»Menschenmaterial«: Deutsche Soldaten an der Ostfront - Innenansichten einer Infanteriedivision 1939-1945 3506744860


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German Pages 485 Year 2003

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Table of contents :
VORWORT ZUR REIHE 7
VORWORT 9
I. EINLEITUNG 13
1. Forschungsstand und Fragestellung 13
2. Quellen zur Sozialgeschichte der Wehrmacht 22
II. DIE 253. INFANTERIEDIVISION 42
1. Militärische Operationen 1939 bis 1945 42
2. Organisationsgeschichte des Divisionsverbandes 48
III. DIE SOLDATEN 63
1. Die personelle Entwicklung im Überblick 63
a. Der Umfang des Divisionsverbandes 63
b. Militärische Verluste und Personalersatz 73
2. Das Sozialprofil der Division 88
a. Altersstruktur 90
b. Regionale Herkunft 101
c. Soziale Herkunft 107
d. Nationalsozialismus und Sozialisation 121
3. Leben und Sterben in der 253. Infanteriedivision 135
a. Bewegungsmuster im Divisionsverband 135
b. Lebensbedingungen und Überleben 139
c. Wege durch Wehrmacht und Krieg 143
d. Flucht, „Selbstverstümmelung" und Suizid 169
e. Primärgruppen 192
IV DAS MILITÄRISCHE SYSTEM 205
1. Herrschaft und Führung 205
a. Kommandeure 208
b. Truppenoffiziere 221
c. Unteroffiziere 229
6 Inhaltsverzeichnis
2. Herrschaft und Macht 237
a. Motivation durch Belohnung 237
Fürsorge und Versorgung 238
Orden und Auszeichnungen 250
Teilhabe an der Macht 263
b. Die Rolle der Militärjustiz 276
c. Indoktrination und Ideologisierung 307
V. DER KRIEG 331
1. Eroberung 333
2. Besatzung 348
3. Ausbeutung 360
4. Vernichtung 378
VI. ANATOMIE EINES KRIEGSVERBRECHENS 386
VII. SOZIALPROFIL - HERRSCHAFT - HANDLUNGSMUSTER 403
Abkürzungsverzeichnis 413
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 416
Anhang 419
Tabellen, Abbildungen und Verzeichnisse 419
Quellen- und Literaturverzeichnis 454
Ungedruckte Quellen 454
Gedruckte Quellen und Quelleneditionen 457
Literatur 458
Register 480
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»Menschenmaterial«: Deutsche Soldaten an der Ostfront - Innenansichten einer Infanteriedivision 1939-1945
 3506744860

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KRIEG IN DER GESCHICHTE (KRiG)

HERAUSGEGEBEN VON STIG FÖRSTER • BERNHARD R. KROENER • BERND WEGNER

BAND 17

»MENSCHENMATERIAL«: DEUTSCHE SOLDATEN AN DER OSTFRONT Innenansichten einer Infanteriedivision 1939-1945

FERDINAND SCHONINGH Paderborn • München • Wien • Zürich

Christoph Rass

»Menschenmaterial«: Deutsche Soldaten an der Ostfront Innenansichten einer Infanteriedivision 1939-1945

FERDINAND SCHONINGH Paderborn • München • Wien • Zürich

Der Autor:

Christoph A. Rass, Dr. rer. pol.; geb. 1969; Studium der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Neueren Geschichte und Informationswissenschaft an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken; Promotion auf Grundlage der vorliegenden Arbeit im Jahr 2001 an der RWTH Aachen; Wissenschaftlicher Assistent am Lehr- und Forschungsgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte der RWTH Aachen.

Titelbilder:

Deutscher Soldat in Rußland, zweite Kriegshälfte (Photo: Bundesarchiv Koblenz, Bildsign. 183/R 1222/501 N). Hintergrund: Vormarsch in Rußland, Sommer 1941 (Aus: Heinz Huber/Artur Müller, Hrsg., Das Dritte Reich. Zweiter Band: Der Zusammenbruch der Macht, Verlag Kurt Desch, München, Wien, Basel 1964).

Reihensignet:

Collage unter Verwendung eines Photos von John Heartfield. © The Heartfield Community of Heirs/VG Bild-Kunst, Bonn 1998.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: Evelyn Ziegler, München Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier© ISO 9706

© 2003 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-74486-0

wm

Bayerisch« Staatsbibliothek München

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT ZUR REIHE

7

VORWORT

9

I.

II.

III.

IV

EINLEITUNG

13

1. Forschungsstand und Fragestellung

13

2. Quellen zur Sozialgeschichte der Wehrmacht

22

D I E 253. INFANTERIEDIVISION

42

1. Militärische Operationen 1939 bis 1945

42

2. Organisationsgeschichte des Divisionsverbandes

48

D I E SOLDATEN

63

1. Die personelle Entwicklung im Überblick a. Der Umfang des Divisionsverbandes b. Militärische Verluste und Personalersatz

63 63 73

2. Das Sozialprofil der Division a. Altersstruktur b. Regionale Herkunft c. Soziale Herkunft d. Nationalsozialismus und Sozialisation

88 90 101 107 121

3. Leben und Sterben in der 253. Infanteriedivision a. Bewegungsmuster im Divisionsverband b. Lebensbedingungen und Überleben c. Wege durch Wehrmacht und Krieg d. Flucht, „Selbstverstümmelung" und Suizid e. Primärgruppen

135 135 139 143 169 192

DAS MILITÄRISCHE SYSTEM

205

1. Herrschaft und Führung a. Kommandeure b. Truppenoffiziere c. Unteroffiziere

205 208 221 229

6

Inhaltsverzeichnis 2. Herrschaft und Macht a. Motivation durch Belohnung Fürsorge und Versorgung Orden und Auszeichnungen Teilhabe an der Macht b. Die Rolle der Militärjustiz c. Indoktrination und Ideologisierung

V.

D E R KRIEG

237 237 238 250 263 276 307

331

1. Eroberung

333

2. Besatzung

348

3. Ausbeutung

360

4. Vernichtung

378

VI.

ANATOMIE EINES KRIEGSVERBRECHENS

386

VII.

SOZIALPROFIL - HERRSCHAFT - HANDLUNGSMUSTER

403

Abkürzungsverzeichnis

413

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

416

Anhang

419

Tabellen, Abbildungen und Verzeichnisse

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Quellen- und Literaturverzeichnis

454

Ungedruckte Quellen Gedruckte Quellen und Quelleneditionen Literatur Register

454 457 458 480

VORWORT ZUR REIHE

„Der Krieg ist nichts als die Fortsetzung der politischen Bestrebungen mit veränderten Mitteln. [...] Durch diesen Grundsatz wird die ganze Kriegsgeschichte verständlich, ohne ihn ist alles voll der größten Absurdität." Mit diesen Sätzen umriß Carl von Clausewitz im Jahre 1827 sein Verständnis vom Krieg als historisches Phänomen. Er wandte sich damit gegen die zu seiner Zeit und leider auch später weit verbreitete Auffassung, wonach die Geschichte der Kriege in erster Linie aus militärischen Operationen, aus Logistik, Gefechten und Schlachten, aus den Prinzipien von Strategie und Taktik bestünde. Für Clausewitz war Krieg hingegen immer und zu jeder Zeit ein Ausfluß der Politik, die ihn hervorbrachte. Krieg kann demnach nur aus den jeweiligen politischen Verhältnissen heraus verstanden werden, besitzt er doch allenfalls eine eigene Grammatik, niemals jedoch eine eigene Logik. Dieser Einschätzung des Verhältnisses von Krieg und Politik fühlt sich Krieg in der Geschichte grundsätzlich verpflichtet. Die Herausgeber legen also Wert darauf, bei der Untersuchung der Geschichte der Kriege den Blickwinkel nicht durch eine sogenannte militärimmanente Betrachtungsweise verengen zu lassen. Doch hat seit den Zeiten Clausewitz' der Begriff des Politischen eine erhebliche Ausweitung erfahren. Die moderne Historiographie beschäftigt sich nicht mehr nur mit Außen- und mit Innenpolitik, sondern auch mit der Geschichte von Gesellschaft, Wirtschaft und Technik, mit Kultur- und Mentalitätsgeschichte und, nicht zuletzt, mit der Geschichte der Beziehungen zwischen den Geschlechtern. All die diesen unterschiedlichen Gebieten eigenen Aspekte haben die Geschichte der Kriege maßgeblich mitbestimmt. Die moderne historiographische Beschäftigung mit dem Phänomen Krieg kann deshalb nicht umhin, sich die methodologische Vielfalt der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft zunutze zu machen. In diesem Sinne ist Krieg in der Geschichte offen für die unterschiedlichsten Ansätze in der Auseinandersetzung mit dem historischen Sujet. Diese methodologische Offenheit bedeutet jedoch auch, daß Krieg im engeren Sinne nicht das alleinige Thema der Reihe sein kann. Die Vorbereitung und nachträgliche „Verarbeitung" von Kriegen gehören genauso dazu wie der gesamte Komplex von Militär und Gesellschaft. Von der Mentalitätsund Kulturgeschichte militärischer Gewaltanwendung bis hin zur Alltagsgeschichte von Soldaten und Zivilpersonen sollen alle Bereiche einer modernen Militärgeschichte zu Wort kommen. Krieg in der Geschichte beinhaltet demnach auch Militär und Gesellschaft im Frieden. Geschichte in unserem Verständnis umfaßt den gesamten Bereich vergangener Realität, soweit sie sich mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft erfassen läßt. In diesem Sinne ist Krieg in der Geschichte (abgekürzte Zitierweise: KRiG) grundsätzlich für Studien zu allen historischen Epochen offen, vom Altertum bis unmittelbar an den Rand der Gegenwart. Darüber hinaus

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Vorwort zur Reihe

ist Geschichte für uns nicht nur die vergangene Realität des sogenannten Abendlandes. Krieg in der Geschichte bezieht sich deshalb auf Vorgänge und Zusammenhänge in allen historischen Epochen und auf allen Kontinenten. In dieser methodologischen und thematischen Offenheit hoffen wir den spezifischen Charakter unserer Reihe zu gewinnen.

Stig Förster

Bernhard R. Kroener

Bernd Wegner

VORWORT

Dieses Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner im Jahr 2001 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen angenommenen Dissertation. Mit ihr habe ich versucht, einen Beitrag zur Erforschung der Sozialgeschichte der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zu leisten und unser Wissen über die ganz normalen Deutschen im „Dritten Reich" zu verbreitern. Zur Geschichte dieses Projekts gehören zahlreiche Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet und auf höchst unterschiedliche Weise zu seinem Gelingen beigetragen haben. Ihnen, den hier genannten ebenso wie den ungenannten, bin ich in tiefer Dankbarkeit verbunden. Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehr- und Forschungsgebietes Wirtschafts- und Sozialgeschichte der RWTH Aachen. Meinem Betreuer und Mentor, Prof. Dr. Paul Thomes, danke ich für die gewährten Freiräume und das unerschütterliche Vertrauen in den Erfolg des Unternehmens. Ebenso möchte ich mich bei Prof. Dr. Karl Georg Zinn für die Übernahme des Koreferats bedanken. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehr- und Forschungsgebietes Wirtschafts- und Sozialgeschichte gilt mein Dank für die vielfältige Unterstützung meiner Arbeit, für das freundliche und produktive Arbeitsklima und nicht zuletzt für die Toleranz gegenüber meinem oft dissertationszentrierten Lebenswandel. Ohne die Offenheit und Unterstützung zahlreicher Archive und Institutionen wäre diesem Vorhaben kaum Erfolg beschieden gewesen. An erster Stelle danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesarchiv Zentralnachweisstelle in Kornelimünster, insbesondere ihrem ehemaligen Leiter Hans Georg Dillgard, seinem Nachfolger Ronald Meentz sowie Maria und Hans Jochen Genter für ihre jahrelange, unermüdliche und unkonventionelle Hilfe. Ebenso sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesarchiv-Militärarchivs in Freiburg, der Deutschen Dienststelle in Berlin sowie des Archivs des DRK Suchdienstes in München gedankt. Meinem Fachkollegen Philip W. Blood danke ich für die langen ermutigenden Diskussionen und seine kritischen Anmerkungen zu meiner Arbeit. Ebenso gilt mein Dank Marc Engels, der meine Arbeit in Aachen von Anfang an kollegial und freundschaftlich begleitet hat, sowie David R. Snyder für die Gelegenheit zum kritischen Austausch. Auch den vielen anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit denen ich das Privileg hatte, meine Forschungen zu diskutieren, danke ich für ihre Anregungen und ihr Interesse. Meinen Eltern, Ingrid Rass und Hans Götz Oxenius, danke ich für die uneingeschränkte und selbstlose Unterstützung während des Studiums und der Arbeit an meinem Buch. Auch meinem Bruder Ulrich danke ich für seine

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Vorwort

Hilfe in schwierigen Zeiten. Unendlich dankbar bin ich meiner Ehefrau Seda Rass-Turgut, der die vergangenen Jahre mit mir und meiner Arbeit viel abverlangt haben. Sie hat mir Rückhalt an Tagen des Zweifels gegeben, vorbehaltlos an die Richtigkeit meines Weges geglaubt und steht mir mit viel Liebe, Geduld und Verständnis zur Seite. Dem Verlag Ferdinand Schöningh und den Herausgebern danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe Krieg in der Geschichte. Aachen, im Oktober 2002

Christoph Rass

FÜR

MARIA REICHERT

1912-1998

I. EINLEITUNG

1. FORSCHUNGSSTAND UND FRAGESTELLUNG

Im Kalkül des nationalsozialistischen Deutschland war ein erneuter Krieg fest verankert, um ideologische wie politische Vorstellungen umzusetzen. Revanche für 1918, eine Hegemonialstellung in Europa, das nationalsozialistische Streben nach „Lebensraum" und rassenideologische Vorstellungen zählten zu den Zielen, die durch eine militärische Auseinandersetzung verwirklicht werden sollten. Die Vorbereitung dieser Auseinandersetzung lässt sich bereits lange vor Kriegsausbruch in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft beobachten. Erste Aufrüstungsprogramme standen noch im Zusammenhang mit der Überwindung der Wirtschaftskrise, später dienten sie unter Inkaufnahme ihrer negativen Effekte auf die Volkswirtschaft rein machtpolitischen und ideologischen Zwecken. Einher damit gingen die Beseitigung von Rüstungskontrollen und die innen- wie außenpolitische Durchsetzung der Wiederaufrüstung. Gleichzeitig verlief die Umgestaltung der Gesellschaft, die nicht nur zahlreiche militärische und paramilitärische Formen entwickelte, so dass ihre Institutionen immer stärker der Erziehung der Menschen zu Soldaten dienten, sondern auch vom Nationalsozialismus durchdrungen wurde. Die Wehrmacht des „Dritten Reiches" wuchs von den 100000 Mann der Reichswehr, gestützt auf die Wehrpflicht, zwischen 1935 und 1939 zu einer gewaltigen Kriegsmaschine. Bei Kriegsbeginn standen etwa 4,5 Millionen Soldaten unter dem Befehl Hitlers, 1943 waren es bereits über 9 Millionen. Insgesamt haben etwa 18 Millionen Männer zwischen 1939 und 1945 zu den bewaffneten Formationen des Deutschen Reiches gehört.1 Über einen Zeitraum von fast 6 Jahren bildeten sie eine der größten Militärorganisationen der Geschichte. Die deutsche Gesellschaft erreichte einen beispiellosen Grad der Militarisierung. 2 Militärische und zivile Organisationsformen glichen sich immer weiter an, während nahezu die Hälfte aller männlichen erwachsenen Deutschen im Verlauf des Zweiten Weltkrieges dem deutschen Militärapparat angehörte. Der größte Teil der Soldaten diente in den Landstreitkräften der Wehrmacht. Ihr Umfang und ihre Rekrutierungsprinzipien machten sie wie keine andere Institution des nationalsozialistischen Staates zu einem Spiegelbild - zumindest des männlichen Teils - der deutschen Gesellschaft. Die Soldaten waren Handlungsträger eines totalitären Systems und haben einen verbrecherischen Krieg geführt, viele sind zu Tätern des VernichtungsVgl. Overmans, Rüdiger: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, München 1999, S. 215. Vgl. Messerschmidt, Manfred: Das neue Gesicht des Militarismus in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Jahrbuch für Historische Friedensforschung (8/1999), S. 81-93, S. 87f.

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I. Einleitung

krieges3 oder des Holocaust geworden. Nach 1945 waren die Veteranen der Wehrmacht am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik beteiligt und haben die deutsche Nachkriegsgeschichte an vielen Stellen entscheidend mitgeprägt. 4 Was aber wissen wir über die Soldaten der Wehrmacht, ihre Rolle in der deutschen Kriegführung, die institutionellen und sozialen Strukturen der Organisation, deren kleinste Bausteine sie waren, und über die Regeln, nach denen diese Institution funktionierte? Bei der Untersuchung sozialer oder funktionaler Gruppen innerhalb der Institutionen des „Dritten Reiches" dominieren in der Forschung nach wie vor bestimmte Schwerpunktsetzungen. Exponierte Tätergruppen, die im Mittelpunkt von Genozid und Vernichtungskrieg standen, sind - nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen noch unbeantworteten Fragen - Gegenstand immer neuer Untersuchungen. Ähnliches gilt für die Führungseliten im politischen und militärischen Apparat des Dritten Reiches. Diesen Kerngruppen nähert sich die wissenschaftliche Forschung unter Anwendung eines breiten und ständig verfeinerten Spektrums von Methoden, um ihrer zentralen Bedeutung gerecht zu werden. Gleiches gilt jedoch nur eingeschränkt für die Teile des Personals, die auf den unteren Ebenen dieser Institutionen, eingebunden in die jeweiligen Herrschafts- und Steuerungssysteme, Handlungsanweisungen umsetzten und so für die Realisierung der Visionen des nationalsozialistischen Deutschland von entscheidender Wichtigkeit waren, während sie durch ihr individuelles Verhalten die Geschehnisse gestalteten und mitprägten. 5 Dabei ist insbesondere die Wehrmacht im wissenschaftlichen Diskurs ebenso wie in der gesellschaftlichen Diskussion in den letzten Jahren stark in den Vordergrund gerückt.6 Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser tra3

4

5

6

Vgl. Deist, Wilhelm: Die militärische Planung des Unternehmens Barbarossa, in: Foerster, Roland G. (Hrsg.): „Unternehmen Barbarossa". Zum historischen Ort der deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1933 bis Herbst 1941, München 1993, S. 109-122, S. 120. Im Unterschied zum konventionellen Krieg, der die Kapitulation des Gegners zum Ziel hat, steht am Ende des Vernichtungskrieges die Ausrottung des Gegners. Vgl. Sofsky, Wolfgang: Formen absoluter Gewalt, in: Mittelweg 36 (2/1993), Heft 5, S. 36-46, S. 41. Vgl. Frei, Norbert: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1997; Messerschmidt, Manfred: Das Bild der Wehrmacht in Deutschland seit 1945, in: Revue d'Allcmagne et des pays de langue Allemagne (30/1998), S. 117-127, S. 120f. Vgl. zu den psychologischen Folgen des Zweiten Weltkrieges bei ehemaligen deutschen Soldaten und deren Familien Schmidbauer, Wolfgang: „Ich wusste nie, was mit Vater ist". Das Trauma des Krieges, Reinbek 1998. Vgl. Schröder, Hans Joachim: Alltagsleben im Russlandkrieg 1941-1945. Eine deutsche Perspektive, in: Jacobsen, Hans-Adolf; u. a. (Hrsg.): Deutsch-russische Zeitenwende. Krieg und Frieden 1941-1995, Baden Baden 1995, S. 388-409. Die Diskussion der vergangenen Jahre spiegelt sich in der Auseinandersetzung um die Ausstellung „Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1944 bis 1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.): Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944, Hamburg 2002; Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1942 bis 1944, Frankfurt a. M. 1997; Heer, Hannes: Von der Schwierigkeit, einen Krieg zu führen. Reaktionen

1. F o r s c h u n g s s t a n d u n d Fragestellung

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genden Säule des „Dritten Reiches" scheint aus zweierlei Gründen geboten. Einerseits aufgrund der Größe, Rekrutierungsbasis und -prinzipien der Wehrmacht sowie ihrer Rolle im nationalsozialistischen System und im Zweiten Weltkrieg, andererseits wegen des schwierigen Umgangs mit ihren Angehörigen in der Nachkriegszeit. Sie, die erst „Volksgenossen" des „Dritten Reiches", dann dessen Soldaten und schließlich Bürger seiner beiden Nachfolgestaaten waren, machen wie kaum eine andere soziale Gruppe deutlich, dass es die Deutschen waren und nicht etwa kleine, von der Bevölkerung mehr oder weniger abgeschlossene Gruppen von Nazis - so eine der gängigen Strategien zur Exkulpation 7 des ganz normalen Deutschen - die das „Dritte Reich" und seine Verbrechen an der Menschheit ermöglicht haben. Zu den aktuellen Fragen zählt die nach den Gründen für die militärische Leistungsfähigkeit vieler Verbände der Wehrmacht auch bei sich verschlechternder Kriegslage. Zudem gilt es die Strukturen herauszuarbeiten, die Verhältnisse schufen, in denen die erdrückende Mehrheit der Wehrmachtsangehörigen zu Werkzeugen des „Dritten Reiches" wurde und viele der Soldaten sich über den institutionellen Rahmen hinaus, ohne Zwang und Befehl, individuell an den deutschen Verbrechen beteiligten. Ein zentrales Problem besteht darin, dass quantitatives Datenmaterial zur Bearbeitung sozialhistorischer Fragestellungen in vielen Bereichen noch völlig fehlt. Entsprechend überwiegen Arbeiten, die sich auf die Auswertung qualitativer Quellen stützen, während die Analyse quantitativer sozialhistorisch relevanter Daten nur wenig ausgeprägt ist.8 Insbesondere über die Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere der Wehrmacht, die zu den wichtigsten sozialen Gruppen innerhalb der Streitkräfte des „Dritten Reiches" gehörten, existiert bislang keine Untersuchung, in der die konventionelle Analyse qualitativer Quellen mit einer quantitativen Auswertung personenbezogener Daten auf breiter Basis kombiniert wird. Dies ist umso verwunderlicher, als die dazu notwendigen Akten verfügbar sind und die Forschung in anderen Bereichen bereits stark von den Erkenntnismöglich-

s

auf die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", in: Mittelweg 36 (6/1997), Heft 6, S. 65-79; Naumann, Klaus: Wenn ein Tabu bricht. Die WehrmachtsAusstellung in der Bundesrepublik, in: Mittelweg 36 (5/1996) Heft 1, S. 11-22; Lauscher, Horst; Luczak, Jochen: Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944. Die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung in Aachen, Aachen 1998; Thiele, HansGünther (Hrsg.): Die Wehrmachtsausstellung. Dokumente einer Kontroverse, Bonn 1997; Prantl, Heribert (Hrsg.): Wehrmachtsverbrechen. Eine deutsche Kontroverse, Hamburg 1997; Musial, Bogdan: Bilder einer Ausstellung. Kritische Anmerkungen zur Wanderausstellung „Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (47/1999), S. 563-591; Ungväry, Krisztiän: Echte Bilder - problematische Aussagen. Die Ausstellung „Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944", in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (50/1999), S. 584-595. Vgl. Naumann, Klaus: Nachkrieg. Vernichtungskrieg, Wehrmacht und Militär in der deutschen Wahrnehmung nach 1945, in: Mittelweg 36 (6/1997) Heft 3, S. 11-25. Eine der frühesten quantitativen Arbeiten, allerdings bezogen auf das Offizierskorps, ist die Dissertation von Omer Bartov. Vgl. Bartov, Omer: The Eastern Front 1941-1945. German Troops and the Barbarisation of Warfare, London 1985.

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I. Einleitung

keiten quantifizierender sozialhistorischer Studien profitieren konnte. 9 Ähnliche Fragen bezüglich der sozialen Zusammensetzung und des sozialen Wandels sowie deren Konsequenzen für das Verhalten von Individuen und sozialen Gruppen stellen sich auch bei der Erforschung der Sozialgeschichte der Wehrmacht. Obwohl in diesem Forschungsfeld - zumindest in Form von Fallstudien - quantifizierende Ansätze an Gewicht gewonnen haben, bleibt auffallend, dass sich bislang alle Arbeiten, die das Sozialprofil einzelner Gruppen innerhalb der Wehrmacht thematisieren, auf Analysen des Offizierskorps, also der Eliten und Führungskader, beschränken, während die Mannschaftssoldaten hinsichtlich etwa der sozialen Strukturen innerhalb der Wehrmacht, ein weißer Fleck in der Forschungslandschaft bleiben. 10 Methodisch stecken die vorliegenden Untersuchungen ein weites Feld ab, das von der Beschreibung struktureller Veränderungen im Offizierskorps im Verlauf des Zweiten Weltkrieges" über die formale und in gewisser Hinsicht oberflächliche Beschreibung bestimmter Offiziersgänge 12 bis zu der epochal übergreifenden differenzierten Analyse des sozialen Wandels im deutschen Offizierskorps zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik von Detlef Bald}1 reicht. Daneben stehen Fallstudien, die als Bestandteil quantitative Analysen des Sozialprofils bestimmter Untersuchungsgruppen beinhalten. Für Offiziere der Wehrmacht hat Omer Bartov eine - trotz ihrer methodischen Probleme - exemplarische Arbeit vorgelegt, in der er stichprobenartig das Sozialprofil der niederen Offiziersränge dreier Divisionen der Wehrmacht analysiert.14 Die Mannschaftsdienstgrade der Wehrmacht sind bislang nicht 9

Vgl. Orth, Karin: Die Konzentrationslager-SS. Sozialstrukturelle Analysen und biographische Studien, Göttingen 2000; Jamin, Mathilde: Methodische Konzeption einer quantitativen Analyse der sozialen Zusammensetzung der SA, in: Mann, Reinhard (Hrsg.): Die Nationalsozialisten. Analysen faschistischer Bewegungen, Stuttgart 1980, S. 84-97; dies.: Zwischen den Klassen. Zur Sozialstruktur der SA-Führerschaft, Wuppertal 1984; Wegner, Bernd: Hitlers Politische Soldaten. Die Waffen-SS 1933-1945; Paderborn 1988; Banach, Jens: Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicherheitspolizei und des SD 1936-1945, Paderborn 1998; Bald, Detlef: Der deutsche Offizier. Sozial- und Bildungsgeschichte des deutschen Offizierskorps im 20. Jahrhundert, München 1982; Stumpf, Reinhard: Die Wehrmacht-Elite. Rang- und Herkunftsstruktur der deutschen Generale und Admirale 1933-1945, Boppard 1982; Kater, Michael H.: The Nazi Party. A Social Profile of Members and Leaders 1919-1945, Cambridge 1983. 10 Zu dieser Tendenz vgl. Förster, Jürgen: Vom Führerheer der Republik zur nationalsozialistischen Volksarmee. Zum Strukturwandel der Wehrmacht 1935-1945, in: Dülfer, Jost; Martin, Bernd; Wollstein, Günter (Hrsg.): Deutschland in Europa. Kontinuität und Bruch, Frankfurt a. M., Berlin 1990, S. 311-330, S. 317. " Vgl. Kroener, Bernhard R.: Strukturelle Veränderungen in der Militärischen Gesellschaft des Dritten Reiches, in: Prinz, Michael; Zitelmann, Rainer (Hrsg.): Nationalsozialismus und Modernisierung, Darmstadt 1991, S. 267-298; Kroener, Bernhard R.: Auf dem Weg zu einer „nationalsozialistischen Volksarmee". Die soziale Öffnung des Heeresoffizierkorps im Zweiten Weltkrieg, in: Broszat, Martin (Hrsg.): Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, München 1989; S. 651-683. 12 Vgl. von Preradovich, Nikolaus: Die militärische und soziale Herkunft der Generalität des deutschen Heeres am 1. Mai 1944, Osnabrück 1978. 13 Vgl. Bald: Offizier. M Vgl. Bartov: Eastern Front.

