenvolk der genannten äußeren Bedrohung wegen zum Kampf und zur Geschlossenheit aufzurufen. Die eine Sache sei es, wenn sich der Staat gestützt auf die Verfassung und mit Hilfe des Strafgesetzes dieser Propaganda erwehre, das „andere aber ist, daß die Christenheit sich endlich aufrütteln läßt und sich stark macht für den Kampf, der jetzt entbrannt ist. Mit einem halben Christentum, das zur Not auch ohne Gott fertig werden kann, kann die Schlacht nicht geschlagen werden. Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben! Wenn wir nicht auf evangelischer Seite zu der Geschlossenheit und inneren Lebendigkeit kommen, die die evangelische Kirche in vergangenen Tagen beseelt hat, dann werden uns alle äußeren Maßnahmen nichts helfen."24 Es geht in diesem Kampf nach Dibelius um ein klares Entweder-Oder: „Uberwindung des Bolschewismus durch starke positive Kräfte" oder „Untergang des Abendlandes"25. Eine panische, fast bis zur Hysterie gesteigerte Angst richtete sich auf ein klar abgegrenztes Feindbild; durch gezielte Katastrophenstimmung wurde ihr weitere Nahrung zugeführt, um einen öffentlichkeitswirksamen Solidarisierungseffekt beim Kirchenvolk zu erreichen. Das immer wieder beschworene Menetekel lautete, die Kirche könne - bereits nach dem ersten Jahrzehnt ihrer erfolgreichen Bestandssicherung - von einer gottentfremdeten und säkularisierten, einer dazuhin aus dem kommunistischen Ausland gesteuerten Kampagne zerschlagen werden. Zwar sei die Kirche selber nicht in Gefahr, vielmehr müsse sie sich in diesem Kampf zur Retterin des Abendlandes, des Staates und der ewigen Schöpfungsordnungen aufschwingen. Wieder konnte mit dieser auf ein Feindbild fi23 Vgl. Signale 2, Mai 1932, Sondernummer 1; vgl. J.-Chr. KAISER, Arbeiterbewegung, 1981, S.44. T r o t z d e m bestand die oberste Kirchenbehörde mit allem Nachdruck auf der F o r t f ü h r u n g des A b w e h r k a m p f e s und bat darum, in dem Einsatz für eine klare Überzeugungsbildung durch Predigt, Schulung u n d Hausbesuche nicht nachzulassen. U m auch weiterhin die Mittel für diesen K a m p f bereitstellen zu können, wurde für den Bußtag 1932 - wie schon im Vorjahr - eine landeskirchliche Kollekte „Für Christus wider die Gottlosigkeit" angeordnet (vgl. Vertrauliches Rundschreiben des E O K [KAPLER] ν. 24.10.1932, in: E Z A BERLIN, 7/3571, pag.278). 24 SoSp. v. 8.3.1931. Dass gerade auch eine über den Parteien stehende Kirche sich in den K a m p f gegen den Bolschewismus gerufen weiß, zeigt Dibelius an dem Vorbild Finnlands, w o der protestantische Erzbischof INGMAN die „Taten gewaltsamer Selbsthilfe" der (1932 aufgelösten und verbotenen) antikommunistischen Lappo-Bewegung gegen die „bolschewistische Barbarei" gerechtfertigt hatte (SoSp. v. 16.11.1930, vgl. WoSch. v. 29.6.1930 u. 20.7.1930). Unverkennbar ist hier die Bereitschaft bei Dibelius, selbst Gewalttätigkeiten zu tolerieren oder zu legitimieren, wenn sie nur den „Prozeß der Bolschewisierung" treffen und ihm ein Ende bereiten. 25 SoSp. v. 23.11.1930. - Mit den starken „positiven" Kräften hätte sich Dibelius gern in die antibolschewistische K a m p f f r o n t der Nationalsozialisten, die sich zu einem „positiven" Christent u m bekannten, eingliedern lassen, wenn ihn nicht der alles dominierende und allem anderen übergeordnete Gesichtspunkt des „Eigenwerts" und der Eigenständigkeit der Kirche davon abgehalten hätte.
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x i e r t e n P a n i k m a c h e z u r E n t s c h l o s s e n h e i t u n d G e s c h l o s s e n h e i t d e r K i r c h e aufgerufen werden. E s h a n d e l t e s i c h dabei n i c h t n u r u m e i n e M o b i l i s i e r u n g s k a m p a g n e der Kirc h e n b e h ö r d e ; sie w u r d e a u c h v o n d e n S y n o d a l g r e m i e n u n t e r s t ü t z t i n der A u f f o r d e r u n g 2 6 , ö f f e n t l i c h S t e l l u n g g e g e n ü b e r der k i r c h e n f e i n d l i c h e n A g i t a t i o n 2 7 z u beziehen
und
Vorschläge
für kirchliche
Gegenmaßnahmen28
zu
unterbreiten.
Kirchliche Unterstützung erfuhren auch außerkirchliche Organisationen,
die
sich d e r s e l b e n Sache a n g e n o m m e n u n d sich d e m g l e i c h e n K a m p f v e r s c h r i e b e n h a t t e n . S o erhielt d e r „ D e u t s c h e B u n d z u m S c h u t z d e r a b e n d l ä n d i s c h e n K u l t u r " v o m B e r l i n e r E O K e i n e n Solidarbeitrag v o n 2 . 0 0 0 R M , u m d a m i t die selbständig e n A k t i o n e n dieses S c h u t z b u n d e s z u f ö r d e r n 2 9 . 3.2
„ Wir bilden die evangelische
Front!"
D i b e l i u s w a r e n t s c h l o s s e n , sich z u s a m m e n m i t seiner K u r m a r k an d i e S p i t z e des k i r c h l i c h e n F e l d z u g e s g e g e n die G o t t l o s e n b e w e g u n g z u stellen. D a n e b e n engag i e r t e n s i c h f ü r d i e s e l b e Sache s c h o n der E v a n g e l i s c h e B u n d u n d a u c h die e v a n g e l i s c h e n A u s s c h ü s s e d e r D N V P 3 0 auf Reichs-, Landes- u n d K r e i s e b e n e . S c h o n 1 9 2 9 stellte D i b e l i u s die P r o g n o s e , „daß w i r m i t e i n e r i m m e r s t ä r k e r e n A b g r e n z u n g der ,Kirche' g e g e n ü b e r e i n e r c h r i s t u s f e i n d l i c h e n W e l t z u r e c h n e n h a b e n - w e r i n B e r l i n w o h n t o d e r i n der K u r m a r k arbeitet, k a n n die A u g e n v o r d e m n i c h t v e r s c h l i e ß e n , w a s sich n u n e i n m a l m i t u n g e h e u r e r W u c h t v o l l z i e h t ! " 3 1
26
So z.B. durch die Pommersche Provinzialsynode in ihrer Eingabe an den Kirchensenat v. 25.10.1929 (EZA BERLIN, 7/3568, pag.49) oder durch den Sozialsekretär und das Mitglied der Brandenburgischen Provinzialsynode Paul RÜFFER (Abwehr und Angriff, in: RBo. vom 30.10.1931). 27 DEKA an die Kirchenleitungen der im evangelischen Kirchenbund zusammengeschlossenen Landeskirchen v. 8.5.1930 (EZA BERLIN, 7/3568, pag.70; vgl. EBD, pag,115ff.). 28 Vgl. DEKA (KAPLER) an die obersten Kirchenbehörden v. 8.5.1930 (EZA BERLIN, 7/3568, pag.70; vgl. EBD., pag.ll5f.) und das vertrauliche Rundschreiben des E O K (KAPLER) v. 30.6.1931 (EZA BERLIN, 7/3569, pag.32f.). 29 Dankschreiben an E O K v. 15.1.1931 (EZA BERLIN, 7/3568, pag.168). Der Schutzbund veranstaltete im Berliner Sportpalast am 16. November 1930 eine Kundgebung („Für Kultur und Glauben gegen die Weltrevolution"), bei der auch GenSup. KAROW zum Thema „Der Bolschewismus, eine Kulturgefahr" sprach und bei der sich „auch kritisch eingestellte Elemente" eingefunden hatten: „Kommunisten, Sozialisten, Nationalsozialisten" (RBo. v. 19.11.1930). 30 Vgl. Vertrauliche Mitteilungen des Evang. Reichsausschusses der D N V P 2, 1931, Nr.6, S.3 und Beilagen zu Nr.6/1931 und zu EBD. 3, 1932, N r . l (Niedersächsisches StA OSNABRÜCK, Erw. С 1, Nr.97, pag.6 u. 24). 31 RdBr. v. 30.4.1929. Vor der Brandenburgischen Provinzialsynode unterstreicht Dibelius am 21.9.1929 in seinem Tätigkeitsbericht diese Frontstellung der Kirche: Mit der „Wandlung des Lebensgefühls geht Hand in Hand die immer stärker werdende Gegensätzlichkeit der Weltanschauungen in unserem ursprünglich einheitlich christlichen deutschen Volke. ...Es ist auf der einen Seite die alte Front gegenüber der römischen Kirche. ...Aber die andere Front beschäftigt uns in unserer Arbeit Tag für Tag: die Front gegen den Atheismus, der sich in den Freidenkerorganisationen immer fester zusammenfügt. ...Zu diesen Auswirkungen gehört die künftige Gestaltung unseres Schulwesens, das nun vor der Frage steht, wie den verschiedenen Weltanschauungen und den verschiedenen Erziehungszielen in demselben einen Volke Rechnung getragen werden soll" (Provinzialsynode 1929, S.41-43). - Da sich Dibelius als Wortführer des Kampfes gegen Freiden-
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
D e r A u f r u f der altpreußischen Generalsuperintendenten zur Fürbitte f ü r die verfolgten Christen in Russland sollte zugleich auch ein Weckruf an die deutsche Christenheit sein: „man duldet die Werkzeuge dieser Regierung überall im eigenen Lande und läßt sie eine Agitation entfalten, die diese selbe Christenverfolgung auch über andere christliche Länder bringen will" 3 2 . Besonders die großen christlichen Feste Weihnachten 3 3 , Ostern und Pfingsten, nahmen die Freidenkerverbände zum Anlass ihrer Agitation. So kündigten die K o m m u n i s t e n v o r Ostern 1 9 3 0 provokativ 3 4 einen Antikirchentag an, „der über die ganze W e l t hin gehalten werden soll" 35 . Dibelius sah darin einen „systematischen Feldzug gegen Christentum und Kirche"; er witterte dahinter eine weitere öffentliche „Propaganda f ü r die weltlichen Schulen" und einen „Sturmlauf gegen die Ehe, gegen die Familie, gegen alle sittlichen Bindungen des Menschen". Gegen diesen Feldzug sollte nun ein kirchlicher Widerstand organisiert, eine evangelische „Front" 3 6 gebildet werden.
ker- und Gottlosenbewegung hervortat, setzte er sich selber auch heftigen Angriffen der Freidenker aus; vgl. ζ. B. den Schmähartikel „Dibelius, ein Knecht Gottes" (Der sozialistische Freidenker 5, 1930, Nr.l, S.lf.) und die Antwort von Dibelius in: SoSp. v. 2.2.1930. 32 RdBr. v. 28.1.1930. Dibelius legte Wert auf das „Erstgeburtsrecht" dieses Aufrufs: „uns Generalsuperintendenten... ist es eine Genugtuung, daß wir durch unseren Aufruf den Schein vermieden haben, der bei längerem Zuwarten notwendig entstanden wäre, als segelten wir im Schlepptau des Papstes und der anglikanischen Kirche. Unser Aufruf ging zuerst hinaus. Dann sind die anderen gekommen" (RdBr. v. 24.3.1930). 33 Die Notverordnung des Reichspräsidenten v. 8.12.1931 sollte deshalb auch den Weihnachtsfrieden sichern (vgl. Befriedetes Volkstum, in: Der Tag v. 13.12.1931). Dibelius mobilisierte das christliche Abendland nicht nur für den Kampf gegen die Gottlosenpropaganda, sondern er motivierte die Gemeinden mit der Herausforderung, angesichts dieser Propaganda erst recht den christlichen Glauben unter Beweis stellen zu können: „Daß jetzt von Rußland her ein Kampf gegen das Weihnachtsfest geführt wird, wird ohnehin zu einer inneren Gesundung des Weihnachtsfestes führen. Es wird sich zeigen, ob der eigentliche, der religiöse Gehalt für das deutsche Volk so viel bedeutet, daß es sich das Weihnachtsfest nicht nehmen läßt. Diese Probe auf das Exempel wird ja die Geschichte der christlichen Kirche in den nächsten Jahrzehnten überhaupt bestimmen" (SoSp. v. 20.12.1931). 34 „Anti-Osterfahrt der proletarischen Freidenker" (Die Rote Fahne v. 13.4.1930). Dort riefen die „Kampfgemeinschaft gegen Kulturreaktion" und der „Verband proletarischer Freidenker" zu einer Aufklärungsfahrt während der Osterfeiertage (beginnend mit Gründonnerstag) durch die Provinz Brandenburg auf: „Freidenker, Arbeiterinnen und Arbeiter, sorgt für eine Massenbeteiligung!" " RdBr. v. 4.4.1930; vgl. ChW 44, 1930, Sp.384 und Sp.402: „Die Kommunistische Internationale hat für den 1. Ostertag für ganz Europa und Amerika einen Anti-Kirchentag verkündet." Noch 1933 wusste der epd von einem von der Sowjetunion ausgehenden Propagandafeldzug gegen das Osterfest zu berichten (vgl. Das unzerstörbare Osterfest, in: epd Nr.14 v. 5.4.1933). 36 Der Front-Begriff ist bei Dibelius nicht nur abwehrend gemeint; er ist vielmehr ein Kampfbegriff, wobei die evangelische Front sich sowohl konfessionell gegen den Katholizismus als auch weltanschaulich gegen jedwedes Heidentum richten kann: Die protestantischen Kirchen der Welt sehen sich „einer einheitlichen Front und einer einheitlichen Verantwortung gegenüber. Rom und das moderne Heidentum - das ist die Front, an der der Kampf heißer brennt als je. Und die gemeinsame Verantwortung betrifft die Aufgabe, die Menschheit aus dieser Zeit der Krisis herauszuführen einer neuen, gerechteren Weltordnung entgegen" (Von der Schicksalsgemeinschaft des europäischen Protestantismus, in: EvDia 10, 1928, S.3).
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Geradezu generalstabsmäßig arbeitete Dibelius ein Aktionsprogramm für die Pressverbände, die Generalsuperintendenten und den Evang. Oberkirchenrat 37 aus. Ein ausführliches Merkblatt sollte die kirchlichen Körperschaften zur Gegenoffensive rüsten; außerdem wurde ein Flugblatt zur Verteilung an Karfreitag und Ostern vorbereitet 38 . In gezielter Weise sollte in den Gemeinden, in Besprechungen und Konferenzen deutlich gemacht werden, worum es geht und was auf dem Spiele steht: „Wir müssen es in unsere Gemeinden hineinrufen, daß die Zeit des Schlafens und der Gleichgültigkeit, die Zeit der Neutralität und des sogenannten religiösen Interesses vorüber ist. Entweder Treue zur Kirche, Mitarbeit in der Kirche, persönliches Christentum und entschlossene Hinwendung zu Gott - oder Auflösung aller Kultur, bolschewistische Gottlosigkeit in Deutschland! Ein Drittes gibt es nicht." Der Ruf zum Kampf war zugleich ein Ruf zur Kirche. Und weil sie eine spezifisch kirchliche Antwort zu geben hatte, deshalb sollte hier das Prinzip „non vi, sed verbo" strikte Anwendung finden: „Von einer Gegenaktion Auge in Auge verspreche ich mir nichts. Die Antwort muß in den Ostergottesdiensten gegeben werden." 39 U m die Öffentlichkeit aufzurütteln und nicht zuletzt auch die Polizeibehörden aufmerksam zu machen, verfasste Dibelius einen Aufruf, der in den größeren Tageszeitungen abgedruckt wurde. Mit kurzen Parolen bereitete der Generalsuperintendent die Leserschaft auf die bevorstehende Konfrontation und Provokation vor, um dann Richtlinien für „die rechte evangelische Antwort auf diese Schändung unserer ernstesten und heiligsten Feiertage zu geben": „Mit den Demonstranten Mitleid! Sie wissen nicht, was sie tun! Die Kinder von der Straße! Die Kirchenfahnen auf die Türme! Zu Ostern kraftvolle Gottesdienste der geschlossenen Gemeinde in der Kirche und im Freien! Mitwirkung von Laien und Jugendlichen am Gottesdienst wird freigegeben. Jesus lebt! Jesus siegt!" 40 Gemessen an dem propagandistischen Aufwand ging diese Mobilmachung auf beiden Seiten so gut wie ins Leere; ihr „Erfolg" war verhältnismäßig gering, da die kommunistischen und freidenkerischen Anti-Osterfahrer mit einer überraschend - fast möchte man sagen: enttäuschend - kleinen Truppe von ca. 40 Personen auf einem Lastzug anrückten. Die Wagen waren mit Plakaten und allerlei
37 Der Oberkirchenrat hatte sich in der Folgezeit die Verbreitung von Propagandamaterial nicht wenig kosten lassen. Gelder gingen dafür an die Christliche Front e.V., an die Liga zur Wahrung der Freiheit des religiösen Bekenntnisses, an den Deutschen Bund zum Schutz der abendländischen Kultur e.V., an den Eckart-Verlag und an die Berliner Missionsgesellschaft. Die Geldmittel wurden aus den Bußtagsopfern der Jahre 1931 und 1932 bestritten, die je zur Hälfte den Konsistorien und dem E O K zur Verfügung gestellt wurden (vgl. E Z A BERLIN, 7/3571 und 7/3572). 38 Ein „Aktionsprogramm, Skizze für ein Merkblatt" und der Entwurf eines Flugblattes („Es geht um die Kirche!") finden sich in: EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3. RdBr. v. 15.4.1930. 40 D A Z v. 15.4.1930; RBo. v. 16.4.1930; handschriftlicher Entwurf des Artikels (EZA BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). Mit diesem öffentlichen Aufruf wollte Dibelius auch die Polizeibehörden aufmerksam machen, um sie gegebenenfalls zu einer Aktions- und Einsatzbereitschaft zu veranlassen (vgl. RdBr. v. 15.4.1930).
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religionsfeindlichen Parolen bestückt. Die Durchführung der Kampagne war, wie Dibelius in einem Bericht an den EOK41 meldete, sehr unvollkommen, und die Beteiligung der kommunistischen Organisationen bei den Kundgebungen an den jeweiligen Stationen fiel schwach aus. Dagegen war in den Gottesdiensten und bei den Abendmahlsfeiern der Gemeinden eine überaus reiche, besonders auch jugendliche Beteiligung zu verzeichnen. Obwohl die erwartete „weltweite" Konfrontation zwischen organisierter Gottlosigkeit und Christentum ausblieb, hielt es Dibelius für nötig, das Thema weiterhin im Auge zu behalten. Bereits auf dem folgenden Kurmärkischen Kirchentag am 1./2. Juni 1930 sollte das Thema wieder öffentlich aufgegriffen werden42. In einem Vorbericht zu diesem Kirchentag erklärte Dibelius' Provinzialjugendpfarrer W. W l L M , es gehe in diesen kampfbewegten Zeiten nicht um die Pflege frommer Innerlichkeit, sondern um die Bildung eines „kirchlichen Frontwillens": Der Kirchentag diene „durchaus nicht der selbstgenügsamen Erbauung der Teilnehmer. Hinter ihm steht der zielklare Wille zum Angriff auf eine gottentfremdete Gegenwart. Die Öffentlichkeit soll aufhorchen und die Stoßkraft eines durchheiligten Ungestüms spüren."43 In seinem Lagebericht kam der Generalsuperintendent unter anderem auch auf das „jetzt als Massenbewegung organisierte() Freidenkertum()" 44 zu sprechen. Ausgehend von der Schilderung der Christenverfolgung in Russland45 brandmarkte er die Austrittsbewegung als den „Quellort der Maschinengesinnung" und als einen „Gifthauch sittlicher Fäulnis"46 und forderte zum kirchlichen Gegenangriff gegen die Freidenker- und Gottlosenverbände auf. In konsequenter Fortführung dieser Ausführungen kündigte Dibelius schließlich an, dass der kommende Potsdamer Kirchentag ganz im Zeichen dieses Angriffsgeistes und Frontwillens stehen werde: „Der Reichselternbund hat in Bad 41 Vgl. Protokoll der Ephorenkonferenz v o m 1./2.5.1930 (EZA BERLIN, 7/3568, p a g . 1 4 1 143 / E Z A BERLIN, 7/11109, pag.37ff.). Dibelius fasste dort die Berichte der Ephoren der Kirchenkreise Nauen, Brandenburg, Rathenow, Zehdenick, Eberswalde und Strausberg zusammen, durch deren Gemeinden die Fahrt der Kommunisten führte. 42 Bei der großen Laienversammlung im Potsdamer Konzerthaus sprach Prof. ILJIN (früher Moskau) über das Thema: „Die Christenverfolgungen in Rußland"; währenddessen hörten die Pfarrer in der Aula des Realgymnasiums einen Vortrag von Pfarrer H. VOGEL über die „Verantwortung der Predigt", und die Pfarrfrauen lauschten im Friedenssaal den Ausführungen v o n Kammersängerin Meta DLESTEL über „die Mission rechten Singens in Haus und Gemeinde". (Programm in: EZA BERLIN, 7/11066; Bericht in: EvMark v. 29.6.1930, S.103f.) - Das Brandenburgische Konsistorium verteilte später ca. 1800 Exemplare der Schrift v o n Prof. ILJIN mit dem Titel: „Gift, Geist und Wesen des Bolschewismus" (vgl. EZA BERLIN, 7/3571). 43 W . WlLM, Kirchlicher Frontwille (Der Tag v. 1.6.1930). 44 Evangelisch-Kirchlicher Anzeiger (BES v. 15.6.1930). 45 „Unbeschreiblich sind die Fürchterlichkeiten, die gemeldet werden. Und fragt man nach der Ursache: das ist die tiefste Ursache, daß dem Bolschewismus, der den Menschen als Maschine betrachtet und der von der Religion nichts mehr wissen will, jedes Gefühl für das Menschliche abhanden gekommen ist. ...Es ist der Kampf der Bestie im Menschen gegen alles, was im Christentum seinen Halt und den Sinn seines Lebens findet. Und dieser Kampf wirft seine Schatten über die deutsche Grenze herüber" (WoSch. v. 8.6.1930). 46 EvMark v. 29.6.1930, S.103.
Dibelius und die Gottlosenbewegung
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Harzburg beschlossen, zum Gegenangriff gegen die Gottlosen-Propaganda vorzugehen. In diese Front wollen wir mit unserem bevorstehenden Kirchentag der Kurmark eintreten. ... Er soll uns alle noch fester als bisher zu einer Kampfgemeinschaft zusammenschließen. Die Zeit ist da, daß wir die Ernte aus dem, was wir in den letzten Jahren miteinander erarbeitet haben, in die Scheuern bringen!" 47 Beim Kirchentag 1931 stand dann tatsächlich der Kampf gegen die Propaganda der Gottlosenverbände im Mittelpunkt der Verhandlungen. Die organisierte Massenbewegung der Gottlosigkeit war das bestimmende Thema der Vortragsveranstaltungen und Gottesdienste. Im Pathos der damaligen Zeit endete die Eröffnungspredigt des Generalsuperintendenten mit dem Weckruf: „Deutschlands Schicksal ist in die Hand seiner Christenheit gegeben. Nun, Kirche, tu deine Pflicht!" „Der ganze Kirchentag", so fügte der Berichterstatter hinzu, „war wie ein einziger großer Ruf zur Sammlung, eine Mobilmachung der Geister im Kampf gegen den bewußten Unglauben, der immer frecher auch in unserem deutschen Vaterland sein Haupt erhebt!"48 Die Kundgebungen und Aussprachen des Kirchentags wurden dann in die Arbeitslosung für das nächste kurmärkische Kirchenjahr 1931/32 zusammengefasst: „Wir bilden die evangelische Front!" 49 Nun kam es ganz auf die praktische Verwirklichung dieser Parole an. Erste Hinweise dazu gab der neuernannte Potsdamer Superintendent GÖRNANDT50 für die Winterarbeit in den Gemeinden. Sie entsprachen dem Ergebnis der Aussprache beim Ephorenkonvent vom 12./13.10.1931, das Dibelius folgendermaßen zusammenfasste: „Was das Praktische angeht, so wird von verschiedenen Seiten betont, daß neben den Besprechungen in den kirchlichen Körperschaften und auf den Kreiskirchentagen und neben der Aufkärung durch Flugblätter und kirchliche Kleinpresse die Schulung von ,Kampfscharen' betrieben werden müsse, weil von diesen allein eine nachhaltige Wirkung ausgehen könne. In der Provinz Brandenburg ist der Versuch gemacht worden, zwischen der evangelischen 47 RdBr. v. 29.4.1931. - Bei einer von der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde Brandenburg a.H. am 4.3.1931 veranstalteten Massenversammlung gegen die Gottlosigkeit und den Bolschewismus sprachen Dibelius und Pfarrer SCHEUNING. In der Entschließung der Versammlung heißt es: „Tausende in drei großen Sälen versammelte evangelische und katholische Männer und Frauen erheben entrüstet dagegen Einspruch, daß die ewigen Güter unseres Glaubens und die heiligen Grundlagen unserer deutschen Kultur in unserer Zeit öffentlich geschmäht und verächtlich gemacht werden. Sie fordern auf das Nachdrücklichste von der Preußischen Staatsregierung, daß sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln eine Zentrale der Gottlosigkeit in Berlin verhindere, die von Rußland unterstützt wird. Sie rufen alle Volksgenossen auf, sich zum Schutze unseres teuren Glaubens, der deutschen Zucht und der christlichen Sitte zusammenzuscharen, um besonders unsere Jugend vor der drohenden Gefahr der Gottlosigkeit und Verrohung zu behüten. Sie geloben ihrem Gott und der Kirche unverbrüchliche Treue" (EvMark v. 22.3.1931). 48 EvMark v: 31.5.1931, S.82. 49 Diese Front-Mentalität, dieses Denken in Fronten war in jener Zeit offenbar weit verbreitet: Der 3. Rheinische Kirchentag in Saarbrücken (September 1930) stand unter dem Thema „Kirche in Front" (vgl. K. BARTH, Die Not, S.56, Anm.6; E. STOLTENHOFF, Hand, 1990, S.442, Anm.3). 50 „Die Evangelische Front der Kurmark" (EvMark v. 18.10.1931, S.161f.).
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Volkshochschule, zwischen den Arbeitslagern51 der evangelischen Jugend und zwischen der Kampfschar des Barons R O P P eine planmäßige Arbeitsgemeinschaft herzustellen - vor allem in der Weise, daß junge Leute, die mit Erfolg in Arbeitslagern gewesen sind, für zwei Monate in die Volkshochschule kommen, dort eine vertiefte, geistige Ausbildung erhalten und dann wieder in die Arbeitslager zurückkehren, um schließlich in der Gemeinde an die Arbeit gehen zu können." 52 Doch in die unter der neuen Arbeitslosung kaum begonnene Winterarbeit wurde von Russland aus „dazwischengefunkt". Am Christfest 1931 verbreitete nämlich der russische Gewerkschaftssender in Moskau über den Äther einen Vortrag in deutscher Sprache, in dem die Glaubensart und Frömmigkeitstradition der russisch-orthodoxen Kirche lächerlich gemacht und die biblischen Wahrheiten gegen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ausgespielt wurden. Nachdem bereits die ,Katholische Aktion' 53 Protest gegen diesen „Spaziergang durch das antireligiöse Museum in Moskau" erhoben hatte, wurde Dibelius von der ,Deutschen Welle' gebeten, eine evangelische Antwort auf die Angriffe aus Moskau zu geben. Zunächst schilderte Dibelius darin die Greueltaten der Kommunisten in Russland und das Martyrium der orthodoxen Kirche 54 , um dann die Wahrheit der biblischen Verkündigung gegen den Angriff der Rundfunksendung aus Moskau zu verteidigen. Der Schwerpunkt seiner Widerrede aber lag auf der Auseinandersetzung mit der dortigen Weltanschauungspropaganda, „die auf deutschem Boden von einer fremden Macht getrieben wird" 55 . Gegenüber dem russischen Vorwurf, das Christentum sei rückständig und entspreche schon längst nicht mehr dem neuesten Stand der naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisse, behauptete Dibelius umgekehrt, dass in Deutschland bereits eine neue Epoche angebrochen sei, dass der Rausch und der „Taumel des Maschinenzeitalters", das den Menschen der „Geistlosigkeit und Barbarei" ausliefere, überwunden sei und dass Christentum und Kirche dem Menschen wieder seine Würde zurückgegeben hätten: „Dieser Wahrheit gehört die Zukunft, weil ihr die Ewigkeit gehört. Wir werden uns durch die Propaganda der Gottlosenverbände nicht um Jahrzehnte in unserer Entwicklung zurückwerfen lassen."56 Mit allen Mitteln der sprachlichen
51 Bei der Konferenz der Generalsuperintendenten und Konsistorialpräsidenten am 26. und 27.2.1931 sprach sich Dibelius für die kirchliche Beteiligung und Betreuung des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) als einem „gar nicht zu unterschätzenden Faktor evangelischer Bildungsarbeit" aus (Protokoll S.16, in: E Z A BERLIN, 7 / 1 0 8 7 ) . - Auch die Berliner Apologetische Centrale nahm sich in Kursen und auf Tagungen des Abwehrkampfes an und erstellte noch 1931 ein von verschiedenen Autoren (z.B. W . KÜNNETH, J. MÜLLER-SCHWEFE, C . SCHWEITZER, R . STUPPERICH, H . - D . WENDLAND) verfasstes Handbuch: Freidenkertum und Kirche, 1932. 52 E Z A BERLIN, 7 / 1 1 1 0 9 , pag.54f. 53 „Gottlosenpropaganda und Christentum" (redaktionelle Einl., EvBerl. 1932, N r . 4 , S.30). 54 „Zu Tausenden und zu Zehntausenden hat man ihre Geistlichen und ihre frommen Gemeindeglieder ins Gefängnis geworfen. Man hat sie erschossen. Man hat sie in Sumpfklima und Winterkälte elend zugrunde gehen lassen" (EBD.). 55 „Gottlosenpropaganda und Christentum" (Flugblatt in: E Z A BERLIN, 5 0 / 9 2 8 ) . 56 „Gottlosenpropaganda und Christentum" (EvBerl. 1932, N r . 4 , S.31).
Dibelius und die Gottlosenbewegung
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Dramatisierung und der Schwarz-weiß-Malerei schärfte es Dibelius seinen Hörern sowie den Lesern seines als Flugblatt verbreiteten Vortrags ein: Die antireligiöse und antikirchliche Agitation der Gottlosenverbände ist entwicklungsgeschichtlich überholt, religiös kraftlos, geistlos und menschenfeindlich. Der Angriff der Gottlosen aus Russland ist ein Angriff auf das „Jahrhundert der Kirche", in dem die ewigen Wahrheiten der Bibel und die absoluten Normen des Christentums in der neuen Zeit bewahrt sind und zur Geltung gebracht werden. Trotz der staatlichen Maßregelungen in Deutschland waren die Gottlosenverbände unvermindert aus dem Untergrund aktiv und boten so der kirchlichen Gegenagitation immer wieder neue Angriffsflächen. Aus Ostpreußen z.B. wurde berichtet, dass einige in der Gottlosen-Abwehr besonders engagierte Gemeindeglieder einem Psychoterror ausgesetzt und vom „Bund der Gottlosen, Sektion Königsberg" mit Todesurteilen57 bedroht worden seien. Nicht nur unter kirchlichen, sondern auch unter politischen Gesichtspunkten schien es opportun, mit offensivem Nachdruck die Gottlosenfrage in der Öffentlichkeit weiter zu behandeln. Parteipolitisch konnte man damit die Linksparteien treffen, die sich immer noch auf das angeblich marode gewordene und in Auflösung befindliche System der Weimarer Republik stützten. Zudem schien die Bekämpfung der Gottlosen das probate Mittel zu sein, um zu verhindern, dass die von der wachsenden Arbeitslosigkeit58 betroffenen oder bedrohten Massen der Propaganda der kirchenfeindlichen Kräfte zum Opfer fallen; und nicht zuletzt konnte durch die lautstark gerührte Werbetrommel im Feldzug gegen die Gottlosenverbände von der kirchenschädigenden Devaheim-Katastrophe, diesem „Gemisch aus Leichtfertigkeit, Unzulänglichkeit, Gewissenlosigkeit und Großmannssucht" 59 , abgelenkt werden.
Der Tag v. 8.5.1932; Neue Preußische Kreuz-Zeitung v. 8.5.1932. Uber den inneren Zusammenhang von Gottlosenbewegung und Arbeitslosenfrage schreibt Dibelius selber in: SoSp. v. 17.1.1932. 59 RdBr. v. 24.3.1932. - Dibelius war - in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des ProvinzialAusschusses für die Innere Mission in der Provinz Brandenburg (1926-1933) - bis in das Jahr 1933 hinein von den Sanierungsaufgaben der in Konkurs geratenen evangelischen Bausparkasse Deuzag und der Devaheim (Deutsche Evangelische Heimstättengesellschaft) absorbiert. Er gründete eine Notgemeinschaft, durch die der Konkurs liquidiert und die Gläubiger einigermaßen zufriedengestellt werden sollten. Sein Einsatz galt dabei auch dem Anliegen, dem durch diesen öffentlichen Skandal stark beschädigten Ansehen der Kirche wieder aufzuhelfen. Da der Deutsche Pfarrerverein öffentlich die Seriosität und Effektivität dieser Notgemeinschaft in Zweifel zog, hatte Dibelius - nach vorausgegangenem Schriftwechsel mit dem Vorstand der Standesvertretung - seinen Austritt aus dem Brandenburgischen Pfarrerverein erklärt (vgl. RdBr. v. 24.3.1932; DtPfrBl 35, 1931, S.727; DtPfrBl 36, 1932, S.76f., S.515f., S.604). Auch die Kirchenleitung bemühte sich um die Sanierung der dem „Central-Ausschuß der Inneren Mission" angeschlossenen Devaheim (vgl. E Z A BERLIN, 7/8, pag.287f.). Die Sanierung des Devaheim-Zusammenbruchs ist in ca. 30 Akten im Archiv der Berliner Stelle des Diakonischen Werkes der E K D dokumentiert. Zum Engagement von Dibelius als Vorsitzender der Notgemeinschaft vgl. H. SCHUMACHER, Devaheim, 1931 (Nachwort von O. DIBELIUS, S.31-36); H . HARMSEN, Hilfswerk, 1931, S.301313; Gesundheitsfürsorge, 1936, S.63; M. GERHARDT, Innere Mission Π, 1948, S.332ff.; J.-Chr. KAISER, Protestantismus, 1989, S.238ff. ; J.M. WlSCHNATH, Kirche, 1986, S.170). 57
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
Aus all diesen Gründen ist der singulare Tatbestand60 erklärlich, dass Dibelius an zwei aufeinander folgenden Kurmärkischen Kirchentagen, nämlich 1931 und 1932, dieselbe Arbeitslosung für das jeweils folgende Jahr bestimmte und den Gemeinden der Kurmark zur Bearbeitung aufgab: „Wir bilden die evangelische Front!" Noch weit bis ins Jahr 1933 hinein waren Kirchenleitung und Pfarrerschaft mit der „Verbreiterung der evangelischen Front" 61 beschäftigt und auf den entsprechenden Abwehrkampf konzentriert und fixiert. Am 27.3.1933 - bereits nach der nationalsozialistischen Ausschaltung der linken politischen Kräfte, kurz nach dem „Tag von Potsdam" und der Annahme des „Ermächtigungsgesetzes" berief Dibelius einen Kreis von 14 jüngeren Pfarrern seines Sprengeis ein zu einem eintägigen Kursus über die Gottlosenfrage. Ein ausführlicher schriftlicher Bericht, in dem Dr. R. M L R B T über seine Reise- und Vortragstätigkeit in Deutschland und seine Einschätzungen der Lage in Russland Auskunft gab62, bildete die Grundlage für die dort erarbeiteten „Vorschläge für praktische Abwehrmaßnahmen gegenüber den kirchenfeindlichen Bewegungen"63. Nachdem schon im vergangenen Jahr Pfarrer B E R N D T in Plötzin von Dibelius zum Vertrauensmann für die Kurmark im Kampf gegen die organisierte Gottlosigkeit 64 ernannt worden war, wurde jetzt ein dichtes Netz von Vertrauensmännern unter der Pfarrerschaft auf Bezirks- und Kreisebene geschaffen, die alle kirchenfeindlichen Aktivitäten systematisch beobachten, das gesammelte Material an den Generalsuperintendenten weiterleiten und durch gezielte Schulungsarbeit in Gemeindekreisen und Pfarrkonventen Hilfen für den Abwehrkampf anbieten sollten. Das Ziel solcher Schulungsarbeit war, „eine klare Glaubensüberzeugung und das freudige Bekenntnis zur Kirche und zum Dienst in der Gemeinde" zu fördern. Die vorgeschlagenen Abwehrmaßnahmen hätten freilich, wie abschließend betont wurde, nur dann einen Sinn und Wert, „wenn sie der Verkündigung des Evangeliums durch Wort und Tat als der grundlegenden und allein entscheidenden Abwehrmaßnahme der Kirche gegenüber den ihr feindlichen Bewegungen untergeordnet werden." Erst allmählich setzte sich die bittere Erkenntnis durch, dass die Demontage des Rechtsstaates durch die Nationalsozialisten auch vor der Kirche nicht Halt Vgl. die Übersicht über die Arbeitslosungen der Potsdamer Kirchentage oben S.180f. Vgl. DtPfrBl 36, 1932, S.616, 616f., 697; DtPfrBl 37, 1933, S.135, 149, 161. Im März 1932 veranstaltete GenSup. KAROW für die Gemeinden seines Sprengeis eine Evangelische Kundgebung gegen die Gottlosenbewegung im Berliner Sportpalast (vgl. KAROW an E O K v. 11.3.1932, in: E Z A BERLIN, 7 / 3 5 7 0 , pag.176). Auch H . ASMUSSEN sah noch im Februar 1933 in der Stärkung der F r o n t gegen die Gottlosen eine zeitgeschichtliche und kirchliche Aufgabe ersten Ranges: „Die Kirche Jesu Christi steht ihrem Wesen nach im Kampf mit dem Bolschewismus...; denn Kirche und Bolschewismus verhalten sich wie Wasser und Feuer" (Kirche im Kampf mit dem Bolschewismus, in: T R v. 17.2.1933). 60 61
62 Schriftlicher Bericht von R. MlRBT (Breslau) an den E O K (OKonsRt A . FISCHER) v. 18.10.1932 ( E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3). 63 E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 3; die folgenden Zitate EBD. 64 Vgl. „Aus dem kirchlichen Leben der Kurmark 1932" (EvMark v. 8.1.1933, S.3).
Dibelius und die Gottlosenbewegung
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machen würde und dass ihr in ihrem Kampf gegen den Geist der Gottlosigkeit an Stelle der vermeintlichen Bundesgenossenschaft mit dem Nationalsozialismus 65 eine ganz andere Gegnerschaft und „Front" erwuchs. Die „Deutschen Christen" waren nun die innerkirchliche und antiklerikale Speerspitze der Nationalsozialisten, mit denen man sich im Abwehrkampf gegen Kommunisten und Gottlose zunächst einig zu sein glaubte 66 und deren man sich jetzt zu erwehren hatte. N a c h dem 2. Weltkrieg kam in den Augen von Dibelius wieder dieselbe frühere bolschewistische Front zum Vorschein, die die Kirche nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus nun zu einem zweiten Kirchenkampf herausfordern sollte. So schreibt er bereits im Oktober 1945, wenige Tage vor der Abfassung der „Stuttgarter Erklärung", an Bischof B E L L : „Jetzt, nachdem wir dem Nationalsozialismus 13 Jahre lang widerstanden haben, müssen wir den Bolschewismus bekämpfen; denn es werden Versuche unternommen - besonders im Osten Deutschlands - , ihm zur Macht zu verhelfen. W i r jedoch hoffen zu Gott, daß wir diesen Geist des Bösen besiegen." 67 3.3
Heinrich
Vogel: „Die christliche Solidarität mit dem
Gottlosen"
Innerhalb der Kurmark bedurfte die gesamte Strategie des Generalsuperintendenten samt dem ihr zugrundeliegenden „Frontdenken" einer innerkirchlichen und theologischen Klärung. Bereits nach dem Potsdamer Kirchentag 1931 6 8 , und dann 65 Der Reichskommissar im Preußischen Kultusministerium RUST kündigte bereits im Februar 1933 eine „Kulturoffensive" gegen die Gottlosenbewegung an: „Die christlichen Kirchen beider Konfessionen sollen zur Mitarbeit daran aufgefordert werden." (Kampf gegen Gottlosenbewegung, in: KrZ v. 23.2.1933, S.l). - Es war eine folgenschwere Illusion der Kirche, sie könne mit dem Nationalsozialismus im gemeinsamen Kampf gegen die Gottlosen paktieren. Umgekehrt machte sich der Nationalsozialismus diese Illusion zunutze, indem er gerade den Kampf gegen Kommunismus und Gottlosenbewegung als „Beweis" dafür anführen konnte, dass er eben nicht Christentum- bzw. kirchenfeindlich sei, sondern auf dem Boden des „positiven Christentums" stehe (vgl. KERRL-Rede in: Völkischer Beobachter v. 17.10.1935; EZA BERLIN, 50/68, pag.33f.). 66 Obwohl Dibelius bewusst war, dass nur jeder fünfte Deutsche kommunistisch wählte, teilte er mit der Kirchenleitung doch die Sorge, dass die kommunistische Front „die neue Revolution mit aller Energie und Planmäßigkeit vorbereitet und nach dem psychologischen Augenblick für das Losschlagen ausspäht" (RdBr. v. 19.11.1932). Der DEKA wurde deshalb vorsorglich bei Reichspräsident v. HlNDENBURG vorstellig, um „dem dringlichen Wunsch Ausdruck zu geben, daß bei etwaigen Veränderungen in der Reichsregierung das Reichsministerium des Innern, das die Angelegenheiten der dtsch. Kulturpolitik zu betreuen hat und den Kirchen gegenüber im besonderen Maße die Reichsgewalt repräsentiert, nicht mit einer der evang. Kirche nicht angehörigen Persönlichkeit besetzt werden möge" (KAPLER an v. HlNDENBURG v. 25.11.1932, in: EZA BERLIN, 1/A2/484, pag.74f.). Mit gleichem Datum gab KAPLER dieses Schreiben „zur gefälligen vertraulichen Kenntnisnahme" an Dibelius weiter, der wohl die Anregung für das kirchenamtliche Schreiben gab (EBD., pag.77). 67
D i b e l i u s an BELL v. 4 . 1 0 . 1 9 4 5 ( G . BESIER / G . SAUTER, Schuld, 1985, S.51, A n m . 6 5 ) .
Auf der Ephorentagung am 12./13.10.1931 wurden „im Anschluß an die Auseinandersetzung zwischen dem Generalsuperintendenten und Pfarrer VOGEL die Hemmungen besprochen, die dem jungen theologischen Geschlecht aus der dialektischen Theologie erwachsen. Es wird auf Grund von bestimmten Erfahrungen geschildert, wie diese Hemmungen auch in den Kreisen vorhanden sind, die von der sogenannten Luther-Renaissance herkommen, weil auch diese Kreise alles ablehnen, was nach einer .Aktion' aussieht und sich grundsätzlich auf die Predigt beschränken 68
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Ekklesionomie zwischen Theonomie und Autonomie
wieder ein Jahr später69, protestierte Pfarrer Heinrich VOGEL - Pfarrer in Oderberg, dann in Dobbrikow - gegen die theologischen und ekklesiologischen Implikationen, die seines Erachtens in der kirchlichen Denk- und Vorgehensweise gegenüber der Gottlosenfrage zu sehen und zu bekämpfen seien. VOGEL war schon durch einige pastoraltheologische Publikationen aufgefallen; auch als Autor in ,Zwischen den Zeiten' hatte er sich einen Namen gemacht und sich damit auch theologisch zu erkennen gegeben. Die Dialektische Theologie führte also ihren Angriff gegen das Kirchentum und gegen den Kirchenton des kurmärkischen Generalsuperintendenten nicht nur vom Katheder des akademischen Universitätslehrers70, sondern sozusagen auch von der Kanzel des Gemeindepfarrers71 aus. Anstoß und Anlass für VOGELs Protest war das äußere Szenarium, das die Besucher der Kurmärkischen Kirchentage in Potsdam vorfanden: „Wimpelträger der Jugendvereine"72 nahmen in Wanderkluft an den Versammlungsorten Aufstellung; die Vortragsräume waren mit von den Frauenvereinen gefertigten Girlanden geschmückt. In den Sälen wie auch auf den Türmen der Potsdamer Kirchen zeigte die Kirche „Flagge": stolz wurde die neue violette Kirchenfahne präsentiert, die als kirchliche Antwort auf den unseligen Flaggenstreit73 im politischen Raum kreiert und als geschicktes Ausgleich- und Ausweichmanöver der Kirche im Parteienkampf zwischen schwarz-rot-gold und schwarz-weiß-rot gefeiert wurde. Nicht dass die Kirche Flagge zeigt, sondern dass sie sich selbst auf den Schild oder auf die Fahne erhebt und sich zur Schau stellt, dies erregte Anstoß und wollen. Diese Frage wird in den theologischen Diskussionen des nächsten Jahres auf den Pfarrkonventen und auf der Theologischen Woche besprochen werden müssen" (EZA BERLIN, 7/11109, pag.54f.). 69 „Auch daß der Protest von Bruder VOGEL gegen unsere Losung und gegen die Kirchenfahne zum Ausdruck kam, habe ich nicht bedauert. Wenn so etwas an den Herzen frißt, dann soll es auch heraus. Dazu ist der Kirchentag da" (RdBr. v. 15.6.1932). 70 Auch K. BARTH bekundete seinen Unwillen gegenüber der Parole: „Wir bilden die evangelische Front!": „Bedenken habe ich gegen die .Arbeitslosung 1932/33', weil ich sie gerade mit einem wohlverstandenen Habemus ecclesiam! nicht zu vereinigen weiß" (BARTH an Dibelius v. 17.3.1933, KBA BASEL). 71 H. VOGEL besuchte BARTHS Vortrag „Die Not der evangelischen Kirche" im Januar 1931 und war diesem nach dem Vortrag im Hause DEHN zum ersten Mal persönlich begegnet (vgl. H. VOGEL, Freundschaft, 1973, S.12f.). Schon vorher bekundete VOGEL, bereits Autor in .Zwischen den Zeiten', brieflich seine theologische Nähe zu BARTH und erwies ihm seine Reverenz mit der Zusendung einiger seiner theologischen und kirchenmusikalischen Arbeiten (vgl. VOGEL
a n BARTH V. 2 1 . 1 0 . 1 9 3 0 , K B A BASEL).
Vgl. EvMarkv. 1.6.1930. Auch die Kirchenfahne wurde von Dibelius als ein sichtbares und beweiskräftiges Zeichen für das Jahrhundert der Kirche" begrüßt: „Statt einer Fahne der deutschen Nation haben wir zwei Parteiflaggen! ...Am schwierigsten war die Lage für die Kirche. Sie darf als Volkskirche im Flaggenstreit nicht Partei ergreifen. Was blieb ihr anderes übrig, als sich eine eigene Fahne zu schaffen und damit zugleich zu bekunden, daß sie eine selbständige Lebensform geworden und nicht mehr Departement der Staatsverwaltung ist? Die Kirchenfahne wird ihren Weg nehmen." (SoSp. V. 23.1.1927; vgl. A. LLNDT, Totalitarismus, 1981, S.93) Die Kirchenfahne wurde von Prof. HLECKE entworfen und zum ersten Mal am Reichsgründungstag (sie!) des Jahres 1927, am 18.1.1927, auf dem Dienstgebäude des Berliner EOK gehisst. 72
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Dibelius und die Gottlosenbewegung
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schließlich auch Widerspruch. Seinen theologischen Protest gegen die Verwendung der Kirchenfahne, mit der VOGEL die Kirche sich als „fromme Partei" entlarvt sah, schrieb sich der streitbare Pfarrer in einer Schrift von der Seele, die den programmatischen Titel trug: „Die christliche Solidarität mit dem Gottlosen" 7 4 . VOGEL entfaltet darin unter der biblischen Weisung von Rom 9, Iff. die These, dass Christus nur in Solidarität mit dem Gottlosen „verkündigt" und nicht in Aktionen „gegen" den Gottlosen verteidigt werden könne. In einer Sprache, die an den Beginn von ,Quousque tandem...?' erinnert, setzt VOGELs Streitschrift ein: „Durch die kirchliche Presse läuft die Parole von der Front gegen die Gottlosen." Dann fährt VOGEL fort: „Die besagte Parole befindet sich in solcher Nachbarschaft und strukturellen Verwandtschaft mit den Aufrufen zur Frontbildung gegen..., wie sie von den politischen Parteien unserer Tage proklamiert werden, sie ist mit ihrem unbesehenen Gebrauch des Wortes ,Front' so der Verwechselbarkeit mit allerlei anderen Fronten ausgesetzt, daß wir gezwungen werden, diese Parole christlich zu prüfen, und das kann nichts anderes heißen, als sie unter die Heilsbotschaft von Christus zu stellen und zu fragen, ob diese Parole ,Christus treibt'." (S.326) Der Gottlose wird in der biblischen Auslegung VOGELs zunächst von den „geistlich Armen" der Bergpredigt her spiritualisiert, um ihn dann materialiter und personaliter mit den Gottlosen der politisch-antikirchlichen Kampfbewegung zu identifizieren. Mit der Gottlosigkeit sei im Neuen Testament die „Kirche" selber gemeint. Die Verkündigung Jesu Christi kenne also keine Frontlinie, die die Kirche von der Sphäre der Gottlosigkeit trenne; denn Christus ist nicht gegen „uns" Gottlose, sondern für uns Gottlose gekreuzigt und auferstanden: „Wie können wir Christus für uns selber gegen die andern verkündigen?" (S.328) Wenn BARTH die Sprache der Selbstzufriedenheit, die in der Kirche Einzug gehalten habe, einen zum Himmel schreienden Skandal nannte, so brandmarkt VOGEL jetzt den Geist, „aus dem heraus Parolen wie die so laut proklamierte ,Front gegen die Gottlosen' geboren sind", der „aus dem ,für uns' ein ,gegen die Andern', aus dem ,für uns Gottlose' ein ,für uns Fromme'", aus der Kirche „eine fromme Partei" und aus Gott einen „Parteigötzen" macht: „Wie weit dieser Geist in unsere Kirche eingedrungen ist, kann man z.B. an einem ganz äußeren Symptom ermessen, an dem hemmungslosen Einzug der Kirchenfahnen in unsere Kirche." (S.328) VOGEL vermisst die spezifisch christliche Antwort auf die Gottlosigkeit in und außerhalb der Kirche und sieht in der Haltung der Kirche nur fromme Absonderung. Indem er auf die Entgegensetzung von „Not" und „Verantwortung" der 74 H . VOGEL, Solidarität, 1931, S.326-332. Leider fand dieser zeitgeschichtlich bedeutsame Aufsatz keine Aufnahme in dem von Karl KUPISCH besorgten 4. Band der Gesammelten Werke VOGELs, der eine Auswahl der Schriften aus den Jahren 1929 bis 1939 enthält (vgl. H . VOGEL, Gottes Wort in Menschenmund, 1982). - VOGEL wiederholte die Formel, dass die Kirche „keine fromme Partei" sei, in der Zeit des Kirchenkampfes gegen „die in der Kirche eingedrungenen Irrlehren und Gewaltmethoden" am 7.3.1934 in Berlin-Dahlem vgl. Reformatorisches Bekenntnis heute, S.29, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, A 6).
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Kirche bei der Auseinandersetzung zwischen BARTH und Dibelius anspielt, formuliert er nun: „Wer sich mit der Not und Schuld dieser seiner Kirche zusammengeschlossen, solidarisch' weiß, kann nur mit Zorn, Scham und Trauer erkennen, wie (oft in bester Absicht und im Namen der Verantwortung) auf die der Kirche gerade von der modernen Gottlosigkeit gestellte Frage von der Kirche eine Antwort gegeben wird, die nicht die Antwort der Kirche Jesu Christi ist, sondern die anklagende Selbstverteidigung einer frommen Partei." (S.329) Weil VOGEL den Angriffsgeist der organisierten Gottlosigkeit weder verharmlosen noch ignorieren will, unterscheidet er jetzt zwischen der „Solidarität mit dem Gottlosen" und dem „wahrhaft christlichen Protest gegen die gottlose Irrlehre". In der theologischen Unterscheidung von Person und Werk und zugleich deren dialektischen Verknüpfung lautet der Auftrag der Kirche dann: „Die Kirche sollte wohl die gottlose Irrlehre bekämpfen bis auf die Wurzel hinab, aber eben christlich, d.h. indem sie der Irrlehre die wahre Lehre, die ,Christum treibet', entgegenstellt, und dieser christliche Protest, der ihres Amtes ist, nach dem sie gefragt werden wird, ist in Solidarität mit dem Gottlosen." (S.329) Der Protest gegen die Irrlehre aber sei nicht der Protest dessen, der auf der richtigen, d.h. frommen Seite stehe, sondern immer „der Protest eines Angefochtenen. In dieser Anfechtung ist er mit der N o t und Schuld seines gottlosen Bruders zusammengeschlossen. Darum verteidigt er in seinem Protest nicht sich selber, sondern steht als ein wahrhafter Kämpfer Jesu Christi in dem Kampf für seine Brüder." (S.330) Aus dem geforderten, aber schmerzlich vermissten spezifisch christlichen Protest gegen die gottlose Irrlehre folgt nun der Bußruf und die Anklage gegen die Kirche, die in ihrer Frontstellung angreift, als ob sie selber unangreifbar sei, und die in ihrer Sicherheit und Hemmungslosigkeit, in ihrer frommen Absonderung und blasphemischen Berufung auf Christus zu einer „dämonischen Kirche" (S.329) geworden sei und deren Verkündigung ihre „furchtbare Substanzlosigkeit" offenbart habe. Durch den alles dominierenden Angriffsgeist sei die Kirche bereits schon der Gefahr erlegen, von der organisierten Gottlosigkeit größer zu denken als von Gott selbst. In ihrem nur vermeintlich so entschlossen und deutlich wahrgenommenen „Wächteramt" wird die Kirche nach VOGEL gerade ihrem christlichen Auftrag an der tatsächlichen Gottlosigkeit nicht gerecht und wird ihr Angriffsgeist zur eigenen Kapitulation: „Die Art, wie wir gegen die Gottlosigkeit Front machen, überläßt im Grunde der Gottlosigkeit das Feld, indem sie dieselbe sich selber überläßt, indem sie an die Gottlosigkeit glaubt, während der Glaube an Christus der Gottlosigkeit keinen Quadratfuß läßt, geschweige denn ganz Rußland und womöglich Europa oder gar die Welt dazu. Das ist nicht aus einem schwärmerischen Übersehen der furchtbar harten Wirklichkeit heraus gesagt, sondern von der Verkündigung der Herrschaft Jesu Christi her." (S.331) Dibelius nahm diesen vehementen Angriff zum Anlass eines „kurmärkischen Theologengesprächs" und widmete seiner zornigen Replik einen ganzen Pastoral-
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rundbrief an seine „lieben Herren und Brüder"75. Zunächst bestreitet Dibelius, dass VOGEL sich zu Recht auf das Neue Testament und auf die Kapitel 9-11 im Römerbrief berufen könne. Ihre Anwendung auf die Frontstellungen der gegenwärtigen Zeit sei „exegetisch unmöglich" und „dogmatisch falsch": „Es ist doch einfach nicht wahr, daß die Heilige Schrift den Gottlosen gegenüber nur die Partikel ,für' kenne. Daß diese Partikel da steht, daran ist kein Zweifel. Wer von uns hat das jemals geleugnet? Wer von uns hat jemals geleugnet, daß geschrieben steht: Gott will, daß allen Menschen geholfen werde? Haben wir wirklich die Liebe verleugnet, die nur mit heißem Schmerz das ansehen kann, was die Gottlosen-Agitation aus Menschen macht, die auf den Namen Jesu Christi getauft sind, die unseres Blutes sind, denen wir das Evangelium schuldig sind?" Das Entscheidende liegt für Dibelius, ganz in Ubereinstimmung mit dem Epochenverständnis des Jahrhunderts der Kirche', freilich darin, dass gegenüber der Zeit des Neuen Testaments eine neue Lage eingetreten und die Kirche von heute nicht mehr mit der Situation von damals zu vergleichen sei: „Selbstverständlich steht das Wort ,Front' nicht im Neuen Testament. Es kann da nicht stehen. Denn dies Wort kann erst da aufkommen, wo eine Volkskirche da ist und wo ein Ansturm gegen die Volkskirche losbricht. Die Lage der kleinen Herde unter Heiden und Juden, die nahe Wiederkunft des Herrn vor Augen, ist eine andere als die Lage der Kirche von heute. Aber wenn man die Worte vom Kampf und von der scharfen Abgrenzung zwischen Jüngern und Feinden Jesu auf die Gegenwart sinnvoll anwendet - und dazu sind sie geschrieben - , dann wird man zum Kampf der Christenheit gegen die Christusfeinde, zum Kampf des Glaubens gegen den Unglauben, zum Kampf der Kirche gegen die organisierte Gottlosigkeit geführt. Gegen, gegen und zum dritten Male gegen, im Gehorsam gegen das klare Wort des Herrn!" Noch ganz unter dem Eindruck der Auseinandersetzung mit Karl BARTH wehrt sich Dibelius auch hier gegen den Vorwurf einer „pharisäischen Sicherheit" und eines „pharisäischen Selbstbewußtseins" der Kirche. „Selbstsicheres Spießbürgertum" sei natürlich auch in der Kirche zu konstatieren und immer wieder zu kritisieren. „Die Kirche ist nun einmal in ihrer irdischen Erscheinung ein Stück Welt. Aber viel ernster noch als diese Gefahr scheint mir die andere zu sein, daß die Kirche die Verheißungen vergißt, die ihr gegeben sind, daß sie vor lauter Nörgelei an sich selber die Kraft verliert, der Aufgabe gerecht zu werden, die Gott ihr gestellt hat." Wer im Dienst der Kirche stehe, der werde von diesen Verheißungen in Anspruch genommen und stehe im Dienst „unerhörter Verantwortung", und „er muß helfen, die Freudigkeit zur Kirche zu stärken". Dies ist letztlich - unter der Voraussetzung der immer wieder bekräftigten Gleichzeitigkeit und der sachlichen Deckungsgleichheit zwischen realer Kirche und der Kirche Jesu Christi - für Dibelius das einzige Kriterium für alles, was über die Kirche gedacht und von ihr gesagt wird: „Bis auf weiteres müssen wir dabei bleiben: die Kirche, die wir haben, die Kirche des Wortes und des Sakra75
RdBr. v. 1.12.1931.
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ments, ist die Kirche Jesu Christi, der wir zu dienen haben. Aus diesem Grunde ist mir der Prüfstein für alles, was von der Kirche gesagt wird, ob es die Freudigkeit zur Kirche lähmt oder stärkt." Deshalb beharrt Dibelius auch unnachgiebig auf seiner Position und fügt in zornigem Ton hinzu: „Es ist ein Mißverständnis, das wir uns allmählich verbitten müssen, als ob jedes freudige Wort von der Kirche bedeute, daß der, der es spricht, in dieser Kirche alles herrlich und in Ordnung fände. Es handelt sich doch um ein ähnliches Verhältnis, wie wir es bei der Rechtfertigung aus dem Glauben haben: die Kirche steht in der Sünde und steht gleichzeitig in der Gottesverheißung. Wir reden von ihr mit Trauer, aber wir reden von ihr auch mit Dankbarkeit. ...Aber man wird es leid, die ewige Kritik an der Kirche, die uns in unseren Reihen umgibt, fortwährend als Bußruf ins Gewissen geschoben zu bekommen. Ich nehme einen Bußruf an die Kirche nicht an, der mit gewaltsamer Exegese lauter ungerechte Negationen begründet. Ich nehme einen Bußruf nicht an von denen, die der Kirche immer nur mit Kritik gegenüberstehen.- Ich nehme ihn nur von solchen an, die der Kirche überhaupt nicht gegenüberstehen, sondern die mit jedem Worte spüren lassen, daß sie in der Kirche sind, daß sie sich selbst als Kirche fühlen, daß sie der Kirche freudig die Dienste leisten, die Gott fordert, und daß sie andere in die gleiche Freudigkeit hineinrufen wollen." Ungeachtet oder vielleicht auch gerade wegen der Einwände von VOGEL bekräftigte Dibelius dieselbe Parole noch einmal auf dem Potsdamer Kirchentag von 1932 als die Arbeitslosung für die Kirche: „Wir bilden die evangelische Front!" Wieder stand VOGEL auf und verwandelte, wie er rückblickend erzählt, durch seinen „in der ganzen Radikalität meiner jungen Jahre der Versammlung mitsamt den Vertretern von Kirche und Staat ins Gesicht geschleuderte(n) Protest die Versammlung in einen tobenden Haufen, dessen Wogen nach einer notwendig gewordenen Pause durch die irenische Hand des Generalsuperintendenten geglättet wurden." 76 Dibelius blieb - bei allem persönlichen und freundschaftlichen Respekt vor seinem Kontrahenten 77 - hart und kompromisslos in seiner Haltung gegenüber VOGEL und dem Kreis der jüngeren Theologen, die der Dialektischen Theologie nahestanden. Auch dieses Streitgespräch führte zu keiner gegenseitigen Annäherung 78 . Denn auch VOGEL konnte (und wollte) - mit seiner Identifikation von H . VOGEL, Offener Brief, I960, S. 107. Dibelius erklärte unumwunden: „Ich habe den großen Ernst, der unserem Bruder VOGEL die Feder führt, immer anerkannt. Ich habe ihn mit gutem Bedacht vor anderthalb Jahren gebeten, den Vortrag bei unserer großen Pastoralkonferenz auf dem Potsdamer Kirchentag zu halten. Es liegt mir daran, dem Wertvollen und Berechtigten, was er uns zu sagen hat, den Weg zu bahnen. ... U n d wenn ich Bruder VOGEL als Theologe entgegentrete, so tue ich es in persönlicher Freundschaft und in bleibender Dankbarkeit für das, was er seiner Gemeinde und einer großen Zahl von Freunden über den Kreis der Gemeinde hinaus an fruchtbaren Diensten leistet" (RdBr. v. 1.12.1931). 78 Ohne auf Dibelius und VOGEL ausdrücklich zu rekurrieren, versuchte O . SÖHNGEN, hinter konstruierten Fronten und Scheinfronten eine „wirkliche Front" zwischen Kirche und Gottlosenbewegung auszumachen (vgl. O . SÖHNGEN, Gottlosenbewegung, 1932/33, S.8-21). 76 77
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kerygmatischer Verkündigungs- und ekklesiologischer Handlungssituation - in diesem Stadium des Streits keine praktikablen Hinweise darauf geben, wie denn nun das streitbare und doch im Grunde nur apologetische Frontdenken der „offiziellen" Kirche überwunden werden und wie man dem Gottlosen in Abwehr ohne Abkehr begegnen könnte. VOGEL gab nicht zu erkennen, wie denn das Personsein des Gottlosen gewichtiger zu nehmen sei als seine Irrlehre und seine verfehlte Agitation und wie denn in Bewahrung und Bewährung der christlichen Solidariät mit dem Gottlosen zugleich auch der Widerspruch gegen dessen Irrlehre enthalten sein könne. Es blieb - wie schon in der Auseinandersetzung mit Karl BARTH - bei einer kontrovers-ekklesiologischen Selbstverständnis-Debatte; es blieb beim augenscheinlich unüberbrückbaren Hiatus zwischen der „Dialektischen Theologie" und dem „Jahrhundert der Kirche". Das beanstandete Frontdenken ist zum Signum des lebenslangen Widerspruchs von Heinrich VOGEL gegen den kurmärkischen Generalsuperintendenten und späteren Berliner Bischof geworden: was VOGEL später unter dem Begriff „Dibelianismus" 79 zusammenfasste, betraf im spezifischen Sinn nichts anderes als dieses Frontdenken und diese „fromme" Grenzziehung zwischen Kirche und Welt. Unabhängig von der Person des kurmärkischen Generalsuperintendenten hatte die Theologie VOGELs im Angriff auf dieses „Denken in Fronten" eines ihrer wesentlichen Kennzeichen. So konnte VOGEL nach weniger als zwei Jahren mit demselben Argumentationsmuster auch den „Deutschen Christen" und ihrer
79 Gegen Dibelius gewandt: „In der Kirche sind wir mit der N o t und Schuld der Welt solidarisch zusammengebunden und hoffen die Herrschaft Jesu Christi über der gemeinsamen N o t und Schuld. Die fromme Absonderung ist vom Teufel; denn Christus wird in Solidarität mit dem Gottlosen verkündigt." (Die christliche Solidarität mit dem Gottlosen, S.331) - In der Grundsatzdebatte der Brandenburgischen Provinzialsynode über den Militärseelsorgevertrag betonte VOGEL am 8.5.1957 sein radikales Nein in der Sache und seine „oppositio in der Zusammengehörigkeit" auch mit Bischof Dibelius: „Es wäre eine verhängnisvolle Illusion, wenn jetzt etwa gewisse Mächte und Kräfte sich der Vorstellung hingäben, als ob sie uns aueinanderdividieren könnten. Nein, liebe Brüder und Schwestern, und zwar nicht deswegen, weil wir eine fromme Partei, eine Kirchenfront oder dergleichen bildeten, sondern weil wir hier unter demselben Herrn dasselbe Evangelium bekennen und miteinander mitsamt unseren Spannungen und Gegensätzen dazu berufen sind, Ihn zu preisen auch in den konkreten Taten bis in die Entscheidungen und Zeichen politischer Verantwortung hinein." In Opposition blieb VOGEL freilich mit seinem Kontrapunkt in der theologischen Deutung des Hintergrundes, von dem her Dibelius den Militärseelsorgevertrag begründete: „Ich meine dies, daß wir in dem ganzen Verhältnis zwischen Staat und Kirche uns doch endlich von der Vorstellung - jetzt sage ich nochmals: der Zwangsvorstellung - reinigten, als ob es da um den Gegensatz zweier Weltanschauungen gehe: hier idealistischchristlich, dort atheistisch-materialistisch.... Das Euangelion ist aber nicht die Botschaft vom Gegensatz Gottes gegen die Welt, sondern von der Verteidigung der Welt durch Gott, und zwar als einer gottlosen Welt." (Provinzialsynode 1957, Bd.9) - In seiner Antwort auf die „ObrigkeitsSchrift" von Dibelius erklärte VOGEL: „Was in der Obrigkeitsschrift des Bischofs, die den Stöpsel aus dem Faß fliegen ließ, unverhüllt in Erscheinung trat, war eben dieses Kirchenfrontdenken, das ich heute als .Dibelianismus' aufzudecken und anzugreifen als Professor der Theologie und denn als berufener Synodaler mich verpflichtet weiß" (H. VOGEL, Offener Brief, 1960, S.107).
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Gleichordnung und Vermengung von „Kreuz und Hakenkreuz" 8 0 entgegentreten. In Thesenform begegnen uns hier die schon bekannten Gedanken und Formulierungen, durch die sich VOGEL auch von den „Deutschen Christen" geschieden wusste: „Die Kirche ist keine fromme Partei. Die Kirche besteht nicht aus frommen, sondern aus gottlosen Menschen, die durch das Wort Gottes in Jesus Christus versiegelt sind als Gottes Eigentum. ...Die Kirche ist nicht ein religiöses Sammelbecken, sondern sie ist der Ort, wo Gottes Wort verkündigt und gehört wird. Die Kirche schuldet der Welt das Evangelium und sonst nichts. Der christliche Protest gegen die gottlose Irrlehre befindet sich in der christlichen Solidarität mit dem gottlosen Bruder; denn Christus ist nicht für uns fromme, sondern für uns gottlose Menschen gekreuzigt und auferstanden. Wir sagen ,nein' zu der gottlosen Irrlehre; aber wir sagen ,ja' zu dem gottlosen Bruder." 8 1 Dibelius übertrug seinerseits sein „Denken in Fronten" und Gegensätzen ebenfalls auf die Auseinandersetzung mit den „Deutschen Christen", auf seine Ablehnung der vom Staat eingesetzten Kirchenausschüsse und auf seine Konfliktbereitschaft gegenüber dem nationalsozialistischen Staat. Er sah gerade darin die Bewährung des „Jahrhunderts der Kirche". Diese Bewährung bestand für ihn darin, dass staatlicher, persönlicher, heidnischer und pseudo-christlicher Autonomie die Ekklesionomie des „Jahrhunderts der Kirche" entgegengesetzt werden müsse. In bewusster Anlehnung an ein Wort von A. MOELLER van den Bruck 8 2 prägte Dibelius die Formel, wonach Kirche-Sein bedeutet: „in Gegensätzen leben" 8 3 . Demzufolge gab Dibelius dem 5. Heft einer Schriftenreihe, die auf Gemeindevorträgen in den Jahren 1935/36 basierte, den programmatischen Titel: „Die 80 Unter dieser Uberschrift veröffentlichte VOGEL 65 „Thesen des Protestes, der Frage und der Bitte an die Glaubensbewegung Deutscher Christen" (TR v. 27.4.1933); im redaktionellen Zusatz zu diesen Thesen heißt es mit dem Hinweis auf VOGELs eigenes Vorwort, dass der Verfasser hier „bewußt aus der politischen Solidarität mit dem Werk Adolf HlTLERs spricht"! - Sechs Magdeburger Pfarrer, davon drei eingeschriebene Mitglieder der N S D A P , nahmen das Altonaer Bekenntnis und diese von VOGEL verfassten Thesen zum Anlass und Vorbild, den EOK-Präsidenten KAPLER in einer Eingabe darum zu bitten, an der Bekenntnisbildung der Kirche in der angedeuteten Weise weiterzuarbeiten, um erst darauf aufbauend die geplante Verfassung der Reichskirche zu entwerfen. Obwohl sich die Thesen VOGELs gegen die „Deutschen Christen" richten, sprechen die sechs Pfarrer die Bitte aus, „alles, was geschieht, im Einverständnis mit dem Wehrkreispfarrer MÜLLER zu veranlassen" (Schreiben an KAPLER v. 28.4.1933, in: E Z A BERLIN, 7/989, pag.239f.). 81 „Kreuz und Hakenkreuz" (TR v. 27.4.1933): Thesen 28f. u. 31-35, die zu VOGELs „Fundamentalsätzen" gehören, wie er im Nachdruck seiner Thesen betont (vgl. PB1 75, 1933, S.589). 82 MOELLER, Theoretiker der Jungkonservativen nach der Revolution von 1918, veröffentlichte sein Buch „Das Dritte Reich" im Jahre 1923, das den bürgerlichen Nationalisten und dann auch den Nationalsozialisten eine griffige Formel ihres antidemokratischen Denkens lieferte. Von den Nationalsozialisten wurde MOELLER als der geistige Wegbereiter ihres eigenen Programms vereinnahmt (vgl. K. SONTHEIMER, Denken, 1962, S.300ff.). MOELLERs Buch wollte der pessimistisch-depressiven Stimmung von SPENGLERs „Untergang des Abendlandes" (2 Bde., 1918/22) eine positive und konstruktive Perspektive entgegensetzen. MOELLER setzte seinem Leben im Jahr 1925 selbst ein Ende. 83 „Wir müssen die Kraft haben, in Gegensätzen zu leben" (vgl. A. MOELLER van den Bruck, Das Dritte Reich, 1931, S.235 u. 308).
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Kraft der Deutschen, in Gegensätzen zu leben". Indem Dibelius diesen Satz gleichsam zum Prinzip der Geschichte und des individuellen Lebens erhob, protestierte er auch gegen die schnell Anklang findende „deutsche" Gläubigkeit, die ein art- oder volkgerechtes Bindestrich-Christentum vertreten zu müssen meinte: „Die evangelische Kirche der Zukunft wird ,Bekennende Kirche' sein. Sie wird klar davon Zeugnis geben, daß das Evangelium nicht etwas Selbstverständliches ist, sondern das Gegenteil von dem, was dem deutschen Menschen ,liegt'. Sie wird darauf verzichten, diesen Gegensatz zu verkleinern oder zu überbrücken. Sie wird nebeneinander stehen lassen, was nebeneinander und gegeneinander ist, und wird es Gott überlassen, die Spannungen zu mildern, wie und wann und wo es ihm gefällt. Sie wird die Feindschaft auf sich nehmen, die aus solchem Bekennen erwächst. Sie wird es auf sich nehmen, daß man sie der Feindschaft gegen deutsche Art bezichtigt, weil sie jenes ,ganz Andere' ohne Kompromiß verkündigt. Sie wird es auf sich nehmen - in der Gewißheit, daß die Wirklichkeit Gottes größer ist als die Kurzsichtigkeit der Menschen und daß sie, indem sie das scheinbar Undeutsche tut, dem deutschen Volk in Wahrheit zu sich selber hilft." 84 Das von VOGEL zu Recht problematisierte „Denken in Fronten" basiert bei Dibelius auf einer holzschnittartigen Lebens- und Glaubensanschauung, wonach der Glaube sich innerhalb einer Welt von eindeutigen und klar konturierten Gegensätzen zu bewähren habe und der Christ sich immer neu zu entscheiden habe zwischen dem Reich zur Linken und zur Rechten, zwischen gut und böse, zwischen Gott und Dämon, zwischen Glaube und Unglaube. Diese Anschauung verlieh dem durch und durch national-konservativen Kirchenmann immerhin das Rückgrat, der deutsch-christlichen Versuchung zu widerstehen und den Weg der Bekennenden Kirche in der Zeit des Kirchenkampfes konsequent mitzugehen. In einem noch viel umfassenderen Sinn greift das „Darmstädter Wort" 85 von 1947 die problematische Seite des von Heinrich VOGEL inkriminierten Frontdenkens auf und bezieht - im Unterschied zu der von Dibelius mitverfassten und mitunterzeichneten „Stuttgarter Schulderklärung"86 von 1945 - auch die Zeit vor dem „Dritten Reich", also die Zeit des beginnenden „Jahrhunderts der Kirche", in sein Schuldbekenntnis mit ein. Das „Bündnis der Kirche mit den das Alte und Herkömmliche konservierenden Mächten", so wird die Position und Funktion der Kirche in der Zeit der „Weimarer Republik" dort gekennzeichnet, habe die notwendigen Schritte in Richtung einer neuen Lebensordnung verhindert. Im Rückblick auf das damalige Selbstverständnis der Kirche bekennt das „Darmstädter Wort", dass das christliche Frontdenken, gewollt oder ungewollt, den 84 Die Kraft der Deutschen, in Gegensätzen zu leben, 1936, S.81f. - Später gab Dibelius gleichsam als Vermächtnis und trotzige Bestätigung seiner Welt- und Lebensanschauung - seinem letzten Predigtsammeiband den Titel: „In Gegensätzen leben" (1965). Darin findet sich die Predigt über den letzten Teil des paulinischen Peristasenkatalogs in 2Kor 6,9-10 unter der Überschrift: „Die Kraft, in Gegensätzen zu leben" (EBD., S.7-14). 85 Das Darmstädter Wort von 1947 (H.-W. KRUMWIEDE, Quellen IV/2, S.163f.). 86 Die Stuttgarter SchulderkJärung von 1945 (EBD., S.162f.).
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Weg zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geebnet habe, weil es die demokratische Sendung der Revolution geschwächt habe: „Wir sind in die Irre gegangen, als wir begannen, eine ,christliche Front' aufzurichten gegenüber notwendig gewordenen Neuordnungen im gesellschaftlichen Leben der Menschen. ... Wir haben das Recht zur Revolution verneint, aber die Entwicklung zur absoluten Diktatur geduldet und gutgeheißen." (Art.3) Unter dasselbe Verdikt fällt dann auch der weltanschauliche Kampf der Kirche in der damaligen Zeit: „Wir sind in die Irre gegangen, als wir meinten, eine Front der Guten gegen die Bösen, des Lichtes gegen die Finsternis, der Gerechten gegen die Ungerechten im politischen Leben und mit politischen Mitteln bilden zu müssen. Damit haben wir das freie Angebot der Gnade Gottes an alle durch eine politische, soziale und weltanschauliche Frontenbildung verfälscht und die Welt ihrer Selbstrechtfertigung überlassen." (Art.4) 8 7 Die alten Gegensätze im kirchlich-theologischen R a u m brachen in einer merkwürdigen Verkehrung und Verkennung der früheren kirchenpolitischen Loyalitäten wieder auf: Die Denkungsart, die dem amtsenthobenen Generalsuperintendenten im Kampf für die Kirche und gegen den Staat der Nationalsozialisten den Rücken stärkte und ihn in die Bekennende Kirche führte, wird nun gegen Dibelius ins Feld geführt, indem sie jetzt gar als kirchliche Wegbereitung des Nationalsozialismus gebrandmarkt wird. T r o t z der kontroversen Standpunkte versuchte man jedoch in der E K D , einen gemeinsamen Weg durch das Labyrinth der - besonders hinsichtlich der spannungsgeladenen Ost-WestBeziehung in Deutschland - prekären politischen, kirchlichen und weltanschaulichen Lage zu finden 8 8 .
87 Die Aufrichtung einer „christlichen Front" wird in den Entwürfen von H.J. IWAND und M. NIEMÖLLER zum „Darmstädter Wort" angeprangert und dem verfehlten und schuldhaften Weg der Kirche zugerechnet (vgl. M. GRESCHAT, Zeichen, 1985, S.79 und S.81). - In ähnlicher Weise sah auch G. HEINEMANN den Zusammenhang von antibolschewistischem Frontdenken mit der Katastrophe des nationalsozialistischen Deutschlands: „Was sich 1945 vollzog, war nicht nur ein militärischer Zusammenbruch und eine bedingungslose Kapitulation vor fremden Armeen, war nicht nur eine nationale Katastrophe von furchtbaren Ausmaßen, sondern der Bankerott des ganzen Zutrauens, das ein fortschrittsgläubiges 19. Jahrhundert erfüllt und sich bis in den Wahn des Nationalsozialismus gesteigert hatte.... Ein Antibolschewismus genügt nicht! Mit ihm traten wir 1933 an, um in der Katastrophe von 1945 zu enden" (Vortrag am 1.12.1950 in der Berner Johanneskirche zum Thema „Evangelische Kirche in Deutschland heute und die Wiederaufrüstung", zit. nach: M. LÖTZ, Kirche, 1992, S.179f.). 88 Kirchenpolitisch ging Dibelius das kirchenfeindliche DDR-Regime in der Art eines zweiten Kirchenkampfes an. Dass dafür nicht nur die überwunden geglaubten faschismusähnlichen Methoden im kommunistisch-stalinistischen Gewand ein realer Grund waren, sondern dabei auch politische und weltanschauliche Optionen Pate standen, ist nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem war Dibelius im Sinne VOGELs lernbereit (oder im Sinne des Zeitgeistes nur anpassungsfähig?) genug, um in einer 1959 gehaltenen und „Wider die Fronten!" überschriebenen Predigt auch sich selber (und das kommunistische DDR-Regime) in Frage zu stellen: „Ein Vater ist über uns, und zwar ein Vater, der keine Fronten aufrichtet und keine Stacheldrähte zieht zwischen den Menschen. ...Gott sieht alle Menschen, wie man heute sagen würde, als seine potentiellen Kinder an. Er wartet darauf, daß sie dies Kindesverhältnis realisieren - ob sie nun weiß oder schwarz sind, ob sie Kommunisten sind oder Anhänger der C D U , ob sie Deutsche sind oder
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Dessen ungeachtet hat Dibelius seinem Kontrahenten Heinrich VOGEL alle ihm mögliche Förderung angedeihen lassen. Von 1935 bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht im Jahr 1941 lehrte VOGEL an der „illegalen" Kirchlichen Hochschule der Bekennenden Kirche in Berlin Systematische Theologie. Unmittelbar nach dem Krieg musste ihm Dibelius mitteilen, dass die Berliner theologische Fakultät ihn zunächst nicht in eine ordentliche Professur berufen wolle, weil er keinen akademischen Grad aufweisen könne 8 9 . Auch nachdem dann doch die Linden-Universität den inzwischen kirchlich bestallten Hochschullehrer zum Professor ernannt hatte 90 , wurde Dibelius bei verschiedenen theologischen Fakultäten vorstellig mit der Bitte, VOGEL zu promovieren und ihm den akademischen Grad eines Doktors der Theologie zu verleihen. Auf G r u n d der theologischen Nähe zwischen BARTH und VOGEL wandte sich Dibelius in dieser Angelegenheit auch an den Basler Professor: „Nachdem es mir nach langen Bemühungen schließlich gelungen ist, unsere Freunde ALBERTZ und VOGEL ZU Professoren zu machen, geht jetzt mein Bemühen dahin, für Heinrich VOGEL den akademischen Grad zu erlangen, den er als Universitätsprofessor nun einmal braucht. Daß er nicht einmal den Licentiaten gemacht hat, war schon das Haupthindernis für die Berufung in eine Professur. U n d es würde seine Stellung in der Fakultät erschweren, wenn es noch lange dabei bliebe, daß er als Einziger jeder akademischen Dekoration entbehrt. ... Darf ich fragen, ob die Fakultät in Basel für eine solche Promotion in Frage kommen würde? Ich habe bisher an diese Möglichkeit nicht gedacht, weil ich annahm, daß die Schweiz unter den augenblicklichen Verhältnissen nicht sehr gern einen Deutschen promovieren werde, auch wenn er in der vorderen Front der Bekennenden Kirche gestanden hat. ...Geht es nicht, dann will ich in Marburg anfragen." 91 Für die in der Sache kompromisslose, in der Sprache aber freundschaftliche Auseinandersetzung zwischen Dibelius und VOGEL sei abschließend und beispielhaft auf die persönlichen Erklärungen beider Kontrahenten in der SynodalDebatte über die „Obrigkeitsfrage" hingewiesen: „Also, lieber Bruder VOGEL..., wir kennen uns seit 35 Jahren und sind ungefähr über alle Dinge, die es zwischen Himmel und Erde gibt, verschiedener Meinung gewesen, (Heiterkeit) auch natürlich in allen theologischen Dingen. Sie halAmerikaner oder Russen. Diese Unterschiede sind dem Vater gleichgültig; er will alle Menschen zu Kindern haben" (In Gegensätzen leben, 1965, S.87). 89 Vgl. Dibelius an VOGEL v. 27.9.1945 (G. BESIER, Vogel, 1991, S.234f.). - Der geneigte Leser dieses Gedenkvortrags fragt sich, welchen Effekt der Redner bei seiner Zuhörerschaft erzielen wollte (und auch wohl erzielt hat) mit dem betonten Hinweis, dass „ausgerechnet!" Otto Dibelius diese für VOGEL so enttäuschende, gar verletzende Nachricht überbracht habe. - BESIER lässt die persönliche Beziehung zwischen Dibelius und VOGEL, mit Berufung auf STUPPERICHs Dibelius-Biographie, überhaupt erst im Jahr 1945 beginnen (vgl. G. BESIER, Vogel, 1991, S.234, Anm.9). 90 Vgl. G. BESIER, GAufs. I, 1994, S.166. 91 Dibelius an BARTH v. 3.5.1946, KBA BASEL - In ähnlicher Weise hat sich Dibelius 1948 auch für die Ehrenpromotion von Heinrich GRÜBER bei der Theologischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität eingesetzt (vgl. G. BESIER, GAufs. Π, 1994, S.164).
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ten meine Theologie für eine Theologie unchristlicher Fronten, und ich kann mich mit Ihrer Theologie deshalb nicht einverstanden erklären, weil nach meiner Meinung namentlich im Johannesevangelium, aber auch in den Briefen des Paulus so vieles steht, was mir damit unvereinbar scheint. Wir sind trotzdem gute Freunde geblieben, und auch, wenn es manchmal bis an die Grenze dessen gegangen ist, was Menschen von Fleisch und Blut bewältigen können, so habe ich meinerseits diese Freundschaft immer aufrecht erhalten. Sie haben es auch getan, und was an mir liegt, soll das auch aufrecht erhalten bleiben bis ans Ende." 92 VOGEL antwortete darauf spontan: „Darf ich Ihnen erwidern, indem ich daran erinnere, daß zwischen Ihnen und mir in der Tat durch ein Menschenalter hindurch ...so etwas wie eine unglückliche Liebe geherrscht hat, und das hat ja denn so seine Stadien. Ich kann kein Hehl daraus machen, daß es gelegentlich, und zwar da, wo eben einfach hart auf hart Erkenntnis gegen Erkenntnis und Entscheidung gegen Entscheidung stand, bei mir den Ausdruck des Zorns hatte. Und wenn Sie sagen, Sie können in der Sache nicht weichen, so muß ich das natürlich meinerseits auch sagen in aller Offenheit, und ohne daß dadurch im geringsten das aufgehoben würde, von dem Sie reden.... Sie sagten doch zu mir: Ich denke total anders als Sie in Ihrer Theologie, und ich bestätige Ihnen das meinerseits, und Sie meinten: Das wird wohl auch in diesem Leben nicht mehr anders werden. Und ich sagte zu Ihnen: Nun ja, Herr Bischof, ich glaube es auch nicht. Dann müssen wir das wohl auf den Himmel versparen - nicht in einem billigen Sinne, sondern in der Hoffnung. Es kann sein, ...daß da vor dem Angesicht Gottes, wenn das Erkennen Schauen sein wird und das Schauen Erkennen sein wird, keine Theologie mehr nötig ist, jedenfalls nicht die Theologie viatorum, die dem Herrn Bischof jetzt so viel Kummer macht. Aber da ist auch keine Kirche mehr nötig und keine Bischöfe, auch keine Professoren, und da gibt es auch keinen Staat mehr: da ist das Reich der Herrlichkeit."93
Provinzialsynode 1960, Bd. 12, S. 170f. EBD., S.171f. - Trotz der Kritik im Grundsätzlichen versagte VOGEL dem Berliner Bischof nie seine Hochachtung: „Ich denke nicht daran, dem Lebenswerk des Mannes, den man wohl als einen der letzten großen Bürger unseres Jahrhunderts bezeichnen könnte, den Respekt zu versagen" (H. VOGEL, Offener Brief, 1960, S.108). - „Bürger" ist hier wohl in der doppelten Bedeutung der beiden französischen Begriffe „bourgeois" und „citoyen" zu verstehen (vgl. dazu J. KOCKA, Bürgertum, 1988, S.36ff.). 92 93
EPILOG
1. Dibelius zwischen Tradition und Moderne 1. „Ich bin für mein Teil dessen gewiß, daß spätere Geschichtsschreibungen mit dem Jahre 1918 einen völlig neuen Abschnitt deutscher Geschichte beginnen werden, vielleicht den endgültigen Abschluß des Mittelalters und den Anfang einer neuen Zeit." 1 Im Bereich der Profan- oder Kirchengeschichtsschreibung wird es wohl niemanden geben, der oder die dieses Urteil über die geschichtliche Zäsur von 1918 in dieser pointierten Weise teilt. Um so gewichtiger wiegt diese assertorische und konfessorische Aussage von Dibelius; sie lässt danach fragen, welche Motive ihr zugrunde liegen und welche Folgerungen daraus gezogen werden. Die Revolution von 1918 hinterließ bei Dibelius wie bei vielen anderen national gesinnten Deutschen eine tiefe Wunde. Aufgewachsen und groß geworden ist Dibelius zu einer Zeit, als das Ordnungsgefüge von Thron und Altar bereits brüchig geworden war. Das im 19. Jahrhundert erwachte Nationalbewusstsein erhielt mit der Gründung des Kaiserreichs 1871 und der Einheit Deutschlands neuen Auftrieb und eine von staatlichen Ordnungsprinzipien gefestigte Qualität. Aus dem Dual von Thron und Altar wurde die Trias von Thron, Altar und Nation. Im Glauben an die Nation erfüllte sich die Sinnsuche nach persönlicher Identität und zugleich überindividueller Ganzheit und Geschlossenheit. Die evangelische Kirche war eingebettet in die staatlichen Strukturen. Ihre in der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende institutionelle Verselbständigung gewann jedoch nur Profil in der trendverstärkenden nationalen Anfälligkeit und in der konfessionspolemischen Auseinandersetzung mit dem Katholizismus2. Zu dem Traditionsverlust, der mit der Revolution von 1918 verbunden war, kam das als nationale Demütigung empfundene „Versailler Diktat" nach dem verlorenen Krieg. Konnte diese Wunde, das durch Revolution und Niederlage doppelt beschädigte Nationalbewusstsein, geheilt werden? Standen dafür kirchliche Deutungsmuster und Erklärungsmodelle zur Verfügung, die sinnstiftend und weiterführend den Weg in eine neue Zukunft wiesen? Oder gab es nur ein Zurück, wie es die Rückwärtsutopisten erträumten oder die Revisionisten erkämpfen wollten? Durch den Verlust des Summepiskopats und die Trennungsabsichten der Revolutionsregierung in Preußen war die evangelische Kirche - anders als der Ka1 V o m Wandel des Staatsbegriffes, Rede bei der Reichsgründungsfeier 2 3 . 5 . 1 9 2 9 in Berlin (Manuskript, E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 1). 2 Vgl. T h . NlPPERDEY, Religion, 1988, S.599 u. S.612f.
des VdSt
am
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Epilog
tholizismus - gezwungen, sich ganz neu auf sich selbst zu besinnen; denn ihre Existenzkrise war auch eine Legitimationskrise. Als Geschäftsführer des Vertrauensrates und dessen publizistischer Multiplikator vertrat Dibelius die kirchenbehördliche Linie gegen alle basisgemeindlichen Ansätze, dass die Selbstbehauptung der Kirche in ihrer verfassungsrechtlichen Selbsterneuerung liege. Diese Selbsterneuerung war jedoch unter Wahrung der Rechtskontinuität nicht gegen die ursprünglichen Absichten des Staates, also auch nicht ohne ihn zu erreichen, da die Kirche nur vom Staat die ihren Bestand legitimierenden und stabilisierenden Rechtsgarantien zu erwarten hatte. Obwohl in dieser Hinsicht faktisch die Kirche vom Staat abhing, propagierte Dibelius die These von der im Grundsatz entschiedenen Trennung von Staat und Kirche 3 . Mit der Konsolidierung des Weimarer Staates ging eine volkskirchliche Stabilisierung einher. Und so schwankt das Bild des Staates bei Dibelius zwischen dem Bild eines antichristlichen Staates, wie es in Apk 13 vorgestellt wird, und dem Bild eines Staates, dem man nach Rom 13 Gehorsam schuldig ist und der der Fürbitte der Kirche bedürftig, aber auch würdig ist. Den Übergang von dem einen zum anderen Bild sah Dibelius in der „Königsberger Kundgebung" von 1927, nach der die evangelische Christenheit dem Staat nun in vernunftrepublikanischer, aber überparteilicher Loyalität Vertrauen entgegenzubringen hat. Dem Vexierbild des Staates entspricht das Doppelgesicht der Revolution, aus der dieser Staat hervorgegangen ist. Die Revolution hatte für Dibelius gleichermaßen eine politisch-traumatische wie eine kirchlich-sinnstiftende Bedeutung. Obwohl Dibelius sich anfangs am Abwehrkampf gegen die möglichen Folgen der Revolution und auch an der Delegitimierung des aus dieser Revolution hervorgegangenen neutralen und religionslosen Staates kräftig beteiligt hatte, behauptete er doch, die Kirche verdanke ihre neue Existenzform nicht sich selber, d.h. der umsichtigen Sorge um ihre Selbstbehauptung, sondern dem Ereignis der Revolution: Die destruktiven Kräfte der Revolution haben gegen deren eigene Absicht die Kirche als eine vom Staat getrennte und dem Staat gegenüberstehende „Lebensform" geschaffen und ihr neue, so noch nie vorhandene produktive Möglichkeiten eröffnet. Was an staatlicher und ordnungspolitischer Tradition zer-
3 Die historische Bewertung der Frage, ob die letztlich unvollendet gebliebene Trennung dem Attentismus der Sozialdemokratie oder dem Abwehrkartell aus Kirchen, Zentrum und Rechtsparteien zuzuschreiben ist, wird in dieser alternativen Gegenüberstellung nicht zu entscheiden sein. F ü r eine Antwort im Sinn der letztgenannten Varianten plädiert H . HÜRTEN, Die Kirchen in der Novemberrevolution (1984). - Der Trennungsgedanke ist freilich keine Erfindung der Revolution von 1918, sondern hatte seine Wurzeln bereits in der Paulskirchenverfassung, deren Gedanken auch in die preußische Verfassungsgeschichte einfloss: „Die Paulskirchenverfassung war zwar gescheitert. Preußen hatte aber wesentliche Grundzüge des kirchenpolitischen Programms der Paulskirche übernommen, insbesondere die Aufhebung des Staatskirchentums. Auf Grund der oktroyierten Verfassung von 1849, noch mehr durch die revidierte Verfassungsurkunde von 1850, war die Aufhebung des Staatskirchentums erreicht. Die Kirche war im Sinne einer grundsätzlichen Trennung vom Staat als ein von diesem unterschiedenes Gemeinwesen mit eigenem Wesen und Wirkungskreis anerkannt" (A. v. CAMPENHAUSEN, Trennung, 1993, S.80f.).
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stört worden war, das konnte nun in der konstruktiven „Modernität" kirchlicher Existenz neu erstehen. Der historische Schematismus, der das epochale Schwellenereignis der Revolution zum alles entscheidenden Wendepunkt kirchlicher und politischer Geschichte hochstilisierte, diente zur Begründung eines so noch nicht dagewesenen ekklesiologischen Fundamentalismus. An die Stelle des vierhundert Jahre bestehenden ekklesiologischen Vakuums des landesherrlichen Kirchentums trat nun das Faktum und die Proklamation des „Jahrhunderts der Kirche": Die Kirche hat - darin dem Staat gleichwertig und ebenbürtig - nun ihre eigene „Lebensform"; sie führt ein vom Evangelium bestimmtes Eigenleben und besitzt dadurch auch ihren aus sich selbst begründeten, unableitbaren „Eigenwert". Zugleich aber hat sie nun - darin dem Staat weit überlegen - eine das Gesamtleben des Volkes formierende und normierende Kraft. Die Kirche übt eine dem Volk dienende Funktion aus, steht aber dem von ihr getrennten und doch immer auf sie bezogenen Staat als eigenständige Institution gegenüber. Mit dem abgeschlossenen Verfassungswerk der altpreußischen Kirche hat die evangelische Kirche das „Rüstzeug" an die Hand bekommen für ihren Eintritt in die neue Zeit des J a h r hunderts der Kirche": „Gott hat uns durch diese Verfassung mit starker Hand aus einem Zeitalter kirchlicher Gebundenheit in ein Zeitalter kirchlicher Freiheit geführt, voll des Geistes und der Kraft Jesu Christi." 4 2. Im Jahr 1925 vollzog sich bei Dibelius der Ubergang von den unmittelbar pfarramtlichen und geschäftsführenden Tätigkeiten in ein kirchenleitendes Amt der altpreußischen Kirche. Mit seinem Buch vom „Jahrhundert der Kirche" (1926, 6 1928) entwickelte der Generalsuperintendent der Kurmark ein Modell von Kirche, die sich in ihrem Selbstsein und in ihrem Selbstbewusstsein wahrnimmt. Da aber evangelische Kirche nie um ihrer selbst willen existieren kann, erfüllt sie ihre Mission im Wissen um ihre unermesslichen Aufgaben und Verantwortungen, wie sie ihr im verwaisten Erbe der früheren Symbiose von Staat und Kirche hinterlassen worden sind. So verwirklicht sie, jetzt auch Staatsgrenzen übergreifend, auf nationaler und ökumenischer Ebene in gesamtkirchlicher Verantwortung und universaler Weite den „Weltwillen Gottes". Der ihr gegenüberstehende und von ihr getrennte Staat hat den Offentlichkeitswillen und den Offentlichkeitsanspruch der Kirche um seiner eigenen Interessen willen zu respektieren. Denn ein Staat, der sich selbst als wert-neutral erklärt, ist im Grunde wert-los und deshalb angewiesen auf die Kirche, die in parteipolitischer Ungebundenheit und ohne staatliche Bevormundung das Ensemble christlicher Werte gleichsam „sakramental" verwaltet, verkündigend zur Sprache und diakonischkulturell zur Geltung bringt. Besonders in den wichtigen Lebensfragen der Nation, in den Fragen der Gesinnung und Gesittung, der Erziehung und der Schule, in den Fragen von Ehe und Familie, Frieden und Versöhnung, Politik und Welt4 Dibelius am Schluss seiner „Jungfernrede" als Generalsuperintendent vor der Generalsynode (Generalsynode 1925, S.103).
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Epilog
anschauung beansprucht die Kirche zwar nicht eine Gesetzgebungskompetenz, aber die Meinungsführerschaft in der Gesellschaft. Damit konkurriert die Modernität kirchlicher Existenz mit der durch manche Krisen hindurchgegangenen Modernität einer säkularen Geisteshaltung, die in den Augen von Dibelius ihren gesellschaftlichen Niederschlag im demokratischen Pluralismus, sittlichen Relativismus, religiösen Agnostizismus, ideologischen Rigorismus, in der kulturellen Liberalität und ethischen Libertinage gefunden hat. Auf der Negativfolie eines konservativ übersteigerten Kulturpessimismus verkündet die Kirche kraft ihrer Kulturverantwortung und -autonomie ihr eigenes Kulturprogramm. Den Auflösungserscheinungen einer platten „Asphaltkultur" stellt das „Jahrhundert der Kirche" die Geschlossenheit eines Weltbildes entgegen: ein durch das Christentum gewährtes und garantiertes einheitliches Bildungsziel, das Ideal einer Kirche, die innerlich geschlossen der Öffentlichkeit gegenübertritt und jederzeit zum Kampf entschlossen ist. Kirche sein heißt „in Gegensätzen leben" (A. M O E L L E R V A N D E N B R U C K ) 5 . Dass bei solchem Denken in Fronten 6 auch Feindbilder aufgebaut bzw. bestätigt und mit politischen oder ideologischen Optionen identifiziert wurden, dass die Kirche dabei in der Gefahr war, in den weltanschaulichen Gegensätzen und politischen Frontstellungen zu verharren, hielt Dibelius für gerechtfertigt, wenn nur dadurch die Kraft zur Mobilisierung der Volkskirche erhalten bliebe. Die Kirche bot sich damit als ein modernes Deutungssystem an, das Antwort zu geben versucht auf die vielfältigen Fragen, die das Kriegsende und die Revolution hinterlassen haben. Sie bietet in den zentrifugalen Kräften der Moderne Raum für Erfüllung der Sehnsucht nach Heimat und Halt, Geborgennheit und Geschlossenheit. Sie allein vermag den gesellschaftlichen Konsens herzustellen und zur Darstellung zu bringen7. Doch dies alles will die Kirche weder in einem freiwillig-sektiererischen noch in einem erzwungen-ghettoisierten Winkeldasein verwirklichen, sondern mitten in den Gegensätzen und Spannungen der Welt. Gesellschaftliche Präsenz der Kirche in allen Bereichen des öffentlichen und politischen Lebens und personale Repräsentanz der Kirche im kirchlich und staatlich unabhängigen Amt der geistlichen Leitung sichern ihr öffentliches Mandat. Die „evangelische" Kirche versteht sich als Hüterin und Hort der „christlichen" Werte und als Wächterin gegenüber einer orientierungslos gewordenen Gesellschaft. In der Folge der vollzogenen Trennung von Staat und Kirche will die Kirche nun bewusstseinsbildend und aktivierend, appellierend und werbend, psycholo-
5 Vgl. Die Kraft der Deutschen, in Gegensätzen zu leben, 1936, S.7ff. und den Predigtsammeiband: In Gegensätzen leben (1965). 6 Das Frontdenken ist eine Geisteshaltung, die bereits im Wilhelminischen Zeitalter kultiviert wurde (vgl. M. STÜRMER, Deutschland, 1977, S.17, 21, 147). 7 Einige Manuskript-Fragmente aus den letzten Lebensjahren lassen das völlige Unverständnis gegenüber dem fortschreitenden Pluralismus in Gesellschaft und Kirche erkennen (Sammlung Grüneisen BERLIN).
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gisierend und pädagogisierend8 auf die Gemeinden einwirken: Verantwortung, Einsatz- und Opferbereitschaft, Bereitschaft zur Mobilität, Werbe- und Kampfkraft und Freude an der Kirche werden so zu den unverzichtbaren und unveräußerlichen Tugenden evangelischen Gemeindelebens und kirchlicher Existenz. Kampf bzw. Kampfbereitschaft gehört zum Kennzeichen einer Kirche in einer vom Stigma weltanschaulichen und parteipolitischen Streites gezeichneten Welt. Die Kirche wird so zum Halt und Bollwerk, zu einer gewissenschützenden, einheitsstiftenden und sinngebenden Macht, zu einer Macht des Friedens und der Versöhnung. Das Zentrum von all den zentrifugalen Kräften des Pluralismus und Säkularismus ist aber nicht sie selbst, wie Dibelius erklärt, sondern ihre Verkündigung. Gott bedient sich der Kirche, die seinem Wort dient, indem sie durch sein Wort wirkt. Die sichtbare, institutionell verfasste und geschichtlich gewordene Kirche ist der verlängerte Arm Gottes im Raum der Welt. Dagegen erhob Karl B A R T H seinen Protest: die Kirche ist nicht in erster Linie Werkzeug und Sprachrohr Gottes, sondern an erster Stelle selber Hörraum und Wirkungsfeld des Wortes Gottes. Die Kirche ist nicht der verlängerte Arm Gottes, sondern das Gegenüber Gottes, das seinen starken Arm im Wort des Gerichts zu spüren bekommt und von ihm im Wort der Gnade umschlossen, bewahrt, gestärkt, getröstet und ermutigt wird. Die Kirche hat erst in einem nachgeordneten Sinn den jeweiligen Staat zum Gegenüber; ihr Sein ist weder begründet noch gerechtfertigt im Gegenüber zum Staat, geschweige denn dass sich ihr Sein darin erschöpft. Sie ist creatura verbi divini und als solche immer zuerst im Gegenüber zu dem schöpferischen, richtenden und rechtfertigenden Wort Gottes zu verstehen. Der Wert der Kirche bemisst sich nicht an ihrem weltanschaulichen, kulturellen und politischen Nutzen, an ihrer öffentlichen Verwertbarkeit. Ihr „Eigen-Sinn" erweist sich erst, wenn man von den von ihr auch mitvertretenen Werten der Moderne und von den oft auch von außen überkommenen Werten der Tradition absieht. In diesem Sinn dient die polemische Ent-Wertung der Kirche bei B A R T H nicht ihrer Delegitimierung, Demobilisierung und Demotivierung (wie dies Dibelius verstanden hat, vielleicht auch verstehen musste), sondern lässt erst ihren mit anderen Werten ganz unvergleichlichen Eigenwert, eben ihren „Eigen-Sinn", entdecken. 3. Der christologisch begründete „Eigen-Sinn" der Kirche bei B A R T H und der ekklesiologisch bestimmte „Eigenwert" der Kirche bei Dibelius führten in der kirchenpolitischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und den „Deutschen Christen" zum gleichen Handlungskonzept: Kirche muss Kirche bleiben! Der ekklesiologische Vorbehalt des „Jahrhunderts der Kirche" hatte eine 8 In einem Vortrag auf der schulpolitischen Woche des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins am 30.9.1926 in Berlin - also kurz nach der Abfassung des Jahrhunderts der Kirche' - deutet Dibelius an, dass es ihm mehr auf die (massen-)psychologische Wirkung seines Trennungs-Axioms als um die Verifizierung seiner These geht: „Trotzdem reden wir von einer Trennung von Staat und Kirche. Trotzdem nennen wir die Trennung ein kirchengeschichtliches Ereignis. Denn wichtiger als die gesetzlichen Bestimmungen ist die psychologische Auswirkung, die die Proklamierung neuer Grundsätze für die Kirche gehabt hat" (EZA BERLIN, 603/NL Dibelius, В 1).
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Abwehrfunktion gegenüber allen staatlichen Versuchen der Vereinnahmung, Einmischung, Bevormundung oder Gleichschaltung der Kirche; er hatte damit zugleich auch eine Schutzfunktion für die Kirche selbst. Das „Jahrhundert der Kirche" war nicht immun gegen allerlei zeitbedingte nationale, kulturelle und ethische Optionen, aber es hat seine Resistenzkraft erwiesen in der Auseinandersetzung mit dem „Tausendjährigen Reich" unter der Parole: Kirche muss in Eigenständigkeit und Autonomie Kirche bleiben, indem sie sich mit der ganzen Kraft ihres Zeugnisses gegen eine „staatliche Gefangenschaft der Kirche" 9 zur Wehr setzt; sie darf sich nicht wieder unter das knechtische Joch einer staatlichen Bevormundung beugen und darf nicht wieder zur Staatskirche werden. Deshalb lehnte Dibelius auch die kirchlichen Vermittlungs- und Befriedungsversuche der Kirchenausschüsse strikt ab, solange diese v o m Staat eingesetzt und staatlich gesteuert waren. Deshalb verlangte er zusammen mit der Bekennenden Kirche eine nicht-staatliche, eine „geistliche Leitung" der Kirche. Entscheidende theologische Orientierung und kirchenpolitische Bedeutung gewann diese Haltung in der Barmer Erklärung von 1934, an deren Entstehung und Beschlussfassung Dibelius freilich nicht beteiligt war 1 0 . Für Dibelius hatte der Grundsatz konfessorische Bedeutung, dass es unter keinen Umständen ein Zurück zur Staatskirche geben darf, da das „Jahrhundert der Kirche" die entschlossene Abkehr von allem Staatskirchentum und die geschlossene Abwehr aller staatlichen Bevormundungsversuche impliziert. Doch wie bei einem Ruderer, der vorwärts rudert und dabei nach rückwärts schaut, wurde bei Dibelius auch wieder die konservative Vision eines „christlichen Staates" 1 1 bzw. ' „Die Staatskirche ist da!" (1936), zu These 10. - Das „kirchliche Autonomiebewußtsein, mit dem auch eine stärkere Betonung des Bekenntnisprinzips im evangelischen Kirchentum jener Jahre H a n d in Hand ging, hat sich in dem 1933 ausgelösten Kirchenstreit als ein bedeutsamer Resistenzfaktor erwiesen, der die deutschchristliche Kirchenpolitik mit ihren sukzessiven Gleichschaltungsbemühungen unter der Reichskirchenparole schon 1934 zur Farce werden ließ" (K. MEIER, Kirchenführer, 1990, S.87f.). 10 Es schmälert nicht die herausragende theologie- und kirchengeschichtliche Bedeutung der Barmer Erklärung, wenn man z.B. gegen K. NOWAK die „Neuorientierungen im R a u m der Ekklesiologie" nicht erst mit BARTHS Protest gegen die „ .neurealistische' Kirchlichkeit" und mit seiner Federführung bei der Abfassung der Barmer Erklärung ansetzt (vgl. K. NOWAK, Kirche, 1981, S.336f.). Mit Blick auf Dibelius und sein Buch v o m „Jahrhundert der Kirche" waren „Neuorientierungen im Raum der Ekklesiologie" schon vorhanden. Genauer und ausführlicher wäre freilich die These zu prüfen und zu begründen, dass diese mit der Theologie BARTHS konkurrierende Neuorientierung des „Jahrhunderts der Kirche" nicht unwesentliche Schrittmacherdienste für die Annahme der - Reformierte, Lutheraner und Unionisten zusammenführenden - Barmer Erklärung geleistet hat. 11 Dibelius wünschte im Jahr 1932 nicht nur eine Änderung der bestehenden Politik oder einen Wechsel der regierenden Persönlichkeiten, sondern stellte sich auf einen grundsätzlichen Systemwandel ein (vgl. SoSp. v. 3.1.1932, 28.2.1932, 6.3.1932; Der Tag v. 10.2.1932; vgl. auch die zahlreichen Zeitungsausschnitte zu diesem Thema in: E Z A BERLIN, 7/4463). Der weltanschaulich neutrale Staat wird jetzt nur noch als eine Notlösung einer Krisenzeit (vgl. Werkstatt und Kampfplatz, in: RBo. v. 28.2.1932) betrachtet, auf deren Hintergrund nun das Bild eines „christlichen Staates" (aber nicht einer Staatskirche!) ersteht (vgl. SoSp. v. 27.3.1932). - Bei einer Ephorenkonferenz am Ende des Jahres wurde die Frage erörtert, „ob es einen .christlichen Staat' geben könne. Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob diese Formulierung tragbar sei oder ob sie
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einer christlichen Obrigkeit lebendig. Aus diesem Grund schloss sich Dibelius, in der Weimarer Zeit Mitglied der DNVP, nach dem Ende des 2. Weltkrieges der C D U an, weil er der Meinung war, dass der fundamental-ethische Mangel eines religionslosen Staates in dem Maße kompensiert werden könne, als bewusst „christliche Persönlichkeiten" politisch gefördert werden und an der Spitze des Staates stehen12. Dibelius stellte sein agitatorisches und suggestiv wirkendes Charisma in den Dienst der kirchlichen Vermittlung von Tradition und Moderne. In seiner modern anmutenden nonkonformistischen Konfliktorientierung („in Gegensätzen leben") wird daher auch ein Harmoniebedürfnis nach gesellschaftlichem Konsens und kirchlicher Geschlossenheit erkennbar. Nation bzw. Vaterland und Kirche waren für ihn wie zwei Fixsterne am irrlichternden Himmel einer täuschend und betörend funkelnden pluralistischen Gesellschaft; sie waren wie zwei Brennpunkte einer Ellipse13, die bei der fortschreitenden Abnahme der inneren Homogenität der Gesellschaft die zentrifugalen Kräfte zusammenhalten und vor einem grenzenlosen Nihilismus schützen sollten. Dibelius ist in solchen vaterländischen Traditionen groß geworden; er ist aus ihnen herausgewachsen, ohne ihnen jemals ganz entwachsen zu sein. Umso bedeutsamer sind dann die wesentlichen Momente seiner kirchlichen und auch traditionskritischen „Modernität": die Kirche hat ihre schon zur zweiten Natur gewordene Staatsgebundenheit abgestreift und ist zum Staat in die Position eines „konkordatsfähigen" Gegenübers getreten. Dieses neue Verständnis des Staat-Kirche-Verhältnisses hatte eine innovative Kraft; die Kirche hatte Anschluss an die neue Zeit gefunden, sie ist sich ihrer selbst bewusst, sie ist selbst-bewusst geworden. Im Rahmen dieser neuen kirchlichen Sinnorientierung war Dibelius ein theologischer Eklektiker, ohne Synkretist zu sein; und er war ein kirchlicher Pragmatiker, ohne Opportunist zu sein. notwendig zu Mißverständnissen fuhren müsse. In der Sache besteht jedoch Einigkeit, daß nämlich die Unterscheidung der zwei Regimenter im lutherischen Sinn unter allen Umständen aufrecht erhalten bleiben müsse." (Protokoll der Ephorenkonferenz v. 2.11.1932, in: E Z A BERLIN, 7/989, pag.113) - Anfang 1933 hegte Dibelius noch die leise Hoffnung, dass mit dem „positiven Christentum" des nationalsozialistischen Parteiprogramms zwar keine Staatskirche, aber doch ein christlicher Staat zu erwarten sei. Solche Hoffnungen oder auch - wie im Fall von M. NlEMÖLLER - die anfängliche Unterstützung der Außenpolitik HlTLERs schienen im Jahr 1933 noch neben dem gleichzeitigen Widerstand auf dem kirchenpolitischen Gebiet vereinbar zu sein (vgl. P. MASER, Kirchenkampf, 1992, S.21). 12 Vgl. die „Botschaft von Treysa" (August 1945), die nicht ausschließen wollte, dass die Kirche „die Bildung einer politischen Partei, die sich selbst auf christliche Grundsätze verpflichtet, mit Wohlwollen aufnimmt, soweit diese etwa durch konkrete politische Verhältnisse notwendig wird. Sie wird sich aber aufs strengste davor hüten müssen, durch solches Wohlwollen in den Verdacht der Parteilichkeit gegenüber den christlichen Persönlichkeiten anderer Parteien zu geraten oder irgendwelchen Bestrebungen klassenmäßiger Absonderung eines Volksteils von den anderen Vorschub zu leisten" (zit. nach H . DlEM, Ja oder Nein, 1974, S.149). 13 Dabei ist eine Gesinnungsverwandtschaft zwischen dem Preußen Otto Dibelius und dem Schwaben Theophil WURM festzustellen: Der württembergische Landesbischof sah die Welt, in der er sich bewegte, nicht als einen Kreis mit einem Mittelpunkt an, sondern als „eine Ellipse mit zwei Brennpunkten. Der eine Brennpunkt heißt ,Reich Gottes' und der andere ,Vaterland'" (Th. WURM, Erinnerungen, 1953, S.219).
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Epilog 2.
Restauration?
„ W a s heißt N e u b a u ? " , a n t w o r t e t e Bischof Dibelius auf eine entsprechende F r a g e in e i n e m R u n d f u n k i n t e r v i e w i m F e b r u a r 1 9 5 9 u n d f u h r f o r t : „ W i r h a b e n 1 9 4 5 d a wieder angefangen, w o w i r 1933 aufhören m u ß t e n . " Dieses v o n K . KUPISCH z u m e r s t e n M a l , l e d i g l i c h i n e i n e r A n m e r k u n g w i e d e r g e g e b e n e D i k t u m 1 4 g e i s t e r t seith e r als geflügeltes W o r t d u r c h die V e r ö f f e n t l i c h u n g e n d e r k i r c h l i c h e n
Zeitge-
s c h i c h t e 1 5 u n d w i r d z u m B e w e i s d a f ü r h e r a n g e z o g e n , dass es s i c h bei d e r N e u k o n s t i t u i e r u n g d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e i m N a c h k r i e g s d e u t s c h l a n d n i c h t u m ein e n N e u b a u o d e r N e u a n f a n g , s o n d e r n „ u m eine reich g e s c h m ü c k t e R e s t a u r a t i o n gehandelt"16 habe. S o „ a v a n c i e r t e " D i b e l i u s s c h n e l l z u der
kirchlichen Galionsfigur par
excel-
l e n c e , als sei e r es allein g e w e s e n , d e r das Schiff d e r K i r c h e n a c h 1 9 4 5 in d e n sic h e r e n H a f e n d e r R e s t a u r a t i o n 1 7 a n s t a t t auf d i e h o h e u n d r a u h e See d e r k i r c h l i c h e n E r n e u e r u n g gesteuert habe. D a s W o r t „Restauration" b e k o m m t in solchen Z u s a m m e n h ä n g e n e i n e n m o r a l i n g e s ä u e r t e n B e i g e s c h m a c k : „ A n s t e l l e des n e u e n Anfangs war
1 9 4 8 s c h o n d i e R e s t a u r a t i o n e i n g e k e h r t . ... W u r d e p o l i t i s c h
und
14 Vgl. K. KUPISCH, Landeskirchen, 1966, S.176, Anm.30; vgl. auch G. BESIER, GAufs. Π, 1994, S.47 - Zehn Jahre zuvor, 1949, äußerte sich Dibelius zum gleichen Thema vor einer großen Gemeinde weit problembewusster und differenzierter: Man muss begreifen, „daß der neue Anfang, um den es jetzt gehen muß, nicht so - das habe ich den Abgeordneten in Bonn neulich gesagt - vor sich gehen kann, daß man, nachdem das Gestern in seinem Fluch erstickt ist, das Vorgestern aus dem Grabe hervorholt und nun mit alten Programmen und mit alten Zielen wieder anfängt, da weiterzuarbeiten, wo man im Jahre 1933 aufgehört hatte. Sondern es muß etwas völlig Neues von den Wurzeln unserer Existenz her kommen, wenn unserem deutschen V o l k geholfen werden soll; es muß eine wirkliche Umkehr zu dem erfolgen, der der Herr der Welt ist" (Ansprache des evangelischen Bischofs von Berlin auf dem Kirchentag der Inneren Mission am 11.9.1949 in der Waldbühne zu Berlin, Manuskript in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 12). 15 Ein Wort von H . GOLLWITZER als Beispiel für viele: Es „gab natürlich neben Kräften eines neuen deutschen Protestantismus auch starke restaurative Kräfte. Symbolfigur dieser restaurativen Kräfte war O t t o Dibelius, der Bischof von Berlin. Er hatte gesagt: wir müssen da wieder anknüpfen und weitermachen, wo wir vor 14 Jahren aufgehört haben. Er war richtig ein Mann von gestern, ein großartiger Mann in seiner Art, aber hoffnungslos reaktionär." (H. GOLLWITZER, Protestantismus, 1990, S.242) Das wirklich Ärgerliche und Aufregende an der Verwendung dieses im Grunde marginalen Dibelius-Diktums ist der darin vermittelte Eindruck, die Kirche hätte nach 1945 gleichsam unbeeindruckt und unberührt von den unmittelbar zurückliegenden Ereignissen zur eigenen Tagesordnung übergehen und unbußfertig über die Zeit des Nationalsozialismus hinweggehen können, als ob die Zeit des Faschismus nur ein bedauerlicher Betriebsunfall der Geschichte gewesen wäre. 16 K. KUPISCH, Landeskirchen, 1966, S.176. 17 Seit H . DlEM (Restauration oder Neuanfang?, 1946; vgl. H . DlEM, J a oder Nein, 1974, S.145ff.), W . DIRKS und E. KOGON wurde der Begriff gegen seine ursprüngliche Intention zur Abbreviatur kirchlicher, gesellschaftlicher und politischer Fehlentwicklung nach 1945 verwendet (vgl. auch J. MEHLHAUSEN, Restauration, 1980, Sp.1073-1075; vgl. W . HUBER, Folgen, 1983, S.29f.). Zur kontrovers beurteilten Anwendungsmöglichkeit des Begriffes auf die Zeit nach dem 2. Weltkrieg vgl. auch M. GRESCHAT, Neuanfang, 1986, S.326ff.; E. HEIN-jANKE, Restauration, 1975; J. DEGEN, Diakonie, 1975; J . MEHLHAUSEN, Methode, 1988, S.516, Anm.23; J . KlBITZKI, Restauration, 1990. - H . DlEM äußerte sich befriedigt darüber, dass nach 1945 wenigstens K. SCHARF im Berlin-Brandenburgischen Konsistorium als Korrektiv neben Bischof Dibelius trat (vgl. H. DlEM, Ja oder Nein, 1974, S.176).
Restauration?
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kirchlich die ,Chance des Nullpunktes' versäumt oder hatte der .Nullpunkt' vielleicht jene Chance gar nicht in sich, die man ihm zuschrieb?"18 Das „Jahrhundert der Kirche" überdauerte das „Tausendjährige Reich", so dass in der Tat nach Dibelius kein Neuanfang nötig erschien. Die Stunde Null nach dem Zusammenbruch des Faschismus gab es nicht; das „Jahrhundert der Kirche" wurde lediglich durch zwölf Jahre Nationalsozialismus unterbrochen. Obwohl Dibelius nach dem 2. Weltkrieg nur noch höchst selten vom „Jahrhundert der Kirche" sprach, hielt er doch dem Inhalt und dem Grundsatz nach an diesem Ideal fest, das allerdings keine dezidierte kirchen- und ordnungspolitische Konzeption enthielt. Die moderne und fortschrittliche Seite des Programms verkrustete freilich nun ihrerseits zur Tradition 19 . So suchte die evangelische Kirche - entsprechend den Erfahrungen in der nachrevolutionären Zeit nach 1918 -, sich an der Rechtskontinuität zu orientieren und dadurch einen Anknüpfungspunkt für eine neue Ordnung und Verfassung der Kirche zu finden 20 . Wichtig dabei ist, dass Dibelius diesen Anknüpfungspunkt in der altpreußischen Verfassungsurkunde von 1922/24 vorgegeben sah21. Bereits 1936 setzte sich Dibelius dafür ein, dass man auch auf gesamtkirchlicher Ebene auf das Jahr 1922 zurückgehen solle; am Himmelfahrtstag 1922 wurde nämlich der DEKB aus der Taufe gehoben. MEISER notierte folgende Äußerung von Dibelius: „Man solle sich auf die Zukunft ausrichten und einen konstruktiven Plan ins Auge fassen. Man müsse zurück hinter 1933 und wieder mehr auf den Deutschen Evangelischen Kirchenbund hinauskommen." 22 Dieser Anknüpfungspunkt sicherte - wenn nicht konzeptionell, so doch ideell - das Weiterbestehen des „Jahrhunderts der Kirche", das ja gerade das kirchliche Verfassungsergebnis der Jahre 1922/24 zur Voraussetzung hatte. Zum anderen konnte so auch dem Staat gegenüber auf eine demokratisch legitimierte Rechtskontinuität hingewiesen werden. Es bestand deshalb die begründete Aussicht, dass der neue Staat in Ost und in West sich nicht von seinen überkommenen finanziellen Verpflichtungen und seinen staatskirchenrechtlichen BestimJ. MOLTMANN, G o t t , 1979, S.272f. Durch die wachsende K o n f r o n t a t i o n mit dem DDR-Staat in der Nachkriegszeit w u r d e dabei v o r allem die Negation all dessen wirksam, was die Kirche in die Gefahr der Gleichschaltung oder Ausschaltung durch einen omnipotenten und totalitären Staat brachte. Darin lag w o h l auch der Grund, weshalb Dibelius das J a h r h u n d e r t der Kirche" nicht mehr programmatisch in A n s p r u c h nahm. 20 Vgl. dazu A . SMITH-von OSTEN, Treysa, 1980, S.70ff. - Dibelius hielt 1 9 1 8 den basisgemeindlichen Neuordnungsbestrebungen M . RADEs das Argument der zu wahrenden Rechtskontinuität entgegen und begründete dieses mit der Notwendigkeit der Sicherung des kirchlichen Besitzstandes (vgl. Dibelius an RADE v. 5 . 1 2 . 1 9 1 8 , zit. in J. RATHJE, Welt, 1952, S.261). 21 Vgl. Dibelius an WURM v. 12.6.1945 0 . J . SEIDEL, Neubeginn, 1989, Dok.72, S.432). 22 Besprechung am 1 9 . 1 1 . 1 9 3 6 in Berlin (H. BRAUN / C. NICOLAISEN, V e r a n t w o r t u n g Π, 1993, S.360). - Die Kirchenführerkonferenz in Treysa (27.-31.8.1945) verwarf die A n k n ü p f u n g sowohl an die Verfassung der D E K v o m 11.7.1933 als auch die A n k n ü p f u n g an die K o n z e p t i o n des im Jahr 1922 begründeten Kirchenbundes (DEKB); ebenso boten die „Notorgane" der Bekennenden Kirche keine trag- und konsensfähige Alternative f ü r den Neubau einer Evangelischen Kirche in Deutschland (vgl. J. MEHLHAUSEN, Konvention, 1985, S.475ff.). 18 19
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Epilog
mungen gegenüber der Kirche verabschieden würde 23 . Als Bischof der BerlinBrandenburgischen Kirche stellte Dibelius deshalb drei Grundsätze für die kirchliche Neuordnung auf, deren Reihenfolge ebenso bemerkenswert ist wie deren inhaltliche Zielsetzung: 1. Unverzügliche Neuordnung (damit der Staat, d.h. die Besatzungsmacht bzw. ein „zweiter" Adolf Hoffmann der Kirche nicht zuvorkommen kann) 2. Wahrung der Rechtskontinuität 3. eine auf das Bekenntnis ausgerichtete, legitime Leitung 24 . Der dritte Punkt sollte dem Erfordernis der geistlichen und personellen Kontinuität Rechnung tragen. Die vorläufige Kirchenleitung, der Dibelius in Analogie zum Vertrauensrat von 1918 als synodales Element 25 einen „Beirat" an die Seite stellte, sollte aus den Reihen der Bekennenden Kirche gebildet werden 26 . Da aber die Bekennende Kirche sich in ihrem eigenen Sprachgebrauch - aber gegen ihr Selbstverständnis als legitimes Notregiment der Kirche - als „illegal" bezeichnete und sie naturgemäß auch keine „konkordatsfähige" Anerkennung des nationalsozialistischen Staates gefunden hatte, konnte die rechtliche Kontinuität nur in Anknüpfung an die altpreußische Kirche erreicht werden, wie sie in der Zeit der Weimarer Republik bestand. In diese restituierte Kirche sollte, wie sich Dibelius bezeichnenderweise ausdrückte, „die Bekennende Kirche sich freudig eingliedern" 2 7 können. Die Nachordnung geistlicher Legitimität hinter die rechtliche Kontinuität 28 orientierte sich bei Dibelius an den festzuhaltenden Affinitäten von Staat und 23 Tatsächlich hat die 1. Verfassung der D D R bzw. die Verfassung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 7.10.1949 ihre Staatskirchenartikel (Art.41-48) den entsprechenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung (zumeist wörtlich) nachgebildet. Noch deutlicher hat das Grundgesetz der B R D vom 23.5.1949 die Rechtskontinuität zur Weimarer Republik gewahrt, indem deren Staatskirchenartikel (Art.136-139 und 141 W R V ) mit einem einzigen Hinweis insgesamt in die neue Verfassung (Art.140 G G ) übernommen wurden. Eine Änderung bzw. Weiterentwicklung nahm das Grundgesetz insofern vor, „als es das Staatskirchenrecht ausschließlich in die Zuständigkeit der Länder verweist und es aus der .wertneutralen Formaldemokratie' von Weimar in die Verfassungswirklichkeit einer ,wertmäßig gebundenen Demokratie' (H. PETERS) überträgt" (H. RAAB, Kirche, 1966, S.136; vgl. EBD., S.324f. und E. JÜNGEL, Kirche, 1993, S.329 / S.7f.). Mit einer solchen Weiterentwicklung unter Wahrung der Trennung von Staat und Kirche konnte Dibelius natürlich höchlichst zufrieden sein, kommt sie doch dem Bild sehr nahe, das ihm in Analogie zu einem „christlichen Staat" auch unter demokratischen Verhältnissen vorschwebte (vgl. oben S.490, A n m . l l ) . 24 Vgl. Provinzialsynode 1946, S.36f. 25 Vgl. Chr. STAPPENBECK, Übergangsperiode, 1981, S.22. 26 Dibelius war selber Mitglied und Mitarbeiter des unter der Leitung von Kurt SCHARF stehenden Brandenburgischen Bruderrates und nach der Verhaftung Martin NlEMÖLLERs dessen Stellvertreter und Nachfolger im altpreußischen Bruderrat. 27 Provinzialsynode 1946, S.36 - „Für Dibelius war sicherlich die BK-Illegalität keine Epoche, sondern eine Episode. Aber das war sie ja schließlich auch für uns, nun in concreto; nur uns verließ ihre Beunruhigung nicht und schuf Konflikt nach Konflikt, bis auf den heutigen Tag" (E. BETHGE, Wiederaufbau, 1991, S.304). 28 Die Bundesrepublik Deutschland stellte ebenfalls eine Rechtskontinuität her, indem sie die Religionsartikel der Weimarer Verfassung wörtlich in das Grundgesetz aufnahm. „Es besteht keine Staatskirche" (Art.137 W R V ) . Der Artikel, dessen Formulierung an die entsprechenden Be-
Restauration?
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K i r c h e . D a m i t w u r d e grundsätzlich, w e n n a u c h unausgesprochen, das „ J a h r h u n d e r t d e r K i r c h e " f o r t g e s c h r i e b e n : die v o m Staat g e t r e n n t e K i r c h e d a r f d e n S t a a t n i c h t a u s s e i n e r K i r c h e n h o h e i t , d . h . aus s e i n e n V e r p f l i c h t u n g e n g e g e n ü b e r d e r K i r c h e e n t l a s s e n . D i e s e s in d e r Z e i t n a c h 1 9 1 8 b e r e i t s „ e r f o l g r e i c h e " rungs- u n d H a n d l u n g s m o d e l l fand n u n analog für die kirchliche
Orientie-
Neuordnung
n a c h 1 9 4 5 A n w e n d u n g . F ü r d i e D u r c h s e t z u n g dieser Z i e l e w a r D i b e l i u s in bes o n d e r e r W e i s e d u r c h seine E r f a h r u n g e n m i t d e r U m b r u c h s i t u a t i o n n a c h
1918
u n d d u r c h d i e d a m a l s e r w o r b e n e n K e n n t n i s s e p r ä d e s t i n i e r t , a b e r a u c h festgelegt. E s b l e i b t die F r a g e ,
o b die m a n c h e r l e i k i r c h l i c h e n
Verfassungsvorschläge29
u n d E i n i g u n g s b e m ü h u n g e n 3 0 angesichts der allgemeinen Depression u n d pragmatisch
orientierten kirchlichen Handlungsbedarfs in der
eines
Krisensituation
n a c h 1 9 4 5 ü b e r h a u p t d a z u a n g e t a n w a r e n , aus i h n e n e i n e k o n s e n s f ä h i g e A l t e r n a t i v e z u m M o d e l l des J a h r h u n d e r t s d e r K i r c h e " z u e n t w i c k e l n u n d d u r c h z u s e t z e n . J e d e n f a l l s s c h e i n e n die j e w e i l i g e n s y n o d a l e n M e h r h e i t e n e h e r geneigt g e w e sen z u sein, das S c h i f f d e r K i r c h e aus d e n S t ü r m e n d e r K i r c h e n k a m p f z e i t v o r e r s t an L a n d z u bringen u n d möglichst schnell auf einen „legalen", also a u c h staatlich anerkannten Trockendock
Boden sollte
zu das
stellen.
A u f einem
vielfach
leck
gleichsam
geschlagene
rechtlich
Schiff
abgesicherten
entsprechend
der
WURM'schen Neuordnungsparole „Nicht Restauration, sondern Regeneration"31
Stimmungen der Paulskirchenverfassung anklingt und erinnert, wurde als Art.140 ins Grundgesetz übernommen. Dibelius konnte also auch in der Zeit nach 1949 von dieser prinzipiell vollzogenen Trennung von Staat und Kirche ausgehen. 29 Schon vor 1945 gab es heftige Proteste gegen die Neuordnungsvorschläge, die Dibelius in seiner Denkschrift „Union, Bekenntnis und Kirchenordnung in Altpreußen" (1944) unterbreitet hatte. So teilte z.B. E. SCHLINK dem Autor der Denkschrift eine ihm zugeleitete zornige Reaktion auf die Denkschrift mit: „... ,Es bleibt also alles beim Alten. Es wird weitergewurstelt wie bisher. Die Theologie des Als O b , die hundert Jahre geherrscht hat, bleibt am Ruder. Wenn nur die bösen Deutschen Christen aus der Kirche heraus sind, dann kann man die dogmatischen Fragen auf sich beruhen lassen. Darüber mögen die systematisch veranlagten Theologen streiten.... Das ist das Erschütternde an diesem Brief, daß er zeigt, daß D . im Grunde noch heute dort steht, wo er vor 20 Jahren mit seinem Jahrhundert der Kirche' stand... Aber es geht nicht, daß wir uns das Jahrhundert der Kirche unter dem Schein der Rückkehr zur Reformation zwanzig Jahre post festum trotz alles dessen, was wir seit 1933 erlebt haben, etablieren. Hier muß die Bekennende Kirche eine Entscheidung treffen, so oder so' ..." (Zitat im Schreiben SCHUNKs an Dibelius v. 29.8.1944 [S.5], in: L K A STUTTGART, D 1/181,1). 30 K. MEIER sieht im Einigungswerk von Landesbischof Wurm eine „defensive ...Frontverbreiterungstendenz", deren „Bedeutung vor allem in der Rekonstruktionsphase des Kirchentums nach Kriegsende bedeutungsvoll war" (K. MEIER, Kirchenführer, 1990, S.117). An diesem Einigungswerk war ja auch Dibelius aktiv beteiligt. Die Vorstellungen des „Lutherrats" (Hans MEISER) waren nicht mehrheitsfähig, und der „Reichsbruderrat" verzichtete auf einen basisorientierten Neubau von den Gemeinden aus (vgl. J. MEHLHAUSEN, Konvention, 1985, S.469ff.). So kamen also die kirchenpolitischen und theologischen Überzeugungen im weiten Spektrum des „Einigungswerks" und des Jahrhunderts der Kirche" zum Zug. 31 WURM an FRICKE V. 4.8.1945 (LKA STUTTGART, D 1/209). - Dabei war die Frage strittig, ob bei der Neuordnung der Kirche neben der Barmer Erklärung auch das Dahlemer Notrecht als verbindliche Richtschnur zu gelten habe: „Ich bin völlig einverstanden damit, daß die Erkenntnisse und Lehrsätze der Barmer Synode nun in der Kirche praktiziert werden können und müssen. Die Schwierigkeit beginnt erst mit den Bestimmungen von Dahlem, das heißt mit der Frage, ob die Organe des damals ausgerufenen Notregiments unverändert auch heute fortbe-
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wieder repariert und rekonstruiert werden, um es so wieder flott und seetüchtig zu machen. Die zuweilen modischen, zuweilen moralisierenden Schuldzuweisungen, die mit dem polemischen Kampfwort der „kirchlichen Restauration"32 bis heute weithin noch verknüpft sind, werden nur selten den Bedingungen der damaligen Zeit gerecht. Sie begeben sich in die Nähe einer geschichtslosen Rechthaberei und Besserwisserei, sofern das Zusammenspiel von politischen Handlungsräumen und sozialen Mentalitäten, von biographischer und kirchlicher Prägung der handelnden Personen und der vorhandenen theologischen und ekklesiologischen Konzeptionen nicht genügend Beachtung findet. Was auch immer mit dem Restaurationsvorwurf im Blick auf die spätere Nachkriegsentwicklung in Kirche und Gesellschaft an Richtigem intendiert sein mag, so ist der Begriff der „Restauration" in seinem eigentlichen Sinn33 nur zu einem geringen Teil dafür geeignet, die von Dibelius vertretene Sache im Kern zu treffen. Denn das „Jahrhundert der Kirche" versteht sich ja als Folge und nicht als Umkehrung der Revolution und der von ihr geschaffenen Verhältnisse. Restauration wäre im Verständnis von Dibelius dann der Rückfall in ein vorrevolutionäres Staatskirchentum, von dem sich das „Jahrhundert der Kirche" doch unwiderruflich und unumkehrbar getrennt hat. Wenn die evangelische Kirche im Jahr 1945 an das Kirchentum der Weimarer Zeit anknüpfte, dann griff sie damit zurück auf die kirchlich grundstürzenden Ergebnisse der politischen Revolution von 1918. Das „Jahrhundert der Kirche" verstand sich nicht als eine Fluchtburg der Gegenrevolution oder als ein Hort der Restauration oder der Reaktion. 3. „Obrigkeit?" 1. Nachdem die beiden Teile Deutschlands den gegeneinanderstehenden Machtblöcken der beiden Weltmächte zugeordnet waren, sprach Dibelius die Hoffnung aus, dass der „Eiserne Vorhang" zwischen West- und Ostdeutschland bald wieder fallen werde, dass namentlich in dem mehr und mehr unverkennbar totalitären,
stehen und v o n jedem, der sich zur Bekennnenden Kirche rechnet, anerkannt werden müssen." (WURM an NIEMÖLLER v. 10.8.1945, in: G . SCHÄFER, Dokumentation VI, S.1379) A u f die untrennbare Zusammengehörigkeit v o n „Barmen" und „Dahlem" im Blick auf Konstitution, K o n sistenz und Resistenz der Bekennenden Kirche verweist auch K. SCHOLDER (Kirchen II, 1985, S.41f.). - Vgl. auch M . SCHREIBER, Pereis, 1989, S.179. 32 „Tatsächlich ... hat eine Alternative ,Restauration oder Neuanfang' ... in Wirklichkeit nie bestanden" (K. SCHOLDER, Kirchenkampf, 1987, S p . 1 6 2 9 / 1988, S.155). Gegen den zur modischen N o r m gewordenen, aber überspannten Restaurationsvorwurf vgl. auch C. VOLLNHALS, Zeitgeschichte, 1990, S . 1 8 1 f f . 33 Restauration ist der auf einer konservativen Grundhaltung basierende und nach kontinuierlicher Legitimität verlangende Versuch, die durch eine Revolution entstandene Situation (teilweise) wieder rückgängig zu machen oder die in einer Revolution verlorengegangenen W e r t e , Rechte oder Freiheiten wiederherzustellen (vgl. J. MEHLHAUSEN, Restauration, 1980, Sp.l073f.).
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„Obrigkeit?"
k o m m u n i s t i s c h b e h e r r s c h t e n T e i l D e u t s c h l a n d s die „ G r e n z e n des S t a a t e s " 3 4 eingehalten werden und so Deutschlands Einheit wieder erreicht werde „ u m
der
V e r k ü n d i g u n g des E v a n g e l i u m s willen u n d u m der ganzen sittlichen H a l t u n g unseres V o l k e s w i l l e n " 3 5 : E i n m a l „ m u ß die S t u n d e k o m m e n , in d e r d i e G l o c k e n d e r F r e i h e i t u n d des F r i e d e n s a u c h ü b e r u n s e r d e u t s c h e s V a t e r l a n d k l i n g e n . N o c h k l i n g e n sie n i c h t ; a b e r es b e r e i t e t s i c h d o c h g a n z s p ü r b a r e t w a s v o r , i m W e s t e n w i e i m O s t e n , u n d w i r k ö n n e n n u r d i e e i n e h e i ß e B i t t e h a b e n , d a ß das, w a s s i c h d a v o r b e r e i t e t , s i c h n i c h t in e n t g e g e n g e s e t z t e n R i c h t u n g e n a u s w i r k e n . . , s o n d e r n d i e b e i d e n H ä l f t e n unseres Vaterlandes zusammenführen wäre,
möchte,
auf d a ß die Stunde n i c h t
i n d e r alle e i s e r n e n V o r h ä n g e v e r s c h w i n d e n u n d w i r w i e d e r ein
fern Volk
sind."36 D i e H o f f n u n g a u f e i n e b a l d i g e W i e d e r v e r e i n i g u n g e r f ü l l t e s i c h n i c h t . D i e beid e n d e u t s c h e n S t a a t e n e n t w i c k e l t e n s i c h in d e r Z e i t des „ K a l t e n K r i e g e s " i m m e r weiter auseinander. Die Frage w u r d e i m m e r dringlicher, o b oder inwieweit m a n
34 Vgl. die gleichnamige Schrift aus dem Jahr 1949, in der Dibelius sich mit der Frage der Obrigkeit, mit der „Staat-ist-Macht-Theorie" und mit der Begrenzung staatlich totalitärer und omnipotenter Macht durch die Kirche auseinandersetzt. Obwohl Dibelius in seiner Schrift auch die in den westlichen Staaten tendenziell vorhandenen Neigungen zur Totalität beschreibt, ist es unverkennbar, dass ihm bei der Abfassung das Bild des kommunistisch geprägten ostdeutschen Staates vor Augen steht, der sich - wie auch die Bundesrepublik - 1949 seine eigene Verfassung gegeben hat: D e r Christ kann „eine Gemeinschaft ohne Freiheit nicht bejahen. Gemeinschaft ohne Freiheit gehört der Welt an, die mit Gott in Feindschaft lebt. ...Ein Staat, in dem die Methoden der Gewalt keinen Raum für die Freiheit lassen, geht an dem Fluch der Gewalt zugrunde, er mag sich noch so hohe Ziele setzen und noch so glänzende Erfolge erzielen. Weil der Christ das weiß, muß er einem solchen Staat widerstehen. Denn die Liebe gebietet ihm, seine Mitmenschen nicht unter dem Fluch zu lassen." (S.18f.) „Der Nimbus des Staates und seiner Obrigkeit ist dahin. Autorität der Obrigkeit ist unter den modernen Verhältnissen nicht von vornherein gegeben, sondern sie muß erworben werden, und zwar täglich aufs neue." (S.30) „Wie an der Eiche alles Eiche ist, Stamm und Wurzel, Ast und Blatt, Blüte und Frucht, so ist am Staat alles Macht: sein Besitz und seine Arbeit, sein Zuschauen und sein Eingreifen, sein Regeln und sein Planen. Der Staat ist Macht, Macht durch und durch! Ungeheure Macht!" (S.36) „Daß die Macht des Staates an der Kirchtür zu enden hat, gehört zu den wenigen Grundsätzen, die im öffentlichen Leben der Gegenwart auf nahezu allgemeine Zustimmung rechnen können. ...Eine Kirche, die sich auf einen Teil der menschlichen Existenz beschränkte, also auf den .religiösen Sektor' des menschlichen Lebens.., hätte das Wesen des christlichen Evangeliums preisgegeben. Da aber auch der Staat das Leben seiner Bürger für sich beansprucht, ganz oder teilweise, so müssen geistliche und weltliche Gewalt ständig aufeinandertreffen, wobei dann Reibungen, ja Kämpfe unausbleiblich sind" (S.83). 35 Ansprache des evangelischen Bischofs von Berlin auf dem Kirchentag der Inneren Mission am 11.9.1949 in der Waldbühne zu Berlin (Manuskript, E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius, В 12). 36 EBD. - Bei seiner Predigt zur Eröffnung des ersten Deutschen Bundestags erklärte Dibelius als Ratsvorsitzender, „daß diese Zerreißung dessen, was Gott zusammengefügt hat, wider Gottes Willen ist, weil aus solcher gewaltsamen und unnatürlichen Zerrissenheit Unehrlichkeit, Haß, Gereiztheit und tausend anderes Elend für unser ganzes Volk folgen muß. Die, die diese Teilung aufrecht erhalten, mögen sehen, wie sie das einmal verantworten wollen vor Gottes ewigem Thron!... O b er uns die wirkliche Einheit unseres deutschen Vaterlandes vielleicht gerade dann schenken will, wenn jeder sagt, es ist unmöglich? Wer nicht an Wunder glaubt, hat neulich jemand gesagt, ist kein Realist!" (Unter Gottes Geboten, in: Evangelische Welt v. 15.9.1949; vervielfältigtes Manuskript in: B A KOBLENZ, N L Pünder/275, pag.73-77).
498
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als Christ auch unter einer „Staatsgewalt, die allem Recht und Gesetz Hohn" spricht37, leben und wirken könne, ob und inwieweit man einer solchen Obrigkeit Gehorsam schuldig sei. 2. Unter den mancherlei Versuchen38, darauf eine sach- und situationsgerechte Antwort zu geben, haben zwei Veröffentlichungen zu diesem Thema eine besondere Bedeutung erlangt: Martin F I S C H E R , Professor an der Kirchlichen Hochschule in Berlin, hatte dem 60-jährigen Gustav H E I N E M A N N eine Schrift mit dem Titel „Obrigkeit" auf den Geburtstagstisch gelegt, in der er der Frage nachging, wie sich ein Christ auch gegenüber einer atheistischen Obrigkeit zu verhalten habe39. In seiner Auslegung von Rom 13 hielt er daran fest, dass alle Staatsgewalt von Gott sei, wenn man die Funktion von den Trägern der Staatsgewalt unterscheide. Insofern „ist die Freiheit der Gemeinde nicht eingeschränkt. Die Gemeinde tut um des Gewissens willen, was nur immer die Obrigkeit rechtens fordern könnte." (S.32) Denn die Funktion des Staates ist es, ein „Minimum an Recht" zu schützen, „wenn er nicht wilde Verhältnisse entstehen lassen will, die seine eigene Macht in Frage stellen. Es gibt keine Obrigkeit, die nicht in ihrem eigenen Lebensinteresse gezwungen wäre, gute Werke anzuerkennen und zu fördern und die, die Böses tun, zu strafen." (S.34) Und deshalb ist auch „nicht eine Verchristlichung der Staatsgewalt" (S.43) erforderlich. Die Schwierigkeiten liegen freilich, dies räumte F I S C H E R ein, in einer wirklich zu fürchtenden „ideologisierten Obrigkeit" (S.38ff.) und in den „Inkonsequenzen der Ideologen" (S.97), die nicht nur missbräuchlich, sondern auch gegen ihre eigenen Interessen die Staatsgewalt ausüben. F I S C H E R war von dem seelsorgerlichen Interesse geleitet, die Christen in der D D R zum Bleiben und zum Tun des christlich Gebotenen und Möglichen zu ermutigen und sie nicht in einen insoweit unnötigen Konfrontationskurs gegen das dortige Regime hineinzutreiben. Aber genau dies rief nun den Berliner Bischof auf den Plan, den diese konziliante und „subjektive" Art, mit den Tatsachen in der D D R umzugehen, „sehr traurig gemacht"40 hat und dem diese Haltung als kirchliche und politische Leisetreterei erscheinen musste. Deshalb machte er sich - fast zeitgleich damit, dass er aus Protest sein Amt als Ehrenpräsi-
K. NOWAK, Protestantismus, 1992, S.209f. Vgl. dazu besonders Th. BERKE, Obrigkeitsschrift, 1992, S.88ff. Unberücksichtigt bleiben in diesem Aufsatz die Verhandlungen (zwischen Juni 1958 bis Mai 1959) der Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen im Gebiet der D D R über das Verhältnis von Staat und Kirche, bei denen Bischof MlTZENHEM der Verfechter einer politisch angepassten Staatsloyalität war (vgl. Kundgebungen der E K D 1945-1959, S.287ff.). 39 Vgl. M. FISCHER, Obrigkeit, 1959; vgl. auch M. FISCHER, Geschichte, 1975, S.lOlff. Eine ähnliche Position vertrat schon 1955 auch H . GRÜBER: „Wir müssen den Staat in seinem Dasein anerkennen, was uns nicht zwingt, alle Formen seines Soseins zu bejahen" (zit. nach G. BESIER, GAufs. II, 1994, S.169). 40 Dibelius an FISCHER v. 25.7.1959 (R. STUPPERICH, Otto Dibelius, 1989, S.540f.); vgl. Th. BERKE, Obrigkeitsschrift, 1992, S.88-107 u. S.110. 37 38
.Obrigkeit?"
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dent der Berliner Kirchlichen Hochschule niederlegte - in seinem Urlaubsort San R e m o daran, eine Gegenschrift zu verfassen 41 . Nicht ohne Hintersinn widmete Dibelius seine Studie ebenfalls einem 60-jährigen Jubilar, nämlich dem Hannoveranischen Landesbischof Hanns LlLJE. Die im September 1959 als Privatdruck herausgegebene und in 500 Handexemplaren verbreitete Schrift trug den Titel: „Obrigkeit? Eine Frage an den 60-jährigen Landesbischof" 42 . Sein Buch „Grenzen des Staates" (1949) handelte noch allgemein v o m Begriff und von dem Erscheinungsbild des Staates in der modernen Zeit. Obwohl auch die Verfassung der D D R in Anknüpfung an die Weimarer Reichsverfassung durchaus kirchen- und religionsfreundliche Artikel enthielt, entfernte sich in der praktischen Politik die Verfassungwirklichkeit immer weiter von dem Verfassungsanspruch. So verlagerte sich das Interesse an dem Staat-Kirche-Verhältnis auf das Gegenüber der Kirche zum DDR-Staat, und Dibelius entwickelte seinen Interpretationsversuch von R o m 13, ohne gegenüber 1949 sachlich Neues zu sagen, im Blick auf die konkreten Verhältnisse in der D D R . Das im Jahrhundert der Kirche' gewonnene Staatsverständnis 43 war der hermeneutische Horizont, in dem Dibelius nun auch R o m 13 auslegte. Danach kann der moderne Macht-Staat von den Christen Vertrauen und Akzeptanz nur insoweit beanspruchen, sofern er nicht totalitär alle Bereiche des menschlichen und 41 FISCHER schreibt selbst zu Anlass und Inhalt der Erwiderung von Dibelius: ^Dibelius' Schrift dürfte entstanden sein aus dem Wunsch, meine eigene Schrift .Obrigkeit' zu widerlegen. In ihr hat mich die Absicht bestimmt, für die Menschen in den kommunistisch regierten Gebieten durchzudenken, welches ihre im christlichen Glauben gewiesene und ermöglichte Haltung der Obrigkeit gegenüber sein könnte. Die theologischen Erwägungen hatten Gründe der Seelsorge. Bischof Dibelius dagegen scheint in antikommunistischer Besorgnis aus meiner Schrift eine Erweichung des christlichen Nein zum Unrecht herausgelesen zu haben" (M. FISCHER, Überlegungen, 1963, S.343). 42 Exemplare der Vervielfältigung in: LKA BIELEFELD, 5/Nr.l, Bd.327 Fasc.l u. Fasc.2 Einige Protestschreiben gegen die „Obrigkeitsschrift" EBD.; vgl. auch: DER SPIEGEL 13, Nr.39 v. 23.9.1959, S.22 und Nr.46 v. 11.11.1959, S.24 - Die Obrigkeitsschrift von Dibelius ist abgedruckt in: „Violett-Buch" zur Obrigkeitsschrift von Bischof D. Dibelius, 1960, S.21-31. - Man wird diese Schrift von der Sache her in der Linie des Jahrhunderts der Kirche' verstehen, von der Biographie des Menschen Dibelius her aber nicht als Frucht seiner Altersweisheit begreifen können; vielmehr scheint sie ein Ausdruck seiner Alters-Verbitterung zu sein. 43 Erkenntnisleitend ist für ihn der schon beschriebene historische Schematismus, wonach der Staat seit 1918 ein ganz anderer geworden ist. Dies wird bei Dibelius zur hermeneutischen „Voraussetzung dafür, daß man Rom.13 exegetisch richtig in den Begriff bekommt" (Dibelius an SCHÖNFELD v. 24.9.1959, in: „Violett-Buch", 1960, S.44). Von dieser „Voraussetzung" aus übersetzte Dibelius die εξουσια(ι) (Rom 13,lf.) nicht mehr wie bei LUTHER mit „Obrigkeit", sondern mit „rechtmäßige Staatsgewalt". - In dieser Interpretation „schimmert ein ekklesiologisches Anliegen hindurch, das sich wie ein roter Faden durch das Denken Dibelius' seit seiner Programmschrift ,Das Jahrhundert der Kirche' von 1926 zieht" (Th. BERKE, Obrigkeitsschrift, 1992, S.114). Nein: dieses Anliegen schimmert nicht nur hindurch, sondern es ist dominierend! Im Jahrhundert der Kirche' (1926) waren bereits die erstaunlichen, freilich inkongruenten Sätze zu lesen: „Einen omnipotenten Staat kann die Kirche nicht anerkennen." (S.236) Und: „Grundsätzlich ...kann eine evangelische Kirche ...jede Staatsform bejahen und in jeder Staatsform ihren Dienst ausrichten." (S.237) In der Synthese dieser beiden Sätze heißt dies: Soweit ein Staat seine Macht nicht omnipotent und totalitär ausübt, kann die Kirche jede Staatsform bejahen und in jeder Staatsform ihren Dienst ausrichten.