1. F o r s c h u n g s s t a n d u n d Fragestellung

17

auf vergleichbare Art und Weise untersucht worden, während entsprechende Arbeiten bereits seit Jahren immer wieder als grundlegend angemahnt werden.15 Hier ist die Forschung bei der Arbeit Christopher Brownings^ stehen geblieben, die sich allerdings auf einer sehr schmalen und nicht unproblematischen Quellenbasis mit einem Polizeibataillon - nicht also mit der Wehrmacht - befasst. Daneben steht die statistische Untersuchung von Rüdiger Overmansu über Umfang und Struktur der militärischen Verluste der Wehrmacht, die jedoch nur sehr begrenzt Aussagen zum Sozialprofil der Wehrmacht trifft. Obwohl der Klärungsbedarf ebenso offenkundig ist wie die Brisanz der sich daraus ergebenden Fragestellungen, besteht in Bezug auf die Mannschaftssoldaten der Wehrmacht ein gewisser methodischer Stillstand.18 Mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen haben sich mit den Dispositionen und Erfahrungen der Soldaten beschäftigt. Ihre Kriegserlebnisse dokumentieren alltagsgeschichtliche Arbeiten. 19 Unterschiedliche Erklärungsansätze für die Einbindung des Individuums in institutionelle Zusammenhänge und der dar15

Vgl. Bessel, Richard: Living with the Nazis: Some recent Writing on the Social History of the Third Reich, in: European History Quarterly (14/1984), S. 211-220; Kohl, Paul: „Ich wundere mich, dass ich noch lebe ...". Sowjetische Augenzeugen berichten, Gütersloh 1990; Deist, Wilhelm: Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, in: ders. (Hrsg.): Militär, Staat und Gesellschaft. Studien zur preußisch-deutschen Militärgeschichte, München 1991, S. 369-384, S. 370; Wette, Wolfram: „Es roch nach Ungeheuerlichem". Zeitzeugenbericht eines Panzerschützen über die Stimmung in einer Einheit des deutschen Ostheeres am Vorabend des Überfalls auf die Sowjetunion 1941, in: 1999 (4/1989), S. 62-73, S. 63; Bartov, Omer: German Soldiers and the Holocaust, in: ders. (Hrsg.): The Holocaust. Origins, Implementation, Aftermath, London 2000, S. 162-184, 168ff.; sowie jüngst Ziemann, Benjamin: Fluchten aus dem Konsens zum Durchhalten. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven der Erforschung soldatischer Verweigerungsformen in der Wehrmacht 1939-1945, in: Müller: Mythos und Realität, S. 589-613, S. 601. " Vgl. Browning: Ganz normale Männer. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen auch Angrick, Andrej; Voigt, Martina; Ammerschubert, Silke; Klein, Peter: „Da hätte man schon Tagebuch führen müssen". Das Polizeibataillon 322 und die Judenmorde im Bereich der Heeresgruppe Mitte während des Sommers und Herbstes 1941, in: Grabitz: Normalität des Verbrechens, S. 325-385 oder auch Kwiet, Konrad: From the Diary of a Killing Unit, in: Milfull, John (Hrsg.): Why Germany. National Socialist Anti-Semitism and the European Context, Oxford, 1993, S. 75-90. 17 Vgl. Overmans: Militärische Verluste. IH Diese konnte auch durch den jüngst von Christian Gerlach herausgegebenen Sammelband nur partiell überwunden werden. Vgl. Gerlach, Christian (Hrsg.): Durchschnittstäter. Handeln und Motivation, Berlin 2000. Einen Überblick über den Forschungsstand gibt Kühne, Thomas: Der nationalsozialistische Vernichtungskrieg und die „ganz normalen" Deutschen, Forschungsprobleme und Forschungstendenzen der Gesellschaftsgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Erster Teil, in: Archiv für Sozialgeschichte (39/1999), S. 580-662; ders.: Der nationalsozialistische Vernichtungskrieg im kulturellen Kontinuum des Zwanzigsten Jahrhunderts. Forschungsprobleme und Forschungstendenzen der Gesellschaftsgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Zweiter Teil, in: Archiv für Sozialgeschichte (40/2000), S. 440-486. " Vgl. Schröder, Hans Joachim: Die gestohlenen Jahre. Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview: Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Tübingen 1991; ders.: Kasernenzeit. Arbeiter erzählen von der Militärausbildung im Dritten Reich, Frankfurt 1985; Lammers, Walther: Zur Mentalität deutscher Generäle bei Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion, Stuttgart 1990; Latzel, Klaus: Deutsche Soldaten - nationalsozialistischer Krieg? Kriegserlebnis - Kriegserfahrung 1939-1945, Paderborn 1998.

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I. Einleitung

aus ableitbaren Hinweise, wie und wodurch Menschen zu Mittätern wurden, haben sich entweder auf soziale und situative Faktoren konzentriert, 20 Mentalitäten und Dispositionen in den Vordergrund gestellt, 21 strukturelle Aspekte betont 22 oder bestimmte soziale Phänomene und ihre Wirkung untersucht. 23 Nachdem der Erkenntnishorizont von Untersuchungen, die bestimmte Teilaspekte des militärischen Systems und seiner sozialen Strukturen durchleuchtet haben, erreicht ist, gilt es, im wissenschaftlichen Diskurs multikausale Erklärungsmodelle zu entwickeln, die komplexe institutionelle und soziale Zusammenhänge erfassen und so neue Analyseperspektiven erschließen. 24 Hier kann an zwei Punkten angesetzt werden: der Kombination von existierenden Erklärungsmodellen und ihrer Erweiterung sowie einer Verbreiterung der Quellengrundlage sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Die vorliegende Studie unternimmt den Versuch, die Forschung einen Schritt weiter voranzutreiben, indem sie anhand einer Fallstudie eine dreiteilige Fragestellung bearbeitet. Diese umfasst die Analyseebenen: Wer waren die Soldaten der Wehrmacht? Wie wurden sie in das institutionelle Herrschaftssystem eingebunden? Was waren die institutionellen und individuellen Handlungsebenen des Krieges, den sie führten? Die Komplexität des analytischen Ansatzes legt eine Fallstudie als Konzept der Untersuchung nahe. Diese Entscheidung erlaubt sowohl die Auswertung einer breiten Quellengrundlage als auch eine große Analysetiefe. N u r auf dieser Basis können die Phänomene, Strukturen und Entwicklungen, die es herauszuarbeiten gilt, konkret zueinander in Beziehung gesetzt werden. Untersuchungsobjekt ist ein Großverband der deutschen Wehrmacht, die 253. rheinisch-westfälische Infanteriedivision. Sie wurde bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Wehrkreis VI aufgestellt und zwischen 1939 und 1945 zunächst auf dem westlichen, ab 1941 auf dem östlichen Kriegsschauplatz eingesetzt. Ihre Soldaten stammten überwiegend aus den Regierungsbezirken des Rheinlandes und Westfalens und wurden im Raum Aachen, wo die Ersatztruppenteile dieser Division während des Krieges stationiert waren, auf ihren Einsatz vorbereitet. Vgl. Browning, Christopher R.: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibatallion 101 und die Endlösung in Polen, Reinbek 1993. Vgl. Goldhagen, Daniel Jonah: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996. Vgl. Bartov, Omer: Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges, Reinbek bei Hamburg 1995. Vgl. Kühne, Thomas: Kameradschaft - „das Beste im Leben des Mannes". Die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges in erfahrungs- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft (22/1996), S. 504-529; Humburg, Martin: Das Gesicht des Krieges. Feldpostbriefe von Wehrmachtssoldaten aus der Sowjetunion 1941-1944, Opladen, Wiesbaden 1998. Vgl. Chickering, Roger: Militärgeschichte als Totalgeschichte im Zeitalter des totalen Krieges, in: Kühne, Thomas; Ziemann, Benjamin (Hrsg.): Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000, S. 301-312.

1. Forschungsstand und Fragestellung

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Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere, die während des Zweiten Weltkrieges zu den Einheiten dieser Division gehörten. Als soziale Gruppe repräsentieren sie keine politische oder militärische Elite, sondern bilden einen Querschnitt durch breite Schichten der deutschen Gesellschaft. Als funktionale Gruppe sind sie nicht der militärischen Führungsebene, sondern der niedrigsten Stufe der militärischen Hierarchie zuzuordnen. Aber auch innerhalb dieser Gruppe müssen Differenzierungen vorgenommen werden. Eine wichtige Linie verläuft zwischen den Mannschaftsdienstgraden und den Unteroffizieren. Zunächst werden alle Soldaten der Untersuchungsgruppe gemeinsam und unabhängig vom erreichten Dienstgrad und dem militärischen Werdegang untersucht. Später wird jedoch eine eigenständige Betrachtung des Unteroffizierskorps als Teil der militärischen Führungskader notwendig. Eine weitere Unterscheidung ist zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Truppengattungen zu treffen. Neben der gemeinsamen Analyse zur Bildung eines Querschnitts durch das Sozialprofil wird es erforderlich sein, zwischen Soldaten zu unterscheiden, die zu den Kampfverbänden, Stäben oder Einsatzunterstützungstruppen gehört haben, um die Besonderheiten, die sich daraus in verschiedenen Zusammenhängen ergeben, herausarbeiten zu können. Eine vergleichbare Untersuchung dieses Segments der militärischen Personalpyramide fehlt - wie bereits angedeutet - bislang völlig. In dieser Hinsicht versucht die vorliegende Arbeit sowohl durch das Analysemodell als auch durch die Methode der Quellenauswertung, Grundlagenforschung zu leisten. Die Wahl der Untersuchungsgruppe legt die Position der anderen sozialen Gruppen, die in den Strukturen des Untersuchungsobjekts agierten, fest. Sowohl die über den Soldaten rangierende Führungsebene der Offiziere als auch die in der Hierarchie unter den deutschen Soldaten stehenden so genannten landeseigenen zivilen wie militärischen Hilfstruppen werden nicht einer eigenständigen Analyse ihres Sozialprofils unterzogen, sondern im Hinblick auf ihre soziale und funktionale Beziehung zur Untersuchungsgruppe einbezogen. Als zeitlicher Horizont ergibt sich aus der Fragestellung im engeren Sinne die Periode zwischen der Mobilmachung der Wehrmacht im August 1939 und der Kapitulation des Deutschen Reiches im Mai 1945, die sich mit der Existenz der 253. Infanteriedivision deckt. Da aber im Verlauf der Untersuchung sowohl die sich aus dem Leben der Soldaten vor ihrem Eintritt in die Wehrmacht ergebenden Sozialisationserfahrungen und Dispositionen als auch die institutionelle Entwicklung der Wehrmacht zwischen 1933 und 1939 Bedeutung gewinnen, wird der Betrachtungszeitraum partiell bis zum Geburtsjahr der ältesten Soldaten, also über das Jahr 1900 zurück, erweitert. Analog führt der Ausblick auf das Nachkriegsschicksal der Soldaten zu einer Ausdehnung des zeitlichen Rahmens über das Jahr 1945 hinaus. Vor diesem Hintergrund zielt der erste Teil der Fragestellung auf die Rekonstruktion der sozialen Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe sowie die wichtigsten Determinanten des sozialen Wandels in einer dynamischen Analyse. Dieser Teil der Arbeit basiert auf der Auswertung von mehr

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I. Einleitung

als 2300 Personalunterlagen von Mannschaften und Unteroffizieren der 253. Infanteriedivision, die als Stichprobe aus den Beständen der BundesarchivZentralnachweisstelle ermittelt wurden. Durch die Betrachtung von Quantität und Struktur der Verluste, des Personalersatzes und des personellen Umfangs der Division, wird die Frage geklärt, wie viele Individuen im Verlauf des Krieges zu einem solchen Großverband der Wehrmacht gehört haben und nach welchen Mustern die Personalallokation verlief. Darauf folgt eine sequenzielle Rekonstruktion des Sozialprofils anhand der Altersstruktur, der geographischen und der sozialen Herkunft sowie der Affinität der Soldaten zum Nationalsozialismus. Die Bildung von Teilstichproben in Quartalsschritten, die aus der Stichprobe das jeweils in einem Quartal zur Division gehörenden Segment umfassen, erlaubt, die Veränderungen im Sozialprofil zwischen 1939 und 1945 sehr genau zu verfolgen. Auf dieser Grundlage können aus den sich ergebenden kollektiven Biographien Rückschlüsse auf die Zusammenhänge zwischen den Lebenserfahrungen und dem Verhalten der Soldaten als Angehörige der Wehrmacht gezogen werden. Ferner können zahlreiche Strukturen des militärischen Werdegangs der Soldaten bzw. der Lebenswirklichkeit in der Wehrmacht erforscht werden. Im zweiten Schritt wird das Herrschaftssystem der Institution auf die Einbindung der Soldaten in die institutionellen Handlungszusammenhänge und die Modifikation der hier wirksamen Mechanismen im Kriegsverlauf untersucht. Zum einen wird die Rolle der Führungskader, von den Kommandeuren über die Truppenoffiziere bis zum Unteroffizierskorps, als Vermittler des institutionellen Handlungswillens untersucht. Zum anderen werden die Formen der Machtausübung, kategorisiert nach positiven Sanktionen, also Belohnungen wie Fürsorge, Orden und Auszeichnungen, aber auch Machtteilhabe und negativen Sanktionen in Form der formellen Bestrafung durch die Militärjustiz analysiert. Als weitere Komponente wird die Zielkongruenz zwischen Institution und Individuum, das heißt die Identifikation der Soldaten mit den Zielen und Formen der deutschen Kriegführung und die Mechanismen zur Manipulation dieser Überzeugungen im Rahmen der militärischideologischen Sozialisation und Indoktrination thematisiert. Der dritte Teil der Fragestellung widmet sich der Handlungsträgerschaft der Soldaten im institutionellen Zusammenhang. Dabei wird zwischen dem institutionell kontrollierten Handeln der Soldaten im Rahmen der Kriegführung und dem individuellen Handeln unter Ausnutzung der im institutionellen Kontext gewährten Handlungsspielräume unterschieden. Auf der institutionellen Ebene werden die Kampfweise im Krieg gegen Rote Armee und Partisanen, die wirtschaftliche Ausbeutung des besetzten Gebietes und die Kontrolle der Bevölkerung im Rahmen der Besatzungsherrschaft untersucht. Korrespondierend werden als individuelle Handlungsfelder die Behandlung von feindlichen Kombattanten und Kriegsgefangenen, Raub und Plünderung sowie das Verhalten der Soldaten gegenüber Zivilisten zeitlich übergreifend und an einem Fallbeispiel betrachtet, um die Zusammenhänge zwischen institutionellem Handeln und individuellem Verhalten herauszuarbeiten.

1. Forschungsstand und Fragestellung

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Als methodische Grundlage dient ein Institutionenmodell, das es erlaubt, die drei Ebenen der Fragestellung zu integrieren: Soziale Gruppen, Führer und Geführte, die in bestimmten Machtbeziehungen zueinander stehen, interagieren im institutionellen Rahmen, einem bestimmten Katalog von Regeln und Normen gehorchend, und setzen bestimmte Handlungsanweisungen zielverfolgend um. Neben einer in das Modell der Wehrmacht als militärische Institution integrierten Sozialprofilanalyse, die aus der Untersuchung der sozialen Gruppen und deren Machtbeziehungen untereinander besteht, und der Entwicklung eines komparativen Ansatzes zur Betrachtung der institutionellen und individuellen Handlungsebenen, wird die Arbeit von einer Reihe grundlegender methodischer Entscheidungen geprägt. Insbesondere der konsequenten Umsetzung einer Prozessanalyse und quantifizierender Untersuchungsverfahren. Das Aufzeigen von Entwicklungen soll vor allem ein statisches Bild vermeiden, das nur isolierte Zeitpunkte erfasst. Vielmehr müssen auf allen Ebenen der Fragestellung Wandlungsprozesse und Strukturveränderungen herausgearbeitet werden. An die Stelle der schlaglichtartigen Beleuchtung bestimmter Situationen oder Perioden, die in unterschiedlichen Zusammenhängen von Interesse sein können, tritt die langfristige Beobachtung einer Untersuchungsgruppe im Kriegsverlauf. So werden einerseits Veränderungen innerhalb der Gruppe und des militärischen Systems, andererseits Veränderungen von Handlungs- und Verhaltensmustern erkennbar. N u r so kann es gelingen, die Wirkung endogener und exogener Faktoren auf Zusammensetzung, Funktion und Verhalten der untersuchten sozialen Gruppe in einer Langzeitanalyse zu bestimmen. Schließlich erlaubt erst die kontinuierliche detailscharfe Beobachtung, die drei Bereiche der Fragestellung miteinander in Beziehung zu setzen und Wechselwirkungen zu erkennen. Hinsichtlich der Tragfähigkeit quantifizierender Auswertungen und der möglichen Verallgemeinerung der Ergebnisse über die Stichprobe hinaus, müssen zweckdienliche Entscheidungen getroffen werden, die sich zwischen der relativen Zuverlässigkeit der Stichprobe und der Problematik historischer Datenbestände bewegen. In erster Linie müssen jedoch alle Ergebnisse — sowohl angesichts der Gültigkeit quantitativer Analysen als auch aufgrund der spezifischen Geschichte des Untersuchungsobjekts - zunächst auf die untersuchte Infanteriedivision bezogen werden. Zu zeigen ist, dass bestimmte Ergebnisse über das Fallbeispiel hinaus verallgemeinert werden können. Die Konzentration auf bestimmte konstituierende Variablen und Eigenschaften der Untersuchungsgruppe erlaubt es, nicht jeden Soldaten individuell zu betrachten, sondern durch die Analyse der Gruppe ihre charakteristischen Merkmale zu erkennen, gewissermaßen also alle Soldaten zu sehen. Dies macht es erforderlich, Untergruppen, Kategorien und Cluster zu bilden, um Trends, Prozesse und Entwicklungslinien herauszuarbeiten. Hier wird die bewusste Loslösung vom Einzelfall, dem Individuum und seiner Biographie, vollzogen, um durch quantifizierende Analyseverfahren Strukturen sichtbar zu machen. Dabei tritt stellenweise die Detailtiefe zugunsten

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I. Einleitung

der Strukturanalyse und des multikausalen Erklärungsansatzes in den Hintergrund. Dies ist jedoch für die Untersuchung insofern von Vorteil, als es nicht das Ziel sein kann, alle individuellen und situativen Faktoren zu erfassen, um bestimmte Entwicklungen zu erklären, sondern diejenigen Faktoren und Kräfte zu isolieren, die für die Untersuchungsgruppe prägend und bestimmend waren. Nicht das Besondere interessiert, sondern das Allgemeine: die den Soldaten gemeinsamen Eigenschaften und Erfahrungen sowie die auf alle Soldaten ähnlich wirkenden Faktoren. Denn trotz der biographischen und individuellen Vielfalt der Lebensgeschichten war das Verhalten großer Teile der Untersuchungsgruppe sehr ähnlich strukturiert. Durch die Integration von sozialen Strukturen und Prozessen in den Einheiten der Wehrmacht, grundlegender Dispositionen und Prägungen, die in der Untersuchungsgruppe wirksam waren, institutioneller Herrschaftsmechanismen und unterschiedlicher Handlungsdimensionen, sollen sowohl Rückschlüsse auf das hohe Maß an Kohärenz und Leistungsfähigkeit von Wehrmachtseinheiten im Zweiten Weltkrieg möglich werden als auch ein Erklärungsmodell für die Bereitschaft der Wehrmachtsangehörigen, die Kriegführung des „Dritten Reiches" mitzutragen und zumindest teilweise über die strukturelle Mittäterschaft am deutschen Vernichtungskrieg hinaus, individuell verbrecherisches Verhalten zu entwickeln, abgeleitet werden. Auf diese Weise soll der Sicht von oben, die von der Operations- und Personengeschichte entwickelt wurde, und der Perspektive von unten, die wir der Mentalitäts- und Alltagsgeschichte verdanken, nun der strukturierend quantifizierende Blick von der Seite hinzugefügt werden.

2. QUELLEN ZUR SOZIALGESCHICHTE DER WEHRMACHT Durch das Vernetzen und Zusammenführen der über zahlreiche Archive und Institutionen verstreuten Quellenbestände, die eine Vielzahl von Informationen zur Sozialgeschichte der Wehrmacht enthalten, kann die Grundlage für ebenso dichte wie empirisch abgesicherte Analysen sozialer Prozesse und Zusammenhänge im institutionellen Gefüge der Wehrmacht geschaffen werden. Für eine Annäherung and die Lebenswirklichkeit der Wehrmachtssoldaten besitzen neben Dokumenten, die Informationen über einzelne Personen bzw. Äußerungen einzelner Individuen beinhalten, Sachakten, aus denen sich Rahmen- und Lebensbedingungen sowie Handlungsmuster oder der historische Kontext rekonstruieren lassen, entscheidende Bedeutung. Die personenbezogenen Quellen zerfallen in zwei Gruppen: Ego-Dokumente, die von den agierenden Personen selbst stammen 25 sowie Personalun25

Vgl. beispielsweise zu neuen Ansätzen bei der Erforschung von Feldpostbriefen deutscher Soldaten Latzel: Deutsche Soldaten; Humburg, Martin: Feldpostbriefe aus dem Zweiten Welt-

2. Q u e l l e n z u r Sozialgeschichte d e r W e h r m a c h t

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terlagen, die über einzelne Individuen angelegt wurden. Die sozialhistorische Forschung stützt sich im Bereich der Wehrmacht noch vorwiegend auf die erstgenannte Gruppe. 26 Obwohl diese Quellengattung nicht im Mittelpunkt unserer Analyse steht, bietet sie für viele Teilfragestellungen wichtige Ergänzungen. So ergab eine Überprüfung der Feldpostnummern der untersuchten Infanteriedivision in den durch entsprechende Findmittel zugänglichen Beständen der Sammlung Stertz eine Reihe von Feldpostbriefen, die von Angehörigen der Division verfasst worden sind. Andere Briefe von Soldaten der 253. Infanteriedivision oder ihren Angehörigen sind im Schriftgut des Kriegsgerichts der Division erhalten geblieben. 27 In der Sammlung von Verhörprotokollen, die in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern bei der Befragung deutscher Kriegsgefangener über die von ihnen erlebten verbrecherischen Handlungen angefertigt wurden und heute im russischen Staatsarchiv in Moskau lagern, gehören ebenfalls Aussagen von Angehörigen dieser Division. Ein Schriftstück, verfasst vom Gefreiten Jakob Zietz, einem Soldat der 8. Kompanie des Infanterieregiments 473, ist durch Zufall Bestandteil der Quellenedition „ Stets zu erschießen sind Frauen, die in der Roten Armee dienen".2* Auch aus der Nachkriegszeit stehen einige persönliche Zeugnisse zur Verfügung, die sich auf das Untersuchungsobjekt beziehen. In den von Hans Joachim Schröder durchgeführten Zeitzeugenbefragungen sind auch ehemalige Angehörige der 253. Infanteriedivision interviewt worden. 29 Von einem weiteren Divisionsangehörigen existiert mittlerweile eine vollständige verschriftete Erzählung seiner Lebensgeschichte. 30 Außerdem hat Clemens Freiherr von Bönninghausen,i{ ein ehemaliger Offizier der 253. Infanteriedivision, seine Erinnerungen aufgezeichnet. Die Darstellung beschränkt sich zwar weitgehend auf die militärischen Ereignisse, kann aber gerade für die krieg. Werkstattbericht zu einer Inhaltsanalyse, Berlin 1998; Humburg: Das Gesicht des Krieges. 24 Einige der zahlreichen, in den vergangenen Jahren parallel zu Fernsehdokumentationen entstandenen Publikationen, die umfangreiche Aufzeichnungen von Zeitzeugenaussagen enthalten oder weitgehend auf ihnen beruhen sind Overmans, Rüdiger: Soldaten hinter Stacheldraht. Deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges, Berlin 2000; Knopp, Guido: Hitlers Helfer: Täter und Vollstrecker, München 1999; ders.: Hitlers Kinder, München 2000; ders.: Hitlers Krieger, München 2000; Franzen, K. Erik; Lemberg Hans: Die Vertriebenen: Hitlers letzte Opfer, Berlin 2001; Schneider, Wolfgang; Schrade, Andreas: Die Waffen-SS, Berlin 1998. 27 Zu den Beständen an Feldpostbriefen der Bibliothek für Zeitgeschichte vgl. Humburg, Martin; Knoch, Peter: Sammlung Sterz in der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart, in: Der Archivar (44/1991), S. 698-700. - 8 Vgl. Heer: Geständnisse, S. 8, 15f. Das genannte Schriftstück ist als Faksimile abgebildet. Vgl. dazu auch von Jena, Kai; Lenz, Wilhelm: Die deutschen Bestände im Sonderarchiv in Moskau, in: Der Archivar (45/1992), S. 457-468; Epiphanov, Alexander E.: Die Außerordentliche Staatliche Kommission, Wien 1997. - 9 Vgl. Schröder: Kasernenzeit. ,0 Vgl. Schröder, Hans Joachim: Max Landowski, Landarbeiter. Ein Leben zwischen Westpreußen und Schleswig Holstein, Hamburg 2000. Anmerkungen zu den Interviews finden sich in ders.: Erfahrungen. 11 Vgl. von Bönninghausen, Clemens: 253. Infanteriedivision. Weg und Ende einer rheinischwestfälischen Division im Osten 1941-1945, Coesfeld 1980; ders.: Kampf und Ende rheinischwestfälischer Infanteriedivisionen an der Ostfront 1941-1945, Coesfeld 1980.

24

I. Einleitung

letzte Kriegsphase, in der die Überlieferung der Sachakten der Wehrmacht stark gestört ist, einige Lücken schließen. Am Rande erwähnt seien auch biographische Skizzen einzelner Divisionsangehöriger, die aufgrund militärischer Leistungen ins Blickfeld der Nachkriegsliteratur gerückt sind, sowie Darstellungen im Rahmen der militaristischen Trivialliteratur aus der Zeit nach 1945.32 Im Zentrum der Untersuchung stehen aber diejenigen personenbezogenen Quellen, aus denen sich - eingeschränkt - objektive Informationen über die Biographien der Soldaten gewinnen lassen. Sie befinden sich vor allem in drei Archiven bzw. Institutionen: in der Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle (BA ZNS), beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und in den Beständen der Deutschen Dienststelle (WASt). Die wichtigsten Quellenbestände für eine Ermittlung quantitativ sozialhistorischer Daten über Angehörige der Wehrmacht werden in der Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle in Kornelimünster bei Aachen aufbewahrt. In diesem Archiv wurde seit Kriegsende der größte Teil der erhaltenen Personalunterlagen der Wehrmacht und anderer Organisationen des „Dritten Reiches" zusammengeführt. 33 Für sozialhistorische Fragestellungen sind vor allem drei Arten von Unterlagen von besonderer Bedeutung: die Verleihungslisten für bestimmte Kriegsauszeichnungen an Angehörige des Heeres und der Waffen-SS, die Personalpapiere für Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere und Offiziere von Heer und Luftwaffe sowie die Unterlagen der Kriegsgerichte der Wehrmacht. 34 Ausgangspunkt für die Ermittlung von Angehörigen der untersuchten Infanteriedivision waren die Verleihungslisten für das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse sowie die Verleihungslisten für das Kriegsverdienstkreuz 1. und 2. Klasse. Sie verzeichnen fortlaufend alle Soldaten einer Einheit, die mit einem dieser Orden ausgezeichnet wurden und sind neben den Erkennungsmarkenverzeichnissen der Deutschen Dienststelle die einzige erhaltene Quelle, die umfangreiche Namenslisten von Angehörigen einzelner militärischer Formationen beinhaltet. 35 Die Verleihungslisten sind daher einer der wichtigen Schlüssel zur Erschließung der erhaltenen Personalunterlagen im Hinblick auf bestimmte Wehrmachtseinheiten. Für das Eiserne Kreuz sind die Verleihungslisten der 253. Infanteriedivision von 1941 bis 1945 und für Kriegsverdienstkreuze von 1939 bis 1945 erhalten. Die Bestände umfassen 127 Verleihungslisten, die 20038 Verleihungsvorgänge verzeichnen. Die 32

33

34 35

Vgl. Kollatz, Karl: Gefreiter Sturm, Rastatt o.J.; Karschkes, H.: Das letzte Bataillon, Rastatt o.J. Beide Schriften sind in der Reihe der Landser-Hefte erschienen! Vgl. Dillgard, Georg: Die Zentralnachweisstelle des Bundesarchivs und die Abwicklung wehrund militärrechtlicher personeller Angelegenheiten aus der Zeit bis 8. Mai 1945, in: Kahlenberg, Friedrich P. (Hrsg.): Aus der Arbeit der Archive: Beiträge zum Archivwesen, zur Quellenkunde und zur Geschichte, Boppard 1989, S. 257-269; Keilig, Wolf: Wenn Beweispapiere fehlen. Handbuch der bisher erfassten Personalunterlagen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht, Bonn 1954. Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 400ff. Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 405.

2. Quellen zur Sozialgeschichte der W e h r m a c h t

25

ersten Listen stammen aus dem April 1940, die letzen Auszeichnungen sind für Ende April 1945 dokumentiert. Da Soldaten im Verlauf ihrer Divisionszugehörigkeit mehrere Auszeichnungen erhalten konnten, sind in dieser Zahl Mehrfachnennungen derselben Soldaten enthalten. Zudem erfolgten Verleihungen nicht nur an Soldaten, die direkt zu den Teileinheiten der 253. Infanteriedivision gehörten, sondern auch an Personen, deren Einheiten nur zeitweise der Division unterstellt waren. Nach der Erfassung aller Verleihungen in einer Datenbank konnten Doppeleinträge sowie die Verteilung der Verleihungsvorgänge auf Offiziere und Mannschaftsdienstgrade bzw. an Divisionsangehörige und unterstellte Soldaten ermittelt werden. Durch diese Vorarbeiten wurden aus 20038 Verleihungsvorgängen 16722 Personen ermittelt, die der 253. Infanteriedivision zwischen 1939 und 1945 angehört haben. 16020 gehörten den Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgraden an, 702 waren Offiziere.36 Für die Verleihung der Auszeichnungen selbst galten unterschiedliche Richtlinien. 37 So konnte das Eiserne Kreuz für „besondere Tapferkeit vor dem Feind und für hervorragende Verdienste in der Truppenführung" 38 verliehen werden - die Verleihung setzte also in der Regel die Teilnahme an Kampfhandlungen voraus. Das Kriegsverdienstkreuz dagegen konnte für alle Taten verliehen werden, deren Würdigung durch das Eiserne Kreuz nicht möglich war - eine direkte Beteiligung an Kampfhandlungen war hier nicht zwingend notwendig. 39 Aus dieser Praxis resultiert, dass sich in den Verleihungslisten der 253. Infanteriedivision Soldaten aus allen Teileinheiten der Division befinden. Die Verteilung auf Kampf- und Kampfunterstützungstruppen entspricht dabei in etwa den Anteilen beider Truppengattungen an einer Infanteriedivision, die der Kriegsstärkennachweis von 1939 vorsah. 40 Insgesamt wurden im Verlauf des Zweiten Weltkrieges, einschließlich der verliehenen Spangen zu beiden Stufen des Ordens, etwa 2,6 Millionen Eiserne Kreuze der 1. und 2. Klasse an Angehörige des Heeres und der 36 37

38

39 40

Eine Aufstellung der genutzten Bestände der BA ZNS findet sich im Anhang auf Seite 454. Vgl. Geeb, Hans Karl; Kirchner, Heinz; Thiemann, Hermann-Wilhelm: Deutsche Orden und Ehrenzeichen. Kommentar zum Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen und eine Darstellung deutscher Orden und Ehrenzeichen von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart mit Abbildungen, Köln 1977, S. 187ff.; Absolon: Wehrmacht, Band V, S. 266ff. Reichsgesetzblatt 1939, S. 1573; Absolon: Wehrmacht, Band V, S. 267; Zitat aus H M 1941 Nr. 300, S. 155; vgl. auch Geeb: Orden, S. 189. Reichsgesetzblatt 1939, S. 2069. Fasst man die Kategorien Kampf- und Unterstützungstruppen zusammen, so ergibt sich zwischen der in den Foreign Military Studies angegebenen und der aus den Verleihungslisten der 253. Infanteriedivision ermittelten Verteilung ein ähnliches Verhältnis. Vgl. dazu Müller-Hildebrand, Burkhart: Statistic Systems (Project 4), US Army Historical Division, Study P-011, S. 97ff. Vgl. auch van Crefeld, Martin: Kampfkraft. Militärische Organisation und militärische Leistung 1939-1945, Freiburg i. Br. 1982, S. 67. Müller-Hildebrand spricht von einem Anteil von 90,7 % Kampf- und 9.3 % Kampfunterstützungstruppen. Für die Verleihungslisten der 253. Infanteriedivision ergibt sich eine Verteilung von 88 % zu 12 %. Leichte Verschiebungen können aus den im Kriegsverlauf fluktuierenden Anteilen der beiden Kategorien resultieren. Zur Einteilung der Verbände vgl. Absolon: Wehrrechtliche Gutachten, Band 4, Nr. 14: Einteilung der Truppen des Feldheeres, S. 25ff.; Absolon: Wehrmacht, Band V, S. 84ff.

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I. Einleitung

Waffen-SS verliehen. Für das Kriegsverdienstkreuz der 1. bzw. 2. Klasse ergibt sich eine Zahl von etwa 2,84 Millionen Verleihungen an Angehörige beider Organisationen. 41 Dies entspricht einem Anteil von 37,5 % der Angehörigen von Heer und Waffen-SS zwischen 1939 bis 1945,42 wobei die Ausgezeichneten, um die Voraussetzungen für die Verleihung zu erfüllen, überwiegend zu den im militärischen Operationsgebiet eingesetzten Truppenteilen gehört haben müssen. Ferner zeigen die erhaltenen Aufstellungen über die Verteilung der Ordensverleihungen auf die verschiedenen Kriegsschauplätze, dass der überwiegende Anteil auf dem östlichen Kriegsschauplatz verliehen wurde. So erfolgten im Fall des Eisernen Kreuzes beispielsweise etwa 78,8 % der Verleihungen an Soldaten, deren Einheiten sich an der Ostfront befanden.43 Dies korrespondiert einerseits mit der Tatsache, dass auch der größte Teil der Truppen der Wehrmacht dort eingesetzt wurde, andererseits stützt der Wert die Annahme, dass durch die Auswertung der Verleihungslisten ein relativ hoher und repräsentativer Anteil des Personals einer Infanteriedivision erfasst werden kann. 44 Detaillierte Angaben über einzelne Angehörige der Wehrmacht finden sich in ihren Wehrstammbüchern. Die Bestände der Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle umfassen zwischen 3 und 4 Millionen Wehrstammbücher von Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgraden des Heeres, der Luftwaffe und der Waffen-SS.45 Entsprechende Unterlagen von Angehörigen der Kriegsmarine sind bis auf wenige Ausnahmen an die Deutsche Dienststelle (WASt) in Berlin abgegeben worden. Davon ausgehend, dass 18,2 Millionen Personen zu den bewaffneten Formationen des „Dritten Reiches" gehört haben, davon etwa 17 Millionen zu Heer, Luftwaffe und Waffen-SS, repräsentieren diese Bestände einen Rest von etwa 20 % der bis Kriegsende für die Mannschaftsund Unteroffiziersdienstgrade dieser Organisationen angelegten Personalunterlagen. 46 Die erhaltenen Akten stammen aus 137 Wehrersatzdienststellen auf dem Gebiet der Bundesrepublik vor 1989, seit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden zudem fragmentarische Bestände aus den neuen Bundesländern übernommen. Bedingt durch die Art des Archivaufbaus und der Sicherung der erhaltenen Akten nach Kriegsende, stammt ein großer Teil der erhaltenen Akten aus dem Gebiet des ehemaligen Wehrkreises VI, der die BA ZNS Ordensabteilung P5 (10) VA Statistik, Bisherige Gesamtverleihungen, Stand 15.04.1945. Verliehen wurden 2629499 Eiserne Kreuze, davon 2071629 an der Ostfront. Weder für Marine noch für die Luftwaffe lassen sich genaue Zahlen über die Anzahl der Verleihungen nachweisen. Vgl. auch Absolon: Wehrdienst, S. 263ff. Vgl. Overmans: Militärische Verluste, S. 215. BA ZNS Ordensabteilung P5 (10) VA Statistik, Bisherige Gesamtverleihungen. Stand 15.04.1945. Davon ausgehend, dass der untersuchten Infanteriedivision im Verlauf des Krieges etwa 27040 Individuen angehört haben, repräsentieren die in den Verleihungslisten der 253. Infanteriedivision erfassten 16020 Personen etwa 60 % der Divisionsangehörigen. Siehe dazu S. 73. Vgl. Dillgard: Zentralnachweisstelle. Angaben zum personellen Umfang der Organisationen finden sich bei Overmans: Mili:ärische Verluste, S. 215.

2. Q u e l l e n z u r Sozialgeschichte d e r W e h r m a c h t

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Provinz Westfalen und die Regierungsbezirke Düsseldorf, Aachen, Köln, Osnabrück und Lippe umfasste und damit in seiner Ausdehnung etwa dem heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen entsprach. 47 Neben einer Reihe anderer Unterlagen wie der Wehrstammkarte, der Verwendungskarte oder dem Gesundheitsbuch war das Wehrstammbuch, gemeinsam mit dem Wehrpass und dem Soldbuch, die zentrale Personalunterlage für Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgrade. Es wurde mit dem Eintritt in die Wehrmacht erstellt und fortlaufend geführt. In den von den Ersatzdienststellen verwalteten Wehrstammbüchern liefen alle Informationen über den Soldaten zusammen. Der Wehrpass, der von den jeweiligen Dienststellen geführt wurde, war eine nahezu identische Kopie dieser Daten. Er begleitete den Soldaten auf seinem Weg durch die militärischen Organisationen, während das Soldbuch, einem Personalausweis ähnlich und mit teilweise unterschiedlichen Informationen versehen, vom Soldaten selbst mitgeführt wurde. 48 Ein Wehrstammbuch wurde grundsätzlich für jeden in den RAD bzw. in die Wehrmacht eintretenden Dienstpflichtigen angelegt und sollte durch die für ihn zuständigen Ersatzdienststellen, in der Regel Wehrbezirkskommandos und Wehrmeldeämter, bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst geführt werden. Im Verlauf der Zugehörigkeit zu Heer, Luftwaffe oder Marine sammelten sich auf diese Weise zahlreiche Informationen über diese Person und ihr Schicksal an.49 Vor Kriegsbeginn begleiteten die Wehrstammbücher die Dienstpflichtigen zu ihren Einheiten in RAD und Wehrmacht und wurden dort geführt. Nach Ablauf der Dienstzeit verblieben sie in der Stammkartei der zuständigen Wehrersatzdienststellen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Wehrstammbücher der Soldaten, die sich bei Feldeinheiten der Wehrmacht befanden, an die zuständigen Wehrersatzdienststellen überstellt. Die Wehrstammbücher von Soldaten, die sich beim Ersatzheer befanden, wurden bei deren Übertritt zur Feldwehrmacht ebenfalls an die Wehrbezirkskommandos und die Wehrmeldeämter abgeben. Im weiteren Verlauf des Krieges wurden die Personalpapiere bei diesen Dienststellen anhand der Informationen, die von unterschiedlichen Truppenteilen, zu denen ein Soldat im Lauf seines Kriegsdienstes gehörte, über den Betreffenden übermittelt wurden, fortlaufend geführt. 50 In der Praxis konnte sich dieser 47

48 49 50

Vgl. Boberach, Heinz; Thommes, Rolf; Weiß, Hermann: Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates. Handbuch für die Benutzung von Quellen der nationalsozialistischen Zeit. Amtsbezeichnungen, Ränge und Verwaltungsgliederungen, Abkürzungen und nichtmilitärische Tarnbezeichnungen, München 1997, S. 87, 88f.; Bei der Provinz Westfalen waren die Kreise Siegen und Wittgenstein ausgenommen; vgl. auch Absolon: Wehrdienst, S. 401; Tessin: Verbände, Band 16.1, S. 290. Vgl. Filges: Leitfaden, Teil I, Gesamtübersicht, Teil VIII, Soldbuch. Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 144ff. Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 365. Übermittelt wurden diese Informationen vor allem anhand von Kriegsstammrollenblättern, die bei Veränderungen im Status eines Soldaten, wie etwa einer Versetzung, an die zuständige Wehrersatzdienststelle gesandt wurde. Daneben konnten Ereignisse wie Strafen, Auszeichnungen, Verwundungen, Tod oder auch Veränderungen des Familienstandes gesondert gemeldet werden. Vgl. dazu auch Filges: Leitfaden, Teil XII, Kriegsstammrolle.

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I. Einleitung

Informationsfluss stark unterschiedlich gestalten, so dass bereits für die ersten Kriegsjahre Wehrstammbücher von sehr unterschiedlicher Qualität und Informationsdichte vorliegen. Erkennbar wird vor allem, dass die Personalverwaltung der Wehrmacht nicht auf das Anwachsen der Teilstreitkräfte auf ein Millionenheer vorbereitet war, so dass mit Fortschreiten des Krieges eine Überforderung durch die große Zahl der zu bewältigenden Aktenveränderungen eintrat. Zudem konnte die spezifische Situation, in der sich ein Fronttruppenteil befand, dafür sorgen, dass Meldewege und gebotene Informationsübermittlungen nicht eingehalten wurden. Im August 1944 schließlich trug das Oberkommando der Wehrmacht dieser Situation dadurch Rechnung, dass die Wehrstammbücher nach der Musterung nur noch bis zur Beendigung der Grundausbildung geführt wurden, dann bei den Wehrersatzdienststellen verblieben und nicht mehr weiter aktualisiert wurden. Lediglich die Sammlung eingehender Meldungen wurde im Hinblick auf eine spätere Ergänzung der Akten fortgeführt. 51 Die Wehrstammbücher beinhalten zahlreiche Informationen über die Soldaten der Wehrmacht. Grundsätzlich lassen sich die Daten in zwei Gruppen einteilen. Erstens Angaben, die in den Wehrstammbüchern standardmäßig und in großer Dichte erfasst sind und zweitens Informationen über ungewöhnliche Vorgänge, die als Anlagen den Wehrstammbüchern beigefügt wurden. Das Wehrstammbuch besteht aus der Akte selbst sowie je einer Blattsammlung in einer vorderen und einer hinteren Einlegetasche. In der vorderen Tasche befinden sich in der Regel Dokumente, die sich auf den Zeitraum vor dem Eintritt in die Wehrmacht oder die unmittelbare Musterung beziehen. Darunter können sich Unterlagen über zivile Vorstrafen, Gesundheitsangelegenheiten, Nachweise über die Dienstzeit beim RAD oder Heiratsangelegenheiten befinden. In der überwiegenden Mehrzahl der Akten liegen auch Passbilder der Soldaten bei und in fast allen Akten findet sich die gemäß den Musterungsbestimmungen auszufüllende „Erklärung der arischen Abstammung". In seltenen Fällen sind weitere Musterungsunterlagen wie handschriftlich verfasste Lebensläufe, Prüfungsergebnisse und Schulzeugnisse oder Einverständniserklärungen von Erziehungsberechtigten bei freiwilligem Eintritt in die Wehrmacht vor Vollendung des 18. Lebensjahres vorhanden. In der hinteren Tasche wurden Dokumente abgelegt, die sich auf die militärische Laufbahn bzw. das Schicksal des Soldaten während seiner Zugehörigkeit zur Wehrmacht beziehen. Am wichtigsten sind hier die Kriegsstammrollen, durch die Einheiten Veränderungen im Status des Soldaten mitteilten. Bei unvollständig geführten Wehrstammbüchern bilden sie oft eine als Ergänzung wichtige Doppelüberlieferung. Daneben finden sich Beurteilungen, Bescheinigungen über Lehrgänge und Ausbildungsnachweise und Unterlagen über Strafen. Den meisten Akten ist auch die bei der Musterung angelegte Musterungskarte beigefügt, deren Inhalt jedoch ins Wehrstammbuch übernommen wurde. Hat ein ehemaliger Angehöriger der Wehrmacht seit Kriegsende direkt oder indirekt eine Anfrage an die Bundesarchiv-Zen51

AHM 1944, Nr. 476, S. 264; Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 366.

2. Quellen zur Sozialgeschichte der Wehrmacht

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tralnachweisstelle gerichtet, liegen seiner Akte die bei der Bearbeitung der Anfrage entstandenen Schriftstücke bei. Dabei können in den Anschreiben der anfragenden Person oder Dienststelle weitere Informationen enthalten sein, die die Angaben aus dem Wehrstammbuch ergänzen. Finden sich derartige Schriftstücke, kann im Falle einer Dienstzeitbescheinigung darauf geschlossen werden, dass der Betreffende den Krieg überlebt hat. Ferner können Schicksale dadurch dokumentiert werden, dass der Soldat, auf den sich eine Akte bezieht, nach Kriegsende gerichtlich für tot erklärt worden ist. Entsprechende Unterlagen liegen in einem solchen Fall ebenfalls in der hinteren Einlegetasche. Die personenbezogenen Angaben wiederum lassen sich unterschiedlichen Bereichen zuordnen. An persönlichen Daten finden sich Name, Vorname, Geburtstag und der Geburtsort unter Nennung des Landkreises und des Regierungsbezirkes. Weitere Informationen beziehen sich auf den erlernten bzw. den zum Zeitpunkt der Musterung ausgeübten Beruf. Der familiäre Hintergrund spiegelt sich in Angaben über die berufliche Tätigkeit des Vaters, Einträgen im Falle seines Todes und ob er im Ersten Weltkrieg gefallen ist sowie Angaben über den Namen der Mutter und einem Vermerk für den Fall, dass sie bereits verstorben war. Daneben finden sich Informationen über die Anzahl der Brüder und Schwestern und ebenfalls Vermerke, wie viele der Geschwister bereits verstorben sind. Bezüglich der politischen Einstellung des Gemusterten existiert ein Eintrag über dessen Zugehörigkeit zu Organisationen des „Dritten Reiches", in der Regel unter Nennung der Einund Austrittsdaten. Zu den erfassten Organisationen zählen unter anderen HJ, SA, SS, NSKK sowie NSDAP. Ausführlich dokumentiert ist außerdem die Erfüllung der Arbeitsdienstpflicht. Durch die im Verlauf des Musterungsprozesses entstandenen medizinischen Informationen ist auch die gesundheitliche Konstitution der Soldaten bei ihrem Eintritt in RAD oder Wehrmacht gut dokumentiert. Sie umfassen neben Größe und Gewicht auch Angaben über den allgemeinen Gesundheitszustand und festgestellte gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit sowie eine Beurteilung der militärischen Tauglichkeit durch den Musterungsarzt. Eine Vielzahl von Angaben bezieht sich schließlich auf den militärischen Werdegang. Im Fall von Soldaten, die bereits vor 1939 zur deutschen Armee gehört haben, sind die Dienstzeiten etwa in der kaiserlichen Armee, der Reichswehr oder nach 1935 in der Wehrmacht, gegebenenfalls unter Eintragung der Entlassung in eine der Reservestufen, dokumentiert. Für die Dauer der Zugehörigkeit zu den Streitkräften sind alle Dienststellen, denen der Soldat angehört hat mit Zu- und Abgangsdatum ebenso eingetragen wie Nachweise über Ausbildungen und Qualifikationen. Für die Dauer der Wehrüberwachung ist die Teilnahme an Reserveübungen und an Wehrversammlungen verzeichnet sowie bei Wohnortwechseln die An- und Abmeldungen bei den Dienststellen, denen die Wehrüberwachung oblag. Erkrankungen, unfallbedingte Verletzungen und Verwundungen bei Kampfhandlungen sind in den meisten Fällen ausführlich eingetragen. Im Fall eines natürlichen Todes, des Todes als Folge von Kriegshandlungen oder

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I. Einleitung

wenn der Soldat als vermisst galt, erfolgten ebenfalls genaue Vermerke unter Nennung von Ort und Datum, in einigen Fällen auch unter Bezeichnung der Grablage. Für den Kriegszeitraum existiert daneben in den meisten Akten eine Liste der Gefechte und Kampfhandlungen, an denen der Betreffende teilgenommen hat. Obwohl diese Listen oft unvollständig sind, geben sie interessante Aufschlüsse über die Art der Einsätze, an denen die Soldaten teilgenommen haben. Wurde ein Soldat während seiner Dienstzeit für einen bestimmten Zeitraum freigestellt, beispielsweise als unabkömmliche Arbeitskraft in einem für die Kriegswirtschaft wichtigen Wirtschaftszweig, oder nach einer schweren Verwundung endgültig entlassen, so wurden diese Vorgänge ebenfalls unter Nennung von Entlassungsgrund und -datum eingetragen. Bezüglich der allgemeinen Laufbahn des Soldaten sind verliehene Orden und Ehrenzeichen sowie die Beförderungen im Wehrstammbuch vermerkt. Ebenfalls vorgesehen, wenn auch insbesondere nach Kriegsbeginn in den meisten Fällen nicht in aussagekräftiger Form oder gar nicht vorgenommen, waren regelmäßige Beurteilungen von Führung und Qualifikation der Soldaten durch ihre Vorgesetzten. Das Disziplinarwesen der Wehrmacht spiegelt sich in den Auflistungen gerichtlicher und disziplinarischer Strafen wider, die im RAD oder in der Wehrmacht gegen die Soldaten verhängt worden sind. Sie bieten eine wichtige Ergänzung zur Auswertung der Gerichtsakten. 52 Unter bestimmten Umständen befinden sich auch Soldbücher und Wehrpässe in den Wehrstammbüchern. Soldbücher wurden den Personalpapieren immer dann beigefügt, wenn Soldaten starben oder aus dem Dienst entlassen wurden. Bei Soldaten, die während des Krieges getötet wurden, blieben die Soldbücher, die ja ständig von ihrem Besitzer mitgeführt werden mussten, nur selten erhalten. Bei unvollständigen Wehrstammbüchern ist das Vorhandensein eines Soldbuches daher ein Hinweis auf das Schicksal des Soldaten. Dies gilt nicht für den Fall, dass Soldbücher durch Schmutz oder Beschädigung unbrauchbar geworden waren und eine Zweitschrift angefertigt wurde. Das alte Soldbuch kann sich in diesem Fall ebenfalls bei den Personalpapieren befinden, ist dann aber entsprechend gekennzeichnet. In den Soldbüchern finden sich neben Eintragungen zur Person, die sich in der Regel mit den Informationen in den Wehrstammbüchern decken, Angaben über Ausrüstungsstücke, Soldzahlungen, Verwundungen, Urlaubs- und Lazarettaufenthalte. Lückenhaft geführte Wehrstammbücher können auf diese Art und Weise ergänzt werden. 53 Die Wehrpässe dagegen beinhalteten die gleichen Angaben wie die Wehrstammbücher. Lediglich das Verzeichnis der dem Soldaten auferlegten Strafen fehlt hier. Die Wehrpässe wurden während des Krieges immer bei den 52

53

Eine ausführliche Beschreibung des Aufbaus der Wehrstammbücher und der Richtlinien für ihre Führung findet sich in Filges: Leitfaden, Teil XI, Wehrstammbuch und, da der Inhalt der beiden Karteimittel weitgehend identisch war, in den Bestimmungen zum Wehrpass Filges: Leitfaden, Teil V, Wehrpass. Weitere Informationen zu den in ihnen dokumentierten Verwaltungsvorgängen bietet Absolon: Wehrdienst, S. 367ff. Vgl. Filges: Leitfaden, Teil VIII, Soldbuch; Absolon: Wehrdienst, S. 370.