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Epilog
gesellschaftlichen Lebens zu bestimmen versucht und besonders nicht in die Bereiche von Recht und Religion hineinregiert. Für eine totalitäre Obrigkeit - im Auge hatte Dibelius dabei die Herrschaftsstrukturen des Nationalsozialismus und des real existierenden Sozialismus in der D D R - gelte der Satz AUGUSTINs: „Wo es kein Recht mehr gibt - was sind da die Staaten anderes als Räuberbanden?" (S.31) 44 Für Dibelius stand es fest, dass die Staatsgewalt der D D R durch und durch und von Anfang an als ein Unrechtsregime anzusehen ist. Dass das Recht in der D D R der Beliebigkeit und der Willkür der Machthaber ausgesetzt sei, untermauerte er mit der Behauptung, dass sich nicht einmal die dortigen Politiker und Parteifunktionäre selber an die von ihnen selbst erlassenen Gesetze hielten. Die mit konkreten Beispielen unterlegte Zuspitzung auf die Frage der Gehorsamspflicht gegenüber Straßenschildern und Verkehrsregeln in einem totalitären Staat machte die breite Öffentlichkeit erst recht auf die Schrift von Dibelius aufmerksam. Denn dort wurde die erstaunliche Aussage gemacht: Ein Bürger der D D R müsse nicht den angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzungen folgen, da sich die dortigen Machthaber selber darüber hinwegsetzten 45 . Solche überspitzten Beispiele konnten einer ruhigen und sachlichen Debatte über das heikle Thema in der ohnehin gespannten deutsch-deutschen Situation nicht dienlich sein. Verständlicherweise wurde in Ost und West massiver Protest laut, und es gab „nicht
44 Mit dem Hinweis auf dieses Wort AUGUSTINs und auf die „Obrigkeits-Debatte" ruft P. MASER im Blick auf die kirchliche DDR-Vergangenheit zur „erlösende(n) Erinnerung und Sebstbefreiung" auf. Im Anschluss an das AUGUSTIN-Zitat schreibt MASER: „Genauer läßt sich das Problem kaum fassen: Wer in die Hände einer Räuberbande fällt, hat selbstverständlich das Recht, sich mit dieser soweit zu arrangieren, daß er eine Chance des Überlebens hat. Die Psychologen wissen allerdings auch davon zu berichten, daß bei längerer Geiselhaft regelmäßig das Phänomen einer inneren Annäherung der Opfer an ihre Kidnapper auftritt. Die gleichen Psychologen fordern, daß nach geglückter Befreiung die Opfer diese innere Annäherung an die, die ihnen Gewalt antaten, aufarbeiten müssen, wollen sie nicht seelische Dauerschäden davontragen." (P. MASER, Unter Räubern, 1994, S.726) - MASER will freilich die „positive Leistungsbilanz" der DDR-Kirchen anerkannt wissen, da sie gegenüber dem totalitären Ideologieanspruch der S E D „Widerstand" und gegenüber den Opfern der Klassenjustiz „Beistand" geleistet hätten. Im Bestreben, auch „die inneren Schäden" einer auf Koexistenz bedachten Kirche aufzudecken, konterkariert allerdings MASER nun wieder diese „positive Leistungsbilanz", indem er das Schlagwort von der „Kirche im Sozialismus" in seiner begrifflichen Unscharfe nicht mehr nur als eine Formel der Uberlebensstrategie versteht, sondern diese Formel zur „Konzeption" überhöht und sie als den „eigentliche(n) theologische(n) Sündenfall der evangelischen Kirchen in der D D R " (EBD., S.728) bezeichnet. Damit habe die Haltung „des deutschchristlichen ,Reibi' Ludwig MÜLLER von 1934 fröhliche Urständ" gefeiert (EBD., S.726); damit sei „das instinktive Verlangen des deutschen Protestantismus nach Staatsnähe wieder einmal" voll zur Geltung gekommen (EBD., S.728). Was soll nun gelten: „positive Leistungsbilanz" oder „Sündenfall" oder gar beides? Helfen solche pauschal und rigoristisch moralisierenden, die Einzelfälle außer Acht lassenden, auch dialektisch nicht mehr zu verbindenden Gegenüberstellungen dazu, das „lähmende Schweigen der Kirchen" (EBD., S.725) im Blick auf die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu brechen? Vgl. auch die in Anknüpfung und Widerspruch weitergeführte Diskussion: D . POLLACK, Theologie, 1995, S.73ff. und H . FRITZ, Tapfer sündigen, 1995, S.77. 45 Nachträglich musste Dibelius dann erklären, dass er mit seinen Beispielen und überhaupt mit seiner Schrift „nicht zu faktischem Ungehorsam des Staatsbürgers hat aufrufen wollen" (Beschluss der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg v. 22.10.1959, in: „Violett-Buch", 1960, S.46).
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eine einzige namhafte Stimme in Theologie und Kirche, die dem Bischof in seiner Meinung vorbehaltlos beigetreten wäre" 46 . Schon die EKD-Synode in Berlin-Spandau (1956) bekannte in ihrer Theologischen Erklärung, dass das Evangelium den Staat - im Anklang an Barmen V „unter die gnädige Anordnung Gottes" rückt; über Barmen V hinausgehend wird dann hinzugefügt, dass diese gnädige Anordnung Gottes auch „unabhängig von dem Zustandekommen der staatlichen Gewalt oder ihrer politischen Gestalt" 47 in Geltung bleibe. Dibelius' Sorge war es, dass aus dieser theologischen Aussage eine politische Staatsloyalität der Kirche, und zwar ohne Einschränkung und in jedem Fall, gefolgert werden könnte. Deshalb stellte er die in dieser Erklärung enthaltene, theologisch begründete Staatsloyalität unter den Vorbehalt von politischen und moralischen Bedingungen, bei deren Nichterfüllung die Staatstreue der Christen auch zur Disposition gestellt oder ganz aufgekündigt werden kann. Es war klar: Dibelius' Schrift wollte sich nicht den aus seiner Warte und mit seinem Wahrnehmungsvermögen erkennbaren Versuchen anpassen, einen den Unrechtsstaat womöglich rechtfertigenden und stabilisierenden „modus vivendi" der Christen in der D D R zu finden; sie passte nicht in die theologische und kirchliche „Empfindungslandschaft"48 hinein, in der man die Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Staat und Kirche als Folge des Nazi-Regimes bußfertig anzunehmen und sie als Herausforderung für eine theologische Neubesinnung und für eine neue kirchliche Existenz zu verstehen begann. Die Angriffe, denen der Bischof in der eigenen Kirchenleitung, in den synodalen Gremien, in der öffentlichen Diskussion und vor allem in der DDR-Presse ausgesetzt war, konnten an Schärfe kaum übertroffen werden. Die anfänglich noch sachlich geführte Debatte wurde immer mehr von der politischen Diskussion überlagert oder ganz verdrängt. Im Kern aber blieb Dibelius seinem Standpunkt treu, dass eine Staatsge46 K. SCHOLDER, Dibelius, 1981, S.103 / 1983, S.335, / 1992, S.335. Vgl. zum Ganzen und zu den der Obrigkeitsschrift vorausgegangenen und nachfolgenden Diskussionen: Chr. STAPPENBECK, Übergangsperiode, 1981, S.131ff.; H . DÄHN, Konfrontation, 1982, S.88ff.; R. STUPPERICH, O t t o Dibelius, 1989, S.539-567; K. HERBERT, Aufbruch, 1989, S.303f.; Th. BERKE, Obrigkeitsschrift, 1992, S.88ff.; G. BESIER, SED-Staat, 1993, S.311ff. 47 Theologische Erklärung der außerordentlichen Tagung der Synode der E K D v o m 2 7 . 29.6.1956: „Gottes W o r t ist nicht gebunden (2Tim 2,9)", in: Kundgebungen der E K D 1945-1959, S.215f.; vgl. „Violett-Buch", 1960, S.8. - Diese in ihrem ersten Teil an Barmen V anknüpfende Aussage hielt die Berlin-Brandenburgische Kirchenleitung ihrem Bischof in ihrer Stellungnahme v o m 1.10.1959 (vgl. „Violett-Buch", I960, S.44f.) entgegen. Nach gemeinsamer Beratung setzte Dibelius einen weiteren Beschluss der Kirchenleitung durch, in dem der Komplementärsatz der Synodenerklärung enthalten war: „Das Evangelium befreit uns dazu, im Glauben Nein zu sagen zu jedem Totalitätsanspruch menschlicher Macht, für die von ihr Entrechteten und Versuchten einzutreten und lieber zu leiden als gottwidrigen Gesetzen und Anordnungen zu gehorchen" (Beschluss der Kirchenleitung v. 22.10.1959, in: „Violett-Buch", 1960, S.46f.). Das bejahende W o r t v o m „Staat als gnädiger Anordnung Gottes" wurde so im Sinn von Dibelius wieder in die Balance gebracht durch die Aussage von der Gehorsamsverweigerung gegenüber „gottwidrigen Anordnungen" dieses Staates. 48 M. HOHMANN, Strategie, 1993, S.458; vgl. auch Chr. Graf v. KROCKOW, Die Deutschen, 1992, S.295f.
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Epilog
w a i t , d i e s i c h selbst als o b e r s t e A u t o r i t ä t s e t z t u n d k e i n e g ö t t l i c h e
Autorität
m e h r ü b e r s i c h a n e r k e n n t , die aus i d e o l o g i s c h e n G r ü n d e n die F r e i h e i t d e r k i r c h l i c h e n V e r k ü n d i g u n g u n d des k i r c h l i c h e n L e b e n s b e h i n d e r t o d e r z u
ersticken
d r o h t , ihren rechtlichen Status u n d ihre Legitimität v e r l o r e n hat u n d m i t
dem
ekklesiologischen Vorbehalt, mit d e m Widerspruch und Widerstand der Kirche zu rechnen hat49. 3 . I n t e r e s s a n t u n d f r a p p a n t ist die T a t s a c h e , dass D i b e l i u s s e i n e n t h e o l o g i s c h e n K o n t r a h e n t e n des J a h r e s 1 9 5 9 / 6 0 v o r a u s g e s a g t h a t t e , dass i h m „die G e s c h i c h t e " ä h n l i c h w i e b e i d e r k i r c h l i c h e n F ü r s p r a c h e f ü r die K r i e g s d i e n s t v e r w e i g e r e r 5 0 a u f G r u n d seines B u c h e s , F r i e d e a u f E r d e n ? ' ( 1 9 3 0 ) - i n s p ä t e s t e n s 3 0 J a h r e n s c h o n n o c h r e c h t g e b e n w ü r d e m i t s e i n e r s c h o n 1 9 4 9 a u s g e s p r o c h e n e n T h e s e , dass e i n S t a a t , d e r s e i n e T o t a l i t ä t auf die S p i t z e t r e i b e , n i c h t v o n D a u e r sein k ö n n e u n d s i c h selbst z u g r u n d e r i c h t e 5 1 . D u r c h die f r i e d l i c h e R e v o l u t i o n i n d e r D D R 5 2 i m J a h r 1 9 8 9 / 9 0 , a l s o e x a k t 3 0 J a h r e n a c h d e m O b r i g k e i t s - S t r e i t , h a t „die G e s c h i c h t e " d e m B e r l i n e r B i s c h o f , w i e es s c h e i n t , t a t s ä c h l i c h - n i c h t n u r i m E r g e b n i s , s o n d e r n a u c h in d e r z e i t l i c h e n Voraussage -
r e c h t g e g e b e n . I n s o f e r n h a t t e sein d a m a l i g e r E i n s p r u c h
aus
R e t r o s p e k t i v e b e t r a c h t e t „die F u n k t i o n e i n e r p r o p h e t i s c h e n M a h n u n g " 5 3 .
der Frei-
l i c h lag dieser p r o p h e t i s c h e n A h n u n g u n d M a h n u n g das e k k l e s i o l o g i s c h e M o d e l l e i n e s w e l t a n s c h a u l i c h e n K i r c h e n f r o n t d e n k e n s u n d eines p o l i t i s c h e n
Konfronta-
t i o n s k u r s e s z u g r u n d e , das in d e r Z e i t des „ K a l t e n K r i e g e s " e i n u n a b s e h b a r e x p l o 49 Vgl. dazu die Dokumentation im „Violett-Buch", 1960, S.32ff. - Obrigkeit ist also nach Dibelius nicht gleich Obrigkeit; von bestimmter Seite aus wurde und wird deshalb beklagt, dass Dibelius von vornherein wertende Unterschiede gemacht habe „zwischen der Obrigkeit in der Gestalt der ADENAUER-Regierung und der anderen in der Gestalt der ULBRICHT-Regierung" (M. LÖTZ, Kirche, 1992, S.138; vgl. auch die zustimmende Rezension des Buches von LÖTZ durch Chr. STAPPENBECK, Neues, 1992, S.39ff.). 50 Vgl. Dibelius an SCHÖNFELD v. 24.9.1959 („Violett-Buch", 1960, S.44). 51 H . VOGEL berichtete: Bischof Dibelius „war und ist offenkundig der Uberzeugung, daß er im Grunde doch gegenüber uns allen recht hätte, und daß, in seiner Denkweise zu reden, die .Geschichte' ihm in 30 Jahren recht geben würde" (H. VOGEL, Offener Brief, 1960, S.106). 52 Die , Weißenseer Blätter', die sich als Sprachrohr des Weißenseer Arbeitskreises (Kirchliche Bruderschaft in Berlin-Brandenburg) verstehen, taten sich offensichtlich schwer, die politische Wende von 1989/90 zu verstehen und das Scheitern des real existierenden Sozialismus auch in seinen Ursachen zu begreifen. Dies hätte für einen Kreis, der sich nicht genug damit tun konnte, der Kirche ihre Schuld und Unbußfertigkeit vorzuwerfen, bedeutet, nun auch die selbstkritische Frage nach dem eigenen Weg und nach der eigenen Postition zu stellen. Stattdessen stimmte Hanfried MÜLLER in seinem Offenen Brief „an meine Freunde in der S E D " den trotzigen Cantus firmus an: „Keine Reue! Keine Buße! Keine Schuldbekenntnisse!" (Weißenseer Blätter 1989/5, S.25) Chr. STAPPENBECK versuchte sich davon leicht zu distanzieren, indem er die Parole ausgab, „die geschehene, unvermeidliche Revolte (sie!) vor dem Abgleiten in eine kapitalistische Restauration zu bewahren" (EBD., S.54). Als einer, der die Friedenskräfte des Sozialismus östlicher Prägung stärken wollte, verkündete STAPPENBECK in der Zeit des bereits erodierenden Systems, die Kommunisten müssten „die Schuld in ihrer eigenen revolutionären Geschichte ...erkennen und Fehler ...diskutieren mit dem Ziel, ihre Wiederholung zu vermeiden. (Die Maxime ,keine Fehlerdiskussion' gilt ja allenfalls im akuten Gefecht [sie!], aber nicht als Langzeitlosung für Jahrzehnte.)" (Weißenseer Blätter 1989/1, S.61). 53 T h . BERKE, Obrigkeitsschrift, 1992, S.122.
.Obrigkeit?"
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sives Potential enthielt und eher den Status quo in der D D R verfestigte und verhärtete. Dibelius konnte ja im Ernst nicht erwarten, dass durch seine Vorbehalte und Vorhaltungen die DDR-Obrigkeit sich bekehren oder sich „verchristlichen" ließe. Es muss deshalb - bei allem Respekt vor der kirchlichen Lebensleistung von Dibelius - bezweifelt werden, ob mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 30 Jahre nach der Obrigkeitsschrift die „Geschichte" dem Berliner Bischof in diesem freilich sehr oberflächlichen Sinn „Recht" gegeben hat. Denn die deutsche Einheit ist das, allerdings überraschende und überraschend schnelle, Ergebnis eines Prozesses, dem sich Dibelius sozusagen bis zum letzten Atemzug widersetzt hat: Mit seiner Obrigkeitsschrift hatte er den politischen und kirchenpolitischen Kollisions- und Konfrontationskurs gewissermaßen in den Rang eines christlichen Bekenntnisses erhoben. Die Abtrennung der DDR-Landeskirchen von der EKD und die Bildung des Evangelischen Kirchenbundes in der D D R hat Dibelius wenn nicht verhindert, so doch verzögert, weil er seine fundamentale Überzeugung nicht aufzugeben bereit war, dass im „Jahrhundert der Kirche" Kirchengrenzen nicht mehr mit den Staatsgrenzen deckungsgleich sein müssten. Mit der Bildung des Kirchenbundes wurde jedoch die mehrdeutige Formel „Kirche im Sozialismus" möglich, was immer sie bedeutet haben mag und wie immer sie von Freund und Feind instrumentalisiert worden ist. Sie war so etwas wie das eigenständig kirchliche Äquivalent zu dem, was im Bereich westdeutscher Politik mit dem Schlagwort vom „Wandel durch Annäherung" (Egon BAHR) intendiert war und mit der zunächst heftig umstrittenen, dann aber weithin anerkannten „Politik der kleinen Schritte und der menschlichen Erleichterungen" (Willy BRANDT) konkretisiert werden wollte. Der „Kirche im Sozialismus" sind dadurch schrittweise staatliche Anerkennung und zugleich gesellschaftliche Freiräume zugewachsen, dank derer dann - im Verbund mit vielen anderen binnenwirtschaftlichen und weltpolitischen Faktoren - die friedliche, gewaltlose und „fröhliche" Revolution ihren Anfang genommen hat, an deren Ende schließlich die deutsche Einheit stand. Die Kirche als öffentlichkeitswirksame und von der Öffentlichkeit beanspruchte und auch benutzte Anwältin der Wahrheit begegnete einem entmündigenden System der permanenten ideologischen Lebenslüge und des permanenten ökonomischen Selbstbetrugs54. 54 Zur ganzen Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der D D R seit 1968 (also ein Jahr nach dem T o d von Dibelius) vgl. E. JÜNGEL, Kirche, 1993, S.334ff. / S.9f.; Chr. Graf v. KROCKOW, Die Deutschen, 1992, S.335f. - Im Kern ging und geht es in dem exemplarischen und besonders signifikanten „Fall STOLPE" um die Frage, inwieweit die Kirche ihre Anwaltsfunktion für die Wahrheit korrumpiert oder gar preisgegeben hat, wenn sie die Berührung und sogar die Zusammenarbeit mit den dieses System tragenden Institutionen der organisierten Lebenslüge nicht scheute. Dass es nicht genügt, eine wichtige Kontaktperson zu diesem System nur mit einer einmaligen Generalvollmacht auszustatten und sie so zu einem nicht mehr kontrollierbaren und zu einem außerhalb gemeinsamer und dauernder innerkirchlicher Beratung stehenden und agierenden „Einzelkämpfer" zu machen, ist die bessere und klarere Erkenntnis aus der Perspektive des Rückblicks. Die bessere Erkenntnis des Rückblicks zeigt die damals bestehende und auch schon damals erkennbare Problematik an. Die Problematik allein kann aber noch nicht
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Epilog
4. Dibelius hier nachträglich „Recht" geben zu wollen, das würde bedeuten, mit der Elle des „Kalten Krieges" zu messen und damit gleichzeitig den geschichtlichen Prozess einer schrittweisen Annäherung und Dialogbereitschaft in Politik und Kirche zu diffamieren; denn ohne diesen mühsamen Prozess wäre das allseits begrüßte und gerühmte Ergebnis, nämlich die deutsche Einheit, nicht möglich, jedenfalls so nicht möglich gewesen. Aber auch die Kontrahenten von Dibelius können nicht als Sieger aus der Geschichte hervorgehen. Sie ermutigten zwar die Christen zum Bleiben, zur Wahrnehmung christlicher Verantwortung und zur Bewährung des Glaubens an dem von Gott zugewiesenen gesellschaftlichen Ort, also zum zuversichtlichen T u n dessen, was christlich geboten und - auch unter den Bedingungen der D D R möglich war. Sie beantworteten aber nicht die Frage von Dibelius, wie die „Kirche" als Kirchenleitung und als verbindliche Gemeinschaft aller Kirchenmitglieder einem in seiner politischen Praxis die Menschen entwürdigenden und entmündigenden Staat kritisch gegenübertreten könne - gerade unter der Voraussetzung, dass der Staat, also auch der Staat der D D R , eine „gnädige Anordnung Gottes" ist. In der leidenschaftlichen - in diesem Fall aber unangemessenen Sprache von H . VOGEL hatte man sich zugerufen: „Der Atheismus will totgeliebt werden, damit die Brüder Atheisten es lernen, mit uns Gott zu loben." 5 5 Es ist nicht zu sehen (oder vielleicht noch nicht zu sehen?), dass die Brüder (und Schwestern) Atheisten es „gelernt" haben oder auch nur lernen wollen, „mit uns Gott zu loben". Offensichtlich hatten und haben sie andere Sorgen. 5. V o n dem Leipziger Kirchenhistoriker Kurt NOWAK wird neuerdings Dibelius als einsamer Widerstandskämpfer gegen das DDR-Regime gerühmt: „Nachüber die Verwerflichkeit solchen kirchenleitenden Handelns entscheiden, sondern nur die Einzelprüfung der Frage, ob die Kirche als Anwältin der Wahrheit Schaden genommen hat, und das heißt konkret: ob die kirchenleitend Handelnden persönliche Vorteile genommen haben oder ob die durch das System der Lüge bedrängten Menschen, die sich ihnen anvertrauten, zusätzlichen Schaden erlitten anstatt Hilfe erfahren haben. Die „Freiheit des Christen" (vgl. T h . BERKE, Obrigkeitsschrift, 1992, S.122) wird sich nicht nur in der Prinzipien- und Gewissenstreue, sondern bisweilen auch in dieser „Beweglichkeit" zu erweisen haben: pecca fortiter! Denn Prinzipientreue und Gewissensreinheit, die sich außerhalb der Möglichkeit und Notwendigkeit der Vergebung stellen, können auch unter das Verdikt des 1. Gebotes fallen. - Μ. HOHMANN sieht auch im Rückblick eine große Spannweite kirchlich-angemessenen Verhaltens gegenüber dem D D R - R e gime: „Der Nichts-Tuende wird als Schuldiger anzusehen sein im Vergleich zu dem, der im Einsatz für menschlichere Zustände in einer Diktatur für Freiräume zum Leben mit den Machthabern auf allen Ebenen verhandelt, Kompromisse eingeht oder sich zur partiellen oder zur totalen Konfrontation mit dem herrschenden System entschließt. Beide, - BRÜSEWITZ und STOLPE stehen für vertretbare christliche Haltungen in einer Diktatur" (M. HOHMANN, Strategie, 1993, S.459). R . SCHRÖDER verteidigt sogar die Rolle der DDR-Kirche als einer ehrlichen Maklerin und sieht darin die Möglichkeit der gewaltfreien Revolution von 1989 begründet: „Die Kirche konnte sich für einen gewaltfreien Ubergang einsetzen, weil sie auf beiden Seiten des gesellschaftlichen Konflikts ein gewisses Ansehen hatte. Sie hat die Rolle eines ehrlichen Maklers gespielt. Wer jetzt zum Maßstab erhebt, sie hätte aber die Rolle des entschiedenen Widerparts zu spielen gehabt und nur diese, der müßte auch den Mut haben hinzuzusetzen, um den Preis eines blutigen Kampfes um die Macht." (R. SCHRÖDER in: DASBl v. 6.8.1993). 55 H . VOGEL in seinem Offenen Brief („Violett-Buch", 1960, S.110).
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dem bereits in den Jahren der HlTLER-Herrschaft einzelne Theologen wie Dietrich BONHOEFFER und geheime Arbeitsgremien wie der ,Freiburger Kreis' das Recht des Widerstandes zum Thema der politischen Ethik des Protestantismus gemacht hatten, sind diese Diskurse nach 1945 in den westlichen Besatzungszonen weitergeführt worden.... In Ostdeutschland ist es lediglich Bischof Dr. Otto Dibelius gewesen, der 1949 dringlich nach den ,Grenzen des Staates', d.h. nach Legitimität und Illegitimität der obrigkeitlichen Macht fragte. Zehn Jahre später hat Dibelius in seiner Schrift Obrigkeit? diese Frage erneuert, ohne jedoch auf seriöse Resonanz zu stoßen." 56 Waren sich seither die Kontrahenten von Dibelius und deren Epigonen in dem von H. VOGEL angeführten Anti-Dibelianismus einig, der sich dann mit Vehemenz gegen die Obrigkeitsschrift richtete, so ist nun die erstaunliche Version zu vernehmen, dass diese Schrift ihrerseits auf keine seriöse Resonanz gestoßen sei. Man tut aber der Seriosität sachlich-kritischer Zeitgeschichtsschreibung keinen Gefallen, wenn man Dibelius eine vermeintlich gut gemeinte, aber völlig unangebrachte „Gerechtigkeit" widerfahren lässt, d.h. wenn NOWAK ihn jetzt zum einsamen und verkannten Widerstandskämpfer gegen das DDR-Regime hochstilisiert. Eine solche späte „Ehrenrettung" hat Dibelius weder verdient noch nötig: sie ist einfach nicht sachgemäß! Man wird zumindest fragen dürfen, ob diese Wendung in der Beurteilung des Berliner Bischofs auch schon vor der „Wende" zur deutschen Einheit möglich war oder ob diese Erkenntnis nur durch die neue Zeitlage nach 1989 beeinflusst, gar korrumpiert ist. Wenn Dibelius wegen seiner „ins Unkontrollierte getriebenen Polemik" zu DDR-Zeiten und in der D D R entweder totgeschwiegen oder als unseriös diffamiert wurde, möchte man ihm jetzt posthum und post festum recht geben, weil sich seine Polemik ja „gegen eine Staatsgewalt, die allem Recht und Gesetz Hohn sprach" 57 , gerichtet habe. Im Gegensatz dazu wird man dem Urteil von J.-Chr. KAISER folgen müssen, der in seiner Rezension zu STUPPERICHs Dibelius-Biographie schreibt: „Daß die Ereignisse des Spätherbst 1989 einen späten Erfolg dieses Wollens (sc.: von Dibelius) darstellen, wird man angesichts der völlig veränderten politischen - und übrigens auch kirchlichen - Lage verneinen müssen." 58 Nicht eindringlich genug ist davor zu warnen, die 40-jährige DDR-(Kirchen-) Geschichte nach der erreichten deutschen Einheit nur unter dem heutigen Blickwinkel und nur unter den uns inzwischen zugewachsenen Erkenntnissen aufarbeiten zu wollen, weil man ja heute weiß, was damals richtig und tapfer gewesen wäre. In diesem Zusammenhang könnte ein neues, aber durchaus fehlgeleitetes
56
K . N O W A K , Protestantismus, 1992, S.209.
EBD., S.209f. J.-Chr. KAISER, Rezension, 1992, S.431. - A. DOERING-MANTEUFFEL plädiert dafür, daß auch die Kirchliche Zeitgeschichte sich von einem exklusiven Epoche-Denken freimacht und die Historie „in die Zusammenhänge des gesamten Jahrhunderts" hineinstellt (A. DOER1NGMANTEUFFEL, Zeitgeschichte, 1995, S.624). 57 58
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Epilog
Interesse dem Lebenswerk von O t t o Dibelius begegnen 59 , wenn man ihn nicht in seinen jeweiligen geschichtlichen Bezügen belässt und ihn nicht aus seinen in der Weimarer Zeit sich herausgebildeten Voraussetzungen und Intentionen des J a h r hunderts der Kirche" zu verstehen sich bemüht. Fehldeutungen und eine Verfälschung seines Lebensbildes und Lebenswerks wäre die unausweichliche Folge.
4. Problemskizze Karl BARTH hat 1931 in seiner groben Auseinandersetzung mit Dibelius darauf aufmerksam gemacht, dass es bei seiner Gegnerschaft nicht u m Einzelheiten, sondern ums „Ganze", d.h. „gegen das ganze, die Sprache von D. Dibelius redende Kirchentum" 6 0 gehe. Ohne die ganze Polemik und die ganze Art dieser Polemik gegen Dibelius teilen zu müssen, ist doch in dieser massiven Kritik auch der den Gegner durchaus ehrende Hinweis enthalten, dass bei Dibelius sachlich und methodisch immer zuerst das „Ganze" seines Kirchenverständnisses in den Blick zu nehmen ist. 1. Für Dibelius ist die Revolution von 1918 zum Schwellenereignis deutscher Geschichte und zur Nahtstelle geworden, an dem Mittelalter und Neuzeit aneinanderstoßen. Das Elend und zugleich die Frucht dieser epochalen Zäsur ist die grundsätzlich als vollzogen angenommene Trennung von Staat und Kirche: die Staatskirche von ehedem hat aufgehört zu existieren - die vom Staat getrennte Kirche ist nun auf sich selbst gestellt, sie ist aus der babylonischen Gefangenschaft des Staates in die Freiheit des wahren und wirklichen Kircheseins entlassen; erst jetzt kann die Kirche werden, was sie ist; ein neues Zeitalter, das „Jahrhundert der Kirche", hat begonnen. Was der Kirche gleichsam an Geländegewinn zugefallen und an Verantwortungen und Aufgaben zugewachsen ist, ist auf Seiten des Staates als Traditionsverlust, als Verlust seines „christlichen" Fun59 So wurde z.B. neuerdings Dibelius' Auslegung von Römer 13 in seiner Obrigkeitsschrift mit dem Hinweis auf die Exegese von BULTMANN, BERGGRAV und SASSE verteidigt (vgl. G. KNECHT, Obrigkeit?, 1993, S.22-24). - Es wird noch einer ausführlichen Diskussion über die von G. BESIER vorgelegten Dokumente bedürfen (vgl. G. BESIER, SED-Staat, 1993), um die Frage beantworten zu können, ob der Weg der evangelischen Kirchen in der D D R mit dem Stichwort „Anpassung" überhaupt angemessen, außerdem ausreichend und differenziert genug zu kennzeichnen ist. Im Nachhinein lässt BESIER die Bildung des „Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR", als dessen „Architekten" (S.18, 701) er vor allem Albrecht SCHÖNHERR und Manfred STOLPE namhaft und verantwortlich macht, als den „Sündenfall" der DDR-Kirchen erscheinen. Entsprechend der Denkstruktur von Dibelius, freilich bei gleichzeitiger vornehmer und vorsichtiger Distanzierung von dessen Theologie (vgl. S.326), wertet BESIER diesen Weg als ein von der Staatssicherheit inspiriertes und gesteuertes Unternehmen, das deshalb zur „Bildung einer ,Staatskirche' neuen Typs" geführt habe (S.18). - Die zunächst sensationell wirkende Dokumentation bisher noch unveröffentlichter Stasi-Unterlagen verstellt den Blick auf die weit darüber hinausgehende Komplexität kirchlicher Existenz und Wirklichkeit in der DDR, die sich ja wahrlich nicht in dem möglicherweise beiderseitig instrumentalisierten Gegenüber von Kirche und SED/Stasi erschöpft hat. - Zur teilweise höchst problematischen Auswertung der Quellen durch BESIER vgl. D. POLLACK, Ideologie, 1993, S.460-462. 60 K. BARTH, Die Not. Nachwort (1931), S.62.
Problemskizze
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daments, seiner ordnenden, sinnstiftenden, wertesetzenden und werteerhaltenden Funktion zu beklagen. Während der Staat im demokratisch-pluralistischen Streit der Parteien zum Macht-Staat verkommt, kommt die Kirche, „über den Parteien" stehend, zu sich selber im Dienst an Volk und Vaterland und in der Bewahrung und Vermittlung „christlicher" Werte. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe geschieht nun aber nicht in Ausübung von quasi-staatlicher Macht, sondern in der Verkündigung des Evangeliums: sine vi, sed verbo. Das Wirken der Kirche in der ihr eigenen Vollmacht ist der staatlichen Machtausübung entgegengesetzt und entgegenzusetzen. Da der Staat nach seiner Selbstdefinition „nur noch" ein religiös und weltanschaulich neutraler Staat sein will und die Kirche nicht mehr Staatskirche sein kann, muss sie sich selbst ihren vom Staat anzuerkennenden Freiraum 61 erkämpfen, der zur Voraussetzung wird für die Wahrnehmung ihres Verkündigungsauftrags und für ihren an das ganze Volk gewiesenen Dienst 62 . Dem revolutionären Trennungsprogramm, das anfänglich die Kirche in höchste Existenznot brachte und ein kirchliches Angstpotential freisetzte, ist Dibelius als Geschäftsführer des Vertrauensrates mit der politischen Mobiliserung der Gemeinde und mit einer kirchlichen Kulturkampfstimmung begegnet. Die vermeintliche Frucht dieses Engagements war freilich nur eine „hinkende" Trennung (U. STUTZ) zwischen Staat und Kirche. Die Verfassung der altpreußischen Kirche bedurfte zwar des „Segens" des Staates, die Kirche konnte aber dadurch in Wahrung der Rechtskontinuität an den privilegierenden Segnungen des Staates teilhaben. Die bis in unsere Tage reichende Folge dieser Entwicklung war, dass die verfasste Kirche über den garstigen Graben der Revolution hinweg eine dem Staatskirchentum analoge Rechtsstruktur und ein ihm entsprechendes Ordnungsmuster beibehielt. Die Kirche war verfassungsrechtlich vom Staat getrennt; da es jedoch nicht zu der vorgesehenen endgültigen Ablösung aller Staatsverpflichtun61 Wenn die Großkirchen als „Körperschaften des öffentlichen Rechts" in der Weimarer Verfassung privilegiert wurden, dann war dies nach Dibelius ein Schritt, der dem Staat abgetrotzt werden musste. In Wirklichkeit war dieses Privileg die rechtskontinuierliche Anerkennung des Staates seiner aus der Zeit des Staatskirchentums überkommenen und weiterhin geltenden Fürsorgepflicht den Kirchen gegenüber. 62 Dass mit dieser Anschauung, die Kirche müsse selber für die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ihres Verkündigungsdienstes sorgen, ein Grundsatzproblem des institutionellen Kirchentums angesprochen ist, kann hier nur angedeutet werden. Jedenfalls war Dibelius ein dezidierter Anhänger dieser Anschauung, wonach die institutionelle Selbstbehauptung der Kirche die Bedingung für die Möglichkeit ihrer Verkündigung sei. Diese Selbstbehauptung der Kirche ist dann mutatis mutandis auch zu einem bestimmenden Thema des Kirchenkampfes und der aus dem Kirchenkampf erwachsenen Neuordnungsversuche geworden. K. NOWAK befreit diese kirchliche Bestandssicherung vom Odium eines ungeistlichen Klerikalismus, indem er für die Zeit der Weimarer Republik festhält: „Man griffe zu kurz, wollte man die Sicherungsstrategie der Kirchen allein von klerikalem Eigeninteresse bestimmt sehen. Kirchliche Bestandssicherung vom christlichen Religionsunterricht in den Volksschulen und höheren Lehranstalten bis zur Seelsorge in Heer und Marine, von der Wahrung des kirchlichen Eigentums bis zur Erhaltung der öffentlichen Körperschaftsrechte - galt nicht als interessenpolitischer Selbstzweck, sondern als organisationsstrukturelle Voraussetzung für die ungehinderte Wirksamkeit der christlichen Verkündigung" (K. NOWAK, Protestantismus, 1987, S.222).
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Epilog
gen kam, war und ist der Staat weiterhin an die Kirche gebunden. Die Kirchengebundenheit des Staates hatte eine zumindest latent vorhandene Staatsabhängigkeit der Kirche zur Folge. Die Fixierung auf die politische und verfassungsrechtliche Regelung des Trennungsgedankens63 hatte das Interesse und die Kräfte der damals kirchlich Verantwortlichen so gebunden, dass andere Neuordnungsvorschläge und kirchliche Erneuerungsgedanken, die sich an der Besinnung nach dem „Wesen der Kirche" und nach einer Neubestimmung von „Volkskirche" zu orientieren versuchten, nicht zum Zuge kamen. Für Dibelius hatte dagegen das kirchliche Verfassungswerk gleichsam kanonische Bedeutung, in dem das Wesen der Kirche situationsgerecht und sachgemäß gefasst ist. Der Trennungsgedanke konnte jetzt sogar gefahrlos als kirchenbegründend adaptiert werden: Die Kirche war nicht mehr die Kirche der subalternen Vergangenheit, sie ist nun die Frucht der neuen Zeit und hat sich als treibende Kraft der Moderne zu erweisen. Die Staatskirche ist unwiderruflich vom „Jahrhundert der Kirche" abgelöst worden. Dass das „Jahrhundert der Kirche" über die Trennung von Staat und Kirche die Staatskirche auch beerbt hat, blendet Dibelius durch seinen historischen Schematismus und sein mit dem Jahr 1918 markiertes Epochenverständnis aus. Diese zum Teil fiktiven Überhöhungen und letztlich hypothetischen Voraussetzungen dienten dem von Dibelius propagierten „Jahrhundert der Kirche" als konzeptionsbegründende Axiome. Das erkenntnisleitende Interesse an einem solchen axiomatischen Grundmuster bestand in dem Bestreben, der Kirche einen neuen Standort, eine zeitgemäße Qualität im Kräfteverhältnis der neuen Gesellschaftsordnung zu geben und sie nicht der ordnungspolitischen Beliebigkeit oder gar der gesellschaftlichen Verzichtbarkeit auszuliefern. Die Kirche sollte im Bewusstsein ihres „Eigenwerts" nicht mit anderen gesellschaftlichen Gruppen verglichen werden können, die ja nur partikulare Interessen vertraten. Die Kirche sollte nicht mehr mit dem subalternen Staatskirchentum vergangener Jahrhunderte, sondern mit ihrem eigenen, ihr eigenen „Jahrhundert" identifiziert werden. Sie sollte dadurch nicht in die Außenseiterrolle einer pluralen und heterogenen Gesellschaft gedrängt werden; ihre Paralysierung oder Ghettoisierung durch eben diese Gesellschaft musste verhindert werden. Zum konstitutiven Merkmal des Kircheseins wurde deshalb das Verhältnis von Staat und Kirche. Die ideelle Differenz zwischen Kirche und Staat stimmt aber nicht mit deren faktischer Kohärenz überein. Zwei „Lebensformen" stehen - voneinander getrennt und doch in unterschiedlicher Abhängigkeit aufein63 Der Trennungsgedanke hatte freilich auch schon in der Vorkriegszeit seine liberal-bürgerlichen Wurzeln und auch seine kirchlichen Befürworter; genauso wie der ehemals „christliche" Staat vor 1918 auch schon durch massive Modernisierungskrisen der Säkularisierung und der gesellschaftlichen Atomisierung hindurchgegeangen war, so dass er nur noch im glorifizierenden Rückblick das Bild eines von allgemein akzeptierten christlichen Überzeugungen bestimmten und geschlossenen Gemeinwesens darbot. Die Kirche war freilich zu wenig auf solche Gedanken und Entwicklungen vorbereitet, so dass die revolutionäre Massierung der entsprechenden Vorschläge und Forderungen sie wie ein „Attentat" treffen musste.
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ander bezogen - einander gegenüber: Der Staat kann nicht ohne Kirche, die Kirche will nicht ohne Staat sein. Staat und Kirche sind nach Dibelius in polarer Zusammengehörigkeit voneinander getrennt und miteinander verbunden, so wie die zwei Schalen einer Waage voneinander getrennt und doch einander zugeordnet sind. Die Aufgabe, die nach Dibelius seit 1918 der Kirche zugewachsen ist und die die Kirche erst zur Kirche hat werden lassen, ist dementsprechend, diese Waage um der Verkündigungsmöglichkeit des Evangeliums willen und um der sittlichen und christlichen Ausrichtung des Volkes willen in der Balance zu halten. Dem Übergewicht staatlicher Macht muss die Kirche das Schwergewicht ihres Offentlichkeitsanspruchs entgegenstellen. Die Kirche bietet dem wert-neutralen und damit religiös wertlosen Staat ihre „christlich" wertvollen und gesellschaftlich verwertbaren Dienste an. Die Existenzberechtigung der Kirche erweist sich in ihrer Lebensnotwendigkeit für den Staat. Die Kirche wird so zu einem quasi-staatlichen Gegenbild, zu einem Gegenmodell des Staates; sie tritt aber auch in eine Analogie zum Staat. Sie legitimiert sich in ihrem Sein durch ihre Ersatz- und Ausgleichsfunktion einer fehlenden oder mangelhaften Ordnungs- und Integrationskraft der Gesellschaft. Was dem Staat wertmindernd abgesprochen wird, kommt der Kirche wertsteigernd zugut. Deshalb ist die Kirche im wohlverstandenen Eigeninteresse des Staates not-wendig. Der neue religionslose Staat hat sich seines seitherigen Fundaments begeben und kann sich deshalb nicht mehr selbst tragen; und da ein sich selbst tragender Staat geradezu unertäglich wäre, muss die Kirche zu einer staatstragenden Kraft werden. Der Staat bedarf der Kirche. Zwar will die Kirche selber nicht Staat machen, aber die Kirche ohne Staat muss nun dem Staat ohne Kirche zu Hilfe kommen. Nur mit der Kirche ist Staat zu machen! Das modernistische Trennungsaxiom hat bei Dibelius freilich zur Folge, dass die Kirche trotz ihres ekklesionomen (Selbst-)Bewusstseins und gerade angesichts ihrer Fixierung auf das Verhältnis zum Staat sich in den wesentlich theologisch und kirchlich zu beantwortenden Fragen (z.B. der Kindertaufe, der religiösen Erziehung innerhalb und außerhalb der Schule, der Kriegsdienstverweigerung, der Staatsloyalität oder der Ökumene) fremdbestimmen lässt. Sie riskiert es, zum Derivat und Surrogat, ja zur Beute des Staates zu werden. 2. Das die Interdependenz von Staat und Kirche miteinschließende Trennungsaxiom wirkt sich bei Dibelius nicht nur auf seinen Kirchenbegriff, sondern auch auf sein Staatsverständnis aus. Der Aufwertung der Kirche im „Jahrhundert der Kirche" entspricht die Abwertung des Staates. „Staat ist Macht"64 - auf diese ab64 In einem Fall kann Dibelius auch sagen: „Der Staat ist Recht und Macht." (Das Vaterland, in: Notgemeinschaft Evangelischer Deutscher, Mitteilungblatt Nr.3 v o m Juli 1966) - Nicht als ob Dibelius gegen den für alle Bürger und Bürgerinnen Recht setzenden und für Gerechtigkeit sorgenden Staat wäre; gemeint ist hier die Verrechtlichung des äußeren Verhaltens und des gesellschaftlichen Lebens, der legalistische und bürokratische Eingriff des Staates als Ersatz für die Geschlossenheit und Verbindlichkeit allgemein anerkannter Uberzeugungen.
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wertende und sinnentleerende Formel reduziert Dibelius alles staatliche Wesen bzw. Unwesen. Dieses ontologische Staatsverständnis gibt kaum einer funktionalen Staatsauffassung Raum. Weil Dibelius mit dieser Reduktionsformel den Staat auf ein eindimensionales und monofunktionales, damit aber dämonisierendes Verständnis festlegt, stellt er den Staat grundsätzlich auf die Seite kirchlicher Negation. So kann er eigentlich nur die weitere Reduzierung der staatlichen Macht, also „weniger Staat" 65 wollen und auf der anderen Seite davon „mehr Kirche" erwarten. Dibelius kann sich kaum vorstellen, dass die recht verstandene Forderung nach „mehr Staat" auch bedeuten könnte, dass der Staat immer mehr von seinen ureigensten und ihm auch von der Kirche nicht abzunehmenden Aufgaben der Gesetzgebung und der Fürsorge Gebrauch macht, nämlich (nach Barmen V) Recht zu schaffen und den Frieden zu fördern. Er kann sich kaum vorstellen, dass in der Erinnerung der Kirche an diese staatlichen Aufgaben auch zugleich ein „Mehr an Kirche" enthalten sein kann, dass nämlich die Kirche schon durch diese Erinnerung in geistlicher Weise politisch wirksam ist. So behaftet die Kirche den Staat nur auf seine Negation, anstatt ihn (und sich selbst) an seine positiven Aufgaben und Funktionen zu erinnern. Dass der Staat in der Kirche auch ein kritisches Gegenüber haben kann und soll, ist unbestritten und gerade bei Dibelius in dem ordnungspolitischen Gegenüber von Staat und Kirche begründet. Die Kirche tritt dem Staat als Bollwerk, d.h. in der Wahrnehmung ihres Wächteramtes und als Hüterin des individuellen Gewissens, gegenüber. Es kommt freilich auf die Grundhaltung dieses Gegenübers an: hat der Staat bei der Kirche mit der Haltung kritischer Sympathie oder der Haltung kritischer Antipathie zu rechnen? Dibelius beantwortet diese Frage im Sinn der letzteren Möglichkeit. Er macht den ekklesiologischen Vorbehalt zum Ausgangspunkt, zur Voraussetzung und zum Leitmotiv seiner Staatstheorie, statt ihn als politisch gebotene Möglichkeit auf dem Fundament einer theologisch gebotenen Staatsloyalität 66 im Auge zu behalten. Dem modernen, nachrevolutionären und säkularen Staat haftet eine nur von der Kirche zu begrenzende Neigung zur Totalität, zur Omnipotenz, zum Dämonischen an. N u r innerhalb dieser grundsätzlichen Verneinung des Staates ist bei Dibelius auch die Bejahung des Staates möglich 67 . Diese Bejahung des Staates ist aber, wie es in der Debatte um die „Obrigkeitsschrift" besonders deutlich hervorgetreten ist, abhängig von Bedingungen, die der Staat nicht nur in der
65 „Weniger Staat!" ist ja auch heute noch eine moderne, zumindest modische Parole, unter der die Parteien gern zu den Wahlen antreten, um sie nach den Wahlen wieder schnell zu vergessen. - Vgl. dazu auch: E. JÜNGEL, Verhältnis, 1986, S.llOf. 66 Bei Dibelius besteht die Gefahr, dass die Kirche dem Staat in (selbst-)bewusster Identifikation des theologisch bzw. kirchlich Gebotenen mit dem politisch Notwendigen gegenübertritt statt in (selbstkritischer Wahrung der Unterscheidung des theologisch bzw. kirchlich Gebotenen und des politisch Notwendigen. 67 Dibelius stellte sich in diesem Sinn hinter die Königsberger Kundgebung von 1927, in der es heißt, dass die Kirche Fürbitte leistet für den Staat und seine Obrigkeit.
Problemskizze
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W a h r n e h m u n g seiner ureigensten Aufgaben, sondern zuallererst zu G u n s t e n der Freiheit der K i r c h e zu erfüllen hat. D i e K i r c h e w i r d sich n a c h Dibelius nicht d a m i t begnügen k ö n n e n , n u r an die „ V e r a n t w o r t u n g d e r R e g i e r e n d e n u n d R e g i e r t e n " z u erinnern
(z.B. auch i m got-
t e s d i e n s t l i c h e n G e b e t 6 8 ) , s o n d e r n sie m a c h t die k i r c h l i c h e A n e r k e n n u n g des Staates b z w . d i e t h e o l o g i s c h g e b o t e n e S t a a t s l o y a l i t ä t d a v o n a b h ä n g i g , dass s i c h d i e d e n S t a a t r e p r ä s e n t i e r e n d e O b r i g k e i t a u c h an i h r e V e r a n t w o r t u n g e r i n n e r n
lässt.
D e r g r u n d s ä t z l i c h e e k k l e s i o l o g i s c h e V o r b e h a l t h a t n a c h D i b e l i u s z u r F o l g e , dass i m V e r h ä l t n i s v o n Staat u n d K i r c h e d e r Status c o n f e s s i o n i s f ü r die K i r c h e n i c h t n u r g e g e b e n sein kann,
s o n d e r n i m m e r s c h o n , d . h . g e n a u e r gesagt: seit 1 9 1 8 ge-
g e b e n ist. S o r u n d e t s i c h das B i l d dieses g e s c h l o s s e n e n S y s t e m s : das V e r h ä l t n i s v o n S t a a t u n d K i r c h e ist das k o n s t i t u t i v e E l e m e n t des „ J a h r h u n d e r t s d e r K i r c h e " . D a s V e r h ä l t n i s z u m Staat w i r d f ü r die K i r c h e z u m M e r k m a l , z u m K r i t e r i u m , z u r H e r ausforderung, z u r L e g i t i m i e r u n g ihres Kircheseins. Alle i n n e r k i r c h l i c h e n
und
t h e o l o g i s c h e n E n t s c h e i d u n g e n 6 9 , ja s o g a r die B i b e l e x e g e s e , h a b e n dieses V e r h ä l t nis als Voraussetzung
m i t z u b e d e n k e n . N i c h t n u r das j e w e i l i g e V e r h a l t e n d e s Staa-
t e s g e g e n ü b e r d e r K i r c h e , s o n d e r n a u c h s c h o n seine n e u z e i t l i c h - n a c h r e v o l u t i o n ä r e E x i s t e n z n i m m t die K i r c h e i n die e t h i s c h - p o l i t i s c h e P f l i c h t u n d v e r s e t z t sie t h e o l o g i s c h in d e n S t a t u s c o n f e s s i o n i s 7 0 .
68 In Barmen V heißt es: Die Kirche „erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten." Die Eigentümlichkeit dieses Satzes besteht darin, daß das Objekt bzw. die Adressaten dieser Erinnerung ungenannt bleiben. Ebenso enthält dieser Satz keine Bestimmung darüber, wo oder wie diese Erinnerung zu geschehen habe. Es ist dadurch ein weites Feld von Möglichkeiten eröffnet, wo oder wie und wem gegenüber die Kirche von Fall zu Fall diese Erinnerung auszusprechen und zu bewähren hat: in unmittelbarer oder mittelbarer Weise, in loyaler Mitarbeit oder in kritischer Verweigerung dieser Mitarbeit, im Einspruch oder im Zuspruch, im vorauseilenden Gehorsam oder im rechtzeitigen Widerstand, im gottesdienstlichen Gebet (und also auch in der Fürbitte!) oder im politischen „Alltag der Welt" (Rom 12,1). Damit ist die berechtigte Kritik an der Endgestalt der Barmer Erklärung, in der die Pflicht der Kirche zur Fürbitte für den Staat gegenüber einem Vorentwurf wieder gestrichen wurde, nicht aufgehoben, aber gemildert (vgl. E. JÜNGEL, Frieden, 1984, S.43). 69 Die Frage nach Krieg und Frieden, die Frage der Kriegsdienstverweigerung, die Frage kirchlicher Rechtssetzung, die Frage nach Schule und Erziehung werden dem das Verhältnis zum Staat mitbedenkenden ekklesiologischen Fundamentalismus untergeordnet. Besonders auffällig hat dies Dibelius in der Frage der Kindertaufe ausgesprochen: „Die Frage der Kindertaufe, wie sie heute umgeht, ist nicht eine Frage an die neutestamentliche Exegese, sondern eine Frage an das Kirchenbewußtsein der Pastoren" (Bischofsbericht auf der Regionalen Synode West am 9. November 1964, vervielfältigtes Manuskript S.6, in: E Z A BERLIN, 6 0 3 / N L Dibelius). 70 „Dieses kirchliche Autonomiebewußtsein ... hat sich in dem 1933 ausgelösten Kirchenstreit als ein bedeutsamer Resistenzfaktor erwiesen, der die deutschchristliche Kirchenpolitik mit ihren sukzessiven Gleichschaltungsbemühungen unter der Reichskirchenparole schon 1934 zur Farce werden ließ" (K. MEIER, Kirchenführer, 1990, S.87f.). Gleichzeitig hat die Barmer Erklärung von 1934 gezeigt, dass das Autonomiebewusstsein des Jahrhunderts der Kirche" allein noch nicht als Bekenntnisgrundlage genügt, weil das Bekenntnis der Kirche nicht nur am Gegenüber von Staat und Kirche auszurichten ist.
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Epilog
3. Dibelius machte mit seiner Botschaft vom .Jahrhundert der Kirche" auf seine Weise den entschlossenen und insofern auch beeindruckenden Versuch, die Gestalt und das Ereignis von Kirche, ihren vorgegebenen menschlich-institutionellen Charakter und ihr aufgegebenes göttlich-unableitbares Charisma, den Wert der Kirche und das Wort des Evangeliums zusammenzudenken. Er war durchdrungen davon, dass die Kirche auch und gerade in der Moderne eine wichtige, ja unverzichtbare gesellschaftliche Funktion hat, dass sie ihr politisches Mandat aber nur ausüben kann, wenn sie sich selber nicht politisieren lässt. Der daraus hergeleitete Offentlichkeitsanspruch der Kirche begründete bei Dibelius jene Wachsamkeit, die auch den institutionellen Selbstschutz und die Bestandssicherung der Kirche gegenüber einem nicht mehr von vornherein kirchenfreundlich eingestellten Staat im Auge hat. Diese Wachsamkeit war einzig und allein darauf gerichtet, dass die Kirche nicht wieder in irgendeiner Form zur „Staatskirche" wird. Gleichzeitig war Dibelius bestrebt, die „Konkordatsfähigkeit" der Kirche gegenüber dem Staat zu erreichen und zu erhalten; so musste beim Neubau der kirchlichen Ordnung in allen geschichtlichen Wendepunkten immer auch auf die Kompatibilität kirchlicher und staatlicher Strukturen und Ordnungsmuster 71 unter gleichzeitiger Wahrung der 1918/19 gewonnenen kirchlichen Eigenständigkeit - geachtet werden. In der Fixierung auf den Staat ist Dibelius als „Kind seiner Zeit" zum „Mann der Kirche" geworden. Wenn Dibelius dabei von diesem einen Gedanken beseelt war, hat er doch der Kirche und ihrer Orientierungs-, Binde- und Integrationskraft viel zugetraut jedenfalls mehr, als es heute üblich zu sein scheint72. Seine am Kirche-Staat-Verhältnis orientierte Konzeption einer umfassenden Ekklesionomie ist aber in ihrer monotonen Einseitigkeit theologisch höchst problematisch. Wenn Dibelius dabei die Kirche als Gegenmodell zum Staat verstand und gerade darin ihre unverwechselbare politisch und gesellschaftlich wirksame und innovatorische Kraft sah, so fordert das „Jahrhundert der Kirche" trotzdem dazu heraus, Kirche unter dem freimachenden Wort des Evangeliums zu leben - einladend, teilnehmend und sich mitteilend - und den Dienst an den Menschen zu tun, ohne sich der Pluralität und Heterogenität unserer „Risikogesellschaft", der „Beschleunigungsgesellschaft" und „Erlebnisgesellschaft" zu entziehen. Kann die Kirche, ohne sich 71 Ein solcher morphologischer Fundamentalismus steht in der Gefahr, den kirchlichen Strukturen einen höheren W e r t beizumessen als den konkreten Lebensbezügen und Lebensvollzügen der Menschen. Die um des Staates willen zu wahrende und die an staatlichen Strukturen orientierte Rechtskontinuität der Kirche droht, zu deren fremdbestimmten Verrechtlichung beizutragen. 72 Dies w a r sein Lebensthema, auch bei seinen vielen Reisen in die Ökumene. Mit dieser Botschaft bestritt Dibelius auch seine Dankadressen anlässlich der zahlreichen Ehren-DoktorVerleihungen - in einer Übersicht werden zwölf Ehrenpromotionen gezählt (vgl. B A KOBLENZ, N L Dibelius, N 1439/1). Hinzu k o m m t zumindest noch eine weitere Ehrenpromotion, nämlich die Verleihung durch das Thiel-College in Greenville (Pennsylvania/USA) am 1 4 . 1 1 . 1 9 6 0 . Seine Rede dort stellte Dibelius unter das Generalthema: „The Global Challenge of the C h u r c h Today" (vgl. The Thielensian v. 1 8 . 1 1 . 1 9 6 0 ; den Hinweis auf diese Fundstelle verdanke ich Mr. Luther J. KUDER aus Greenville).
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der „Tyrannei der Werte" und dem „Terror der Tugend" zu unterwerfen, eine „Gesetzmäßigkeit" des Evangeliums als eine befreiende und der Wahrheit verpflichtete Kraft vermitteln und konkret politische und eindeutig ethische Orientierung geben? Sicherlich stellt sich die Situation und die Aufgabe der Kirche in einer multikulturellen und multinationalen Welt, sowohl im binnenkirchlichen Raum als auch im ökumenischen Horizont, anders dar, als dies Dibelius von seinen Voraussetzungen und Intentionen her wahrnehmen konnte. Trotzdem bleibt das „moderne" Anliegen von Dibelius - auch angesichts seines dem Zeitgeist und seiner Tradition verhafteten Denkens - als eine immer neu zu verantwortende Aufgabe bestehen: der Gesellschaft und der Zeit - in Anlehnung an ein von Immanuel KANT73 gebrauchtes Bild - nicht die Schleppe hinterher, sondern die Fackel voraus zu tragen.
73 Vgl. I. KANT, Streit der Facultäten (PhB. 46 d, S.67); DERS., Zum ewigen Frieden (PhB. 471, S.150).
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
1. Ungedruckte Quellen A. Archivalia: Karl Barth-Archiv in Basel Korrespondenz Karl Barth - Paul Althaus Korrespondenz Karl Barth - Otto Dibelius Korrespondenz Karl Barth - Siegfried Knak Korrespondenz Karl Barth - Heinrich Vogel Materialien zu „Quousque tandem...?" Materialien zu „Die Not der evangelischen Kirche"
Diakonisches Werk der EKD - Berliner Stelle, Archiv Notgemeinschaft der Inneren Mission, betr. Devaheim 1932/33
Evangelisches Zentralarchiv in Berlin (EZA Berlin) 1/A2 1/B3 1/C4 5 7/8ff. 7/690ff. 7/11.065ff. 14/1613ff. 29/ 50/ 51/ 603/ 606/ 611/
Deutscher Evangelischer Kirchenausschuß (DEKA) Kirchenbundesamt Sekretariat des Reichsbischofs Kirchliches Außenamt und Vorgängereinrichtungen Evangelischer Oberkirchenrat (EOK), Präsidialia Evangelischer Oberkirchenrat (EOK), Generalia Evangelischer Oberkirchenrat, Provinz Berlin-Brandenburg Konsistorium Berlin-Brandenburg Superintendentur Kölln-Land I Archiv für die Geschichte des Kirchenkampfes Ökumenisches Archiv Nachlaß Otto Dibelius (NL Dibelius) Nachlaß Martin Fischer (NL Fischer) Nachlaß Klara Hunsche (NL Hunsche)
Landesarchiv Berlin 4/133 - 1/1 O M G B S DirOff
Office of Military Government Berlin Sector (US), Director's Office
Landeskirchliches Archiv Bielefeld (LKA Bielefeld) 5 / N r . l , Bd.94ff.
Sammlung Wilhelm Niemöller
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Quellen- und Literaturverzeichnis
5/Nr.l, Bd.326 5/Nr.l, Bd.857ff.
Fasc.2: Denkschrift über die Auswirkungen ... Sammlung Westfälischer Bruderrat (Lücking)
Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn (AA Bonn) Kult. Pol. VI Α
Evangelische Angelegenheiten 1912-1934
Zentralarchiv der Evang. Kirche in Hessen und Nassau in Darmstadt (ZEKiHN) 35/78
Denkschrift evangelischer Heerespfarrer
Deutsches Rundfunkarchiv in Frankfurt (DRA Frankfurt) 901 263 901 584 63 U 3018/20
Otto Dibelius zum Militärseelsorgevertrag der EKD mit der BRD (SFB, 12.3.1957) Bischof Dibelius zum 10. Jahrestag der Kapitulation (SFB, 5.5.1955) Otto Grotewohls Auseinandersetzung mit Bischof Dibelius (DRA, 21.7.1950)
Bundesarchiv Koblenz - Militärarchiv in Freiburg RH 15/262
Vorgänge betr. Denkschrift evangelischer Militärgeistlicher
Universitätsarchiv Theol 09
Gießen
Korrespondenz Otto Dibelius
Landsarkivet Göteborg A 220 - Per Pehrssons arkiv,
Korrespondenz Pehrsson - Dibelius Bd.4: Dibelius, Otto 19201921 (A 220 Per Pehrssons arkiv vol.4: Dibelius, Otto 1920-21)
Landeskirchliches Archiv in Hannover (LKA Hannover) S 1, Η Π,270
Denkschrift evangelischer Heerespfarrer
Bundesarchiv Koblenz (BA Koblenz) R 43 - Reichskanzlei R 18 - Reichsinnenministerium (vormals Geh. Staatsarchiv, Rep.320) Nachlaß Otto Dibelius (NL Dibelius, N 1439) Nachlaß Theodor Heuss (NL Heuss) Nachlaß Hermann Pünder (NL Pünder) Nachlaß Erich Seeberg (NL E. Seeberg) Nachlaß Reinhold Seeberg (NL R. Seeberg) Nachlaß Eduard Spranger (NL Spranger)
Ungedruckte Quellen
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Nachlaß Gottfried Traub (NL Traub) Nachlaß Hermann Ullmann (NL Ulimann)
Deutsches Literatur-Archiv in Marbach (DLA Marbach) Nachlaß Rudolf Alexander Schröder (NL Schröder)
Landeskirchliches Archiv Oldenburg (LKA Oldenburg) Präs. BekSyn Ш
Archiv der Bekenntnissynode Oldenburg
Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück (StA Osnabrück) Erw. С 1, Nr.97
Korrespondenz zwischen Evang. Landesausschuß der D N V P
Reichsausschuß
Bundesarchiv Koblenz, Außenstelle Potsdam Nachlaß Reinhard Mumm (NL Mumm) Nachlaß Friedrich Naumann (NL Naumann)
Landeskirchliches Archiv Stuttgart (LKA Stuttgart) D 1 Nachlaß Theophil Wurm (NL Wurm) D 1 / 151,1 Handakte Dr. H. Ostmann
Universitätsarchiv Tübingen Nachlaß Rudolf Bultmann (NL Bultmann)
Universitetsbiblioteket Uppsala Briefsammlung Nathan Söderblom
B. Privatsammlungen: Sammlung Elfriede Gerstein, Eschwege Sammlung Johanna Grüneisen geb. Dibelius, Berlin Sammlung Albrecht Kapler, Berlin Sammlung Ruprecht, Göttingen Sammlung Kurt Scharf, Berlin Sammlung Jürgen W. Winterhager, Berlin Sammlung Wolf-Dieter Zimmermann, Berlin
und
Evang.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
C. Auskünfte und Informationen: Präses Prof. Dr. Joachim Beckmann, Haan Prof. Dr. Eberhard Bethge, Wachtberg-Villiprott Pfarrer Hans Otto Dibelius, Bergisch Gladbach Propst Dr. Wilhelm Dittmann, Berlin Prof. Dr. Martin Fischer, Berlin Pfarrer Dr. Egon Franz, Berlin Elfriede Gerstein, Eschwege Prof. Dr. Helmut Gollwitzer, Berlin Johanna Grüneisen geb. Dibelius, Berlin Pfarrer Albrecht Kapler, Berlin Präsident Peter Kraske, Berlin Prof. Dr. Karl Kupisch, Berlin Kirchenpräsident D. Martin Niemöller, Wiesbaden Pfarrer Gerhard Noske, Berlin Oberkirchenrat Dr. Hans Ostmann, Stuttgart Pfarrer Wilhelm Pressel, Tübingen Bischof D. Kurt Scharf, Berlin Prof. Dr. Wolfgang Schweitzer, Dachsberg Prof. Dr. Robert Stupperich, Münster Generalsekretär D. Willem A. Visser't Hooft, Genf Prof. D. Heinrich Vogel, Berlin Prof. Dr. Jürgen W. Winterhager, Berlin Pfarrer Wolf-Dieter Zimmermann, Berlin
Veröffentlichte Quellen und Darstellungen
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Otto Dibelius - Bibliographie
Zukunft als Nation? (S.3-13) 2. Hat das Evangelium in Deutschland noch eine Zukunft? (S.14-25) 3. Und die Volkskirche? (S.26-38).+ 22. Zum Rhein- und Ruhrtag der deutschen evangelischen Kirchen am 11.-12. August 1923 (als Handschrift gedruckt). 16 S. 23.Rundbriefe an die Pfarrer der Kurmark und Ansprachen an die Gemeinden und die Mitglieder der kirchlichen Körperschaften der Kurmark (von 1.2.1925 bis 20.5.1933).+ 24. Staat und Kirche, Frankfurt 1925. 24 S. - Deutsche Politik. Ein völkisches Handbuch, bearbeitet von Angehörigen des KyffhäuserVerbandes der Vereine Deutscher Studenten und herausgegeben in seinem Auftrage durch W. Berensmann, W. Stahlberg und Fr. Koepp. Frankfurt 1926, Lfg.12, Teil 11. 24 S. 25. Erinnerungen an Gastein und Meran. Leipzig 1926. 20 S. 26. Rettet den Sonntag! (Zweiseitiges) Flugblatt von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius. Abgedruckt auch in: BES, Nr.32 v. 8.8.1926.* 27. Das Jahrhundert der Kirche. Geschichte, Betrachtung, Umschau und Ziele. Berlin 1926. 258 S. - 1. Auflage (Dez. 1926, Geleitwort vom Reformationsfest 1926) - 2. Auflage (Jan. 1927) 3. Auflage (April 1927) - 4. Auflage (Okt. 1927) - 5. Auflage (Ostern 1928, mit neuem Geleitwort) - 6. Unveränderte Auflage 1928. + 28. U m das Vätererbe (In alle Wahrheit, Heft 1). Berlin 1927. 15 S. 29. Kirche und Völkerbund. Berlin-Steglitz 1927. 34 S. 30. Nachspiel. Eine Aussprache mit den Freunden und Kritikern des „Jahrhunderts der Kirche". Berlin 1928. 113 S. 31. Friede auf Erden? Frage, Erwägungen, Antwort. Berlin 1930. 247 S. - 3. Unveränderte Auflage 1933.+ 32. Die Verantwortung der Kirche. Eine Antwort an Karl Barth. Berlin o.J. (1931). 32 S. 33. Die evangelische Kirche (Velhagen und Klasings Deutsche Ausgaben 257). Bielefeld 1931. 34. Gottlosenpropaganda und Christentum. Rundfunk-Vortrag, auf Ersuchen der Deutschen Welle gehalten von D. Dr. Otto Dibelius (2-seitiges Flugblatt vom Januar 1932).* - Wiederabdruck: Gottlosenpropaganda und Christentum. Aus einem Rundfunkvortrag von D. Dr. Otto Dibelius. In: EvBerl. 1932, Nr.4, S.30f. 35. Was erwartet die Kirche von der jungen Theologen-Generation? Vortrag. Berlin o.J. (1932). 31 S. (1. Die Uberfüllung des Studiums 2. Die Lage der Kirche 3. Innere Berufung 4. Bereitschaft zum Martyrium 5. Das Ja zur Kirche 6. Entschlossene Einseitigkeit). + 36. Das Wiedererwachen des Glaubens in der Gegenwart. Vortrag in der Lessing-Hochschule Berlin. Berlin-Charlottenburg 1933. 43 S. 37. Offener Brief an Staatskommissar Jäger vom 27.6.1933 (Flugblatt). Ein Brief des Herrn Generalsuperintendenten D. Dr. Dibelius an Herrn Landgerichtsdirektor Jäger. - Wiederabdruck in: J K 1, Nr.2 v. 30.6.1933, S.17.+ 38. Heimkehr zum Wort. Ein Andachtsbuch aus der Bekennenden Kirche. Göttingen 1934. 320 S. - 2. unveränderte Auflage 1935. 39. Offener Brief: Herrn Vizepräsident Dr. Kinder, Reichsleiter der Deutschen Christen (Flugblatt der Jungen Kirche v. 24.9.1934, 2 Bl.). - Offene Antwort. Herrn Vizepräsident Dr. Kinder, Reichsleiter der Deutschen Christen. In: J K 2,1934, S.802-806. - Herrn Vizepräsident Dr. Kinder, Reichsleiter der Deutschen Christen. In: Posener Evangelisches Kirchenblatt 13, 1934/35, S.24-27.+ 40. U m Kirche und Nation. Aus Schriften und Reden von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius. Zusammengestellt von Günther Harder und als Manuskript gedruckt. Berlin o.J. (1935). 31 S. - 1. Um die Nation 2. Krieg und Frieden 3. Im neuen Reich 4. Aus dem Bericht über das kirchliche Leben der Kurmark vom Kirchentag 1933 am 28. Mai. 41.Die Germanisierung des Christentums. Eine Tragödie (Christus und die Deutschen, Heft 1). Berlin, 1.-5. Auflage 1934, 61 S. - 6. u. 7. Auflage 1935. 42. Die echte Germanisierung der Kirche (Christus und die Deutschen, Heft 2). Berlin, 1.-5. Auflage 1935. 51 S. 43. Der Kampf der Kirche als geschichtliche Tat (Christus und die Deutschen, Heft 3). Berlin, 1.-10. Auflage 1935. 80 S.
Eigenständige Veröffentlichungen
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44. Die große Wendung im Kirchenkampf (Christus und die Deutschen, Heft 4). Berlin, 1.-6. Auflage 1935. 61 S. 45.Die Staatskirche ist da! Ein Wort zur gegenwärtigen kirchlichen Lage (anonym). Hg. von Martin Niemöller im Januar 1936. Wuppertal/Barmen 1936. 8 S. 46.Ludwig Müller verdeutscht die Bergpredigt (anonym). Sonderdruck hg. v. Kurt Scharf. o.O.u.J. (1936).* 47. Die Kraft der Deutschen, in Gegensätzen zu leben (Christus und die Deutschen, Heft 5). Berlin, 1.-5. Auflage 1936. 83 S. 48. Der Galiläer siegt doch! (Christus und die Deutschen, Heft 6). Berlin 1936. 79 S. 49. Junge Kirche. Vortrag am 29. Oktober 1936 in der Lukaskirche zu Berlin-Steglitz gehalten. Berlin-Steglitz 1936. 12 S. 50. Die neue „Entdeckung" des Hauses Ludendorff. Flugblatt N r . l der .Reformation' (Deutsche evang. Kirchenzeitung für die Gemeinde). Göttingen o.J. (1936/37), 2 Bl. 51. Offener Brief an Herrn Reichsminister Kerrl. Berlin (Ende Februar 1937). - Offener Brief des Generalsuperintendenten D. Dr. Dibelius an den Herrn Reichsminister Kerrl. In: Zur Kirchenwahl! Was jeder wissen muß! (hg. vom Bruderrat der Bekennenden Kirche Berlins). o.O.u.J. (1937).* 52. Wir rufen Deutschland zu Gott (mit Predigtauszügen von Martin Niemöller). Berlin 1937. 111 S . + 53. Drei Randbemerkungen zu einem Kapitel Rosenberg. Berlin 1937. 7 S. 54. Bericht von Jesus von Nazareth. Tatsachen von gestern und heute (Die Bücher des neuen Lebens. 1). Berlin 1938, I I I S . - 8. Auflage 1952. 109 S. - 11. Auflage 1961.+ - Jezus egyker, es most. Magyarra ford.: Szabo Lajos. Györ 1940. 88 S. (Ungarische Ubersetzung). 55. Die werdende Kirche. Eine Einführung in die Apostelgeschichte (Die urchristliche Botschaft. 5). Berlin 1938. 334 S. - 6. Auflage Hamburg 1962. 336 S. 56. Was heißt: Glauben? (Klares Ziel, Heft 2). Brandenburg o.J. (1938). 11 S. + 57. Die Jünger. Ein Bericht von der Nachfolge damals und heute (Die Bücher des Lebens. 7). Berlin 1939. 117 S. - 18.-21. Tsd. Hamburg 1953. 109 S. - Lärjungarna da och nu. Stockholm 1963 (Schwedische Übersetzung). 58. Die Kirche im Haus. Gütersloh 1940. 24 S. 59. Kirchbüchlein. Eine Ordnung des kirchlichen Lebens für Gemeinden der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union. In Gemeinschaft mit anderen hg. von Otto Dibelius und Oskar Hammelsbeck im Januar 1941. Gütersloh o.J. (1941). 31 S . + 60.Bericht von der Kirche (Die Bücher des neuen Lebens. 11). Berlin 1941. 118 S. 61. Vom Erbe der Väter. Berlin 1941. 144 S. - 3. Auflage 1950 - Neubearbeitete Auflage: Stuttgart 1961. 217 S. 62. Was heißt Religionsunterricht im Auftrag der Kirche? Von Generalsuperintendent D. Dibelius, Evangelischer Bischof von Berlin. Luckau N.-L., Juni 1945. 12 S. 63. Volk, Staat und Wirtschaft aus christlichem Verantwortungsbewußtsein. Ein Wort der Kirche. Berlin 1947. 46 S. - Die tragende Mitte. Gottesdienstliche Rede, gehalten auf dem Kirchentag der Evangelischen Kirche Berlins am 27. April 1947. Tübingen 1948. 23 S. 64. Ruf zum Gebet. Berlin 1947. 39 S. 65. Ehe und Familie. Berlin 1947. 22 S. 66. Kirchbüchlein (nach Vorarbeiten der Bekennenden Kirche hg. von Otto Dibelius). Berlin 1948. 47 S. - Neuauflage der Ausgabe von 1941 (s. Nr.59) hg. von Otto Dibelius und Oskar Hammelsbeck. Gütersloh 1947. 31 S. 67. Grenzen des Staates. Berlin 1949, 118 S. - 3. Unveränderte Auflage 1949. - Grenzen des Staates. Tübingen 1949. 121 S. - Statsmagtens graenser. Overs, af Thyra Feil, med forord af Viggo Starcke. Kopenhagen 1950 (Dänische Ubersetzung). - Statens räckvidd. Förord av Alf Ahlberg. Overs. Av A. Byttner. Lund 1952 (Schwedische Ubersetzung). 68. Vom ewigen Recht. Berlin 1950. 34 S. (englische Übersetzung 1958).
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Otto Dibelius - Bibliographie
69. Die Bedeutung der Diaspora für Kirche und Volk. Vortrag auf dem Gustav-Adolf-Fest 1951 in München (Aus der Werkstatt der Diaspora, Heft 3). Kassel 1952. 70. Our new understanding of Christian Social Witness. Sermon Preached by the Bishop of Berlin at the Annual Service of the Industrial Christian Fellowship at St. Peter's, 19. November 1952, London 1952. 8 S. 71. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen. Bericht vor der Berlin-Brandenburgischen Provinzialsynode. Berlin 1954. 24 S. 72. Eine Tür hat sich aufgetan. Vorträge der Geistlichen Woche in St. Katharinen. Hamburg 1956. 71 S. 73. Fortsetzung des ersten schriftlichen Meinungsaustausches zwischen dem Präsidenten der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, Herrn Dr.h.c. Dieckmann, und Herrn Bischof D. Dr. Dibelius über die allgemeine Wehrpflicht und über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, hg. von der Nationalen Front des demokratischen Deutschland. o.O.u.J. (1956).* 74. Zwei Anliegen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bericht, erstattet auf der Synode der E K D am 26. April 1958 in Berlin-Wießensee. o.O.u.J. (1958). 24 S. 75. Dankwort anläßlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin. Berlin 1958. Privatdruck. 76. Report to the Evangelical Church in Germany. New York 1958. 17 S. 77. Die Liturgie der mündigen Gemeinde. Eine Rede. Berlin 1959. 35 S. 78. Obrigkeit? Eine Frage an den 60-jährigen Landesbischof (Hanns Lilje). Berlin 1959. Privatdruck. - Wiederabdruck in: Stimme der Gemeinde, Heft 20/1959. - Wiederabdruck in: Dokumente zur Frage der Obrigkeit, 1960, S.21-31a. 79. Ein Rundfunkgespräch zwischen Bischof D. Otto Dibelius, Landesbischof D. Hanns Lilje und Professor Dr. U. Scheuner. Leitung: A. Bernd (RIAS Berlin, 27.10.1959). Berlin 1959. - Wiederabdruck in: Dokumente zur Frage der Obrigkeit. 1960, S.18-20. 80. Drei Interviews. Berlin 1959. Privatdruck. - Wiederabdruck in: Dokumente zur Frage der Obrigkeit. 1960, S.18-20. 81. Die Verantwortung der christlichen Kirche in Europa. Eröffnungsvortrag der Europa-Konferenz christlicher Kirchen in Nyborg-Strand (Dänemark) am 6.1.1959. Berlin 1959. Privatdruck. 82.Neujahrsansprache im Rundfunk (RIAS Berlin). Berlin 1960. Privatdruck. 83. Reden an eine gespaltene Stadt. Gehalten vom 28. August bis 1. September 1961. Stuttgart 1961. 69 S. 84. Ein Christ ist immer im Dienst. Erlebnisse und Erfahrungen in einer Zeitenwende. Stuttgart 1961. 332 S. - Vorabdruck des 1. Kapitels unter dem Titel: Otto Dibelius, Berufung (1960). - I kamp for evangeliet. Overs. Av Gunnar Hartberg. Oslo 1962 (Norwegische Ubersetzung). - In the Service of the Lord. The Autobiography of Otto Dibelius. Translated by Mary Ilford. New York 1964, 280 S. (Englische Ubersetzung). 85. U m die Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bericht, erstattet der Synode der E K D am 13. Februar 1961 in Berlin-Spandau. Berlin 1961. 23 S. 86. Bericht der Zeugen. Die vier Evangelien in der revidierten Übersetzung Martin Luthers mit Anmerkungen (von Otto Dibelius). Stuttgart 1961. 425 S. 87. Der Auftrag der Kirche in einer veränderten Welt (Goldene Worte Bücherei. 27). Stuttgart 1962. 37 S. 88. Was studiert ihr eigentlich? Ein freundschaftliches Wort an unsere Theologiestudenten. Berlin 1962. 55 S. 89. Obrigkeit. Stuttgart / Berlin 1963. 142 S. 90. Unsere Kirche dankt. Berlin 1963. 8 S. 91. Christus und die Christen. Antwort auf einen Vortrag von Rudolf Augstein. Beilage zum BS Die Kirche 20, 1965, vom 4.4.1965 - Nachdruck: Berlin 1965. 31 S.