2. Q u e l l e n zur Sozialgeschichte d e r W e h r m a c h t

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Einheiten verwahrt, bei denen der Soldat gerade Dienst tat und dort geführt. Die Wehrpässe von gefallenen, verstorbenen oder vermissten Soldaten wurden von der entsprechenden Einheit abgeschlossen und an die Wehrersatzdienststellen übersandt. War der ursprüngliche Besitzer tot, wurden die Wehrpässe den Angehörigen übergeben, galt er als vermisst, wurden sie den Wehrstammbüchern beigelegt. Befindet sich ein nicht als Zweitschrift gekennzeichneter Wehrpass in einer unvollständigen Akte, ist dies ein Indiz dafür, dass der betreffende Soldat verschollen ist.54 Beachtet werden muss jedoch, dass eine Anordnung aus dem Jahr 1941 vorsah, in die Wehrpässe nicht die tatsächliche Todesursache einzutragen, sondern Verwundungen, die zu einem schnellen Tod geführt hätten. Vor dem Hintergrund, dass die Wehrpässe in die Hände der Angehörigen gelangen würden, sollten dadurch die oft schrecklichen Umstände des Todes von Soldaten verschleiert werden. 55 Entsprechend vorsichtig muss bei der Auswertung von Wehrpässen bei fehlender Parallelüberlieferung verfahren werden. Bei der quellenkritischen Bewertung der Wehrstammbücher und der in ihnen enthaltenen Anlagen muss berücksichtigt werden, dass ihr Informationsgehalt sehr stark variieren kann. Es finden sich ebenso Exemplare, die nach der Musterung mit der Versetzung zur ersten Einheit enden, wie solche, in denen alle Informationen bis in die ersten Monate des Jahres 1945 eingetragen worden sind. Diese unterschiedliche Qualität macht es einerseits notwendig, Personalpapiere, in denen die Informationsdichte zu gering ist, von der Auswertung auszuschließen, andererseits unterstreicht sie die Bedeutung der Ergänzung der gewonnenen Daten durch die Auswertung anderer personenbezogener Quellen. Aus diesem Grund wurden nur solche Akten einbezogen, die das Schicksal des betreffenden Soldaten zumindest in den ersten Kriegsjahren dokumentieren. In die Stichprobe wurden 2291 Personalunterlagen aufgenommen. Dazu wurde eine Teilmenge von 12800 der 16020 ermittelten Namen von Mannschaften und Unteroffizieren der 253. Infanteriedivision sukzessive im Magazin der Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle überprüft und alle aufgefundenen Personalunterlagen mit ausreichendem Vollständigkeitsgrad in einer Datenbank erfasst.56 54

Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 368. ">"> AHM 1941, Nr. 1210, S. 649, „Obwohl es erst in der H M 1941, Nr. 481 angeordnet wurde, dass sich der abschließende Eintrag in den Wehrpässen Gefallener und Verstorbener nur auf Angabe von Tag und Ort des Todes zu beschränken hat, wurden von den Feldtruppenteilen immer noch zusätzliche Eintragungen über die Todesursache gemacht, die die Gefühle der Hinterbliebenen verletzen müssen. Da der Wehrpass den Angehörigen zur Erinnerung ausgehändigt wird, werden die Feldtruppenteile erneut auf die genaue Beachtung dieser Anordnung hingewiesen." In zahlreichen Wehrpässen finden sich daraufhin Eintragungen über „Kopfschüsse" bzw. „Herzschüsse", die nicht immer mit den Eintragungen in den Soldbüchern bzw. Wehrstammbüchern übereinstimmen. 6 Siehe dazu S. 25. Ausgehend von der bei Anfragen an die BA ZNS erreichten durchschnittlichen Trefferquote, die bei etwa 20 % liegt und auf den Erkenntnissen aus einigen Pretests sollte die Anzahl der überprüften Namen gewährleisten, dass ein Minimum von etwa 2000 Personalakten für die Stichprobe erzielt wird.

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I. E i n l e i t u n g

Neben den Wehrstammbüchern wurden, wenn auch in wesentlich geringerem Umfang, Personalakten von Offizieren ausgewertet. In Anbetracht der bereits vorliegenden umfangreichen Arbeiten zur Entwicklung des Offizierskorps wurde von einer ähnlich dimensionierten Datenerfassung abgesehen. Hinzu kommt, dass die Überlieferung der Personalakten für Offiziere des Heeres bei der Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle nur noch etwa 65800 Akten von aktiven Truppenoffizieren und Offizieren (W) aus dem Heerespersonalamt umfasst. Es sind also nur bestimmte Segmente des Offizierskorps des Heeres dokumentiert. Weite Teile der Akten wurden noch während des Krieges vernichtet, so dass eine stichprobenartige Datenerhebung parallel zur Untersuchung der Mannschaftsdienstgrade problematisch wäre. 57 Um grundsätzliche Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Gruppe der subalternen Offiziere zu erlangen, wurden 65 Personalakten zufällig ausgewählt und ausgewertet. Ferner sind die Personalakten bestimmter Offiziere herangezogen worden, die in unterschiedlichen Zusammenhängen für die Untersuchung bedeutsam sind, sowie die Personalakten der drei Kommandeure der 253. Infanteriedivision, die sich im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg befinden. Die Personalakten der Offiziere beinhalten grundsätzlich ähnliche Informationen wie die Wehrstammbücher. Es finden sich Angaben zur Person und über den militärischen Werdegang. Wichtig für die Untersuchung sind daneben die den Akten beiliegenden periodischen Beurteilungen der Offiziere durch ihre Vorgesetzten, die in der Mehrzahl der Akten über einen längeren Zeitraum hinweg enthalten sind. Aus diesen Unterlagen lassen sich bei entsprechender quellenkritischer Würdigung - Erkenntnisse über Persönlichkeitsstruktur, militaristische und nationalsozialistische Prägung der beurteilten Offiziere ableiten. Einen dritten wichtigen Bestand personenbezogener Akten bildet das ebenfalls bei der Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle erhaltene Schriftgut der Kriegsgerichte der Wehrmacht. Im Allgemeinen ist die Überlieferung dieser Bestände sehr lückenhaft und zerrissen. Ihre systematische, über Einzelfälle hinausgehende Auswertung ist daher umstritten und hat zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Trotzdem kann die Tätigkeit einzelner Gerichte nahezu vollständig rekonstruiert werden. Die Gerichtsakten zerfallen in zwei Gruppen: Sie bestehen aus bis zu 200000 Strafakten bzw. Urteilsabschriften und rund 1900 Strafsachenlisten sowie ähnlichen Verzeichnissen.58 Für die Untersuchung der 253. Infanteriedivision waren das Kriegsgericht der Division selbst, aber auch diejenigen Gerichte von Bedeutung, denen die Ersatztruppenteile der Division unterstanden. Vom Kriegsgericht der 253. Infanteriedivision sind insgesamt 511 Verfahrensakten überliefert. Daneben existieren 10 Bände mit Strafsachenlisten und Listen abzugebender Akten, 57 58

Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 401. Vgl. Absolon: Wehrdienst, S. 404. Eine ausführliche Darstellung der Bedeutung von Gerichtsakten der Wehrmacht als Quelle sowie der Struktur der Überlieferung findet sich bei Wüllner, Fritz: Die NS-Militärjustiz und das Elend der Geschichtsschreibung, Baden-Baden 1991, S. 129ff.

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2. Q u e l l e n z u r Sozialgeschichte der W e h r m a c h t

die sich von 1939 bis in den Februar 1945 erstrecken. 59 Damit gehört diese Dienststelle zu den Kriegsgerichten des Heeres, deren Überlieferung am vollständigsten erhalten ist.60 Aus den vergebenen Strafsachenlistennummern lässt sich ableiten, dass zwischen 1939 und 1945 mindestens 2121 Strafsachen durch das Gericht bearbeitet wurden, in denen insgesamt gegen mindestens 2413 Personen ermittelt worden ist.61 In 2142 Fällen konnte die Dienststelle ermittelt werden, welcher der Betreffende angehörte: 1950 Personen waren Angehörige der 253. Infanteriedivision während 192 aus anderen Truppenteilen stammten. In 269 Fällen war eine Dienststelle nicht nachweisbar, hiervon entfallen 255 Verfahren, die nur anhand ihrer Strafsachennummer identifiziert, nicht aber inhaltlich dokumentiert werden konnten. Tabelle 1: Akten

Jahr

1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 Summe

des Gerichts

der 253.

Verfahren

Infanteriedivision'

betroffene Personen

nicht dokumentierte Verfahren

126 433 500 250 293 418 101

129 479 594 287 337 322 10

0 0 0 0 0 162 93

2121

2158

255

Trotz dieser relativ guten Überlieferung befinden sich in den Aufzeichnungen des Kriegsgerichts der 253. Infanteriedivision Lücken, die auch unter Heranziehung anderer Quellen nicht zu schließen waren. Die Verteilung der Verfahren bzw. der Anzahl der Angeklagten und die nicht dokumentierbaren aber nachgewiesenen Prozesse auf die Jahre zwischen 1939 und 1945 " BA ZNS Summarische Bestandsübersicht Gerichtsakten. Vgl. Wüllner: NS-Militärjustiz, S. 136. In den Beständen der BA ZNS befinden sich insgesamt nur 40000 Verfahrensakten von Gerichten des Heeres. Sie repräsentieren etwa 3 % der insgesamt angelegten Akten und verteilen sich auf rund 670 Heeres- bzw. Wehrmachtsgerichte. Unter diesen sind nur 66 Gerichte, von denen mehr als 100 Akten und 22 Gerichte, von denen mehr als 500 Akten erhalten sind. Von letzteren wiederum sind nur 6 Gerichte Feldgerichte, die anderen 16 Gerichte von Ersatztruppenteilen bzw. stationäre Gerichte. Absolon: Wehrgesetz, S. 404 spricht von 150000 Strafakten und Urteilsabschriften. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat die BA ZNS den Bestand Wehrmachtsgerichtsungerlagen I 10 Ost übernommen, der weitere 40000 Verfahrensakten aller Wehrmachtsteile beinhaltet. 61 BA ZNS R H 26 253 G. Zur quellenkritischen Bearbeitung von Strafsachenlisten, vgl. Wüllner: NS-Militärjustiz, S. 112ff. 62 Die Aufstellung beruht auf der Auswertung einer für diese Untersuchung erarbeiteten Datenbank, in der alle Informationen, die in unterschiedlichen Quellen zur Tätigkeit des Gerichts der 253. Infanteriedivision ermittelt werden konnten, zusammengeführt wurden. 60

34

I. Einleitung

zeigt Tabelle 1. Vor allem in der Überlieferung für die letzte Phase des Krieges, aus der nur relativ wenige Verfahrensakten erhalten sind und die D o p pelüberlieferung durch Strafsachenlisten etc. nahezu wegfällt, klaffen erhebliche Lücken. Insbesondere für die letzten beiden Monate des Krieges fehlen Hinweise auf die Tätigkeit des Divisionsgerichts. Entsprechende Einschränkungen müssen bei der Auswertung der Daten für diesen Zeitraum gemacht werden. Die Ersatzeinheiten der 253. Infanteriedivision befanden sich vorwiegend im Zuständigkeitsbereich zweier Gerichte: des Gerichts der Division Nr. 156 und des Gerichts der Division Nr. 526. Beide Gerichte gehören ebenfalls zu den überdurchschnittlich gut dokumentierten Kriegsgerichten. Ferner fanden beim Gericht der Division Nr. 476 kurz vor Kriegsende einige Verfahren gegen Angehörige des Divisionsverbandes statt. Sowohl Akten als auch Strafsachenlisten und andere Verzeichnisse sind für die ersten beiden Gerichte in großem Umfang überliefert.63 In den Strafsachenlisten und Verfahrensakten sind zwischen 1942 und 1945 mehrere hundert Verfahren gegen Angehörige der Ersatztruppenteile der 253. Infanteriedivision nachweisbar. Aus diesen Akten lassen sich Rückschlüsse auf die Tätigkeit der Ersatzgerichte und über den Alltag und das Strafsystem im Ersatzheer ziehen. Daneben wird ein Vergleich möglich zwischen der Praxis des Feldgerichts und des zuständigen Kriegsgerichts für die Ersatztruppenteile, die ja beide grundsätzlich für dieselbe Gruppe von Soldaten zuständig waren. Die Gerichtsakten bieten ein weites Spektrum unterschiedlicher Informationen. Sie lassen sich drei Bereichen zuordnen: Erstens persönlichen, biographischen und laufbahnbezogenen Angaben über die involvierten Personen, die in beiliegenden Kriegsstammrollenblättern und Beurteilungen enthalten sind. Zweitens geben die Gerichtsakten darüber Auskunft, wie das Strafsystem der Wehrmacht, als Teil des Disziplinierungsapparates, mit den Angehörigen der Wehrmacht umgegangen ist und wie sich seine Handlungsmuster radikalisiert haben. Die in diesem Zusammenhang wichtigen Bestandteile der Gerichtsakten sind die Urteile und Urteilsbegründungen sowie die Papiere, die über das weitere Schicksal der Angeklagten während der Strafvollstreckung Auskunft geben. Drittens lassen sich aus dieser Quelle wichtige Erkenntnisse über das Verhalten und die Mentalität der Angehörigen der Wehrmacht selbst gewinnen. Hiervon zeugen ebenso die begangenen Taten wie auch zahlreiche Vernehmungsprotokolle von Angeklagten und Zeugen. Die Strafsachenlisten und andere summarische Verzeichnisse sind dagegen wesentlich weniger detailliert. In ihnen finden sich meist nur einfache persönliche und militärische Daten und eine kurze Benennung der zur Last gelegten Handlung, eine Chronologie des Verfahrens und der Strafvollstreckung, das Urteil und - sofern die Liste ordnungsgemäß geführt werden konnte - Angaben über das weitere Schicksal verurteilter Soldaten. Zumindest aber ist bei nahezu allen Eintragungen die Person des Angeklagten, die BA ZNS Summarische Bestandsübersicht Gerichtsakten.

2. Quellen z u r Sozialgeschichte der W e h r m a c h t

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ihm vorgeworfene Handlung, das Urteil und die Vollstreckung, falls der Fall tatnah verhandelt wurde, oder die anderweitige Bearbeitung des Verfahrens rekonstruierbar. Neben den Strafsachenlisten existieren fragmentarisch Verzeichnisse von Akten, die von Kriegsgerichten etwa an Aktenaufbewahrungsstellen abgegeben wurden. Aus ihnen lassen sich, falls andere Überlieferungen fehlen, zumindest die Verfahren nachweisen, die Angeklagten und teilweise auch das Delikt sowie das Strafmaß erkennen. 64 Für die Rekonstruktion der Tätigkeit des Divisionsgerichts sind diese Listen jedoch ein nicht zu unterschätzender Quellenkorpus, ohne dessen Auswertung sich kaum valide Aussagen über die Struktur der begangenen Delikte sowie über Urteils- und Strafvollstreckungspraxis treffen lassen. Während sich aus den erhaltenen Verfahrensakten Informationen über insgesamt 578 Personen gewinnen ließen, konnten aus den Strafsachenlisten Daten zu weiteren 1580 vor dem Gericht der 253. Infanteriedivision erschienenen Personen hinzugefügt werden. Neben den personenbezogenen Akten des Bundesarchivs existieren beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes mit der Vermisstenbildliste und der Heimkehrerkartei zwei weitere sehr umfangreiche Quellenbestände, die sozialhistorisch relevante Informationen beinhalten. Ihr Inhalt ist nach militärischen Dienststellen geordnet und daher im Rahmen einer Studie, die auf bestimmte Einheiten bezogenen ist, leicht erschließbar. Die Wurzeln des DRK-Suchdienstes liegen bereits in den ersten Jahren nach 1945, in denen sich lokale Initiativen um Hilfe bei der Wiederzusammenführung von Familien, die durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse getrennt worden waren, bemühten. In den 1950er Jahren entwickelte sich die Dienststelle zur Zentrale für die Suche nach verschollenen Zivilisten und Soldaten und konzentrierte sich - da hier die überwiegende Zahl aller Fälle angesiedelt war - vor allem auf Nachforschungen über die so genannten Ostvermissten und Kriegsgefangenen im Osten. Aus ihrer Arbeit entstand eine Reihe von Karteien und Datenbanken, unter denen sich die Vermisstenbildliste und die Heimkehrerkartei ausschließlich auf Angehörige der bewaffneten Formationen des „Dritten Reiches" beziehen. 65 Die Vermisstenbildliste wurde - finanziert durch die Bundesregierung bis 1957 als Hilfsmittel für die Befragung von ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS zur Klärung der Schicksale von vermissten Soldaten erarbeitet. Sie verzeichnet in 199 Bänden Personalangaben über 1,4 Millionen Kriegsverschollene. Bei etwa 900000 Einträgen befinden sich PhoEs handelt sich hier beispielsweise um Verzeichnisse von Akten, die von den Gerichten an Aktenaufbewahrungsstellen weitergegeben wurden. So beispielsweise die Aufstellungen BA ZNS RH 26 253 G 8; BA ZNS RH 26 253 G 9; BA ZNS RH 26 253 G 10. Vgl. Böhme, Kurt W.: Gesucht wird ... Die dramatische Geschichte des Suchdienstes München 1970, S. 87; Overmans: Militärische Verluste, S. 72ff.; Köster-Hetzendorf, Maren: „Ich hab dich so gesucht ..." - Der Krieg und seine verlorenen Kinder, Augsburg 1995, S. 14ff.; Remmers, Wolf gang: Deutsche Dienststelle (WASt) 1939-1999. 60 Jahre im Namen des Völkerrechts (einschließlich Arbeitsbericht der Deutschen Dienststelle (WASt) 1997/1998), Berlin 1999.

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I. Einleitung

tographien des Gesuchten. Erfasst sind in ihr alle den Suchdiensten bekannten Soldaten, deren Schicksal in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre noch nicht hatte aufgeklärt werden können. 66 Die Mehrzahl von ihnen war im Kriegsverlauf in sowjetische Gefangenschaft geraten bzw. galt bei der Wehrmacht als vermisst, ohne dass Rechenschaft über ihr Schicksal hatte abgelegt werden können. 67 Die Vermisstenbildliste ist nach militärischen Einheiten auf der Ebene der Regimenter bzw. Abteilungen geordnet und innerhalb der Abschnitte nach Kompanien und Familiennamen. Jeder Eintrag in der Vermisstenbildliste verzeichnet die persönlichen Daten des betreffenden Soldaten, seinen Beruf vor dem Eintritt in die Wehrmacht, den letzten bekannten Aufenthaltsort und das Datum der letzten Nachricht. 68 Für die Teileinheiten der 253. Infanteriedivision finden sich 2187 Eintragungen, von denen sich 2178 auf an der Ostfront verschollene Angehörige der Division beziehen und 9 Einträge auf Soldaten des Reserve-Pionierbataillons 253, das Ende 1944 in der Schlacht im Hürtgenwald eingesetzt wurde. Die Vermisstenbildliste kann insbesondere für das Abschätzen der personellen Verluste herangezogen werden. Hier ist sie jedoch, da sie nicht alle während des Krieges vermissten Soldaten verzeichnet, sondern nur diejenigen, die etwa 10 Jahre nach Kriegsende immer noch als verschollen galten, hinter der quantitativen Auswertung der Verlustunterlagen bei der Deutschen Dienststelle zweitrangig.69 Das zweite hier wichtige vom DRK-Suchdienst erstellte Verzeichnis ist die Heimkehrerkartei. Sie ist das Ergebnis der vom Kriegsende bis in die erste Hälfte der 1950er Jahre durchgeführten Befragungen von ehemaligen Angehörigen der bewaffneten Formationen des „Dritten Reiches" bei deren Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, wobei der Schwerpunkt, bedingt durch die große Zahl der auf dem östlichen Kriegsschauplatz vermissten Soldaten, auf den aus sowjetischen Lagern Heimkehrenden liegt. Das Ziel war, durch die Befragung von Heimkehrern die Schicksale von Verschollenen aufzuklären und dabei die Strukturen der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion zu rekonstruieren. Daneben galt es, den Verbleib möglichst vieler Truppenteile zu ermitteln, über deren Schicksal nur wenige Informationen vorlagen. 70 Als Ergebnis liegt seit den 1950er Jahren eine nach militärischen Dienststellen und ihren Teileinheiten gegliederte Kartei vor, die zu jedem der befragten Soldaten einige grundlegende Informationen verzeichnet. Die Karteikarten können in Aufbau und Vollständigkeit leicht variieren; bei unvoll64

Böhme: Gesucht wird, S. 216ff.; Ampferl, Monika: Verschollen im Zweiten Weltkrieg. Die Entwicklung des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (50/2002), S. 527-542, S. 534f. 67 Die Vermisstenbildliste beinhaltet also nicht alle von der Wehrmacht ursprünglich als vermisst gemeldeten Soldaten, sondern nur diejenigen, deren Schicksal noch 10 Jahre nach Kriegsende unklar war. Zudem sind insbesondere aus den letzten Kriegsmonaten Einträge enthalten, die im regulären Meldesystem der Wehrmacht aufgrund der Kriegslage nicht mehr enthalten sind bzw. für die die entsprechenden Unterlagen zerstört wurden. (>8 Overmans: Militärische Verluste, S. 91; DRK-Suchdienst, Vermisstenbildliste. 69 Vgl. Köster-Hetzendorf: Krieg, S. 16. 70 Vgl. Böhme: Gesucht wird, S. 218ff.; Overmans: Militärische Verluste, S. 87f.

2. Quellen z u r Sozialgeschichte der Wehrmacht

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ständigen Karten existiert jedoch meist eine vollständigere Dublette, aus der ein relativ vollständiger Datensatz rekonstruiert werden kann. Sie enthalten neben Namen, Vornamen, Geburtsort- und -datum des Befragten, dessen Beruf sowie seine Vor- und Nachkriegsadresse. Das Datum der Gefangennahme ist vermerkt und in der überwiegenden Zahl der Fälle Angaben über den Aufenthalt in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern. Bezüglich der Zugehörigkeit zur Wehrmacht finden sich die letzte und die vorletzte Einheit, der ein Soldat angehört hat, zusammen mit Zu- und Abgangsdaten, Dienstgrad und Dienststellung. 71 Da die in der Heimkehrerkartei enthaltenen Informationen auf der Erinnerung der befragten Personen beruhen, sind sie teilweise sehr grob oder ungenau. Der Vergleich etwa zwischen den Angaben über die Dienststellen in den Wehrstammbüchern oder Wehrpässen und den entsprechenden Vermerken auf den Karteikarten der Heimkehrerkartei zeigt, dass hinter der von den Soldaten angegebenen Verweildauer in einer bestimmten Einheit oft eine ganze Reihe von Versetzungen innerhalb der Teileinheiten oder sogar die zeitweilige Zugehörigkeit zu anderen Truppenteilen steht. Der Forschung ist die Heimkehrerkartei, die im Unterschied zur Vermisstenbildliste nicht veröffentlicht wurde, heute beim DRK-Suchdienst in München zugänglich. Die Abteilung, die sich auf die 253. Infanteriedivision bezieht, umfasst 3640 Karteikarten. Ihre Auswertung ergab nach Ermittlung der Doppeleinträge Angaben über 3492 Soldaten, die während des Krieges zu den Teileinheiten dieser Division gehört haben. Von ihnen gerieten schließlich 2542 Personen bei der 253. Infanteriedivision auf dem östlichen Kriegsschauplatz in Gefangenschaft, 50 weitere bei den Ersatzeinheiten der Division während der Endkämpfe im Westen. 856 Soldaten schieden vor ihrer Gefangennahme aus der Division aus und gerieten bei anderen Dienststellen in Kriegsgefangenschaft. Bei 44 Einträgen lässt sich nicht ermitteln, zu welcher Einheit die Betreffenden bei ihrer Gefangennahme gehörten. 72 Die Heimkehrerkartei gibt über drei Themenkomplexe Auskunft: Erstens verzeichnet sie nur Personen, die Krieg und Gefangenschaft überlebt haben und insbesondere wie deren Übergang in die Kriegsgefangenschaft erfolgte. Die Einträge können also die Biographien ergänzen, die aus den Personalunterlagen der Wehrmacht selbst ermittelt wurden und vor allem die Hinweise darauf vervollständigen, wie viele der Angehörigen der Division Krieg und Kriegsgefangenschaft überlebt haben. Zweitens ist die Heimkehrerkartei eine für die Erfassung der sozialen Zusammensetzung der Einheiten während der Endphase des Krieges eine bedeutende Quelle, da andere Überlieferungen für diesen Zeitraum zunehmend lückenhaft werden. 73 Von den Karteikarten, die sich auf Soldaten beziehen, die bei der 253. Infanteriedivision in Gefan71 72

73

DRK-Suchdienst, Heimkehrerkartei, Siehe S. 476. Diese Angaben beruhen auf der Auswertung der Datenbank, in der alle Einträge aus der Heimkehrerkartei erfasst wurden, die sich auf Soldaten der 253. Infanteriedivision beziehen. DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnisse; DDSt, Verlustunterlagen. Siehe S. 455. Sowohl Erkennungsmarkenverzeichnisse als auch Verleihungslisten sind für das erste Quartal 1945 nur noch bruchstückhaft vorhanden.

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I. Einleitung

genschaft geraten sind, beziehen sich 2121 von 2591 Einträgen auf Personen, die bei den Endkämpfen der Division in sowjetische Gefangenschaft geraten sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Heimkehrerkartei nur Personen verzeichnet, die ihre Kriegsgefangenschaft überlebt haben und bei der Rückkehr durch einen der Suchdienste befragt worden sind. Daten über Soldaten, die in der Gefangenschaft verstorben sind, fehlen daher. Hier kann die Kombination mit einem Auszug aus der Vermisstenbildliste für den entsprechenden Zeitraum eine Ergänzung bieten. Die Analyse dieser beiden Karteien ist jedoch nach wie vor die einzige Möglichkeit, sich dem Sozialprofil bestimmter Einheiten in den letzten Monaten des Krieges anzunähern. Drittens schließlich erlauben die in der Heimkehrerkartei enthaltenen Informationen über das Schicksal der befragten Personen während ihrer Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion - in der Regel findet sich ein Itinerar der Lageraufenthalte - die Verfolgung der Divisionsangehörigen in diesem Lebensabschnitt. Die Deutsche Dienststelle (WASt) in Berlin verwahrt zwei für die Sozialgeschichte der Wehrmacht bedeutende Bestände: die Erkennungsmarkenverzeichnisse und die Verlustunterlagen. 74 Die Dienststelle wurde am 26. August 1939 gemäß Artikel 77 der Genfer Konvention, der kriegführende Staaten dazu verpflichtete, mit Beginn der Feindseligkeiten eine Auskunftsstelle über die auf ihrem Gebiet befindlichen Kriegsgefangenen einzurichten, unter der Bezeichnung Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegsverluste und Kriegsgefangene (WASt) ins Leben gerufen. Neben der Wahrnehmung der Auskunftspflichten bezüglich der Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam waren die Auswertung und Verwaltung der Verlustmeldungen der deutschen Wehrmacht zentrale Aufgabe der WASt. Hinzu kamen die Führung der Erkennungsmarkenverzeichnisse und die Bearbeitung der Personalveränderungsmeldungen. 75 Nach Ende des Krieges - und nach der Zusammenführung der in der Endphase des Krieges über weite Teile Deutschlands verstreuten Aktenbestände - wurde die ehemalige Wehrmachtsauskunftstelle zur Deutschen Dienststelle (WASt) mit der Aufgabe der Schicksalsklärung und der Beurkundung von Kriegssterbefällen.76 In den Erkennungsmarkenverzeichnissen wurde jede Veränderung im Personalbestand einer Einheit auf der Ebene der Kompanie bzw. vergleichbarer Gliederungen erfasst. Sie beginnen meist mit der so genannten Urliste, die bei der Aufstellung einer Einheit und der Ausgabe der Erkennungsmarken an die zu diesem Zeitpunkt zu der Einheit gehörigen Soldaten angefertigt Beide Bestände sind das Ergebnis eines sehr komplexen Meldesystems für Personalveränderungen in der Wehrmacht, in dem die WASt ein zentraler Knotenpunkt war. Eine genaue Darstellung des Meldewesens findet sich bei Overmans: Militärische Verluste, S. 13ff.; Absolon: Wehrrechtliche Gutachten, Band 15, Nr. 5: Erkennungsmarken und Erkennungsmarkenverzeichnisse bei der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, S. 42f. Die Erkennungsmarkenverzeichnisse werden durch die Personalveränderungsmeldungen ergänzt. Im Folgenden wird dieser Bestand als Erkennungsmarkenverzeichnisse bezeichnet. Vgl. Remmers: Deutsche Dienststelle, S. 15f.; Overmans: Militärische Verluste, S. 23. Vgl. Overmans: Militärische Verluste, S. 104-137.