Eigenständige Veröffentlichungen
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92. Abschiedswort. Berlin 1966. Privatdruck. - Wiederabdruck in: Amt und Gemeinde 18, Wien 1967, Folge 2. 93. Reden - Briefe. 1933-1967. Hg. von J. W. Winterhager. Zürich / Stuttgart 1970. 94. So habe ich's erlebt. Selbstzeugnisse. Hg. von W. Dittmann. Zusammengestellt u. kommentiert von W.-D. Zimmermann. Vorwort von K. Scharf und M. Kruse. Berlin 1980. 368 S.
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Otto Dibelius - Bibliographie
2. Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen;
Geleitworte
1. Studentenschaft und Volksbildung. In: Comenius-Blätter für Volkserziehung 10, 1902, S.144-149. 2. Luthers Geburtstag. In: TR 1905, Nr.264, S.1055f.* 3. Art: „Reden, Friederike, Gräfin von" (1774-1854). In: RE 3 16, 1905, S.515f. 4. Studien zur Geschichte der Valentinianer. In: ZNW 9, 1908, S.230-247 u. S.329-340 (Lic.Diss. Berlin 1906). 5. Art. „Freikirchen, Schottische". In: RGG 2, 1910, Sp.1039-1041.* 6. Art. „Das Englische Schottische Kirchenlied". In: RGG 3, 1912, Sp.1322-1326.* 7. Von Bornholms Kirchen. In: Rbo. v. 27.7.1913.* 8. Art. „Schottland". In: RGG 5, 1913, Sp.374-383.+ 9. Die Befreiung von England. In: Der evangelische Kirchenvorstand, 1914/15, Nr.4, S.55-58.* 10. Die Stunde der Erfüllung. Ansprache auf dem Vaterländischen Abend des V.D.St. Berlin am 22. Januar 1915 in der Philharmonie. In: AkBl. Nr.22 v. 16.2.1915, S.385f.* 11. Deutsche Weihnacht. In: AkBl. Nr.18 v. 16.12.1915, S.310f.* 12. Die Kirchen Schottlands und der Krieg. In: DE 7, 1916 (August), S.356-364.* 13. Die Durchführung des Gemeindegedankens in großstädtischen Gemeinden. Bedenken und Entgegnungen von Johannes Eger, Otto Großmann, Waldemar Macholz, Otto Dibelius und Martin Schian. Hg. von A. Stock (Hefte des deutschen evangelischen Gemeindetages Nr.7). Leipzig 1917. 24 S. Darin: II. Entgegnungen. 1. Von Pfarrer Lie. Dr. Otto Dibelius, BerlinSchöneberg, S.15-18. 14. Meine Last ist abgelegt. Gedichte und Gedanken von Franz Dibelius, gefallen am 19. August 1916 bei Thiaumont. Stuttgart 1917. Darin: Geleitwort. 15. Weihnachten 1917. In: AkBl. Nr.17/18 v. 16.12.1917, S.162f.* 16. Der Prophet Arnos. - Rezension von: Hans Schmidt, Der Prophet Arnos. Sechs Vorlesungen an einem Kriegshochschulkursus. 1917. In: AkBl. Nr.4/5 v. 1.8.1918, S.29f.* 17. Mitteilungen aus der Arbeit der dem evang. Oberkirchenrat und dem Generalsynodalvorstand beigeordneten Vertrauensmänner der Evangelischen Landeskirche, hg. von ihrem Geschäftsführer, Pfarrer Lie. Dr. Dibelius. Darin namentlich gekennzeichnete Artikel: Nr. 1 v. 17.12.1918 (Zum Geleit), Nr.2 v. 23.12.1918 (Für die christliche Schule!), Nr.3 v. 30.12.1918 („Volkskirchenräte"; Der erste Sieg!), Nr.4 v. 8.1.1919 (Vor der Entscheidung). + 18. Mitteilungen aus der Arbeit der dem evang. Oberkirchenrat und dem Generalsynodalvorstand beigeordneten Vertrauensmänner der Evangelischen Landeskirche. Im Auftrag des Werbeausschusses hg. vom Geschäftsführer, Pfarrer Lie. Dr. Dibelius. Darin: Nr.5 v. 20.1.1919, Nr.6 v. 1.2.1919, Nr.7 v. 25.2.1919, Nr.8 v. 12.3.1919 (Werbearbeit), Nr.9 v. 25.4.1919, Nr. 10 v. 15.5.1919, N r . l l v. 20.6.1919, Nr.12 v. 15.9.1919 (in den Nummern 5 bis 12 hat Dibelius, mit der Ausnahme in Nr.8, keine Artikel mehr mit dem eigenen Namen gezeichnet). 19. Für die Volkskirche. In: AkBl. Nr.1/2 v. 1.4.1919, S.5f.* 20. Volkskirchenräte, Volkskirchenbund, Volkskirchendienst. In: Fr. Thimme u. E. Rolffs (Hg.), Revolution und Kirche. Zur Neuordnung des Kirchenwesens im deutschen Volksstaat. Berlin 1919, S.201-213. 21. Die preußische Generalsynode und die kirchlichen Verfassungsfragen. In: Schlesische Zeitung v. 11.10.1919.* 22. Die Verleihung der kirchenregimentlichen Amter. In: Rbo. v. 14.10.1919. 23. Die Kirche und der heutige Staat. In: TR v. 28.10.1919.* 24. Deutsch-Evangelisch in Polen. In: Der Tag v. 14.11.1919.* 25. Der Dresdener Kirchentag und die Schulfrage. In: TR v. 16.11.1919.* 26. Um die Generalsynode. In: Rbo. v. 30.11.1919.* 27. Internationale christliche Verständigung. In: TR v. 15.1.1920.* 28. Die Wahlen zu den Elternbeiräten. In: TR v. 9.3.1920.* 29. Sine ira et studio. In: Die Post. 50.Jg., v. 10.4.1920.*
Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen
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30. Wochenschau. In: BES, wöchentlich ab 1920 bis zum 25.6.1933, danach anonyme Artikel innerhalb des .Evangelisch-Kirchlichen Anzeigers' bis 1941. + 31. Die außerordentliche Tagung der 7. Preußischen Generalsynode v o m 10.-24. April 1920. Hg. von Otto Dibelius. Berlin 1920. 79 S. Darin: Verlauf u. Bedeutung der Tagung (S.3-12). 32. Die Lage der evangelisch-unierten Kirche in Polen. In: T R v. 17.11.1920.* 33. Die evangelische Erziehungsschule. Ideal und Praxis. In Verbindung mit Peter Adams und Hans Richert hg. von O t t o Dibelius. Hamburg o.J. (1920/21). Darin: Zum Geleit (S.5-11); Das neue Ideal (S.12-31); Evangelische Schulgemeinden (S.32-37); Erziehender Unterricht (S.53-62); Kirche und Schule (S.77-96). 34. Die N o t der Evangelischen in Polen. In: D A Z v. 15.2.1921.* 35. Kirchliche Umschau (monatliche Artikel von April bis November 1921). In: Konservative Monatsschrift 78, 1920/21, S.444-449, S.509-514, S.634-643, S.699-704, S.762-767; 79, 1921/22, S.153-157.* 36. Ein ungeteiltes Schlesien! In: T R v. 2.4.1921.* 37. Deutsch-evangelisch in Amerika. In: Daheim 57/58, 1921, Nr.11/12, S.3.* 38. Bei der evangelischen Synode von Nordamerika. In: EvDia 3, 1921/22, Heft 21, S. 130-142. 39. Die Verfassung der preußischen Landeskirche. In: Deutsche Tageszeitung v. 18.3.1922.* 40. Die Verfassung der preußischen Landeskirche. In: Der deutsche Führer 1, 1922, S.349-352 und S.387-389. 41. Die evangelische Kirche und der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (I. Von Recht und Pflicht der Kirche). In: Rbo. v. 4.10.1922.* 42. Die evangelische Kirche und der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (Π. Sonderstellung der Bekenntnisschule?). In: Rbo. v. 6.10.1922.* 43. Die evangelische Kirche und der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (Ш. Produktive Garantien). In: Rbo. v. 10.10.1922.* 44. Die evangelische Kirche und der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (IV. Die Praxis). In: Rbo. v. 12.10.1922.* 45. Die N o t der evangelischen Kirche am Rhein u. an der Ruhr. In: Eiche 11, 1923, S.134-140.* 46. Wird die Kirche endlich das erlösende Wort sprechen? In: Deutsche Lehrer-Zeitung v. 17.3.1923.* 47. Das Martyrium der evangelischen Kirche in Polen. In: Daheim 59, 1923, Nr.21/22, S.12.* 48. Die Auszahlung der Pfarrgehälter. In: Rbo. v. 9.6.1923 * 49. Evangelische Lebensform. In: Eckart 1, 1924/25, 7.Heft, S. 177-179.* 50. Staatsgrenzen sind nicht Kirchengrenzen! Befremdliches aus dem Memelland. In: EvDt 1, Nr.4, April 1924.* 51. Entgegnung auf einen Artikel von Hans Schlemmer, 1. Vors. des Reichsbundes für Religionsunterricht und religiöse Erziehung. In: ChW 38, 1924, Sp.629.* 52. D . Reinhard Moeller. In: EvDt 2, Nr.6 v. 8.2.1925.* 53. Der Pfarrer O t t o Dibelius schreibt an die Gemeinde Zum Heilsbronnen (Auswahl von Artikeln im Gemeindeblatt der Kirche Zum Heilsbronnen, Oktober 1915 bis Dezember 1923). In: O t t o Dibelius im Heilsbronnen, 1915-1925, Privatdruck, o.O.u.J. (1960).+ 54. Das Ausland zum Raub des Paulinums. In: EvDt 2, Nr.15 v. 12.4.1925.* 55. Eine Geschichte evangelischen Lebens in Nord-Amerika. In: EvDia 7, 1925, S.129-131.* 56. Bursche. Polnisch-evangelischer Kongreß in Posen. In: Magdeburgische Zeitung v. 1.11.1925.* 57. Bilder aus England (I.). In: D A Z v. 4.11.1925.* 58. Bilder aus England (П.). In: D A Z v. 11.11.1925.* 59. Bilder aus England (HL). In: D A Z v. 12.11.1925.* 60. Die Kirche von England (1. Die Kirche und ihre Verfassung). In: EvDt 2, Nr.50 v. 13.12.1925.* 61. Alte und neue Zeit in der Kirche. In: EvDt 2, Nr.51 v. 20.12.1925. - Was für eine Kirche wollen wir? In: Licht und Leben 38, 1926, S.773f. - Auszug in: KJ 63, 1926, S.539-541.* 62. Zum Geleit (zusammen mit Julius Waßner). In: EvPäd 1, 1926, S . l - 3 . * 63. Die Kirche von England (2. Das gottesdienstliche Leben). In: EvDt 3, Nr.4 v. 24.1.1926.*
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Otto Dibelius - Bibliographie
64. Die Kirche von England (3. Die Geistlichen und ihre Ausbildung). In: EvDt 3, Nr.8 v. 21.2.1926.* 65. Kirchliche Minderheitspolitik in Oberschlesien. In: Der Tag v. 28.2.1926.* 66. Das Schicbai des deutschen Menschen. In: BES, Nr.9 v. 28.2.1926.* 67. Die Kirche von England (4. Aus der kirchlichen Arbeit). In: EvDt 3, N r . l l v. 14.3.1926.* 68. Das kirchliche und religiöse Leben in England und Schottland. In: G. Schenkel (Hg.), Der Protestantismus der Gegenwart. Stuttgart 1926, S.178-205. 69. „Fürstenabfindung". In: Rbo. v. 30.3.1926 (vgl. Wochenschau v. 21.2.1926).* 70. Der Generalsuperintendent der Kurmark zur Fürstenenteignung. In: Sonntagsgruß. Evang. Gemeindeblatt für das Rheinland, 1926, Nr.22, S.315 (Auszug aus: Wochenschau v. 9.5.1926).* 71. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.14 v. 18.7.1926.* 72. Unsere abgetrennten Brüder (Die evangelische Kirche in den abgetretenen Gebieten; Posen und Westpreußen). In: BES, Nr.31 v. 31.7.1926.* 73. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.17 v. 29.8.1926.* 74. Die englischen Bischöfe und der Bergarbeiterstreik. In: Der Tag v. 1.9.1926.* 75. Theologie und Nationalismus. In: DAZ v. 5.9.1926.* 76. Unsere abgetrennten Brüder (Die evangelische Kirche in den abgetretenen Gebieten; Oberschlesien). In: BES, Nr.36 v. 5.9.1926.* 77. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.19 v. 26.9.1926.* 78. Kirche und Völkerbund. In: EvDt 3, 1926, Nr.39 v. 26.9.1926. 79. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.21 v. 24.10.1926.* 80. England und die Schuldfrage. In: DAZ v. 6.11.1926.* 81. Die Weltaufgabe der christlichen Kirche. In: Der Tag v. 7.11.1926.* 82. Warum Kirche? In: EvDt 3, Nr.45 v. 7.11.1926.* 83. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.23 v. 21.11.1926.* 84. Sonntagsspiegel. In: Der Tag, wöchentlich ab 28.11.1926 bis 25.6.1933.+ 85. Der Zusammenschluß des Protestantismus in Polen. In: DAZ v. 30.11.1926.* 86. Antwort an Prof. D. Edmund Bursche in Warschau. In: ChW 40, 1926, Sp.ll77-1180.+ 87. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.25 v. 19.12.1926.* 88. Das kirchliche Leben der Mark im Jahre 1926. In: EvMark, Nr.l v. 2.1.1927* 89. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.3 v. 30.1.1927.* 90. Ehescheidung. In: Der Tag v. 1.2.1927.* 91. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.5 v. 27.2.1927.* 92. Bischof. In: Rbo. v. 10.4.1927.* 93. Art. „Chalmers, Thomas" (1780-1847). In: RGG 2 1, 1927, Sp.l480f. 94. Und noch einmal: Das Jahrhundert der Kirche. In: RKZ 77, Nr.16 v. 17.4.1927.* 95. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.9 v. 24.4.1927.* 96. Kirche und Staat, Kirche und Volk, Kirche und Verwaltung. Rede von D. Dibelius am 25. April auf der Generalsynode (I.). In: Rbo. v. 27.4.1927.* 97. Kirche und Staat, Kirche und Volk, Kirche und Verwaltung. Rede von D. Dibelius am 25. April auf der Generalsynode (П.). In: Rbo. v. 28.4.1927.* 98. Ein neuer Weg. In: EvDt 4, Nr.18 v. 30.4.1927, S.137f.* 99. Kirchentag. In: EvMark, N r . l l v. 22.5.1927.* 100. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.13 v. 19.6.1927.* 101. Aufgaben der evangelischen Kirche. In: Deutsche Monatshefte 3, 1927, S.447-450.* 102. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. In: EvMark, Nr.16 v. 31.7.1927.* 103. Das Konzil von Lausanne. In: Der Tag v. 28.8.1927.* 104. Das Einigungswerk der Kirchen. In: EvDt 4, 1927, Nr.36 v. 4.9.1927, S.285.+ 105. Die Provinzialsynode. In: EvMark, Nr.19 v. 11.9.1927.* 106. Zerschlagung des Schulwesens? In: EvDt 4, Nr.42 v. 16.10.1927, S.333f.* 107. Aus dem kirchlichen Leben der Mark. Die Brandenburgische Provinzialsynode. In: EvMark, Nr.22 v. 23.10.1927.* 108. Antwort auf den offenen Brief von Oberstudiendirektor Dr. Hartmann. In: Der Tag v. 27.10.1927.*
Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 122. 123. 124.
125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135.
136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144.
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Die Zukunftsaufgabe der Reformationskirchen. In: Der Tag v. 30.10.1927.* Vom deutschen Requiem. In: Der Tag v. 20.11.1927.* Die evangelischen Domkapitel. In: D A Z v. 4.12.1927.* Neujahrsspiegel. In: Der Tag v. 1.1.1928.* Das kirchliche Leben der Mark im Jahre 1927. In: EvMark, N r . l v. 1.1.1928.* Die Märkische Zeitung und die evangelische Kirche. In: EvMark, Nr.2 v. 15.1.1928.* Von der Schicksalsgemeinschaft des europäischen Protestantismus. In: EvDia 10, 1928, S.29. Eine Antwort statt einer Wochenschau! (Zum Reichsschulgesetzentwurf). In: BES v. 15.1.1928.* Sitte. Ländliche Sonntagsfeier. Zwölf Leitsätze eines Vortrages von Generalsuperintendent D. Dibelius bei der Evangelischen Landkonferenz in Berlin. In: EvDt 5, Nr.6 v. 5.2.1928.* Das Ja zur Kirche. In: EvDt 5, Nr.8 v. 19.2.1928.* Sonntagsfeier auf dem Lande. In: EvMark, Nr.5 v. 26.2.1928.* Briefwechsel Dibelius - Kolfhaus. In: RKZ 78, Nr.10 v. 4.3.1928, S.73f.* Die Kirche und der nationale Gedanke. Nach einem Vortrag von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius. In: EvMark, Nr.7 v. 25.3.1928.* Zur preußischen Kulturpolitik. In: EvDt 5, Nr.15 v. 8.4.1928.* Noch einmal: Sekte und Kirche. Von D. Dr. Dibelius, Generalsuperintendent der Kurmark, Evang. Kirche der altpreußischen Union. In: Wächterstimmen 53, 1928, Heft 3, S.70-75.* Das Evangelium als Kraft der Einigung für Volk und Christenheit. In: Evangelium und deutsches Volkstum als Kräfte der Einigung für Volk und Christenheit, Zwei Vorträge gehalten auf der Generalversammlung des Evangelischen Bundes in Danzig am 8. und 9. Juni 1928. Berlin 1928. Darin: S.3-15.+ Antwort des Herrn Generalsuperintendenten D. Dr. Dibelius. In: Der Lutherring 10, 1928, Heft 20, S.312-317. Englisches Kirchenleben von heute. In: Der Tag v. 1.7.1928.* Evangelische Kirche und Konkordat. Zwei evangelische Kirchenmänner über das Problem. In: D A Z v. 6.11.1928.* Das kirchliche Leben der Provinz Brandenburg im Jahre 1928. In: EvMark, N r . l v. 13.1.1929.* Was ist es um die evangelische Kirche? Eine Antwort. In: VZ v. 22.2.1929.* The Reunion of Christendom. A survey of the present position, by Otto Dibelius, Nathan Söderblom (and others). Ed. by James Marchant, New York 1929. Konfessionalisierung der Bildung?. In: D A Z v. 5.4.1929.* Vor der Entscheidung. In: EvDt 6, Nr.24 v. 16.6.1929.* Evangelische Kirche und preußischer Staat. Nach der Tagung der Generalsynode. In: Magdeburger Zeitung v. 29.6.1929.* Tätigkeitsbericht des Generalsuperintendenten der Kurmark. In: EvMark, Nr.19 v. 22.9.1929.* Zeitenwende und Kirche. Der Wandel des Lebensgefühls (aus der Eröffnungsrede vor der Provinzialsynode). In: Rbo. v. 8.10.1929. - Die Kirche in der Zeitenwende (aus der Eröffnungsrede vor der Provinzialsynode). In: EvMark, Nr.21 v. 20.10.1929, S.lf. Der politische Friede und die Weihnachtsbotschaft. In: Die Hilfe 36, 1929, S.588f.* Staat ohne Kirche? Nach einem Vortrag von Gen.-Sup. D. Dr. Dibelius. In: EvMark, Nr.25 v. 15.12.1929.* Kirche und nationale Erziehung. In: Der Tag v. 5.1.1930.* Das kirchliche Leben der Mark Brandenburg im Jahre 1929. In: EvMark, N r . l v. 12.1.1930.* Antwort an Paul Althaus. In: Eckart 6, 1930, S.103-106. Die Christenverfolgung in Rußland. In: Der Tag v. 7.3.1930.* Die Stunde ist da!. In: EvDt 7, 1930, Nr.13 v. 30.3.1930, S107f.+ Protest gegen die „Anti-Osterfahrt". In: DAZ v. 15.4.1930.* Zur Abwehr des Antichrists. Aufruf an die evangelischen Gemeinden der Kurmark. In: Rbo. v. 16.4.1930.*
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Otto Dibelius - Bibliographie
145. Deutsche Ostern. In: Der Tag v. 20.4.1930.» 146. Beschwichtigung?. In: Der Ring 3, 1930, Heft 12, S.226-227. - gleichzeitiger Abdruck in: Die Standarte, 1930, S.274-276.* 147. Staat, Kirche, Kultur. In: Evangelische Diaspora und Gustav Adolf-Verein. Zum Siebenzig Jahr-Geburtstag des Vorsitzenden des Gustav Adolf-Vereins (Franz Rendtorff). Hg. von Bruno Geißler. Leipzig 1930, S.54-68. 148. Lausanne. Gedanken über die Tagung des Fortsetzungsausschusses in Mürren, August 1930. In: Eiche 18,1930, S.447-451. 149. Die Verweltlichung unserer Kultur (Nach einem Vortrag von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius). In: EvMark, Nr.24 v. 30.11.1930.* 150. Das kirchliche Leben der Mark Brandenburg im Jahre 1930. In: EvMark, N r . l v. 11.1.1931 * 151. Evangelisches Kindergesangbuch. Hg. von Pfarrer R. Jungklaus und Pfarrer K. Fangauf, 1931. Darin: „Zum Geleit!" * 152. Art. „Schottland". In: R G G 2 5, 1931, Sp.251-257. 153. Die Gottlosenpropaganda und der deutsche Staat. Ein Appell in ernster Stunde. In: EPD, Nr.22 v. 17.3.1931.* 154. U m die Freiheit der Kirche. In: Die literarische Welt 7, Nr.14/15 v. 3.4.1931, S.3f.* 155. Ostern!. In: Der Tag v. 5.4.1931.* 156. Vor der Entscheidung. In: EvDt 8, 1931, Nr.15 v. 12.4.1931, S.121f.+ 157. Gottfried Martin (d.i. Richard Kammel), Brennende Wunden. Tatsachenberichte über die Notlage der evangelischen Deutschen in Polen. Berlin 1931. Darin: „Zum Geleit" (S.6-8). - 2. bis zur Gegenwart ergänzte Auflage, 1939 (ohne Geleitwort von Dibelius!).+ 158. CI. Jenkins u. K.D. Mackenzie, Episcopacy ancient and modern. London 1930. - Rezension in: ThLZ 56,1931, Nr.5, Sp.116-118.* 159. Vom Kampf des Glaubens und der Kirche. Zum 7. Kurmärkischen Kirchentag. In: EvMark, Nr. 10 v. 17.5.1931, S.73f.* 160. R. Michels, Der Patriotismus. Prolegomena zu seiner soziologischen Analyse. München 1929. - Rezension in: ThLZ 56, 1931, Nr.7, Sp.164.* 161. Devaheim. Innere Mission und Kirche, auf Grund authentischen Materials dargestellt von Hermann Schumacher, o.O.u.J. (1931). Darin: Nachwort (S.31-36). 162. E.F. Klein, Der Sieg des Kreuzes. Kämpfe und Helden der deutschen evangelischen Kirche, Berlin 1931. Darin: Einführung (Vor dem Vorhang, S.9-14), Schlußbetrachtung (Ein Kapitel der Gegenwart, S.301-312).+ 163. Die Buße der Kirche. In: EvDt 8, 1931, Nr.46 v. 15.11.1931, S.379f.+ 164. Hoffnung. In: Die literarische Welt 7, Nr.51/52 v. 17.12.1931, S.I.* 165. Das kirchliche Leben in der Mark im Jahre 1931. Ein Rückblick. In: EvMark, Nr.2 v. 24.1.1932.* 166. Die Kurmark. In: Die evangelische Kirche der Kurmark. Eine Zusammenstellung aller kurmärkischen Kirchenkreise. Berlin 1932, S.7-10. 167. Von der Notgemeinschaft der Inneren Mission (I.). In: Rbo. v. 12.4.1932.* 168. Von der Notgemeinschaft der Inneren Mission (П.). In: Rbo. v. 13.4.1932.* 169. A. de Quervain, Die theologischen Voraussetzungen der Politik. 1931. - Rezension in: ThLZ 57, 1932, Sp.238-240.+ 170. U m den neuen Geist. In: Tübinger Chronik v. 14.5.1932.* 171. An die Gemeinden der Kurmark!. In: EvMark, Nr.18 v. 4.9.1932.* 172. Fr. Heiler, Im Ringen um die Kirche (GAufs. u. Vorträge, Bd.2). 1931. - Rezension in: ThLZ 57, 1932, Sp.445-447.+ 173. Weihnachten in N o t und Hoffnung. In: Der Tag v. 25.12.1932.* 174. Aus dem kirchlichen Leben der Kurmark 1932. In: EvMark, N r . l v. 8.1.1933 * 175. Fr. Gogarten, Politische Ethik, 1932. - Rezension in: ThLZ 58, 1933, Sp.93-95.* 176. Staat, christlicher Glaube und Freiheit. In: KrZ v. 9.3.1933.* 177. Kirche und Staat. In: KrZ v. 14.3.1933.* 178. Arbeit der Kirche in neuer Zeit (Ansprache an die Mitglieder der kirchlichen Körperschaften der Kurmark). In: Rbo. v. 2.4.1933 (vgl. Aufruf an die Mitglieder der kirchlichen Körperschaften der Kurmark. In: EvMark, Nr.8 v. 6.4.1933).*
Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen
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179. Evangelischer Appell an Amerika. Generalsuperintendent D. Dibelius und Methodistenbischof D. Dr. Nuelsen sprachen über den deutschen Kurzwellensender (Redeausschnitt). In: Rbo. v. 6.4.1933.» 180. An die Leser der Wochenschau. In: BES, Nr. 16 v. 16.4.1933.* 181. Eine Rechtfertigung. In: EvKiBl. Polen 11, Nr.7 (April 1933), S.261-263 (vgl. An die Leser der Wochenschau. In: BES, Nr.16 v. 16.4.1933).* 182. Der lebendige Christus. In: Berliner Lokalanzeiger v. 16.4.1933. - EvKiBl. Polen 11, Nr.8 (Mai 1933), S.330* 183. Der missionarische Auftrag unserer Kirche. Ein Wort von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius. In: BES, Nr.31 v. 30.7.1933.* 184. Vom Wesen des Protestantismus. In: Die neue Rundschau, 44. Jg. der Freien Bühne, 1933, Bd.n, S.410-420.* 185. E. Bergmann, Die deutsche Nationalkirche. 1933. - Rezension in: ThLZ 58, 1933, Sp.316f.* 186. An der Riviera. In: BES, Nr.3 v. 21.1.1934.* 187. Hier ist Geduld und Glaube, Lied Nr.16 (Text und Melodie) in: Otto Riethmüller (Hg.), Wehr und Waffen. Lieder der kämpfenden Kirche. Berlin 1934, 21935.* 188. Der Eid in der Kirche. In: JK 2, 1934, S.680-687.* 189. Verfassung und Bekenntnis. Ein Gutachten von Asmussen, Dibelius, Fiedler, Niemöller, Vogel. Oeynhausen 1934. 23 S. 190. Gotthelf Ekkehardt, Deutsche, entscheidet euch! (Ein Geläute ohne Glocken) Predigt eines deutschen Soldaten vor seinen Kameraden zu Myschtschitzy in Polen, am 14. November 1915, 1935. Darin Geleitwort: Laienpredigt ist in Deutschland selten! * 191. Staatsmänner vor der Kirchenfrage. In: Furche-Jahrbuch 21, 1936: 1. Konstantin (S.56-65) 2. Karl der Große (S.150-159) 3. Karl V. (S.264-272) 4. Oliver Cromwell (S.338-347) 5. Der große Kurfürst (S.431-444) 6. Friedrich Wilhelm Ш. (S.521-530) (vorgesehen in dieser Reihe waren ursprünglich noch Beiträge über Napoleon und Bismarck). + 192. Friedrich Wilhelm IV. und die Idee des christlichen Staates. In: Furche 22, 1936, S.40-48. 193. Staatspolitik und Kirchenkampf bei Bismarck. In: Furche 22, 1936, S.150-160. 194. Harnack. - Rezension der Harnack-Biographie von Agnes von Zahn-Harnack, 1936. In: Die Hilfe 42, 1936, S.161-163* 195. Zwei Bücher. I. Frenssens Abschied vom Christentum, Π. Ludwig Müller verdeutscht die Bergpredigt. In: JK 4,1936, S.311-316 und S.316-321. - Ludwig Müller verdeutscht die Bergpredigt, anonym veröffentlicht auch in: Kurt Scharf (Hg.), Reichsbischof Ludwig Müller übersetzt die Bergpredigt, Berlin o.J. (1936).+ 196. Zur Neugestaltung der Kirche. Entwurf einer Ubergangsordnung für die Deutsche Evangelische Kirche. Hg. von Hans Böhm und Otto Dibelius. Hamburg 1936. 39 S. 197. Wie kommt die Kirche zu einer neuen Ordnung? Ein Vorschlag von Otto Dibelius und Hans Böhm, Potsdam 1936. 32 S. (als Manuskript gedruckt). 198. Den kirchlichen Weltkonferenzen entgegen. In: JK 4, 1936, S.983-990. 199. Bugenhagens dänische Sendung. In: Furche 23, 1937, S.50-65. 200. Um die Neuordnung. In: JK 5, 1937, S. 102-106. 201. Was geht in der Kirche von England vor?. In: JK 6, 1938, S.152-156.* 202. Nicäa. In: Furche 24, 1938, S.15-27. 203. Geismar. In: Furche 24, 1938, S.71-80. 204. Canossa. In: Furche 24, 1938, S.112-123. 205. Augsburg. In: Furche 24, 1938, S.301-312. 206. Münster. In: Furche 24, 1938, S.382-392. 207. Von altkirchlicher Weihnacht. In: Furche 24, 1938, S.514-517.* - Von altkirchlicher Weihnacht. In: Evangelische Weihnacht. Ein Buch von der Weihnachtsbotschaft in Geschichte, Bild u. Brauch. Hg. v. Hanns Lilje. Berlin 1938, S.14-15. 208. Wittenberg 1848. In: Furche 25, 1939, S.13-25. 209. August Vilmar. In: Furche 25, 1939, S.370-381. 210. Augustus, Herodes und die Weisen aus dem Morgenland. In: Evangelische Weihnacht. Ein Buch von Weihnachtsglaube, Weihnachtskunst und Weihnachtssitte. Hg. von Hanns Lilje, Bd.l. Berlin 1939, S.56-61.
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Otto Dibelius - Bibliographie
211. Von der heiligen Einfalt. In: Furche 26, 1940, S.162-165.+ 212. Weimar 1787 (Joh. Gottfried Herder). In: Furche 26, 1940, S. 196-204. 213. Von deutschem Kirchentum in Amerika. Zum hundertjährigen Bestehen der evangelischen und reformierten Kirche in Nordamerika. In: J K 8, 1940, S.272-277. 214. Bilder aus der frühen Christenheit, in: Gestalten und Kräfte evangelischer Kirchengeschichte. Hg. von Manfred Müller. Stuttgart 1941, S . l - 3 2 (Neuauflage 1949). 215. Die Entstehung des christlichen Bekenntnisses. In: Gestalten und Kräfte evangelischer Kirchengeschichte. Hg. von Manfred Müller. Stuttgart 1941, S.65-96 (Neuauflage 1949).* 216. Stimme der Geschichte. Mailand 385. In: Furche 27, 1941, S.53-62.+ 217. Die Kirche glaubt an den Heiligen Geist!. In: J K 9, 1941, S.277-279. + 218. Pfingstgeschichte als Missionsgeschichte. In: EMZ 2, 1941, S.161ff. 219. Die Epochen der Kirchengeschichte und die Mission. In: EMZ 4, 1943 - I. Die Epochen (S.l-9), Π. Missionare und Evangelium (S.33-42) ΠΙ. Gefahren des Ubergangs (S.97-103) IV. Die Überwindung (S.104-109) V. Die Trennung (S.129-134) VI. Die bleibende Einheit (S.161-168).+ 220. Kirchenpolitik (1944). In: Helmut Thielicke (Hg.), In der Stunde Null. Die Denkschrift des Freiburger Bonhoeffer-Kreises. Tübingen 1979, S.108-112. 221. Achtzehn Thesen über Kirche und Theologie. In: T h L Z 72, 1947, Sp.157-163. 222. Der feste Ausgangspunkt. In: Der Evangelische Erzieher 1, 1948.* 223. Zur Bedeutung des Ökumenischen Rates. In: Wilhelm Menn (Hg.), Die Ordnung Gottes und die Unordnung der Welt. Deutsche Beiträge zum Amsterdamer ökumenischen Gespräch 1948 (Beiträge zum Amsterdamer ökumenischen Gespräch 1948. 4), Stuttgart / Tübingen 1948, S.17-22. 224. Der deutsche Hiob. In: Die Freiheit 3, 1948, Heft 7/8, S.25f. 225. Kirche, Staat und Kriegsgefahr. Aufgaben der Kirche im heutigen Europa. Die Amsterdamer Rede von Bischof Dibelius. In: ChrWelt l , N r , 1 6 v . 18.9.1948, S . l l . 226. Grenzen des Staates. In: Universitas 3, 1948, S.1267f. 227. Die Grenzen des Staates (Redeauszug). In: Pädagogische Rundschau 2, 1948, S.558. 228. Ein Votum aus: Die Ergebnisse der Kirchenversammlung in Eisenach. In: T h L Z 73, 1948, Sp.475f. u. 478f. 229. Der 9. November 1938. In: Der Tag v. 7.11.1948.* 230. Theophil Wurm. In: Rheinischer Merkur 3, 1948, Nr.49 v. 4.12.1948, S.lf. 231. Prolegomena zu einer Neugestaltung der Staatsidee. Festgabe zum 80. Geburtstag von Landesbischof D. Th. Wurm. In: Beilage zum AB1EKD, 1948, Heft 11.* 232. Die evangelische Kirche heute. In: Die Welt v. 18.1.1949 * 233. Die neue Lebensform der Evangelischen Kirche in Deutschland. In: J K 10, 1949, Sp.3-11. + 234. Vorwort zur zweiten Auflage der „Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche" (BSLK), Göttingen o.J. (1949).* 235. Landesbischof D . Wurm zum 80. Geburtstag. In: Die Kirche 4, 1949, Nr.2, S.l. 236. Theophil Wurm. In: Die Zeit 4, 1949, Nr.2, S.2 237. Wolkensäule und Feuersäule. In: Niedersächsische Rundschau 4, 1949, N r . l . 238. Die Dämonie der Macht. In: Der Tag v. 27.2.1949.* 239. Der Staat und die Verantwortung der Kirche. In: DASB1 2, 1949, Nr.9, S.8f. 240. Dibelius, Niemöller, Lilje, Die Osterkundgebung der Evangelischen Kirche. In: epd 2, 1948/49, Nr. 14, S.105. 241. Freiheit und Autorität. In: DASB1 2, 1949, Nr.28, S.8f. 242. Deutschland und der Friede der Welt. In: EvW 3, 1949, S.242f. 243. Die Kirche und die Einheit Deutschlands. In: T R v. 14.5.1949.* 244. Rundbrief an die Gemeinden in Berlin und Brandenburg zu Pfingsten 1949. In: J K 10, 1949, Sp.399-401.* 245. Die Einheit zwischen Ost und West. In: DtPfrBl 50, 1950, S.lf. 246. Vom Kampf und Frieden der Kirche. In: ZdZ 4, 1950, S . l f f . + 247. The position of the Church in the Eastern Zone. In: E R 2, 1950, Nr.2, S.162-169. 248. Hundert Jahre Oberkirchenrat. In: Oskar Söhngen (Hg.), Hundert Jahre Evangelischer Oberkirchenrat der Altpreußischen Union 1850-1950. Berlin 1950, S.7-10.
Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen
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249. Die Kirche als Friedensmacht. In: Evangelischer Nachrichtendienst Ost (Berlin) 3, 1950, Nr.32, S.3. 250. Brief an Ministerpräsident Grotewohl v. 20.4.1950. In: JK 11, 1950, Sp.220-223.* 251. Ist der totale Staat unser Fatum? In: EvW 4, 1950, S.641-643. 252. Die Kirche und das heutige Staatsproblem. In: World Lutheranism of today. Α Tribute to Anders Nygren. Weltluthertum heute. Anders Nygren zum 15. November 1950 gewidmet. Stockholm (Göttingen in Komm.) 1950, S.68-80. 253. Propst Gräber. In: Die Kirche 5, 1950, Nr.10, S.l. - gleichzeitig abgedruckt in: DtPfrBl 50, 1950, S.116f. 254. Ostern. In: Die Kirche 5, 1950, Nr.20, S.l. 255. Kantate. In: Die Kirche 5, 1950, Nr.24, S.l. 256. Der Thomaskantor. In: Die Kirche 5, 1950, Nr.24, S.3. - gleichzeitig abgedruckt in: Glaube und Heimat 5, Jena 1950, Nr.30, S.3. 257. Hundert Jahre Oberkirchenrat. In: Die Kirche, Nr.31 v. 25.6.1950.* 258. Toronto 1950. Ein Reisebrief für „Die Kirche". In: Die Kirche 5, 1950, Nr.36, S.l. 259. Bischof D. Dr. Dibelius antwortet. In: Die Kirche, Nr.37 v. 6.8.1950.* 260. Reformationsfest. In: Die Kirche 5, 1950, Nr.50, S.l. 261. Christenleben unter der Verheißung. In: Die Kirche 6, 1951, Nr.5, S.l 262. Die Synode. In: DASB1 4, 1951, Nr.17, S.20. 263. In memoriam Fritz Klingler. In: DtPfrBl 51,1951, S.185-190. 264. Adolf von Harnack als akademischer Lehrer. In: Adolf von Harnack in memoriam. Reden zum 100. Geburtstag am 7. Mai 1951, gehalten bei der Gedenkfeier der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. Berlin 1951, S.31-35. 265. Bultmann. In: EvW 5, 1951, S.213f. 266. In memoriam Adolf von Harnack. In: EvW 5, 1951, S.274f. 267. Les tendences politiques du protestantisme allemand. In: Documents. Revue mensuelle publiee par le Centre d'etudes culturelles, economiques et sociales 7, Stasbourg 1951, No.9, pag.819 u. 824. 268. Der Heilige Geist ist da! Pfingsten. In: DASB1 4, Nr.19 v. 13.5.1951.* 269. Evangelische Kirche in Deutschland. Botschaft zum Frieden. In: ABlEKD 5, 1951, S.333. 270. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen. Gedenkrede für Präses D. Karl Koch. In: EvW 5, 1951, S.666f. 271. Die Gemeinde sorgt für ihre Kinder. Evangelische Kinderpflege. In: JK 12, 1951, S.231f. 272. Wir sind doch Brüder. Über den Sinn des Kirchentages 1951. In: EvW 5, 1951, S.413f. 273. Lillie Zöckler: Gott erhört Gebet. Das Leben Theodor Zöcklers, Stuttgart 1951. Darin: Geleitwort, S.5f. 274. Evangelische Kirche zwischen Ost und West. In: ChrWelt 4, Nr.43 v. 25.10.1951, S.3. 275. Dibelius antwortet Thielicke. In: Der Tagesspiegel v. 8.1.1952. 276. Botschaft der Bibel. In: Der 4. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 27.-31. August 1952 in Stuttgart: „Wählt das Leben". Dokumentarband. Stuttgart 1952, S. 100-104. 277. Ein halbes Jahrhundert Kirche. In: DASB1 5, 1952, Nr.13, S.lOf. 278. Der Kampf der Bekennenden Kirche im Dritten Reich. In: DASB1 5, 1952, Nr. 14, S.8f. 279. Am dritten Tag. In: ChrWelt 5, Nr.15 v. 10.4.1952, S.l. 280. Wir dürfen nicht müde werden. In: DASB1 5, 1952, Nr.21, S.l. 281. Wir lassen es uns nicht zum Politikum machen! In: Die Kirche 7, 1952, Nr.21, S.l. - gleichzeitig abgedruckt in: Informationsblatt für die Gemeinden in den niederdeutschen lutherischen Landeskirchen 1, 1952, S.207. 282. Eine Unvergessene: Elly Heuss-Knapp. In: EvW 6, 1952, S.460f. 283. Elly Heuss-Knapp zum Gedächtnis. In: Die Kirche 7, 1952, Nr.30. 284. Stellungnahme des Rates der EKD zur Frage der Angleichung des geltenden Familienrechts an Art. 3,2 GG. In: Informationen für die Frau NF 1, 1952, Nr.2, S.26. 285. Zwischen Hamburg und Elbingerode. Ein Lagebericht. In: EvW 6, 1952, S.597ff. 286. Die Kirche - eine Macht des Friedens, in: JK 12, 1952, S.40f.* 287. Wort zum Frieden. In: BS Die Kirche 7, Nr.21 v. 25.5.1952. - zugleich abgedruckt in: JK 12, 1952, S.339-341.
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Otto Dibelius - Bibliographie
Hirtenbrief v. 26.7.1952. In: JK 12, 1952, S.429-433. Brief an Marschall Stalin v. 18.9.1951. In: JK 12, 1952, S.611f.* Brief an Patriarch Alexius v. 26.11.1951. In: JK 12, 1952, S.690f."· Die Kirchensteuerfrage in Ostberlin. In: JK 13, 1952, S.691f. Th. Wurm zum Gedächtnis. In: EvW 7, 1953, S.81f. Es ist wieder Notzeit der Kirche. Die Arbeit der Jungen Gemeinde geht weiter. In: EvW 7, 1953, S.280f. 294. Zwei Briefe zur Wiedervereinigung Deutschlands. Bischof Dibelius und Propst Grüber an den Lordbischof von Chichester. In: EvW 7, 1953, S.326-328. 295. Bischof Dibelius an die vier Hohen Kommissare: Evangelische Kirche in der Sowjetzone. In: JK 14, 1953, S.330f. 296. Wider die „diakonische Passivität". In: KBRS 109, 1953, S.56f. 297. Das Dogma des Materialismus. In: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Bonn 1953, Nr.99, S.843f. 298. Zur Frage einer „Kirchlichen Europa-Union". In: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Bonn 1953, Nr.150, S.1262-1264. 299. Elly Heuss-Knapp. In: DASBl 6, 1953, Nr.29, S.7. 300. Karl Barth und Otto Dibelius über die „Welt des freien Protestantismus" und ein Nachwort von Georg Wünsch. In: Freies Christentum 5, Nr.10 v. 1.10.1953, Sp.ll6f.* 301. Christian in the struggle for world community (an NBC Radio Discussion by Baez-Comargo, Otto Dibelius, de Mel and Rylaarsdam). In: The University of Chicago. Round Table Nr.856 v. 5.9.1954, pag.1-10. 302. The Church: Dependence on God and its Independence from Man. In: The University of Chicago. Round Table Nr.856 v. 5.9.1954 - Deutsche Ubersetzung (Auszug) in: Evanston Documents ed. Focko Lüpsen, Witten 1954. 303. Die bleibende Stadt. In: EvDia 25, 1954, S.l-4. 304. Kirchliche Dokumente zur Familienfrage. In: Die Familie im Umbruch der Gesellschaft (Kirche im Volk. 13). Stuttgart 1954, S.74-79. 305. Die evangelische Kirche zwischen den Mächten der Zeit. In: DASBl 7, 1954, Nr.13, S.23. 306. Zur Einheit Deutschlands. In: JK 15, 1954, S.38. 307. Evangelische Kirche in der Sowjetzone. Der „Neue Kurs" ist auch in der Kirchenpolitik im Abbau. In: Rheinischer Merkur 9, Nr.27 v. 2.7.1954, S.4. 308. Kirche im Strom unserer Zeit. In: EvW 8, 1954, S.178f. 309. Evangelische Kirche in der Sowjetzone. Der „Neue Kurs" ist auch in der Kirchenpolitik im Abbau. In: Rheinischer Merkur 9, 1954, Nr.27, S.4. 310. Die evangelische Kirche und die Einheit Deutschlands. Ansprache in der Neuen Universität Heidelberg am 18. Februar 1954 (Auszug). In: Ruperto-Carola 6, 1954, S.25-31. 311. Weiter glauben, weiter lieben, weiter hoffen. In: EvW 8, 1954, S.113f. 312. Königliche Freiheit. In: EvW 8, 1954, S.549f. 313. Der Arbeiter muß eine Liebe spüren. In: Mitarbeit 3, 1954/55, Nr.l, S.17. 314. Das Neue Testament. In: Neue deutsche Hefte 2, 1954, Heft 16, S.315. 315. Die Revision des Neuen Testaments. In: Deutsche Kommentare 7, 1955, Nr.22, S.3. 316. Die Revision des Neuen Testaments. In: Der Tagesspiegel v. 19.5.1955.* 317. Mit Vertrauen und ruhiger Zuversicht. In: EvW 9, 1955, S.145-147. 318. Briefe an einen Randsiedler (anonym). In: BS Die Kirche 10, 1955, fortlaufend. 319. Zum 7. Mai 1955 (1945-1955). In: BS Die Kirche 10, 1955, Nr.20, S.5f. 320. Ein Christ ist niemals außer Dienst. In: Der Tagesspiegel v. 15.5.1955. 321. Sechs Jahre EKD - kein Heldengedicht. In: DASBl 8, 1955, N r . l l , S.27. 322. Du sollst nicht töten. In: DASBl 8, 1955, Nr.36, S.2f. 323. Stellungnahme des Rates der EKD zu den Fragen der Revision des Ehe- und Familienrechts. In: H.A. Dombois / F.K. Schumann (Hg.), Familienrechtsreform. Dokumente und Abhandlungen (GIF. 8), Witten 1955, S.9-15. 324. Grußwort und Diskussionsbeiträge. In: Verhandlungen der ordentlichen Synode der EKU vom 1. bis 6.5.1955, Berlin 1956, S.31-35, 44f. u. 79-85.
Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen
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325. Wie es zum Glaubensbekenntnis kam. In: H. Giesen u.a. (Hg.), Der mündige Christ. Stuttgart 1956, S.25-29. 326. Richtlinien zur Ordnung des Dienstes der evangelischen Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Jugendleiterinnen v. 29.6.1956. In: Evangelische Kinderpflege 8, 1956, S.233-235. 327. Dank an Dr. Gerstenmaier zum 50. Geburtstag. In: BS Die Kirche 11, 1956, Nr.36. 328. Mit Respekt und Dankbarkeit. Zum 65. Geburtstag Martin Niemöllers. In: EvW 11, 1957, Nr.3, S.62f. 329. Bruno Geißler. In: P.W. Gennrich (Hg.) Um Diaspora-Dienst und Diaspora-Fragen. Bruno Geißler, dem Achtzigjährigen. Kassel 1957, S.lf. 330. Das Disziplinargesetz der EKD. In: EvW 11, 1957, Nr.4, S.88-91. 331. Uns ist Gnade von Gott geschehen. Ein Rückblick auf zwei Jahre Kirchengeschichte. In: EvW 11, 1957, Nr.6, S.145-149. 332. Kirche und Arbeiterschaft in neuer Begegnung. In: EvW 11, 1957, Nr.6, S.166. 333. Seelsorge in der Bundeswehr. In: EvW 11, 1957, Nr.8, S.209-213. 334. Seid ritterlich! Eine Mahnung zur Verkehrssicherheitswoche 1957. In: Deutsche Verkehrswacht 5, 1957, S.69f. 335. Meta Diestel: Ein Herz ist unterwegs, Nürnberg 1957. Darin: Geleitwort. 336. Segen und Zuversicht (Jer 17,7). In: Bereitschaft und Bewährung. Festgabe für Albert Dietrich, Kiel 1957, S.5f. 337. Grußwort. In: Verhandlungen der ordentlichen Synode der EKU vom 1. bis 6.12.1957, Berlin 1958, S.9-12. 338. Zum 75. Geburtstag von Otto Banning. In: KuKi 21, 1958, S.3. 339. Baut Eigenheime! Die Bedeutung des Eigentums für Volk und Familie in der Gegenwart. In: Rheinischer Merkur 13, Nr.34 v. 22.8.1958. 340. Anfragen an die Theologen. In: Kirche und Mann 11, August 1958, S.l. 341. Der Eintritt der Kirche in die diakonische Verantwortung. In: Diakonie zwischen Kirche und Welt. Hamburg 1958, S.ll-16. 342. Hundert Jahre Evang. Johannesstift. Berlin 1958. Darin: Geleitwort. 343. Zur Kirchenkampfforschung. Auseinandersetzung mit F. Baumgärtel. In: BS Die Kirche v. 20.7.1958. 344. Die evangelische Christenheit zwischen „Jugendweihe" und „Atomtod". In: EvW 12, 1958, Nr. 10, S.274-277. 345. Ansprache des Vorsitzenden des Rates der EKD. In: Die 93. Hauptversammlung des GustavAdolf-Werkes der EKD in Berlin vom 24. bis 27. Oktober 1958. o.O.u.J. (1958), S.21.23. 346. Glückwunschschreiben zum 70. Geburtstag von Professor Hamilkar Alevisatos in Athen. In: Eucharisterion, Athen 1958, S.XXIII. 347. Die Verantwortung der christlichen Kirche in Europa. Eröffnungsvortrag der Europa-Konferenz christlicher Kirchen in Nyborg-Strand (Dänemark) am 6.1.1959. In: Die europäische Christenheit in der heutigen säkularisierten Welt. Vorträge und Berichte. Zürich 1960, S.2743 - Einzelveröffentlichung als Privatdruck. Berlin 1959. 15 S. - Wiederabdruck in: K.G. Karlson (Hg.), Otto Dibelius. Berlins erster Bekenntnisbischof. Berlin 1961, S.48-60. 348. Dibelius und Niemöller. Ein Tagesspiegel-Interview mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. In: Der Tagesspiegel v. 19.7.1959.* 349. Notwendigkeit und Grenzen der Toleranz. In: F.H. Ryssel (Hg.), Protestantismus heute. Frankfurt/Main 1959, S.148-155. 350. Grußwort der EKD zum 60. Geburtstag von Hanns Lilje. In: H. Brunotte / E. Ruppel (Hg.), Gott ist am Werk. Festschrift für Landesbischof D. Hanns Lilje. Hamburg 1959, S.9f. 351. Die „übergeordneten Mächte" (Rede vor der Synode der Kirche von Berlin-Brandenburg zur Obrigkeitsfrage). In: Evangelische Verantwortung 8, 1960, Nr.2, S.8-11.* 352. Brief an Johannes Schönfeld vom 24. November 1959. In: Dokumente zur Frage der Obrigkeit, 1960, S.43f.+ 353. Zum Weltflüchtlingsjahr soll etwas passieren. In: Der Remter 5, 1959, S.195f. 354. Die Bedeutung des Eigentums für Volk und Familie in der Gegenwart. In: Mitarbeit 8, 1959, S.324-330.
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Otto Dibelius - Bibliographie
355. Die große Sorge der Kirche. In: ChrWelt 12, Nr.19 v. 7.5.1959 (Sonder-Nr. Berlin), S.3. 356. Aus der Ansprache beim Soldatentreffen auf dem Münchner Kirchentag 1959. In: Dokumente zur Frage der Obrigkeit, 1960, S.20. 357. Beschluß der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 1959. In: Dokumente zur Frage der Obrigkeit, I960, S.46f. 358. Das Zeugnis der Kirche. In: Orien. 24, 1960, S.114-117. 359. Die kirchliche Bedeutung Berlins. In: ODM 26, 1960, S.195f. 360. Das ist mein Testament. Rede vor der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg am 25. Januar 1960. In: BS Die Kirche 15, 1960, Nr.7, S.4. - Wiederabdruck in: Amt und Gemeinde 18, Wien 1967, Folge 2. 361. Bericht von der Berlin-Brandenburger Synode zum Thema „Obrigkeit". In: KiZ 15, 1960, S.46-50. 362. Die Entscheidung des Apostelkonzils. In: ZdZ 14, 1960, S.202-204. 363. Unteilbare Kirche. In: H. Heuer (Hg.), Unsere evangelische Kirche heute. Aufgabe und Wirken der Kirche in der Gegenwart. Nürnberg 1960, S.13-16. 364. Aufruf für Chile. In: DtPfrBl 60, 1960, S.324. 365. Die Summe von zwölf Jahren. In: EvW 15, 1961, S.81-86. 366. Abschlußbericht des Ratsvorsitzenden der EKD, 1961. In: JK 22, 1961, S.169-174.+ 367. Botschaft der Präsidenten des Ökumenischen Rates - Pfingsten 1961. In: JK 22, 1961, S.305306. 368. Zum neuen Abschnitt in der Geschichte des Weltrats der Kirchen. In: Ref. 10, 1961, S.8085. 369. Glauben und Arbeiten (Auszug aus: Ein Christ ist immer im Dienst) in: Evangelische Verantwortung 9, 1961, Nr. 12, S.l-5.* 370. Max Planck. In: Freies Christentum 13, 1961, Sp.28-30. 371. Paul Blau (1861-1944). In: H. Kruska (Hg.), Festschrift zum Gedenken an Generalsuperintendent D. Paul Blau anläßlich seines 100. Geburtstages. Berlin 1961, S.7. 372. Wort an die Gemeinden in Ost und West (Präses Scharf als Ratsvorsitzender und Bischof Dibelius als Bischof von Berlin-Brandenburg). In: JK 22, 1961, S.555.·1· 373. Appell an die Verantwortungsbewußten. Ein Wort zum Bußtag. In: WZ v. 21./22.11.1961.* 374. Ohne Beten keine rechte Kirche. In: Männer der Evangelischen Kirche in Deutschland. Festgabe für D. Kurt Scharf zum 60. Geburtstag. Berlin 1962. - Wiederabdruck in: BS Die Kirche 22, 1967. Nr.7, S.3. 375. Pfingsten. In: Evangelischer Digest 4, 1962, Heft 6, S. 10-14. 376. Vom Respekt unter Christenmenschen. In: Evangelischer Digest 4, 1962, Heft 6, S.16-19. 377. Rede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Paul Tillich. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe 18, 1962, Nr.78 v. 28.9.1962, S.1681-1684. - Laudatio auf Paul Tillich. In: Friedenspreisträger Paul Tillich. Stimmen zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1962. Stuttgart 1963, S.ll-16. - Wiederabdruck in: Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 10. 378. Das Echo von Neu-Delhi in Deutschland. In: EvW 16, 1962, S.14f. 379. Richard W. Stolberg: Kirche in der Anfechtung. Der Konflikt zwischen Staat und Kirche in Mitteldeutschland. Berlin 1962. Darin: Geleitwort. 380. Es geht um die Ökumene. In: BS Die Kirche 17, Nr.42 v. 14.10.1962.» 381. Grußwort. In: W. Bauer u.a. (Hg.), Ich glaube an eine heilige Kirche. Festschrift für D. Hans Asmussen zum 65. Geburtstag am 21. August 1963. Stuttgart 1963, S.14. 382. Das geschah am 21. März 1933. In: Kirche und Mann 16, Nr.3, März 1963, S.5.+ 383. Durfte der Papst zur nationalsozialistischen Judenverfolgung schweigen? In: Der Streit um Hochhuths „Stellvertreter" (Theater unserer Zeit 5). Basel 1963, S.92-94. 384. Trauerrede für Kirchenrat Mieth am 9.2.1963. In: Die Diakonieschwester, 1963, S.45f. 385. Von den Anfängen des Gustav-Adolf-Werkes und der evangelischen Diaspora. In: GustavAdolf-Kalender 104,1964, S.28-30. 386. Über die Christliche Friedenskonferenz. In: JK 25, 1964, S.22-25.
Beiträge in Sammelwerken, Zeitschriften und Zeitungen
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387. Dem Staate, was des Staates ist. In: Die Welt, Nr.63 v. 14.3.1964 (Soll Gotteslästerung noch bestraft werden?).* 388. Muß die Kirche eigentlich modern sein?. In: Kirche und Mann, 1964, Nr.8.* 389. Wir zornigen alten Männer - Bischof Dr. Dibelius: Ich hasse jeden Schlendrian. In: Welt am Sonntag v. 15.11.1964.* 390. „Ehrfurcht vor dem Leben". Albert Schweitzers theologisches und philosophisches Werk. In: Die Welt V. 11.9.1965.* 391. Rede vor der Berlin-Brandenburgischen Regionalsynode West am 15. Februar 1966. In: H. Kunst (Hg.), Er aber zog seine Straße fröhlich. Berlin 1966, S.7-24. 392. Zum Abschied. In: BS Die Kirche 21, 1966, Nr.15 v. 10.4.1966. 393. Der Christ und sein Vaterland. In: H. Kunst (Hg.), Für Freiheit und Recht. Eugen Gerstenmaier zum 60. Geburtstag. Stuttgart 1966, S.79-88. 394. Das Vaterland. In: BS Die Kirche 21, Nr.19 v. 8.5.1966. - Notgemeinschaft Evangelischer Deutscher, Mitteilungsblatt Nr.3, Juli 1966.* 395. Was ist das Vaterland? Stellungnahme eines Christen. In: ChrWelt 19, Nr.40 v. 7.10.1966, S.15. 396. Vorkämpfer des Jahrhunderts der Ökumene. Zum 100. Geburtstag des Theologen Adolf Deißmann. In: Der Tagesspiegel v. 6.11.1966.* 397. Martin Niemöller zum 75. Geburtstag. In: Der Tagesspiegel v. 14.1.1967.*
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Otto Dibelius - Bibliographie
3. Predigten, Andachten, Gedenkworte 1. Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott! Fünf Predigten, in der Petri- und Pauli-Kirche zu Danzig gehalten. Danzig 1912. 48 S. 2. Alle Tage ein neues Loblied. Kriegsbetstunde über Ps 40,2-9 in Lauenburg am 16.9.1914 nach dem Sieg über die Njemen-Armee. In: B. Doehring (Hg.), Ein feste Burg. Predigten und Reden aus eherner Zeit, Bd.l. Berlin 1914, S.195-199.* 3. Sorget nicht für euer Leben! Predigt über Mt 6,25 in Lauenburg am 20.9.1914. In: B. Doehring (Hg.), Ein feste Burg. Predigten und Reden aus eherner Zeit, Bd.l. Berlin 1914, S.247254.* 4. Gottes Ruf in Deutschlands Schicksalsstunde. Fünf Predigten (der Lauenburger Kirchengemeinde gewidmet). Berlin 1915. 62 S.: S.5-14: Die große Stunde (Mt 22,1 lf. am Bußtag 1914), S. 14-26: Ganze Menschen! 0oh 18,37f. u. 19,16 am Sonntag Judica 1915), S.27-35: Der Ruf an die Jugend (Apk 2,10, Einsegnungsansprache am Palmsonntag 1915), S.36-49: Der Lobgesang des Lebens (IPetr 4,10f. am Sonntag Jubilate 1915), S.50-62: In der Kraft des Geistes (Apg 1,6-8, Abschiedspredigt in Lauenburg am 1. Pfingsttag 1915).+ 5. Das Himmelreich ist nahe! Eine Antrittspredigt, gehalten am 1. August 1915, Berlin 1915. 6. Er ist bei uns wohl auf dem Plan. Festtagspredigten, hg. von Otto Dibelius in Verbindung mit anderen, Berlin 1917. Darin: Heft 1: Karfreitag u. Ostern. Predigten von Fr. Dibelius, M. Stolte u. O. Dibelius; Heft 2: Himmelfahrt u. Pfingsten. Predigten von Mahling, Kaiweit u. Dibelius; Heft 3: Bußtag u. Totenfest. Predigten von Kaiweit, Braun u. Dibelius; Heft 4: Weihnachten, Silvester, Neujahr. Predigten von Würkert, Kleine u. Dibelius. 7. Zur Freiheit hindurch! Predigt, (aus Anlaß des Aufrufes des Kaisers „An mein Volk") gehalten am 14. Januar 1917 in der Kirche Zum Heilsbronnen. Berlin 1917. 8. Auferstehung aus allen Gräbern! Predigt (über Mk 16,3f.), gehalten am 1. Ostertag 1917. Berlin 1917. 11 S. 9. Kraft in der Not! Predigt (über Jer 40,31), gehalten am 11. Mai 1919 nach der Veröffentlichung des Friedensvorschlages von Versailles in der Kirche zum Heilsbronnen, o.O.u.J. (1919), 4 Bl. 10. Was ist Wahrheit? Predigt (über Joh 18,37f.), gehalten am 12. Oktober 1919 in der Kirche zum Heilsbronnen: o.O.u.J. (1919). 8 S. 11. Von Gott verlassen! Passionspredigt am 22. März 1921. Berlin 1921. 8 S. 12. Glaubensgewißheit. Drei Predigten. Berlin 1921. 23 S. 13. Die Schule der Demut. Predigt, gehalten am 19. Februar 1922. Berlin 1922. 8 S. 14. Schicket euch in die Zeit! Predigt. Berlin 1922, 4 Bl. 15. Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! Rede bei der Konfirmation am 14. und 15. März 1923 in der Kirche Zum Heilsbronnen. Berlin 1923. 8 S. 16. Festpredigt zur Hundertjahrfeier der Berliner Missionsgesellschaft (Gen 32,32) am 29. Februar 1924. In: Berliner Missionsberichte 1924, Nr.3/4, S.37-40. 17. Eins ist not! Rede bei der Konfirmation am 19. und 20. März 1924 (Lk 10,42) in der Kirche Zum Heilsbronnen. Berlin 1924. 8 S. 18. „Von Gottes Gnade bin ich, was ich bin!" Aus der Rede bei der Trauerfeier für Superintendent Theodor Brandin. In: BES, Nr.42 v. 17.10.1926 (Sonderdruck).* 19. Predigt (über Mt 16,15-18) beim 3. Kirchentag der Kurmark am Sonntag Exaudi, 29. Mai 1927, in der Garnisonkirche zu Potsdam. In: Nachspiel, 1928, S.103-113.* 20. Erinnerungen an D. Dr. Paul Conrad. In: BES v. 25.9.1927.* 21. Die evangelische Kirche, eine Macht des Friedens. Festpredigt (über Mt 10,12f.) zur Eröffnung der 19. Brandenburgischen Provinzialsynode 1927. Berlin o.J. (1927). 8 S. 22. Festpredigt (über IKor 13,12f.) anläßlich der 750-Jahrfeier Lehnins (Mark), Berlin 1928. 8 S. 23. Schützt eure Heiligtümer. Aus der Predigt des Gen.-Sup. D. Dr. Dibelius bei dem Jahresfest des Ev. Schutzbundes für das Kloster Chorin. In: EvMark, Nr.21 v. 7.10.1928.*
Predigten, Andachten, Gedenkworte
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24. Festpredigt zur Tausendjahrfeier der Stadt Brandenburg gehalten in St. Katharinen am 8. September 1929 von D. Dr. Dibelius, Generalsuperintendent der Kurmark. In: Brandenburger Anzeiger v. 11.9.1929. 25. Predigt zur Tausendjahrfeier in Brandenburg. In: EvMark, Nr. 19 v. 22.9.1929.* 26. Predigt zum 675-jährigen Bestehen der St. Marienkirche in Angermünde am Sonntag, den 20. Oktober 1929. In: EvMark, Nr.23 v. 17.11.1929.* 27. Aus der Predigt des Festgottesdienstes zur Feier des 50-jährigen Bestehens des Christlichen Zeitschriftenvereins im Berliner Dom am 9.11.1930. In: BES, 1930, Nr.49.* 28. Trauerrede für Wilhelm Dibelius am 31.1.1931. In: Wilhelm Dibelius. Worte der Erinnerung. Berlin 1931, S.7-14.+ 29. Festpredigt (über Ps 91,2) bei der 700-Jahrfeier der Stadt Oranienburg am 26. Juni 1932. Oranienburg о .J. (1932). 30. Mit Gott zu neuer Zukunft! Predigt zur Eröffnung des deutschen Reichstages am 21. März 1933 gehalten in St. Nikolai zu Potsdam. In: Rbo. v. 22.3.1933. - „Ein Reich, ein Volk, ein Gott". Predigt zur Eröffnung des Deutschen Reichstages am 21. März 1933. In: EvDt 10, Nr.13 v. 26.3.1933. - Mit Gott zu neuer Zukunft! Aus der Predigt zur Reichstagseröffnung von Generalsuperintendent D. Dr. Dibelius. In: EvMark, Nr.8 v. 16.4.1933. - Predigt über Rom 8,31 am 21. März 1933 in der Nikolai-Kirche in Potsdam gehalten. In: H. Hupfeld (Hg.), Reichstagseröffnungsfeier in Potsdam. Das Erlebnis in Wort und Bild, Potsdam/Berlin 1933, S.24-31.+ 31. Predigt des Generalsuperintendenten D. Dr. Dibelius über Apk 13,10 am 16. Juli 1933 in der Nikolaikirche in Potsdam gehalten. In: R. Stupperich, Otto Dibelius. Sein Denken und Wollen, Berlin o.J. (1970), S.72-78 (Schlußabschnitt der Predigt fehlt).* 32. Heimkehr zum Wort. Ein Andachtsbuch aus der Bekennenden Kirche (fortlaufende Andachten für die Tage des Kirchenjahrs über Texte aus Jes 40-66, Mt 1-28, IPetr 1-5, Joh 121, Rom 1-16 und Apk 1-3). Göttingen 1934. 320 S. - 2. unveränderte Auflage 1935. + 33. Hier ist Geduld und Glaube (5-strophiges Lied, Text und Melodie von Otto Dibelius). In: Otto Riethmüller (Hg.), Wehr und Waffen. Lieder der kämpfenden Kirche, Berlin 1934, 2 1935, N r . l 6 . + 34. Christus löst das Problem der Welt! Predigt über Apg 4,12 und Lk .8,25 gehalten im Berliner Dom, o.O.u.J. (1935?). 35. Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben. Predigt über Mk 9,24 am 21.2.1936 in Bad Oeynhausen. In: W. Niemöller (Hg.), Die vierte Bekenntnissynode, S.340-343.* 36. Der dreieinige Gott. Predigt (über 2Kor 13,13), gehalten am Sonntag Trinitatis in der JesusChristus-Kirche in Berlin-Dahlem. In: Das evangelische Westfalen 13, 1936, Nr.6. 37. Wie Christen wählen. Predigt (über Apg 1,15-26) am Sonntag Exaudi, Berlin o.J. (1937).+ 38. Ausgerichtet auf Christus allein! Predigt (über Mt 20,1-19), o.O. 1937. Auch in: Der Freie, o.J. (1937), Nr.5, S.7-13.+ 39. Vom Leben im Sieg. 2Kor 2,14. In: Gabe und Auftrag. April 1939, S.43-45. 40. Lesepredigten (während des Krieges geschrieben für die gottesdienstliche Verwendung durch Lektoren). In: Predigten, Berlin o.J. (1952) 1. Halbband, S.ll-104. + 41. Wir rufen Deutschland zu Gott! Gottesdienstliche Rede am Tag der Kirche am 28. April 1946 in der Marienkirche zu Berlin. Berlin 1946. 18 S. 42. Wir sind Gottes Mitarbeiter. Predigt und Bericht zur Eröffnung der Provinzialsynode der Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg in der Marienkirche in Berlin am 6./7. Oktober 1946. Berlin 1946. 24 S. 43. Gott will den Einzelnen! Predigt am 2. März 1947 über Joh 11,47-53 in der Marienkirche in Berlin. Berlin-Dahlem 1947. 12 S. 44. Ostern mit dem großen Glauben (über Mk 16,8 und Rom 8,34). Berlin-Dahlem 1947. 12 S. 45. Christus hat die Weltherrschaft angetreten! Predigt über Eph 1,20-23 am 15. Mai 1947 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Berlin-Dahlem 1947. 12 S. 46. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes ins Vaterhaus. Predigt über Lk 15,11-32, gehalten am 3. August 1947 in der Marienkirche in Berlin. Berlin-Dahlem 1947. 15 S.
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Otto Dibelius - Bibliographie
47. Die tragende Mitte. Gottesdienstliche Rede, gehalten auf dem Kirchentag der Evangelischen Kirche Berlins am 27. April 1947, Tübingen 1948. 23 S.* 48. Gottes Wort - Leuchte und Licht. Predigt über Ps 119,105. Berlin-Dahlem 1947. 15 S. 49. Von Gottes Gerechtigkeit. Predigt über Mt 20,1-16. Berlin-Dahlem 1947. 15 S. 50. Uber die Mauer. Predigt über Ps 18,30. Am 1. Januar 1948 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Berlin-Dahlem 1948. 8 S. 51. Liebe mit der Tat und mit der Wahrheit. Festpredigt zum 90. Jahresfest des evangelischen Johannesstifts in Berlin-Spandau am Himmelfahrtstag 1948. Berlin 1948. 10 S. 52. Predigt über Jes 49,4-6 (Aus der Werkstatt der Diaspora, Heft 2). Assenheim (Kassel) 1949. 12 S. 53. Um die Einheit der Kirche. Predigt über Ez 37,15-22 zur Eröffnung der Kirchenversammlung der Evangelischen Kirche in Deutschland am 11. Juni 1948 in der Georgenkirche zu Eisenach gehalten. Berlin 1948. 7 S. 54. Einheit und Friede. Predigt von Otto Dibelius, gehalten am 6. Februar 1949 in der Marienkirche in Berlin (und Ansprache von Dr. F. W. Krummacher). Berlin 1949. 16 S. 55. Die dritte Versuchung. Eine Predigt, gehalten am 6. März 1949 in der Marienkirche in Berlin. Berlin 1949. 56. Das Hohelied der Christen von der Liebe. Predigt am 3. April 1949 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Berlin 1949. 57. Die Kirche und der Friede. Predigt, gehalten am 1. Mai 1949 in der Marienkirche in Berlin. Berlin 1949. 58. Das erste und das letzte Werk der Kirche. Predigt, gehalten am 12. Juni 1949 in der Marienkirche in Berlin. Berlin 1949. 59. Im Namen Jesu Christi von Nazareth. Predigt über Apg 3,1-8 am 3. Juli 1949. Berlin 1949. Auch in: Predigen, 1952, S.160-170. 60. Predigt von Bischof Dibelius über Lk 12,20-21, gehalten zu Badenweiler am 28. August 1949. Müllheim o.J.* 61. Unter Gottes Geboten. Die Festpredigt von Bischof D. Dr. Dibelius zur Eröffnung des Deutschen Bundestages. Auszug in: EvW 3, Nr.18 v. 15.9.1949.* 62. Die drei Freiheiten der deutschen Reformation. Predigt, gehalten am 6. November 1949 in der Marienkirche zu Berlin. Berlin 1949. 63. Wer nur den lieben Gott läßt walten. Hg. vom Arbeitskreis für Kantate-Gottesdienste im Gesamtverband der Berliner Inneren Mission. Berlin 1949. 6 S. 64. Der Knecht Gottes Hiob. Predigt über Hi 1,6-12. Berlin 1950. 15 Bl. 65. Adolf von Harnack als akademischer Lehrer. In: Adolf von Harnack in memoriam. Reden zum 100. Geburtstag am 7. Mai 1951, gehalten bei der Gedenkfeier der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. Berlin 1951, S.31-35. 66. Erlösung aus der Sprachverwirrung! Predigt über Gen 11,4-8 und Apg 2,11 zum Abschluß der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hamburg am 5. April 1951. In: Wege zum Wort. Berlin 1951, S.408-412. 67. Siehe, ich mache alles neu! Predigt über Apk 21,7. Am 2. Dezember 1951 in der Marienkirche in Berlin gehalten. o.O.u.J. Auch in: Predigten, 1952, S.99-105. 68. Predigten (1. Halbband: Lesepredigten, S.11-104; 2. Halbband: Zeitpredigten, S.105-222). Berlin o.J. (1952). 222 S. 69. Buch der Gottesdienste. Im Anschluß an die altpreußische Agende von 1894. Gottesdienstordnungen für jeden Sonn- und Feiertag des Kirchenjahrs mit ausgeführter Liturgie. Zusammengestellt aus den liturgischen Blättern der Bekennenden Kirche und herausgegeben von Otto Dibelius im April 1952. Berlin o.J. (1952).* 70. Ich werde nicht sterben, sondern leben. Predigt, in der Michaeliskirche zu Hildesheim gehalten. In: H. Katterfeld (Hg.), Der wahre Schatz der Kirche, München 1952. 71. Autorität des Wortes Gottes. Predigt über Mt 4,5-7. Am 2.3.1952 in der Marienkirche in Berlin gehalten. o.O.u.J. 72. Salz der Erde. Predigt über Mt 5,13. In: The Pulpit 24, 1953, Nr.9, S.5ff. 73. Das Leiden des Christen. Predigt über Kol 1,24 am 1. März 1953 in der Marienkirche in Berlin gehalten. o.O.u.J. Auch in: Gegensätzen leben, 1965, S.114-122.