2. Quellen zur Sozialgeschichte der W e h r m a c h t

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wurde. Anschließend wurde jede Veränderung in monatlich einzureichenden Veränderungsmeldungen dokumentiert, in denen alle im Berichtszeitraum angefallenen Ab- und Zugänge verzeichnet waren. Die bei der Deutschen Dienststelle erhaltenen Erkennungsmarkenverzeichnisse umfassen etwa 100 Millionen personenbezogene Eintragungen, die nach Dienststellen und innerhalb der Dienststellen chronologisch geordnet vorliegen.77 Die Urlisten und Veränderungsmeldungen beinhalten neben der Nummer der Erkennungsmarke, Name, Vorname, Geburtsort und -tag der aufgeführten Personen, die Heimatadresse sowie einen Eintrag über den Grund des Ab- oder Zuganges sowie die entsprechend versetzende oder empfangende Einheit. 78 Für die 253. Infanteriedivision sind die Erkennungsmarkenverzeichnisse aller Teileinheiten erhalten. Exemplarisch wurden Urlisten und Veränderungsmeldungen des Infanterie- bzw. Grenadierregiments 453 von November 1939 bis Januar 1945 ausgewertet. Das Ergebnis ist ein quantitativer Überblick über die Struktur der monatlichen Ab- und Zugänge jeder Kompanie des Regiments. Die gesammelten Verlustmeldungen der Wehrmacht, die sich, soweit sie erhalten sind, ebenfalls bei der Deutschen Dienststelle befinden, sind der zweite für diese Untersuchung wichtige Quellenbestand. 79 Im Fall der 253. Infanteriedivision sind diese Verlustmeldungen von Mai 1940 bis März 1945, vereinzelt auch bis in den April 1945, erhalten. Sie verzeichnen alle durch Tod, Verwundung, Verschollenheit oder Krankheit bedingten Abgänge von Soldaten aus den Einheiten der 253. Infanteriedivision. Alle überlieferten Verlustmeldungen der 253. Infanteriedivision wurden quantitativ und qualitativ ausgewertet. Als Ergebnis liegt eine detaillierte Aufstellung der Verluste der Teileinheiten auf der Bataillons- bzw. Abteilungsebene für jeden Monat von Mai 1940 bis Februar 1945 vor. Obwohl - bedingt durch die Probleme des Meldewesens der Wehrmacht selbst und die kriegsbedingten Lücken in der Überlieferung - nicht davon ausgegangen werden kann, dass das erarbeitete Zahlenmaterial absolut exakt ist, bietet es jedoch den bestmöglichen und bislang genauesten Überblick über tote, verwundete und vermisste Soldaten einer Infanteriedivision der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.80 Ergänzend zur Auswertung personenbezogener Massendaten wurden die Sachakten der Wehrmacht bearbeitet. Sie sind unverzichtbar für die RekonVgl. Remmers: Deutsche Dienststelle, S. 162. Eine genaue Darstellung von Führung, Inhalt und Aufbau der Erkennungsmarkenunterlagen findet sich bei Filges: Leitfaden, Teil XIII, Erkennungsmarken. Vgl. auch Remmers: Deutsche Dienststelle, S. 20f. Vgl. Overmans: Militärische Verluste, S. 14-16; Remmers: Deutsche Dienststelle, S. 23f Vgl. zu den Problemen des Meldesystems bei Müller-Hildebrand: Statistic Systems, Study P011, S. 55ff. Aufgrund der sich aus der Organisation des Meldewesens ergebenden Ungenauigkeiten und die unvollständige Aktenlage, die es insbesondere nahezu unmöglich macht, vollständige und kontinuierliche Angaben über die Verluste auf Regiments- oder Bataillonsebene zu ermitteln, ist davon auszugehen, dass die quantitative Auswertung der bei der DDSt vorliegenden Verlustmeldungen die heute vielversprechendste Alternative für die Ermittlung von Verlustzahlen für einzelne Einheiten ist. Aufgrund der Aktenlage sind für den Zeitraum von 1939 bis Ende 1944 relativ genaue Zahlen verfügbar.

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I. Einleitung

struktion der Rahmenbedingungen des sozialen und institutionellen Wandels. Dabei standen einerseits qualitative Informationen über militärische Strukturen, Ereignisse und Personen im Vordergrund andererseits die im Dienstbetrieb entstehenden quantitativen Angaben. Die relevanten Akten befinden sich vorwiegend in zwei Archiven: dem Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg und - in Kopie auf Mikrofilm - bei der National Archives and Records Administration in Washington D O 8 1 Die Bestände zerfallen in zwei Gruppen: in erster Linie die Sachakten der 253. Infanteriedivision selbst. Für den Zeitraum von 1939 bis Mitte bzw. Ende 1943 besitzen sie eine relativ hohe Überlieferungsdichte. So sind nicht nur die Kriegstagebücher der Abteilung la mit den zugehörigen Anlagebänden erhalten, sondern auch die Akten der Quartiermeisterabteilung sowie Unterlagen anderer Stabsabteilungen. 82 Aus ihnen lassen sich militärische Ereignisse ebenso rekonstruieren wie die quantitative Entwicklung der Personallage, die Behandlung der Zivilbevölkerung und - insbesondere aus den Akten des Quartiermeisters ökonomische und logistische Prozesse unter den spezifischen Bedingungen der Kriegssituation, die mit der Existenz einer so komplexen und vieltausendköpfigen Organisation verbunden waren. In engem Zusammenhang mit diesen Akten steht die Überlieferung der zuständigen Ersatzdivisionen, von 1939 bis Ende 1942 der Division Nr. 156, dann von 1942 bis 1945 der Division Nr. 526. Hier sind Umfang und Qualität wesentlich niedriger, so dass nur punktuell Informationen gewonnen werden konnten. 83 Die zweite große Gruppe von Quellen besteht aus den Akten der Armeekorps und Armeen, denen die 253. Infanteriedivision im Verlauf des Zweiten Weltkrieges unterstellt war.84 Diese Akten sind insbesondere für den Zeitraum nach 1943 von Bedeutung, in dem die Überlieferung der Division selbst abreißt. Aber auch für die Periode, in der eine Doppelüberlieferung besteht, finden sich in den Akten übergeordneter Dienststellen Berichte und aggregierte Informationen, die nach der Weitermeldung auf dem Dienstweg bei der Division selbst nicht erhalten geblieben sind. Daher wurden jeweils die Akten der Armee- bzw. Panzerkorps ausgewertet, denen die 253. Infanteriedivision von Mitte 1941 81

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Neben der Aktenauswertung im BA MA in Freiburg erfolgte für einige Bestände aus Gründen der Arbeitsökonomie die Bearbeitung von Kopien, die von der NARA, Washington DC, auf Mikrofilm bezogen werden können. Es handelt sich um Korpsakten aus dem Bestand T-314 und Divisionsakten aus dem Bestand T-315. Im Folgenden werden Akten aus dem BA-MA, da die Seiten in den einzelnen Aktenbänden nicht paginiert sind, unter Nennung der Signatur des Aktenbandes, in dem sie sich befinden, sowie Betreff und Datum zitiert. Akten aus der NARA werden durch Angabe der Bestandnummer, Filmnummer und der Seitennummer nach der Paginierung des entsprechenden Films bezeichnet. Ein Betreff wird hier nur gesondert angegeben, wenn es aus quellenkritischen Gründen notwendig ist. Vgl. BA MA Findbuch RH 26, Bestand RH 26 253. Für die Div. Nr. 156 ist, abgesehen von den Akten des Kriegsgerichts, in den wenigen erhaltenen Sachakten für diese Frage kaum relevantes Material zu finden. Bei der Div. Nr. 526 sind insbesondere für das Jahr 1944 die Divisionsbefehle und bis ins Jahr 1945 die Themen und Termine des NSFO eines der Infanterieersatzregimenter erhalten. Diese Bestände sind im BA MA auf Mikrofilm erhalten. BA MA RH 26 526 T U 0184/7; BA MA RH 26 526 TU 0184/8. Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 223f.

2. Q u e l l e n z u r Sozialgeschichte der Wehrmacht

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bis 1945 unterstellt war. Einbezogen wurden die Bestände der Operationsabteilung (la), der Abwehrabteilung (Ic) und der Quartiermeisterabteilung (Ib), punktuell auch anderer Abteilungen für die Zeiträume, in denen die Division zu dem entsprechenden Korps gehört hat.85 Neben dieser systematischen Auswertung der Sachakten wurden verschiedene Einzelstücke in die Betrachtung einbezogen. So haben etwa zwei Offiziere der 253. Infanteriedivision in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft als Teilnehmer am Foreign Military Studies Programm Berichte über ihre Erfahrungen auf dem östlichen Kriegsschauplatz verfasst,86 die interessante Aufschlüsse sowohl über das Untersuchungsobjekt als auch - in Verbindung mit anderen Quellen - über die Autoren selbst erlauben. 87 Daneben erwiesen sich Berichte als relevant, die eine Zusammenarbeit der Division mit Einheiten der Waffen-SS, insbesondere den SS-Kavalleriebrigaden thematisieren, 88 aber auch Dokumente aus der Nachkriegszeit, wie etwa die Rechtshilfebefragungen, die bezüglich der Verurteilung und Inhaftierung des letzten Kommandeurs der Division durch die Sowjetunion vom Deutschen Roten Kreuz bzw. der Zentralen Rechtsschutzstelle durchgeführt wurden. 89

Siehe dazu das Quellenverzeichnis der hier genutzten Bestände aus dem BA MA, S. 454, bzw. das Quellenverzeichnis der von der NARA bezogenen Aktenbestände, S. 456. Ein Verzeichnis der hier verwendeten FMS findet sich auf S. 454 und S. 456. Es handelt sich zum einen um Studien um die Personalallokation in der Wehrmacht, zum anderen um Texte, die von ehemaligen Offizieren der 253. Infanteriedivision verfasst wurden oder Einheiten des Divisionsverbandes betreffen. Vgl. dazu Wegner, Bernd: Erschriebene Siege. Franz Halder, die „Historical Division" und die Rekonstruktion des Zweiten Weltkrieges im Geiste des deutschen Generalstabes, in: Hansen, Ernst Willi; Schreiber, Gerhard; Wegner, Bernd (Hrsg.): Politischer Wandel, organisierte Gewalt und nationale Sicherheit. Beiträge zur neueren Geschichte Deutschlands und Frankreichs, München 1995, S. 287-302. Baade, Fritz; Behrendt, Richard F.; Blachstein, Peter u. a. (Hrsg.): Kriegstagebuch des Kommandostabes Reichsführer SS. Tätigkeitsberichte der 1. und 2. SS-Inf.-Brigade, der 1. SS-Kav.Brigade und von Sonderkommandos der SS, Wien 1965. Vgl. zum KRFSS auch Büchler, Yehoshua: Kommandostab Reichsführer-SS: Himmlers Personal Murder Brigades in 1941, in: Holocaust and Genocide Studies (1/1986), S. 11-25. BA KO Zentrale Rechtsschutzstelle B 305 Akte 33163.

II. DIE 253. INFANTERIEDIVISION

1. MILITÄRISCHE OPERATIONEN 1939 BIS 1945 Die 253. Infanteriedivision wurde Anfang September 19391 bei Düsseldorf im Wehrkreis VI als eine Division der 4. Welle aufgestellt.2 Den entsprechenden Mobilmachungsplänen folgend, bestanden die Einheiten der Division aus Ergänzungsbataillonen, die zur Ausbildung derjenigen Geburtsjahrgänge geschaffen worden waren, die durch das Aussetzen der Wehrpflicht zwischen 1918 und 1935 nicht militärisch ausgebildet worden waren. Die 253. Infanteriedivision wies daher bei ihrer Mobilisierung einen hohen Anteil von Reservisten oder gänzlich ungedienten Soldaten und nur wenige aktive oder Berufssoldaten auf. Daneben existierten vor der Aufstellung keine Stäbe, so dass auch die Führungsebene der Einheiten erst zusammengestellt werden musste.3 Aus diesem Grund war die 253. Infanteriedivision zu Kriegsbeginn noch nicht einsatzfähig. Sie war nicht an den Operationen gegen Polen oder in Skandinavien beteiligt, sondern verbrachte die ersten Kriegsmonate mit der Grenzsicherung und der Ausbildung ihres Personals im Raum zwischen Düsseldorf, Köln und Aachen. Seit Februar 1940 stand die Division südlich von Aachen als linke Flügeldivision der Heeresgruppe B, deren Aufgabe es als Teil des Manstein-Plans war, über die Niederlande und das nördliche Belgien vorzurücken, um so die Ausführung des alliierten Dyle-Plans auszulösen. 4 Mit Beginn des deutschen Angriffs auf Frankreich und dem damit verbundenen Überfall auf Belgien, Luxemburg und die Niederlande, rückte die 253. Infanteriedivision mit dem Ziel, bei Vise den Maasübergang zu erzwingen, in das Gebiet zwischen Aachen und Liege vor. Nach dem Abschluss der ersten Kampfphase mit der Eroberung von Liege, in diesem Zusammenhang wurden Teile des Infanterieregiments 453 in erste verlustreiche Kampfhandlungen um die belgische Festung Neufchäteau verwickelt, während das Artillerieregiment 253 u. a. an der Beschießung des Forts Battice beteiligt war, begann der weitere Vormarsch über Namur und Charleroi auf die nordfranzösische Stadt Lille.5 Hier kämpfte die Division sowohl gegen reguläre fran1 2

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5

NARA T-314 Film 1754 Frame 134ff. BA MA RH 26 253 51, Tätigkeitsbericht Nr. 1 der Abt. IVa vom 26.08.1939 bis 12.04.1941; Tessin Band 1, S. 45f.; Tessin: Verbände, Band 16.1, S. 290. Unter einer Welle ist im Zusammenhang mit der Truppenmobilisierung die zeitgleiche Aufstellung militärischer Verbände mit gleicher Struktur und Ausrüstung zu verstehen; vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. 40. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S, 45; NARA T-315 Film 1754 Frame 146ff. Vgl. Frieser, Karl-Heinz: Blitzkrieg Legende. Der Westfeldzug 1940, München 1995; DRZW, Band 2, S. 284ff. Technische Schule des Heeres und Fachschule des Heeres für Technik (Hrsg.): Fort Neufchäteau, Fort Battice, Fort Tancrement, Aachen o.J., S. 7, 27.

1. Militärische Operationen 1939 bis 1945

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zösische Truppen als auch gegen Einheiten des britischen Expeditionskorps. 6 Nach der Kapitulation Belgiens und der Einnahme von Lille drehte die Division nach Süden ab. Sie überschritt in der zweiten Junihälfte zunächst die Marne, passierte Chälons sur Marne, überquerte bei Vitry den Rhein-Marne Kanal rückte über Brienne zur Saine vor, überquerte auch diese und stand bei der französischen Kapitulation südwestlich von Precy. 7 Vom 15. Juli 1940 bis Mitte April 1941 war die Division um Chälons sur Marne in Frankreich stationiert. Hier oblagen ihr der Aufbau der Besatzungsverwaltung, der Ernte- und Arbeitseinsatz alliierter Kriegsgefangener und die Kontrolle der Flüchtlingsbewegungen. Nach dem Transport in die Bereitstellungsräume für den Angriff auf die Sowjetunion lagen die Truppen der 253. Infanteriedivision zwischen April und Juni 1941 im Raum Angerapp in Ostpreußen an der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie und trafen Vorbereitungen für ihre weitere Verwendung. 8 Am 22. Juni 1941 begann die Division das Unternehmen „Barbarossa" als Reserve der 16. Armee hinter dem rechten Flügel der Heeresgruppe Nord, dessen erstes Angriffsziel Kaunas war. 9 Im Juli rückten die Soldaten durch Litauen und Lettland vor, wobei sich nur kleinere Abteilungen bei den Angriffsspitzen befanden, während dem größten Teil der Infanterie die Aufgabe zufiel, das von der Wehrmacht überrannte Gebiet nach versprengten Soldaten der Roten Armee zu durchkämmen und so genannte Befriedungsaktionen durchzuführen. 10 Ende Juli war die Division an der Schlacht um Welikije Luki und schließlich an der Eroberung der Stadt beteiligt, bei der ihre Kampftruppen empfindliche Verluste erlitten." Zwischen September und Dezember 1941 erfolgte der Vormarsch auf Rshew, nordwestlich von Moskau. Die 253. ID war in der Zwischenzeit vom rechten Flügel der Heeresgruppe N o r d auf den linken Flügel der Heeresgruppe Mitte gewechselt und gehörte mit einer kurzen Unterbrechung bis in den April 1943 dem XXIII. Armeekorps der 9. Armee an.12 Ihr Vormarsch 6

Die Ereignisse bei der 253. Infanteriedivision lassen sich anhand der Divisionsakten detailliert nachvollziehen. NARA T-315 Film 1754, KTB Nr. 1, Teil 1 und 2, 06.09.1939-31.10.1940 sowie Anlagen zum KTB, insbesondere ab Frame 534. 7 Der Weg der 253. Infanteriedivision im Westfeldzug lässt sich anhand vorliegender Karten genau verfolgen. Vgl. dazu Thies, Klaus-Jürgen: Der Zweite Weltkrieg im Kartenbild. Aufgrund von Lageatlanten und Einzelkarten des Oberkommandos der Wehrmacht, des Generalstabs des Heeres, der Seekriegsleitung, des Generalstabs der Luftwaffe und anderer Führungsstäbe, Band 3, Der Westfeldzug, Osnabrück 1994. Ebenso sind die Eintragungen in den Geheimen Tagesberichten der Wehrmachtführung eine wichtige Quelle, mit deren Hilfe die militärischen Zusammenhänge analysiert werden können. Vgl. Mehner, Kurt (Hrsg.): Die Geheimen Tagesberichte der deutschen Wehrmachtführung 1939-1945. Die gegenseitige Lageunterrichtung der Wehrmacht-, Heeres- und Luftwaffenführung über alle Haupt- und Nebenkriegsschauplätze, 12 Bände, Osnabrück 1984-1995, hier Band 2, S. 99, 101, 103,107,109, 112, 115,117,118, 120, 121. 8 N A R A T-315 Film 1755, KTB Nr. 2, 01.11.1940-13.04.1941 und Anlagen. 9 Siehe zum Folgenden auch die beiden Vorsatzkarten auf den Einbandinnenseiten. >° N A R A T-315 Film 1756, KTB Nr. 3, 14.04.1941-03.12.1941 und Anlagen. 11 N A R A T-315 Film 1756, Frame 3ff., insbesondere Frame 17, Gefechtsbericht der 253. Infanteriedivision über die Kämpfe bei Welikije Luki vom 27.07.-02.08.1941. 12 Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 223f.

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II. Die 253. Infanteriedivision

zwischen dem Wolgo-See und Rshew mit Stoßrichtung auf Kalinin dauerte bis etwa Mitte Dezember 1941 an und endete an der Wolga. 13 Dann erzwangen die sowjetische Gegenoffensive sowie die hohen Verluste an Personal und Material den endgültigen Übergang in die Defensive. Die Division übernahm die Verteidigung eines Frontabschnitts bei Sselisharewo, etwa 70 km nördlich von Rshew. Hier verbrachte sie den Winter 1941/42 und nahm an den Abwehrkämpfen der 9. Armee teil, bei denen sie im Januar 1942 eingekesselt und von den deutschen Linien abgeschnitten wurde. 14 Nachdem sich die Lage stabilisiert hatte, verging der größte Teil des Jahres 1942 ohne bedeutende Veränderungen des Frontverlaufs im Stellungskrieg, da sich der deutsche Operationsschwerpunkt zur Heeresgruppe Süd verlagert hatte. Unterbrochen wurde diese relativ ruhige Phase durch die Versuche der Roten Armee, den Frontvorsprung um Rshew, von dem aus Moskau nach wie vor bedroht werden konnte, zu bereinigen. 15 Die zweite Schlacht um Rshew im Juli und August 1942 sowie die dritte Schlacht um die Stadt im Winter 1942 erlebte der größte Teil der Division an der nördlichen Peripherie der Kampfhandlungen, während einzelne Einheiten zeitweise anderen Divisionen unterstellt wurden und an den äußerst verlustreichen Kämpfen in der Stadt Rshew selbst teilnahmen. 16 Zu Beginn des Jahres 1943 entschloss sich die deutsche Führung zur Räumung des Gebietes um Rshew, das wie ein Balkon aus der in den Kämpfen des Winters 1941/42 weit zurückgeworfenen deutschen Hauptkampflinie hinausragte. 17 Diese Operation sollte die Front der Heeresgruppe Mitte verkürzen und so dringend benötigte Kampfverbände zur Verstärkung anderer Frontabschnitte verfügbar machen. Nach dem Abschluss des Rückzuges, der Büffelbewegung (März 1943), wurde die 253. Infanteriedivision gemeinsam mit weiteren 21 Divisionen, die nach und nach aus ihrem bisherigen Einsatzraum herausgezogen wurden, verlegt. Im Juli 1943 erfolgten die endgültige Ablösung der Division und ihr Transport aus dem Raum Jarzewo nach Süden in das Gebiet nördlich von Orel. 18 Hier wurde sie in die 4. Armee eingegliedert und war an der Nordostflanke des Orelbogens an der Abwehr der sowjetischen Gegenoffensive, die auf den Misserfolg der deutschen Sommeroffensive 1943 bei Orel und Kursk folgte, beteiligt. Mit Aufgabe des Orelbogens wurde die Division wieder an die 9. Armee überstellt. In deren Verband erfolgte in der zweiten Jahreshälfte 1943 der Rückzug auf Brjansk und schließlich in die hinter dem Dnjepr gelegene Pan13 14

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Vgl. Mehner: Geheime Tagesberichte, Band 4, S. 22, 24, 30, 32, 44, 46,131, 141. NARA T-315 Film 1756, KTB Nr. 4, 04.12.1941-13.04.1942 und Anlagen. Vgl. dazu auch die Lagekarten der Heeresgruppe Mitte, in: Mehner: Geheime Tagesberichte, Band 5, Heeresgruppe Mitte, Lagekarte vom 01.06.1942; 02.07.1942; 08.08.1942; 01.09.1942; 01.10.1942; 02.11.1042; 01.12.194201.02.1943; 04.04.1943; 04.05.1943. BA MA RH 20 9 66, Die Winterschlacht von Rshew; BA MA RH 20 9 635, Aus dem Kampf der 9. Armee. NARA T-315 Film 1757, KTB Nr. 5, 14.04.1942-31.12.1942 und Anlagen. NARA T-315 Film 1759, KTB Nr. 6, 01.01.1943-30.06.1943; vgl. DRZW, Band 6, S. 1082ff, S. 1088, Fußnote 113. NARA T-315 Film 1760 Frame 961.

1. Militärische O p e r a t i o n e n 1939 bis 1945

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Herstellung bei Gomel. 19 Den Winter 1943/44 bestimmten die Abwehrkämpfe südöstlich von Bobruisk an der Beresina. Hier hoffte die deutsche Führung, die Front längerfristig stabilisieren zu können. Daher begannen erneut der Aufbau eines Verteidigungssystems und die Errichtung einer Besatzungsverwaltung zur Kontrolle des von der Division besetzten Gebietes. 20 Bevor die Rote Armee dieses Gebiet bei ihrer Großoffensive im Juli 1944 überrannte, wurde die Division jedoch aus dem XXXXI. Panzerkorps herausgelöst und dem EVI. Panzerkorps unterstellt, so dass sie nicht das Schicksal der zahlreichen vernichteten deutschen Verbände teilte. Anfang April 1944 wurde sie mit dem EVI. Panzerkorps im Bahntransport nach Cholm verlegt, um am Entsatzangriff auf Kowel teilzunehmen. 21 Im Juni 1944 wurde die Division der 4. Panzerarmee unterstellt. Sie gehörte damit nicht mehr zur Heeresgruppe Mitte, sondern zur Heeresgruppe Nordukraine. 2 2 Im Verlauf der durch die sowjetische Sommeroffensive ausgelösten Rückzugsbewegungen zog sich die 253. Infanteriedivision in der zweiten Jahreshälfte, vorbei an Cholm und Lublin über den Bug auf das Westufer der Weichsel zurück. Nach einigen Wochen Stellungskrieg schlössen sich ab Oktober 1944 Rückzugskämpfe durch die Ost- und die Westbeskiden nach Oberschlesien an. Die 253. Infanteriedivision gehörte mittlerweile unter wechselnder Korpszugehörigkeit zur 1. Panzerarmee der Heeresgruppe Mitte. In dieser Konstellation verbrachte sie die letzten Monate des Krieges zwischen März und Mai 1945 im Raum Schwarzwasser und in Mähren. 23 Sie zog sich vor der Roten Armee über Freistadt Teschen und Mährisch Ostrau in den Raum Deutsch-Brod südlich von Prag zurück. 24 Hier gehörte die 253. Infanteriedivision zu den Einheiten, deren Aufgabe es war, der vorrückenden Roten Armee Widerstand zu leisten, um Teilen der Heeresgruppe Mitte die Möglichkeit zu geben, sich den US-amerikanischen Streitkräften zu ergeben.25 Die Reste der 253. Infanteriedivision kapitulierten mit Kriegsende und gerieten zwischen dem 8. und dem 10. Mai 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der die überlebenden Soldaten der Division zwischen 1947 und 1950 zurückkehrten. 26 Zusammenfassend lässt sich die Geschichte der 253. Infanteriedivision damit in zwei Phasen teilen. Der Verband wurde als Bestandteil einer der er-

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Vgl. von Bönninghausen: 253. Infanteriedivision S. 7ff. BA MA R H 26 253 74. Vgl. Mehner: Geheime Tagesberichte, Band 10, S. 116-126. Vgl. Mehner: Geheime Tagesberichte, Band 10, Dislokation Heeresgruppe Nordukraine, Stand 02.06.1944; 02.07.1944. Vgl. Duffy, Christopher: Red Storm on the Reich. The Soviet March on Germany, 1945, London 1991, S. 142ff. Vgl. von Bönninghausen: 253. Infanteriedivision, S. lOff. Vgl. Nehring, Walther K.: Das Ende der 1. Panzerarmee: Mai 1945 - Mährischer Raum, in: Deutscher Soldatenkalender, 1960, S. 54-68. Vgl. Mehner: Geheime Tagesberichte, Band 12, Dislokation der Heeresgruppe Mitte, Stand 02.02.1945; 20-03.1945. Zu den militärischen Operationen der 253. Infanteriedivision in der letzten Kriegsphase, vgl. auch von Bönninghausen: 253. Infanteriedivision, S. 11 ff.

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II. Die 253. Infanteriedivision

sten Mobilmachungswellen nach Kriegsbeginn aufgestellt und hat daher nicht an den ersten Feldzügen der Jahre 1939/40 teilgenommen. An ihre Beteiligung am Westfeldzug schloss sich der achtmonatige Besatzungsdienst in Frankreich an. Er beendete die erste Phase. Im Zeitraum zwischen April 1941 und Mai 1945 wurde die Division auf dem Kriegsschauplatz im Osten eingesetzt. In dieser zweiten, wesentlich längeren Phase, nahm sie im Rahmen der Heeresgruppen Nord, Mitte und Nordukraine am Krieg gegen die Sowjetunion teil. Eine vom Generalstab des Heeres geführte Statistik, die jeder Division für jeden Tag des Krieges Einsatzpunkte zuordnete, weist für die 253. Infanteriedivision im Zeitraum vom 22. Juni 1941 bis zum 30. Juni 1944 eine Summe von 1399 Einsatzpunkten aus. Dieser Wert liegt um 36 % über dem für alle Divisionen errechneten Durchschnitt. 27 Da der Durchschnittswert vermutlich durch die extrem unterschiedlichen Einsatzbedingungen und Schicksale der Einheiten verzerrt wird - er repräsentiert ebenso Sicherungsdivisionen, die nur eine geringe Zahl von Einsatzpunkten sammelten, wie zerschlagene Truppenteile, die eine hohe Punktzahl besaßen spricht die Zahl der Einsatzpunkte im Fall der 253. Infanteriedivision für ein typisches Divisionsschicksal auf dem östlichen Kriegsschauplatz. Unter Berücksichtigung von Verlegungen und der während des Einsatzes zurückgelegten Strecken hat sich die Division von ihrer Aufstellung 1939 bis zur Kapitulation 1945 über eine Distanz von 6000 bis 7000 Kilometern Luftlinie bewegt. 28 Dabei ist sie mehrfach nur durch ihre Position bzw. den Zeitpunkt ihrer Verlegung einer möglichen Vernichtung entkommen. Von Juni 1941 bis Mai 1945 stand die Division insgesamt 47 Monate im Einsatz. Davon verbrachte sie etwa 45 Monate in der Hauptkampflinie. Die wenigen Unterbrechungen der Kampfeinsätze bestanden in der Verlegung aus dem Raum Rshew in die Nähe von Orel im Frühjahr 1943 und kurzen Perioden im Juli 1941, Juli 1943 und Juli 1944, in denen sich die Division aufgrund von Truppenverschiebungen, Umgliederungen oder Reorganisation im rückwärtigen Gebiet ihres jeweiligen Korps aufhielt.29 Sie wurde zu keinem Zeitpunkt vollständig aufgerieben und nie zur vollständigen Auffrischung aus der Hauptkampflinie abgezogen. Hinter dieser Divisionsgeschichte verbirgt sich eine Reihe von Strukturmerkmalen, die zur Auswahl der 253. Infanteriedivision als Untersuchungsobjekt beigetragen haben. Im Hinblick auf die organisatorische Hierarchie der Landstreitkräfte der Wehrmacht wurde die Ebene der Division gewählt, da die Untersuchung eines solchen Großverbandes einen mit Einschränkungen repräsentativen Querschnitt durch die Zusammensetzung des Heeres 27

BA ZNS Ordensabteilung P5 (10), O K H , Betr. Eiserne Kreuze vom 16.04.1944, S. 3f. Den Divisionen wurde für einen Ruhetag 0, wenn Teile der Division im Kampf standen 1, wenn die gesamte Division im Kampf stand 2, bei schweren Kämpfen 5 und bei schwersten Kämpfen mit hohen Verlusten 10 Punkte zugeordnet. Diese Statistik diente einerseits der Evaluation des Kampfwertes einzelner Divisionen aber auch zur Berechnung der zugewiesenen Ordenskontingente. 28 Berechnet nach den geographischen Ortsangaben in den Divisionsakten. » Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 224.

1. Militärische Operationen 1939 bis 1945

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ermöglicht. Divisionen wiederum konnten einer Reihe unterschiedlicher Gattungen angehören. Das Spektrum reicht von Panzer- über Panzergrenadierdivisionen und Infanteriedivisionen bis zu Gebirgs- oder Sicherungsdivisionen. Zudem konnten die Divisionen zur regulären Armee oder zur Waffen-SS gehören, und schließlich mobilisierte auch die Luftwaffe eine Reihe so genannter Felddivisionen. 30 Insgesamt wurden zwischen 1935 und 1945 mehrere hundert derartige Verbände aufgestellt.31 Sie repräsentieren den O r ganisationstypus, der den größten Teil der deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg formal erfasste.32 Die meisten Divisionen waren zu jedem Zeitpunkt Infanteriedivisionen. Insgesamt existierten während des Zweiten Weltkrieges etwa 294 reine Infanteriedivisionen, wobei bedingt durch Auflösung, Vernichtung oder Umgliederung von Verbänden die tatsächlich zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig existierende Zahl von Divisionen nie so hoch gewesen ist.33 Die engere Eingrenzung des Untersuchungsobjektes schloss Einheiten aus, die durch außergewöhnliche Merkmale exponiert sind. Zunächst sollte die Division nicht zu den 35 bereits vor 1939 existierenden Infanteriedivisionen gehören und damit von vorneherein nicht zu der Minderheit der aus Berufsoder Zeitsoldaten bzw. friedensmäßig ausgebildeten Wehrpflichtigen bestehenden Einheiten, sondern zu der Mehrheit der nach Kriegsbeginn aufgestellten Divisionen mit einer bezüglich der militärischen Vorprägung ihrer Angehörigen heterogenen Zusammensetzung. 34 Mit etwa 180 Einheiten wurde ein großer Teil der Infanteriedivisionen zwischen dem Kriegsbeginn im September 1939 und dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 aufgestellt.35 In diesem Zeitraum entstand - ungeachtet der differenzierten Entwicklungsprozesse im weiteren Kriegsverlauf - die für die Wehrmacht typische Art der Infanteriedivision. Die Aufstellung erfolgte in Wellen gleichartig strukturierter Einheiten, von denen die Wellen 2 bis 15 in dem in Frage kommenden Zeitraum mobilisiert wurden. Die ab 1942 hinzukommenden neuen Divisionen wurden nach modifizierten Kriegsstärkenachweisen (KStN) aufgestellt und können nicht mehr als repräsentativ für die Mehrheit gelten.36 30

31

32 33 34 35

36

Vgl. beispielsweise Tessin: Verbände, Band 1, Teil B; DRZW, Band 5.1 sowie Band 5.2; van Crefeld: Kampfkraft, S. 51 ff. Eine genaue Zahl ist schwer zu ermitteln. Die hier gemachten Angaben stützen sich auf Tessin: Verbände, Band 1, S. 27-103 bzw. Buchner: Infanterie, S. 7. Vgl. van Crefeld: Kampfkraft, S. 61ff. Vgl. Buchner: Infanterie, S. 7; van Crefeld: Kampfkraft, S. 70. Vgl. DRZW, Band 5.1, S. 709ff. Vgl. DRZW, Band 5.1, S. 825f., 858f.; Tessin: Verbände, Band 1, S. 43ff. Die Zahl von 185 Infanteriedivisionen ergibt sich als Summe der Aufstellungen der 2. bis 15. Welle. Im Juni 1941 existierten 175 Infanterie- und Sicherungsdivisionen des Heeres (DRZW, Band 5.1, S. 858). Ausgehend von der Annahme, dass insgesamt 294 Infanteriedivisionen existierten, wurden also 11,9 % der Divisionen vor Kriegsbeginn, 62,9 % zwischen Kriegsausbruch und Juni 1941 und 25,2 % zwischen dem Überfall auf die Sowjetunion und dem Kriegsende aufgestellt. Da es sehr schwierig ist, die strukturellen Veränderungen des Heeres auf der Ebene der Division zu verfolgen, sind diese Angaben nur als Näherungswerte zu verstehen. Vgl. auch DRZW, Band 5.1 sowie 5.2. Vgl. Tessin: Verbände, Band 15, 151 ff.; Absolon: Wehrmacht, Band V, S. 43ff.; Tessin: Verbände, Band 1, S. 41 f., 43ff. Die Divisionen der ersten Welle waren die 35 Infanteriedivisionen

4H

II. D i e 253. Infanteriedivision

Weitere Kriterien betrafen das Schicksal der zu analysierenden Infanteriedivision selbst. Einerseits sollte die zu untersuchende Einheit eine kontinuierliche Existenz aufweisen, also weder aufgerieben und aufgelöst noch vernichtet worden sein. Andererseits sollte im Vorfeld keine Beteiligung an Kriegsverbrechen in größerem Umfang bekannt sein, wie dies etwa im Falle der Sicherungsdivisionen oder anderer Infanteriedivisionen der Fall ist. 37 Vielmehr sollte sich, ausgehend von der Überlegung, dass für die Mehrheit der Soldaten die deutsche Kriegführung durch die Alltäglichkeit des Vernichtungskrieges geprägt war, die Realität des Krieges im Verlauf der Rekonstruktion einer unbekannten Divisionsgeschichte entfalten. 38

2. ORGANISATIONSGESCHICHTE DES DIVISIONSVERBANDES

Ein Handbuch für Offiziere und Offiziersanwärter der Reserve aus dem Jahr 1941 definiert eine Infanteriedivision als „[... ] der kleinste Heereskörper, der durch seine Zusammensetzung zu operativer Gefechtstätigkeit befähigt ist. Die Infanteriedivision moderner Militärmächte setzt sich in der Regel zusammen aus: 3 Infanterieregimentern, 1 Panzerabwehrabteilung, 1 leichten und 1 schweren Artillerieregiment, 1 Aufklärungsabteilung, 1 Pionierbataillon, 1 Nachrichtenabteilung, Ergänzungseinheiten. Hierzu treten die rückwärtigen Dienste: Nachschubdienste, bestehend aus Kolonnen und Parts, Sanitätsdienste, bestehend aus Sanitätskompanien und mot. Krankenwagen, Veterinärdienste mit Pferdelazarett, Verwaltungsdienste und Ordnungsdienste."39 Obwohl nur am Rande benannt, weist diese Beschreibung bereits auf die beiden wichtigen organisatorischen Bestandteile einer Infanteriedivision hin, die Ersatz- und die Feldeinheiten. Im engeren Sinne besteht eine Infanteriedivision aus ihren Feldeinheiten. Diese Auffassung wird von der umfangreichen operationsgeschichtlich orientierten Literatur, deren Spektrum von Erlebnisberichten über Divisionsgeschichten bis zur Darstellung ganzer Feldzüge reicht, betont und hat auch die frühe sozialhistorisch orientierte Forschung geprägt. 40 Erkannt wurde der enge Zusammenhang zwischen den Ergän-

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y>

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der sog. Friedenswehrmacht. Auf die 14 zwischen 1939 und Mitte 1941 mobilisierten Wellen folgten bis 1945 20 weitere Wellen. Vgl. DRZW, Band 5.2 sowie Band 5.1, S. 709ff., S. 713 für einen Vergleich von Divisionsgliederungen 1939/40. Wichtig ist hier weniger die materielle Ausstattung, sondern vielmehr die personelle Zusammensetzung und Stärke. Vgl. beispielsweise Shepherd: German Army. Vgl. beispielsweise DRZW, Band 4, S. 413ff.; Heer, Hannes: Tote Zonen. Die deutsche Wehrmacht an der Ostfront, Hamburg 1999; Gerlach: Morde, Teil II. Altrichter: Reserveoffizier, S. 197. Vgl. dazu Mehner, Kurt: Die deutsche Wehrmacht 19391945. Führung und Truppe, Norderstedt 1993, S. 3f. In konventionellen Divisionsgeschichten spielen die Ersatzeinheiten in der Regel keine Rolle. Vgl. beispielsweise Braake, Günter: Bildchronik der rheinisch-westfälischen 126. Infanteriedi-

2. O r g a n i s a t i o n s g e s c h i c h t e des D i v i s i o n s v e r b a n d e s

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zungseinheiten und den Feldeinheiten in der Wehrmacht vor allem im Zusammenhang mit der Erforschung des Personalersatzsystems der Wehrmacht und der Gruppenkohäsion innerhalb ihrer Einheiten. 41 Für eine sozialhistorische Untersuchung ist die Berücksichtigung des aus beiden Komponenten bestehenden Gesamtsystems von zentraler Bedeutung. 42 Der zweigliedrige Aufbau war nicht nur grundlegend für das Funktionieren des Feldheeres, sondern hatte auch starke Auswirkungen auf die soziale und landsmannschaftliche Zusammensetzung der Verbände, denn eine regional stark homogene Zusammensetzung des Personals zählte zu den zentralen Zielen der Personalallokation in der Wehrmacht. Daneben wird die Vorstellung der Soldaten von ihrer Zugehörigkeit zu einer Infanteriedivision bzw. ihren Teileinheiten nur durch dieses erweiterte Verständnis erfassbar, denn sie umschloss eben nicht nur die Feldeinheiten, sondern auch die Ergänzungseinheiten. Vieles deutet darauf hin, dass das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Einheit nicht direkt mit den tatsächlichen Versetzungen korrespondieren musste. So zeigt etwa ein Vergleich der Angaben, die von Soldaten bei deren Befragung für die Heimkehrerkartei gemacht wurden, mit den eingetragenen Versetzungen in ihren Personalpapieren, dass sich ein Soldat durchaus von September 1939 bis Mai 1945 als Angehöriger eines Infanterieregiments gefühlt haben kann, während er tatsächlich innerhalb dieses Zeitraumes zahlreiche Versetzungen zwischen den Feld- und Ersatzeinheiten dieser Einheit erlebt hat. Auch kürzere Unterbrechungen der Zugehörigkeit haben an dieser Einschätzung durch die Soldaten selbst offenbar nichts geändert. In der Tat zeigen entsprechende Analysen, dass Angehörige der 253. Infanteriedivision einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Dienstzeit bei den Ersatzeinheiten verbrachten. Dieser Umstand weist auf den regen, quantitativ bedeutenden und kontinuierlichen Personalaustausch zwischen den Feld- und den Ersatzeinheiten hin. Zudem erhielten neu eingezogene Rekruten in den Ersatzeinheiten ihre militärische Ausbildung und wurden auch in politischer und ideologischer Hinsicht auf den Kriegseinsatz

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vision, Friedberg 1985; Bidermann, Gottlob H.: „... und litt an meiner Seite". Krim-Kurland mit der 132. Infanteriedivision 1941-1945, Reutlingen 1995; Großmann, Horst: Geschichte der rheinisch-westfälischen 6. Infanteriedivision, Bad Nauheim 1958; Beyersdorf, Ernst: Geschichte der 110. Infanteriedivision, Bad Nauheim 1965; Haupt, Werner: Gefechtskalender der 134. Infanteriedivision, Tuttlingen 1972; Papst, Helmut: Der Ruf der äußeren Grenze: Tagebuch eines Frontsoldaten, Tübingen 1953; von Plato, Anton Detlef: Die Geschichte der 5. Panzerdivision 1938-1945, Regensburg 1978; Neumann, Jochen: Die 4. Panzerdivision 1943-1945. Bericht und Betrachtungen zu den zwei letzten Kriegsjahren im Osten, Bonn 1989; Hinze Rolf: Frost und Pulverdampf. Der Schicksalsweg der 20. Panzerdivision, Bochum 1981; von Saucken, Dietrich: 4. Panzer-Division, Aschheim vor München, 1968. Hans-Joachim Schröder, der sich explizit auch auf die Situation während der Ausbildung bezieht, macht den Zusammenhang zwischen Ersatz- und Fronteinheiten nur unzureichend deutlich. Vgl. Schröder: Jahre; ders.: Kasernenzeit. Ebenso thematisiert auch Stephen Fritz beide Aspekte, ohne sie ausreichend in Zusammenhang zu setzen, vgl. Fritz: Frontsoldaten. Vgl. van Crefeld: Kampfkraft, S. 76ff. Overmans: Militärische Verluste, S. 297f.; DRZW, Band 5.2, S. 820ff., 948ff. Müller-Hildebrand, Burkhart: Personnel and Administration, Project 2a, US Army Historical Division, Study P-005, S. 20f.

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II. D i e 2 5 3 . Infanteriedivision

vorbereitet. Insbesondere diese Rolle der Ergänzungstruppenteile wurde bislang stark unterschätzt. Neben der Vorbereitung von Rekruten oblag den Ersatzeinheiten die Betreuung und Verwaltung der Verwundeten, die zur Genesung in die Ersatzeinheiten zurückkehrten; ebenso verbrachten Soldaten, die zu Ausbildungen abkommandiert wurden und Urlauber Zeit bei den ihren Feldeinheiten zugeordneten Ergänzungseinheiten. Die enge Verbindung zwischen Feld- und Ersatzeinheiten wird im Fall der 253. Infanteriedivision auch durch die Tatsache unterstrichen, dass 1942 ein ehemaliger Kommandeur der Division, Generalleutnant Kühne, nach seiner Abberufung von diesem Kommando den Befehl über die Division Nr. 526 übernahm, der zu diesem Zeitpunkt die Ersatzeinheiten der 253. Infanteriedivision angehörten. Die von der Feld- zur Ersatzdivision versetzten Soldaten unterstanden dort also ihrem ehemaligen Divisionskommandeur. 43 Hinter diesen Betrachtungen verbirgt sich eine Reihe organisatorischer und personeller Verflechtungen zwischen den beiden Teilen einer Infanteriedivision. 44 Bindeglied zwischen beiden war der stetige Kreislauf von Soldaten, die aufgrund von Verwundung oder Erkrankung nicht mehr einsatzfähig waren und zum Ersatztruppenteil versetzt wurden und Soldaten, die nach ihrer Ausbildung oder nach ihrer Genesung zum Feldtruppenteil überstellt wurden bzw. zurückkehren konnten. Der Eintritt in das System erfolgte durch die Einberufung zum Kriegsdienst, durch die Versetzung zu den Ersatzeinheiten oder die direkte Versetzung zu den Feldeinheiten von einer anderen Dienststelle. Ein Soldat verließ die Division durch seinen Tod oder Gefangennahme, eine Verwundung, die zu einer Versetzung zu einem anderen Truppenverband oder seine Entlassung aus dem Wehrdienst führte oder eine anderweitig bedingte Versetzung aus der Division. Zwischen seinem Ein- und Austritt befand er sich im stetigen Kreislauf zwischen Feld- und Ersatzeinheiten sowie innerhalb dieser Bereiche zwischen ihren jeweiligen Bestandteilen. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Analyse der Divisionsangehörigen als soziale Gruppe. Denn unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem Feld- oder einem Ersatztruppenteil zu einem bestimmten Zeitpunkt stellen die Angehörigen einer Division immer nur einen sozialen Verband dar, der nur durch die Analyse des Gesamtzusammenhangs von Ersatz- und Feldeinheiten erfasst werden kann. Wichtige Phänomene wie etwa suizidale Handlungen, aber auch das System der Indoktrination und ideologischen Beeinflussung können nur durch die Betrachtung beider Teilbereiche der Division angemessen erfasst werden. Auch andere Aspekte, die sich etwa aus der Untersuchung von Gerichtsakten ergeben, können nur durch die Betrachtung sowohl der Feld- als auch der entsprechenden Ersatzgerichte adäquat berücksichtigt werden. Diese vielschichtigen Zusammenhänge sind der Grund dafür, dass hier eine erweiterte Definition einer Division als organisatorische Einheit und - unter Einbeziehung ihrer Teileinheiten - als 43

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BA MA Msg 109/1478; Stadtarchiv Aachen, Band 11070, Standortbefehl 55/42 vom 20.11.1942. Analog Müller-Hildebrand: Personnel, Study P-005, S. 110.

2. Organisationsgeschichte des D i v i s i o n s v e r b a n d e s

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Identifikationsgröße für die ihr angehörenden Soldaten zugrunde gelegt und die konventionelle Auffassung um die Ersatzeinheiten, die den Feldeinheiten zugeordnet waren, ergänzt wird. Um dieses Gebilde zu umschreiben wird der Begriff Divisionsverband eingeführt.45 Ein solcher Divisionsverband als wichtigster operativer Verbandstypus der Wehrmacht und prägender Rahmen für die Lebenswirklichkeit ihrer Angehörigen war nie ein statisches Objekt. Vielmehr haben sich seine Strukturen im Verlauf des Krieges in Abhängigkeit von zahlreichen inneren und äußeren Faktoren verändert. Dieser Einfluss variierender Rahmenbedingungen muss neben den Wirkungszusammenhängen der Personalallokation bei der Analyse des Sozialprofils berücksichtigt werden. Entscheidend für solche Anpassungsprozesse innerhalb der Heeresorganisation waren vor allem die sich verschlechternde Ausstattung des Deutschen Reiches mit personellen und materiellen Ressourcen sowie der Übergang von der beweglichen offensiven Kriegführung bis zum Ende des Jahres 1941 zum Stellungskrieg auf dem östlichen Kriegsschauplatz und schließlich zum permanenten Rückzug unter fortwährenden Versuchen, den Verlauf der Front erneut zu stabilisieren. Daneben sind insbesondere die im Feldheer durchgeführten organisatorischen Veränderungen, bedingt etwa durch die Abgabe von Einheiten für Neuaufstellungen oder strukturellen Veränderungen innerhalb von Divisionen bei deren Umgliederung, von Bedeutung. Sie konnten zu einem umfangreichen Personalaustausch weit über die direkt betroffenen Einheiten hinaus führen und hatten dementsprechend gravierende Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung sowie den Grad von Stabilität und Kontinuität in den Teileinheiten der untersuchten Division. Die Feldeinheiten der 253. Infanteriedivision wurden ab dem 28. August 1939 nach dem für die 4. Mobilmachungswelle gültigen Kriegsstärkennachweis aufgestellt.46 Diese Gliederung blieb bis zu den Umstrukturierungen des Jahres 1942 weitgehend unverändert bestehen. 47 Dennoch kam es bereits 1940 zu einem umfangreichen Austausch von Personal durch die Abgabe geschlossener Teileinheiten. Im Februar 1940 wurde ein Bataillon des Infanterieregiments 473 gemeinsam mit den drei Batterien der I. Abteilung des Artillerieregiments 253 zur Aufstellung der 298. Infanteriedivision (8. Welle) abgegeben.48 Die entstandenen Verluste an Personal wurden durch Rekruten, die größtenteils aus den Ergänzungseinheiten der Division stammten, aufgefüllt. Daneben wurde die gesamte IV Abteilung des Artillerieregiments 253 in eine Heeresartillerieeinheit umgewandelt. 49 Ersetzt wurde sie durch die 43

Vgl. van Crefeld: Kampfkraft, S. 70. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. 45; ders.: Verbände, Band 15, S. 151 ff. Siehe auch AbbildungAl. 47 BA MA R H 26 253 52, Transportmeldung der 253. ID an die Transportkommandantur Paris Ost vom 20.06.1941; BA MA RH 20 16 51, Kriegsgliederung der 253. ID vom 21.06.1941. 48 Vgl. Tessin: Verbände, Band 10, S. 253; ders.: Verbände: Band 12, S. 279. Römische Ziffern geben die Nummern von Bataillonen und Abteilungen an. ^ Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. 204; die motorisierte IV. Abteilung der Artillerieregimenter der Divisionen der 4. Welle wurde gegen pferdebespannte Einheiten ausgetauscht. 46

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II. Die 253. Infanteriedivision

Unterstellung der schweren Artillerie-Abteilung 762, die allerdings erst im Januar 1941 in IV Artillerieregiment 253 umbenannt und so fester Bestandteil der Division wurde. 50 Die schwere Artillerie-Abteilung 762 gehörte zum Wehrkreis III (Berlin) und bestand aus Einheiten, die dort bzw. im Wehrkreis VIII (Breslau) aufgestellt worden waren. 51 Die regionale Herkunft der Angehörigen dieser Einheit unterschied sich also sehr vom Rest ihres Regiments und der Division. Mit ihrer Eingliederung als IV Abteilung in das Artillerieregiment 253 wurden dessen Ersatzeinheiten auch der ehemaligen schweren Artillerie-Abteilung 762 zugeordnet. Dadurch begannen sich die landsmannschaftlichen Unterschiede in diesem Regiment durch die Zuführung von Personalersatz aus dem Wehrkreis VI aufzulösen.52 Anfang Oktober 1940, als die Division zu den Besatzungstruppen in Frankreich gehörte, gab jedes Infanterieregiment das III. Bataillon, das Infanterieregiment 453 zusätzlich den Stab des I. Bataillons ab. Aus ihnen wurden Teile der 126. Infanteriedivision (11. Welle) aufgestellt.53 Die für die 253. Infanteriedivision entstandenen Verluste an Personal konnten quantitativ nicht ausschließlich vom Infanterieersatzregiment 253 ausgeglichen werden. Sie wurden daher sukzessive aus einer Reihe unterschiedlicher Ersatzeinheiten aufgefüllt, die zwar größtenteils im Wehrkreis VI stationiert waren, jedoch nicht unmittelbar zum Divisionsverband der 253. Infanteriedivision zählten. Der größte Teil dieses Personalersatzes war jedoch erst wenige Tage vor der Versetzung zur 253. Infanteriedivision zwischen dem 1. und dem 10. Oktober 1940 zu ihren Ausbildungseinheiten einberufen worden, so dass ihre Versetzung zur 253. Infanteriedivision, bei der ihre Ausbildung vollendet wurde, auch ihre erste längerfristige Verbandszugehörigkeit darstellte. Die Abgabe geschlossener Kompanien und Bataillone löste, da die abgegebenen Einheiten ersetzt werden mussten, innerhalb des Divisionsverbandes eine Welle von Umstrukturierungen aus. So wurden beim Infanterieregiment 453, dessen Regimentsstab und drittes Bataillon Ende September 1940 abgegeben wurden, aus den verbleibenden Kompanien Soldaten zur Bildung der Kader für die Neuaufstellung dieser Einheiten versetzt. Beim zweiten Bataillon wurden etwa aus der 5., 6. und 8. Kompanie zwischen 30 und 40 % der Soldaten zu dem neu aufzustellenden Bataillon transferiert, bei der 7. Kompanie wurden sogar 179 Soldaten auf die Kompanien des III. Bataillons verteilt, was faktisch ihre Auflösung bedeutete. 54 Die versetzten Soldaten bilde50 31

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Vgl. Tessin: Verbände, Band 12, S. 279. Vgl. Tessin: Verbände: Band 16.1, Wehrkreis III; ders.: Verbände, Band 16.2, Wehrkreis VIII; ders.: Verbände, Band 12, S. 279. Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 226. Bei dieser Division handelte es sich ebenfalls um einen Verband aus dem Wehrkreis VI, der zu den rheinisch-westfälischen Divisionen gezählt wurde. Vgl. von Bönninghausen: Kampf und Ende, S. 4. DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnisse des Infanterieregiments 453. Die Versetzungen bei der 5./ IR 453 betrugen 42, bei der 6./ IR 453 36 und bei der 8./ 453 58 Mann. Die 7.1 IR 453 wurde im Verlauf der nächsten Monate durch Zugänge aus den Ergänzungseinheiten der Division und Umverteilungen aus anderen Infanteriekompanien der Division aufgefüllt. Arabische Ziffern beziehen sich auf die Nummern von Kompanien oder Batterien.