Predigten, Andachten, Gedenkworte
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74. Predigt über Eph 2,17. Am 16. August 1953 im Rundfunk gehalten. In: R. Geisendörfer (Hg.), Die Rundfunkpredigt. Ev.-luth. Sendungen über den BR, Bd.8. München 1953. 75. ... und hätte der Liebe nicht. Predigt im evangelischen Gottesdienst zur Eröffnung des 2. Deutschen Bundestages am 6. Oktober 1953 in der Lutherkirche zu Bonn gehalten. Gladbeck 1953. 16 S. 76. Ein festes Herz. Neujahrspredigt in der Marienkirche in Berlin. Berlin 1954 (Privatdruck). Auch in: R. Geisendörfer (Hg.), Die Rundfunkpredigt. Ev.-luth. Sendungen über den bayer. Rundfunk, Bd. 10. München 1954. 77. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen! Predigt über Apk 13,10. Am 24. Januar 1954 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Sonderdruck aus: Wege zum Wort, 1954, S.223-228. 78. Predigt über Ps 90,19. Am 31. Januar 1954 gehalten. In: R. Geisendörfer (Hg.), Die Rundfunkpredigt. Ev.-luth. Sendungen über den bayer. Rundfunk, Bd. 10. München 1954. 79. Gott, der Herr, ist Sonne und Schild! Ansprache im Kantate-Gottesdienst in der Steglitzer Matthäuskirche über Ps 84,12. Berlin 1954 (Privatdruck). Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S. 109-113. 80. Predigt über Lk 3,4 zur Wiedereinweihung der Petruskirche in Berlin-Lichterfelde am 1. Dezember 1955. In: Wege zum Wort, 1955, S.91-112. 81. Jesus ist Sieger. Predigt am Vorabend des Pfingstfestes in der Hohenzollern-Kirche in BerlinWilmersdorf. Berlin 1956 (Privatdruck). 82. Auf dein Wort. Predigt über Lk 5,5 am 1. Juli 1956 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Beilage zum BS Die Kirche, Die Predigt des Bischofs, 1956, Folge 1. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.177-185. 83. Der große Weg. Predigt über lKön 19,7. Am 3. Juni 1956 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1956, Folge 2. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.233240. 84. Die Einsamen. Predigt über Joh 5,6-7a. Am 2. September 1956 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1956, Folge 3. 85. Lasset euch versöhnen mit Gott! Predigt über 2Kor 5,20 in der Marienkirche in Berlin gehalten am 23. August 1956. Die Predigt des Bischofs, 1956, Folge 3. Auch in: R. Geisendörfer (Hg.), Die Rundfunkpredigt. Ev.-luth. Sendungen über den bayer. Rundfunk, Bd.20. München 1956. 86. Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit! Predigt über IPetr 1,25. Am 4. November 1956 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1956, Folge 5. 87. Die Stunde ist da, aufzustehen vom Schlaf! Predigt über Rom 13,11. Am 2. Dezember 1956 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1956, Folge 6. 88. Freuet euch! Predigt über Phil 4,4-7. Am 4. Advent 1956 in der Kirche Zum Heilsbronnen in Berlin-Schöneberg gehalten. Berlin 1957 (Privatdruck). Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.15-22. 89. Wahrheit und Freiheit. Predigt über Lk 6,46. Am 1. Januar 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 1. 90. Warum wollt ihr sterben? Predigt über Ez 33,11. Am 3. Februar 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 2. 91. Kraft und Weisheit. Predigt über IKor 1,22-24. Am 3. März 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 3. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.73-80. 92. Was ist Wahrheit? Predigt über Joh 18,38. Am 7. April 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 4. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.100-108. 93. Christliche Erziehung. Predigt über Tit 2,11. Am 5. Mai 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 5. 94. Lebendiges Wasser. Predigt über Joh 7,37-38. Am 2. Juni 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 6. 95. Vorbereitung für den Ernstfall. Predigt über Apg 3,7. Am 7. Juli 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 7. 96. Von unserer Fürbitte füreinander. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 8/9.
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Otto Dibelius - Bibliographie
97. Brich dem Hungrigen dein Brot! Predigt über Jes 58,7· Am 6. Oktober 1957 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 10. 98. Reformatorisches Bekenntnis im planetarischen Zeitalter. Predigt über Mt 28,18. Am Reformationsfest, 3. November 1957, in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 11. 99. Er kommt!. Predigt über Lk 1,68. Am 1. Advent, 1. Dezember 1957, in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1957, Folge 12. 100. Von der Freiheit eines Christenmenschen. Predigt über Gal 5,1. Am 1. Januar 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 1. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.38-46, und in: Zur Zeit oder Unzeit, Stuttgart 1958, S.170ff.+ 101. Wo ist dein Bruder Abel? Predigt über Gen 4,9. Am 2. Februar 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 2. 102. Christ und Welt. Predigt über ljoh 2,15-17. Am 2. März 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 3. 103. Wir suchten den Gekreuzigten und fanden den Auferstandenen. Predigt über Mt 28,5-6. Am 6. April 1958 in der Marienkirche in Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 4. 104. Gottes Wort ist nicht gebunden. Predigt über 2Tim 2,9. Am 4. Mai 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 5. 105. Der neue Mensch. Predigt über Joh 3,3. Am 1. Juni 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 6. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.140148. 106. Im Dienst der Liebe. Predigt über Apg 1,8-12. Am 15. Mai 1958 zur Hundertjahrfeier des Evang. Johannesstiftes in Berlin-Spandau gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 7. 107. Der Christ und das Geld. Predigt über Lk 16,9. Am 3. August 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 8. 108. Erntesegen. Predigt über 2Kor 9,6. Am 5. Oktober 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 9. U.d.T. „Gottes Güte und unsere Dankbarkeit" auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.206-214. 109. Dreimal: allein! Predigt über Rom 3,28. Am 2. November 1958 in der Marienkirche in Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 10. In: In Gegensätzen leben, 1965, S.215-223. 110. In ernster Stunde. Predigt über Lk 19,41-42. Am 7. Dezember 1958 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1958, Folge 11. Auszug auch in: Dokumente zur Frage der Obrigkeit, 1960, S. 15-17. 111. Vom Leben unter der Verheißung. Predigt über Jes 7,9. Am 1. Januar 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 1. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.41-47. 112. Herr, segne dein Erbe! Predigt über Ps 28,9. Am 1. Februar 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 2. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.49-55. 113. Wider die Fronten! Predigt über Lk 9,51-57. Am 1. März 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 3. In: In Gegensätzen leben, 1965, S.81-89. 114. Ein Märchen? Osterpredigt vom 29. März 1959. In: Berliner Rundfunkpredigt 15. Berlin 1959. 4 S. 115. Wenn Gott und Mensch miteinander ringen. Predigt über Gen 32,25. Am 5. April 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 4. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.65-71. 116. Wir wollen beten! Predigt über Ps 138,3. Am 3. Mai 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 5. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.73-79. 117. Vom Haß der Welt. Predigt über ljoh 3,13-14. Am 7. Juni 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 6. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.81-88, und in: In Gegensätzen leben, 1965, S.168-176. 118. Des Heilands fröhliche Leute. Predigt über Apg 8,39. Am 5. Juli 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 7. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, I960, S.89-96.
Predigten, Andachten, Gedenkworte
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119. Das große Wunder. Predigt über Mk 7,3/. Am 16. August 1959 beim 9. Deutschen Evangelischen Kirchentag in der Matthäuskirche in München gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 8. Auch in: R. Geisendörfer (Hg.), Die Rundfunkpredigt. Ev.-luth. Sendungen über den bayer. Rundfunk, München 1959/60, und in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.113-118. 120. Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit. Predigt über Mt 5,6. Am 1. November 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 9. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.97-104; Auszug in: Dokumente zur Frage der Obrigkeit, 1960, S.17. 121. Brot für die Welt. Predigt über Lk 17,20-21. Am 6. Dezember 1959 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1959, Folge 10. Auch in: G. Jacobi (Hg.), Leben und Wirken, 1960, S.105-111. 122. Fürchte dich nicht! Predigt über Apk 1,17-18. Am 1. Januar 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 1. U.d.T. „Zum neuen Jahr" auch in: Berliner Rundfunkpredigt 1. Berlin 1960. 4 S. 123. Verklärung. Predigt über Mt 17,1-8. Am 7. Februar 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 2. 124. Unser Kreuz. Predigt über Mt 16,24. Am 56. März 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 3. 125. Erlösung. Predigt über IPetr 1,18-19. Am 3. April 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 4. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.90-99. 126. Gott ist stärker! Predigt im Rundfunkgottesdienst am 17. April 1960. In: Berliner Rundfunkpredigt 18. Berlin 1960. 4 S. 127. Niemals vergebliche Arbeit. Ist Redlichkeit Mangelware? Fröhliche und dankbare Menschen. Drei Morgenandachten im SFB. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 5. 128. Der Heilige Geist ist da! Predigt über Apk 2,3. Am 5. Juni 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 6. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.149-158. 129. Wer ist nun der verlorene Sohn? Predigt über Lk 15,25-32. Am 3. Juli 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 7. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.241-249. 130. Jesus und die Familie. Predigt über Mt 12,46-50 und Ex 20,12. Am 7. August 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 8. 131. Die Freiheit des Christenmenschen. Predigt über Joh 8,36. Am 4. September 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 9. 132. Die große Versetzung. Beten gibt Kraft. Wir sind unter Gott. Eine gute Parole. Vier Morgenandachten im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 10. 133. Wir haben zu danken. Ein Herz voll Zuversicht. Seid fröhlich und getrost. Mit ihm auf dem Wege. Vier Morgenandachten im SFB. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 11. 134. Unter Gottes Gericht? Predigt über Lk 21,28. Am 4. Dezember 1960 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1960, Folge 12. 135. G. Jacobi (Hg.), Otto Dibelius. Leben und Wirken, Berlin 1960. Darin: Zwölf Predigten von Otto Dibelius aus dem Jahre 1959, S.37-127. 136. Herr, lehre uns beten! Predigt über Lk 11,1. Am 1. Januar 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 1. 137. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Predigt über IKor 12,9. Am 5. Februar 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 2. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.65-72. 138. Welches Geistes Kinder? Predigt über Lk 9,51-57. Am 5. März 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 3. 139. Er ist auferstanden. Predigt über Lk 24,6 u. 34. Am 2. April 1961 in der Marienkirche in Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 4. In: In Gegensätzen leben, 1965, S.123-130. 140. Beten vor dem richtigen Spiegel! Predigt über Lk 18,10-14. Am 7. Mai 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 5.
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Otto Dibelius - Bibliographie
141. Gott ist Liebe. Predigt über ljoh 4,16. Am 4. Juni 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 6. 142. Beratung durch Gamaliel? Predigt über Apg 5,34-41. Am 2. Juli 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 7. U.d.T. „Warnung vor Gamaliel" auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S. 186-195. 143. Predigt zur Eröffnung des 10. Deutschen Evangelischen Kirchentages am 19. Juli 1961 über Jos 3,9-17. In: R. Geisendörfer (Hg.), Die Rundfunkpredigt. Ev.-luth. Sendungen über den bayer. Rundfunk, München 1961. Auch in: Berichte des Kirchentages 1961, S.38-42. 144. Die Lebendigen und die Toten. Predigt über Lk 9,59-60. Am 6. August 1961 in der Marienkirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 8. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.258-265. 145. Wo kein Glaube ist, wächst kein Friede. Fürbitte-Gottesdienst in der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche zu Berlin am 17. August 1961. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 9. 146. Reformationsfest. Das Leben bleibt. Andacht über Rom 3,28 im Rundfunkgottesdienst (RIAS Berlin und SFB) am 31. Oktober 1961. Die Predigt des Bischofs, 1961, Folge 10. 147. Ein Ruf zum Glauben. Land, Land, Land, höre des Herrn Wort. Predigt über Jer 22,29. Am 17. Dezember 1961 bei der Einweihung der neuen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gehalten, Berlin 1962 (Privatdruck). 4 Bl. Auch in: Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 1.+ 148. Das Licht der Gerechten. Predigt über Ps 97,11. Am 21. Januar 1962 in der Kirche Alt-Tegel gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 2. 149. Warnung vor Gamaliel. Predigt über Apg 5,38-39. Am 18. Februar 1962 in er Lukaskirche in Berlin-Steglitz gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 3. 150. Stärke deine Brüder! Predigt über Lk 22,32 und Joh 21,18-19. Am 12. März 1962 in der Kaiser· Wilhelm-Gedächtniskirche zur Eröffnung der Berlin-Brandenburgischen Regionalsynode West gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 4. 151. Ihr seid Christi. Den Ruf hören. Gefunden. Drei Morgenandachten im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 5. 152. Wen da dürstet ...! Predigt über Joh 7,37. Am 3. Juni 1962 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 6. 153. Philippus findet Nathanael. Predigt über Joh 1,45. Am 24. Juni 1962 in der Philippus-Kirche in Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 7. 154. Sein Angebot. Aus der Liebe leben. Laß uns einfältig werden. Wundervolle Gewißheit. Vier Morgenandachten im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 8. 155. Durch den Glauben. Menschen des Friedens. Kein Grund zur Resignation. Fürbitte-Andacht. Am 13. August 1962 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 9. 156. Rede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Paul Tillich. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 10. 157. Gesetz - Freiheit - Liebe. Predigt über Gal 5,13. Am 14. Oktober 1962 in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 11. 158. Wir wollen evangelisch sein! Predigt über Rom 3,28 und 21. Korinther 1,10. Am 4. November 1962 gehalten. In: Berliner Rundfunkpredigt 44. Berlin 1962. 4 S. 159. Warum wollt ihr sterben? Predigt über Ez 33,11. In der Paulus-Kirche in Berlin-Lichterfelde am 21. November 1962 gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1962, Folge 12. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.250-257. 160. Worte für den Tag. 63 Morgenandachten. Berlin 1963. 203 S. 161. Neujahrspredigt über Rom 8,28. Am 1. Januar 1963 im Sender Freies Berlin gehalten. In: Berliner Rundfunkpredigt 1, Berlin 1963. 4 S. 162. Die Jahreslosung. Predigt über Ps 8,10. Am 1. Januar 1963 in der Johanneskirche in BerlinLichterfelde gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 1. 163. Jesus allein! Predigt über Mt 17,8. Am 3. Februar 1963 in der Vater-Unser-Kirche in BerlinWilmersdorf gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 2. 164. Nach Jerusalem! Predigt über Lk 18,31. Am 24. Februar 1963 in der Ernst-Moritz-ArndtKirche in Berlin-Zehlendorf gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 3.
Predigten, Andachten, Gedenkworte
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165. Aufsehen auf Jesus! Gott macht es besser. Gottes Willen erfüllen. Gott allein die Ehre! Vier Morgenandachten im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 4. 166. Siegesbotschaft des Glaubens. Die Kraft zu helfen. Die Zukunft der göttlichen Gnade. Drei Rundfunk-Andachten im RIAS Berlin und Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 5. 167. Wen da dürstet ...! Predigt über Joh 7,37. Am 26. Mai 1963 in der St. Johanneskirche in Berlin-Moabit gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 6. 168. Heimkehr zum Vater. Predigt über Lk 15,18. Am 30. Juni 1963 auf dem Rathausplatz in Berlin-Wedding gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 7. 169. Zeitgenossen einer kommenden Welt. Predigt über Apk 21,1-5. Am 28. Juli 1963 in der Melanchthon-Kirche zu Dortmund gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 8. 170. Das Bischofsamt - ein Amt der Fürbitte. Predigt zur Einführung von Bischof Pakendorf (Evang.-luth. Kirche von Transvaal). Am 22. September 1963 in Pretoria/Südafrika gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 9. 171. Antwort an den Papst. Predigt über Mk 1,15. Am Reformationstag in der Kaiser-WilhelmGedachtniskirche gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 10. 172. Zaungäste Gottes? Predigt über Mt 11,20. Am 20. November 1963 in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1963, Folge 11. 173. Vertrauen auf den lebendigen Gott. Unsere Zuversicht ist der Herr. Zwei Rundfunkansprachen im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 1. 174. Christenmensch, geh an deine Arbeit! Predigt über Mt 20,1. Am 26. Januar 1964 in der Reformationskirche in Berlin-Moabit gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 2. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.57-64. 175. Es geht nicht ohne Gott. Ich werde nicht zuschanden. Wir sind nicht allein. Drei Andachten im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 3. 176. Das Geschenk des Auferstandenen. Predigt über IPetr 1,3. Am 29. März 1964 in der KaiserWilhelm-Gedächtniskirche gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 4. 177. Es muß gesungen sein! Predigt über Ps 98,1. Am 26. April 1964 in der Kirche in Neu-Tempelhof gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 5. 178. Gottes Ehre im Krankenhaus. Predigt über Joh 11,4. Am 31. Mai 1964 im Martin-LutherKrankenhaus in Berlin gehalten. Berlin 1964 (Privatdruck). 8 S. Auch in: Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 6. 179. Muß die Kirche eigentlich modern sein? Vortrag in der St. Michaeliskirche zu Hamburg. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 7. 180. Kriegsausbruch 1914. Vortrag. Am 6. August 1964 im Sender RIAS Berlin gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 8. 181. Gottes Antwort auf die Mauer (Ps 46,5). Bittgottesdienst am 13. August 1964 in der KaiserWilhelm-Gedächtniskirche. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 9. 182. Die Kirche und die theologische Wissenschaft. Eine Antwort des Bischofs. Rundfunkansprache am 1. Oktober 1964 im RIAS Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 10. 183. Wir haben ein ewiges Evangelium. Predigt über Joh 3,16. Am Reformationstag in der Kaiser· Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1964, Folge 11. 184. Christus für die ganze Welt! Rundfunkpredigt am 1. Weihnachtsfeiertag 1964. In: Berliner Rundfunkpredigt 53, Berlin 1964. 4 S. 185. Wir werden gefordert. Getrost unter Gottes Plan. Das Hohe Lied von der Treue. Neujahrsansprache am 1. Januar 1965 im SFB. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 1. 186. Hephata! Predigt über Mk 7,34. Am 31. Januar 1965 in der Hephata-Kirchengemeinde in Berlin-Britz gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 2. 187. Die Kraft, in Gegensätzen zu leben. Predigt über 2Kor 6,9-10. In den Karl-Bonhoeffer-Heilstätten in Berlin-Wittenau am 7. März 1965 gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 3. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.7-14. 188. Zeugen der Auferstehung. Predigt über Apg 2,32. Am 18. April 1965 in der Kaiser-WilhelmGedächtniskirche gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 4.
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Otto Dibelius - Bibliographie
189. Die Christenheit Berlins erwidert den Gruß des Arztes. Predigt über Kol 4,14. Zur Eröffnung des 68. Deutschen Ärztetages in der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche am 25. Mai 1965. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 6. 190. In letzter Verantwortung. Predigt über Gal 3,4. Am 20. Juli 1965 in der St.-Annen-Kirche in Berlin-Dahlem gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 7. 191. Vom Werden der Ökumene. Predigt über Lk 4,21-30. In der Engelbrekts-Kyrkan zu Stockholm am 22. August 1965 gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 8. 192. Steht in dieser Freiheit! Predigt über Gal 5,1a. Am Reformationstag, 31. Oktober 1965, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gehalten. Die Predigt des Bischofs, 1965, Folge 9. 193. Reformation! Predigt über Dan 11,32. Am 31. Oktober 1965 im Sender Freies Berlin gehalten. In: Berliner Rundfunkpredigt 44, Berlin 1965, 4 S. 194. Licht in der Finsternis. Weihnachtsansprache. Am 25. Dezember 1964 im Sender RIAS Berlin gehalten. o.O.u.J. Auch in: In Gegensätzen leben, 1965, S.23-28.+ 195. In Gegensätzen leben. Dreißig Predigten. Berlin o.J. (1965). 265 S. 196. Er lebt! Abschiedspredigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Ostersonntag 1966. In: Hermann Kunst (Hg.), Er aber zog seine Straße fröhlich, 1966, S.41-48. 197. Das feste Herz. An der Hand Gottes. Gebunden an Gottes Gebote. ...wie Gott uns kennt. Vier Morgenandachten im Sender Freies Berlin. Die Predigt des Bischofs, 1966, Folge 1. 198. Die Angst und der Retter. Predigt über Rom 8,19. Am 3. Juli 1966 in der Kirche am Lietzensee gehalten. Berlin 1966. 8 S.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. Allgemeine Abkürzungen Die Abkürzungen der biblischen Bücher entsprechen dem Verzeichnis der RGG^, die übrigen folgen denen der TRE.Abk; darüber hinaus finden folgende Abkürzungen Verwendung: AA AB a.D. a.M. ao. a.O. apl. ApU Bearb. betr. BK BR
Außenamt Augsburger Bekenntnis außer Dienst am Main außerordentlicher (Professor) an der Oder außerplanmäßiger (Professor) Altpreußische Union Bearbeiter/in betreffend Bekennende Kirche Bayerischer Rundfunk
BRD CA CDU CSV(D) CVJM D. DC DCSV DEK DEKA DEKB DDP DDR Dir. Div. DNVP DVP EKD EKU em. EOK ev.; evang. FDP FVP GDC GenSup. GG i.R. KiHo KonsPräs.
Bundesrepublik Deutschland Confessio Augustana Christlich Demokratische Union Christlich-Sozialer Volksdienst (Deutschlands) Christlicher Verein junger Männer / Menschen Doktor theol. (h.c.) Deutsche Christen Deutsche Christliche Studentenvereinigung Deutsche Evangelische Kirche Deutscher Evangelischer Kirchenausschuß Deutscher Evangelischer Kirchenbund Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Direktor Division(s-) Deutschnationale Volkspartei Deutsche Volkspartei Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche der Union emeritiert Evangelischer Oberkirchenrat (Berlin) evangelisch... Freie Demokratische Partei Fortschrittliche Volkspartei Glaubensbewegung Deutsche Christen Generalsuperintendent Grundgesetz der B R D im Ruhestand Kirchliche Hochschule Konsistorialpräsident
570 KonsRt KPD Kr. KZ Lie.; lie. MdB MdL MdR Mil. NATO NL NS; ns. NSDAP o. O.D. o.D. o.J. OKonsRt OKR ORK РЧ-
Pers. (-)preuß. RIAS RM SA SED SFB SPD SS Sup. TU u. USA USPD V.
VdSt. / V.D.St. Vf. VKL Vors. VU WRV Zentrum Ziff.
Abkürzungsverzeichnis Konsistorialrat Kommunistische Partei Deutschlands Kreis Konzentrationslager Licentiat Mitglied des Deutschen Bundestages Mitglied des Landtags Mitglied des Reichstags MilitärQ North Atlantic Treaty Organization Nachlass Nationalsozialismus; nationalsozialistisch... Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ordentlicher (Professor) Otto Dibelius ohne Datum ohne Jahr Oberkonsistorialrat Oberkirchenrat Ökumenischer Rat der Kirchen (Genf) Pagina Personalakte Qpreußisch... Rundfunk im amerikanischen Sektor (Berlin) Reichsmark Sturm-Abteilung Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sender Freies Berlin Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutz-Staffel Superintendent Technische Universität und United States of Amerika Unabhängige Sozialistische Partei Deutschlands von; vom Verein deutscher Studenten Verfassung; Verfasser/in Vorläufige Kirchenleitung Vorsitzende/r Verfassungsurkunde Weimarer Reichsverfassung Deutsche Zentrumspartei Ziffer Wort- und Buchstaben-Auslassungszeichen
Abkürzungen der Literaturangaben
571
2. Abkürzungen der Literaturangaben Die Abkürzungen folgen denen des IATG; darüber hinaus finden die in Klammern gesetzten Abkürzungen Verwendung. AB1EKD AELKZ
AGK(.E) (AkBl.) AKZG
Amtsblatt der EKD Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung. Organ der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Konferenz Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes (Ergänzungsreihe) Akademische Blätter Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte
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Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Berliner Evangelisches Sonntagsblatt Beiträge zur Evangelischen Theologie Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche Berliner Sonntagsblatt - Die Kirche Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche Berliner Theologische Zeitschrift Bibliotheca Theologiae Practicae Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte
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Eiserne Blätter. Wochenschrift für Deutsche Politik und Kultur Eckart. Blätter für evangelische Geisteskultur Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Europäische Hochschulschriften, Reihe 3 (Geschichte und ihre Hilfswissenschaften) Europäische Hochschulschriften, Reihe 23 (Theologie) Eichstätter Beiträge. Schriftenreihe der Katholischen Universität Eichstätt Die Eiche. Vierteljahrsschrift für Freundschaftsarbeit der Kirchen Evangelische Kommentare. Monatsschrift zum Zeitgeschehen in Kirche und Gesellschaft Ekklesia. Eine Sammlung von Selbstdarstellungen der christlichen Kirchen Evangelisches Kirchenlexikon Evangelische Missionszeitschrift für Missionswissenschaft und evangelische Religionskunde Evangelischer Pressedienst Evangelische Presseforschung
572
Abkürzungsverzeichnis
ER ESL EStL (EvBerl.) EvDia EvDt
Ecumenical Review Evangelisches Soziallexikon Evangelisches Staatslexikon Das Evangelische Berlin Die evangelische Diaspora. Zeitschrift des Gustav-Adolf-Vereins Das Evangelische Deutschland. Kirchliche Rundschau für das Gesamtgebiet des Deutschen Evang. Kirchenbundes (EvDrR.) Evangelium im Dritten Reich. Sonntagsblatt der Deutschen Christen (EvKiBl. Berlin) Evangelisches Kirchenblatt für Groß-Berlin (EvKiBl. Polen) Evangelisches Kirchenblatt für Polen. Monatsschrift für evangelisches Leben in Polen (EvMark) Die Evangelische Mark EvPäd Die evangelische Pädagogik. Zeitschrift der Gesellschaft für evangelische Pädagogik EvTh Evangelische Theologie EvW Evangelische Welt (EvWoBr.) Evangelische Wochenbriefe FBESG Furche
Forschungen und Berichte der Evangelischen Studiengemeinschaft Die Furche. Evangelische Monatsschrift für das geistige Leben der Gegenwart
GDEK GIF GKTG GTBS
Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche Glaube und Forschung. Veröffentlichungen der Evangelischen Studiengemeinschaft Grundtexte zur Kirchen- und Theologiegeschichte Gütersloher Taschenbuch Siebenstern
HerChr HST HZ
Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte Handbuch Systematischer Theologie Historische Zeitschrift
IATG
Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, 2 1994
JK JusEcc
Junge Kirche. Halbmonatsschrift für reformatorisches Christentum Jus Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchentum Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte
JWKG KBRS KD KIG KiKonf KiZ KJ
(Korresp.) KrZ KT KuKi KZG
Kirchenblatt für die Reformierte Schweiz Kirchliche Dogmatik (Karl Barth) Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch Kirche und Konfession Kirche in der Zeit Kirchliches Jahrbuch für die evangelischen Landeskirchen Deutschlands / für die Evangelische Kirche in Deutschland Konfession und Gesellschaft. Beiträge zur Zeitgeschichte Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde Korrespondenz von Otto Dibelius als Geschäftsführer des Vertrauensrates Kreuzzeitung. Neue Preußische Zeitung Kaiser-Traktate / Kaiser-Taschenbücher Kunst und Kirche, Darmstadt Kirchliche Zeitgeschichte
LitHw
Literarischer Handweiser für das katholische Deutschland
KoGe KO.M
Abkürzungen der Literaturangaben
573
LKGG LM LThK
Die Lutherische Kirche, Geschichte und Gestalten Lutherische Monatshefte Lexikon für Theologie und Kirche
(Mitteilungen)
Mitteilungen aus der Arbeit der dem Evang. Oberkirchenrat und dem Generalsynodalvorstand beigeordneten Vertrauensmänner der Evangelischen Landeskirche Münchener Kirchenhistorische Studien Monatschrift für Pastoraltheologie zur Vertiefung des gesamten pfarramtlichen Wirkens
MKHS MPTh
NBST Neuwerk NTF
Neukirchener Beiträge zur Systematischen Theologie Neuwerk. Ein Dienst am Werdenden Neutestamentliche Forschungen. Reihe 2: Untersuchungen zum Kirchenproblem des Urchristentums
OA
Orbis Academicus. Geschichte der politischen Ideen in Dokumenten und Darstellungen Ostdeutsche Monatshefte für deutsche Kultur und deutsche Geschichte Ostdeutsche Wissenschaft Ökumene-Lexikon. Kirchen - Religionen - Bewegungen Ökumenische Rundschau Orientierung. Katholische Blätter für weltanschauliche Informationen. Zürich Ökumenische Theologie
ODM ODW OL OR Orien. ÖTh PBl PhB PoKi PrBl PrKZ
Pastoralblätter für Predigt, Seelsorge und kirchliche Unterweisung Philosophische Bibliothek Politik und Kirche. Studienbücher zur kirchlichen Zeitgeschichte Protestantenblatt. Wochenschrift für den deutschen Protestantismus Preußische Kirchenzeitung. Kirchenpolitisches Monatsblatt für die Mitglieder der Volkskirchlichen Evangelischen Vereinigung
(Rbo.) (RdBr.) RE Ref. Refor. RGG RKZ
Der Reichsbote Rundbriefe von Otto Dibelius an die Amtsbrüder der Kurmark Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche Reformatio. Evangelische Zeitschrift für Kultur und Politik. Zürich Die Reformation. Deutsche evangelische Kirchenzeitung für die Gemeinde Die Religion in Geschichte und Gegenwart Reformierte Kirchenzeitung. Organ des Reformierten Bundes für Deutschland
SGV SKI SKZG (SoSp.) SPTh(G) StL SVRKG
Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte Studien zu Kirche und Israel Studienbücher zur Kirchlichen Zeitgeschichte „Sonntagsspiegel": sonntägliche Artikel von Otto Dibelius, in: Der Tag Studien zur praktischen Theologie, Gießen Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte
TB TEH ThBl ThF ThG ThLBl
Theologische Bücherei. Neudrucke und Berichte aus dem 20. Jahrhundert Theologische Existenz heute Theologische Blätter Theologische Forschung Theologie der Gegenwart Theologisches Literaturblatt
574
Abkürzungsverzeichnis
ThLZ
Theologische Literaturzeitung
ThViat TLB (TR) TRE(.Abk)
Theologia Viatorum. Jahrbuch der Kirchlichen Hochschule Berlin Theologischer Literaturbericht Tägliche Rundschau Theologische Realenzyklopädie (Abkürzungsverzeichnis)
UTB(.W)
Uni-Taschenbücher (für Wissenschaft)
VHKB VIKJ (VZ)
Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum bei der Kirchlichen Hochschule Berlin Vossische Zeitung
(WoSch.)
„Wochenschau": sonntägliche Artikel von Otto Dibelius, in: BES
ZdZ ZKG ZMRW ZNW (ZRS) ZThK(.B) ZZ
Die Zeichen der Zeit. Evangelische Monatsschrift für Mitarbeiter der Kirche Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft Zeitschrift für Religion und Sozialismus Zeitschrift für Theologie und Kirche (Beiheft) Zwischen den Zeiten. Zweimonatsschrift
Verkürzt zitierte Periodica
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3. Verkürzt zitierte Periodica Acht-Uhr-Abendblatt. National-Zeitung. Berlin Der Angriff. Tageszeitung der Deutschen Arbeitsfront. Das deutsche Abendblatt Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung: Das Parlament Berliner Lokalanzeiger. Organ für die Reichshauptstadt Berliner Morgenpost. Berliner Allgemeine Berliner Politik. Monatszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur Berliner Tageblatt und Handelszeitung Berliner Zeitung Biblische Zeugnisse. Monatsblatt der Freunde des Heidelberger Katechismus Brandenburger Anzeiger. Tageszeitung für Brandenburg, Westhavelland und Zauch-Belzig Burschenschaftliche Blätter. Zeitschrift der Deutschen Burschenschaft Christentum und Wirklichkeit. Evangelisches Monatsblatt The Christian Century. Α Journal of Religion Chronik der Kirchenwirren / Gotthard-Briefe Civis. Vierteljahresschrift für freie Bürger in einem freiheitlichen Staat Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesellschaft Der Convent. Akademische Monatsschrift Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen Der deutsche Führer. Nationale Blätter für Politik und Kultur Deutsche Kommentare. Wochenzeitung für das ganze Deutschland Deutsche Lehrer-Zeitung. Hauptorgan des Verbandes deutscher evangelischer Schulgemeinden und Elternvereinigungen, Lehrer- und Lehrerinnen-Vereine Deutsche Monatshefte Deutsche Tageszeitung. Unparteiisches Volksblatt Deutsche Treue. Zeitschrift des Nationalverbandes Deutscher Offiziere Deutsche Woche. Das Blatt der Christlich-Demokratischen Union Deutsche Zeitung (Ausgabe für Groß-Berlin) Deutscher Merkur. Organ für die katholische Reformbewegung. Darin: Der romfreie Katholik. Zeitschrift der Katholisch-Nationalkirchlichen Bewegung Deutscher Offizier-Bund. Bundesblatt des Deutschen Offizier-Bundes Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger Deutsches Volkstum. Monatsschrift für das deutsche Geistesleben Echo der Zeit. Uberparteiliche Wochenzeitung. Recklinghausen Der Evangelische Erzieher. Zeitschrift für Pädagogik und Theologie Der evangelische Kirchenvorstand. Vierteljahresschrift für die Mitglieder der Gemeindekirchenräte, Presbyterien und Kirchenvorstände im evangelischen Deutschland Evangelische Verantwortung. Politische Briefe des Ev. Arbeitskreises der C D U / C S U Das evangelische Westfalen. Nachrichtendienst der Evangelischen Kirche von Westfalen Frankfurter Zeitung und Handelsblatt Der Freie. Blätter für freie Menschen und solche, die es werden wollen Freies Christentum. Auf der Suche nach neuen Wegen. Hg. vom Bund für Freies Christentum Die Freiheit. Halbmonatsschrift für christliche Politik und Kultur Fridericus Furche-Jahrbuch
576
Abkürzungsverzeichnis
Gabe und Auftrag. Ausrüstung für das Christuszeugnis der Frau. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft der Frauen- und Mädchen-Bibelkreise (MBK) Glaube und Heimat. Evang. Sonntagsblatt für Thüringen Havelländische Rundschau. Osthavelländisches Kreisblatt, Veltener Zeitung, Henningsdorfer Lokalanzeiger, Kremmer Zeitung. Amtliches Blatt des Kreises Osthavelland und der Kreisstadt Nauen Herder-Korrespondenz. Monatshefte für Gesellschaft und Religion. Darin: Orbis Catholicus (Wien) Die Hilfe. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst Die Innere Mission. Monatsblatt des Centrai-Ausschusses für Innere Mission Jüdische Rundschau. Allgemeine jüdische Zeitung. Monatsausgabe Kasseler Post. Kasseler Allgemeine Zeitung Katholiken-Korrespondenz Kirche und Mann. Monatsschrift für Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland Die Kirchenfrage. Berliner Informationen Kirchliche Zeitschrift. Chicago Kirchlicher Anzeiger für Württemberg. Organ des Evangelischen Pfarrvereins Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt Kölnische Zeitung mit Wirtschafts- und Handelsblatt Konservative Monatsschrift Leipziger Neueste Nachrichten und Handelszeitung Licht und Leben. Evangelisches Wochenblatt Die literarische Welt. Unabhängiges Organ für das deutsche Schrifttum Der Lutherring. Halbmonatsschrift für aktives Christentum auf reformatorischer Grundlage Der Märkische Adler. Amtliches Organ der Ostmark der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Märkisches Tageblatt Magdeburger Zeitung Mitarbeit. Evangelische Monatshefte zur Gesellschaftspolitik Neue Bahnen. Monatsheft für Erziehung und Unterricht Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch Neue deutsche Hefte. Beiträge zur europäischen Gegenwart Neue Preussische Kreuz-Zeitung Neue Preußische Zeitung Die neue Rundschau. Die Freie Bühne Neue Zeit. Sieben Tage Weltpolitik. Wochenschrift Neue Zeit des Westens. Charlottenburg Neues Sächsisches Kirchenblatt The New York Times Niederdeutsche Kirchenzeitung. Evangelisch-Lutherisches Halbmonatsblatt für Kirche und Volkstum in Niederdeutschland Niedersächsische Rundschau. Organ für vaterländische Politik Notgemeinschaft Evangelischer Deutscher. Nachrichten der Notgemeinschaft Evangelischer Deutscher. Mitteilungsblatt Oberhessische Zeitung. Der Oberhesse. Hessische Landeszeitung. Marburg a.L. Das Parlament. Die Woche im Bundestag Die Post
Verkürzt zitierte Periodica
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Potsdamer Volksblatt. Organ der werktätigen Bevölkerung für Potsdam, Nowawes und Umgegend. Amtliches Publikationsorgan für die Gemeinden Nowawes, Bornstadt, Bornim, Caputh und Geltow Preußische Lehrerzeitung Reformiertes Jahrbuch Der Remter. Zeitschrift für Kultur und Politik in Osteuropa. Blätter ostdeutscher Besinnung Rheinischer Merkur Der Ring. Konservative Wochenschrift Die Rote Fahne. Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale) Der Ruppiner Stürmer. Amtliches Kreisblatt für den Kreis Ruppin. Mitteilungsblatt des Kreises Ruppin der N S D A P im Gau Kurmark Sächsisches Kirchenblatt. Verein für das Sächsische Kirchenblatt. Dresden Schlesische Zeitung Das Schwarze Korps. Zeitung der Schutzstaffeln der N S D A P . Organ der Reichsführung der SS Signale. Informationsblätter über Angriff und Abwehr widerchristlicher Kampfbewegungen Sonntagsgruß. Evangelisches Gemeindeblatt für das Rheinland Der sozialistische Freidenker. Monatsschrift des Bundes Sozialistischer Freidenker е. V., mit Feuerbestattung Spenerbote. Gemeindeblatt der Königin-Luise-Gedächtniskirche Berlin Der Spiegel. Das deutsche Nachrichten-Magazin Standarte. Wochenschrift des neuen Nationalismus Der Tag. Moderne illustrierte Zeitung. Berlin Der Tagesspiegel. Unabhängige Berliner Morgenzeitung Die Tat. Monatsschrift für die Zukunft deutscher Kultur The Thielensian. Greenville/Pennsylvania (USA) Time. The weekly newsmagazine The Times. London Treuga Dei. Mitteilungen des Religiösen Bundes für sachliche Behandlung kirchlicher Fragen Tübinger Chronik Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist U n a Sancta. Zeitschrift des Hochkirchlich-Okumenischen Bundes. Ein Ruf an die Christenheit Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur Vertrauliche Mitteilungen des Evangelischen Reichsausschusses der D N V P Völkischer Beobachter. Kampfblatt der national-sozialistischen Bewegung Großdeutschlands. Berliner Ausgabe Völkischer Beobachter. Kampfblatt der national-sozialistischen Bewegung Großdeutschlands. Münchener Ausgabe Vorwärts. Berliner Volksblatt. Das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands Wächterstimmen. Eine Zweimonatsschrift zur Stärkung und Aufmunterung in der Reichsgottesarbeit Die Weibliche Jugend. Fachschrift für weibliche Jugendpflege Weißenseer Blätter. Hefte zu Fragen aus Theologie, Kirche und Gesellschaft
REGISTER
1. Biographische Angaben ADAM, Karl geb. 22.10.1876 Pursruck/Oberpfalz, gest. 1.4.1966 Tübingen, Prof. für Systematische Theologie (kath.) Straßburg, Tübingen 1919. ADAMS, Peter geb. 1868, gest. 1942, Stadtschulrat Barmen-Rittershausen, Mitglied des D E K A . ADENAUER, Konrad geb. 5.1.1876 Köln, gest. 19.4.1967 Bad Honnef-Rhöndorf, Oberbürgermeister Köln 19171933 u. 1945, erster Bundeskanzler (CDU) der B R D 1949-1963. ALBERTZ, Martin geb. 7.5.1883 Halle/Saale, gest. 29.12.1956 Berlin, Ordination u. Hilfsprediger Posen 1908, Studieninspektor Halle, Pfarrer Stampen u. Bohrau/Schlesien 1909, Studiendirektor Predigerseminar Johannesstift Berlin-Spandau 1921, Stettin-Kückenmühle 1923, Oberpfarrer u. Krankenhausseelsorger Soldin/Brandenburg 1928, Pfarrer u. Sup. Berlin-Spandau 1931-1953, Mitglied des Berlin-Brandenburgischen (1935 Berliner) Bruderrates 1934, Amtsenthebung aus kirchenpolitischen Gründen u. Leiter des Theologischen Prüfungsamts der B K Berlin-Brandenburg 1935, wegen dieser „illegalen" Tätigkeit Aberkennung der Rechte des geistlichen Standes 1938, Gefängnis 1940/41, Vors. der V K L Π 1936-1945, Prof. für reformierte Theologie Humboldt-Universität Berlin u. für Neues Testament KiHo Berlin 1945 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. 1934, Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. ALTHAUS, Paul geb. 4.2.1888 Obershagen bei Celle, gest. 18.5.1966 Erlangen, Militärpfarrer in Lodz 1915/17, Prof. für Systematische Theologie Rostock 1919, für Systematische Theologie u. Neues Testament Erlangen 1925-1956 - Mitglied im Arbeitsausschuss des Lutherischen Rates 1934/35, der Theologischen Kammer der D E K 1936 - Teilnehmer der Bekenntnissynode der D E K Berlin-Dahlem 1934 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. ALTHOFF, Friedrich geb. 29.2.1839 Dinslaken, gest. 20.10.1920 Berlin, Rechtsanwalt 1870, Referent für Kirchen- u. Schulsachen Straßburg 1871, gleichzeitig Prof. für Zivilrecht Straßburg 1872, Mitglied des elsässisch-lothringischen Staatsrats 1882, Ministerialdirektor im preuß. Kultusministerium 1897, Ruhestand 1907, Mitglied des preuß. Herrenhauses. ANDLER, Erich geb. 27.11.1894 Zempelburg, gest. 25.12.1969 Berlin, Ordination u. Pfarrer in Schönberg/Kr. Calau 1925, B u c k o w / K r . Müncheberg 1929, OKonsRt Berlin 1946, em. 1963 - Mitglied des Brandenburger Bruderrats. ARNDT, Ernst Moritz geb. 26.12.1769 G r o ß Schoritz/Rügen, gest. 29.1.1860 Bonn, politischer Schriftsteller u. Dichter, Geschichtsprofessor, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. ARNM-LÜTZLOW, Wilhelm von geb. 27.2.1879 Gut Züsedom/Kr. Angermünde, gest. 23.11.1943 (Fliegerangriff) Berlin, Gutsbesitzer auf Lützlow bis 1926, lebte dann in Berlin-Wannsee - Mitglied des Bruderrates der Evang. Kirche der A p U u. des Berlin-Brandenburgischen (seit 1935 brandenburgischen) Bru-
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derrates 1934 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der DEK Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. ASMUSSEN, Hans geb. 21.8.1898 Flensburg, gest. 30.12.1968 Speyer, Ordination u. Pfarrer Diakonissenanstalt Flensburg 1923, Albersdorf 1925, Altona 1932, aus kirchenpolitischen Gründen Amtsenthebung 1933 u. Ruhestandsversetzung 25.2.1934, Leiter der theologischen Abteilung im Präsidium der Bekenntnissynode Bad Oeynhausen Juni 1934, Bestellung als Visitator der bekennenden Gemeinden durch den vorläufigen Landesbruderrat (Bekenntnisgemeinschaft) Nassau-Hessen Sommer 1934, Leiter u. Dozent für Praktische Theologie u. Neues Testament KiHo Berlin Wintersemester 1935/36, zugleich Pfarrer Berlin-Lichterfelde 1936, Gefängnisstrafe 1941, Mitglied des Berliner Bruderrates seit 1940, nominell „Sekretär" der Bremer Firma Deschimag, Aushilfspfarrer im Dienst der württembergischen Landeskirche 1942, erster Präsident der Kirchenkanzlei der EKD in Schwäbisch Gmünd 1945, Propst Kiel 1948-1955 (em.) - Mitglied des Reichsbruderrates Mai 1934, des Rates der DEK Oktober 1934 u. Februar 1936 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der DEK (Arbeitsausschuss) Barmen u. BerlinDahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. AUGUST II, DER STARKE geb. 12.5.1670 Dresden, gest. 1.2.1733 Warschau, als Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen seit 1694, Konversion zum Katholizismus 1697, König von Polen 1697-1706 u. ab 1709. AUGUST WILHELM, Prinz von Preußen geb. 1887, gest. 1949, Sohn von Wilhelm II., NSDAP-Mitglied ab 1931. AUGUSTAT, Walter geb. 21.9.1899 Newcastle, gest. 14.8.1979, Ordination u. Hilfsprediger Wittstock 1925, Pfarrer ebd. 1926, Konsistorialassessor beim EOK 1927, Anstaltsgeistlicher Templin 1930, Pfarrer Berlin-Zehlendorf 1939, Elisabeth Diakonissen- u. Krankenhaus 1948. AUGUSTIN, Aurelius geb. 13.11.354 Tagaste (Numidien), gest. 28.8.430 Hippo Regius (Numidien), Kirchenvater. AVERDIECK, Elise geb. 26.2.1808 H a m b u r g (Elise Kühner), gest. 7.11.1907 Hamburg, Lehrerin 1832, Diakonisse, Gründerin u. Oberin der Diakonissenanstalt Bethesda 1856-1881. AVERDUNK Vors. des DNVP-Landesverbands Potsdam I. AXENFELD, Karl geb. 6.3.1869 Smyrna, gest. 11.6.1924 Berlin, Lehrer Godesberg 1892, Vereinsgeistlicher Innere Mission Berlin 1893, Pfarrer Erdeborn 1894, Missionsinspektor Berliner Missionsgesellschaft 1904, Missionsdirektor Berlin 1913, GenSup. der Kurmark 1921. AXENFELD, Karl (Sohn) geb. 11.12.1906, gest. (Bootsunfall) 30.7.1925 Säckingen, Stud. phil. BACH, Johann Sebastian geb. 21.3.1685 Eisenach, gest. 28.7.1750 Leipzig, Kirchenmusiker u. Komponist. BAHR, Egon geb. 18.3.1922 Treffurt, Journalist u. Politiker (SPD). BALTZER, Martin geb. 13.10.1895 Demnitz, gest. 12.12.1983, Inspektor am Tholuck-Konvikt Halle/Saale 19221927, Assistent am Theologischen Seminar ebd. 1922-1929, Prädikant Worbis (Eichsfeld) 1930, Pfarrer Dingelstädt 1931, Berlin-Lichterfelde 1937. BÄNKE, Erich geb. 27.4.1884 Berlin, gest. 22.8.1937 Bielefeld, KonsRt 1925, OKonsRt 1928 u. Mitglied des EOK Berlin, zuständig für die abgetretenen Gebiete. BARTH, Karl geb. 10.5.1886 Basel, gest. 10.12.1968 Basel, Honorar-Prof. für Systematische Theologie Göttingen 1921, Prof. Münster 1925, Bonn 1930, nach Suspendierung und Ausweisung aus
Biographische Angaben
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Deutschland Basel 1935-1962 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K in Barmen u. Berlin-Dahlem 1934. BARTH, Peter geb. 17.5.1888 Basel, gest. 20.6.1940 Madiswil/Kt. Bern, Pfarrer Laupen 1912, Madiswil 1918. BARTNING, O t t o geb. 12.4.1883 Karlsruhe, gest. 20.2.1959 Darmstadt, Architekt Berlin 1905, Dir. der Staatlichen Hochschule für Handwerk u. Baukunst Weimar 1926-1930, später wieder in Berlin u. seit 1951 in Darmstadt, Vors. des Deutschen Werkbunds 1946, Präsident des Bundes Deutscher Architekten 1950-1959, städtebaulicher Berater der Stadt Berlin 1955, Begründer des modernen evangelischen Kirchenbaus. BAUER, Walter geb. 6.11.1901 Heilbronn, gest. 1.11.1968 Fulda, Banklehre u. Externenabitur, Studium der Volkswirtschaft, selbständiger Unternehmer 1938-1968 - Haft 15.10.1944 bis 21.4.1945, Prozess vor dem Volksgerichtshof - VorstandsVors. der Valentin Mehler A G Fulda 1952-1968, Mitglied des Wirtschaftsrates des Länderrates, Mitglied des Präsidiums der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1946-1948, Mitglied des Vorstandes des Deutschen Industrie- u. Handelstages 1963-1968, Vizepräsident des Gesamtverbandes der Textilindustrie 1960-1964 - Mitglied der EKD-Synode, Mitglied der Kammer für öffentliche Verantwortung u. der Kammer für soziale Ordnung der E K D 1949-1968, Mitglied des Rates der E K D 1967, zahlreiche weitere Ehrenämter in Kirche u. Industrie. BÄUMER, Gertrud geb. 12.9.1873 Hohenlimburg, gest. 25.3.1954 Bethel, Lehrerinnen-Examen 1891, Studium der Theologie, Germanistik, Philosophie Berlin 1900, Vors. des Bundes Deutscher Frauenvereine 1910-1919, Frauenreferat im Kriegsamt für Hamburg u. Schleswig-Holstein 1916, Vorstandsmitglied D D P 1919, Mitglied der Nationalversammlung u. MdR 1919 (DDP), Ministerialrätin Reichsinnenministerium 1930, Beurlaubung März 1933, Entlassung wegen „politischer UnZuverlässigkeit" April 1933, freie Schriftstellerin u. seit 1938 christliche Vortragsrednerin. BAUMGARTEN, O t t o geb. 29.1.1858 München, gest. 21.3.1934, Kirchendienst in Baden u. Berlin, Prof. für Praktische Theologie Jena 1890, Kiel 1894. Vors. des Ev.-sozialen Kongresses, beratendes Mitglied der deutschen Friedensdelegation 1919, em. 1926. BEBEL, August geb. 22.2.1840 Köln-Deutz, gest. 13.8.1913 Passugg/Schweiz, Drechslermeister u. Politiker (SDAP). BECK, Ludwig geb. 29.6.1880 Biebrich (Wiesbaden), gest. 20.7.1944 (nach gescheitertem Suizidversuch ermordet) Berlin, General. BECKER, Carl Heinrich geb. 12.4.1876 Amsterdam, gest. 10.2.1933 Berlin, Prof. für Orientalistik Heidelberg, Hamburg, Bonn, Berlin, preuß. Kultusminister 1921 u. 1925-1930. BEETHOVEN, Ludwig van geb. 17.12.1770 Bonn, gest. 26.3.1827 Wien, Komponist. BEGRICH, Joachim geb. 13.6.1900 Predel/Kr. Zeitz, gest. (gefallen) 26.4.1945 Dussio bei Belluno/Oberitalien, Privatdozent Marburg 1928, Prof. für Altes Testament Leipzig 1930, Kriegsdienst 1941 - Mitglied des sächsischen Landesbruderrates 1934. BEHRENS, Franz geb. 2.2.1872 Marienhof/Mecklenburg-Strelitz, gest. 3.9.1943 Alt-Landsberg - Generalsekretär des Reichsverbandes ländlicher Arbeitnehmer, Vors. des Deutschen Arbeiterkongresses, Vors. des Zentralverbands der Landarbeiter Berlin, MdR ( D N V P u. CSVD), Mitglied des D E K A .
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Register
BELL, George geb. 4.2.1883 Hayling Island Hants/Großbritannien, gest. 3.10. 1958 Canterbury, Dompropst Canterbury 1924, Bischof von Chichester 1929-1957, Vors. des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum 1932, Vors. des Zentralausschusses des ORK 1948-1955, Mitglied des Oberhauses 1937. BENGTSON, V a l d u s
Pfarrer in Stockholm. BERG, Helmut vom geb. 24.1.1901 Barmen, gest. 1.9.1975 Bremen, Pfarrer Recklinghausen 1926-1931, Pfarrer im Auftrag der Pastoralhilfsgesellschaft in Berlin für den kirchlichen Jugenddienst der Mark Brandenburg in Potsdam 1931-1934, Elberfeld 1934, Kriegspfarrer 1940, britische Kriegsgefangenschaft 1944-1946, Pfarrer Fechingen 1946-1955, Emmerich 1955-1966 (em.) - Dogmatik-Dozent Theol. Schule Norton Camp/Großbritannien 1945/46. BERGGRAV, E i v i n d
geb. 25.10.1884 Stavanger, gest. 14.1.1959 Oslo, Redakteur u. Lehrer seit 1909, Pfarrer Hurtdal 1919, Bischof Troms0 1929, Bischof von Oslo u. Primas der Kirche von Norwegen 19371951, in Haft 1942-1945, einer der Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen 1950. BERNDT, A l f r e d - I n g e m a r
geb. 22.4.1905 Bromberg, gest. (gefallen) 1945, Mitglied der NSDAP seit 1923, Mitbegründer des Bundes „Deutscher Osten", Redakteur u. Mitglied NS-Gaupresseamt Berlin 1932, Adjutant des Reichspressechefs der NSDAP Otto Dietrich 1933, Abteilungsleiter in der Reichspressestelle der NSDAP, Hauptschriftleiter DNB, Leiter der Presseabteilung im Reichspropagandaministerium u. stellvertretender Pressechef der Reichsregierung 1936, Abteilungsleiter Schrifttum 1938, Abteilungsleiter Rundfunk 1939, Abteilungsleiter Propaganda 1941. BESIER, G e r h a r d
geb. 1947, Prof. für Kirchengeschichte Berlin 1987, Heidelberg 1992. BESSERT, Lieselotte geb. Spiegel geb. 15.3.1914 Kolmar in Polen (Posen), kirchlich tätig in der Superintendentur Arnswalde (Neumark) 1932-1938, publizistische Ausbildung in den Verlagen des Reichsnährstandes 1939-1944, Pressereferentin der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg 1945-1974, Herausgeberin der Zeitschrift „Die Schöpfung" 1946-1949, Mitglied der EKD-Synode, Studium der mittelalterlichen Geschichte, der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie (M.A.). BETHGE, Eberhard geb. 28.8.1909 Warchau/Provinz Sachsen, Studieninspektor am Predigerseminar der BK Finkenwalde resp. Groß-Schlönwitz/Pommern 1935, Missionsinspektor Goßner-Mission Berlin 1940-1945, Wehrdienst 1943, persönlicher Referent von Bischof Dibelius. 1945, Studentenpfarrer Berlin 1946, Pfarrer London 1953, Leiter des Pastoralkollegs der rheinischen Kirche in Rengsdorf 1961, Honorarprofessor Bonn 1969. BETHMANN HOLLWEG, T h e o b a l d v o n
geb. 29.11.1856 Hohenfinow bei Eberswalde, gest. 2.1.1921 ebd., preuß. Innenminister 1905, Reichskanzler 1908-1917. BEYSCHLAG, W i l l i b a l d
geb. 5.9.1823 Frankfurt/Main, gest. 25.11.1900 Halle/Saale, Pfarrer Trier 1850, Hofprediger Karlsruhe 1856, Prof. für Praktische Theologie 1860. BLERSCHWALE, Alfred Reichssachbearbeiter der G D C 1933. BISMARCK, Otto von geb. 1.4.1815 Schönhausen/Altmark, gest. 30.7.1898 Friedrichsruh, Jurist u. Staatsmann, Kanzler.
Biographische Angaben
583
BLAU, Paul geb. 15.5.1861 Suhl/Thüringen, gest. 19.12.1944 Posen, Pfarrer Haynrode 1884, Pfarrer an der Kaiserin-Augusta-Stiftung Berlin 1897, Oberhofprediger in Wernigerode 1902, GenSup. Posen 1910. BLEIER, August geb. 2.8.1882 Erkrath, gest. 12.1.1958, Pfarrer Gummersbach 1909, Pfarrer Grevenbroich 1912, Pfarrer Berlin-Charlottenburg 1915, Ruhestand 1953. BLUMHARDT, Christoph (Sohn) geb. 1.6.1842 Möttlingen, gest. 2.8.1919 Bad Boll, Theologe u. Politiker, Mitbegründer des religiösen Sozialismus, 1900-1906 württ. MdL (SPD). BOCKEMÜHL, Peter geb. 1896, gest. 1953, BK, Pfarrer Puderbach 1923, reformiert Cronenberg 1927, Sup. Elberfeld 1949-1953, Mitglied des Bruderrats der A p U , rheinischer Vertrauensmann. BODELSCHWINGH, Friedrich von (Sohn) geb. 14.8.1877 Bethel, gest. 4.1.1946 Bethel, Ordination 1903, Mitarbeiter u. Nachfolger seines Vaters in der Leitung der Anstalten Bethel, Sarepta u. Nazareth (seit 1921: von Bodelschwingh'sche Anstalten) 1904, (designierter) Reichsbischof der D E K Mai/Juni 1933 - Mitglied des Bruderrates der Arbeitsgemeinschaft der missionarischen u. diakonischen Werke u. Verbände - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934. BODELSCHWINGH, Friedrich von (Vater) geb. 6.3.1831 Tecklenburg, gest. 2.4.1910 Bethel, Landwirt, Hilfsprediger u. Betreuer deutscher Auswanderer Paris 1858-1864, Pfarrer Dellwig 1864, Gründer der Anstalt Bethel bei Bielefeld 1867, Leitung der Anstalt für Epileptiker u. des Diakonissenhauses Sarepta Bethel 1872, Erweiterung (Bodelschwingh'sche Anstalten), Gründung von Arbeiterkolonien seit 1882, MdL Preußen 1903. BOELITZ, O t t o geb. 18.4.1876 Wesel, gest. 19.12.1951 Düsseldorf, Gymnasialdirektor in Soest 1915, MdL (DVP) 1919-1932, preuß. Minister für Wissenschaft, Kunst u. Volksbildung 1921-1925, Mitbegründer der westfälischen C D U 1945, Geschäftsführer der Westfalenpost G m b H Soest. BÖHM, Hans geb. 5.5.1899 Hamm/Westfalen, gest. 3.4.1962 Berlin, Kriegsdienst 1917, Studium seit 1919, Freikorpskämpfer in einem Studentenbataillion, Ordination u. Hilfsprediger Mosau/Kr. Züllichau 1926, Pfarrer Langheinersdorf 1927, theologischer Hilfsreferent beim E O K Berlin 1930, Beurlaubung durch Staatskommissar Jäger Juni 1933, Kreispfarrer für Siedlungen der Synode Köln Land I Oktober 1933, Verhaftung u. Gefängnis aus kirchenpolitischen Gründen 1938, Propst Kölln-Stadt, nebenamtlicher Referent im E O K Berlin u. im Konsistorium Berlin-Brandenburg Herbst 1945, Geistlicher Leiter des Konsistoriums Abteilung Berlin 19491959 - Mitglied des Berliner Bruderrates 1935 u. dessen Leiter 1945, Mitglied der V K L Π 1936; Mitglied der N S D A P Mai 1933, Ausschluss September 1938 - Teilnehmer der Bekenntnissynode der D E K Bad Oeynhausen 1936. BONHOEFFER, Dietrich geb. 4.2.1906 Breslau, gest. (hingerichtet) 9.4.1945 K Z Flossenbürg, Privatdozent für Systematische Theologie u. Studentenpfarrer Berlin 1931, Pfarrer London 1933, Mitglied des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum 1934, Leiter des pommerschen Predigerseminars der B K Zingsthof u. Finkenwalde bis zu Verbot (1937) u. Auflösung (1940), Entzug der Lehrbefugnis in Berlin 1936, Ausweisung aus Berlin 1938, Reichsredeverbot, (Reise-)Tätigkeit für die Widerstandsgruppen um die Generäle Oster u. Beck 1940, Verhaftung durch die Gestapo April 1943. BORMANN, Martin geb. 17.6.1900 Halberstadt, verschollen 1.5.1945 Berlin, „Stabsleiter des Stellvertreters des Führers" 1933, Leiter der Parteikanzlei 1941, vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 1946 in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
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Register
BORRMANN, Walther geb. 16.3.1890 Rössel/Ostpreußen, gest. 24.6.1965 Berlin (West), Felddivisionspfarrer 1916, Oberpfarrer Lieberrose/Brandenburg 1918, Königsberg 1925, Sup. u. Propst Angerm ü n d e / N e u m a r k 1928-1960. BOUSSET, Wilhelm geb. 3.9.1865 Lübeck, gest. 8.3.1920 Gießen, Privatdozent für Neues Testament Göttingen („Religionsgeschichtliche Schule") 1889, ao. Prof. ebd. 1896, o. Prof. Gießen 1916. BRANDENBURG, Hans geb. 17.3.1895 Riga, gest. 15.7.1990, Reisesekretär beim DCSV Halle/Saale 1920, Repetent an der Theologischen Schule Bethel 1921, Pfarrer Lübeck 1922, Vereinsgeistlicher Berliner Stadtmission 1930, Anstaltsgemeindepfarrer Diakonissenmutterhaus Salem Berlin 1934, Kriegsdienst 1943-1945, Holzminden 1946, Leiter des Missionsbundes „Licht im Osten", Vors. des Württembergischen Brüderbundes 1962-1970. BRANDT, Willy geb. 18.12.1913 Lübeck (Herbert Ernst Karl Frahm), gest. 8.10.1992 Unkel, Regierender Bürgermeister von Berlin, Außenminister 1966-1969, Bundeskanzler 1969-1974 (SPD). BRAUN, Max geb. 12.10.1859 Nicolai/Oberschlesien, gest. 13.8.1925 Bad Harzburg, Pfarrer Rybnik 1884, Inspektor der Berliner Stadtmission 1890, zugleich Pfarrer Berlin 1902. BRAUN, O t t o geb. 28.1.1872 Königsberg, gest. 14.12.1955 Locarno, Politiker (SPD), MdR 1920-1933, preuß. Landwirtschaftsminister 1918-1921, preuß. Ministerpräsident 1920-1933 (mit Unterbrechungen im Jahr 1921 u. 1925), Emigration in die Schweiz 1933. BRAUN, Walter geb. 13.1.1892 Windenburg, gest. 24.2.1973 Berlin, Pfarrer Laugszargen 1918, Kaukehmen 1921, Lappienen 1923, Missionsinspektor Berliner Missionsgesellschaft 1926, GenSup.. der Kurmark 1947. BREDT, Johann Viktor geb. 2.3.1879 Barmen, gest. 12.12.1940 Marburg, Prof. für Staats-, Verwaltungs-, Völker- u. Kirchenrecht Marburg 1910, MdL 1921-1924, MdR als Führer der von ihm gegründeten Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) 1924-1932, Reichsjustizminister 1930/31 - Mitglied des Moderamens des Reformierten Bundes. BRIAND, Aristide geb. 28.3.1862 Nantes, gest. 7.3.1932 Paris, Jurist, Journalist u. französischer Politiker (Außenminister, Ministerpräsident). BRÜNING, Heinrich geb. 26.11.1885 Münster, gest. 30.3.1970 N o r w i c h / U S A , MdR (Zentrum) 1924-1933, Reichskanzler 1930-1932, Emigration in die USA 1934, Prof. für Verwaltungswissenschaften Harvard-University 1939, Prof. für politische Wissenschaften Köln 1951-1954. BRUNNER, Emil geb. 23.12.1889 Winterthur, gest. 6.4.1966 Zürich, Pfarrer Obstalden 1916, Privatdozent 1922, Prof. für Systematische u. Praktische Theologie Zürich 1924-1953. BRUNSTÄD, Friedrich geb. 22.7.1883 Hannover, gest. 2.11.1944 Willershagen/Mecklenburg, Prof. für Systematische Theologie Rostock 1925, zugleich Leiter der Evangelisch-Sozialen Schule Spandau 19221934 - Mitglied des Lutherischen Rates 1934/1935, der Theologischen Kammer der D E K 1936 - Teilnehmer der mecklenburgischen Bekenntnissynode Januar 1935. BRÜSEWITZ, Oskar geb. 30.5.1929 Wilkischken (Litauen), gest. 22.8.1976 Zeitz, Schuster Melle/Niedersachsen 1947, Weißenfels 1954, Predigerschule Erfurt 1964, Ordination 1970, Prediger in Droßdorf, 18.8.1976 Selbstverbrennung in Zeitz.
Biographische Angaben
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BULTMANN, Rudolf geb. 20.8.1884 Wiefelstede/Oldenburg, gest. 30.7.1976 Marburg, Privatdozent für Neues Testament Marburg 1912, Prof. für Neues Testament Breslau 1916, Gießen 1920, Marburg 19211961. BURGHART, Georg geb. 21.10.1865 Berlin, gest. 3.3.1954 Berlin, Domhilfsprediger Berlin 1891, Pfarrer Düsseldorf u. Barmen 1893, Geheimer KonsRt im EOK Berlin 1917, GenSup. Berlin 1921-1933, Geistlicher Vizepräsident des EOK 1927-1933, Oberdomprediger Berlin, Vors. der Evang. Haupt-Bibelgesellschaft Berlin 1927-1949,- Mitglied des DEKA. BURSCHE, Edmund geb. 17.7.1881 Zgierz, gest. 26.7.1940 Mauthausen-Gusen, Bruder von Julius В., Pfarrer in Warschau (mit Kriegsunterbrechung) 1909, Lie. theol. Basel 1919, Prof. für Kirchengeschichte Warschau 1921-1939, Dekan 1922/1923, Verhaftung durch die Gestapo 17.10.1939. BURSCHE, Julius geb. 19.9.1862 Kaiisch, gest. 20.2.1942 (Gestapo-Krankenhaus) Berlin, Theologiestudium Dorpat 1880-1884, Vikar Warschau 1884, Pfarrer Wiskitki 1885, Warschau 1888, KonsRt 1895, GenSup. 1905, Mitbegründer der Evang.-Theol. Fakultät Warschau 1921/22, Bischof der Evang.-Augsburgischen Kirche in Polen 1937, Teilnehmer der ökumenischen Konferenzen in Stockholm (1925) u. Oxford (1937), Verhaftung durch SD-Einsatzgruppen in Lublin, Gestapohaft Berlin 1939, KZ Sachsenhausen 1940. BUSCH, Eberhard geb. 1937 Witten, Assistent bei Karl Barth Basel 1965, Pfarrer Uerkheim/Schweiz 1969, Prof. für Reformierte Theologie Göttingen 1986. CALVIN, Johannes geb. 10.7.1509 N o y o n , gest. 27.5.1564 Genf, Jurist u. Theologe, Reformator. CANAR1S, Wilhelm geb. 1.1.1887 Aplerbeck, gest. (hingerichtet) 9.4.1945 KZ Flossenbürg, Admiral. CAVOUR, Camillo Beso Graf von geb. 10.8.1810 Turin, gest. 6.6.1861 Turin, italien. Staatsmann. CHALMERS, Thomas geb. 17.3.1780 East Anstruther (Fife), gest. 30.5.1847 Edinburgh, schottischer Theologe, Prof. Saint Andrews u. Edinburgh. CHLODWIG I. (Ш.) geb. u m 466, gest. 27.11.(?) 511 Paris, fränkischer König (Merowinger). CHRISTIAN IV. von Dänemark geb. 12.4.1577 Frederiksborg, gest. 28.2.1648 Kopenhagen, König von Dänemark u. Norwegen, Herzog von Schleswig u. Holstein. CLAUDIUS, Matthias geb. 15.8.1740 Reinfeld/Holstein, gest. 21.1.1815 Hamburg, Dichter. COLIGNY, Gaspard de geb. 16.2.1519 Chätillon-sur-Loing, gest. 24.8.1572 Paris, Admiral, Gouverneur, Hugenottenführer. CONRAD, Walter geb. 30.1.1892 Barby/Elbe, gest. 1970 Berlin, juristischer Hilfsreferent preuß. Justizministerium (Sachbearbeiter für Kirchenfragen) 1922, Reichsinnenministerium 1922, Regierungsrat 1925, Oberregierungsrat 1929, Reichsrundfunkkommissar 1932, Ministerialrat 1933-1945, Senatspräsident Oberlandesgericht Potsdam 1947-1948, Stadtrat 1949-1954 u. Senator für das Gesundheitswesen Berlin 1951, zugleich Bürgermeister, Vertreter Berlins im Bundesrat u. stellvertretender Vors. des Landesverbands Berlin der FDP 1953-1954 - Gastteilnehmer der Deutschen Evang. Nationalsynode Wittenberg 1933.
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Register
CORDES, August geb. 29.12.1859 Tranqebar (Indien), gest. 21.1.1936 Klotzsche bei Leipzig, Pfarrer, Rektor Diakonissenhaus Philadelphia 1888, Vereinsgeistlicher Frankfurt/Main 1893, Pfarrer Frankfurt/Main 1901, Hamburg 1904, Leipzig 1912, Oberkirchenrat u. Sup. Leipzig 1919, Ruhestand 1924. CYPRIAN, Thascius Caecilius geb. um 200 Karthago, gest. 14.9.258 Karthago, Bischof v. Karthago u. Kirchenschriftsteller. DAHM, Karl-Wilhelm geb. 1931 Kirchen/Sieg, Prof. für Theologische Ethik, Religions- und Kirchensoziologie, Wirtschaftsethik Münster 1975. DEHN, Günther geb. 18.4.1882 Schwerin, gest. 17.3.1970 Bonn, Pfarrer Berlin 1911, Prof. für Praktische Theologie Halle 1931/32, Mitglied der BK, Dozent KiHo Berlin 1935-1941, Pfarrverweser Ravensburg 1942, Prof. für Praktische Theologie Bonn 1946-1954 - Mitglied der Schulkammer der EKD 1946. DEISSMANN, Adolf geb. 7.11.1866 Langenscheid, gest. 5.4.1937 Wünsdorf bei Berlin, o. Prof. für Neues Testament Heidelberg 1897, Berlin 1908-1934 - Mitarbeiter im Evang.-sozialen Kongress, Teilnehmer der ökumenischen Konferenzen Stockholm 1925 u. Lausanne 1927, Mitglied des ökumenischen Rates für Praktisches Christentum seit 1929. DELEKAT, Friedrich geb. 4.4. 1892 Stühren/Grafschaft Hoya, gest. 30.1.1970 Mainz, Pfarrer bis 1929, wissenschaftlicher Leiter des Religionspädagogischen Instituts Berlin 1925-1929, o. Prof. für Religionswissenschaft Technische Hochschule Dresden 1929, Zwangsemeritierung aus politischen Gründen 1937, stellvertretender Stadtpfarrer Stuttgart 1943-1946, Prof. für Systematische Theologie, Philosophie u. Pädagogik Mainz 1946-1960 - Mitglied des sächsischen Bruderrates 1935, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der DEK Barmen 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. DETERT, Ernst geb. 1.4.1900, gest. 14.2.1984, Pfarrer Brügge (Neumark) 1927, Rathenow 1933, Sup. Oranienburg 1946. DEVARANNE, Theodor geb. 28.5.1880, gest. Dez. 1945, Pfarrer Berlin-Charlottenburg 1914, Missionsinspektor Allgemeiner Evangelisch-Protestantischer Missionsverein 1922, Missionsdirektor Ostasienmission 1930. DlBELIUS, Armgard Frieda Josephine geb. Wilmanns geb. 18.9.1883 Durango/Mexico, gest. 2.12.1952 Berlin, Ehefrau von O.D. DlBELIUS, F r a n z
geb. 6.1.1847 Prenzlau/Uckermark, gest. 20.1.1924 Dresden, Onkel von O.D., Oberhofprediger Dresden. DlBELIUS, Franz geb. 24.8.1881 Oppeln, gest. (gefallen) 19.8.1916 Thiamont/Frankreich, Bruder von O.D., PDoz. für Theologie u. Kunstgeschichte - Veröffentlichungen: Die Bernhardstür zu Hildesheim (in: Studien zur deutschen Kunstgeschichte, 1907); Der Verfasser des Hebräerbriefs (Straßburg 1910); Das Abendmahl (Leipzig 1911). DlBELIUS, Franz Gerhard geb. 16.4.1920 Berlin, gest. (gefallen) 27.5.1940 La Bassee/Belgien, Sohn von O.D., Konfirmand bei Martin Niemöller, wollte Theologie studieren. DlBELIUS, G ü n t h e r
geb. 13.1.1923 Heidelberg, Sohn von Martin D., Naturwissenschaftler.
Biographische Angaben
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DlBELIUS, H a n s O t t o geb. 6.11.1908, gest. Mai 1993 H a m b u r g , Sohn von Wilhelm D . , Pfarrer in Köln, em. Bergisch-Gladbach. DlBELIUS, Helene geb. Papen geb. 27.11.1865 Goslar, gest. 1946 oder 1947 Dresden, 3. Ehefrau von F r a n z D . (Dresden). DlBELIUS, Martin geb. 14.9.1883 Dresden, gest. 11.11.1947 Heidelberg, Sohn von Franz D . (Dresden) u. dessen 2. Ehefrau Elsbeth geb. Köhler, o. Prof. für N e u e s Testament Heidelberg seit 1915, Teilnehmer der ökumenischen Konferenz Lausanne 1927, aktives Interesse an der ökumenischen Bewegung. DlBELIUS, Friedrich Karl O t t o geb. 15.5.1880 Berlin, gest. 31.1.1967 Berlin, Ordination 1906, Archidiakonus C r o s s e n / O d e r 1908, Pfarrer Danzig 1910, Oberpfarrer L a u e n b u r g / P o m m e r n 1911, Pfarrer Berlin-Schöneberg 1915, Mitglied des E O K Berlin im Nebenamt 1921, GenSup. der K u r m a r k 1925, Beurlaubung durch Staatskommissar Jäger u. Zwangspensionierung durch die „braune S y n o d e " 1933, Kurprediger San R e m o 1933/34, ständiger Mitarbeiter im (Berlin-)Brandenburgischen Bruderrat ab Juli 1934, Mitglied des Rates der Evang. Kirche der A p U (nach Niemöllers Verhaftung) 1937, Bischof von Berlin 1945-1966, Präsident des E O K in Berlin 1945-1951, Vors. des Rates der E K D 1949-1961 - Teilnehmer der ökumenischen Konferenzen Stockholm 1925 u. Lausanne 1927 (Sektion V u. VH) und der Bekenntnissynode der D E K Bad Oeynhausen 1936, Mitglied des Zentralauschusses des neu begründeten Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 (Amsterdam), einer seiner Präsidenten 1954 (Evanston) bis 1961 (Neu-Delhi). DlBELIUS, Wilhelm geb. 23.4.1876 Berlin, gest. 28.1.1931 Berlin, Bruder von O . D . , Prof. für Anglistik in B o n n u. Berlin. DlBELIUS, Wolfgang geb. 22.4.1910 C r o s s e n / O d e r , gest. (vermisst in Russland) 20.11.1943, Sohn von O . D . , Ordination in Kattowitz durch Präs. Voss, Pfarrer in A l t k o l z i g l o w / P o m m e r n . DIECKMANN, Johannes geb. 19.1.1893 Fischerhude/Kr. Verden, gest. 22.2.1969 Berlin(-Ost), Journalist u. Politiker, Generalsekretär der D V P 1919-1933, Mitbegründer der Liberal-demokratischen Oartei Deutschlands ( L D P D ) , Präsident der D D R - V o l k s k a m m e r 1949-1969, einer der Stellvertreter des Staatsratsvors. 1960-1969. DlEM, H e r m a n n geb. 2.2.1900 Stuttgart, gest. 27.2.1975 Tübingen, Pfarrer Ebersbach 1934-1956, Stellv. Vors. des württembergischen Landesbruderrats, Leiter der Kirchlich-Theologischen Sozietät 1937, Lehrauftrag Tübingen 1950, ao. Prof. 1955, o. Prof. für Kirchenrecht u. Kirchenordnung ebd. 1947-1968. DlESTEL, M a x geb. 7.11.1872 Tübingen, gest. 2.11.1949 Stuttgart, Seemannspastor 1897, Pfarrer Dettingen/Hohenzollern 1903, Berlin-Wilmersdorf 1909, Sup. Sigmaringen 1914, Berlin-Lichterfelde 1925, G e n S u p . Berlin 1946-1948. DlESTEL, Meta geb. 17.6.1877 Tübingen, gest. 23.4.1968 Korntal bei Stuttgart, Kammersängerin u. Gesangslehrerin. DlETZ, Eduard geb. 1.11.1866 Karlsruhe, gest. 17.12.1940 Stuttgart, Stadtrat Karlsruhe (SPD) 1911-1920, Sekretär badisches Justizministerium, Oberamtsrichter - Mitglied der Vierer-Kommission zur Ausarbeitung der badischen Verfassung 1918/19, Mitglied der verfassunggebenden Versammlung 1919.
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Register
DlETZE, Constantin von geb. 9.8.1891 Gottesgnaden/Kreis Calbe, gest. 18.3.1973 Freiburg/Breisgau, Privatdozent lin 1922, ao. Prof. für Sozialwissenschaften Rostock 1925, Prof. für Volkswirtschaft 1927, Berlin 1933, Prof. für Agrarpolitik, Außenhandel, Sozialethik Freiburg, Dir. des versitätsinstituts für Agrarwissenschaft 1937, abgesetzt wegen Tätigkeit für die B K 1944, der eingesetzt 1945, Präses der Synode der E K D 1955-1961. DlGNATH, Walter
BerJena Uniwie-
geb. 4.11.1912 Jänischken, Prof. für Religionspädagogik Frankfurt/Main 1971. DIRKS, Walter geb. 8.1.1901 H ö r d e (Dortmund), gest. 30.5.1991 Wittnau/Freiburg, Publizist. DlTTMANN, Wilhelm geb. 15.1.1915 Berlin-Wilmersdorf, gest. 17.8.1988 Berlin (West), Zwangsarbeitslager 1944, Lagerpfarrer 1945, Pfarrer Berlin-Lichtenrade 1946, Berlin-Neukölln 1954, Sup. ebd. 1954, Propst Konsistorium Berlin 1970 - Mitglied der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg, stellvertretender Vors. des Rates der E K U , Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte K i H o Berlin. DOEHRING, Bruno geb. 3.2.1879 Mohrungen (Ostpreußen), gest. 16.4.1961 Berlin, Pfarrer Tiefensee 1907, Fischau 1908, Patronatspfarrer Finkenstein 1911, Dir. des Predigerseminars Wittenburg/Westpreußen 1912, Hof- u. Domprediger Berlin 1914, Dozent für Praktische Theologie Berlin 1923-1953, Präsident des Evangelischen Bundes 1924-1935, M d R (DNVP) 1930-1933. DOERING-MANTEUFFEL, Anselm geb. 1949, Prof. für Neuere und Neueste Geschichte Würzburg, dann Tübingen. DOERNE, Martin geb. 30.3.1900 Schönbach/Kr. Löbau, gest. 2.9.1970 Göttingen, Pfarrer Löbau 1925, Studiendirektor Predigerseminar Lückendorf 1927, o. Prof. für Praktische Theologie Leipzig 1934, für Systematische Theologie Rostock 1947, Halle-Wittenberg 1952, Göttingen 1954. DÖRPFELD, Friedrich Wilhelm geb. 8.3.1824 Wermelskirchen, gest. 27.10.1893 Ronsdorf (Wuppertal), Pädagoge. DÖRRIES, Hermann geb. 17.7.1895 Hannover, gest. 2.11.1977 Göttingen, Privatdozent Tübingen 1923, ao. Prof. 1926, o. Prof. Halle 1928, Prof. für Kirchengeschichte Göttingen 1929-1963. DROSS, Werner geb. 14.11.1847 Neustadt/Westpreußen, gest. 15.7.1926 Berlin, Pfarrer K r o c k o w 1874, Brandenburg 1877, Zentralausschuss für Innere Mission 1880, Pfarrer Berlin 1886, Ruhestand 1922. DRYANDER, Ernst (von) geb. 18.4.1843 Halle/Saale, gest. 4.9.1922 Berlin, Domhilfsprediger u. Adjunkt am Domkandidatenstift Berlin 1870, Pfarrer Torgau 1872, Bonn 1874, Berlin 1882, Sup. u. Stellv. Schlosspfarrer Friedrichswerder 1882, GenSup. der Kurmark 1892-1902, Oberhof- u. D o m prediger Berlin 1898-1922 - KonsRt im Nebenamt Konsistorium Brandenburg 1887-1902, unbesoldetes Mitglied des E O K 1903-1907, Geistlicher Vizepräsident des E O K 1907-1918. DUNKMANN, Karl geb. 2.4.1868 Aurich, gest. 28.11.1932 Berlin, Pfarrer Greifswald 1904, Dir. des Predigerseminars Wittenberg 1907, Prof. für Systematische Theologie Greifswald 1913, Lehrauftrag für Soziologie T H Berlin 1918, Gründer des Instituts für angewandte Soziologie 1924. DUSKE, Johannes geb. 11.7.1898 Magdeburg, gest. 23.5.1938 Berlin, Jurist im Staatsdienst, Hilfsarbeiter im E O K Berlin 1929, Oberkirchenrat 1934, O K o n s R t 1936, Mitglied des E O K Berlin 1937. DÜSSE, Jean geb. 30.11.1872 Pasewalk, gest. 4.7.1936, Hilfsprediger Berlin 1924, Divisionspfarrer Insterburg 1900, Köslin 1906, Potsdam 1910, Pfarrer Rüttenscheid (Essen) 1915, Dir. des Predigerseminars Düsseldorf 1930, Ruhestand 1935.
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Biographische Angaben
EBERHARD, O t t o geb. 28.11.1875 Ludwigslust/Mecklenburg, gest. 26.9.1966 Berlin, Religionspädagoge, Rektor in Zarrentin 1901, Seminardirektor u. Mitglied des Konsistoriums in Greiz 1909, zuletzt Oberstudiendirektor u. Schulrat in Hohen-Neuendorf bei Berlin. EBERT, Friedrich geb. 4.2.1871 Heidelberg, gest. 28.2.1925 Berlin, Sattler, Journalist, Politiker (SPD), erster Reichspräsident 1919-1925. EGER, Karl geb. 18.8.1864 Friedberg/Hessen, gest. 3.7.1945 Halle/Saale, Pfarrer Darmstadt 1892, Prof. Gießen 1901, Dir. des Predigerseminars Friedberg 1907, Prof. für Praktische Theologie u. Universitätsprediger Halle/Saale 1913. ElDEM, Erling geb. 23.4.1880 Göteborg, gest. 14.4.1972 Vänersborg, Dozent für Neues Testament Lund 1913, Prof. 1928, Erzbischof von Uppsala 1931-1950, Präsident des Lutherischen Weltbundes 1946/47, einer der Präsidenten des O R K 1948-1950. EINSTEIN, Albert geb. 14.3.1879 Ulm, gest. 18.4.1955 Princeton/USA, Physiker u. Nobelpreis-Träger. ELLIGER, Karl geb. 7.3.1901 Rüstringen/Niedersachsen, gest. 31.10.1977 Tübingen, Privatdozent für Altes Testament Münster 1929, Leipzig 1934, ao. Prof. 1937, ao. Prof. Tübingen 1937, o. Prof. 1948. ELSAS, Hanne Ehefrau von Ludwig Heuss. ENDELL, August geb. 12.4.1871 Berlin, gest. 13.4.1925 Berlin, Architekt u. Innenarchitekt, Prof. u. Dir. der Kunstakademie Breslau 1918. EPP, Franz Ritter von geb.
16.10.1868
München,
gest.
31.12.1946
München,
Generalleutnant
a.
D.,
MdR
(NSDAP) 1928-1945, Reichsstatthalter in Bayern 1933-1945. ERZBERGER, Matthias geb. 20.9.1875 Buttenhausen/Kr. Münsingen, gest. (ermordet) 26.8.1921 bei Bad Griesbach/Schwarzwald, Politiker u. ab 1903 MdR (Zentrum), Einsatz für Verständigungsfrieden 1917, Unterzeichnung des Waffenstillstands am 11.11.1918, Finanzminister u. Vizekanzler 1919/20. EVERLING, O t t o Geschäftsführender Vors. des Präsidiums u. Bundesdirektor des Evang. Bundes. FABER, Wilhelm geb. 3.12.1845 Gehrenrode a.H., gest. 7.12.1916 Ilsenburg, Ordination 1870, Pfarrer Mansfeld 1871, Sup. ebd. 1880, Bitterfeld 1882, 1. Pfarrer Magdeburg 1885, 1888 Sup. ebd., Hof- u. Domprediger Berlin 1891, GenSup. ebd. 1893, Propst an Nikolai Berlin 1898 u. Propst von Heiligengrabe seit 1892, em. 1911. FABRICIUS, Cajus geb. 16.8.1884 Graudenz, gest. 5.8.1950 Hirschhorn/Neckar, Privatdozent Berlin 1911, ao. Prof. 1921, ao. Prof. für Systematische Theologie u. allgemeine Religionswissenschaft Breslau 1935-1943. FALK, Adalbert geb. 10.8.1827 Metschkau/Niederschlesien, gest. 7.7. 1900 Hamm, preuß. Jurist u. Politiker, Kultusminister 1872-1879. FALKENBERG, Julius geb. 9.10.1880 Melle, gest. 30.10.1938, Pfarrer Hilsbach-Weiler 1911, Kriegsdienst als Offizier, nach einem Disziplinarverfahren aus dem kirchlichen Dienst ausgeschieden 1921, zur Bewäh-
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Register
rung als Pfarrer in Porto Alegre (Brasilien) 1926, durch Vermittlung von O . D . Pfarrer in Rhinow 1932, Neuruppin 1934, Tegel (kommissarische Verwaltung der Pfarrstelle) 1938. FASSBENDER, Martin geb. 24.3.1856 Steinbrück bei Köln, gest. nach 1935, MdL Preußen 1903-1918, MdR 19071918 (Zentrum), MdL 1918-1927, Dozent an der Akademie Bonn-Poppelsdorf u. an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, Geheimer Regierungsrat. FICHTE, Johann Gottlieb geb. 19.5.1762 Rammenau/Oberlausitz, gest. 29.1.1814 Berlin, Philosoph. FISCHBECK, O t t o geb. 28.8.1865 Güntershagen/Kr. Dramburg, gest. 23.5.1939 Berlin, Politiker, MdL Preußen (FVP) 1904-1913, (DDP) 1921-1924, MdR 1895-1903, 1907-1920, Vors. der Reichstagsfraktion (FVP), (DDP) 1924-1930, preuß. Minister für Handel u. Gewerbe 1920-1928. FISCHER, Alfred geb. 24.5.1874 Tost/Oberschlesien, gest. 5.9.1940 Berlin, Ordination u. Frühprediger Berlin 1901, Pfarrer Berlin 1902, KonsRt 1920, OKonsRt u. Mitglied des E O K Berlin 1930-1933 (Beurlaubung), Ruhestandsversetzung 1937 - Schriftführer des Protestantenvereins, Mitglied des D E K A . FISCHER, Karl geb. 22.3.1896 Chemnitz, gest. 15.9.1941 Dresden, Kriegsdienst u. Gefangenschaft 1914, Ordination 1921, Hilfsgeistlicher Schmiedeberg u. Kipsdorf 1920-1922, Pfarrer Lauenstein 1922, Dresden 1929 - Mitglied des sächsischen Bruderrates, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. FISCHER, Martin geb. 9.8.1911 Magdeburg, gest. 3.3.1982 Berlin (West), Vikar, Reisesekretär der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung 1935, Leiter der Studentenarbeit der B K 1937-1945, Mitglied der V K L II, Mitbegründer der KiHo Berlin, Dozent für Praktische Theologie ebd. 19451969, Prof. 1949 u. Ephorus bis 1955, Präsident der Kirchenkanzlei der E K U (Dienststelle West) 1970-1976, Mitglied der Kirchenleitung der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (West) 1967-1979. FLOR, Wilhelm geb. 23.5.1882 Oldenburg, gest. 19.11.1938 Leipzig, Oberlandesgerichtsrat u. ehrenamtliches Mitglied des Evang. Oberkirchenrats Oldenburg 1923-1931, Reichsgerichtsrat Leipzig 1931 Mitglied des sächsischen Bruderrats, des Reichsbruderrats Oktober 1934, der V K L I (wegen staatlichen Verbots der Amtsausübung vertreten durch Eberhard Fiedler), Leiter der sächsischen Bekenntnissynode 1937 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935. FOERSTER, Erich geb. 4.11.1865 Greifswald, gest. 12.10.1945 Frankfurt/M., Pfarrer Hirschberg 1893, Frankfurt/M. (deutsch-reformierte Gemeinde)1895, Honorarprofessor Frankfurt/M. 1915. FOERSTER, Friedrich Wilhelm geb. 2.6.1869 Berlin, gest. 9.1.1966 Kilchberg (Schweiz), Prof. für Pädagogik Zürich 1901, Wien 1912, München 1914. FONTANE, Theodor geb. 30.12.1819 Neuruppin, gest. 20.9.1898 Berlin, Dichter u. Schriftsteller. FORELL, Friedrich geb. 15.9.1888, gest. 2.4.1968 Iowa-City/USA, Ordination 1916, Pfarrer Michelsdorf/Landeshut 1917, Sozialpfarrer Breslau u. Provinzialpfarrer der schlesischen Frauenhilfe 1926, durch Staatskommissar Dr. Schmidt (Ratibor) von der Leitung der Frauenhilfe beurlaubt am 8.7.1933, wegen „nichtarischer" Abstammung in den Ruhestand versetzt Sept. 1933, im Dienst der schwedischen Israelmission Wien 1933-1938, Flüchtlingspfarrer zur Betreuung „nichtarischer" Christen aus Deutschland in Paris 1938-1940, Ausreise nach Amerika
Biographische Angaben
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1940 u. amerikanischer Staatsbürger, dort Mitbegründer des „Notkomitees für den Deuschen Protestantismus" und der „Christlichen Hilfsgesellschaft für Neuankommende". FREITAG, Albert geb. 13.12.1880 Brieg, gest. 2.9.1959 Ludwigsburg, Ordination 1906, Pfarrer Prausnitz/Schlesien 1907, Friedrichswerder 1913, O K o n s R t E O K Berlin 1933-1945, Reichsreferent für Pressewesen der G D C 1932. FRENZEL, Wilhelm Theologiestudent, Untergauleiter der N S D A P in Neuruppin. FRETZDORFF, O t t o geb. 19.12.1881 Stralsund, gest. 21.11.1950 Magdeburg, Jurist, KonsRt bei Ev. Konsistorium Berlin 1918, Danzig 1923-1930, O K o n s R t 1925, Konsistorialpräsident Magdeburg 1936, O K o n s R t 1946. FREUD, Sigmund geb. 6.5.1856 Pribor/Nordmähren, gest. 23.9.1939 London, Arzt u. Psychologe / Psychoanalytiker. FREYMARK, Carl geb. 30.11.1785 Kolmar, gest. 27.3.1855 Posen, Pfarrer Kolmar, Jastrow u. Bromberg, Sup., Vorsteher des Warschauer Departement-Konsistoriums, KonsRt Breslau 1819, GenSup. Posen 1829, Bischof 1832, Ruhestand 1855. FRICK, Heinrich Theologe FRICK, Wilhelm geb. 12.3.1877 Alsenz/Pfalz, gest. (hingerichtet) 16.10.1946 Nürnberg, thüringischer Innen- u. Volksbildungsminister (NSDAP) 1930/31, Reichsinnenminister 1933-1942, Reichsprotektor von Böhmen u. Mähren 1943-1945, v o m Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum T o d e verurteilt 1946. FRIEDBERG, R o b e n geb. 28.6.1851 Berlin, gest. 20.6.1920 Berlin, Prof. in Halle 1885-1917, M d L Preußen 1886, M d R 1893-1898, Vizepräsident des preuß. Staatsministeriums 1917/1918, Mitglied der Nationalversammlung (DDP). FRIEDRICH П., DER GROSSE geb. 24.1.1712 Berlin, gest. 17.8.1786 Potsdam, König von Preußen seit 1740. FRIEDRICH WILHELM Ш . geb. 3.8.1770 Potsdam, gest. 7.6.1840 Berlin, König von Preußen seit 1797. FRIEDRICH WILHELM IV. geb. 15.10.1795 Berlin, gest. 2.1.1861 Potsdam, König von Preußen seit 1840. FRITZE, Georg geb. 1.8.1874 Magdeburg, gest. 3.1.1939 Köln, Pfarrer Charleroi 1902, Groß-Wanzleben 1903, Nordhausen 1904, Köln 1916 - Sozialdemokrat, Sprecher der Religiösen Sozialisten in Westdeutschland. GALEN, Clemens August Graf von geb. 16.3.1878 Dinklage, gest. 22.3.1946 Münster/Westfalen, kath. Theologe, Bischof Münster 1933, Kardinal 1946. GASPARRI, Pietro geb. 5.5.1852 Ussita/Norcia, gest. 18.11.1934 R o m , Priester 1877, Prof. für Kirchenrecht Paris 1880, Kardinal 1907, Kardinalstaatssekretär 1914-1930. GASTPARY, Woldemar geb. 1908, gest. 1984, Pfarrer der ev. Kirche A B Piotrkow/Polen, Festnahme 1940, K Z Sachsenhausen u. Dachau, 1945 befreit, Pfarrer in Piotrkow u. Lodz, Senior der Warschauer Diözese u. Synodalpräses, Rektor der Christlich-Theologischen Akademie 1965.
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Register
GAUGER, Joseph geb. 2.4.1866 Winnenden, gest. 1.2.1939 Elberfeld, Vikar Mägerkingen/Württemberg 1893, 2. Inspektor der „Evangelischen Gesellschaft" Elberfeld 1898, Vorstandsmitglied des „Gnadauer Verbandes" 1911, Vors. des Evang. Sängerbundes 1921, Streichung aus der Berufsliste der Schriftleiter 1934, Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer 1939. Gay, Hermann geb. 7.4.1871 Leipzig, gest.1925, Sekretär Verein für junge Männer Leipzig 1895, Pfarrer Großenhain 1902, Chemnitz 1916. GEEST, Friedrich geb. 7.4.1868 Naumburg/Saale, gest. 16.1.1940 Berlin, Pfarrer Valdivia/Chile 1893, Dorfhain, Sachsen 1898, Barmen-Wupperfeld 1903, Berlin 1911, Pfarrer u. Sup. des Kirchenkreises Friedrichswerder 1 1926-1940. GEIBEL, Emanuel geb. 17.10.1815 Lübeck, gest. 6.4.1884 Lübeck, Dichter. GEISSLER, Bruno geb. 9.2.1875 Berlin, gest. 1.4.1961, Ordination u. Pfarrer Wallern/Oberdonau 1901, Banja Luka/Bosnien 1902, Berlin 1907, KonsRt im Warschauer Konsistorium 1917, Generalsekretär des Centraivorstandes des Gustav-Adolf-Vereins Leipzig 1911-1939. GENSEN, August geb. 13.8.1863 Arendsee/Altmark, gest. 30.6.1948 Arendsee, KonsRt Stettin, dann Magdeburg 1900, O K o n s R t Magdeburg, dann Berlin 1920, KonsPräs. Berlin 1925, em. 1933. GERLACH, Wolfgang Historiker GERSTEIN, Kurt geb. 11.8.1905, gest. 25.7.1945, Dipl.-Ing., NSDAP-Mitglied 1933, Bergassessor-Examen 1935, schließt sich der B K an, Ausschluss aus der N S D A P 1936, Gestapo-Haft 1938, Mitglied Waffen-SS 1941, Leitung des technischen Desinfektionsdienstes, beteiligt an Beschaffung des Giftgases Zyklon В für die Massenmorde in den Vernichtungslagern Juni 1942, informierte Diplomaten u. Geistliche über Vernichtungslager, in französischer Gefangenschaft unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. GERSTENMAIER, Eugen geb. 25.8.1906 Kirchheim/Teck, gest. 13.3.1986 Oberwinter, Theologe, KonsRt im Kirchlichen Außenamt der D E K 1936-1942, Mitglied der B K u. des „Kreisauer Kreises", Gründer u. Leiter des evang. Hilfswerks 1945-1951, MdB (CDU) 1949-1969 u. Bundestagspräsident 1954-1969. GLELEN, Philipp geb. 16.8.1872 Alttrebbin, gest. 12.8.1942, Pfarrer in Paplitz 1903, Lehnin 1910, zugleich Sup. 1924. GlRGENSOHN, Herbert geb. 27.9.1887 Wolmar, gest. 11.9.1963 Glücksburg/Schleswig, Oberpastor Riga 1921-1939, Pfarrer Posen 1940-1945, Flüchtlingspfarrer 1945, Pfarrer Lübeck 1945/46, Dozent 1946, Prof. für Praktische Theologie Theol. Schule Bethel 1955 - Vors. des Ostkirchenausschusses 1946-1951. GLASS, Jakob geb. 1864, gest. 1942, Richter am Obersten Gericht in Warschau, Präses des Warschauer Konsistoriums 1919-1936. GLOEGE, Gerhard geb. 24.12.1901 Crossen/Oder, gest. 15.4.1970 Bonn, Pfarrer Bernau 1927, Dozent für Kirchengeschichte u. Neues Testament Auslandsseminar Ilsenburg 1929, Pfarrer u. Studiendirektor Predigerseminar Naumburg am Queis 1933, Amtsenthebung 1935, Reichsredeverbot 1937, Ausweisung aus Schlesien 1938, Pfarrer Erfurt 1939, Propst ebd. 1945, Prof. für Systematische Theologie Jena 1946, Bonn 1961-1968 - Austritt aus den D C 1934, Mitbegründer
Biographische Angaben
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der Bekenntnisgemeinde Naumburg am Queis, Mitglied des schlesischen Provinzialbruderrates der B K 1934 u. nach der Spaltung des Provinzialbruderrates Mitglied der Naumburger Synode, Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35. GOEBBELS, Joseph geb. 29.10.1897 Rheydt, gest. (Selbstmord) 1.5.1945 Berlin, NS-Gauleiter von Berlin 1926, Reichsminister für Volksaufklärung u. Propaganda 1933-1945. GOERDELER, Carl Friedrich geb. 31.7.1884 Schneidemühl, gest. (hingerichtet) 2.2.1945 Berlin, Verwaltungsjurist u. Politiker, Oberbürgermeister Leipzig 1930-1937. GOETHE, Johann Wolfgang von geb. 28.8.1749 Frankfurt a.M., gest. 22.3.1832 Weimar, Dichter. GOGARTEN, Friedrich geb. 13.1.1887 Dortmund, gest. 16.10.1967 Göttingen, Prof. für Systematische Theologie Breslau 1931, Göttingen 1935. GOLLWRRZER, Helmut geb. 29.12.1908 Pappenheim/Bayern, gest. 17.10.1993 Berlin, Prof. für Systematische Theologie Bonn 1949, Freie Universität u. K i H o Berlin 1957-1975. GÖRING, Hermann geb. 12.1.1893 Rosenheim, gest. (Selbstmord) 15.10.1946 Nürnberg, Mitglied des Reichstags (NSDAP) 1928, kommissarischer Leiter des preuß. Innenministeriums u. Chef der neugeschaffenen preuß. Geheimen Staatspolizei 1933/34, preuß. Ministerpräsident 1933, Oberbefehlshaber der Luftwaffe 1935, Beauftragter für den Vierjahresplan 1936, Reichsmarschall 1940, im April 1945 von Hitler aller Amter enthoben, 1946 vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum Tode verurteilt. GÖRNANDT, Werner geb. 21.8.1893 Berlin-Friedenau, gest. 26.11.1969, Pfarrer Jesen 1920, Magdeburg 1922, BerlinSchöneberg 1925, Potsdam 1931, Sup. ebd., Hauptpastor der Deutschen St. Petri-Gemeinde in Kopenhagen 1934, Ruhestand 1960. GREGOR VON TOURS geb. 30.11.538/539 Clermont/Auvergne, gest. 17.11.594 Tours, fränk. Geschichtsschreiber, Bischof von Tours. GREISER, Arthur geb. 22.1.1897 Schroda/Provinz Posen, gest. (hingerichtet) 21.7.1946 Posen, NSDAP-Mitglied 1929, Eintritt in die SS 1930, Gauleiter Danzig, Innensenator 1933, Gauleiter u. Reichsstatthalter Wartheland 1939, MdR 1940. GRELL, Johannes geb. 10.7.1875 Rathenow/Brandenburg, gest. 22.2.1947 Gera, Ordination u. Diakon Münchenbernsdorf/Thüringen 1906, Vereinsgeistlicher des Ev. Erziehungsvereins Posen 1909, Pfarrer Berg vor Crossen/Oder 1916, Sup. Woldenburg/Neumark 1928, Propst der Grenzmark Posen-Westpreußen 1933-1941 (em.) - Mitglied der D C seit 1932 (als erster Sup. in Deutschland) - Teilnehmer der Deutschen Evang. Nationalsynode Berlin 1934. GRESCHAT, Martin geb. 1934, Prof. für Kirchengeschichte u. Kirchliche Zeitgeschichte Gießen 1980. GREVEMEYER, Max 1933 Reichssachbearbeiter der G D C . GRIMME, Adolf geb. 31.12.1889 Goslar, gest. 27.8.1963 Degerndorf, Pädagoge u. Politiker (SPD), preuß. Kultusminister 1930-1932, Kultusminister von Hannover u. Niedersachsen 1946-1948, Generaldirektor des Nordwestdetuschen Rundfunks 1948-1956 - jährliche Verleihung des AdolfGrimme-Preises für ausgewählte deutsche Fernsehproduktionen ab 1961.
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Register
GROTEWOHL, O t t o geb. 11.3.1894 Braunschweig, gest. 21.9.1964 Berlin(-Ost), M d L (SPD) Braunschweig 19201925, Ministerpräsident (SED) der D D R 1949. GROTTIAN, Konrad geb. 2.11.1887 Fürstenwalde, gest. 1.10.1956 Zehdenick, Pfarrer Woltersdorf/Lindow-Gransee 1914, Eylau 1919, Falkenberg/Eberswalde 1926, Sup. Gransee 1929. GRÜBER, Heinrich geb. 24.6.1891 Stolberg, gest. 29.11.1975 Berlin, Schwiegersohn von E. Vits, Pfarrer Dortmund-Brackel 1920, Düsseltaler Anstalten 1925, Templin 1926, Anschluß an die Jungreformatorische Bewegung 1933, Pfarrer Berlin-Kaulsdorf 1934, „Büro Grüber" Hilfsstelle für evang. Rasseverfolgte 1936-1940, K Z Sachsenhausen u. Dachau bis 1943, Pfarrer an der Berliner Marienkirche u. Propst zu Berlin 1945, Mitbegründer u. Leiter der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes ( W N ) , Bevollmächtigter der E K D bei der Regierung der D D R 1949 bis 1958, Zeuge im Eichmann-Prozess Jerusalem 1961. GRÜNEISEN, E m s t geb. 18.7.1907 Liverpool, gest. 26.6.1948 Brandenburg/Havel, Ehemann von Johanna G., Pfarrer in Fürstenwerder/Uckermark u. Brandenburg/Havel, zur Wehrmacht eingezogen 1939, wegen schwerer Krankheit entlassen 1944, nach Kriegsende Lager-Pfarrer in H a m b u r g u. Brandenburg/Havel. GRÜNEISEN, Johanna geb. Dibelius geb. 24.1.1914 Lauenburg/Pommern, Tochter von O . D . , Krankenschwester in Danzig 1934 bis 1937, verschiedene Tätigkeiten im kirchlichen Dienst ab 1949: Pfarrwitwenarbeit, Organisation von Ost-West-Treffen der Christi. Akademikerinnen, Mitarbeit im Berliner Bischofsbüro. GUNKEL, Hermann geb. 23.5.1862 Springe bei Hannover, gest. 11.3.1932 Halle/Saale, Privatdozent Halle 1889, ao. Prof. Berlin 1894, o. Prof. für Altes Testament Gießen 1907, Halle 1920-1927. GÜNTHER, Hans Wilhelm geb. 27.5.1875 Breslau, Pfarrer Altenrode 1903, Berlin 1906, Oberpfarrer u. Sup. Neuruppin 1916, Pfarrer Berlin-Schöneberg 1926, Vereinsgeistlicher in Berlin (Dir. des Christlichen Zeitschriftenvereins) 1927, Ruhestand 1933. HAACK, Hans Georg geb. 24.2.1888 Charlottenburg, Privatdozent Breslau 1922, Entzug der Lehrerlaubnis 1935. HABERMANN, Gustav geb. 19.8.1859 Nindorf, gest. nach 1938, Ordination Magdeburg 1888, Pfarrer Zwinge 1888, Schneidlingen/Kr. Aschersleben 1909, em. 1931. HAENDLER, Gustav geb. 22.3.1863 Berlin, gest. 18.11.1938 Berlin-Lichterfelde, Domhilfsprediger Berlin 1887, Pfarrer Löwenhagen/Ostpr. 1888, Bromberg 1892, Oberpfarrer u. Sup. Potsdam 1903, Propst u. GenSup. Berlin 1911, Versetzung in Ruhestand als GenSup. 1933, Versetzung in Ruhestand als Propst 1934, Propst des Kloster-Stifts zum Heiligengrabe 1920-1938. HAENISCH, Konrad geb. 14.3.1876 Greifswald, gest. 28.4.1925 Wiesbaden, Redakteur bei sozialistischen Zeitungen in Mannheim, Dresden, Dortmund, M d L Preußen (SPD) 1913, preuß. Kultusminister (zusammen mit A . Hoffmann)1918-1921, Regierungspräsident Wiesbaden 1922. HALLENSLEBEN, Emil geb. 8.2.1867 Berlin, gest. 2.5.1934 Berlin, Rechtsanwalt, N o t a r u. Justizrat Berlin, Mitglied des Staatsrats 1921-1926, Provinzialkirchenrat 1925, M d L (DVP) 1926, Mitglied der Generalsynode 1933 - Vors. des kirchlich-liberalen Zentralvereins. HAMMELSBECK, Oskar geb. 22.5.1899 Elberfeld, gest. 14.5.1975 Detmold, Dir. der Volkshochschule Saarbrücken 1927, Leiter des Katechetischen Seminars der B K Berlin 1937, Pfarrer Falkenhagen 1944, Prof.
Biographische Angaben
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u. Rektor der Pädagogischen Akademie Wuppertal 1946-1959 - Vors. der Schulkammer der E K D 1946-1954. HARDER, Günther geb. 13.1.1902 Groß-Breesen/Kreis Guben, gest. 12.9.1978 Berlin, Pfarrer Fehrbellin 1929, Mitbegründer der KiHo Berlin u. seit 1936 Dozent ebd., Mitglied des brandenburgischen Bruderrats 1934, Präses der Bekenntnissynode 1935, Prof. für Neues Testament KiHo Berlin 1955-1972. HARNACK, Adolf von geb. 7.5.1851 Dorpat, gest. 10.6.1930 Heidelberg, Prof. für Kirchen- u. Dogmengeschichte in Berlin, Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, erster Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. HARTMANN, Hans geb. 5.11.1888 München, Lizentiat Berlin 1913, Pfarrer Ketzberg 1915, Dr. phil. Erlangen 1916, Verzicht 1928. HARTWIG Arbeitersekretär in Berlin. HAUPT, Wilhelm geb. 6.7.1846 Stralsund, gest. 27.1.1932 Breslau, Schlossprediger u. Religionslehrer Putbus/Rügen 1873, Pfarrer Stargard 1881, Sup. 1882, KonsRt im Nebenamt Stettin 1899, Hofu. Schlossprediger 1900, GenSup. Liegnitz (Amtssitz Breslau)/Schlesien 1905, Ruhestand 1924. HECKEL, Theodor geb. 15.4.1894 Kammerstein/Mittelfranken, gest. 24.6.1967 München, Ordination 1921, Reiseprediger Solln bei München 1922, Studienrat Lehrerinnenbildungsanstalt Erlangen 1925, OKonsRt im Evang. Kirchenbundesamt Berlin 1928, Leiter des neu errichteten Kirchlichen Außenamts der D E K u. Bischof der deutschen Auslandsgemeinden 1934-1945, Leiter des Evang. Hilfswerks für Internierte u. Kriegsgefangene Erlangen 1939-1945, Dekan München 1950-1964. HEERING, Gerrit Jan geb. 15.3.1879 Pasoeroean/Java, gest. 18.8.1955 Leiden, Pfarrer Remonstrantsche Broederschap Oude Wetering 1904, Dordrecht 1907, Arnheim 1913, Prof. für Dogmatik u. Praktische Theologie an deren Seminar in Leiden 1917 - Vors. von „Kerk en Vrede" u. „The international Union of pacifist Ministers". HEGEL, Wilhelm von Oberpräsident a.D. Potsdam, Vors. des Evang. Preßverbandes in Deutschland u. der Deutschen Evang. Missionshilfe. HEGNER, Otto geb. 30.8.1881 Berseba/Südafrika, gest. 11.2.1941 Berlin-Oberschöneweide, Ordination 1908, Hilfsprediger Elbing 1908, Pfarrer Elbing 1912, Sup. Elbing 1924, GenSup. der Grenzmark Posen-Westpreußen in Schneidemühl 1927, in den Ruhestand versetzt zum 1.1.1934, Pfarrer u. Vorsteher des Diakonissen-Mutterhauses Königin-Elisabeth-Hospital Berlin-Oberschöneweide 1934. HEIM, Karl geb. 20.1.1874 Frauenzimmern/Württemberg, gest. 30.8.1958 Tübingen, Prof. für Systematische Theologie Münster 1914, Tübingen 1920-1939 (em.). HEINE, Wolfgang geb. 3.5.1861 Posen, gest. 9.5.1944 Ascona/Schweiz, Rechtsanwalt Berlin 1919, Politiker u. preuß. Minister (SPD), 1933 Emigration in die Schweiz. HEINEMANN, Gustav W. geb. 23.7.1899 Schwelm, gest. 7.7.1976 Essen, Rechtsanwalt Essen 1926, zugleich Prokurist der Rheinischen Stahlwerke 1928-1936, Vorstandsmitglied 1936-1949, Mitglied der BK, Oberbürgermeister von Essen 1946, Justizminister von Nordrhein-Westfalen 1947-1950, MdB
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Register
( C D U ) 1949-1953 u. Bundesinnenminister bis 1952, Gründung der Gesamtdeutschen Volkspartei 1952, Mitglied der SPD 1957, Bundesjustizminister 1966-1969, Bundespräsident der B R D 1969-1974 - Mitglied des Rates der E K D 1945-1967, Präses der Synode der E K D 19481955. HEITMANN, Ludwig geb. 16.6.1880 Ochsenwärder, gest. 2.7.1953 Hamburg, Ordination 1905, Pfarrer HamburgEppendorf seit 1909 - Mitbegründer der Jungreformatorischen Bewegung in Hamburg, Mitglied des Bruderrates des Pfarrernotbundes 1933. HELLPACH, Willy geb. 26.2.1877 Öls/Schlesien, gest. 6.7.1955 Heidelberg, Promotion in Philosophie u. Medizin, Neurologe in Berlin u. Karlsruhe, Prof. Karlsruhe 1930, badischer Unterrichtsminister 1922, Staatspräsident von Baden 1924, Kandidat für die Reichspräsidentenwahl 1925, Prof. für Psychologie Heidelberg 1926, MdR 1928-1930. HERBART, Johann Friedrich geb. 4.5.1776 Oldenburg, gest. 14.8.1841 Göttingen, Philosoph u. Pädagoge. HERMELINK, Heinrich geb. 30.12.1877 Mulki/Ostindien, gest. 11. 2.1958 München, Prof. für Kirchengeschichte Bonn 1915, Marburg 1916, entpflichtet aus politischen Gründen 1935, Pfarrverweser im württembergischen u. bayerischen Kirchendienst seit 1935, Honorarprofessor München u. Lehrbeauftragter Tübingen 1949. HERNTRICH, Volkmar geb. 8.12.1908 Flensburg, gest. (Autounfall) 14.9.1958 bei Nauen, Pfarrer u. Universitätsdozent Kiel 1932, Entzug der Lehrbefugnis 1934, Dozent Theologische Hochschule Bethel 1934, Leiter des Burckhardthauses Berlin-Dahlem 1940, Hauptpastor Hamburg u. Leiter der Alsterdorfer Anstalten (nebenamtlich 1942) 1946, Oberkirchenrat 1948, Hamburgischer Landesbischof 1956-1958. HERRMANN, Wilhelm geb. 6.12.1846 Melkow/Lkr. Havelberg, gest. 2.1.1922 Marburg, Prof. für Systematische Theologie Marburg 1879. HESSE, Hermann Albert geb. 22.4.1877 Weener/Ostfriesland, gest. 26.7.1957 Elberfeld, Pfarrer Elberfeld 1916-1946, seit 1929 zugleich Dir. des Reformierten Predigerseminars u. der Theol. Schule ebd., führendes Mitglied der BK, Moderator des Reformierten Bundes 1934-1936. HESSE, Hermann Klugkist geb. 16.12.1884 Larrelt/Ostfriesland, gest. 24.8.1949 Elberfeld, Pfarrer in Wybelsum, Weener u. Loga 1911-1920, Elberfeld 1920-1949 u. Sup. ebd. seit 1946, Versetzung in den einstweiligen Ruhestand 15.3.1934. HEUSS, Ludwig geb. 5.8.1910, Sohn von Theodor Heuss u. Elly Heuss-Knapp, Konfirmand von O . D . HEUSS, Theodor geb. 31.1.1884 Brackenheim, gest. 12.12.1963 Stuttgart, Publizist u. Politiker ( D D P / F D P ) , M d R (Staatspartei), erster Bundespräsident der B R D 1949-1959. HEUSS-KNAPP, Elly geb. 25.1.1881 Straßburg, gest. 19.7.1952 Bonn, Sozial- u. Kulturpolitikerin, Gründerin des Müttergenesungswerks. HEYDT, Fritz von der geb. 22.6.1884 Mülheim/Ruhr, gest. 8.4.1946, Pfarrer Düsseldorf-Rath 1919, Koblenz 1926, Anschluss an die G D C 1932, Evangelischer Bund Bonn 1934, Bundesdirektor Ev. Bund 1940. HILBERT, Gerhard geb. 9.11.1868 Leipzig, gest. 16.5.1936 Leipzig, Hofprediger Annaberg/Erzgebirge 1896, Pfarrer Dresden 1910, Prof. für Praktische Theologie Rostock u. KonsRt 1913, Pfarrer Leipzig u. Stadtsuperintendent 1925, zwangspensioniert 1934, legt Pfarramt nieder 1935.
Biographische Angaben
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HlNDENBURG, Paul von geb. 2.10.1847 Posen, gest. 2.8.1934 Gut Neudeck/Westpreußen, Generalfeldmarschall, Reichspräsident 1925-1934. HINDERER, August geb. 8.8.1877 Weilheim/Teck, gest. 27.10.1945 Kirchheim/Teck, Vereinsgeistlicher u. Leiter der Literaturabteilung der Ev. Gesellschaft Stuttgart 1907, Leiter des Ev. Presseverbandes Württemberg 1911, Dir. des Ev. Preßverbandes für Deutschland in Berlin 1918-1945 (vorübergehende Amtsenthebung durch A. Jäger u. L. Müller Juni/Juli 1933). HIRSCH, Emanuel geb. 14.6.1888 Bentwitsch/Westpriegnitz, gest. 19.7.1972 Göttingen, Prof. für Kirchengeschichte Göttingen 1921, für Systematische Theologie ebd.1935-1945. HITLER, Adolf geb. 20.4.1889 Braunau/Österreich, gest. (Selbstmord) 30.4.1945 Berlin, Führer der N S D A P , Reichskanzler 1933-1945. HOFF, Walter geb. 18.3.1890 Eulenberg, Krs. Birnbaum/Posen, Pfarrer Giekau/Holstein 1918, Pfarrer Halstenbek/Holstein 1922, Rellingen 1922, Berlin 1930, kommissarisch in Reichskirchenregierung 1933, im Konsistorium der Mark Brandenburg u. KonsRt Berlin 1934, Propst Kölln (Berlin) 1936, Entfernung aus dem Dienst 1950 - Mitglied der Deutschen Evang. Nationalsynode. HOFFMANN, Adolf geb. 22.3.1858 Berlin, gest. 1.12.1930 Berlin, sozialistischer Politiker (USPD), Berliner Stadtverordneter 1900-1921, MdR 1904-1906, MdL Preußen 1908, preuß. Kultusminister, zusammen mit K. Haenisch Nov. bis Dez. 1918, Mitglied der Preuß. Landesversammlung 1919, M d R 1920-1924. HOFFMANN, Ludwig Friedrich Wilhelm geb. 30.10.1806 Leonberg, gest. 28.8.1873 Berlin, Pfarrer Winnenden 1834, Missionsinspektor Basel 1839, Prof. für Theologie Basel 1843, Ephorus des Evang. Stifts in Tübingen 1850, Hofu. Domprediger Berlin 1852, zugleich GenSup. der Kurmark 1853-1873, Hofprediger Berlin 1863, Oberhofprediger 1871. HOLL, Karl geb. 15.5.1866 Tübingen, gest. 23.5.1926 Berlin, Prof. für Kirchengeschichte. HOSSBACH, Friedrich geb. 1894, gest. 1980, General, Adjutant Hitlers 1934-1938. HOSSENFELDER, Joachim geb. 19.4.1899 Cottbus/Brandenburg, gest. 28.6.1976 Lübeck, Kriegsdienst 1917, Freikorpskämpfer 1919, Ordination 1923, Pfarrer Simmenau/Oberschlesien 1925, Alt-Reichenau 1927, Berlin 1931, Hilfsreferent preuß. Kultusministerium Mai 1933, Geistlicher Vizepräsident des E O K Berlin, Bischof des Bistums Brandenburg u. ständiger Vertreter des altpreuß. Landesbischofs 6. September 1933, Geistlicher (unierter) Minister in der Reichskirchenregierung 27.9. bis 29.11.1933 (Gesamtrücktritt des Ministeriums), Enthebung von allen Amtern u. Wartestandsversetzung Dezember 1933, Pfarrer Potsdam 1939-1945, Wartestandsversetzung, Krankenhausgeistlicher, kommissarischer Verwalter von Pfarrstellen, Ruhestandsversetzung 1953, im Dienst der schleswig-holsteinischen Kirche Pfarrer Ratekau 1954-1969 - Mitglied der N S D A P 1929, Kirchenfachberater der Reichsleitung der N S D A P , Mitbegründer u. erster Reichsleiter der G D C 1932 - Teilnehmer der Deutschen Evang. Nationalsynode Wittenberg 1933. HÜFFMEIER, Johannes Heinrich geb. 19.5.1900 Kunersdorf, gest. 9.3.1956 Berlin, Domhilfsprediger Berlin 1925, Pfarrer Laubnitz 1927, Berlin-Wilmersdorf 1933, Sup. Kölln-Land 1 1946. HUGENBERG, Alfred geb. 19.6.1865 Hannover, gest. 12.3.1951 Kükenbruch, Wirtschaftsführer u. Politiker.
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HUMBOLDT, Wilhelm von geb. 22.6.1767 Potsdam, gest. 8.4.1835 Tegel (Berlin), Philosoph, Sprachforscher u. preuß. Staatsmann. HUNDT, Emst geb. 10.9.1877 Calbe/Saale, gest. (Selbstmord) 27.4.1945 Berlin, Konsistorialassessor Magdeburg 1905, KonsRt 1912, dazwischen juristischer Hilfsreferent im EOK Berlin 1909, Geheimer KonsRt u. Mitglied ebd. 1916, OKonsRt 1925, Weltlicher Vizepräsident 1929, Antrag auf Beurlaubung September 1933, Stellvertretender Leiter der Kirchenkanzlei der DEK November 1933 bis M ä r z 1934 (Ruhestandversetzung), Domherr Merseburg u. Naumburg 1936, Geschäftsführer des Geistlichen Vertrauensrats der DEK 1939. HÜRTEN, Heinz geb. 24.2.1928 Düsseldorf, Prof. für Geschichte der neuesten Zeit Freiburg/Br. 1972. HUTTEN, Ulrich von geb. 21.4.1488 Burg Steckelberg/Schlüchtern, gest. 29.8.1523 Insel Ufenau/Zürichsee, Reichsritter, Humanist u. Publizist. HYMMEN, Johannes geb. 28.12.1878 Barmen, gest. 18.3.1951 Bonn, KonsRt Münster 1926, GenSup. ebd. 1934/35, Wahrnehmung der Geschäfte des Geistl. Vizepäsidenten des EOK Berlin 1936, Mitglied des Geistlichen Vertrauensrates der DEK 1939-1945, Geistl. Vizepräsident des EOK Berlin 19401945. IGNATIUS VON ANTIOCHIA gest. zw. 107 u. 117 (Martyrium) Rom, Bischof u. Kirchenvater. IHMELS, Ludwig geb. 29.6.1858 Middels/Ostfriesland, gest. 7.6.1933 Dresden, Ordination u. Pfarrer Baltrum 1883, Nesse/Kreis Norden 1884, Detern 1885, Prof. für Systematische Theologie Erlangen 1898, Leipzig 1902, Universitätsprediger 1903, erster sächsischer Landesbischof 1922-1933 Vors. der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Konferenz seit 1908, Gründer u. Vors. der deutschen lutherischen Bischofskonferenz 1927. Mitbegründer des Lutherischen Weltconvents 1923, später 2. Vors. u. Mitglied des Exekutivausschusses, Mitglied des DEKA. INGMAN, Lauri geb. 30.6.1868 Teuva, gest. 1934 Helsinki, Studium Halle u. Tübingen 1895-1896, Prof. für Praktische Theologie Helsinki 1916-1930, protestantischer Erzbischof in Finnland 19301 9 3 4 - Mitglied des Parlaments 1907-1918, Premierminister 1918/19 u. 1924/25, Unterrichtsminister 1920/21,1925/26 u. 1928/29. IWAND, Hans Joachim geb. 11.7.1899 Schreibendorf/Schlesien, gest. 2.5.1960 Bonn, Stiftsinspektor Lutherheim Königsberg 1923, Prof. im Herder-Institut Riga 1924, Dir. des Predigerseminars der ostpreuß. Bekenntnissynode Blöstau 1935 bis zur Schließung 1937, Pfarrer Dortmund 1937, Prof. für Systematische Theologie Göttingen 1945, Bonn 1952 - Vors. des ostpreuß. Bruderrates, Mitglied des Reichsbruderrates 1936, Sammlung u. Betreuung evang. Deutscher aus Ostpreußen im Auftrag von Landesbischof W u r m 1946, dann Vors. von deren Hilfskomitee, Sachverständiger der EKD für Flüchtlingsfrage 1949. JACKE, Jochen geb. 1942 Hamburg, Historiker, Schuldienst Hamburg 1974, Oberstudienrat ebd. 1992. JACOBI, Gerhard geb. 25.11.1891 Bremen, gest. 12.7.1971 Oldenburg, Militärdienst 1914-1919, Ordination u. geschäftsführender Geistlicher der Gefängnisgesellschaft für die Provinz Sachsen u. Anhalt 1921, Pfarrer Halle/Saale 1923, Domprediger Magdeburg 1927, Pfarrer Berlin 1930-1954, Kriegsdienst 1939/40, Sup. Berlin-Charlottenburg 1945, GenSup. Berlin Sprengel I 1946, oldenburgischer Bischof 1954-1967 - Mitglied des Bruderrates des Pfarrernotbunds, des Bruderrates der Evang. Kirche der A p U , Präses der BK in Berlin 1933-1939, Mitglied des Reichsbruderrates seit 1934 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der DEK Barmen (Arbeitsausschuss) u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935.
Biographische Angaben
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JÄGER, August geb. 21.8.1887 Dietz/Lahn, gest. (hingerichtet) 17.6.1949 Posen, Landgerichtsrat Wiesbaden 1921, Leiter der Kirchenabteilung des preuß. Kultusministeriums Juni 1933, Ministerialdirektor 1. Juli 1933, Staatskommissar für den Bereich sämtlicher evang. Landeskirchen Preußens 24. Juni bis 14. Juli 1933, rechtskundiges Mitglied des Geistlichen Ministeriums in der Reichskirchenregierung mit dem Titel „Rechtswalter" 12. April bis 26. Oktober 1934, Senatspräsident Kammergericht Berlin 1936, stellvertretender Chef der Zivilverwaltung Warthegau 1939, später Regierungspräsident als allgemeiner Vertreter des Reichsstatthalters ebd. - Mitglied der N S D A P u. Amtswalter für evang. Angelegenheiten in der Reichsleitung der N S D A P 1933. JATHO, Karl Wilhelm geb. 25.9.1851 Kassel, gest. 11.3.1913, Pfarrer Bukarest 1876, Boppard 1884, Köln 1891, amtsenthoben 1911. JORDAN, Richard geb. 18.11.1889 Gnadenfeld bei Cosel, gest. 11.2.1971, Konrektor Riesky, Diakon ebd. 1922, Konrektor Königsfeld/Baden, Pfarrer Hoffnungsthal 1925, Pfarrer Wachow 1928, Ruhestand 1959. JÜCHEN, Aurel von geb. 20.5.1902 Gelsenkirchen, gest. 11.1.1991 Berlin, Pfarrer in Thüringen, Ostberlin 1945, Deportation 1945-1953, Gefängnispfarrer Berlin (West) 1955-1972. JÜLICHER, Adolf geb. 26.1.1857 Falkenberg, gest. 3.8.1938 Marburg, Prof. für Neues Testament u. Kirchengeschichte in Marburg. JÜNGEL, Eberhard geb. 1934 Magdeburg, Prof. für Systematische Theologie und Religionsphilosophie Tübingen 1969, Ephorus am Evang. Stift Tübingen 1987. KAEHLER, Walter geb. 22.3.1877 Halle/Saale, gest. 10.8.1955 Bethel, Ordination u. Pfarrer Bethel 1905, Bielefeld 1910, Münster u. gleichzeitig nebenamtlicher KonsRt 1919, GenSup. Stettin 1923, zwangsweise Ruhestandsversetzung 1.4.1934, danach Mitarbeiter Bodelschwinghs in Bethel (Zionsgemeinde). KAFTAN, Julius geb. 30.9.1848 Loit, gest. 27.8.1926 Berlin, ao. Prof. Basel 1873-1883, Prof. 1881, Berlin 1883, O K o n s R t u. Mitglied des E O K im Nebenamt 1904, Geheimer OKonsRt 1918, Geistlicher Vizepräsident des E O K 1921, Ruhestand 1925. KAFTAN, Theodor geb. 18.3.1847 Loit, gest. 16.12.1932 Baden-Baden, Prädikant Kappeln 1872, Diakonus Apenrade 1873, Regierungs- u. Schulrat Schleswig 1880, Hauptpastor Tondern u. Propst Nordtondern 1884, GenSup. Schleswig 1886, Versetzung in den Ruhestand 1917. KAHL, Wilhelm geb. 17.6.1849 Kleinheubach/Main, gest. 14.5.1932 Berlin, Prof. für Rechtswissenschaften Rostock, Erlangen, Bonn, Prof. für evang. Kirchenrecht, Staatsrecht, Strafrecht Berlin 1895 Mitglied des Verfassungsausschusses der Weimarer Nationalversammlung, MdR (DVP) 1920, Mitglied des D E K A 1922. KAHLER, Martin geb. 6.1.1835 Neuhausen/Ostpreußen, gest. 7.9.1912 Halle/S., Prof. für Neues Testament u. Systematische Theologie in Halle/S. u. Bonn. KAHLER, Wilhelm Sohn von Martin Ii., Professor. KAISER, Jochen-Christoph geb. in Lüdenscheid, Dozent für Neuere und Neueste Geschichte sowie für Kirchliche Zeitgeschichte Münster, Prof. für Kirchengeschichte der neuesten Zeit Marburg 1994.
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KALMUS, Paul geb. 18.6.1864 Treptow/Rega, gest. 13.3.1940 Stettin, Pfarrer Pinnow 1889, Papendorf 1891, Oberpfarrer u. Sup. Dramberg 1906, theologischer Hilfsarbeiter im Konsistorium Stettin 1915, hauptamtlicher KonsRt Magdeburg 1917, GenSup. in Stettin für die Provinz Pommern mit Wahrnehmung der Funktion des GenSup. für Grenzmark-Posen-Westpreußen 1921, Versetzung in den Ruhestand zum 30.9.1933. KALWEIT, Paul geb. 17.2.186/ Domnau, gest. 19.10.1944 Danzig-Langfuhr, Pfarrer Eydtkuhnen 1894, Dir. des Predigerseminar Naumburg/Quais 1898, zugleich Pfarrer Naumburg/Quais 1904, Pfarrer u. Sup. Danzig 1912, zugleich KonsRt u. nebenamtliches Mitglied des Konsistoriums Danzig 1912, kommissarischer GenSup. 1921, endgültige Ernennung 1923, Versetzung in den Ruhestand 1933. KAMMEL, Richard geb. 20.12.1882 Rawitsch/Bojanowo, gest. 1.12.1957 Berlin, Pfarrer Storchnest 1909, Dir. der Inneren Mission u. des Evang. Preßverbandes in Posen 1918, Leiter des Evang. Verbandes für Innere Mission 1921-1936, Geschäftsführer des Luther-Verlages in Posen bis 1939, Leiter des „Kirchendienstes Ost" 1945-1952. KANT, Immanuel geb. 22.4.1724 Königsberg/Ostpreußen, gest. 12.2.1804 ebd., Philosoph. KAPLER, Albrecht geb. 25.2.1889 Berlin, gest. 15.6.1991 Berlin, Sohn v. Hermann K., Pfarrer Mulknitz 1926, Geschäftsführer des Evang. Preßverbandes für Brandenburg 1929, Vereinsgeistlicher Berlin 1930, Pfarrer Biesenthal 1933, Pfarrer Berlin-Steglitz 1943, em. 1964. KAPLER, Hermann geb. 2.12.1867 Oels/Schlesien, gest. 2.5.1941 Berlin, Eintritt Konsistorium Berlin 1897, KonsRt ebd. 1901, gleichzeitig juristischer Hilfsreferent im E O K Berlin, OKonsRt 1904, Weltlicher Vizepräsident 1919, Präsident ebd. 1925 u. damit zugleich Präsident des D E K A , Ruhestand 30.6.1933 - Bevollmächtigter des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes („Kapler-Ausschuss") April bis Juni 1933. KAPP, Wolfgang geb. 24.7.1858 New York, gest. 12.6.1922 Leipzig, Jurist u. Politiker. KARNATZ, Bernhard geb. 29.3.1882 Verden/Aller, gest. 18.3.1976 Berlin, Jurist im E O K Berlin 1908, Konsistorialassessor Breslau u. Posen 1910, KonsRt im E O K Berlin 1916, hauptamtliches Mitglied u. Geheimer OKonsRt 1919, juristischer Dirigent ebd. 1929, Zwangsbeurlaubung u. Ruhestandsversetzung 1933, Vorstandsmitglied der Vorsorge-Lebensversicherungs A G 1936-1952 Mitglied des D E K A u. des Deutschen Evang. Kirchenbundesrats, Mitglied des Vorstandes u. stellvertretender Schatzmeister des Centrai-Ausschusses für die Innere Mission 1946-1952, kommissarischer Vizepräsident u. Leiter der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der E K D 1952-1958. KAROW, Emil geb. 22.8.1871 Prenzlau/Mark Brandenburg, gest. 10.7.1954 Klein-Machnow, Ordination u. Hilfsprediger Niederfinow/Kr. Eberswalde 1899, Hilfsprediger Berlin u. Pfarrer Wegun/Kr. Prenzlau 1901, Lübersdorf/Kr. Wriezen 1904, Niederfinow 1908, Oberpfarrer Eberswalde 1913, OKonsRt u. Mitglied des E O K Berlin 1921, GenSup. Berlin 1928/1929, Beurlaubung 28.6.-19.7.1933, Bischof von Berlin 1.11.1933, Ruhestand auf eigenen Antrag 31.7.1934, kommissarische Pfarrstellenvertretung Athen 1936 - Mitglied des D E K A U. des Deutschen Evang. Kirchenbundesrats. KARSEN, Fritz geb. 11.11.1885 Breslau, gest. 25.8.1951 Guayaquil/Ecuador, Pädagoge, Mitbegründer des Bundes entschiedener Schulreformer 1919, Emigration in die USA 1933, später Kolumbien u. Ecuador.
Biographische Angaben
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KAR WEHL, Richard geb. 2.5.1885 Uchte, gest. 2.8.1979 Osnabrück, Pfarrer Osnabrück 1918-1956, Mitglied Deinser Konferenz u. Jungev. Konferenz 1926-1933, Urheber Osnabrücker Bekenntnis 1933, Mitglied Osnabrücker Kreis 1933-1945. KÄSEMANN, Ernst geb. 12.7.1906 Bochum, gest. 17.2.1998 Tübingen, Prof. für Neues Testament Mainz 1946, Göttingen 1951, Tübingen 1959, em. 1971. KÄSTNER, Erich geb. 23.2.1899 Dresden, gest. 29.7.1974 München, Schriftsteller. KEHNSCHERPER, Gerhard geb. 16.11.1903 Bromberg/Provinz Posen, Ordination u. Hilfsprediger Rio de Janeiro 1928, Pfarrer Dorf Zechlin/Brandenburg 1929, Diakonieverein Berlin-Zehlendorf 1934, Kriegsdienst, Pfarrer Bad Freienwalde 1946, Hochschulprediger Potsdam, Habilitation 1955, Prof. für Angewandte Theologie Greifswald 1958 - Betätigung als Mitglied der N S D A P u. des Bundes nationalsozialistischer Pfarrer seit 1931, Ausschluss aus der N S D A P 1935, Mitglied der (Ost-)CDU 1955. KEIP, Bernhard geb. 29.10.1869 Mühlhausen/Thür., gest. 18.4.1941 Stettin, Pastor der Bischöflichen Methodistenkirche 1895-1913, Sup. für Distrikt Sachsen u. Ostpreußen 1913-1926, Mitbegründer der V E F (Vereinigung evangelischer Freikirchen in Deutschland), em. 1931. KELLER, Adolf geb. 7.2.1872 Rüdingen/Schweiz, gest. 10.2.1963 Los Angeles/Kalifornien U S A , Pfarrer Kairo 1896-1928, Burg bei Stein am Rhein, Genf u. Zürich, Mitbegründer u. erster Sekretär des Schweizerischen Ev. Kirchenbundes 1920-1940, Gründer u. Generalsekretär der Europäischen Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen 1922-1945, Generalsekretär des Sozialwissenschaftlichen Instituts Genf 1926-1937, Vizepräsident des Reformierten Weltbundes 1937. KELLOGG, Frank Billings geb. 22.12.1856 P o t s d a m / N . Y . (USA), gest. 21.12.1937 Saint Paul/Minneapolis, US-amerikan. Jurist u. Politiker, US-Außenminister 1925-1929. KEMPFF, Wilhelm geb. 1866, gest. 1938, Königlicher Musikdirektor, Organist und Kantor an der Nikolaikirche Potsdam, Vater des Pianisten Wilhlem K. KERRL, Hanns geb. 11.12.1887 Fallersleben, gest. 14.12.1941 Paris, Beamtenlaufbahn im mittleren juristischen Dienst, Kriegsteilnehmer 1914-1918, Justizobermeister in Peine, frühzeitig aktives Mitglied der ns. Bewegung im norddeutschen Raum, Eintritt in die N S D A P 1928, Präsident des preuß. Landtages 1932, preuß. Staatsrat September 1933, Mitglied bzw. Vizepräsident des Reichstages November/Dezember 1933, Reichskommissar für die preuß. Justizverwaltung März 1933, preuß. Justizminister (bis zur Zusammenlegung der Reichs- u. preuß. Ministerien) April 1933 bis Juni 1934, danach Reichsminister ohne Geschäftsbereich, Leiter der Reichsstelle für Raumordnung März 1935, des Zweckverbandes Reichsparteitag Nürnberg April 1935, Reichs- u. Preuß. Minister für die kirchlichen Angelegenheiten seit 16. Juli 1935. KESSLER, Hans geb. 3.9.1856 Wartenburg/Ostpr., gest. 9.9.1939 Züllchow/Stettin, Religionslehrer Braunsberg 1878, Ordination 1879, Pfarrer Groß-Wilmersdorf/Ostpr. 1879, Pfarrer Berlin 1883, zugleich KonsRt 1894, Pfarrer Matthäi-Kirche Berlin u. GenSup. der N e u m a r k u. Niederlausitz 1909, em.1925. KEUDELL, Walter von geb. 17.7.1884 Castellamare di Stabia/Italien, gest. 7.5.1973 Bonn, Rittmeister, Landrat Königsberg/Neumark 1916-1920, Mitglied des Kreisausschusses u. des Kreistages Königsberg u. des Brandenburger Provinziallandtages. Deichhauptmann des Oderbruchs 1918-1923, Reichsinnenminister 1927-1928, Generalforstmeister Preußens u. des Reichs 1933, Staatssekretär 1936, Berufung in den Reichsverkehrsrat 1937, Ruhestand 1937, wieder Landrat Königsberg
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Register
nach 1941, Lüneburg 1945 (Flüchtling), Aufbau von Organisationen der Selbsthilfe- u. Fürsorgeeinrichtungen für die Vertriebenen - MdR (DNVP) 1924, Mitglied der Landvolkpartei 1929, Mitglied des C S V D , Vorsitz, später Austritt, Eintritt C D U 1948. KEY, Ellen geb. 11.12.1849 Sundshom/Schweden, gest. 25.4.1926 Strand/Schweden, schwed. Reformpädagogin. KEYSERLING, Hermann Graf geb. 20.7.1880 Könno/Livland, gest. 26.4.1946 Innsbruck, Philosoph, Gründung der „Schule der Weisheit" Darmstadt 1920. KIERKEGAARD, S0ren Aaby geb. 5.5.1813 Kopenhagen, gest. 11.11.1855 Kopenhagen, Theologe, Schriftsteller u. Philosoph. KINDER, Christian geb. 29.5.1897 Plön, gest. 30.4.1972 Hamburg, Rechtsanwalt Altona, Konsistorialassessor Landeskirchenamt Kiel 1925, juristischer Vizepräsident Sommer 1933, Präsident 1937-1945, Universitätskurator Kiel 1943-1945, Kaufmann Hamburg nach 1945 - Reichsleiter der Reichsbewegung D C Dezember 1933 bis September 1935, Vors. der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt Schleswig-Holstein 1936 - Mitglied der Kammer für Verfassungsangelegenheiten der D E K 1936. KIRSCHBAUM, Charlotte von geb. 25.6.1899 Ingolstadt, gest. 24.7.1975 Riehen/Basel, zunächst Rote-Kreuz-Schwester, Besuch der sozialen Frauenschule München 1925, Betriebsfürsorgerin Nürnberg, Besuch soziale Frauenschule Berlin, Begegnung mit Karl Barth 1924/25, Mitarbeiterin Barths ab 1929. KITTEL, Gerhard geb. 23.9.1888 Breslau, gest. 11.7.1948 Tübingen, Privatdozent für Neues Testament Leipzig 1913, Prof. Greifswald 1921, Tübingen 1926 bis zur Emeritierung, dazwischen Wien 19391943 - von der französischen Militärregierung verhaftet Mai 1945 bis O k t . 1946. KLATT, Senta Maria geb. 3.9.1905 Berlin, gest. 6.2.1993 Berlin, Sekretärin von O . D . u. Scharf, Berlin, Kindergärtnerin Apolda u. Langensalza 1926, Jugendleiterin Ev. Kinderheim Langensalza 1929, Jugendleiterin Kreiskinderheim Schönblick 1930, Jugendleiterin Ev. Kindergarten St. Johannes Moabit, Leitende Sekretärin beim Rat der B K in der Mark Brandenburg 1935, Pfarrgehilfin Ev. Pfarramt Buckow 1940, zugleich Sekretärin beim Rat der B K in der Mark Brandenburg, Pfarrgehilfin Ev. Pfarramt Staaken-Dorf 1941, zugleich Sekretärin beim Rat der B K in der Mark Brandenburg, Dienstverpflichtung zur Wehrwirtschaft 1943, Sekretärin im Konsistorium der Evang. Kirche Berlin-Brandenburg Mai 1945, Referentin in der Abteilung Brandenburg, Ruhestand 1976. KLEINOD, Friedrich geb. 27.1.1868 Kattern/Kr. Breslau, gest. 20.8.1933 Liegnitz, Pfarrer Leopoldshain 1896, Liegnitz- 1903, Sup. ebd. 1923, Amtsniederlegung aus gesundheitlichen Gründen 1933. KLEINSCHMIDT, Karl geb. 26.4.1902 Hannover, gest. 13.8.1978 Schwerin, Pfarrer Weißbach/Thüringen 1927, Eisenberg/Thüringen 1930, Mitglied Bund Religiöser Sozialisten Thüringens 1927, Vors. 1931, Schutzhaft April/Mai 1933, freiwilliges Ausscheiden aus dem thüringischen Kirchendienst 1.7.1933, freiberufliche Tätigkeit in Berlin, Pfarrer u. 3. Domprediger Schwerin 1934-1967, Kriegsdienst u. amerik. Kriegsgefangenschaft 1939-1945, Mitglied der mecklenburgischen Landessynode 1946-1952 - Mitglied SPD 1928-1933 u. wieder 1945, S E D 1946, Mitglied der D D R - Volkskammer bzw. des Volksrats 1949-1954. KLINGEMANN, Karl Viktor geb. 29.11.1859 London, gest. 1.2.1946, Pfarrer dt. ev. Gemeinde Alexandrien/Ägypten 18831890, Reiseprediger, Vereinsgeistlicher Innere Mission Langenberg 1890, Pfarrer Essen 1891, Sup. Kreissynode 1900, GenSup. Rheinprovinz 1913-1928 (em.), Honorarprofessor Bonn 1928, stellvertretender Vors. Alldeutscher Verband 1908-1913.
Biographische Angaben
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KNAK, Siegfried geb. 12.5.1875 Zedlitz/Schlesien, gest. 22.5.1955 Berlin, Ordination u. Pfarrer Ribbehardt/Pommern 1901, Inspektor der Berliner Missionsgesellschaft 1910-1920 u. Missionsdirektor ebd. 1921-1949, dazwischen Divisionspfarrer 1915-1918, Prof. KiHo Berlin 1950 Mitglied des Deutschen Evang. Missionsrates 1933, des Bruderrates der Arbeitsgemeinschaft der missionarischen u. diakonischen Werke u. Verbände 1934 u. der Verfassungskammer der V K L Π 1936 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. KNOLLE, Theodor geb. 18.6.1885 Hildesheim, gest. 2.12.1955 Hamburg, Ordination 1910, Hilfsprediger Sandersdorf/Provinz Sachsen 1911, Wittenberg 1916, Hauptpastor Hamburg 1924, Oberkirchenrat ebd. 1946, Dozent für Praktische Theologie KiHo ebd. 1949, hamburgischer Landesbischof u. Honorarprofessor Universität Hamburg 1954 - Teilnehmer des Deutschen Lutherischen Tages 1935. KOCH, Karl geb. 6.10.1876 Witten/Ruhr, gest. 28.10.1951 Bielefeld, Ordination u. Hilfsprediger Feudingen u. Schalke 1902, Pfarrer Holtrup 1904, Bünde 1914, später Ennigloh/Herford, Bad Oeynhausen 1916-1949, gleichzeitig Sup. Vlotho 1927-1948, unterbrochen durch vorübergehende Ruhestandsversetzung aus kirchenpolitischen Gründen 1934/35, Präses der westfälischen Kirche 1945-1949 - Mitglied des Parteivorstandes der D N V P u. Vors. des Landesverbandes Westfalen-Nord 1918-1933, MdL 1919-1933 u. MdR 1930-1932 - Seit den Anfängen über Westfalen hinaus führend in der BK, Mitglied des Pfarrernotbundes Herbst 1933, als Präses der westfälischen Provinzialsynode (seit 1927) nach deren Spaltung Präses der westfälischen Bekenntnissynode 1934, Vors. des westfälischen Bruderrates März 1934 bis Juni 1939, Präses der Bekenntnissynoden der DEK Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936 u. Leiter ihres Büros in Bad Oeynhausen seit Sommer 1934, Vors. des Reichsbruderrates Mai 1934, Mitglied des Rates der D E K Herbst 1934 bis Spätwinter 1936 u. der V K L I (Referat: Kirchen), Vors. des altpreuß. Bruderrates Mai 1934 u. des Rates der Evang. Kirche der ApU November 1934 bis Februar 1936, Präses der Bekenntnissynode der ApU November 1934 bis Dezember 1936 (Rücktritt von den Funktionen in der altpreuß. Kirche wegen grundlegender Differenzen in der Kirchenausschussfrage). KOCH, Walter geb. 3.2.1894 Starzeddel/Kr. Guben, gest. 8.10.1965 Remscheidt-Lennep, Kriegsdienst u. Gefangenschaft 1914-1919, Studium, juristischer Hilfsarbeiter im E O K Berlin 1925, KonsRt ebd. 1926, OKonsRt 1933, Mitglied der Finanzabteilung bei der Deutschen Evang. Kirchenkanzlei 1935, Konsistorialpräsident Düsseldorf 1937-1946 (Ruhestandsversetzung), 1951 Rechtsanwalt Remscheid u. Wuppertal. KOCH, Werner geb. 26.12.1910 Bielefeld, gest. 31.7.1994 Emlichheim, Hilfsprediger Barmen 1936, Gestapohaft Sachsenhausen 1936-1938, Hilfsredakteur Deutsches Pfarrerblatt 1939, Lagerpfarrer 1945/46, Pfarrer Berlin 1947, Espelkamp 1953, Netphen/Siegen 1955, Religionslehrer u. Publizist Emlichheim 1969. KOEHLER, Paul geb. 16.3.1848 Schweinitz, Kreis Grünberg, gest. 5.5.1926 Buckow Kreis Lebus, Pfarrer Prittag 1874, Saabor 1877, Sulau 1881, ab 1882 zugleich Sup. ebd., Trachenberg 1889, Vereinsgeistlicher für Innere Mission Breslau 1892, OKonsRt u. Mitglied des E O K Berlin 1894, 1. Pfarrer Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin 1896, GenSup. Kurmark 1903, em. 1919. KÖGEL, Rudolf geb. 18.2.1829 Birnbaum, gest. 2.7.1896 Berlin, Gymnasiallehrer Dresden 1852, Pfarrer Nakel 1854, Haag 1857, Dom- u. Hofprediger Berlin 1863, Oberkonsistorial- u. vortragender Rat im Ministerium der geistlichen Angelegenheiten, Mitglied des E O K 1879-1894 Oberhofprediger ebd. 1881-1896, GenSup. Kurmark 1879-1891.
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Register
KOGON, Eugen geb. 2.2.1903 München, gest. 24.12.1987 Falkenstein/Taunus, Publizist u. Politikwissenschaftler. KOLFHAUS, Wilhelm Mitglied des Moderamen des Reformierter Bund, Ref. Arbeitsausschuss 1936, Schriftleiter der RKZ. KORTHEUER, August geb. 3.1.1868 Wiesbaden, gest. 31.5.1963 Königsfeld, Ordination 1893, Pfarrer Eibelshausen, Hochheim a.M. u. Wiesbaden 1894-1914, Feldgeistlicher 1914-1918, KonsRt 1919, nassauischer Landesbischof 1925, Zwangsruhestand 1933-1945, Vors. der nassauischen V K L 19451947. KRAEMER, Wilhelm Rechtsanwalt, Vors. des Deutschen Protestantenvereins. KRAUSE, Reinhold geb. 22.10.1893 Berlin, gest. 6.5.1980 Konstanz, Studienassessor (Lehraufträge) an verschiedenen Berliner Gymnasien 1922-1932, kommissarischer Leiter Elisabeth-Christinen-Lyceum Berlin-Niederschönhausen 1933, Studiendirektor ebd. 1934-1945, Internierung Landsberg/Warthe u. Buchenwald 1945-1950, Studienrat Konstanz 1951-1958 - Mitbegründer der D N V P Berlin-Pankow 1918/19, Mitglied der N S D A P 1932, Gauhauptstellenleiter u. Gauredner für evangelisch-kirchenpolitische Fragen 1933, aktives Mitglied des Bundes für Deutsche Kirche 1921, Obmann der G D C im Großgau Berlin 1932/33, nach der Sportpalastkundgebung 13.11.1933 Enthebung von allen kirchlichen Amtern, Gründer der „Glaubensbewegung Deutsche Volkskirche" 1933. KRÖTKE, Wolf geb. 1938 Berlinchen/Neumarkt, Theologe. KRUSE, Martin geb. 21.4.1929 Lauenburg/Einbeck, Pastor u. Studienleiter Akademie Loccum 1957, Pastor Loccum 1960, Landessuperintendent Stade 1970, Bischof Berlin-Brandenburg 1977-1994 Mitglied des Rates der E K D 1979, Mitglied des Zentralausschusses des O R K 1983, Vors. des Rates der E K D 1985-1991. KUBE, Wilhelm geb. 13.11.1887 Glogau, gest. (Attentat) 22.9.1943 Minsk, Journalist u. Publizist, Generalsekretär der D N V P 1920, Ubertritt zu den Völkischen 1923, MdR der Nationalsozialistischen Freiheitspartei 1924 bis zum Ausschluss aus der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung 1927, Ubertritt zur N S D A P u. nationalsozialistischer Gauleiter Gau Ostmark 1928, Gau Kurmark 1933, Oberpräsident Provinz Brandenburg 1933 bis zur Amtsenthebung 1936, Generalkommissar für Weißruthenien 1941 - Gründungsmitglied der D C in Preußen 1932 - Teilnehmer der Deutschen Evang. Nationalsynode Wittenberg 1933. KÜBEL, Johannes geb. 20.9.1873 Neustadt/Aisch, gest. 14.6.1953 Bubenreuth/Mittelfranken, Pfarrer Frankfurt a.M. 1909, Kirchenrat u. stellvertretender Präsident des Landeskirchenrates Frankfurt im Nebenamt 1925 bis zur Amtsniederlegung 1933, danach Pfarrer Nürnberg bis 1938. KUDER, Luther J o h n geb. 22.4.1937 Greenville/Pennsylvania (USA), Absolvent des Thiel-College in Greenville, Versicherungs- und Immobilienkaufmann. KÜNNETH, Walter geb. 1.1.1901 Etzelwang/Oberpfalz, gest. 26.10.1997 Erlangen, Dozent Apologetische Centrale im Centraiausschuss für Innere Mission Berlin 1927, Privatdozent für Systematische Theologie Berlin seit 1930 u. Leiter der Apologetischen Centrale 1932-1937, Entzug der Lehrbefugnis aus politischen Gründen, Pfarrer Starnberg/Oberbayern 1938, Dekan Kirchenkreis Erlangen 1944, Honorarprofessor Erlangen 1946, Prof. für Systematische Theologie ebd. 1953-1969 - Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35, Teilnehmer des Deutschen Lutherischen Tages 1935.
Biographische Angaben
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KUPISCH, Karl geb. 14.2.1903 Berlin, gest. 13.10.1982 Berlin, Schuldienst Berlin 1934-1956, D r . phil. Berlin 1937, D o z e n t für Allgemeine Geschichte u. Kirchengeschichte K i H o Berlin 1946, Prof. 1954, R e k t o r 1959-1961, Honorarprofessor für Allgemeine Religions- u. Geistesgeschichte T U Berlin 1957. KÜPPER, Ernst geb. 1889, gest. 1963, Leiter des J o h a n n e u m Barmen 1914, Kriegsdienst 1914-1915, Inspektor Predigerseminar Elberfeld 1916, Pfarrer Ladbergen 1917, Hagen 1927-1959. LAHUSEN, Christoph Friedrich geb. 22.3.1851 Bremen, gest. 17.10.1927 Bremen, Pfarrer Mettmann 1878, H a m m 1883, Bremen 1886, Berlin 1899, Konsistorium Brandenburg 1902, O K o n s R t im E O K Berlin 1910, G e n S u p . Berlin 1912, Geistlicher Vizepräsident des E O K Berlin 1918-1921, Mitglied des Herrenhauses u. Propst des Stiftes Heiligengrabe/Brandenburg. LAMBACH, Walther geb. 28.5.1885 Gummersbach, gest. 30.1.1943 Mainz, M d R ( D N V P ) 1920-1932. LANG, August geb. 26.2.1867 Huppichtsroth/Rheinprovinz, gest. 2.12.1945, Domprediger u. Sup. Halle, Prof. für neuere, besonders reformierte Kirchengeschichte ebd. 1919, Moderator des Reformierten Bundes. LANG, T h e o d o r geb. 14.11.1870 Gächlingen (Schweiz), gest. 15.8.1931 H a m b u r g , Pfarrer der deutschen Gemeinde in Montreux 1896, N ü r n b e r g 1905, Barmen 1911, Berlin-Wilmersdorf u. K o n s R t M a r k Brandenburg 1918, O K o n s R t Berlin 1925, Pfarrer Berlin-Dahlem 1929 - Mitglied im Präsidium des Evangelischen Bundes, Vors. der deutschen G r u p p e im Internationalen Verband zur Verteidigung u. Förderung des Protestantismus. LANGENOHL, Wilhelm August geb. 29.5.1895 Wermelskirchen, gest. 1.9.1969 Rheydt, Jugendzeit teilweise in der Tschechoslowakei, Ordination u. Pfarrer Opladen 1922, Düsseldorf 1927, Rheydt 1932-1964 - Mitglied des Moderamens des Reformierten Bundes 1934. LAPIDE, Pinchas geb. 28.11.1922 Wien, gest. 23.10.1997 Frankfurt, jüdisch-theologischer Publizist. LESSING, Eckhard geb. 1935 Chemnitz, Prof. für Systematische Theologie Münster. LESSING, G o t t h o l d E p h r a i m geb. 22.1.1729 Kamenz, gest. 15.2.1781 Braunschweig, Schriftsteller, Kritiker u. Philosoph. LIEBKNECHT, Karl geb. 13.8.1871 Leipzig, gest. (ermordet) 15.1.1919 Berlin, Jurist u. Politiker. LLLJE, H a n n s geb. 20.8.1899 Hannover, gest. 6.1.1977 Hannover, Ordination 1924, Studentenpfarrer Hannover 1925, Generalsekretär der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung 1927-1935, Vizepräsident der World Student Christian Federation 1932-1935, Generalsekretär des Lutherischen Weltconvents 1936-1945, Oberlandeskirchenrat H a n n o v e r 1945, Landesbischof Hannover 1947-1971, Mitglied des Rates der E K D 1945-1972, sein stellvertretender Vors. 19491967, zahlreiche leitende ökumenische A m t e r - Herausgeber der (ursprünglich jungreformatorischen) Zeitschrift „Junge Kirche" 1933-1936, Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35, des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Lutherrat) 1936 - Teilnehmer des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. LLNDT, Andreas geb. 2.7.1920 Meiringen (Schweiz), gest. 9.10.1985 Sigriswil, Prof. für Kirchengeschichte Bern 1974.