2. Organisationsgeschichte des Divisionsverbandes

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ten den personellen Rahmen, in den die aus den Ersatzeinheiten neu zugewiesenen Rekruten aufgenommen wurden. Daneben zeigen auch die Erkennungsmarkenverzeichnisse der anderen Infanterieregimenter für diesen Zeitraum intensive Bemühungen, ihre Strukturen angesichts der Umgliederungen und des aus einer Vielzahl von Ersatzeinheiten zugeführten Personalersatzes wieder zu festigen und neu zu ordnen. 55 Die 253. Infanteriedivision verbrachte nach dieser Umgliederung allerdings noch mehr als sechs Monate mit Besatzungsaufgaben bzw. in Vorbereitung auf das Unternehmen „Barbarossa", besaß also genügend Zeit, um sowohl das soziale als auch das funktionale Gefüge innerhalb der neuen wie der alten Kompanien wieder herzustellen.56 Nach diesen Veränderungen, die hauptsächlich durch den Aufbau der Wehrmacht in Vorbereitung des Angriffs auf die Sowjetunion bedingt waren, erfolgten weitere Maßnahmen erst nach dem Scheitern der deutschen Blitzkriegstrategie im Winter 1941/42.57 Im Mai 1942 zwangen die hohen Verluste, die nicht mehr vollständig ausgeglichen werden konnten, zur Auflösung von jeweils einem Bataillon in jedem Infanterieregiment der Division. 58 Gleichzeitig wurden die Aufklärungsabteilung und die Panzerjägerabteilung zu einer Panzerjäger- und Aufklärungsabteilung vereinigt. 59 Im Vordergrund stand die Notwendigkeit bei den verbleibenden Einheiten eine personelle Stärke zu gewährleisten, die ihren taktischen Einsatz möglich machte. Bei den Umgliederungen, die diesmal bei der Infanterie Versetzungen auf individueller Ebene notwendig machten, konnte auf soziale Strukturen innerhalb der Kompanien nur noch in begrenztem Maß Rücksicht genommen werden. So wurden die verbliebenen Soldaten des 1./ IR 453, es handelte sich um 81 Soldaten aus der 2., 108 aus der 3. Kompanie und 77 aus der 4. Kompanie, auf die restlichen Infanteriebataillone verteilt. 60 Es ist nicht möglich nachzuvollziehen, inwieweit bei der Umgliederung auf die Integrität sozialer Kleingruppen geachtet werden konnte. Da diese Versetzungen als Reaktion auf die kritische Ersatzlage erfolgten, während sich die Division im Einsatz im Mittelabschnitt der Ostfront befand, bot sich im Unterschied zu der Situation im Oktober 1940 kein Ansatzpunkt für Maßnahmen zum Ausgleich der durch die strukturellen Veränderungen eingetretenen Störung im sozialen 33 56

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M

bZ

DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnisse IR 473 und IR 464. NARA T-315 Film 1755 Frame 408; Divisionsbefehl Nr. 67 vom 20.01.1941. Nach der Ausbildung der Rekruten in eigens aufgestellten Ausbildungskompanien zwischen Oktober 1940 und Januar 1941 erfolgte ihre Verteilung auf die regulären Einheiten, so dass eine gleichmäßige Verteilung von Stammmannschaften und Rekruten erreicht wurde. Die so zusammengesetzten Einheiten wurden dann, um die Gruppenbildung zu fördern, gemeinsam weiter ausgebildet. Müller-Hildebrand, Personnel, Study P-005, S. 30f. Bei der 253. Infanteriedivision wurden im September 1941 in jedem Bataillon zwei Infanteriekompanien zusammengelegt; BA MA RH 26 253 17, Zusammenlegung der Inf. Kp., vom 09.09.1941. Vgl. auch Müller-Hildebrand: Heer, Band 3, S. 62f. Dies führte nominal zu einer Verringerung der Infanteriekräfte um 30%. Vgl. Tessin: Verbände, Band 10, S. 205, 231, 253. Aufgelöst wurden HIV 453, III./ 464 und VI 473. DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnis IR 453. Für die 1./ IR 453 liegen keine Zahlen vor.

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II. D i e 253. Infanteriedivision

Gefüge.61 Anders verhielt es sich bei der Panzerjäger- bzw. der Aufklärungsabteilung. Hier handelte es sich nur um eine Zusammenführung, bei der die Teileinheiten beider Abteilungen weitgehend intakt blieben. Zu weiteren gravierenden Umgliederungen führte die generelle Neustrukturierung der Infanteriedivisionen der Wehrmacht 1943.62 Bei der 253. ID, die zu einer Division 2. Ordnung wurde, führte sie zur Auflösung des stark geschwächten Grenadierregiments 63 473 im April dieses Jahres. Die Bataillone des Regiments wurden zur Wiederaufstellung der aufgelösten Bataillone der Regimenter 453 und 464 verwendet. Dabei wurde wiederum auf die geschlossene Versetzung innerhalb der Division geachtet, so dass das soziale Umfeld innerhalb der Kompanie bzw. des Bataillons für die Soldaten erhalten blieb. Neben der Auffüllung der verbleibenden Infanterieregimenter wurde ein Divisionsbataillon aufgestellt, in das neben Teilen des Grenadierregiments 473 auch die Aufklärungsabteilung und die Panzerjägerabteilung der Division überführt wurden. 64 Dieses Bataillon bestand als Divisionsbataillon bzw. Divisionsfüsilierbataillon bis in den Januar 1944, wurde dann aufgelöst und das Personal auf die stark geschwächten Einheiten der Division verteilt. Es wurde im Juli 1944 erneut mit vier Kompanien aufgestellt und bestand bis in den Januar 1945.65 Anfang Oktober 1944 fanden die letzten größeren Eingriffe in die Organisationsstruktur der Infanterieregimenter statt. Die Grenadierregimenter 453 und 464 gaben erneut ein Bataillon ab. Aus den beiden Einheiten wurde das Grenadierregiment 473 neu aufgestellt. Es bestand nun aus den ehemaligen Bataillonen III./ 453 und III./ 464. Damit erhielt das Grenadierregiment 473 mit dem III. Bataillon des Grenadierregiments 464 eines seiner ehemaligen Bataillone zurück, während mit dem III. Bataillon des Grenadierregiments 453 ein Bataillon verschoben wurde, das seit Kriegsbeginn ununterbrochen zum Grenadierregiment 453 gehört hatte. Kurze Zeit später, am 1. November 1944, wurde die 253. Infanteriedivision, da ihre personelle Stärke weiter abgesunken war und kaum Aussicht auf Personalersatz bestand, unter Auflösung der verbliebenen Trosse und Versorgungseinheiten in eine Divisionskampfgruppe umgewandelt. 66 Als Ergebnis dieser Entwicklung gehörten in den drei Infanterieregimentern der Division nur drei von neun Bataillonen und einer von drei RegimentsstäM

Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. XXVIIIff. Die Ebene der Kompanie ist die niedrigste in der militärischen Struktur auf der Personalveränderungen durch die Auswertung von Personalpapieren nachvollzogen werden können. 62 Vgl. DRZW, Band 5.2, S. 828f. 63 Am 15. Oktober 1942 erfolgte die Umbenennung der Infanterieeinheiten in Grenadiereinheiten. 64 BA MA RH 24 39/125, Grundlegende Organisationsänderungen vom 04.04.1943. ''3 Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 223ff. Bei dieser Umgliederung kam es erneut zu ähnlichen Vorgängen hinsichtlich der internen Personalverschiebungen wie bei der Umstrukturierung im Mai 1942. 66 BA MA RH 24 24 313, Fernschreiben des Pz. AOK 1 vom 01.11.1944; BA MA Rh 24 24 313, Gliederung der Div.-Kampfgruppen vom 04.11.1944; siehe auch NARA T-314 Film 735 Frame 230.

2. Organisationsgeschichte des Divisionsverbandes

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ben über den gesamten Untersuchungszeitraum kontinuierlich zum selben Regiment. Die übrigen wurden an andere Divisionen abgegeben oder innerhalb der 253. Infanteriedivision verschoben. Die Mehrzahl der betreffenden Bataillone und Kompanien verblieben allerdings, da nach 1940 keine Infanterieeinheiten mehr abgegeben wurden, innerhalb des Divisionsverbandes. 67 Begleitet wurden diese Strukturveränderungen auf der Makroebene von einem ständigen organisatorischen Wandel innerhalb der Division. Mehrfach wurden dem Artillerieregiment 253 zum Ausgleich von Verlusten Batterien anderer Artillerieregimenter zugeführt. Ferner wurde im August 1944 eine Abteilung des Artillerieregiments 253 an das Artillerieregiment 304 abgegeben. 68 Einheiten wie die Panzerabwehrabteilung oder die Aufklärungsabteilung erfuhren häufige organisatorische Neuzuordnungen. Die Nachschubdienste der Division durchliefen ebenfalls einen Anpassungsprozess. Er war zunächst von einem starken Ausbau der Versorgungstruppen in Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion geprägt, später durch Versuche, die rückwärtigen Dienste mit den zur Verfügung stehenden Mitteln effizienter zu gestalten und dabei Personal für die Kampfeinheiten frei zu machen.69 Letztere fallen jedoch quantitativ nicht so sehr ins Gewicht wie die Veränderungen bei den Kampftruppen und sind auch hinsichtlich Motivation und Gruppenzusammenhalt weniger stark zu bewerten. Von großer Bedeutung ist dagegen die Frage, welche sozialen Prozesse innerhalb derjenigen Einheiten in Gang gesetzt wurden, denen Soldaten aus den rückwärtigen Diensten eingegliedert wurden. Dies betraf in erster Linie die Kampfeinheiten der Division. Die hier skizzierten Vorgänge verliefen in der Mehrzahl der Infanteriedivisionen der Wehrmacht ähnlich. Ihnen trug schließlich die Veränderung des KStN für Infanteriedivisionen Anfang 1944 Rechnung. Durch die Einführung der Infanteriedivision 44 wurden die Vorgaben für die Gliederung einer Infanteriedivision den faktischen Gegebenheiten der letzten Kriegsphase angepasst: einerseits der tatsächlichen Struktur die sich bei vielen Divisionen bis zu diesem Zeitpunkt ohnehin entwickelt hatte, andererseits den Organisationsstrukturen, die bei den verbliebenen personellen und materiellen Ressourcen umsetzbar waren. 70 67

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7C

Einzelne Kompanien haben auf diese Weise eine Vielzahl von Veränderungen ihrer Zuordnung erfahren. DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnisse IR 473, DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnisse IR 453, Die 10./ IR 473 wurde im Oktober 1940 zur 107 IR 426 und verließ damit die 253. ID. Sie wurde - ähnlich wie im Fall des IR 453 - durch die Versetzung des größten Teils des Personals der 6./ IR 473 neu aufgestellt. Die 6./ IR 473 wurde aus divisionseigenen und fremden Ergänzungseinheiten aufgefüllt, während die 10./ IR 473 im Mai 1943 bei der Auflösung des GR 473 zur 2.1 IR 453 wurde und in dieser Form bis Kriegsende bestand. So etwa im Mai 1942, als zwei Batterien des AR 236 von der 162. ID zugeführt wurden. Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 226. Vgl. DRZW, Band 5.2, S. 958f.; vgl. auch Tessin: Verbände, Band 1, S. 268. Hier findet sich eine detaillierte Darstellung der organisatorischen Entwicklung der Versorgungstruppen. Für die 253. Infanteriedivision siehe beispielsweise BA MA RH 26 253 67, Umgliederung der Versorgungstruppen, 15.04.1943. BA MA RH 20 9 196, Graphische Darstellung einer Infanteriedivision „Neuer Art"; BA MA RH 24 23 161, Kriegsgliederung einer Infanteriedivision „Neuer Art"; vgl. auch DRZW, Band 5.2, S. 969f.; Tessin: Verbände, Band 15, S. 151ff.

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II. D i e 253. Infanteriedivision

In diesem von ständigem Wandel geprägten Bild finden sich jedoch Ausnahmen. Einerseits ließ die Notwendigkeit, den komplexen Apparat der militärischen Stäbe auf der Führungsebene der Division kontinuierlich funktionsfähig zu halten, organisatorische Eingriffe nur begrenzt zu. Hier entstanden Diskontinuitäten eher aus dem zeitweise relativ schnellen personellen Wechsel im Offizierskorps. Andererseits wurde etwa das Pionierbataillon 253 - eine Kampfeinheit - nach der Abgabe einer Kompanie im November 1940 nicht mehr angetastet. Ebenso blieb die Struktur der Nachrichtenabteilung 253 während des ganzen Krieges unverändert. 71 Teilweise ist dies - ähnlich wie bei den Stäben - dadurch zu erklären, dass sich das Personal dieser Einheiten aus Spezialisten zusammensetzte, die sowohl schwer zu ersetzen waren als auch nicht einfach mit dem Personal anderer Einheiten innerhalb der Division ausgetauscht werden konnten. Die hohe Priorität der störungsfreien Verfügbarkeit der militärischen Dienstleistungen dieser Teileinheiten hatte hier Vorrang vor gegebenenfalls erreichbaren Entlastungen im Personalbereich. Ein weiterer Aspekt strukturellen Wandels, der sich im Verlauf der Kampfhandlungen auf dem östlichen Kriegsschauplatz entwickelte, war die Aufstellung von Auxiliarformationen. Sie sollten die mangelhafte Personalausstattung der Wehrmacht mit deutschen Soldaten ausgleichen und entwickelten sich meist aus informellen Ansätzen. Bereits 1941 hatte der Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilisten als Arbeitskräfte bei den vorrückenden deutschen Einheiten begonnen. Im weiteren Verlauf des Krieges wurden sie allmählich zu festen Bestandteilen der Divisionen, die mit wechselnden Stärken eigene Ostkompanien oder -bataillone, Partisanenbekämpfungseinheiten bzw. zivile Arbeitsdienstabteilungen oder -kompanien unterhielten. Daneben gehörte zu fast jeder Teileinheit einer Division eine wachsende Zahl von „Hilfswilligen", durch deren Einsatz Wehrmachtssoldaten für den Kampfeinsatz frei gemacht werden sollten.72 Durch diese Praxis wurden sowjetische Bürger beiderlei Geschlechts, die sich freiwillig oder unter Zwang in den Dienst der Wehrmacht stellten, zu einem Element der militärischen Gesellschaft, dessen Anteil - berücksichtigt man nur die im KStN eingeplanten „Hilfswilligen" - 10 % der Gesamtstärke einer Infanteriedivision überschreiten konnte. In Infanterieregimentern n. A. lag der Anteil der „Hilfswilligen" sogar bei fast 20 %. 73 71 72

73

Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 227. Siehe Kapitel V.3. Vgl. dazu beispielsweise Müller, Rolf Dieter: Menschenjagd. Die Rekrutierung von Zwangsarbeitern in der besetzten Sowjetunion, in: Heer: Vernichtungskrieg, S. 92102; Sokolow, Boris: Der Preis des Sieges. Anmerkungen zu den Menschenverlusten in der UdSSR, in: Jacobsen: Zeitenwende, S. 521-537, S. 526. Vgl. Tessin: Verbände, Band 15, S. 154f.; DRZW, Band 5.2., S. 961, 984ff. Bezogen auf ein Armeekorps konnte die Stärke der landeseigenen Hilfsformationen spätestens 1943 die Stärke einer durchschnittlichen Infanteriedivision erreichen. So beispielsweise im XXXIX. Panzerkorps, BA MA RH 24 39 117, Beurteilung der Versorgungslage vom 30.04.1943. Im LVI. Armeekorps betrug die Anzahl der in ZADAs und als Hilfswillige eingestellten Personen im Mai 1944 insgesamt 13013 Frauen und Männer, dies entsprach etwa einer Infanteriedivision; NARA T-314 Film 1438 Frame 990. Über die Anzahl der zivilen Arbeitskräfte liegen nur

2. Organisationsgeschichte des Divisionsverbandes

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Die hier dargestellten strukturellen Veränderungen innerhalb der Feldeinheiten der 253. Infanteriedivision zeigen, dass Bemühungen, soziale und funktionale Strukturen bei der Verschiebung von Truppenteilen nicht zu zerreißen eine große Rolle spielten. So wurden Einheiten, wenn die äußeren Umstände dies erlaubten, als ganze Bataillone oder zumindest Kompanien verschoben und lediglich umbenannt. 74 Bei der Abgabe von Truppenteilen an Einheiten außerhalb der Division wurden die entstehenden Lücken zunächst durch Soldaten aus eigenen Ersatztruppenteilen aufgefüllt. Da dies vor allem in der Aufbauphase der Wehrmacht vor Juni 1941 bei dem hohen Personalbedarf der Feldeinheiten nicht immer möglich war, findet sich daneben eine Vielzahl divisionsfremder Ergänzungseinheiten, aus denen Personalersatz zugeführt wurde. Hier wurde jedoch weitgehend darauf geachtet, dass diese Einheiten zumindest aus demselben Wehrkreis wie die empfangende Division selbst stammten. 75 Im sozialen und strukturellen Umfeld der Soldaten, deren Divisionszugehörigkeit sich nicht veränderte, während ihre Einheiten jedoch ständigen Positionswechseln in der militärischen Organisation ausgesetzt waren, hatten diese Bewegungsmuster eine Reihe von Konsequenzen. Ein zentraler Bezugspunkt wurde die Kompanie bzw. die sich unterhalb dieser Ebene bildenden sozialen Gruppen. Soldaten wurden bei Umgliederungen - sofern die militärische Lage dies zuließ - eben mit ihrem sozialen Umfeld, gewissermaßen als zusammenhängende taktische und soziale Gruppe verschoben. Als Identifikationsgröße bot sich ferner die Division selbst an. Denn ungeachtet aller internen Veränderungen blieb die Zugehörigkeit zur 253. Infanteriedivision ein konstanter Faktor. Die dazwischen liegenden Ebenen der Regiments- und Bataillonszugehörigkeit dagegen können nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dieses Bild wird allerdings durch die auf strukturelle Veränderungen zurückgehenden Personalverschiebungen auf individueller Ebene relativiert. Hier sind zwei Phasen zu unterscheiden: erstens die Versetzungswelle innerhalb der Division, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Truppenteilen zwischen September 1939 und Juni 1941 ablief. Nun wurde eine Umverteilung von Soldaten innerhalb ihrer Regimenter vorgenommen, um den Neubruchstückhafte Informationen vor. Bis auf wenige Ausnahmen existieren kaum nähere Angaben zu diesem Personenkreis, eine Analyse des Sozialprofils ist daher nur schwer umsetzbar. Bedenkt man, dass Hilfswillige und zivile Arbeitskräfte einen relativ hohen Anteil am Personalbestand einer Division haben konnten, scheint eine nähere Erforschung dieses Aspekts der Sozialgeschichte der Wehrmacht geboten. Vgl. Erickson, John: Red Army Battlefield Performance, 1941-1945. The System and the Soldier, in: Addison: Time to Kill, S. 233-248, S. 245. Dabei fiel die alte Benennung der Einheit in der Regel nicht weg, sondern wurde im Hinblick auf eine möglicherweise beabsichtigte Wiederaufstellung der alten Einheiten in den Wehrstammbüchern weiter mitgeführt. Hier wurde bei Versetzungen, die durch Umgliederung bedingten waren, die alte Kompaniebezeichnung in Klammern hinter der neuen Bezeichnung eingetragen. Ausnahmen bildeten hier größere Verschiebungen, so etwa die Umgliederung der IV./ AR 253 im Jahr 1940 durch die Aufnahme der schweren Art. Abt. 762 in den Divisionsverband, die nicht ausschließlich durch den eigenen Ersatz ausgeglichen werden konnten.

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II. Die 253. Infanteriedivision

aufbau der abgegebenen Einheiten zu unterstützen. Die relative Ruhe, in der diese Maßnahmen durchgeführt wurden, erlaubte zwischen den Strukturänderungen und dem Angriff auf die Sowjetunion 1941 eine Regeneration des sozialen Gefüges. Zweitens die Personalverschiebungen, die 1942 und 1943 Konsequenz der Auflösung von Teileinheiten waren. N u n wurden Einheiten zerschlagen, um den Personalbestand anderer Truppenteile innerhalb der Division zu ergänzen. Sie fanden unter inneren und äußeren Bedingungen statt, die wenig Raum für die Integration der so zusammengestellten Einheiten ließen. Bereits strukturelle Veränderungen und Personaltransfers führten also in manchen Truppenteilen zu tiefen Einschnitten, deren mögliche Auswirkungen auf ihre Sozialstruktur sowie die Gruppenkohäsion berücksichtigt werden müssen. Sie konzentrierten sich auf vier Zeitpunkte: den Oktober 1940, den Mai 1942, den April 1943 und den Oktober 1944 und wurden von einer kontinuierlichen Reihe kleinerer Umstrukturierungen flankiert. Im Ergebnis führte diese Entwicklung zu einer latenten Destabilisierung der Sozialstruktur, von der nicht nur die direkt betroffenen, sondern auch die durch die Umverteilung von Personal indirekt betroffenen Truppenteile erfasst wurden. Wichtig ist, dass sich ein Teil dieser Vorgänge bereits vor 1941 und damit in einer Phase ereignete, der bislang für die Herstellung von Gruppenkohäsion und die Bildung von Primärgruppen eine große Bedeutung zugemessen worden ist, da davon ausgegangen wurde, dass solche Störungen vor den Massenverlusten im Winter 1941/42 nicht anzutreffen seien. Von Bedeutung scheint die Tatsache, dass insbesondere im Oktober 1940 genügend Zeit verblieb, nach der Verschiebung fast eines Drittels des Personals der Division, den Gruppenzusammenhalt der betroffenen Einheiten wieder herzustellen. Dies allerdings deutet darauf hin, dass die Bildung von Primärgruppen - insbesondere unter den Lebensbedingungen im Operationsgebiet möglicherweise eine weniger lange Zeitspanne benötigte und von anderen Faktoren beeinflusst wurde, als bisher angenommen. Strukturelle Veränderungen betrafen jedoch nicht nur das Feldheer, sondern auch das Ersatzheer. Dieser Wehrmachtsteil musste zunächst parallel zum Ausbau des Feldheeres expandieren, wurde 1941 auf einen Krieg gegen die Sowjetunion vorbereitet und musste sich an die ungeahnten Auswirkungen dieses Krieges anpassen, bevor das Ersatzheer in der letzten Kriegsphase selbst mehr und mehr in die Kampfhandlungen einbezogen wurde. 76 Grundsätzlich ordnete das Ersatzsystem der Wehrmacht jeder Einheit des Feldheeres eine bestimmte Ersatzeinheit zu. Die Ersatzeinheit war meist am Heimatstandort des Feldtruppenteils stationiert und bildete dort einerseits den Personalersatz aus, organisierte andererseits die Personalbewegungen zwischen Feld- und Ersatztruppenteil im Zusammenhang mit der Verwundetenversorgung etc. Dieses System sollte gewährleisten, dass in den Einheiten des Feldtruppenteils die starke regionale Homogenität des Personals er* Vgl. DRZW, Band 5.1, S. 498ff., 726ff., 840ff., 957ff., Band 5.2, S. 275ff., 326ff., 545ff., 820ff., 948ff.

2. O r g a n i s a t i o n s g e s c h i c h t e des D i v i s i o n s v e r b a n d e s

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halten blieb und die Einheit nicht zuletzt durch die soziokulturelle Ähnlichkeit ihrer Angehörigen zu einer Identifikationsgröße für die Soldaten wurde.77 Die Tatsache, dass sich ein Anteil von bis zu 30 % des Personals einzelner Divisionsverbände als Rekruten, Urlauber oder Genesende ständig bei den entsprechenden Ergänzungseinheiten aufhielt, unterstreicht den Stellenwert dieses Teilsystems. 78 Den Feldeinheiten der 253. Infanteriedivision wurden mit ihrer Aufstellung bestimmte Ergänzungseinheiten aus dem Befehlsbereich des Kommandeurs der Ersatztruppen im Wehrkreis VI angeschlossen. 79 Diese Ersatztruppenteile bestanden zum Teil aus bereits bestehenden Einheiten, die zentral den Personalersatz für spezielle Truppengattungen im Wehrkreis VI ausbildeten, zum Teil wurden sie aber erst in Anlehnung an die im Rahmen der 253. Infanteriedivision neu aufgestellten Verbände gebildet. 80 Die zunächst noch ohne übergeordnete Kommandostruktur, organisatorisch nur durch die Kommandobehörde für Ersatztruppen des Wehrkreises VI verklammerten Truppenteile, wurden nach dem Abschluss des Feldzuges in Polen, als im Westen des Deutschen Reiches Raum für den Aufmarsch gegen Frankreich und England geschaffen werden sollte, nach Thorn im Wehrkreis XX verlegt. Dort wurden sie gemeinsam mit weiteren Ersatzeinheiten aus dem Wehrkreis VI zur Division Nr. 156 zusammengefasst. 81 Die so entstandene Ersatzdivision umfasste die Infanterieersatzbataillone für vier Divisionen und den größten Teil der für ihre personelle Ausstattung notwendigen Ergänzungseinheiten anderer Truppengattungen. Bis zum Ende der Kampfhandlungen im Westen, an denen die 253. Infanteriedivision nun aktiv teilnahm, verblieben die Ergänzungstruppenteile im Raum Thorn, das Infanterieersatzregiment 253 wurde in Graudenz im von Deutschland besetzten Teil Polens stationiert. Im August 1940 erfolgte die Rückverlegung der Division Nr. 156 in den Raum Köln. Nach einer Umgliederung waren ihr nun die Ersatzeinheiten für fünf Infanteriedivisionen unterstellt. 82 Die Ergänzungseinheiten der 253. Infanteriedivision waren größtenteils auf das Gebiet zwischen Dortmund, Köln und Aachen verteilt. Die Standorte des Infanterieersatzregimentes 253 befanden sich in Aachen und Eschweiler, 83 das Pionierersatzbataillon 253 lag 77 78 79

sc

81

82 83

Müller-Hildebrand: Personnel and Administration (2a), Study P-005, S. 20, 42. Muller-Hildebrand, Burkhart: Division Slice, US Army Historcal Division, Study P-072, S. 13ff. Vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 223ff.; Absolon: Wehrmacht, Band V, S. 77ff. Zur Aufstellung und Struktur der Ergänzungseinheiten für die ersten Mobilmachungswellen bei Kriegsbeginn vgl. auch Müller-Hildebrand: Heer, Band 1, S. 83. So beispielsweise das Infanterieersatzregiment 253., vgl. Tessin: Verbände, Band 8, S. 223ff. bzw. ders.: Verbände, Band 11, S. 75f. Die Einheit trug zwischen dem 15.11.1939 und dem 20.12.1930 den Namen 156. Division, wurde dann aber in Div. Nr. 156 umbenannt. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. 128ff. Vgl. Tessin: Verbände, Band 7, S. 97f. BA MA R H 25 156 T U 0184/8, Wehrkreiskommando VI, Befehlsgliederung und Standorte der Ersatztruppen im Wehrkreis VI vom 19.11.1940. Die Standorte der Infanterieersatzbataillone 453 und 473 befanden sich im Raum Aachen, das IEB 464 war in Eschweiler stationiert. Vgl. auch Haak, Erhard: Aachens Garnisonsgeschichte, Aachen 1989, S. 58ff.