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Register
LLNGNER, Lina geb. 2.5.1884 Brilon, gest. 19.3.1968 Kassel, Eintritt in die Schwesternschaft des Zehlendorfer Diakonievereins in Wuppertal-Elberfeld 1914, erste Oberin des evangelischen Martin-LutherKrankenhauses in Berlin-Schmargendorf 1931-1957. LÖHE, Wilhelm geb. 21.2.1808, gest. 2.1.1872 Neuendettelsau, Pfarrer Neuendettelsau 1837, Gründer des Diakonissenhauses Neuendettelsau und der lutherischen Gesellschaft für Innere Mission. LOISY, Alfred geb. 18.2.1857 Ambrieres/Marne, gest. 1.6.1940 Ceffonds/Haute-Marne, frz. kath. Theologe, Prof. für Religionsgeschichte in Paris. LÖTZ, Martin geb. 1936 Pfieffe/Oberhessen, Berufsschullehrer 1960, Pfarrer 1965, persönlicher Referent von Gustav Heinemann 1974-1976, Pfarrer Berlin-Zehlendorf 1977. LÜBBE, Marinus van der geb. 1909, gest. 1934, niederländ. Kommunist. LUDENDORFF, Erich geb. 9.4.1865 Gut Kruszewnia bei Posen, gest. 20.12.1937 Tutzing, General, Sieg bei Tannenberg 1914, Mitglied der Obersten Heeresleitung 1916, Teilnehmer am Hitler-Putsch 1923. LUTHARDT, Christoph Ernst geb. 22.3.1823 Maroldsweisach/Kr. Haßberge, gest. 21.9.1902 Leipzig, Prof. für Systematische Theologie Marburg 1854, für Neues Testament u. Systematische Theologie Leipzig 1856, Mitbegründer der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Konferenz u. Gründer der A E L K Z 1868. LUTHER, Martin geb. 10.11.1483 Eisleben, gest. 18.2.1546 Eisleben, Reformator. LUTHER, Paul geb. 18.5.1868 Prenzlau, gest. 11.3.1954, Rektor Kremmen/Nauen 1892, Oberpfarrer ebd. 1895, Pfarrer Berlin-Charlottenburg 1902, KonsRt, em. 1935 - Vors. des Protestantenvereins. LÜTTGERT, Wilhelm geb. 8.5.1866 Bielefeld, gest. (Bootsunfall auf dem Rhein) 30.7.1925, KonsRt Koblenz 1902, Berlin 1912, O K o n s R t ebd. 1914, im Nebenamt Justitiar und Verwaltungsrat beim Provinzialschulkollegium Berlin 1919-1924. LUXEMBURG, Rosa geb. 5.3.1870 Zamosc/Polen, gest. (ermordet) 15.1.1919 Berlin, Politikerin. MACFARLAND, Charles Stedman geb. 1866, gest. 1956, Generalsekretär des Federal Council of the Churches of Christ in America 1911-1930. MACHOLZ, Waldemar geb. 3.5.1876 Danzig, gest. 1.5.1950 Jena, Sup. Berlin 1915, Dir. des Predigerseminars Wittenberg 1924, Prof. für Praktische Theologie Jena 1927, für Konfessionskunde ebd. 1933-1938, für Praktische Theologie ebd. 1945-1948. MAHLING, Friedrich geb. 14.2.1865 Frankfurt/M., gest. 18.5.1933 Berlin, Pfarrer Geinsheim/Hessen 1891, Vorsteher der Hamburger Stadtmission 1892, Pfarrer Frankfurt 1904, KonsRt in der Frankfurter Kirchenleitung 1906, Prof. für Praktische Theologie Berlin 1909-1932/33. MANN, Heinrich Lübeck, gest. 12.3.1950 Santa Monica/Los Angeles, Schriftsteller. geb. 27.3.1871 MANN, Thomas geb. 6.6.1875 Lübeck, gest. 12.8.1955 Zürich, Schriftsteller.
Biographische Angaben
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MARAHRENS, August geb 11.10.1875 Hannover, gest 3.5.1950 Loccum, Schlossprediger Hannover 1904, Studienleiter Predigerseminar Erichsburg 1909, Sup. Einbeck 1919, GenSup. Stade 1922, hannoverscher Landesbischof 1925-1947 - Vors. der V K L I (Referat: Verkehr mit Reichs- u. Staatsbehörden, zentrale Werke u. Verbände, Landeskirche Hannover, Weltluthertum) November 1934 bis Februar 1936, Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35, Gründungsmitglied des Rats der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Lutherrat) März 1936, Vors. der Kirchenführerkonferenz 1937 u. des Geistlichen Vertrauensrates 1936-1945, Vizepräsident des Lutherischen Weltkonvents 1933, dessen Präsident 1935-1945 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden in Barmen 1934 (als Gast), Augsburg 1935 u. Bad Oeynhausen 1936. MARQUARDT, Friedrich Wilhelm geb. 2.12.1928 Eberswalde/Mark Brandenburg, Prof. für Systematische Theologie F U Berlin, em. 1997. MARTIN, Gottfried Pseudonym für Richard Kammel (s. dort). MARX, Wilhelm geb. 15.1.1863 Köln, gest. 5.8.1946 Bonn, Jurist u. Politiker (Zentrum), Reichskanzler 19231925 u. 1926-1928. MAURENBRECHER, M a x
geb. 17.7.1874 Königsberg, gest. 30.4.1930 Mengersgreuth/Thüringen, Theologe, Publizist u. Politiker, Generalsekretär des „Nationalsozialen Vereins" 1901-1903, Eintritt in die SPD, Kirchenaustritt 1907, freireligiöser Prediger Erlangen u. Mannheim, Austritt aus der S P D 1913, DNVP-Mitglied 1918, Kircheneintritt 1919, Pfarrer Dresden, Schriftleiter der „Deutschen Zeitung" 1920-1924, Pfarrer Mengersgreuth 1925. MAUSBACH, Joseph geb. 7.2.1861 Wipperfeld/Rheinland, gest. 31.1.1931 Ahrweiler, Prof. für (kath.) Moraltheologie u. Apologetik in Münster. MEHLHAUSEN, Joachim geb. 1935 Berlin, Pfarrer, Privatdozent u. apl. Prof. Bonn, Mitglied der Leitung der Evang. Kirche im Rheinland 1975-1986, Prof. für Kirchengeschichte u. Kirchenordnung Tübingen 1986. MEHNERT, Gottfried geb. 14.11.1927 Dresden, Pfarrer Kiel, em. 1990 Marburg. MEIER, Kurt geb. 18.6.1927 Venusberg/Erzgebirge, Prof. für Kirchengeschichte u. kirchliche Zeitgeschichte Leipzig 1968, em. 1992. MEINECKE, Friedrich geb. 30.10.1862 Salzwedel, gest. 6.2.1954 Berlin, Historiker. MEISER, Hans geb. 16.2.1881 Nürnberg, gest. 8.6.1956 München, Ordination u. Privatvikar Weiden/Oberpfalz 1905, exponierter Vikar Haßfurt 1908, Stadtvikar Würzburg 1909, Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission Nürnberg 1911, Pfarrer München 1915, zugleich Vorstand der Münchner Diakonissenanstalt 1917, Pfarrer München-Sendling 1920, Leiter des Predigerseminars Nürnberg 1922, Oberkirchenrat im Landeskirchenrat München 1928, Stellvertreter des bayerischen Kirchenpräsidenten 12. April 1933, bayerischer Landesbischof 4. Mai 1933 bis 1. Mai 1955 - Vors. der Deutschen Lutherischen Bischofskonferenz 1933, des Direktoriums der Vereinigung der deutschen lutherischen Landeskirchen 1933, Mitglied des Reichsbruderrates (Arbeitsausschuss) Mai 1934 bis Februar 1936, Vors. des Lutherischen Rates 1934/35, Gründungsmitglied des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Lutherrat) März 1936, dessen Vors. seit Winter 1938, Vors. der Vorläufigen Leitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands 1948, erster Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) 1949-1955,
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Mitglied des Rates der E K D 1949-1955, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen (Arbeitsausschuss) 1934, Augsburg 1935 u. des Deutschen Lutherischen Tages 1935. MELANCHTHON, Philipp geb. 16.2.1497 Bretten, gest. 19.4.1560 Wittenberg, Humanist u. Reformator. MELLE, O t t o F . H . geb. 16.8.1875 Liebengrün/Thüringen, gest. 26.3.1947 Berlin, methodistischer Pastor 1900, Sup. 1911, Dir. u. Dozent am Predigerseminar der Bischöflichen Methodistenkirche in Deutschland Frankfurt a.M. 1920-1936, Bischof 1936-1946, Vorstandsmitglied des Allianzhauses Blankenburg 1922-1947. MENZEL, Adolph von geb. 8.12.1815 Breslau, gest. 9.2.1905 Berlin, Maler u. Graphiker. MEYER, Conrad Ferdinand geb. 11.10.1825 Zürich, gest. 28.11.1898 Kilchberg/Zürich, Schweiz. Schriftsteller. MEYER, O t t o geb. 22.3.1867 Gütersloh, gest. 19.2.1929, Ordination Gütersloh 1895, Pfarrer Backhausen 1896, Münster i.W. 1902, Steglitz 1904, Dompfarrer Magdeburg 1910, Geheimer KonsRt Magdeburg 1920, GenSup. der Kirchenprovinz Sachsen 1925. MICHAELIS, Wilhelm geb. 26.1.1896 Darmstadt, gest. 19.2.1965 Bern, Dozent für Neues Testament Berlin 1923, Prof. Bern 1930 - Vors. des Verbandes für Gemeinschaftspflege u. Evangelisation. MIDDENDORF, Friedrich geb. 2.2.1883 Emden, gest. 12.5.1973 Schüttorf, Ordination 1908, Pfarrer in Papenburg, Uttum bei Emden u. Neermoor bei Leer 1908-1913, Schüttorf / Grafschaft Bentheim 19261956, führendes Mitglied der Bekenntnisgemeinschaft der Evanglisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover u. ihr Vors. (seit 1937), Ausweisung aus Schüttorf 1937, Kirchenpräsident 1946-1953 u. Mitglied der Kirchenleitung bis 1956 - Herausgeber des „Sonntagsblattes für evangelisch-reformierte Gemeinden" 1919 bis zum Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer 1936, Teilnehmer der Bekenntnissynode der D E K 1936, Mitglied des Reichsbruderrates u. des Rates der D E K 1936, Mitglied der EKD-Synode 1949-1955 u. der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen 1949-1959. MIRBT, Carl geb. 21.7.1860 Gnadenfrei/Schlesien, gest. 27.9.1929 Göttingen, Prof. für Kirchengeschichte Marburg 1889, Göttingen 1912. MLTZENHEIM, Moritz geb. 17.8.1891 Hildburghausen, gest. 4.8.1977 Eisenach, Pfarrer Saalfeld 1922, Eisenach 1929, führendes Mitglied der thüringischen BK, Vors. des neugebildeten thüringischen Landeskirchenrats mit dem Titel Landesoberpfarrer 1945, Verleihung des Bischofstitels Dez. 1945, Ruhestand 1970 - Mitglied des Rates der E K D 1955-1961. MOELLER, Reinhard geb. 15.1.1888 Gumbinnen/Ostpreußen, gest. 29.9.1963 Bad Reichenhall, Jurist, Staatsdienst in der preuß. inneren Verwaltung 1912, Reichsfinanzverwaltung 1921-1945, nach Entlassung auf eigenen Antrag seit 7.6.1945 zunächst kommissarischer Leiter u. vom 1.4.1946 bis 1962 Dir. des Berliner Stadtsynodalverbandes, Präses der Provinzialsynode Berlin-Brandenburg 1946-1959, Gründungsmitglied der C D U , ehrenamtlicher Stadtrat Berlin-Zehlendorf. MOELLER van den Bruck, Arthur geb. 23.4.1876 Solingen, gest. (Suizid) 30.5.1925 Berlin, polit. Schriftsteller. MOLDAENKE, Günter geb. 16.4.1909, 1934 Dozent Dorpat/Estland, Privatdozent Königsberg 1936, Heidelberg 1937, Verfahren wg. verbotener BK-Prüfungen 1941, Pfarrer Eberbach, Dozent für Reformationsgeschichte Heidelberg 1950.
Biographische Angaben
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MOLTMANN, Jürgen geb. 8.4.1926 Hamburg, Prof. für Systematische Theologie Wuppertal, Bonn, Tübingen 1969, em. 1994. MOMMSEN, Theodor geb. 30.11.1817 Garding, gest. 1.11.1903 Berlin-Charlottenburg, Historiker. MOREHEAD, John Alfred geb. 4.2.1867 Pulaski County/Virginia, gest. 1.6.1936 Salem/Virginia, Studium Roanoke College Salem/Virginia u. Lutheran Theological Seminary Philadelphia, Ordination u. Gemeindepfarrer 1892, Prof. für Systematische Theologie u. Leiter des Southern Seminary Columbia S.C. 1898-1908, während dieser Zeit Studium in Berlin u. Leipzig 1901/02, Präsident des Roanoke College 1908-1913, der Vereinigten Lutherischen Synode des Südens 1910-1914, Vors. der Europa-Kommission des National Lutheran Council in America seit 1919, in dieser Stellung verantwortlich für die Verteilung von Gaben amerikanischer Lutheraner für die in N o t befindlichen Brüder in Europa, Dir. des National Lutheran Council 1923-1930 u. Vors. seines Editionskomitees (Lutheran World Almanac) 1924-1930, Vors. des Fortsetzungs- bzw. Exekutivkomitees des dank seines maßgeblichen Einsatzes in Eisenach gegründeten Lutherischen Weltkonvents u. damit dessen erster Präsident 1923-1935. MOSSE, Rudolf geb. 9.5.1843 Grätz (Grodzisk)/Posen, gest. 8.9.1920 Schenkendorf/Brandenburg, Verleger. MOTT, J o h n Raleigh geb. 25.5.1865 Kivingston Manor/New Y o r k , gest. 31.1.1955 Orlando/Florida, Generalsekretär des Christlichen Studentenweltbundes 1895, Vors. 1920, Präsident des Internationalen Missionsrates 1921-1941. MUHS, Hermann geb. 16.5.1894 Barlissen/Kr. Hannoversch Münden, gest. 13.4.1962 Göttingen, Jura-Studium Göttingen, Berlin u. Königsberg, Staatsdienst, Rechtsanwalt Göttingen 1927, später Notar, Mitglied der N S D A P u. Vors. der Göttinger Stadtratsfraktion 1929, MdL u. stellvertretender Gauleiter Göttingen 1930/31, Eintritt in die SS 1931 (Standartenführer 1938), Gauleiter Hannover 1932, Regierungspräsident Hildesheim April 1933, Mitglied des hannoverschen Kirchensenats 1933, Austritt aus der Kirche 10. November u. Wiedereintritt 16.(17.) November 1936, von Reichskirchenminister Kerrl zu seinem ständigen Vertreter bestimmt 19. (23.) November 1936, Staatssekretär u. ständiger Vertreter des Ministers im Reichskirchenministerium 20. April 1937, nach Kerrls T o d mit der Führung der Geschäfte des Ministers beauftragt 16. Januar 1942. MULERT, Hermann geb. 11.1.1879 Niederbobritzsch/Sachsen, gest. 22.7.1950 Mügeln bei Leipzig, Privatdozent für Systematische Theologie Kiel 1907, Halle 1909, Berlin 1912, ao. Prof. für Systematische Theologie Kiel 1917, o. Prof. ebd. 1920-1935 (zwangsemeritiert), Lehrauftrag Leipzig 1948. MÜLLER, Hanfried geb. 4.11.1925 Celle, Ubersiedlung in die D D R 1952, Prof. für Systematische Theologie Berlin(-Ost) 1964, em. 1990. MÜLLER, Hermann geb. 5.1.1878 Herrenberg/Württemberg, gest. 29.3.1945 Stetten/Rems, OKonsRt Stuttgart 1912, Dir. des Evang. Oberkirchenrats Stuttgart 1927-1945, Stellvertreter des Kirchenpräsidenten bzw. Landesbischofs in juristischen Angelegenheiten - Mitglied des Deutschen Evang. Kirchenbundesrates 1924, der Finanzabteilung bei der Deutschen Evang. Kirchenkanzlei 1935 - Teilnehmer der Bekenntnissynode der D E K Bad Oeynhausen 1936. MÜLLER, Johannes geb. 19.4.1864 Riesa/Elbe, gest. 4.1.1949 Schloss Elmau/Oberbayern, Schriftsteller, Missionssekretär beim „Zentralverein für Mission unter Israel" 1889, Abkehr von Theologie u. Kirche 1892/93, Leiter der „Freistätte persönlichen Lebens" Schloss Mainberg 1903, Schloss Elmau 1916.
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MÜLLER, Karl geb. 27.7.1863 Mühlstedt/Anhalt, gest. 20.5.1935 Erlangen, Privatdozent Halle 1891, ao. Prof. Erlangen 1892, o. Prof. ebd.. 1896, ab 1898 zugleich Pfarrer der reformierten Gemeinde ebd., Präses der reformierten Synode Bayern, em. 1934. MÜLLER, Ludwig geb. 23.6.1883 Gütersloh, gest. (Selbstmord) 31.7.1945 Berlin, Ordination u. Pfarrer Rödinghausen/Westfalen 1908, Pfarrer der I. Marinedivision Flandern 1914, eines Sonderkommandos in der Türkei 1916, der Mittelmeerdivision November 1918, Garnisonspfarrer Cuxhaven, Stationspfarrer Wilhelmshaven 1920, Wehrkreispfarrer Königsberg/Ostpreußen 1926, Bevollmächtigter Hitlers für Fragen der evang. Kirche 25. April 1933, in dieser Eigenschaft beteiligt an den Beratungen über die Verfassung der D E K April bis Juni 1933, Wahl zum Präsidenten des E O K Berlin mit der Amtsbezeichnung Landesbischof durch den altpreuß. Kirchensenat 4. August 1933, Mitglied der Einstweiligen Leitung der D E K 20. Juli bis 27. September 1933, Reichsbischof 27. September 1933, Amtseinführung 23. September 1934, Entzug der Befugnisse 24. September 1935 - Mitglied der N S D A P 1931, Mitbegründer der D C u. Landesleiter der D C in Ostpreußen 1932, Schirmherr der G D C 16. Mai bis Dezember 1933. MÜLLER-SCHWEFE, Johannes geb. 31.3.1874 Buckau/Sachsen, gest. 31.10.1955 Sülldorf/Sachsen, Ordination 1904, Pfarrer Punschrau 1905, Werne 1911, Bochum 1918, Schwefe 1921, Provinzialpfarrer für Apologetik Münster 1927, Pfarrer Klein-Quenstedt/Sachsen 1934, em. 1939. MUMM, Reinhard geb. 25.7.1873 Düsseldorf, gest. 25.8.1932, Studium der Theologie u. Volkswirtschaftslehre Bonn, Halle, Berlin 1893-1897, Schwiegersohn von A. Stoecker 1909, Generalsekretär der „Freien kirchlich-sozialen Konferenz" (FKSK) Berlin 1900 („Kirchlich-sozialer Bund" ab 1918), Herausgeber der „Kirchlich-sozialen Blätter", MdR ab 1912 (für D N V P ab 1919, für C S V D ab 1929), Vors. des Bildungsausschusses 1921-1928, Gründer u. Vors. des Evang. Reichsausschusses der D N V P 1921, Pfarrer Dortmund-Syburg u. westfälischer Sozialpfarrer 1923-1931 - Mitglied des Centraiausschusses der Inneren Mission ab 1918, Mitglied der preuß. Generalsynode ab 1919, Mitglied des Deutschen Evang. Kirchentages 1919/1921/1924, Teilnehmer an der Stockholmer Weltkirchenkonferenz 1925. NADER, Nikolaus (Nikolaj) Gründer der Nationalen Arbeiterpartei Polens, Mitglied des verfassunggebenden Sejm (bis 1922). NAUMANN, Friedrich geb. 25.3.1860 Störmthal/Leipzig, gest. 24.8.1919 Travemünde, Pfarrer, Publizist u. Politiker, Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung (DDP). NEHRING, Erich geb. 30.3.1877, gest. 5.9.1947 Eisenach, Jurist, Konsistorium Posen 1912, OKonsRt, Finanzreferent, Konsistorialpräsident der Posener Ev. Kirche 1941. NEUBAUER, Karl Hermann geb. 12.5.1862 Ketzin, gest. 2.11.1941 Berlin, Pfarrer Berlin 1891, em. 1932. NEURATH, Konstantin Freiherr von geb. 2.2.1873 Klein-Glattbach/Württemberg, gest. 14.8.1956 Enzweihingen/Württemberg, Diplomat, Reichsaußenminister 1932-1938, Reichsprotektor in Böhmen u. Mähren 19391943, vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt 1946, aus der Haft entlassen 1954. NIEMÖLLER, Heinrich geb. 1859, gest. 1941, Vater von Martin u. Wilhelm N., Pfarrer Lippstadt 1890, lutherische Gemeinde Elberfeld 1900-1933, Mitglied der BK. NIEMÖLLER, Martin geb. 14.1.1892 Lippstadt/Westfalen, gest. 6.3.1984 Wiesbaden, Marineoffizier 1912-1918, zuletzt als U-Boot-Kommmandant, Landwirtschaftslehre, dann Theologiestudium 1919, Ordi-
Biographische Angaben
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nation u. Geschäftsführer der Inneren Mission Münster 1924, Pfarrer Berlin-Dahlem 1931 bis zur Verhaftung 1.7.1937, Verurteilung wegen „Kanzelmissbrauch und Widerstand gegen die Staatsgewalt", persönlicher Gefangener des Führers im K Z Sachsenhausen u. Dachau 19381945 - Gründer u. Leiter des Pfarrernotbunds 1933, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen (Arbeitsausschuss) u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936, (nebenamtliches) Mitglied des Rates der Evang. Kirche der A p U Dezember 1934, des Reichsbruderrates seit Mai 1934 (vorübergehend ausgeschieden November 1934 bis Mai 1935), des Rates der D E K Oktober 1934, Leiter des Kirchlichen Außenamtes u. Mitglied des Rates der E K D 1945, Präsident der hessen-nassauischen Kirche 1947-1964, einer der Präsidenten des O R K 1961-1968. NIEMÖLLER, Wilhelm geb. 7.4.1898 Lippstadt, gest. 13.10.1983 Bielefeld, Kriegsdienst 1915-1918, Ordination u. Hilfsprediger Witten u. Hattingen 1924, Pfarrer Schlüsselburg/Weser 1925, Bielefeld 19301963, dazwischen Kriegsdienst 1939-1945 - Vertrauensmann der westfälischen Pfarrerbruderschaft, Mitglied des westfälischen Bruderrats, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936, Chronist des Kirchenkampfes. NLPPERDEY, Thomas geb. 27.10.1927 Köln, gest. 14.6.1992 München, Prof. für Neuere Geschichte Karlsruhe 1963, Berlin 1967, München 1971. NLTZSCH, Carl Immanuel geb. 21.9.1787 Borna, gest. 21.8.1868 Berlin, Prof. für Systematische u. Praktische Theologie in Bonn u. Berlin. NOSKE, Gerhard geb. 26.11.1897 Berlin, gest. 9.8.1984 Berlin, Pfarrer in Greifenhain/Kr. Calau 1927, Kunersdorf 1932, Vereinsgeistlicher des Christlichen Zeitschriftenvereins Berlin, Schriftleiter des Berliner Sonntagsblattes 1933, 1941 nach Schließung des Verlages vorübergehend Konzentrationslagerhaft, Pfarrer in Markau 1942, nach Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft Leiter der Abteilung Kirchlicher Wiederaufbau des Zentralbüros Ost des Hilfswerks der E K D bzw. Leiter der Berliner Stelle der Hauptgeschäftsstelle des Werkes „Innere Mission und Hilfswerk der E K D " Berlin 1947-1963, Lehrbeauftragter für Diakoniewissenschaft K i H o Berlin 1955-1962. NOWAK, Kurt geb. 1942 Leipzig, Prof. für Kirchengeschichte (neuere u. neueste Zeit) Leipzig 1987. NUELSEN, J o h n Louis geb. 19.1.1867 Zürich, gest. 26.6.1946 Cincinnati/Ohio U S A , Prof. für exegetische Theologie in Berea/Ohio, Bischof der Methodistenkirche in Omaha 1908, Bischof des mittel-europäischen Sprengeis der Bischöflichen Methodistenkirche (Zürich) 1912-1936, Gründer eines amerikanischen Hilfswerkes für Deutschland nach 1918, Bischof für die Schweiz 1936 bis 1940. NUSCHKE, O t t o geb. 23.2.1883 Frohburg, gest. 27.12.1957 Nieder Neuendorf (Hennigsdorf b. Berlin), Journalist u. Politiker, 1921-1933 M d L Preußen (DDP), Mitbegründer der (Ost-)CDU 1945, stellvertretender Ministerpräsident der D D R 1949-1957, Leiter des Amtes für Kirchenfragen und Mitglied der DDR-Volkskammer. OESER, Rudolf geb. 13.6.1858 Coswig, gest. 3.6.1926 Berlin, Redakteur und Politiker, M d R 1907-1912, M d L Preußen 1902-1924, preuß. Arbeitsminister 1919 (DDP), Reichsinnenminister 1922, Reichsverkehrsminister 1923, Generaldirektor der Reichsbahn 1924. OSSIETZKY, Carl von geb. 3.10.1889 Hamburg, gest. 4.5.1938 Berlin, Publizist u. Pazifist, Chefredakteur der „Weltbühne" bis 1933, ab 1933 in Gestapo-Haft, Friedensnobelpreis 1935.
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OSTMANN, Hans geb. 16.8.1906 Schöppenstedt, gest. 4.10.1991 Stuttgart, Schwiegersohn von O . D . (verheiratet mit Margarete geb. Dibelius, der jüngeren Schwester der Zwillingsgeschwister Johanna Grüneisen und Christel Dibelius), jurist. Mitarbeiter bei der V K L u. im Ev. Konsistorium der Mark Brandenburg 1935/36, Assessor im Εν. О K R Stuttgart 1937, Oberkirchenrat 1945, em. 1971, Generalbevollmächtigter u. Justitiar des Gustav-Adolf-Werkes der E K D 1950-1975. OTTO, Rudolf geb. 25.9.1869 Peine, gest. 6.3.1937 Marburg, Prof. für Theologie u. Religionswissenschaft Breslau 1914, Marburg 1917. PACELLI, Eugenio geb. 2.3.1876 R o m , gest. 9.10.1958 Castel Gandolfo, Titularerzbischof u. Nuntius in München 1917, in Berlin 1920-1929, Kardinal 1929, Papst (Pius ХП.) 1939-1958. PAPEN, Franz von geb. 29.10.1879 Werl/Westfalen, gest. 2.5.1969 Obersasbach, Politiker (Deutsche Zentrumspartei), Reichskanzler 1932, Vizekanzler im Kabinett Hitler 1933/34, Gesandter Wien 19341939 (Botschafter 1936), Botschafter Ankara 1939-1944, vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg freigesprochen, im Spruchkammerverfahren zu 8 Jahren Arbeitslager verurteilt 1946, entlassen 1949. PAULSEN, Anna Sophie geb. 29.3.1893 Hoirup/Nordschleswig, gest. 30.1.1981 Heide/Holstein, Dr. theol. Kiel (Lie.) 1924, Leitung der Bibelschule im Burckhardthaus 1926, Beauftragte der Kirchenkanzlei der E K D für Frauenfragen 1952-1958. PAULSEN, Friedrich geb. 16.7.1846 Langenhorn, Theologe, Philosoph u. Pädagoge, ao. Prof. für Philosophie Berlin 1886. PEHRSSON, Per geb. 30.9.1867, gest. 21.2.1953, Pfarrer Göteborg/Schweden 1908, Propst ebd. 1 9 2 9 - 1 9 4 7 Mitglied des schwedischen Reichstags für die Konservativen 1906-1908 u. 1921-1936, Generalsekretär des schwedischen Pfarrervereins 1907-1942 - Mitglied des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltconvents 1923 u. stellvertretender Vors. 1935-1938. PERTIET, Martin geb. 1935 Hamburg, O S t D i r Verden. PESTALOZZI, Johann Heinrich geb. 12.1.1746 Zürich, gest. 17.2.1827 Brugg, schweizer. Pädagoge u. Sozialreformer. PETER, Friedrich geb. 4.10.1892 Merseburg, gest. 17.4.1960 [Westfalen], Kriegsdienst 1914-1918, Freikorpskämpfer, Ordination 1921, Pfarrer in der Kirchenprovinz Sachsen 1922, Berlin 1926, Bundespfarrer des Ostbunds Evang. Jungmännervereine 1927, O K o n s R t im E O K Berlin u. Bischof des Bistums Magdeburg 1933, Pfarrer Berlin 1936-1948, Beschäftigungsauftrag in der westfälischen Kirche 1949, Pfarrer Gronau/Westfalen 1953 - Mitbegründer der D C 1932 - Teilnehmer der Deutschen Evang. Nationalsynoden Wittenberg 1933 u. Berlin 1934. PETERS, Hermann geb. 29.4.1867 Bippen/Bezirk Osnabrück, gest. 28.12.1946 Bad Salzuflen, Ordination u. Hilfsprediger Hannover 1893, Bad Salzuflen (lutherische Gemeinde, zur Parochie Bergkirchen gehörig) 1897, Pfarrer ebd. 1901-1938, Sup. der lutherischen Klasse der lippischen Landeskirche 1910, Mitglied des Landeskirchenrates Detmold 1918 bis 1938. PETERSON, Erik geb. 7.6.1890 Hamburg, gest. 16.10.1960, Dozent in Göttingen, Prof. für Neues Testament u. alte Kirchengeschichte Bonn 1924, Konversion zum Katholizismus 1930, em. 1930, em. Prof. für altchristliche Literatur u. Geschichte am Päpstlichen Institut für christliche Archäologie in R o m .
Biographische Angaben
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PHILIPPS, Wilhelm geb. 11.12.1859 Opherdicke/Kr. Hörde, gest. 23.5.1933 Berlin, Pfarrer u. Inspektor der Berliner Stadtmission 1886, Leiter des Berliner Johannesstifts 1892, Sup. Berlin 1911, Vorsteher der Berliner Stadtmission 1917-1933 - Mitglied der Generalsynode und des D E K A . PIECK, Wilhelm geb. 3.1.1876 Guben, gest. 7.9.1960 Berlin(-Ost), Mitbegründer der K P D 1918, M d L 1921, M d R 1928, Emigration 1933, Vors. der S E D 1946, Präsident der D D R 1949. PIPER, O t t o geb. 29.11.1891 Lichte/Thüringen, gest. 13.2.1982 Princeton/USA, ao. Prof. Göttingen 1928, Prof. Münster 1930-1933, Entlassung 1933, Emigration nach England, Gastprofessor Swansea/Wales 1934, Prof. Princeton 1940-1962 - SPD-Mitglied 1922. ΡΟΡΓΓΖ, Johannes geb. 2.12.1884, gest. (hingerichtet) 2.2.1945 Berlin, Staatsdienst, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium 1925-1929, Honorarprofessor Universität u. Verwaltungsakademie Berlin, Reichsminister ohne Portefeuille u. Reichskommissar für das preuß. Finanzministerium 1932, preuß. Finanzminister 1933-1944; Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung gegen Hitler, Verhaftung 1944. PREISER, Friedrich Senatspräsident i.R. Potsdam - Mitglied des D E K A . PREUSS, H u g o geb. 28.10.1860 Berlin, gest. 9.10.1925 Berlin, Jurist u. Politiker (DDP). PREYSING-LLCHTENEGG-MOOS, Konrad Graf von geb. 30.8.1880 Schloss Kronwinkl bei Landshut, gest. 21.12.1950 Berlin, Bischof von Eichstätt 1932, Bischof von Berlin 1935, Kardinal 1946. PROLINGHEUER, Hans geb. 1930 Kamen, Religionspädagoge, kirchenhistorischer Publizist Köln. RAACK, Paul Richard geb. 7.9.1866 Herzberg a.d. Elster, gest. 7.2.1940 Berlin-Wannsee, Pfarrer Nordhausen 1893, Sup. u. Oberpfarrer 1904, Berlin-Schöneberg 1913, Ruhestand 1939. RABENAU, Eitel-Friedrich von geb. 13.1.1884 Schweidnitz/Schlesien, gest. 5.10.1959 Berlin, Ordination und Hilfsprediger Finsterwalde/Brandenburg 1910, Pfarrer Jaffa/Palästina 1912, Lehrer und Seelsorger Bodelschwingh'sche Anstalten Bethel 1920, Philosophiestudium, Promotion 1922, Pfarrer BerlinSchöneberg 1923-1954 - Mitbegründer des Pfarrernotbundes 1933, Mitglied des Berlin-Brandenburgischen Provinzialbruderrates 1934 bzw. des Berliner Bruderrates 1935, ständiger Mitarbeiter des altpreuß. Bruderrates - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen und Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. RACKWITZ, Arthur geb. 4.8.1895 Landsberg, gest. 16.8.1980 Berlin, Ordination 1920, Pfarrer Möhrenbach 1921, Eisenberg/Thür. 1928, Berlin-Neukölln 1929 - Mitbegründer des Bundes religiöser Sozialisten, Pfarrer der B K , nach 20.7.1944 im K Z Dachau, Mitglied der S E D bis 1951. RADE, Martin geb. 4.4.1857 Rennersdorf/Oberlausitz, gest. 9.4.1940 Frankfurt/M., Pfarrer Frankfurt a.M. 1892-1899, Begründer der „Christlichen Welt" 1887 u. bis 1932 deren Herausgeber, Privatdozent für Systematische Theologie Marburg 1900, ao. Prof. 1904, o. Prof. 1921, em. 1924, aus dem Staatsdienst entlassen 1933 (Kürzung des Ruhegeldes) - Mitglied der preuß. verfassunggebenden Landesversammlung (DDP) 1919-1921. RAHN, Felix geb. 16.3.1877 Leipzig, gest. 14.7.1954 Hildesheim, Pfarrer coop. Celle 1905, Hoyel 1906, Diemarden u. Pfarrer coli. Hannover-Linden 1907, Sievershausen/Lüneburg 1909, Sup. 1920, als Deutscher Christ Vors. des Kirchensenats der hannoverschen Landeskirche, Ruhestand 1945, Entfernung aus dem A m t 1947.
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Register
RANKE, Leopold von geb. 21.12.1795 Wiehe/Halle, gest. 23.5.1886 Berlin, Historiker. RATHENAU, Walther geb. 29.9.1867 Berlin, gest. (ermordet) 24.6.1922 Berlin, Industrieller u. Politiker. REHM, Wilhelm geb. 8.12.1900 Saulgau/Württemberg, gest. 13./14.2.1948 Ansbach, Theologie- u. Geschichtsstudium in Tübingen, Ordination 1923, Pfarrer Simmersfeld über Altensteig/Württemberg 1926, Gymnasiallehrer (Studienrat Fangelsbach-Oberschule) für Deutsch, Latein u. Geschichte Stuttgart 1934, München (Wilhelms-Gymnasium) 1941 - Zunächst württembergischer Landesleiter (1933), dann Reichsleiter der Reichsbewegung „Deutsche Christen" (RDC) September 1935 bis Oktober 1938 - Mitglied der NSDAP 1922 u. erneut 1931 (u.a. Gaukirchenfachberater). REIFFEN, Hannelotte geb. 10.10.1906 Bonn, gest. 30.5.1985 Bonn, Theologiestudium in Marburg, Rostock, Bonn 1926-1932, 1. theol. Prüfung beim Ev. Konsistorium der rheinischen Provinzialkirche in Koblenz, Berlin 1936, Beauftragung zur Verwaltung der Pfarrstelle Illmersdorf (Brdbg.) durch Brandenburgischen Bruderrat 1940, Mitglied im Brandenburgischen Bruderrat, Verwaltung der Kasse, Ordination durch Kurt Scharf Sachsenhausen 1943, Pastorin in Groß-Neuendorf/Oderbruch 1947, Ruhestand u. Rückkehr nach Bonn 1967. REMARQUE, Erich Maria geb. 22.6.1898 Osnabrück, gest. 25.9.1970 Locarno, Schriftsteller. RENDTORFF, Heinrich geb. 9.4.1888 Westerland/Sylt, gest. 18.4.1960 Kiel, Hilfsprediger 1918, Pfarrer HamwardeWorth/Schleswig-Holstein 1919, Volksmissionar Landesverein für Innere Mission Neumünster 1921, Studiendirektor Predigerseminar u. Klosterprediger Preetz 1924, Prof. für Praktische Theologie u. Neues Testament Kiel 1926, Landesbischof von Mecklenburg-Schwerin 19301933, Pfarrer Stettin-Braunsfelde 1934, Prof. für Neues Testament u. Praktische Theologie Kiel 1945-1956 - Mitglied des pommerschen Bruderrates 1934 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. RENNER, Herbert geb. 27.6.1911 Berlin, Verleger, geschäftsführender Gesellschafter des Lutherischen Verlagshauses u. des Verlages Herbert Renner. RENNSTICH, Karl geb. 1937 Stetten/Heuchelberg, Pfarrer u. Studienleiter Hamburg 1986, Prof. in Basel, Leiter Pastoralkolleg Bad Urach 1992. REUTER, Emst geb. 29.7.1889 Apenrade, gest. 29.9.1953 Berlin, SPD-Mitglied, 1918 KPD-Mitglied, Parteiausschluss u. Rückkehr zur SPD 1922, Oberbürgermeister Magdeburg 1931-1933, MdR 1932/33, zweimal KZ-Häftling, Oberbürgermeister Berlin 1947, erster Regierender Bürgermeister von Berlin 1950. REVENTLOW, Ernst Graf zu geb. 18.8.1869 Husum, gest. 21.11.1943 München, Marineschriftsteller, Herausgeber der Wochenschrift „Der Reichswart" 1920, Mitbegründer der Deutsch-völkischen Freiheitspartei, MdR 1924, Mitglied NSDAP 1927, Parteiredner, Mitglied u. stellvertretender Führer der „Deutschen Glaubensbewegung" bis 1936 (Austritt), Errichtung der deutschen Sektion des „Völkischen Paneuropabundes" in Berlin 1933. RHODE, Arthur geb. 13.12.1868 Wilhelmsbrück (Podzamcze/Provinz Posen), gest. 23.6.1967 Woltdorf bei Peine/ Niedersachsen, Ordination u. Pfarrer Adelnau 1893, Schildberg 1895, Sup. ebd. 1916, Pfarrer Posen u. Sup. Kirchenkreis Posen I 1920-1941, Dozent für Altes Testament an der Theologischen Schule in Posen, stellvertretender Präses der Posener Landessynode, Vors. des Posener Pfarrervereins, Stadtverordneter im polnischen Magistrat der Stadt Posen (Poznan).
Biographische Angaben
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RICHERT, Hans Pädagoge. RICHTER, Julius geb. 19.2.1862 Groß-Ballerstedt/Osterburg, gest. 28.3.1940 Berlin, Ökumeniker u. Missionswissenschaftler, Prof. für Missionswissenschaft Berlin 1920-1930. RIEHL, Otto geb. 7.2.1879 Borgisdorf bei Jüterbog, gest. Oktober 1945, Pfarrer Frankfurt/Oder 1916, Sup. Crossen/Oder 1932 - Bundesführer der preuß. Pfarrervereine. RIETHMÜLLER, Otto geb. 26.2.1899 Bad Cannstatt, gest. 19.11.1938 Berlin, Ordination 1912, Pfarrverweser Schöntal/Württbg. 1913, Pfarrer Esslingen 1919, Dir. des Evang. Reichsverbandes weiblicher Jugend u. Vorsteher des Burckhardthauses Berlin-Dahlem 1928-1938 - Vertrauensmann der BK für Jugendarbeit lt. Beschluss des Reichsbruderrates 1934, Leiter ihrer Jugendkammer (berufen durch die V K L I) seit April 1935, Mitglied des Reichsbruderrates 1936, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. RRITELMEYER, Friedrich geb. 5.10.1872 Dillingen/Donau, gest. 23.3.1938 Hamburg, evang. Theologe, Pfarrer Nürnberg 1903, Berlin 1922, Begründer der anthroposophisch orientierten Christengemeinschaft u. deren Leiter 1922, Herausgeber von „Die Christengemeinschaft". RITTER, Gerhard geb. 6.4.1888 Bad Sooden/Werra, gest. 1.7.1967 Freiburg/Breisgau, Prof. für Geschichte Freiburg 1925-1956, Mitglied der BK, wegen Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung gegen Hitler in Haft 1944-1945. RITTER, Karl Bernhard geb. 17.3.1890 Hessisch-Lichtenau, gest. 15.8.1968 Königstein/Taunus, Studentenpfarrer Marburg 1925-1945, Dekan 1952, 1931 Stifter der Ev. Michaelsbruderschaft, bis 1937 deren Ältester. ROPP, Margaretha Baronesse von der geb. 13.3.1893 Riga, gest. 11.10.1974 Bremen, landwirtschaftliche Ausbildung als Gutssekretärin, landwirtschaftliche Sekretärin (Ostpreußen) 1920, Flüchtlingshilfsdienst Bremen 1945, Mitglied des Bremer Kirchentages (Landessynode) 1950-1958. ROSENBERG, Alfred geb. 12.1.1893 Reval, gest. (hingerichtet) 16.10.1946 Nürnberg, Reichsleiter des Außenpolitischen Amtes der N S D A P 1933, Beauftragter des Führers für die Überwachung der weltanschaulichen Schulung u. Erziehung der N S D A P 1934, Reichsminister für die besetzten Ostgebiete 1941-1945, vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum Tode verurteilt 1946. ROTHE, Richard geb. 28.1.1799 Posen, gest. 20.8.1867 Heidelberg, Prof. für Systematische Theologie in Heidelberg. ROTTEN, Elisabeth Pädagogin. RÜPFER, Paul Sekretär des Verbandes Evang. Arbeiter- u. Volksvereine. RUPRECHT, Wilhelm geb. 1858 Göttingen, gest. 1943 Göttingen, Verleger in Göttingen. RÜRUP, Reinhard geb. 1934 Rehme/Westfalen, Prof. für Neuere Geschichte Berlin 1975. RUST, Bernhard geb. 30.9.1883 Hannover, gest. (Selbstmord) 8.5.1945 Berne/Unterweser, nationalsozialistischer Gauleiter Gau Hannover-Nord 1925, Gau Süd-Hannover-Braunschweig 1928-1940,
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Register
Preuß. Minister für Wissenschaft, Erziehung u. Volksbildung 1933, Reichs- u. Preuß. Minister für Wissenschaft, Kunst u. Volksbildung 1934. SASSE, Hermann geb. 17.7.1895 Sonnewalde/Brandenburg, gest. 8.8.1976 North Adelaide (Südaustralien), Ordination u. Pfarrer Templin/Brandenburg 1920, Oranienburg 1921, Berlin 1928, ao. Prof. für Kirchengeschichte, Dogmengeschichte u. Symbolik Erlangen 1933, o. Prof. ebd. 1946, Austritt aus der bayerischen Landeskirche u. Anschluss an die altlutherische Freikirche 1948, Prof. Prospect/North Adelaide Australien 1949 - Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35, des Bundesrates des Martin Luther-Bundes 1938 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. SCHÄFER, Rudolf geb. 16.9.1878 Hamburg-Altona, gest. 25.10.1961 Rotenburg/Hannover, im 1. Weltkrieg Titel Professor u. D. theol. (Kiel), Grafiker u. Kunstmaler, Illustrator von Bibel, Katechismus u. Gesangbuch. SCHAFFT, Hermann geb. 2.12.1883 Langenstein/Halberstadt, gest. 2.6.1959 Kassel, Pfarrer Kassel 1918, Neuwerkkreis 1923, Prof. an der P H Kassel, Dortmund 1932, Hochschule für Lehrerbildung Halle 1933, Beurlaubung Pfingsten 1933, Pensionierung 1934, Anstellung bei der volkskirchlichen Arbeitsgemeinschaft 1934, Landpfarrer Friedewald/Hersfeld, neben Pfarramt Reg.-Dir. als Leiter der Abteilung für Erziehung u. Unterricht Kassel 1945-1951. SCHARF, Kurt geb. 21.10.1902 Landsberg/Warthe, gest. 28.3.1990 Berlin, Ordination u. Pfarrer Friesack/Mark 1928, Pfarrer Sachsenhausen 1933-1946, Leiter der Abteilung Brandenburg beim Konsistorium Berlin-Brandenburg 1945, Pfarrer Berlin (Marienkirche) mit Wohnsitz-Ost-Berlin, Verweser des Bischofsamtes im östlichen Kirchengebiet 1961, Bischof von Berlin-Brandenburg 1966-1976 - Stellvertretender Vors. des Pfarrernotbundes 1933 u. geschäftsführender Vors. Juli 1937-1943, Präses des Berlin-Brandenburgischen Bruderrates 1934, der Bekennenden Synode Brandenburg Dezember 1935, Vors. der Konferenz der Landesbruderräte Dezember 1938 bis 1948 (mit Unterbrechung 1943/45), wiederholt Rede- u. AufenthaltsverboteTeilnehmer der Bekenntnissynoden Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. SCHARNHORST, Gerhard Johann David (von) geb. 12.11.1755 Bordenau/Niedersachsen, gest. 28.6.1813 Prag, preuß. General u. Heeresreformer. SCHEIDEMANN, Philipp geb. 26.7.1865 Kassel, gest. 29.11.1939 Kopenhagen, Journalist u. Politiker, MdR 1903-1933 (SPD), erster Ministerpräsident der Weimarer Republik 1919, Rücktritt aus Protest gegen den Versailler Friedensvertrag, Oberbürgermeister Kassel 1920-1925, Emigration 1933. SCHERL, August geb. 24.7.1849 Düsseldorf, gest. 18.4.1921 Berlin, Verleger, „Berliner Lokalanzeiger" 1883, „Die Woche" 1899, „Der Tag" 1900. SCHEUNER, Ulrich geb. 24.12.1903 Düsseldorf, gest. 25.2.1981 Bonn, Dr.jur. Münster 1926, Prof. Jena 1933, Göttingen 1940, Straßburg 1942, T H Stuttgart 1948, Bonn 1949-1972. SCHIAN, Martin geb. 10.8.1869 Liegnitz, gest. 11.6.1940 Breslau, Pfarrer Görlitz 1902, Breslau 1906, Prof. für Prakt. Theologie Gießen 1908, GenSup. Liegnitz/Schlesien 1924, Honorarprofessor Breslau 1928, Amtsenthebung durch Staatskommissar Jäger am 24.6.1933 - Gründung (zusammen mit A. Stock) der „Konferenz für Evang. Gemeindearbeit" 1910 (Evang. Gemeindetag ab 1916), Gründung u. Leitung der „Preußischen Kirchenzeitung". SCHICK, Erich geb. 23.4.1897, gest. 20.1.1966 Basel, Pfarrer Bickelsberg/Württbg. 1928, Missionshaus Basel 1931.
Biographische Angaben
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SCHILLER, Friedrich v o n geb. 10.11.1759 Marbach/Neckar, gest. 9.5.1805 Weimar, Dichter. SCHLABRITZKY, Karl Franz Andreas geb. 13.9.1886 Berlin, gest. 19.3.1939 Berlin, Pfarrer Wilsnack 1914, Oberpfarrer 1921, Sup. 1923, KonsRt beim Evang. Konsistorium der Mark Brandenburg in Berlin 1926, O K o n s R t 1936, Evang. Konsistorium Münster 1938. SCHLAEGER, Karl Johannes Hermann Martin geb. 9.2.1884 Petkus, Pfarrer Luckenwalde 1913, Spandau 1914, Sup. u. Oberpfarrer Neuruppin 1926. SCHLATTER, Adolf geb. 16.8.1852 St. Gallen, gest. 19.5.1938 Tübingen, Prof. für Systematische Theologie u. Neues Testament Greifswald 1888, Berlin 1893, Tübingen 1898-1922. SCHLEIERMACHER, Friedrich Daniel Ernst geb. 21.11.1768 Breslau, gest. 12.2.1834 Berlin, Theologe, Philosoph u. Pädagoge. SCHLEMMER, Hans Pädagoge, Vors. des Reichsbundes für Religionsunterricht und religiöse Erziehung. SCHLINK, Edmund geb. 6.3.1903 Darmstadt, gest. 20.5.1984, Heidelberg, Studium der Philosophie, Psychologie u. Naturwissenschaften mit Promotion, dann Theologiestudium, Pfarrer in Hessen 1931, Habilitation u. Privatdozent Gießen 1934, Entzug der Lehrbefugnis aus politischen Gründen, Dozent K i H o Bethel 1935, Visitator der B K 1939, Pfarrverweser Dortmund u. Bielefeld, Dir. des Predigerseminars der westfälischen Kirche 1945, Prof. für Systematische Theologie Heidelberg 1946-1971, Begründer u. Dir. des dortigen Ökumenischen Instituts - Mitglied des Verfassungsauschusses des altpreuß. Bruderrates, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. SCHMIDT, Ferdinand Jakob geb. 20.12.1860 Mettlach, Prof. für Pädagogik Berlin 1913. SCHMIDT, Karl Ludwig geb. 5.2.1891 Frankfurt/M., gest. 10.1.1956 Basel, Prof. Gießen 1921, Jena 1925, Bonn 19291933, Beurlaubung u. Entlassung aus dem Staatsdienst 1933, Emigration in die Schweiz, Prof. für Neues Testament Basel 1935-1953. SCHMITHALS, Walter geb. 14.12.1923 Wesel, Prof. für Biblische Theologie K i H o Berlin. SCHMITT, Carl geb. 11.7.1888 Plettenberg, gest. 7.4.1985, Prof. für Staatsrecht Greifswald 1921, Bonn 1922, Berlin 1926, Köln 1932, Berlin 1933-1945. SCHMITZ, O t t o geb. 16.6.1883 Hummeltenberg/Rheinland, gest. 20.10.1957 Elberfeld, Prof. für Neues Testament Münster 1916, Amtsenthebung 1934, Leiter des Predigerseminars der B K Bielefeld u. Dozent Theologische Schule Bethel 1934, Dir. des Johanneum Wuppertal-Barmen 1938-1951, Prof. K i H o Wuppertal 1945 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. SCHMOLLER, Gustav von geb. 24.6.1838 Heilbronn, gest. 27.6.1917 Bad Harzburg, Nationalökonom, Prof. in Halle, Straßburg u. Berlin, Mitbegründer u. Leiter des „Vereins für Socialpolitik". SCHNEEMELCHER, Wilhelm geb. 21.8.1914 Berlin, Prof. für Kirchengeschichte Göttingen 1953, Bonn 1954. SCHNEIDER, Adolf geb. 30.3.1883 Posen, gest. 1928, Hilfsprediger Wittenburg/Westpr. 1908-1912, zugleich Studieninspektor am Predigerseminar Wittenburg.
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Register
SCHNEIDER, Johannes geb. 7.7.185/ Höxter/Weser, gest. 12.8.1930 Höxter, Pfarrer Warburg, Lichtenau, Elberfeld 1882-1918, Referent im E O K Berlin 1918, O K o n s R t 1922, Mitglied des Kirchenbundesamtes, Leiter des Kirchenstatistischen Amtes 1923, Honorarprofessor Berlin, Herausgeber des „Kirchlichen Jahrbuches". SCHNOOR, Friedrich geb. 25.12.1880 Rosenow/Meckl.-Schw., Goßnerscher Missionar in Indien 1909, Pfarrverwalter in Königshorst/Kr. Nauen 1916, Pfarrer 1926, amtsenthoben 1928. SCHOELL, J a k o b geb. 9.11 1866 Böhringen, gest. 2.5.1950 ebd., Repetent Tübingen 1892, Pfarrer Reutlingen 1894, Gymnasialprofessor Stuttgart 1904, Prof. Predigerseminar Friedberg 1907, Prälat Reutlingen 1918-1933 - Mitglied des D E K A , geistlicher Stellvertreter des Kirchenpräsidenten bzw. Landesbischofs seit 1929. SCHÖFFEL, Simon geb. 22.10.1880 Nürnberg, gest. 28.5.1959 Hamburg, Ordination u. Vikar Weihenzell u. Merkendorf/Mittelfranken 1903, Hofkaplan des Fürsten zu Erbach-Schönberg/Hessen 1904, Katechet Nürnberg 1906, Pfarrer Schweinfurt 1909, Dekan ebd. 1920, Hauptpastor H a m b u r g 1922-1954, Hamburgischer Landesbischof 29.5.1933 bis zur Absetzung 1.3.1934 u. nach Wiederwahl erneut 1946-1954 - Mitglied des D E K A u. des Deutschen Evang. Kirchenbundesrats, Vors. der Niederdeutschen evangelisch-lutherischen Konferenz, Mitglied der Einstweiligen Leitung der D E K 20.7. bis 27.9.1933, Geistlicher (lutherischer) Minister in der Reichskirchenregierung 27.9. bis 24.11.1933 (Rücktritt), Mitglied des Deutschen Lutherischen Rates 1934 Teilnehmer der Deutschen Evang. Nationalsynode Wittenberg 1933 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. SCHOLDER, Klaus geb. 12.1.1930 Erlangen, gest. 10.4.1985 Tübingen, Politiker (FDP) und Publizist, Kirchenhistoriker, Prof. für Neuere Kirchengeschichte u. Kirchenordnung Tübingen 1968. SCHÖNHERR, Albrecht geb. 11.9.1911 Katscher/Oberschlesien, Predigerseminar Finkenwalde 1935, Hilfsprediger 1937, Pfarrer Brüssow 1937, Kriegsdienst u. Kriegsgefangenschaft 1940-1946, Brandenburg 1946-1962, zeitweilig zugleich Sup. u. 1951-1962 Leiter des Predigerseminars ebd., GenSup. Eberswalde 1963, Bischof der Ostregion der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg 1972-1981. SCHOWALTER, Johannes Heinrich August geb. 6.2.1870 Neustadt a. d. Haardt., gest. 20.10.1940 Berlin, Pfarrer Jettenbach 1903, Militärgeistlicher Landau/Pfalz 1910, Pfarrer Wörth/Rh. u. Derenburg/Harz, Provinz Sachsenl913, Gouvernementspfarrer Antwerpen 1914, Oberpfarrer Wittenberge 1915, Sup. 1919, Pfarrer Berlin-Tegel 1930, Beurlaubung vom Pfarrdienst 1934, Versetzung in den Ruhestand 1.3.1935, Aufhebung der Versetzung in den Ruhestand 26.3.1935, Entbindung von der Tätigkeit in Berlin-Tegel u. Übertragung der Geschäfte eines Hilfspredigers an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirchengemeinde Berlin 1936. SCHREIBER, August Wilhelm geb. 1.7.1867 Prou Sorat/Sumatra, gest. 6.6.1945, Pfarrer Zechlin 1892, Diakonissenanstalt Kaiserswerth 1897, Leitender Missionsinspektor Norddt. Missionsgesellschaft Bremen 1900, Dir. der Dt. Ev. Missionshilfe Berlin 1914, Mitglied des D E K A 1919-1925, Beamter im Kirchenbundesamt 1925-1933, Rückkehr in die Norddt. Ev. Missionsgesellschaft 1933, Schriftführer des Deutschen Evang. Kirchentags. SCHRÖDER, Richard geb. 1943 Frohburg, Pfarrer 1973-1977, Dozent am Sprachenkonvikt Berlin u. am Katechetischen Oberseminar N a u m b u r g 1977, Mitglied der SPD(-Ost) 1989, Mitglied der Verfassungskommission des „Runden Tisches" 1990, Mitglied der Volkskammer u. Fraktionsvorsitzender der S P D 1990, Prof. für Philosophie Humboldt-Universität Berlin 1991. SCHRÖDER, Rudolf Alexander geb. 26.1.1878 Bremen, gest. 22.8.1962 Bad Wiessee, Dichter.
Biographische Angaben
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SCHUBRING, Horst geb. 1912 Tempelburg/Pommern, Ordination Stettin 1938, Hilfsprediger Kolberg, nach dem Krieg Pfarrer Gießen-Wieseck u. Dekan Kirchberg, 12 Jahre Propst Oberhessen, Mitglied des Leitenden Geistlichen Amtes der Landeskirche Hessen-Nassau, Sprecher des Oberkirchenamtes ebd. 1975 Ruhestand, Beauftragter des Rates der E K D für Umsiedler- u. Vertriebenenfragen 1979. SCHÜCKING, Walther geb. 6.1.1875 Münster, gest. 25.8.1935 Den Haag, Jurist u. Politiker. SCHULTZ, Walther geb. 20.8.1900 H o f Tressow bei Grevesmühlen/Mecklenburg, gest. 26.6.1957 Schnackenburg/Elbe, Ordination 1927, Pfarrer Badendiek bei Güstrow 1928, mecklenburgischer „Landeskirchenführer" bzw. Landesbischof 1933-1945, Mitglied des Geistlichen Vertrauensrates der D E K 1939-1945, pfarramtliche Hilfeleistung in der hannoverschen Landeskirche Fallingbostel 1950, Versehung der Pfarrstelle Schnackenburg 1952, Pfarrer ebd. 1956 - Führer des nationalsozialistischen Pastorenbunds in Mecklenburg. SCHULTZE, Georg geb. 25.4.1885 Libbenichen/Kreis Lebus, Pfarrer Neuenburg, Kreis Soldin/Neumark 1912, Kriegsfreiwilliger 1914-1918, Pfarrer Stolpe 1919, Altrüdnitz/Neumark 1931, Boizenburg a.d.E. / Mecklenburg 1937, Entlassung aus dem Dienst der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs auf eigenen Antrag 1939, wiss. Assistent am Lehrstuhl für Wehrwissenschaften der T H Berlin 1939. SCHULZE, Hagen geb. 31.7.1943, Prof. für Neuere Geschichte Berlin 1979, Universität der Bundeswehr München. SCHWEITZER, A l b e n geb. 14.1.1875 Kaysersberg/Elsass, gest. Lambarene/Gabun 4.9.1965, Theologe, Musiker, Arzt u. Philosoph. SCHWEITZER, Carl Gunther geb. 22.12.1889 Charlottenburg, gest. 20.6.1965 Bonn, Pfarrer Butterfelde/Neumark 1917, Hilfsprediger Potsdam 1919, Dir. des Centraiausschusses für die Innere Mission 1921-1932, Gründer u. Leiter der Apologetischen Centrale Berlin-Dahlem, Spandau ab 1926, Sup. Kirchenkreis Potsdam Π (Wustermark) 1932-1937, Mitglied der Jungreformatorischen Bewegung Mai 1933, Mitbegründer des Pfarrernotbundes, Provinzialbruderrat der B K Brandenburg, Suspendierung 1934, zwangsweise Ruhestandsversetzung wegen jüdischer Abstammung 1937, kurzzeitig Haft 1935, Ubersiedlung nach München, Emigration nach England, Gründer u. Leiter Wistow Training Centre for Post-War Christian Service Oxford 1939-1947, Lehrbeauftragter für Sozialethik Münster 1947-1949, Dir. des Centraiausschusses für die Innere Mission, Bielefeld-Bethel 1947-1954, Leiter der Sozialschule/Sozialakademie Friedewald 19491954, Lehrbeauftragter für Sozialethik u. Innere Mission Bonn 1954. SCHWEITZER, Wolfgang geb. 8.7.1916 Erlangen, Landesjugendvikar Stuttgart 1943-1945, amerikanische Kriegsgefangenschaft Sept. 1944 bis Juli 1945, Sekretär der Studienabteilung des O R K Genf 1946-1952, Prof. für Systematische Theologie Bethel 1955-1980. SCHWITZKE, Friedrich Wilhelm Johannes geb. 14.5.1907 Stettin, Pfarrer Wusterhausen/Dosse 1938, ausgeschieden 1944. SEEBERG, Erich geb. 8.10.1888 Dorpat, gest. 26.2.1945 Ahrenshoop/Pommern, Privatdozent Greifswald 1913, Militärpfarrer 1915-1918, ao. Prof. Breslau 1919, Prof. Königsberg 1920, Breslau 1924, Halle 1926, Berlin 1927-1945. SEEBERG, Reinhold geb. 5.4.1859 Pörrafer/Livland, gest. 23.10.1935 Ahrenshoop/Pommern, Prof. für Dogmatik, Religionsgeschichte u. Ethik Erlangen 1889, Berlin 1898-1927 (em.) - Geheimer KonsRt,
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Register
Vors. der Freien Kirchlich-Sozialen Konferenz Berlin 1910, Vors. Kirchlich-Sozialer Bund seit 1918. SEIDLITZ-SANDRECZKI, Ernst Julius Graf von geb. 1896, gest. 1945, Majoratsherr Olbersdorf bei Reichenbach/Schlesien - Vors. der Vereinigung der Evang.-Lutherischen, Mitglied der D N V P , Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. SEVERING, Carl geb. 1.6.1875 Herford/Westfalen, gest. 23.7.1952 Bielefeld, Gewerkschaftssekretär Bielefeld 1901-1912, dann Journalist, MdR 1907-1933 (SPD), MdL 1921-1933, Reichskommissar u. preuß. Staatskommissar für Westfalen 1910-1920, Innenminister 1920/21, 1921-1926, 19301932, Reichsinnenminister 1928-1930, Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags 1947. SlEGMUND-SCHULTZE, Friedrich geb. 14.6.1885 Görlitz, gest. 11.7.1969 Soest, Pfarrer Potsdam 1910, Mitbegründer des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen u. des Internationalen Versöhnungsbundes 1914, Mitbegründer u. Herausgeber der Zeitschrift „Die Eiche" 1912-1932, Prof. für Sozialethik u. Pädagogik Berlin 1926, Amtsenthebung aus politischen Gründen u. Emigration in die Schweiz 1933, Dir. des Sozialpädagogischen Seminars Dortmund 1947, Prof. Münster 1948, Gründer des Ökumenischen Archivs Soest/Westfalen. SlEVEKING, Amalie geb. 25.7.1794 Hamburg, gest. 1.4.1859 Hamburg, Gründerin des „weiblichen Vereins für Krankenpflege" 1832, Kinderhospital St. Georg 1840. SlEVEKING, Georg Heinrich geb. 31.3.1868 Altona, gest. 10.10.1934, Propst in Altona 1924. SIMONS, Walter geb. 24.9.1861 Elberfeld, gest. 14.7.1937 Babelsberg, Reichsaußenminister 1920-1921, Präsident des Deutschen Reichsgerichts Leipzig 1922-1929, Präsident des Evangelisch-Sozialen Kongresses 1925-1936 - Mitglied des D E K A . SMEND, Julius geb. 10.5.1857 Lengerich/Westfalen, gest. 7.6.1930 Münster, 1884 Pfarrer Seelscheid, 1891 Predigerseminar Friedberg, 1893 о Prof. für Praktische Theologie Straßburg, 1914-1926 (em.) Münster -Begründer u. Redakteur der Monatsschrift für Gottesdienst u. kirchliche Kunst 1896. SODEN, Hans Freiherr von geb. 4.11.1881 Striesen bei Dresden, gest. 2.10.1945 Marburg, Habilitation 1910, Feldgeistlicher 1915-1918, ao. Prof. Breslau 1918, o. Prof. für Kirchengeschichte u. Neues Testament 1920 ebd., Marburg 1924-1945, Dekan 1933, vorübergehende Beurlaubung aus politischen Gründen August bis Oktober 1934 - Mitglied des Pfarrernotbunds 1933, des Reichsbruderrates Oktober 1934, Vors. des kurhessisch-waldeckschen Bruderrates, Vertrauensdozent aller Hochschullehrer in der BK - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. BerlinDahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. SÖDERBLOM, Nathan geb. 15.1.1866 Trönö/Schweden, gest. 12.7.1931 Uppsala, Prof. für Religionsgeschichte Uppsala (1901) u. Leipzig (1912), Erzbischof Uppsala 1914, Initiator u. Gastgeber der Weltkirchenkonferenz für praktisches Christentum in Stockholm 1925, Friedensnobelpreis 1930. SÖHLMANN, Fritz geb. 14.4.1905, gest. 30.9.1977 Hannover, Theologiestudium, Journalist u. Schriftleiter, Mitherausgeber der Zeitschrift J u n g e Kirche" 1933, Herausgeber 1936-1945. SOHM, Rudolf geb. 29.10.1841 Rostock, gest. 6.5.1917 Leipzig, Jurist u. Kirchenrechtler, Prof. Freiburg/Br. 1870, Straßburg 1872, Leipzig 1887.
Biographische Angaben
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SÖHNGEN, O s k a r
geb. 5.12.1900 Hottenstein/Kr. Wuppertal, gest. 28.8.1983 Berlin, Ordination 1926, Pfarrer Köln-Kalk 1927, theologischer Hilfsarbeiter im E O K Berlin 1932, zwangsweise Wartestandsversetzung 1933-1935, ÖKonsRt 1936, (zunächst kommissarischer) Geistlicher Vizepräsident u. Leiter der Dienststelle der Kirchenkanzlei der E K U Berlin (West) 1945-1969 - Lehrtätigkeit an der Hochschule für Musik seit 1935. SPENGLER, Oswald geb. 29.5.1880 Blankenburg/Harz, gest. 8.5.1936 München, Kultur- u. Geschichtsphilosoph. SPIECKER, Friedrich Albert Präsident der Berliner evang. Missionsgesellschaft, Präsident des Centraiausschusses für die Innere Mission, Vors. des Verbandes Christlicher Hospize. SPRANGER, Eduard geb. 27.6.1882 Groß-Lichterfelde (Berlin), gest. 17.9.1963 Tübingen, Kulturphilosoph u. Pädagoge. STAEWEN, Gertrud geb. Ordemann geb. 18.7.1894 Bremen, gest. 10.6.1988 Berlin, gehörte nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin zum Neuwerk-Kreis um Günther Dehn, war seit etwa 1925 regelmäßig als Gast des Ehepaares R . u. G. Pestalozzi auf dem Bergli u. mit K. Barth u. Ch. von Kirschbaum freundschaftlich verbunden. Während des 2. Weltkrieges setzte sie sich mit ihren Freundinnen Helene Jacobs u. Melanie Steinmetz für verfolgte Juden ein, konnte aber einer drohenden Verhaftung entgehen. Gefängnisfürsorgerin Berlin-Tegel 1948-1960. STAHL, Friedrich Julius geb. 16.1.1802 Würzburg, gest. 10.8.1861 Bad Brückenau, Prof. für Staatsrecht Berlin 1840. STÄHLIN, Wilhelm geb. 24.9.1883 Gunzenhausen/Bayern, gest. 16.12.1975 Prien/Chiemsee, Pfarrer im Dienst der bayerischen Landeskirche 1910-1926, Prof. für Praktische Theologie 1926, oldenburgischer Bischof 1945-1952 - Mitbegründer des Berneuchener Kreises (1923) u. Stifter der Evang. Michaelsbruderschaft, Mitglied der Theologischen Kammer der D E K 1936. STAMM, Hans Präsident Kassel. STANGE, Erich geb. 23.3.1888 Schwepnitz/Sachsen, gest. 12.3.1972 Kassel, Reichswart des Evang. Jungmännerwerks 1921-1954, als „Reichsführer der Evang. Jugend Deutschlands im Deutschen Jugendführerrat beim Jugendführer des Deutschen Reiches", abgesetzt Dezember 1933, Pfarrer Kassel 1940-1954. STAPEL, Wilhelm geb. 27.10.1882 Calbe an der Milde/Altmark, gest. 1.6.1954 Hamburg-Stellingen, Redakteur u. Schriftleiter „Kunstwart" 1911, Leiter des Hamburger Volksheimes 1917, Herausgeber der Zeitschrift „Deutsches Volkstum" 1919, freier Schriftsteller ab 1938. STAPPENBECK, Christian geb. 1950 Friedland/Niederlausitz, Kirchenhistoriker u. freier Publizist Berlin. STEINHAUSEN, Hermann geb. 7.10.1854 Münchehofe/Wendisch-Buchholz, gest. 5.10.1928 Berlin, Präsident des Königlichen, dann des Evang. Konsistoriums der Provinz Brandenburg 1904-1925 (im alten Kammergerichtsgebäude, Lindenstraße 14), Erwerb des alten Zisterzienserklosterguts Lehnin, dort Gründung des provinzialkirchlichen Diakonissenmutterhauses „Luise-Henrietten-Stift" 1911, Vors. des Vorstandes des Christlichen Zeitschriftenvereins (CZV) Berlin. STEINWEG, Johannes geb. 14.2.1879 Stettin-Grabow, gest. 4.11.1960 Kassel, Pfarrer Semlow/Pommern 1908, Dir. der Wohlfahrtsabteilung im Centrai-Ausschuss für die Innere Mission Berlin 1918, Kreispfarrer Rotenburg/Fulda 1932, Kreispfarrer Kassel 1937, em. 1949.
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Register
STEPHAN, Horst geb. 27.9.1873, gest. 9.1.1954, Prof. für Systematische Theologie Marburg 1919, Halle 1922, Leipzig 1939-1947. STERZEL Pfarrer der deutschen Gemeinde in Stockholm. STOCK, August Julius geb. 13.9.1863 Zadelow/Po., gest. 7.11.1924 Berlin-Lichterfelde, Pfarrer Baben/Altmark 1889, G r o ß Salze/Prov. Sachsen 1893, Katharinen Braunschweig 1896, Berlin-Lichterfelde 1910 Vors. der Konferenz für evang. Gemeindearbeit. STOCK, Konrad geb. 1941 München, Prof. für evang. Theologie Bonn. STOECKER, Adolf geb. 11.12.1835 Halberstadt, gest. 7.2.1909 Bozen-Gries, Hofprediger Berlin 1874, Gründer der Berliner Stadtmission 1877, Gründer der Christlich-sozialen Arbeiterpartei 1896, Gründer der Freien kirchlich-sozialen Konferenz 1897, MdL ab 1879 u. MdR ab 1881. STOEVESANDT, Hinrich geb. 1931 Bremen, Repetent Göttingen 1960-1963, Vikariat u. Hilfsprediger Bremen 1963-66, Dozent Radevormwald 1966-1971, Leiter des Karl Barth-Archivs Basel seit 1971. STÖHR, Hermann geb. 4.1.1898 Stettin, gest. (hingerichtet) 21.6.1940 Berlin-Plötzensee, Theologe u. Staatswissenschaftler, Pazifist, Mitarbeit im Internationalen Versöhnungsbund, Kriegsdienstverweigerung 1939, Verhaftung u. Verurteilung zum Tode 1940. STOLPE, Manfred geb. 1936, Kirchenjurist, KonsPräs. Berlin-Brandenburg (Ostregion) 1982, nach der Wende Ministerpräsident (SPD) Brandenburg 1990. STOLTE, Max geb. 26.4.1863 Potsdam, Ordination 1887, Pfarrer Behnitz/Nauen 1889, Berlin-Lichterfelde 1894, GenSup. Magdeburg 1910. STOLTENHOFF, Ernst geb. 17.1.1879 Odenkirchen/Rheinland, gest. 27.4.1953 Wittlaer, Ordination u. Hilfsprediger Neuenahr u. Broich 1904, Pfarrer Mülheim/Ruhr 1906, Essen 1918, Hilfsreferent, O K o n s R t u. Mitglied des E O K Berlin 1924-1928, GenSup. Koblenz bzw. Düsseldorf 1928-1949, zwangsweise Ruhestandsversetzung 1934/36. STREITER, Georg geb. 14.12.1884 Berlin, gest. Frühjahr 1945 K Z Ravensbrück - Generalsekretär der Christlichen Gewerkschaften. STRESEMANN, Gustav geb. 10.5.1878 Berlin, gest. 3.10.1929 Berlin, MdR ab 1914, Mitbegründer der D V P , Reichskanzler 1923, Außenminister 1923-1929, Friedensnobelpreis 1926. STUPPERICH, Martin geb. 1943 Rathenow/Havelland, O S t D i r Hannover. STUPPERICH, Robert geb. 13.9.1904 Moskau, Prof. für Kirchengeschichte Münster 1946, em. 1972. STUTZ, Ulrich geb. 5.5.1868 Zürich, gest. 6.7.1938 Berlin, Jurist u. Kirchenrechtler, Privatdozent Basel 1894, ao. Prof. 1895, Prof. Freiburg 1896, Bonn 1904, Berlin 1917. SÜDEKUM, Albert Oskar Wilhelm geb. 25.1.1871 Wolfenbüttel, gest. Februar 1943, Schriftsteller u. Politiker (SPD), MdR 19001918, preuß. Finanzminister 1918-1920. SZAREK, Jan Bischof der Ev. Kirche A.B. in Polen 1991. geb. 1937,
Biographische Angaben
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THADDEN-TRIEGLAFF, Reinold von geb. 13.8.1891 Mohrungen/Ostpreußen, gest. 10.10.1976 Fulda, im pommerschen Kommunaldienst bis 1920, Rittergutsbesitzer auf Trieglaff u. Gruchow/Kr. Greifenberg - M d L ( D N V P ) bis 1933, Vizepräsident der pommerschen Provinzialsynode u. Mitglied der altpreuß. Generalsynode 1929, Präses der pommerschen Bekenntnissynode u. des pommerschen Bruderrates 1934, Mitglied des Rates der Evang. Kirche der A p U u. des Reichsbruderrates 1934 (zugelassen zu den Sitzungen der V K L I), des Rates der D E K 1936, Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes 1936, des Zentralausschusses des O R K 1948, Gründer des Deutschen Evangelischen Kirchentags 1949 u. dessen Präsident bis 1964, Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. THÄLMANN, Ernst geb. 16.4.1886 Hamburg, gest. 18.8.1944 (nach 11V4 Jahren Einzelhaft ermordet) K Z Buchenwald, Vors. der K P D seit 1925. THIELE, Wilhelm geb. 3.6.1863 Zerrenthin, gest. 16.4.1930 Berlin-Dahlem, Pfarrer Berlin 1890, Potsdam 1896, Diakonissenhaus Witten a.d.R. 1905, Dir. des Ev. Verbandes für die weibliche Jugend Deutschlands Berlin-Dahlem 1914, Ruhestand 1927. TRAELICKE, Helmut geb. 4.12.1908 Barmen, gest. 5.3.1986 Hamburg, Dozent für Systematische Theologie Heidelberg 1936, Pfarrer Ravensburg 1940, Leiter des Theologischen Amtes der württembergischen Landeskirche 1942, Prof. für Systematische Theologie Tübingen 1945, Hamburg 1954. THIESSEN, Gustav Adolf geb. 1.12.1855 Barsfleth/Kr. Süderdithmarschen, gest. 16.11.1928 Berlin-Wilmersdorf, Pfarrer Hameln 1885, Berlin 1897, em. 1926. THURNEYSEN, Eduard geb. 10.7.1888 Wallenstadt/St. Gallen, gest. 21.8.1974 Basel, Pfarrer Leutwil/Aargau 1913, Bruggen/St. Gallen 1920, Basel 1927, Privatdozent ebd. 1929, Prof. für Praktische Theologie ebd. 1930. TILLICH, Paul geb. 20.8.1886 Starzeddel/Guben, gest. 22.10.1965 Chicago, Prof. für Systematische Theologie u. Philosophie. TlTIUS, Artur geb. 28.7.1864 Sensburg/Ostpreußen, gest. 7.9.1936 Berlin, Privatdozent für Systematische Theologie Berlin 1891, ao. Prof. Kiel 1895, o. Prof. 1900, Göttingen 1906, Berlin 1921 - Mitglied des D E K A u. Vorstandsmitglied des Evangelisch-Sozialen Kongresses. TOLLER, Ernst geb. 1.12.1893 Samotschin (Szamocin), gest. (Suizid) 22.5.1939 New Y o r k , Publizist u. Dramatiker. TOLSTOI, Lew Nikolajewitsch (Leo) geb. 9.9.1828 Jasjana Poljana, gest. 20.11.1910 Astapowo, Dichter. TRAUB, Gottfried geb. 11.1.1869 Rielingshausen/Württemberg, gest. 24.8.1956 München-Solln, Pfarrer Schwäbisch Hall 1900, Dortmund 1901, Amtsenthebung (Fall Jatho) 1911, MdL Preußen (FVP) 1913, Gründungsmitglied D N V P 1918, Herausgeber der rechtsextremen „Eisernen Blätter" 1916-1939, Redakteur der „München-Augsburger Abendzeitung" 1921, Direktor des Protestantenbundes. TREITSCHKE, Heinrich von geb. 15.9.1834 Dresden, gest. 28.4.1896 Berlin, Historiker u. Publizist. TRENDELENBURG, Friedrich geb. 10.10.1878 Rostock, gest. 10.12.1962 Köln, Leiter der Kirchenabteilung im preuß. Kultusministerium bis 1933, an der Preuß. Oberrechnungskammer in Potsdam 1933-1939, Amtsrichter in Berlin nach 1945.
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Register
TROELTSCH, Ernst
geb. 17.2.1865 Haunstetten bei Augsburg, gest. 1.2.1923 Berlin, Privatdozent Göttingen 1890, Prof. für Systematische Theologie Bonn 1892, Heidelberg 1894, Prof. für Philosophie Berlin 1914, Unterstaatssekretär im preuß. Kultusministerium 1919-1921. TRUMAN, Harry Spencer geb. 8.5.1884 Lamor (Mo.), gest. 26.12.1972 Kansas City (Mo.), 33. Präsident der USA 19451952. TUCHOLSKY, Kurt geb. 9.1.1890 Berlin, gest. (Suizid) 21.12.1935 Hindäs/Schweden, Journalist u. Schriftsteller. ULBRICHT, Walter geb. 30.6.1893 Leipzig, gest. 1.8.1973 Berlin(-Ost), Politiker (KPD/SED), Staatsratsvors. der DDR. UMFRID, H e r m a n n
geb. 20.6.1892 Stuttgart, gest. 21.1.1934 Niederstetten (nach vorausgegangenem Suizidversuch), Kriegsteilnehmer, Theologie-Studium Tübingen u. Zürich, Pfarrer Kaisersbach/Württbg. 1922, Niederstetten 1929 - Mitglied des Köngener Bundes, Anhänger der Religiösen Sozialisten. UMFRID, O t t o
geb. 2.5.1857 Nürtingen, gest. 23.5.1920 Lorch/Württbg., Pfarrer Peterszell/Schwarzwald, Stuttgart-Nord 1894, vorzeitiger Ruhestand 1913 - Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft 1894, deren Vizepräsident 1900. VLEBAHN, Rudolf Karl Ernst Ludwig Lucian von geb. 21.9.1838 Berlin, gest. 30.9.1928 Berneuchen, Gutsbesitzer Berneuchen u. KöniglichPreußischer General der Infanterie. VLLMAR, August Friedrich Christian geb. 21.11.1800 Solz/Kurhessen, gest. 30.7.1868 Marburg, Theologe, Schriftsteller u. Literarhistoriker. VlRCHOW, R u d o l f
geb. 13.10.1821 Schivelbein/Pommern, gest. 5.9.1902 Berlin, Mediziner u. Politiker. VlSSER'T HOOFT, W i l l e m A d o l f
geb. 20.9.1900 Haarlem, gest. 4.7.1985 Genf, Sekretär des CVJM-Weltbundes 1924-1931, des Christlichen Studentenweltbundes 1931 (Generalsekretär 1933, Vors. 1936), seit 1925 Mitarbeiter an den ökumenischen Weltkonferenzen u. eigentlicher Organisator der ökumenischen Bewegung, Generalsekretär des (im Aufbau begriffenen) ÖRK 1938-1966 (im Amt bestätigt 1948), Ehrenpräsident des ÖRK 1968. VITS, Ernst geb. 15.9.1868 Rheydt, gest. 15.11.1939 Berlin-Zehlendorf, Ordination u. Pfarrer Burgwaldniel 1894, Barmen 1897, Viersen 1903, Düsseldorf 1908, Hof- u. Domprediger Berlin 1912, GenSup. Neumark u. Liederlausitz 1925, em.1933. VOGEL, H e i n r i c h
geb. 9.4.1902 Pröttlin/Brandenburg, gest. 26.12.1989 Berlin, Ordination 1927, Pfarrer u. Gefängnisseelsorger Oderberg/Mark Brandenburg 1928, Dobbrikow 1932, Dozent u. Leiter KiHo Berlin 1937-1941 u. 1945, Prof. für Systematische Theologie ebd. 1946-1972, gleichzeitig Humboldt-Universität Berlin 1946-1973 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der DEK Barmen u. Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. VOGEL, J o h a n n e s
geb. 30.11.1873 Sandow/Pommem, gest. 19.2.1933 Potsdam, Rektor Woldenberg/Nm. 1901, Militärhilfsgeistlicher Frankfurt/O. 1903, Divisionspfarrer Flensburg 1904, Kastellanhauspfarrer Plön 1907, Garnisonpfarrer u. Hofprediger Potsdam 1912, Felddivisionspfarrer 19141918, Pfarrer Potsdam 1919-1933.
Biographische Angaben
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VOIGTS, Bodo geb. 9.8.1844 Lüchow, gest. 29.1.1920 Berlin, Justiz- u. Verwaltungsdienst, Oberverwaltungsgerichtsrat Berlin 1891, Präsident des Ev.-Luth. Landeskonsistoriums Hannover 1894, Präsident des EOK 1903, Wirkl. Geh. Rat (mit dem Prädikat Exzellenz) 1904, Ruhestand 1919. VOSS, Hermann geb. 21.9.1872 Striegau/Niederschlesien, gest. 6.5.1938 Breslau, Pfarrer Friedeberg a. Queis, Pfarrer Kattowitz 1904, Sup. Diözese Pleß 1919-1923, Präsident der Unierten ev. Kirche in Polnisch-Oberschlesien 1923. WALTHER, Albert Oberlandeskirchenrat, Mitglied des Landeskirchenrats Hessen-Nassau Wiesbaden. WEBER, M a x
geb. 21.4.1864 Erfurt, gest. 14.6.1920 München, Sozialökonom, Wirtschaftshistoriker u. Soziologe. WEBER, Otto geb. 4.6.1902 Köln-Mülheim, gest. 19.10.1966 Randolin-St. Moritz/Schweiz, Dozent Theol. Schule Elberfeld 1928-1933 u. Seminardirektor ebd. seit 1930, Geistlicher Minister in der Reichskirchenregierung 1933/34, Prof. für Reformierte Theologie Göttingen 1934-1966. WEICHERT, Ludwig geb. 13.4.1887 Weener, gest. 26.8.1936 Lauban, Missionsinspektor der Berliner Evang. Missionsgesellschaft in verschiedenen deutschen Auslandsgemeinden Afrikas 1926-1928, Berlin 1929 - Vorübergehend Verbindungsmann der Reichsleitung der GDC zu Wehrkreispfarrer Ludwig Müller erste Maihälfte 1933, später Austritt aus den DC. WEIRICH, Wilhelm geb. 20.5.1879 Schalke/Gelsenkirchen, gest. 18.6.1954 Ummeln/Bielefeld, Pfarrer BrechtenBrambauer 1904, Brambauer 1907, Barmen-Wupperfeld 1911, Sup. Barmen 1925, GenSup. Münster 1931, von Reichsbischof Müller in den einstweiligen Ruhestand versetzt 1934, em. 1944, Archidiakonus der westfälischen Kirche Ummeln 1945-1951. WENDLAND, Heinz-Dietrich geb. 22.6.1900 Berlin, gest. 7.8.1992 Hamburg, Privatdozent Heidelberg 1929, Studentenpfarrer ebd. 1934-1936, Prof. für Christliche Soziallehre Kiel 1937, Marinekriegspfarrer 19391945, Prof. Münster 1955. WERNER, Friedrich geb. 3.9.1897 Danzig-Oliva, gest. 30.11.1955 Düsseldorf, Rechtsanwalt Berlin 1928, kommissarischer Präsident des EOK Berlin Juni 1933, Präsident ebd., zugleich Präsident der altpreuß. Generalsynode u. des altpreuß. Kirchensenats September 1933, rechtskundiges Mitglied des Geistlichen Ministeriums der DEK September bis Dezember 1933, zugleich Leiter der Deutschen Evang. Kirchenkanzlei u. in dieser Eigenschaft (nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses) Leiter der DEK seit 20.3.1937, Vors. der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei 1937, Kriegsdienst 1939 - Stadt- u. Bezirksverordneter Berlin (NSDAP) seit 1930, aktive Beteiligung in der GDC in ihren Anfängen. WERNER, Gustav geb. 12.3.1809 Zwiefalten, gest. 2.8.1887 Reutlingen, Vikar in Walddorf bei Tübingen 1834, diakonisch tätig seit 1840, Streichung von der Kandidatenliste der württbg. Pfarrer, Gründer einer diakonischen Einrichtung (1861) und der Gustav-Werner-Stiftung (1881) in Reutlingen. WESENBERG
geb. Juni 1891, Landgerichtsdirektor Berlin. WESSEL, Wilhelm Ludwig Georg geb. 15.7.1879 Hessisch Oldendorf, gest. 9.5.1922 Berlin, Hilfsprediger Dortmund-Dorstfeld 1905, Kreissynodalvikar Bielefeld 1906, Pfarrer Mühlheim/Ruhr 1908, Diakonus Berlin 1913. WESTARP, Kuno Friedrich Viktor Graf von geb. 12.8.1864 Ludom/Kr. Obornik, gest. 30.7.1945 Berlin, Politiker, MdR, Vors. der DNVP-Reichstagsfraktion 1925-1929.
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Register
WETTE, Wolfram geb. 1940 Ludwigshafen, Privatdozent für Neuere Geschichte u. Zeitgeschichte Freiburg/Br. 1990. WICHERN, Johann Hinrich geb. 21.4.1808 Hamburg, gest. 7.4.1881 Hamburg, Gründer des „Rauben Hauses" in Hamburg 1833, des Zentralausschusses für Innere Mission 1848 und des Johannesstifts in BerlinSpandau 1858. WICHMANN, Ottomar geb. 13.5.1890 Zerbst, gest. 23.10.1973 Kalkutta/Indien, Philosoph u. Pädagoge, Privatdozent Halle 1919, ao. Prof. ebd. 1930, Leiter des Religionspädagogischen Instituts Berlin 1929 bis März 1934, apl. Prof. Wien 1939, Lehrauftrag am Pädagogischen Seminar Tübingen 1946, em. 1961. WlENEKE, Friedrich geb. 7.10.1892 Berlin-Zehlendorf, gest. 5.8.1957 Alt-Töplitz/Brandenburg, Kriegsdienst als Militärlehrer u. -prediger 1914-1919, Ordination u. Hilfsprediger Arnswalde 1919, Archidiakonus, dann Dompfarrer Soldin 1920, OKonsRt u. Mitglied des E O K Berlin 1933, KonsPräs. Magdeburg 1934, Pfarrer u. Pfarrstellenverwalter (Wartestand) Hain u. Steinbrücken/Grafschaft Stolberg 1945, Pfarrer Alt-Töplitz 1949- NSDAP-Mitglied 1929, theol. Reichsreferent der D C 1933, Mitglied der Deutschen Evang. Nationalsynode. WILHELM I. geb. 22.3.1797 Berlin, gest. 9.3.1888 Berlin, König von Preußen seit 1861, deutscher Kaiser ab 1871. WILHELM II. geb. 27.1.1859 Berlin, gest. 4.6.1941 Schloss Doorn/Niederlande, deutscher Kaiser u. König von Preußen 1888 bis 1918. WILKER, Karl Pädagoge. WILM, Walter geb. 7.1.1893 Berlin, gest. 10.12.1957 Greifswald, Kriegsdienst 1914, französische Gefangenschaft 1917-1920, dort planmäßiges Studium unter Anleitung, Ordination u. Hilfspfarrer Potsdam u. Pfarrer Beveringen bei Pritzwalk 1923, im Nebenamt Jugendpfarrer der Prignitz, Provinzialjugendpfarrer der Mark Brandenburg 1928, Vereinsgeistlicher beim Centraiausschuss für Innere Mission Berlin 1930, Pfarrer Dolgelin/Kirchenkreis Seelow 1932, Damgarten/Pommern 1938, Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst unter Beibehaltung der Rechte des geistlichen Standes 1944, Pfarrverwalter Saal/Kr. Barth, später Löcknitz/Kr. Penkun 1944-1947, Pfarrer Löcknitz 1948, Pfarrer u. Sup. Greifswald 1950-1957 - Mitglied des Reichskirchenausschusses (Referat Kirchenpolitik, Männerarbeit, Öffentlichkeitsarbeit) Oktober 1935 bis Februar 1937 - Mitbegründer der Christlich-Deutschen Bewegung 1930, Deutscher Christ bis zum Austritt 1935, vorübergehend bis Ende 1934 deren kommissarischer Gauobmann im Rheinland. WILMANNS, Gerhard geb. 1896 Berlin, gest. (gefallen) 1916 in Frankreich, jüngster Bruder von Armgard Dibelius. WILSON, Thomas Woodrow geb. 28.12.1856 Staunton/Virginia, gest. 3.2.1924 Washington D. C., US-Präsident 1913-1921. WLNCKLER, Johann Friedrich geb. 28.11.1856 Frankfurt/Oder, gest. 16.11.1943 Salsitz/Provinz Sachsen, Jurist im preuß. Staatsdienst, zuletzt Landrat Zeitz 1886-1899, Generaldirektor der Landfeuersozietät der Provinz Sachsen 1900-1922, Rittergutsbesitzer Salsitz - Mitglied der konservativen Fraktion des Preuß. Abgeordnetenhauses 1893-1918, MdL (DNVP) 1921, MdR 1903-1911 - Mitglied der altpreuß. Generalsynode 1905, Präses 1915, Vors. des altpreuß. Kirchensenats 1926, Mitglied des D E K A u. des Deutschen Evang. Kirchenbundesrats.
Biographische Angaben
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WINTERHAGER, Jürgen geb. 24.11.1907 Potsdam, gest. 28.11.1989 Berlin, enger Mitarbeiter von D. Bonhoeffer u. O.D., vertrat Bonhoeffer zeitweilig auf der Londoner Pfarrstelle 1933-1935, dessen Stellvertreter als Jugendsekretär des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen, Dir. des Ökumenischen Seminars Berlin 1947, Dozent für Kirchengeschichte KiHo Berlin 1961. WlRTH, Günter geb. 7.12.1929 Brand-Erbisdorf/Kr. Freiberg, Dr. phil. (Germanistik) 1977, Cheflektor des Unionverlags u. stellvertretender Chefredakteur des CDU-Zentralorgans „Neue Zeit", leitender Redakteur des „Standpunkt" 1973, Honorarprofessor für Neue u. Neueste Kirchengeschichte Humboldt-Universität Berlin 1985. WLRTH, Josef geb. 6.9.1879 Freiburg i. Br., gest. 3.1.1956 Freiburg i. Br., Reichsfinanzminister (Zentrum) 1920/21, Reichskanzler 1921/22, Reichsinnenminister 1930/31, Emigration in die Schweiz 1933. WOLF, Erik geb. 13.5.1902 Biebrich/Rhein, gest. 13.10.1977 Oberrotweil/Kaiserstuhl, Prof. für Kirchenrecht u. Rechtsphilosophie Rostock 1928, später Prof. für Rechts- u. Staatsphilosophie ebd., Kiel 1930, Freiburg i.Br. 1930-1967, Mitglied der BK. WOLF, Ernst geb. 2.8.1902 Prag, gest. 11.9.1971 Garmisch-Partenkirchen, Prof. für Historische Theologie Bonn 1931, wegen der Zugehörigkeit zur BK strafversetzt nach Halle/Saale 1935, Prof. für Historische Theologie Göttingen 1945, für Systematische Theologie 1958. WOLFF, Theodor geb. 2.8.1868 Berlin, gest. 23.9.1943 Berlin, Journalist u. Schriftsteller, Eintreten für einen Verständigungsfrieden, Mitbegründer der D D P 1918 (Austritt 1926), Korrespondent (18941906) u. Chefredakteur des „Berliner Tageblatts" 1906-1933, Emigration nach Zürich 1933, Nizza 1934, Verhaftung 1943, Inhaftierung in 14 Gefängnissen, letztlich K Z Oranienburg u. Sachsenhausen, Verhör durch die Gestapo in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße, an den Folgen dieser Odyssee und Tortur gestorben - Verleihung des Theodor-Wolff-Preises für hervorragende journalistische Leistungen ab 1961. WOLFF, Walther geb. 9.12.1870 Neuwerk/Mönchengladbach, gest. 26.8.1931 Aachen, Pfarrer Otzenrath 1895, Aachen 1901, Sup. ebd. 1923, Präses ab 1919. WRIGHT, Jonathan R. C. Historiker Oxford. WUNDT, Max geb. 29.1.1879 Leipzig, gest. 31.10.1963 Tübingen, Philosoph, Prof. Marburg 1918, Jena 1921, Tübingen 1929. WURM, Theophil geb. 7.12.1868 Basel, gest. 28.1.1953 Stuttgart, Ordination 1891, Pfarrer bei der Evang. Gesellschaft Stuttgart 1899, Ravensburg 1913, Dekan Reutlingen 1920, Prälat Heilbronn 1927, Kirchenpräsident 1929-1949, Titel „Landesbischof" ab 1933 - Mitglied des Reichsbruderrates Mai 1934 bis Februar 1936, des Lutherischen Rates 1934/35, Gründungsmitglied des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Lutherrat) März 1936, erster Vors. des Rates der E K D 1945-1949 - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen (Arbeitsausschuss) 1934, Augsburg 1935 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. WURTH, Nikolaus (Klaus) geb. 1.12.1861 Dundenheim, gest. 22.2.1948 Bretten, badischer Kirchenpräsident 1924-1933 Mitglied des D E K A u. des Deutschen Evang. Kirchenbundesrats. WYNEKEN, Gustav geb. 19.4.1875 Stade, gest. 8.12.1964 Göttingen, Pädagoge, Gründung der Freien Schulgemeinde Wickersdorf/Thüringen 1906, Referent im preuß. Kultusministerium 1918/19,
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Register
Entzug der Leitung von Wickersdorf wegen homosexuellen Umgangs mit Zöglingen 1920, freier Schriftsteller nach 1945. ZÄNKER, O t t o geb. 29.6.1876 Herzkamp/Westfalen, gest. 30.1.1960 Bielefeld, Ordination u. Vereinsgeistlicher des Evang. Vereins für Innere Mission Godesberg 1906, Pfarrer Viersen/Rheinland 1908, Dir. des Predigerseminars Soest 1912, Pfarrer Münster u. nebenamtlicher KonsRt 1924, Gensup. Schlesien (Sprengel Breslau u. Oppeln) 1925, Bischof von Breslau 1933, Amtsenthebung u. Ruhestandsversetzung wegen seines Eintretens für die B K 1941, Ausweisung aus Schlesien durch den Gauleiter 1945 - Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35, Gast im Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Lutherrat) - Teilnehmer der Bekenntnissynoden der D E K Barmen 1934, Augsburg 1935 u. des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935. ZIMMERMANN, Richard Wilhelm Louis geb. 21.2.1877 Ilfeld/Harz, gest. 4.12.1945 Nordstemmen/Hannover, Divisionspfarrer Metz 1907, Pfarrer Unterbarmen 1910, Falkenrehde 1919, Vereinsgeistlicher der Inneren Mission Berlin-Brandenburg im Johannesstift 1921, Sup. Berlin-Stadt I 1927, Präses der Berliner Stadtsynode 1936. ZIMMERMANN, Wolf-Dieter geb. 7.11.1911 Barmen, Sohn von Richard Z., Ordination („illegal") Berlin 1938, persönlicher Referent von Bischof Dibelius 1950-1954, Schriftleiter der Zeitschrift „Unterwegs" 19471954, Leiter des evang. Rundfunkdienstes in Berlin 1954-1976, KonsRt im Nebenamt 1959. ZÖCKLER, Theodor geb. 5.3.1867 Greifswald, gest. 18.9.1949 Stade, Judenmissionar 1890, Pfarrer in Stanislau (Galizien) 1891, Sup. Galizien 1924, Umsiedlung in den Warthegau 1939, Siedlungswerk für Ostflüchtlinge in Stade 1945. ZOELLNER, Wilhelm geb. 30.1.1860 Minden, gest. 16.7.1937 Düsseldorf-Oberkassel, Ordination 1885, Pfarrer Bielefeld 1886, Friedrichsdorf u. Barmen-Wupperfeld 1889, Vorsteher der Diakonissenanstalt Kaiserswerth 1897, GenSup. Westfalen 1905, Wirkl. Geheimer OKonsRt 1916, Ruhestand 1930, Teilnehmer des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1933, Mitglied des Lutherischen Rates 1934, Vors. des Reichskirchenausschusses Oktober 1935 bis Februar 1937. ZUCKMAYER, Carl geb. 27.12.1896 Nackenheim/Rheinpfalz, gest. 18.1.1977 Visp/Schweiz, Schriftsteller. ZWEIG, Arnold geb. 10.11.1887 Glogau, gest. 26.11.1968 Berlin(-Ost), Schriftsteller. ZWINGLI, Huldrych (Ulrich) geb. 1.1.1484 Wildhaus/St. Gallen, gest. (gefallen) 11.10.1531 Kappel am Albis, Schweiz. Reformator.
Ortsregister
2. Aland 110 246 Alpirsbach Altmark 161 Altona 293 Amsterdam 168; 326; 449; 455 Angermünde 186; 285 319 Bad Gastein Bad Harzburg 468 63 Bad Saarow Barmen 132 431 Basel Beeskow 186 186 Beizig Berlin 11; 23; 29; 146; 151; 162-166; 228; 272; 363; 374; 379; 447; 449; 458; 462; 465 Amalienhaus 30 Apologetische Centrale 470 Berliner Dom 15; 388; 391 Charlottenburg 11; 26 Dahlem 182; 475 Dreifaltigkeitskirche 269 Friedenau 246 Grunewald 461 Heilbronner Straße 159 Herrenhaus 410 Hotel Prinz Albrecht 282 Humboldt-Universität 483 Jebensstraße 11; 26 Jesus-Christus-Kirche 182; 323; 429 Johannesstift 11; 136; 185 Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche 150 Karl-Liebknecht-Straße 11 Kirche zum Heilsbronnen 150; 159; 354 Kirchl. Hochschule 141; 354; 483; 498f. Kölln-Land 309 Kroll-Oper 387 Lichterfelde 245; 372; 428 Marienkirche 11; 150 Martin-Luther-Krankenhaus 461 Matthäi-Kirche 150 Neukölln 461 Nikolaikirche 191 Philharmonie 30 Prinz-Albrecht-Straße 121 Rathenow 240 Schleiermacher-Volkshochschule 3 63 Schöneberg 77; 159 Sowjetische Besatzungszone 144 Spandau 11; 140; 162-164; 185; 329; 501 Sportpalast 190; 436; 454; 465; 472
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Ortsregister St.-Annen-Kirche 159 Steglitz 380 Straßenbenennung 11 Tegel 240 Waldbühne 492; 497 Wannsee 181 Zehlendorfer Diakonieverein 461 Bern 113 Bernau 185 Berneuchen 256 Bethel 151; 165; 417 Bliesendorf 417 Bonn 431 Bordighera 428 Brandenburg 186 Breslau 159 Chamby 129 Cottbus 179 Creglingen 406 Dobbrikow 415; 474 Döberitz 469 Dresden 19; 88; 110; 137; 353; 427 Durham 327 Edinburgh 129 Essen 342 Evanston 129; 200 Forst 179 Frankfurt a.O. 161; 164; 179; 408 Gießen 187 Göteborg 110 Gransee 277; 281; 282 Halle 137; 350f. Heidelberg 232; 350f. Kassel 35 Köln 180 Königsberg 39; 134; 388; 471 Kopenhagen 113 Kristiania (Oslo) 115 Kurmark 14; 149; 151; 160-164; 166; 169-171; 174; 177; 184; 277; 281; 387; 465 Küstrin 179 Lausanne 127; 189; 234; 292; 318 Liegnitz 44 Lindow-Gransee 184 London 327 Lübben 287 Lublin 121 Magdeburg 66; 177
630
Register
Marburg 32; 82; 260; 344; 374; 483 Mecklenburg-Schwerin 180 161 Mittelmark Neumark 161f.; 179; 182 Neuruppin 277; 282; 339; 425 Niederlausitz 162; 179; 182 Niegergörsdorf 288 40 Nordhausen 161 Nordmark 474 Oderberg 129 Oxford 108; 213 Pommerellen 180 Pommern Posen 40; 76; 108; 114; 121f.; 127; 153; 213 122; 309;419 Warthegau Potsdam 132; 161-165; 177; 178; 180f.; 183; 269f.; 321; 336; 339; 387; 390; 410; 421 Friedenskirche 181; 266 181; 387 Garnisonkirche 387 Kathol. Kirche 468 Konzerthaus Nikolaikirche 387; 401; 405; 422 Schloss Sanssouci 266 Reims 214 180; 469 Saarbrücken
Sachsen 161; 251 Sachsenhausen 121 San Remo 426-429; 499 Schlesien 134; 308 Sigmaringen 112 Solingen 45 Stanislau 109; 123 Stockholm 109; 113; 123f.; 127f.; 318 Stolpe 285 Stuttgart 15; 194; 233; 246; 301; 392; 406 Thorn 114 Tübingen 9; 260 Evang. Stift 163 Uckermark 185 Uppsala 110; 112; 122f.; 125f.; 263; 428 Vandsburg 128 Warschau 108f.; 120f. Weimar 50; 276 Westpreußen 114 Wilna 121 Wittenberge 112 Wolhynien 108 Wuppertal-Barmen 300
Sachregister
3. Altonaer Bekenntnis (1933)
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Sachregister
292-294; 296; 392 Antisemitismus 57; 58; 59; 60-64; 319; 407 Arbeiterfrage 94; 102; 168f.; 214; 217 Arierparagraph 61 Austrittsbewegung 24; 29; 356; 460; 468 Bekennende Kirche 14; 16; 50; 129; 211; 244-246; 298-303; 307-311; 354; 376; 429-431; 435; 454; 481f.; 494-496 Barmer Erklärung (1934) 63; 200; 501; 51 Of. Bekenntnissynoden Barmen (1934) 200; 311f.; 496 Dahlem (1934) 311f.; 495f. Oeynhausen (1936) 299 Bruderräte 16; 160; 181; 245; 300; 310-312; 428f.; 431; 454; 494f. Geistliche Leitung 307-310; 312; 424 Jungreformatoren 441 Pfarrernotbund 182; 211; 428f.; 436; 454 Bekenntnisfrage 33f.; 231f.; 296 Berlin-Brandenburgische Kirche Konsistorium 34; 62; 146; 152; 154f.; 158; 159f.; 164; 170; 173-176; 184f.; 265; 267f.; 271; 273; 286f.; 309; 312; 410; 455; 468; 492 Präsident 30; 148 Vorsitzender 148f.; 151; 157; 164f.; 266; 277; 284; 286f. Provinzialsynode (1918) 30 Provinzialsynode (1925) 164f. Provinzialsynode (1927) 164; 185 Provinzialsynode (1929) 186; 266; 277f.; 284; 465 Provinzialsynode (1933) 415; 441 Provinzialsynode (1946) 24 Provinzialsynode (1957) 479 Provinzialsynode (I960) 458; 484 Berneuchener Buch 239; 255-258; 365 Bolschewismus 114f.; 136; 143; 238; 294; 340; 353; 399; 461-469; 472f. Darmstädter Wort (1947) 443; 481f. DDR-Zeit 218 Dokumentation 60f.; 304; 402 Kirchenbund 503; 506 Kirchenkampf 144; 458; 473; 482 Revolution (1989) 502; 504
Denkschriften
14; 103; 115; 117; 164; 223; 228; 265; 300; 304f.; 308; 341; 346; 426; 444; 495 Deutsche Evangelische Kirche Reichsbischof 224; 297; 417 Reichskirche 224; 230f.; 293; 394; 480; 490 Reichskirchenverfassung 421 f.; 480 Deutscher Evang. Kirchenbund 151; 172; 205; 230-232; 278; 348; 426; 493 Deutscher Evang. Kirchenausschuss 40; 61; 75; 80; 157; 194; 259; 278; 283; 399; 463; 473 Kirchentage 40 Bethel (1924) 446 Dresden (1919) 28; 70; 80; 84; 88; 92; 96; 117; 130; 314 Königsberg (1927) 50; 285; 446 Königsberger Kundgebung 49f.; 276; 282-284; 286; 291; 294f.; 320; 322; 341; 486; 510 Nürnberg (1930) 446 Stuttgart (1921) 130f. Vorkonferenz Kassel (1919) 28 Dialektische Theologie 189; 192; 233; 250; 351f.; 354f.; 358; 377; 379; 381; 389; 441; 445; 450; 456; 459; 473f.; 478f. Diktatur Staatskirche 297; 299-305; 376; 416; 421; 490; 506 Einigungswerk 14; 246; 310f.; 495 Engerer Rat 311 Schlichtungsausschüsse 311 Wiener Entwürfe 310 Entmythologisierung 245-247; 258 Evang. Kirche der ApU 191; 212; 221; 230; 312 Evang. Oberkirchenrat Berlin 14; 20; 24f.; 26f.; 30f.; 40; 45; 66; 68f.; 71; 74; 80f.; 83f.; 90; 101-103; 112f.; 117f.; 130; 137f.; 145; 147f.; 151f.; 158-160; 163f.; 171; 174; 176; 179; 199; 212; 227; 259; 272f.; 287f.; 308-312; 345; 349; 359; 408; 424-426; 461; 465; 468; 474 Präsidentenamt 82; 84f.; 103; 137; 157; 418f. Generalsynode 40; 93; 103; 136; 213; 371 Generalsynode (1915) 100 Generalsynode (1920) 24; 38; 49; 84; 90f.; 96f.; lOOf.; 288
632
Register
Generalsynode (1925) 118; 168; 212; 222f.; 233; 261f.; 487 Generalsynode (1927) 118; 174; 208; 222-224; 226f. Generalsynode (1929) 153 Generalsynode (1930) 359-361; 371 Generalsynode (1931) 444 Generalsynode (1933) 339; 427 Generalsynode (1937) 182; 301; 302 Kirchensenat 136; 149; 164f.; 168; 222; 339; 359; 414f.; 427 Kirchensenat-Vorsitz 103; 147; 444 Landeskirchenausschuss 154; 261 Evang. Kirche in Deutschland 16; 436; 457; 482 EKD-Ratsvorsitzender 144; 165; 341f.; 393 EKD-Synode Berlin (1961) 440 EKD-Synode Bethel (1949) 165 EKD-Synode Hamburg (1951) 247 EKD-Synode Spandau (1956) 140; 501 EKD-Synode Spandau (1958) 304 EKD-Synode Weißensee (1950) 63; 342 Rat der E K D 342; 455 Evang. Preßverband 28f.; 53; 132; 136; 278 Frauenwahlrecht 35; 94; 100 Freiburger Denkschrift (1943) 14; 62; 137 Freidenker 185; 205; 316; 349; 423; 460-462; 464; 465-468 Friedensfrage 204; 297; 313; 317f.; 320-328; 330; 332; 336; 338; 343; 350; 352; 456; 487; 510 Friedenserziehung 352 Gerechter Krieg 322 Kriegsdienstverweigerung 319; 325; 327-330; 335f.; 338f.; 342; 350; 409; 414f.; 502; 509; 511 Kriegspredigt 329 Pazifismus 105; 316; 318-320; 322-327; 329f.; 332-334; 336; 338f.; 343; 352; 370; 406; 423; 441 Sieg-Friede 105; 313 Verständigungsfriede 105; 313 Wehrbereitschaft 304f.; 327 Wehrpflicht 305; 342 Geist von 1914 18 Geistliche Leitung 103; 122; 149; 161; 166; 168; 179; 183; 215; 222; 225f.; 228; 265f.; 269; 271; 274-276; 287-289; 291f.; 297-300; 306-308; 31 lf.; 335; 420f.; 488; 490; 494 Bischofsfrage 214; 216; 222f.; 225f.; 228f.; 232; 265 Evangelisation 29; 183-186
Generalsuperintendentenamt 145; 149; 151-153; 161; 163; 171; 225; 228; 265; 291; 425 Kurmärkische Kirchentage 170; 176-183; 186; 201; 217; 240; 242f.; 281; 418; 468f.; 472; 474; 478 Lehramt der Kirche 292; 295-297 Rundbriefe 60; 170; 173f.; 177; 184; 186; 274; 319; 384f.; 389; 393; 396; 399; 409; 433; 445; 452; 477 Geistlicher Vertrauensrat 307f.; 310 Geschichtsepochen Aufklärung 188; 190; 192; 248; 440 Idealismus 192; 248 Individualismus 167; 190; 192; 208; 248 Liberalismus 192; 197; 232; 248; 396; 456 Mittelalter 214; 248; 388; 434; 485; 506 Neuzeit 506 Orthodoxie 192 Pietismus 192; 248; 440 Reformation 188; 191; 196; 247 Romantik 192; 396 Greuelpropaganda 61f.;411f. Gustav-Adolf-Werk 63; 110; 112f. Internationalismus 61; 248; 313; 319 373; 430 Jahrhundert 188f. Judenboykott 1933 61f.; 404; 411 Judenfeindschaft 64 Judenhilfe 62f. Judentum 57; 59f.; 62f. Judenverfolgung 63; 406 Katholische Kirche 46; 48; 116; 120; 133; 136; 147; 151; 162; 191; 196f.; 205; 217; 232-241; 289; 295; 316-318; 322; 344-346; 348 Katholikentage 181; 240 Kirche - Gemeinde 27; 28f.; 33; 36; 93; 97; 103; 167-169; 177; 180; 185; 192; 224; 229; 242; 265; 289; 448; 498; 507 - Israel 63; 206; 261 - Kirchl. Hochschulen, Universität 40; 141 f.; 294 - Lehramt 224; 292-297; 381 - Staat 13f. Bollwerk 38; 114f.; 210; 489; 510 Konkordatsfähigkeit 208; 233; 344; 348; 491; 494; 512 Über den Parteien 47-53; 68; 78; 95; 217; 219; 235; 289; 385; 464; 507 Kirchenformen Bekenntniskirche 32f.; 35; 230 Freie Volkskirche 32; 35-37; 41; 119; 360
Sachregister Freikirche
33; 74; 85; 96; 193; 197; 203; 206; 255; 299 Sekte 33; 36; 67; 87; 191; 197; 203; 205f.; 209; 225; 230; 381 Union 20; 36; 191; 222; 224; 228-231 Volkskirche 23f.; 33-35; 39; 66; 74f.; 78; 83; 85; 95; 102; 104; 118; 152; 168; 181; 189f.; 195; 203f.; 208; 262; 264; 270; 283; 288f.; 321; 360; 440; 442; 474; 477; 488; 508 Kirchenkampf 12; 24; 50; 62; 99; 121; 129; 160; 211; 237; 297; 298; 303-306; 309; 376; 415; 435f.; 447; 454f.; 457f.; 463; 475; 481; 495; 507 Deutsche Christen 61; 297; 301; 306; 394; 409; 414-416; 423; 473; 489 Führerprinzip 291f.; 298; 306 Kirchenausschüsse 182; 298-301; 394; 427; 480; 490 Kirchenverfassung (ApU) 31; 34; 42; 99f.; 103; 149-158; 164; 167; 170; 177; 183; 186; 216; 222; 224-226; 232; 240; 265; 286; 312; 343; 408; 493 Bischofsfrage 147 Geistliche Leitung 312 Generalsuperintendentenamt 147; 154; 187 Landeskirchenausschuss 154; 261 Präambelstreit 35; 102f.; 147; 152 Urwahlen? 35; 88; 91-97; 101 Verfassunggebende Kirchenversammlung 39f.; 71; 90; 92-94; 96f.; 100-103; 147-149; 152; 157; 168; 177; 222; 231 Kulturautonomie 218; 275; 276 Magna Charta 100; 240; 243 Militärseelsorgevertrag 16; 342 Monarchie 14; 20; 48; 49 Landesherrliches Kirchenregiment 20; 84; 117; 145; 147; 149; 190; 196f.; 199; 248; 325; 348; 440; 487 Augsburger Religionsfriede (1555) 196 Drei Minister in evangelicis 83-89; 91; 96; 100 Summepiskopat 20; 21; 49; 81-83; 114; 146f.; 197-199; 216; 222; 248; 265; 388; 485 Staatskirche 9; 35; 114; 139; 230; 257; 266; 321; 388; 420; 442; 451; 490; 496; 506-508; 512 Staatsschule 139 Nationalsozialismus 11-15; 61; 122; 143f.; 305; 307; 338; 374; 384f.; 393; 397; 402; 418; 430f.; 433; 435; 445; 472; 473; 480; 482; 489; 493; 494; 500
633
Nationalversammlung (1919) 27; 31; 40; 42; 46-48; 52; 58; 64; 67; 70-77; 79f.; 82; 88; 205; 386 Neuordnung nach 1945 15f.; 24; 144; 312; 449; 492; 494f.; 507 Obrigkeit 16; 50; 210; 283; 291; 293; 332; 368; 383; 399f.; 403-406; 458; 491; 497-500; 502; 510f. Obrigkeits-Debatte 16; 61; 210; 384; 458f.; 500; 502 Obrigkeitsschrift 16; 458; 479; 496; 498f.; 501; 503; 505f.; 510 Offenbarung 13 422; 486 Römer 13 16; 50; 87; 210; 266; 283f.; 332; 422; 458; 486; 498f.; 506 Ökumene 61; 110; 124-128; 213f.; 216; 234; 241; 251f.; 258; 263; 283; 290; 317f.; 320; 334; 357; 430; 449; 509; 512f. Kirchenkonferenzen Chamby (1936) 129 Uppsala (1921) 122f.; 125f. Wilna (1926) 121 Trennung von Staat u. Kirche 128 Weltkirchenkonferenzen Amsterdam (1948) 168; 326; 449; 454 Edinburgh (1937) 129 Evanston (1954) 129; 200 Lausanne (1927) 127; 189; 234; 251; 254; 292; 318; 355; 430 Oxford (1937) 129 Stockholm (1925) 125; 127-129; 187; 226; 230; 254; 318; 326; 430 Parteien Bayr. Volkspartei 385 CDU 52; 218; 482; 491 CSVD 52; 385 DDP 40; 54-59; 64-67; 69; 71f.; 82f.; 90; 94f.; 277; 314; 385 Deutsche Reformationspartei 218 DNVP 49; 51-54; 58f.; 66; 67; 70; 76; 82; 95; 97; 136; 184; 218; 277; 279-281; 289; 320; 332; 344; 385; 465; 491 DVP 25; 48; 53f.; 59; 67; 70; 95; 136; 277; 282; 385 KPD 52; 385; 391; 460; 464 NDP 53 NSDAP 293; 297f. ; 302; 385; 394; 409-413 SED 341f.; 387; 455; 500; 502; 506 SPD 24; 54f.; 58; 64; 66; 71f.; 76; 80; 88; 94; 95; 131; 136; 332; 343; 385; 391; 395; 407f.; 413; 444; 460f. Staatspartei 385; 391f.; 408 USPD 24; 45; 52; 54; 95; 460
634
Register
Zentrums-Partei 46; 48; 52; 54; 6/f.; 7If.; 95; 131; 218; 235; 332; 344f.; 385; 486 Polnische Teilungen 108; 114 Pressearbeit 98; 162; 278-280; 333; 475 Preußischer Kirchenvertrag 84; 142; 156; 176; 218; 294; 343-350; 388; 410f.; 418; 462 Freundschaftsklausel 346f.; 420 Politische Klausel 84; 156; 344-347; 349f.; 388; 411; 418; 420; 450 Preußisches Konkordat 162; 174; 181; 218; 240; 320; 322; 344-346 Propagandaausschuss 105; 109; 111-113; 115; 118; 120; 122; 124; 126; 212f.; 318 Rassismus 59-61; 64 Rechtskontinuität 37-39; 42; 81; 83; 486; 493f.; 507; 512 Reformation 90; 97; 99; 191; 196; 231f.; 248; 254; 296; 495 Reichsbanner 282; 319; 385 Religionsgespräch 374 Religionspädagogisches Institut 130; 133-138; 141; 159; 171; 219; 352 Republik Grundgesetz der BRD 198; 494 Staat ist Macht 86f.; 399; 497; 509 Trennung von Kirche u. Schule 42 Trennung von Staat u. Kirche 20; 24; 29; 38; 42; 46; 55; 68; 73-75; 86; 88f.; 98-100; 107; 116; 118; 128; 147; 198; 201; 212f.; 216; 219; 284; 324f.; 336; 489; 495; 508 Weimarer Reichsverfassung 84; 99; 131; 198; 205; 285; 494 Keine Staatskirche 54; 84; 118; 494 Restauration 130; 454; 492; 495f.; 502 Revolution Dolchstoßlegende 57; 338; 362 Gegenrevolution 88; 496 Nationale Revolution 309; 393f.; 410 Recht zur Revolution 443; 482 Revolution (1848) 17 Revolution (1918) 11; 14; 17; 19-21; 23; 35f.; 38; 40f.; 43; 67; 81f.; 85; 97; 130; 138f.; 143; 197; 200; 249; 264; 282; 336; 357; 434; 485f.; 506 9. November 19; 88f.; 138; 200; 212; 247 Kirchl. Ertrag 86; 101; 104; 114; 168; 199f.; 207; 233; 487; 509 Revolutionsziele 29 Trennung von Staat u. Kirche 89; 114; 451 Revolution (1989) 502; 504
Revolution in Russland 114; 121 Weltrevolution 114 Schulfrage 42; 46; 55; 66; 72; 80f.; 104; 130; 138f.; 143; 219; 461 Bekenntnisschule 131; 133 Einsichtnahme in den Religionsunterricht 43; 136; 141; 349 Elternrecht 73; 131-133; 140; 461 Geistliche Schulaufsicht 42f.; 141 Reichsschulgesetz 43; 72; 132; 136; 140f.; 349; 461 Schulgemeinde 130f.; 140 Weltliche Schule 72; 74; 130f.; 139f.; 144; 386; 461f.; 466 Sonntagsfrage 276f. Stahlhelm 177; 282; 285-288; 317; 343; 385 Stuttgarter Schulderklärung (1945) 15; 433; 449; 473; 481 Tag von Potsdam (21.3.1933) 338; 340; 353; 387; 391-393; 396-398; 401f.; 405-411; 416; 431-434; 472 Verein dtsch. Studenten 19; 59; 87; 211; 485 Versailler Vertrag 105-108; 113; 120; 289f.; 313; 320; 333; 485 Abtretungsgebiete 105; 107f.; 113; 116 Kriegsschuldfrage 106f.; 177; 283; 320; 352 Mantelnote 107; 256; 290 Vertrauensrat 14; 25f.; 28; 30f.; 33; 40; 47; 66; 69; 71; 74; 77; 92; 102; 278; 306; 330; 333; 494 Presseausschuss 27 Rechtsausschuss 25 Trennungsausschuss 27 Unterrichtsausschuss 25; 27; 72 Verfassungsausschuss 25; 27; 92; 93 Werbeausschuss 25; 27-29; 36; 43; 48; 53; 67-75; 78; 93; 167; 278 Mitteilungen 28; 32; 55; 66f.; 69; 71; 75; 278 Zwölferausschuss 25-27; 30; 66 Völkerbund 88; 107; 110; 115; 283; 313-318; 326; 329; 332; 334 Volkskirchenbund 29-32; 39f.; 76; 167; 314 Volkskirchendienst 23; 29-31; 45; 53; 64; 76; 92; 150 Volkskirchenräte 23; 29f.; 35-42; 56; 58; 67; 94; 167 Wahlempfehlung (1919) 53; 55f.; 59; 64f.; 70f.; 80 Wahlempfehlung (1933) 395; 407; 414 Weltkrieg I 88; 323f.; 362; 395; 438; 441 Weltkrieg Π 237; 244; 307; 434; 447
Personenregister
635
4. Personenregister 233 Adam, Karl 130 Adams, Peter Adenauer, Konrad 15f. ; 342; 502 483 Albertz, Martin Althaus, Paul 50; 208; 219; 233; 256; 300; 316; 333-335; 360; 363;; 372; 443 250 Althoff, Friedrich 426 Andler, Erich Arndt, Ernst Moritz 194;; 322; 323 182 Arnim-Lützlow, Wilhelm von 245f.; 293; 298; Asmussen, Hans 309;; 454; 472 83 August П., der Starke 179 August Wilhelm 309 Augustat, Walter 243 ; 263; 500 Augustin, Aurelius 194 Averdieck, Elise 184; 281 Averdunk Axenfeld, Karl 26; 30; 64-67; 92; 112f.; 126; 150-152;; 163; 170 194 Bach, Johann Sebastian 503 Bahr, Egon 309 Baltzer, Martin Barth, Karl 13; 87; 220; 225; 233; 238-241; 250; 253; 256; 258; 293; 295; 325 330; 351; 354-385; 389-393; 397-400 404f.; 409; 415; 430f.; 433; 435-446; 449-459; 474-479; 483 ; 489; 506 365 Barth, Peter 280 Bartning, Otto 14 Bauer, Walter Bäumer, Gertrud 277; 316; 317 Baumgarten, Otto 37; 56; 58; 112;; 150; 326 54 Bebel, August 305 Beck, Ludwig 72 Becker, Carl 194 Beethoven, Ludwig van 92 Begrich, Joachim 67 Behrens, Franz 473 Bell, George 110 Bengtson, Valdus 181 Berg, Helmut vom 122; 506 Berggrav, Eivind 472 Berndt, Alfred-Ingemar Besier, Gerhard 157; 483; 506 60; 304 Bessert, Lieselotte 425; 456 Bethge, Eberhard 438 Bethmann Hollweg, Theobald von
Beyschlag, Willibald Bierschwale, Alfred Bismarck, Otto von
19 339; 414 17f.; 48; 57; 147; 184; 194; 218; 397f.; 407; 416 Blau, Paul 108; 112; 123-126; 213 Bleier, August 34; 58 Blumhardt, Christoph 13 Bockemühl, Peter 223 Bodelschwingh, Friedrich von (Sohn) 311; 417; 419; 428 Bodelschwingh, Friedrich von (Vater) 206; 301 Boelitz, Otto 52 Böhm, Franz 14 Böhm, Hans 136; 309 Bonhoeffer, Dietrich 14; 62; 142; 195; 246; 276; 335; 381; 396; 450; 454; 505 Bormann, Martin 300; 310 Borrmann, Walther 286; 311; 405 Bousset, Wilhelm 255 Brandenburg, Hans 252 Brandt, Willy 11; 503 Braun, Max 105;313 Braun, Otto 13; 343f.; 413 Braun, Walter 183 Bredt, Johann Viktor 32; 81f. Briand, Aristide 319 Brüning, Heinrich 15 Brunner, Emil 251; 438 Brunstäd, Friedrich 256 Brüsewitz, Oskar 504 Bultmann, Rudolf 245-247; 438; 458; 506 Burghart, Georg 134; 136f.; 151; 164; 227; 307; 311; 427; 444 Bursche, Edmund 121; 212 Bursche, Julius 108; 118-125; 212f. Busch, Eberhard 443 Calvin, Johannes 194; 357 Canaris, Wilhelm 62 Cavour, Camillo von 197 Chalmers, Thomas 193 Chlodwig I. 214; 247 Christian IV. 115 Claudius, Matthias 194 Coligny, Gaspard de 236 Conrad, Walter 137; 151; 157 Cordes, August 73 Cyprian, Thascius 209;234
636
Register
Dahm, Karl-Wilhelm 12; 51; 199; 328 Dehn, Günther 136; 320; 350-354; 364; 395f. Deissmann, Adolf 112; 124; 128; 189; 222f.; 226f.; 255; 316; 430 Delekat, Friedrich 134-137; 182; 353 Detert, Ernst 135; 425 Devaranne, Theodor 330 Dibelius, Armgard 323 Dibelius, Franz 323 Dibelius, Franz (Dresden) 19; 110; 427 Dibelius, Franz Gerhard 244; 323 Dibelius, Günther 232 Dibelius, Hans Otto 279 Dibelius, Helene 427 Dibelius, Martin 37; 232; 351 Dibelius, Wilhelm 102; 112; 136; 279; 368 Dibelius, Wolfgang 308f.; 323 Dieckmann, Johannes 326 Diem, Hermann 492 Diestel, Max 29; 112; 372; 410; 428 Diestel, Meta 468 Dietz, Eduard 54 Dietze, Constantin von 14; 456 Dignath, Walter 328 Dirks, Walter 492 Dittmann, Wilhelm 455 Doehring, Bruno 15; 151; 218; 345; 391 Doering-Manteuffel, Anselm 505 Doerne, Martin 249; 254 Dörpfeld, Friedrich 130f.; 133; 139 Dörries, Hermann 351; 354 Dross, Werner 30 Dryander, Ernst von 47f.; 51; 90; 163; 398 Dunkmann, Karl 30 Duske, Johannes 134 Düsse, Jean 29; 227; 263 Eberhard, Otto 136 Ebert, Friedrich 20; 52; 404 Eger, Karl 299; 427 Eidem, Erling 428 Einstein, Albert 319 Elliger, Karl 363 Elsas, Hanne 159 Endell, August 159 Epp, Franz von 61 Erzberger, Matthias 57 Everling, Otto 27; 47; 68; 71; 91; 112 Faber, Wilhelm 191 Fabricius, Cajus 363f. Falk, Adalbert 18 Falkenberg, Julius 339f.
Fassbender, Martin 30 Fichte, Johann Gottlieb 364 Fischbeck, Otto 83 Fischer, Alfred 30f.; 92; 185; 472 Fischer, Karl 214; 235; 251; 441 Fischer, Martin 182; 334; 498f. Flor, Wilhelm 182 Foerster, Erich 37; 82f. Foerster, Friedrich Wilhelm 105; 333f. ; 337f. Fontane, Theodor 166 Forell, Friedrich 34 Freitag, Albert 138; 408; 411; 414; 418 Frenzel, Wilhelm 424 Fretzdorff, Otto 410 Freud, Sigmund 338 Freymark, Carl 153 Frick, Heinrich 194; 249; 252f. Frick, Wilhelm 424 Friedberg, Robert 90 Friedrich II., der Grosse 48; 194; 397 Friedrich Wilhelm ΠΙ. 145-147 Friedrich Wilhelm IV. 147; 163; 216 Fritze, Georg 329 Galen, Clemens August Graf von 302 Gasparri, Pietro 162 Gauger, Joseph 30; 85; 315; 425 Gay, Hermann 23 Geest, Friedrich 159 Geibel, Emanuel 19; 107 Geissler, Bruno 112f. Gensen, August 157; 160; 164; 286 Gerlach, Wolfgang 60 Gerstein, Kurt 63 Gerstenmaier, Eugen 14 Gielen, Philipp 413; 424 Girgensohn, Herbert 136 Glass, Jakob 123 129; 375-378; Gloege, Gerhard 382; 384; 458f. Goebbels, Joseph 61f.; 304; 387; 431 Goerdeler, Carl 14 Goethe, Johann Wolfgang von 194 Gogarten, Friedrich 233; 238; 254; 300; 355; 438 Gollwitzer, Helmut 429; 437; 492 Göring, Hermann 400; 427 159; 387; 469 Görnandt, Werner Gregor von Tours 214 Greiser, Arthur 122; 419 Grell, Johannes 441
Personenregister 221 414-417; 432 349; 351 402 424 16; 304; 483; 498 309 10; 455 192 151 219 71 151; 157f.; 163f.; 175; 393; 427 24; 42; 45f. Haenisch, Konrad 225; 227; 346; 360 Hallensieben, Emil 139f. Hammelsbeck, Oskar 62; 182 Harder, Günther 19; 219; 233; 250; Harnack, Adolf von 326; 352; 447 45 Hartmann, Hans Hartwig 168 151 Haupt, Wilhelm 394; 426 Heckel, Theodor 329f. Heering, Gerrit Jan 30 Hegel von 427 Hegner, Otto 37 Heim, Karl 83 Heine, Wolfgang Heinemann, Gustav 342; 368; 482; 498 256 Heitmann, Ludwig 232; 277 Hellpach, Willy 139 Herbart, Johann 189 Hermelink, Heinrich 311 Herntrich, Volkmar 37 Herrmann, Wilhelm 222-225; 228f.; Hesse, Hermann Albert 360; 372 262; 303 Hesse, Hermann Klugkist 159 Heuss, Ludwig Heuss, Theodor 15; 159; 389; 391-393; 397; 405; 409; 433 15; 136; 159 Heuss-Knapp, Elly 30 Heydt, Fritz von der 35 Hilbert, Gerhard 49; 172; 184f.; 208; Hindenburg, Paul von 397; 400f.; 403; 464; 473 Hinderer, August 71; 112; 132; 136; 259; 278; 316; 333; 461 Hirsch, Emanuel 234; 248; 253; 300; 334; 351; 354; 381 Greschat, Martin Grevemeyer, Max Grimme, Adolf Grotewohl, Otto Grottian, Konrad Grüber, Heinrich Grüneisen, Ernst Grüneisen, Johanna Gunkel, Hermann Günther, Hans Haack, Hans Georg Habermann, Gustav Haendler, Gustav
Hitler, Adolf
637
14; 121; 182; 293; 297; 301f.; 305; 319; 321; 335; 338; 376; 385; 388; 392; 394f.; 397; 399; 402; 404; 406f.; 411; 413; 415f.; 420f.; 423; 434; 441; 480; 491; 505 Hoff, Walter 411 Hoffmann, Adolf 24f.; 36; 42; 44f.; 56; 69f.; 78; 84; 86; 88; 91; 97; 460; 494 Hoffmann, Georg 101 Hoffmann, Wilhelm 161; 163 Hohmann, Martin 504 Holl, Karl 92; 190; 247f. Hossbach, Friedrich 305 Hossenfelder, Joachim 388; 420; 454 Hüffmeier, Johannes 309 Hugenberg, Alfred 52; 279; 377 Humboldt, Wilhelm von 363 Hundt, Ernst 112; 151; 420 Hürten, Heinz 12 Hutten, Ulrich von 188; 398 Hymmen, Johannes 307 Ignatius von Antiochia 215 Ihmels, Ludwig 430 Ingman 464 Iwand, Hans Joachim 482 Jacke, Jochen 12; 24; 31; 46; 71; 148; 157; 167 Jacobi, Gerhard 53; 56; 182; 428; 436 Jacobs, Helene 437 Jäger, August 61; 84; 122; 298-300; 339; 411; 419-422; 425; 427 Jatho, Karl 28 Jordan, Richard 316 Jüchen, Aurel von 11 Jülicher, Adolf 37 Jüngel, Eberhard 328 Kaehler, Walter 151 Kaftan, Julius 130; 148; 151; 154; 157f. Kaftan, Theodor 88 ; 148; 151; 229-231 Kahl, Wilhelm 25; 30; 38; 48; 50; 53; 79; 100; 112 Kahler, Martin 51 Kahler, Wilhelm 51 Kaiser, Jochen-Christoph 12; 505 Kalmus, Paul 151 Kaiweit, Paul 427 Kammel, Richard 126 Kant, Immanuel 188; 323; 513 Kapler, Albrecht 429 Kapler, Hermann 111; 117; 154; 157; 222; 224; 259; 298; 346f.; 349; 411-413; 418; 450; 461; 465; 473; 480
638
Register
Kapp, Wolfgang 82f. Karnatz, Bernhard 69 Karow, Emil 160; 388; 394; 424; 465; 472 Karsen, Fritz 72; 137 Karwehl, Richard 458 Käsemann, Ernst 255; 258 Kästner, Erich 338 Kehnscherper, Gerhard 329 Keip, Bernhard 206 Keller, Adolf 430 Kellogg, Frank Billings 319f. Kempff, Wilhelm 179 182; 183; 298-301; Kerrl, Hanns 303; 306; 431; 473 Kessler, Hans 38; 57; 146; 157 Keudell, Walter von 72; 136; 141 Key, Ellen 188 Keyserling, Hermann 189 Kierkegaard, S0ren 382 Kinder, Christian 298; 422 Kirschbaum, Charlotte von 428; 436 Kittel, Gerhard 83 62 Klatt, Senta Maria Kleinod, Friedrich 44 341f. Kleinschmidt, Karl Klingemann, Karl 29 Knak, Siegfried 371-374; 378f.; 389; 443 Knolle, Theodor 31 Koch, Karl 181; 308; 454 308; 310 Koch, Walter 391 Koch, Werner Koehler, Paul 150; 163 163 Kögel, Rudolf Kogon, Eugen 492 Kolfhaus, Wilhelm 189; 223; 229; 236; 240 419 Kortheuer, August 30; 93f. Kraemer, Wilhelm Krause, Reinhold 35; 138; 297 Krötke, Wolf 436 121; 277; 328 Kruse, Martin Kube, Wihelm 297f.; 394; 409-412; 414f. 37 Kübel, Johannes 512 Kuder, John 374; 470 Künneth, Walter 219; 475; 492 Kupisch, Karl 63 Küpper, Ernst 26; 28; 36; 45; 51; 94 Lahusen, Christoph 52 Lambach, Walther 14 Lampe, Adolf 228 Lang, August 151 Lang, Theodor
Langenohl, Wilhelm 228 Lapide, Pinchas 63 Lessing, Eckhard 435; 450 Lessing, Gotthold Ephraim 62; 363 Liebknecht, Karl 52 Lilje, Hanns 311; 499 Lindt, Andreas 12; 376; 401 Lingner, Lina 461 Löhe, Wilhelm 255; 429 Loisy, Alfred 244 Lötz, Martin 402 Lübbe, Marinus van der 385 Ludendorff, Erich 60; 460 Luthardt, Christoph 303; 382 Luther, Martin 16; 48; 106; 190; 194; 218; 230f.; 233; 237; 247f.; 263; 327; 334f.; 374; 398-400; 407; 410; 499 Luther, Paul 253 Lüttgert, Wilhelm 150 Luxemburg, Rosa 52 Macfarland, Charles 106 Macholz, Waldemar 252 Mahling, Friedrich 30 Mann, Heinrich 338 Mann, Thomas 430 Marahrens, August 222; 307; 311 Marquardt, Friedrich Wilhelm 459 Martin, Gottfried (s. R. Kammel) 126 Marx, Wilhelm 407; 416 Maurenbrecher, Max 37; 58; 332 Mausbach, Joseph 79 Mehlhausen, Joachim 9'; 40; 198; 210 Mehnert, Gottfried 70 Meier, Kurt 279; 495 Meinecke, Friedrich 19 Meiser, Hans 301; 311; 493; 495 Melanchthon, Philipp 194 Melle, Otto 316 Menzel, Adolph von 397 Meyer, Conrad Ferdinand 198 Meyer, Otto 154 Michaelis, Wilhelm 30; 242; 243 Middendorf, Friedrich 341 Mirbt, Carl 159; 472 Mitzenheim, Moritz 455; 498 Moeller van den Bruck, Arthur 480; 488 Moeller, Reinhard 25; 80; 84; 91; 93; 122; 151f.; 157; 222; 278 Moldaenke, Günter 136; 309 Moltmann, Jürgen 16 Mommsen, Theodor 250; 380
Personenregister Morehead, John Mosse-Verlag Мои, John Muhs, Hermann Mulert, Hermann Müller, Hanfried Müller, Hermann Müller, Johannes Müller, Karl Müller, Ludwig
123 57 412 305; 307 192 502 343 189 237; 257 297; 306; 339; 415; 417; 420; 427; 454; 480; 500 Müller-Schwefe, Johannes 470 24; 30; 51; 52; 72; Mumm, Reinhard 79-81; 83; 90f.; 131; 218; 282 109 Nader, Nikolaus 13; 37; 56; 67; 69f.; Naumann, Friedrich 79f.; 82; 94; 205f. 123 Nehring, Erich Neubauer, Karl 23 400 Neurath, Konstantin 29 Niemöller, Heinrich Niemöller, Martin 10; 63; 182; 300f.; 303f.; 312; 323; 421; 429; 431; 435; 454; 482; 491; 494; 512 247; 299; 428 Niemöller, Wilhelm 10; 63 Nipperdey, Thomas Nitzsch, Carl Immanuel 19 429 Noske, Gerhard Nowak, Kurt 12; 14; 71; 327; 490; 504f.; 507 Nuelsen, John 61; 123; 411; 412 37 Nuschke, Otto Oeser, Rudolf 83; 90 333;338 Ossietzky, Carl von 307 Ostmann, Hans 37; 56; 90; 439 Otto, Rudolf Pacelli, Eugenio 162; 344 Papen, Franz von 395 Paulsen, Anna 256 139 Paulsen, Friedrich 110 Pehrsson, Per 211; 450 Pertiet, Martin Pestalozzi, Johann Heinrich 134f.; 139 Peter, Friedrich 138 494 Peters, Hermann Peterson, Erik 252; 357; 438 Philipps, Wilhelm 30; 90; 91; 96-98; 105; 313 Pieck, Wilhelm 210 Piper, Otto 351f.; 363 Popitz, Johannes 385 Preiser, Friedrich 222; 345 Preuss, Hugo 205
639
Preysing, Konrad von 162 Prolingheuer, Hans 401f. Raack, Paul 159 Rabenau, Eitel-Friedrich von 429 Rackwitz, Arthur 455 Rade, Martin 23; 30; 35-37; 39f.; 56; 78; 82-87; 90; 192; 227; 315f.; 329f.; 352; 365; 374; 438; 493 Rahn, Felix 271 Ranke, Leopold von 86 Rathenau, Walther 19 Rehm, Wilhelm 392 Reiffen, Hannelotte 325 Remarque, Erich Maria 324; 337f. Rendtorff, Heinrich 223 Renner, Herbert 17 Rennstich, Karl 406 Reuter, Ernst 11 Reventlov, Ernst Graf zu 61 Rhode, Arthur 126 Richert, Hans 130 Richter, Julius 371; 379 Riehl, Otto 151; 182; 311 Riethmüller, Otto 182; 422 Rittelmeyer, Friedrich 189 Ritter, Gerhard 14; 256 Ritter, Karl Bernhard 256 Ropp, Margareta Baronesse von der 470 Rosenberg, Alfred 61; 302; 304; 340f. Rost, Hans 238 Rothe, Richard 232 Rotten, Elisabeth 188 Rüffer, Paul 67; 188; 465 Ruprecht, Wilhelm 429 Rürup, Reinhard 19 Rust, Bernhard 143; 386; 419; 434; 473 Sasse, Hermann 181; 187; 350; 375; 506 Schäfer, Rudolf 194 Schafft, Hermann 256; 337; 354 Scharf, Kurt 10f.; 62; 181f.; 218; 245; 276; 299; 374; 421; 4 2 4 ^ 2 6 ; 429; 431; 454; 492; 494 Scharnhorst, Gerhard von 364 Scheidemann, Philipp 20 Scherl-Verlag 97; 279; 377 Scheuner, Ulrich 198 Schian, Martin 48; 151; 177; 248; 377f.; 394; 420; 424; 427; 437 Schick, Erich 358 Schiller, Friedrich von 194; 398 Schlabritzky, Karl 185
640
Register
Schlaeger, Karl 425 Schlatter, Adolf 252 Schleiermacher, Friedrichl90; 269; 363f.; 439 Schlemmer, Hans 87; 132; 136; 141; 441 Schlink, Edmund 495 Schmidt, Ferdinand Jakob 45 Schmidt, Karl Ludwig 252 Schmithals, Walter 12 Schmitt, Carl 404 Schmitz, Otto 37; 244; 363 Schmoller, Gustav von 398 Schneemelcher, Wilhelm 69 Schneider, Adolf 127; 136 Schneider, Johannes 29; 41; 74; 197f.; 249; 261f.; 355-358; 360; 375; 377; 440; 462 Schnoor, Friedrich 271; 273 Schoell, Jakob 194; 233 Schöffel, Simon 233; 236; 421; 461 Scholder, Klaus 9; 12; 29; 50; 195; 199f.; 293; 300; 356; 359; 376; 389; 398; 401; 412; 414; 425; 435; 496 Schönherr, Albrecht 506 Schowalter, Johannes 39; 112; 227; 329; 330 Schreiber, August Wilhelm 112; 162; 316 Schröder, Richard 504 Schröder, Rudolf Alexander 447f. Schubring, Horst 257; 336 Schücking, Walther 82; 345 Schultz, Walther 307 Schultze, Georg 285-288 Schulze, Hagen 13; 344 Schweitzer, Albert 378 Schweitzer, Carl 256; 426; 470 Schweitzer, Wolfgang 401 Schwitzke, Friedrich 423 Seeberg, Erich 382 Seeberg, Reinhold 30; 102 Seidlitz-Sandreczki, Adolf Graf von 31 Severing, Carl 83; 413 Siegmund-Schultze, Friedrich 37; 112; 118; 253; 316; 328f.; 430 Sieveking, Amalie 194 Sieveking, Georg Heinrich 293 Simons, Walter 37 Smend, Julius 239 Soden, Hans von 198 Söderblom, Nathan 110; 122-128; 140; 146f.; 154; 215f.; 261; 263; 280; 439 Söhlmann, Fritz 136 Sohm, Rudolf 67 Söhngen, Oskar 478
Spengler, Oswald Spiecker, Friedrich Spranger, Eduard Staewen, Gertrud Stahl, Friedrich Julius Stählin, Wilhelm Stahn, Hermann Stahn, Julius Stamm, Hans Stange, Erich Stapel, Wilhelm Stappenbeck, Christian
214; 264f.; 480 31 133f. ; 137; 410 368-371 216; 396 253; 256f.; 360 39 310 188
219; 252; 412 37; 396; 399; 430 436; 502 Steinhausen, Hermann 30; 31; 151; 154-158 Steinweg, Johannes 316 Stephan, Horst 23 Sterzel 109; 123f. Stock, August 27; 67; 92; 177 Stock, Konrad 376 Stoecker, Adolf 19; 59; 90; 105; 197; 206; 219 Stoevesandt, Hinrich 9 Stöhr, Hermann 328 Stolpe, Manfred 503f.; 506 Stolte, Max 19; 177 Stoltenhoff, Ernst 84; 180; 369; 376; 394; 418 Streiter, Georg 67 Stresemann, Gustav 120; 315-317; 320 Stupperich, Martin 60 Stupperich, Robert 11; 62; U l f . ; 125; 136; 182; 188; 195; 252; 292; 315; 384; 410; 412; 425; 429; 470; 483; 505; 543 Stutz, Ulrich 198; 348; 507 Südekum, Albert 83 Szarek, Jan 121 Thadden-Trieglaff, Reinold von 177 Thälmann, Ernst 407; 412; 416 Thiele, Wilhelm 253; 263 Thielicke, Helmut 14; 245; 246 Thiessen, Gustav Adolf 23 Thurneysen, Eduard 324; 355; 364; 443 Tillich, Paul 238f.; 256 Titius, Artur 23; 31; 88; 190; 314; 326 Toller, Ernst 324; 338 Tolstoi, Leo 324 Traub, Gottfried 28; 30; 47; 58; 67; 79; 82; 93f.; 330-332; 343; 351; 358; 414 Treitschke, Heinrich von 59; 86; 398 Trendelenburg, Friedrich 408 Troeltsch, Ernst 19; 56; 83f.; 87-90; 190-192; 198 Truman, Harry 341
Personenregister 323; 338f. Tucholsky, Kurt 502 Ulbricht, Walter 406 Umfrid, Hermann 406 Umfrid, O t t o 256 Viebahn, Rudolf von 255 Vilmar, August Virchow, Rudolf 44 449 Visser't H o o f t , Willem A . Vits, Ernst 134; 157; 165; 179; 394; 427 Vogel, Heinrich 16; 194; 236; 383; 415; 458f.; 468; 473-484; 504f. 266; 268; 270 Vogel, Johannes 25f.; 84; 147 Voigts, Bodo 108 Voss, Hermann 70 Walther, Albert 190 Weber, Max 307; 449 Weber, O t t o 414 Weichert, Ludwig 454 Weirich, Wilhelm Wendland, Heinz-Dietrich 256; 470 307 Werner, Friedrich 206 Werner, Gustav 304 Wesenberg 23; 25; 88 Wessel, Wilhelm 282 Westarp, Kuno Graf von 321; 328 Wette, Wolfram 206 Wichern, Johann Hinrich Wichmann, Ottomar 137f. Wieneke, Friedrich 389; 394 194 Wilhelm I.
Wilhelm Π.
641
49; 88; 146f.; 188; 266; 268; 289; 438 Wilker, Karl 188 Wilm, Walter 283; 286; 468 Wilmanns, Gerhard 323 Wilson, Thomas 314 Winckler, Johann Friedrich 25; 91; 227; 444 Winterhager, Jürgen 136; 416; 418 Wirth, Günter 40 Wirth, Hans 271 Wirth, Josef 463 Wolf, Erik 14; 129 Wolf, Ernst 129; 245f. Wolff, Theodor 19; 57-59; 338 Wolff, Walther 344; 360; 374 Wright, Jonathan 12; 48; 50 Wundt, Max 208 Wurm, Theophil 14; 87; 165; 219; 246; 31 Of.; 349; 399; 495 Wurth, Nikolaus 61 Wyneken, Gustav 131 Zänker, Otto 308; 316; 394 Zimmermann, Richard 185; 307 Zimmermann, Wolf-Dieter 12; 425; 456 Zöckler, Theodor 109; 121; 123 Zoellner, Wilhelm 96; 223; 231; 249; 298f.; 301f.; 359; 394; 427 Zuckmayer, Carl 324 Zweig, Arnold 324; 338 Zwingli, Ulrich 374
Arbeiten zur kirchliehen Zeitgeschichte Reihe Α und Reihe B: Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Joachim Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz. Bei Subskription ca. 15 % Ermäßigung.
Reihe A : Quellen 4 Verantwortung für die Kirche Stenografische Aufzeichnungen und Mitschriften von Landesbischof Hans Meiser 1933 - 1955. Bearbeitet von Hannelore Braun und Carsten Nicolaisen. Band 2: Herbst 1935 bis Fühjahr 1937. 1993. XXXII, 723 Seiten mit 15 Abb., geb. ISBN 3-525-55755-8 5 Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 1 : 1 9 4 5 / 1 9 4 6 Im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin bearbeitet von Carsten Nicolaisen und Nora Andrea Schulze. Mit einer Einleitung von Wolf-Dieter Hauschild. 1995. XLVIII, 971 Seiten, geb. ISBN 3-525-55756-6 6 Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 2 : 1 9 4 7 / 1948 1997. XXVIII, 851 Seiten, geb. ISBN 3-525-55754-X
Reihe B: Darstellungen 21 Gottfried Abrath Subjekt und Milieu im NS-Staat Die Tagebücher des Pfarrers Hermann Klugkist Hesse 1936-1939. Analyse und Dokumentation. 1994.459 Seiten mit 8 Abb. und 17 Graphiken, geb. ISBN 3-525-55721-3
22 Heide-Marie Lauterer Liebestätigkeit für die Volksgemeinschaft Der Kaiserswerther Verband deutscher Diakonissenmutterhäuser in den ersten Jahren des NS-Regimes. 1994. 240 Seiten mit 4 Abb., geb. ISBN 3-525-55722-1 23 ... und über Barmen hinaus Studien zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Festschrift für Carsten Nicolaisen zum 4. April 1994. Für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte hrsg. von Joachim Mehlhausen. 1995. 642 Seiten, geb. ISBN 3-525-55723-X 24 Anke Silomon Synode und SED-Staat Die Synode des BundesderEvangelischen Kirchen in der DDR in Görlitz vom 18.-22. September 1987. Unter Mitwirkung von Ulrich Bayer. Mit einer Einführung in das Forschungsprojekt .Kirche und Staat in der DDR" von Joachim Mehlhausen. 1997. XVII,458 Seiten, geb. ISBN 3-525-55724-8 25 Peter Beier Die „Sonderkonten Kirchenfragen" Sachleistungen und Geldzuwendungen an Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter als Mittel der DDR-Kirchenpolitik (1955-1989/90). Mit einer Einführung in das Forschungsprojekt .Kirche und Staat in der DDR" von Joachim Mehlhausen. 1997. XV, 308 Seiten mit zahlreichen Tabellen, Diagrammen und Übersichten, geb. ISBN 3-525-55725-6 27 Hartmut Fritz Otto Dibelius Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur. 1998. 641 Seiten, geb. ISBN 3-525-55727-2 Ältere Bände auf Anfrage.
V&R
Vandenhoeck Ruprecht
Kirchlicher Widerstand Robert Stupperich
Edwin H. Robertson
Otto Dibelius
Dietrich Bonhoeffer
Ein evangelischer Bischof im Umbruch der Zeiten. Unter Mitarbeit von Martin Stupperich. 1Э89. 707 Seiten mit 27 Abbildungen, Leinen ISBN 3-525-55414-1 Otto Dibelius spielte während dreier entscheidender Epochen unseres Jahrhunderts eine maßgebliche Rolle innerhalb der evangelischen Kirche. Sein Ziel war es, die Entwickung der Kirche zur selbständigen und lebendigen Volkskirche, aber auch zur Versöhnungskirche in und zwischen den Völkern in Gang zu bringen. Dibelius hatte wichtige Spitzenämter der Nachkriegszeit inne: das Berliner Bischofsamt und den Vorsitz des Rates der EKD.
Leben und Verkündigung. Mit einer Einführung von Renate Bethge. Aus dem Englischen von Marianne Mühlenberg. 1989. (2. Nachdruck 1995). 335 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-55417-6 Bonhoeffers Wirkung auf die Generationen seit dem Krieg reicht weit über die Grenzen Deutschland hinaus. Der Autor zeichnet sehr lebendig und psychologisch einfühlsam Bonhoeffers Persönlichkeit und Wirken nach.
Georg-Siegfried Schmutzler
Gegen den Strom Erlebtes aus Leipzig unter Hitler und der Stasi. 1992. 232 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-55420-6 A m Leben des Leipziger Pädagogen und Studentenpfarrers wird hier das dunkle Stück deutscher Geschichte zwischen Hitlers Machtergreifung und Ulbrichts Mauerbau exemplarisch deutlich.
Günther Heydemann/ Lothar Kettenacker (Hg.)
Kirchen in der Diktatur Drittes Reich und SED-Staat. Fünfzehn Beiträge. (Sammlung Vandenhoeck). 1993. 370 Seiten, Paperback ISBN 3-525-01351-5 Mit dem nationalsozialistischen und ebenso mit dem marxistisch-leninistischen Staat mußten die christlichen Kirchen zwangsläufig in Konflikt geraten. Wie ist es ihnen in den beiden totalitären Herrschaftssystemen ergangen? Und wie haben sie sich gegenüber den beiden Diktaturen verhalten?
Peter Maser (Hg.)
Der Kirchenkampf im deutschen Osten und in den deutschsprachigen Kirchen Osteuropas (Kirche im Osten 22). 1992. 265 Seiten, kartoniert. ISBN 3-525-56440-6
V&R
Vandenhoeck Ruprecht