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II. D i e 253. Infanteriedivision

in Köln-Westhoven 84 und die Artillerieersatzeinheiten befanden sich in Aachen und Wesel. Weitere Ersatzeinheiten, die zur Kategorie der zentral ausbildenden Truppenteile gehörten, 85 waren auf Standorte außerhalb dieser Kernregion verteilt. 86 Nach einer Verlegung des Hauptquartiers der Division Nr. 156 nach Spa in Belgien87 im Juli 1941 wurde die Division im Oktober 1942 zur 156. Reserve Division umgegliedert. Sie gehörte nun zu den Teilen des Ersatzheeres, die in besetzte Gebiete verlegt wurden, um dort stehende Besatzungstruppen für den Einsatz im Feldheer frei zu machen. 88 Im Wehrkreis VI führte dies zu neuerlichen Veränderungen. Die Ersatzeinheiten der 253. ID wurden der neu aufgestellten Division Nr. 526 zugeführt, die von nun an das Kommando über die Ersatzeinheiten im Westen des Wehrkreises VI führte. 89 Das Hauptquartier der Division lag zunächst in Aachen, wurde aber 1943 nach Wuppertal verlegt. Auf die Stationierung und die Zusammensetzung der Ersatzeinheiten der 253. ID hatte dies keine Auswirkungen. Ihre Gliederung blieb bis in den September 1944 weitgehend unverändert. Im Fall der Division Nr. 526 wurde die räumliche Trennung der Ersatz- und Ausbildungsbataillone, die in Teilen der Wehrmacht 1942 umgesetzt wurde, nicht realisiert, so dass sowohl die Genesung der Verwundeten als auch die Ausbildung neuer Rekruten an den Standorten im Raum Aachen erfolgte und beide Gruppen in gemischten Marschkompanien zu den Infanterieregimentern der 253. ID überführt wurden. Die im Infanterieersatzregiment 253 formal getrennten Ausbildungs- und Ersatzbataillone wurden im März 1943 wieder zu Grenadier Ersatz- und Ausbildungsbataillonen vereinigt.90 Als im September 1944 die Westfront immer näher an die Standorte der Division Nr. 526 heranrückte, wurden die Ersatzeinheiten der 253. Infanteriedivision im Rahmen der Division Nr. 526 für den aktiven Einsatz mobilisiert.91 Das Infanterieersatzregiment 253 umfasste zu Beginn des Kampfeinsatzes 3842 Soldaten, die größtenteils Verwundete der Regimenter 453, 464 und 473 84

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87

88 89 90

91

Im Pi. EB 253 waren je zwei Kompanien dem Pi. Btl. 253 bzw. dem Pi. Btl. 211 zugeordnet. BA MA RH 25 156 TU 0184/8, Wehrkreiskommando VI, Befehlsgliederung und Standorte der Ersatztruppen im Wehrkreis VI vom 19.11.1940. Hierunter werden Ersatzeinheiten verstanden, die nicht exklusiv für eine Feldeinheit zuständig waren, sondern Spezialisten für eine Reihe von Feldeinheiten ausbildeten. Es handelte sich beispielsweise um Ersatzeinheiten für Schlächterei- oder Werkstattkompanien, Nachrichtenabteilungen oder Fahrkolonnen. BA MA RH 25 156 T U 0184/8, Wehrkreiskommando VI, Befehlsgliederung und Standorte der Ersatztruppen im Wehrkreis VI vom 19.11.1940. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. 131. Im Zuge dieser Verlegung fand eine Umgliederung statt. Nach Tessin: Verbände, Band 7, S. 97f., schieden die Ersatzeinheiten der 253. ID aus dem Verband der Div. Nr. 156 aus. Für diese Umgliederung finden sich jedoch keine Hinweise in den Akten, so dass davon auszugehen ist, dass die Unterstellung bis Ende 1942 bestehen blieb. Vgl. DRZW, Band 5.2, S. 831. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, S. 132f. Vgl. Tessin: Verbände, Band 11, S. 75f.; Haak, Erhard: Aachens Garnisonsgeschichte, Aachen 1989, S. 59-65; DRZW, Band 5.2, S. 832; Müller-Hildebrand, Personnel, Study P-005, S. 91 ff., 110; DRZW, Band 5.2, S. 831; Tessin: Verbände, Band 1, S. 131. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1, 134f.

2. Organisationsgeschichte des Divisionsverbandes

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waren. 92 Die Division besetzte zunächst die Stellungen des Westwalls zwischen Aachen und Schieiden und nahm dort an den Kämpfen im Raum Aachen sowie im Hürtgenwald teil.93 Im Dezember 1944 wurde aus zurückgebliebenen Teilen der Division Nr. 526 im Raum Wuppertal eine weitere Division Nr. 526 aufgestellt. Sie begann zunächst die Ausbildung von Personalersatz, bevor sie ab Januar 1945 im Operationsgebiet zwischen Neuss und Euskirchen mit Schwerpunkt zwischen Köln und Düren eingesetzt wurde. Um eine Doppelbenennung im Operationsgebiet zu vermeiden, wurde die Division bei der Verlegung im Januar 1945 in Division Nr. 476 „W" umbenannt. Reste dieser Einheit wurden Anfang März 1945 an Frontdienststellen übergeben, die Division hörte damit auf zu bestehen. Die letzten im Westen eingesetzten Soldaten der 253. Infanteriedivision dürften sich bei den Verbänden der bei Kriegsende westlich Münster stehenden Division Nr. 476 befunden haben. Sie wurde Anfang März 1945 unter anderem aus zurückgebliebenen Teilen der Division Nr. 526 im Raum Bensberg bei Köln aufgestellt, kam aber während der Endkämpfe im Westen nicht mehr zum Einsatz. 94 Auf die Ersatzlage bei der 253. Infanteriedivision hatten diese Ereignisse gravierende Auswirkungen. Mit der Mobilisierung der Ersatzeinheiten riss der Zustrom von bei der Division ausgebildetem Personalersatz ab. 95 Daneben konnten nun auch genesene Verwundete kaum noch ihren Feldeinheiten zugeführt werden. Die Division war so von ihrer Ressourcenbasis abgeschnitten und konnte bis zum Ende des Krieges nicht mehr mit der Auffüllung durch regulären Ersatz rechnen. Gleichzeitig lief im Hauptquartier der Division Nr. 526 in Wuppertal der Verwaltungsapparat für die Ergänzungseinheiten weiter. So kann anhand von Divisionsbefehlen und anderem Schriftgut die Tätigkeit des Divisionsgerichts ebenso wie die Arbeit des Nationalsozialistischen Führungsoffiziers bis ins Jahr 1945 nachvollzogen werden. Solche Einblicke lassen erkennen, wie sich die Lage der Angehörigen der 253. Infanteriedivision, die sich bei der Unterbrechung der Verbindung zwischen den beiden Teilen des Divisionsverbandes beim Ersatztruppenteil befunden hatten, bis Kriegsende entwickelte. 96 Die strukturelle Entwicklung der Ergänzungstruppenteile der 253. Infanteriedivision zeigt also im Vergleich zu den Feldeinheiten ein relativ hohes 92

BA MA ZA 1 / 559, Bergen, Hans: 526th Replacement Division and 476 Replacement Division, US Historical Division, Study B-210, S. 5; BA MA ZA 1 / 382, Mattenklott, Franz: Rheinland 15.09.1944-21.03.1945, US Historical Division, Study B-044, S. 5, hier insbesondere der Hinweis auf Erfahrung und Ausbildungsstand des Unteroffizierskorps der Ersatzeinheiten. Vgl. auch Gross, Manfred: Der Westwall zwischen Niederrhein und Schnee-Eifel, Köln 1989, S. 328ff. Hier wird die Stärke des GEAB 453 mit 15 Offizieren, 166 Unteroffizieren und 1029 Mannschaften angegeben. Ferner Tessin: Verbände, Band 11, S. 75f.; ders.: Verbände, Band 8, S. 223ff. 93 Mattenklott: Rheinland, Study B-044, S. 3, 6f. 94 Bergen: Replacement, Study B-210, S. 6, 9ff., 30, 33. Vgl. auch Rush, Ron: The Hürtgen Forest, Fall 1944, Diss. Ohio State University, 2000, S. 59f.; 66f.; Christoffel, Edgar: Krieg am Westwall 1944/45, Trier 1989. 93 Mattenklott: Rheinland, Study B-044, S. 6. '*• BA MA R H 26 253 T H 0184 / 7.

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II. Die 253. Infanteriedivision

Maß an Stabilität. Nach einer ersten Phase 1939/40, in der die Ersatzeinheiten aufgestellt und zu Divisionen zusammengefasst wurden - in dieser Phase fand auch im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen in Polen bzw. im Westen eine der seltenen Verlegungen dieser Einheiten statt - folgte eine vom August 1940 bis in den September 1944 andauernde Phase ohne bedeutende organisatorische Veränderungen. Bis zur Mobilisierung der Ergänzungseinheiten und der Unterbrechung der Verbindung zwischen beiden Teilen der Division waren die Ergänzungseinheiten eine effizient arbeitende Basis, von der die Feldeinheiten ihren Personalersatz bezogen. Die Bedeutung leistungsfähiger Ergänzungseinheiten für die Funktionsfähigkeit der 253. Infanteriedivision verdeutlichen folgende Überlegungen: Erstens verlief der Personaltransfer bis in den September 1944 relativ ungestört und regelmäßig. Daraus folgt zweitens, dass ein relativ großer Teil der Ersatzmannschaften die militärische Ausbildung oder die Rekonvaleszenzphase nach einer Verwundung in den Strukturen der Division durchlief. Für Rekruten führte dies zur Integration in die Division vor dem ersten Einsatz im Feldheer, für Verwundete zu einer Rückkehr in die vertrauten Strukturen ihrer vormaligen Feldeinheiten. Die Organisationsgeschichte zeigt zwei stark unterschiedlich geprägte Teilsysteme des Divisionsverbandes. Auf der einen Seite die Feldeinheiten, in denen nicht nur militärische Verluste, sondern auch strukturelle Veränderungen zu einem ständigen sozialen Wandel beitrugen. Auf der anderen Seite boten die Ergänzungseinheiten der 253. Infanteriedivision ein hohes Maß an Stabilität. Das Gesamtsystem der 253. Infanteriedivision zerfällt damit in einen sich dynamisch den inneren und äußeren Bedingungen anpassenden Teil, der dabei zwar seine innere Struktur veränderte, indes die grundsätzlichen Merkmale seiner personellen Zusammensetzung zumindest bis Ende des Jahres 1944 nicht verlor. Dahinter stand ein statisches Teilsystem, das zwar nicht in der Lage war, die militärischen Verluste vollständig auszugleichen aber kontinuierlich divisionseigenen Personalersatz als stabilisierendes Element bereitstellte.

III. DIE SOLDATEN

Die Analyse von Sozialstruktur und sozialem Wandel erfordert drei Schritte. Erstens einen quantitativen Überblick über den Personalbestand sowie die Verluste und den Personalersatz, um Umfang und Geschwindigkeit der personellen Veränderungen und damit grundsätzliche Mechanismen und Abläufe des sozialen Wandels zu erfassen. Zweitens die quantitative und qualitative Betrachtung von Veränderung der sozialen Zusammensetzung durch das Messen ausgewählter Variablen, um das dynamische Sozialprofil der Untersuchungstruppe aufzuzeigen. Drittens die Einbettung der so gewonnenen Erkenntnisse in die Betrachtung unterschiedlicher funktional oder sozial definierter Subgruppen und Strukturen. So wird die Komplexität unterschiedlicher Erfahrungshorizonte und Rahmenbedingungen herausgearbeitet, während eine Vorstellung über den Weg des Individuums durch Wehrmacht und Krieg entsteht.

1. DIE PERSONELLE ENTWICKLUNG IM ÜBERBLICK A. D E R UMFANG DES DIVISIONSVERBANDES

Eine Analyse der personellen Entwicklung von Einheiten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ist ein mit großen Unsicherheiten belastetes Unterfangen. Zum einen hat sich im Heer erst nach der Niederlage im Winter 1941/42 und den hohen Verlusten an der Ostfront ein regelmäßiges und kontinuierliches Meldesystem über die Personalstärken seiner Verbände entwickelt.1 Im weiteren Verlauf des Krieges änderten sich jedoch sowohl die Form dieser Stärkenmeldungen als auch die Bezugsgrößen mehrfach, so dass es schwierig ist, aus den erhaltenen Meldungen die Entwicklung der Größe einer Infanteriedivision zu bestimmen. Zum anderen ist die Quellenüberlieferung bei der überwiegenden Zahl der Einheiten stark gestört, so dass kaum je über den gesamten Berichtszeitraum vollständige Angaben vorliegen. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht in der Definition der zu berücksichtigenden Personalstärken selbst. Die Wehrmacht unterschied zwischen der Grabenstärke, der Gefechtsstärke und der Verpflegungsstärke. Daneben müssen spätestens ab 1942 die so genannten landeseigenen Hilfskräfte beMüller-Hildebrand: Statistic Systems, Study P-011, S. 19ff. Ab Anfang 1942 waren durch die Divisionen periodisch Zustandskurzberichte, Stärkenmeldungen etc. an übergeordnete Dienststellen weiterzureichen.

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III. D i e Soldaten

rücksichtigt werden. 2 Im Gegensatz zur Verpflegungsstärke, die alle bei den Einheiten vorhandenen Soldaten umfasste, schloss die Gefechtsstärke Trosse und Stäbe aus, während die Grabenstärke, eine Kategorie, die aus dem Ersten Weltkrieg stammte und schon bald nach Beginn des Meldeverfahrens vernachlässigt wurde, nur die tatsächlich im Kampfeinsatz befindlichen Soldaten zählte. 3 Im Verlauf des Krieges wurde die Meldung der Gefechtsstärke der operativen Einheiten für die militärische Planung zur wichtigsten Information. Die Gefechtsstärken der Kampfverbände wurden aus diesem Grund auf höheren Kommandoebenen für unterstellte Einheiten zusammengefasst und sind daher die am besten belegte Maßzahl. Die bei den Einheiten vorhandenen russischen „Hilfswilligen" und Kriegsgefangenen wurden bis Ende 1942 gesondert in einer eigenen Kategorie gemeldet, jedoch im vereinfachten Meldesystem auf höheren Kommandoebenen nicht mehr aufgeführt. Aus diesem Grund finden sich nur vereinzelt Meldungen über Umfang und Zusammensetzung dieser Kontingente. Ebenso sind nur sporadisch Angaben über Zahl und Umfang der ebenfalls ab 1942 aufgestellten so genannten Osttruppen oder den aus sowjetischen Zivilisten bestehenden Arbeitsdienstabteilungen erhalten. Die vorliegenden Stärkenmeldungen erlauben Rückschlüsse auf die Gesamtgröße der 253. Infanteriedivision zu bestimmten Zeitpunkten. Daher erfordert der Versuch, die quantitative Entwicklung der Division abzuschätzen eine differenzierte Betrachtungsweise der Stärken.4 Die Entwicklung des Meldewesens lässt sich grob in drei Perioden einteilen. Vor Januar 1942 finden sich keine regelmäßigen Berichte über den Personalbestand. Nur vereinzelte Belege wie etwa eine Transportmeldung, die Verlegung der Division aus Frankreich in den Bereitstellungsraum für den Angriff auf die Sowjetunion aus dem Juni 1941 betreffend und eine erste, noch handschriftlich abgefasste Stärkenmeldung aus dem November 1941, gewähren schlaglichtartige Einblicke.5 Zwi2

3

4

5

Zur Einstellung der „Hilfswilligen", BA ZNS Drucksachen, O K H GenStdH / Org. Abt (III) Nr. 8000/42 geh. Verfügung über Landeseigene Hilfskräfte im Osten. Vgl. auch Absolon: Wehrrechtliche Gutachten, Band 22, Nr. 29: Volksdeutsche Überläufer und Kriegsgefangene sowjetrussischer Staatsangehörigkeit in der deutschen Wehrmacht, S. 103ff. Müller-Hildebrand: Statistic Systems, Study P-011, S. 11ff.; vgl. auch DRZW, Band 5.2, S. 839, 971. Vgl. Bartov, Omer: Daily Life and Motivation in War: The Wehrmacht in the Sovjet Union, in: Journal of Strategie Studies (12/1989), S. 200-214, S. 201f.; ders.: Wehrmacht, insbesondere S. 91f.; ders.: Eastern Front, S. 37. Bartov verzichtet auf eine differenzierte Analyse. Bei unvorsichtiger Handhabung der Stärkenmeldungen kann es schnell zu Fehlschlüssen kommen, da sich von Bericht zu Bericht die Berechnungsgrundlage stark verändern kann. Zusammenfassende Zahlen - insbesondere auf höheren Kommandoebenen - enthalten häufig neben den Divisionseinheiten alle zum Zeitpunkt der Meldung unterstellten Truppenteile, die selbst nicht direkt zur Division gehören. Solche Unregelmäßigkeiten verzerren das Bild. BA MA RH 26 253 52, Transportmeldung an die Transportkommandantur Paris Ost vom 20.6.1941; BA MA RH 26 253 53, Stärkenmeldung vom 16.11.1941. Erst mit den Massenverlusten nach dem Überfall auf die Sowjetunion und dem Scheitern der deutschen Offensive im Winter 1941/42 entwickelte sich für die Wehrmachtführung die Notwendigkeit, sowohl für die operative Planung als auch für die Personalplanung ein möglichst aktuelles Bild der tatsächlichen Stärke der Wehrmacht zu besitzen.

1. Die personelle Entwicklung im Überblick

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sehen Januar und November 1942 erlauben detaillierte Stärkenmeldungen sowohl die Entwicklung einzelner Einheiten als auch der Gesamtgröße der Division zu bestimmen. Von Ende 1942 bis 1945 finden sich dagegen, dem vereinfachten Meldewesen entsprechend, nur noch Angaben über die Gefechtsstärken der Kampfeinheiten der Division, wobei zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Teilmengen der Division in die Meldung aufgenommen wurden. Diagramm 1 zeigt deutlich die Trends in der Entwicklung des Personalbestandes.6 Vor Juni 1941 war die 253. Infanteriedivision eine personell voll ausgestattete Infanteriedivision. Sie besaß mit 17053 Soldaten im März 1940, also unmittelbar vor dem Beginn des Frankreichfeldzugs, den größten je erreichten Personalbestand. 7 Den Krieg gegen die Sowjetunion begann sie ebenfalls mit einer nahezu vollständigen Personalausstattung von 16194 Soldaten. 8 Im Zeitraum von Juni 1941 bis zum Ende des Jahres wirkten sich die hohen Verluste beim Vormarsch der Wehrmacht aus. Bis zum November 1941 hatte sich die Verpflegungsstärke der Division, obwohl personeller Ersatz in relativ großem Umfang herangeführt wurde, auf 14623 Personen verringert. 9 Dies entspricht einem Defizit aus Verlusten und Ersatz von 1571 Soldaten. Einen dramatischen Einbruch erlebt die 253. Infanteriedivision während der sowjetischen Gegenoffensive westlich von Moskau im Raum Rshew, von der die Einheiten des XXIII. Armeekorps im Januar und Februar 1942 in starke Bedrängnis gebracht wurden. Im Mai 1942, als die Lage sich wieder stabilisiert hatte, zählte die 253. Infanteriedivision im Monatsdurchschnitt noch 8671 Soldaten.10 Am Ende der ersten großen Niederlage der Wehrmacht im Krieg gegen die Sowjetunion und nach der katastrophalen Winterkrise 1941/42 hatte sich damit der Personalbestand auf etwa 50 % des ursprünglichen Umfangs reduziert. Auch hier verlangen die Quellen eine genaue Analyse. So verzeichnet das XXIII. Armeekorps, dem die 253. Infanteriedivision zu diesem Zeitpunkt angehörte, etwa am 15. März 1942 noch eine Verpflegungsstärke der Division von 14700 Soldaten. Die Akten der Division zeigen allerdings, dass die Division selbst nur eine Verpflegungsstärke von 9921 Soldaten besaß, während die restlichen Personen auf unterstellte Einheiten entfielen.11 Im weiteren Verlauf kennzeichnete eine wellenförmige Bewegung das Jahr 1942, die aus der Wiederauffüllung der Einheiten und ihrer neuerlichen Dezimierung durch die im Raum Rshew im Sommer bzw. Winter dieses Jahres tobenden Schlachten resultiert. Für die Jahre 1943 bis 1945 sind die Angaben über die Entwicklung der Gesamtstärke sehr spärlich. Die vorliegenden Daten lassen jedoch den Schluss zu, dass sich die Stärke der Division zunächst zwischen 7000 und 9000 Soldaten stabilisierte und erst in der zweiten Hälfte 6

Siehe Tabelle-A 1. BA MA RH 26 253 9, Verpflegungsstärke vom 17.03.1940. 8 BA MA RH 26 253 5, Transportmeldung vom 20.06.1941. 9 BA MA RH 26 253 53, Stärkenmeldung vom 16.11.1941. := Der Wert ergibt sich aus den für Mai 1942 ausgewerteten Stärkenmeldungen. ! ' RH 26 253 25, Stärkenmeldung vom 13.03.1942; NARA Film T-314 Film 681 Frame 255ff. 7

66

III. Die Soldaten

D i a g r a m m 1: Verpflegungsstärke

der 253. ID

des Jahres 1944 auf Werte um 6000 Soldaten abzusinken begann.12 Nach dem Abreißen der Verbindungen zum Ersatzheer Ende 1944 konnten schließlich Verluste nur noch durch die Eingliederung von Einheiten und Dienststellen vor Ort ausgeglichen werden, so dass die Division in den letzten Monaten des Krieges auf zwischen 3000 und 4000 Soldaten dezimiert wurde. 13 Es können demnach mehrere Perioden in der personellen Entwicklung unterschieden werden. Von 1939 bis Mitte 1941 entsprach der Personalbestand dem ursprünglich vorgesehenen Plansoll des Kriegsstärkenachweises für eine Infanteriedivision der 4. Welle. Von Juni 1941 bis Dezember 1941 konnte die Stärke der Division trotz hoher Verluste nahezu aufrechterhalten werden. Zwischen Dezember 1941 und Mai 1942 erfolgte eine dramatische Dezimierung der Division. Zwischen Mitte 1942 und Ende 1944 verlief die Entwicklung auf wesentlich niedrigerem Niveau relativ stabil. Die Stärken fluktuierten mit einer Amplitude von etwa 1000 um 8000 Soldaten. Ende 12

13

Siehe Tabelle-A 1, Tabelle-A 2, Tabelle-A 3. Zur Entwicklung der Personalstärken von Infanteriedivisionen in der zweiten Kriegshälfte, Müller-Hildebrand: Division Slice, Study P-072, S. 13. Vgl. auch DRZW, Band 5.2., S. 968f. Der letzte Wert ergibt sich als Schätzung. Die letzte reguläre Genesenenmarschkompanie traf bei der 253. Infanteriedivision im Januar 1945 ein; die Herkunft von Personalersatz in den letzten Kriegsmonaten kann aus der Heimkehrerkartei erschlossen werden. Stärken können durch die Auswertung der Heimkehrerkartei und der Vermisstenbildliste abgeschätzt werden. Des weiteren finden sich Hinweise auf Truppeneingliederungen bei Tessin: Verbände, Band 4, S. 237; dazu auch ders.: Verbände, Band 6, S. 43. Die Eingliederung von Resten der 26. ID erfolgte im September 1944, vgl. von Bönninghausen: Kampf und Ende, S. 47.

1. Die personelle Entwicklung im Überblick

67

1944 erfolgte der zweite Einbruch, der die Division nochmals um etwa 50 % dezimierte. Bei Kriegsende wies sie nur noch weniger als 25 % ihrer ursprünglichen personellen Ausstattung auf. Diese Zahlen repräsentieren allerdings in erster Linie die Entwicklung der deutschen Wehrmachtsangehörigen, die zur 253. Infanteriedivision gehörten. Organisation und militärischer Wert der Division unterlagen jedoch dem Einfluss weiterer Faktoren. Erstens waren einer Infanteriedivision oft militärische Einheiten unterstellt, die gemäß Kriegsstärkennachweis nicht direkt zur Division gehörten. Es konnte sich hier um Infanterie-, Artillerieeinheiten oder Verbände anderer Waffengattungen handeln, durch die die Kampfkraft der Division verstärkt wurde. Zweitens erfolgten in der Division interne Personalverschiebungen von den Unterstützungs- zu den Kampfeinheiten. Sie resultierten in einem Absinken der Verpflegungsstärken der Versorgungseinheiten, der Ausdünnung der zentralen Versorgungsdienste und ihrer dezentralen Verteilung auf die Kampfeinheiten der Division.14 Drittens wurden die fehlenden deutschen Soldaten zunehmend durch sowjetische Kriegsgefangene oder Zivilisten ersetzt. Sie bildeten Kampfeinheiten, wurden im Rahmen regulärer Einheiten zu Hilfsdiensten eingesetzt oder - im Fall von Zivilisten - zu Arbeitskolonnen zusammengefasst und bei Bau- und Instandsetzungsvorhaben zu Zwangsarbeit verpflichtet. So entstanden Hilfstruppen von zeitweise mehreren Tausend Personen, durch deren Einsatz das Funktionieren der Division als militärische Einheit gesichert wurde. 15 Zwar erlebte das Personal der 253. Infanteriedivision nach dem Einbruch im Winter 1941/42 eine längere Periode relativer Stabilität, dennoch reduzierte sich sein Anteil am Gesamtverband der Division mit unterstellten Einheiten und sowjetischem Hilfspersonal zusehends. Einen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im August 1943. In diesem Monat meldete der Korpsintendant der Division, dass 15843 Personen von der Division verpflegt wurden. 16 Gleichzeitig umfassten die Einheiten der Division selbst nur 9020 Soldaten. Diesen regulären Angehörigen der Division standen insgesamt 1229 russische „Hilfswillige" und eine unbekannte Anzahl ziviler Arbeitskräfte gegenüber.17 Die Gefechtsstärke ihrer Kampfeinheiten betrug zu 14

13

16 17

BA MA RH 26 253 54, Stärkenmeldung vom 31.01.1942; BA MA RH 26 253 33, Stärkenmeldung vom 28.11.1942; So betrug die Verpflegungsstärke der Versorgungstruppen im Januar 1942 noch 2319 Soldaten. Im Dezember 1942 - nach einer Eingliederung des größten Teils der Versorgungseinheiten in die Kampfeinheiten - wurden nur noch 201 Soldaten in den der Division direkt unterstellten Versorgungstruppen geführt, während sich eine Reihe kleinerer Versorgungseinheiten nun bei den Infanterieregimentern befand. Zur Ausdünnung der Trosse vgl. DRZW, Band 5.2, S. 950ff. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im Oktober 1942. Die Verpflegungsstärke der 253. Infanteriedivision sank vorübergehend auf 8217 Personen, von denen 1347 oder 16,3 % sowjetische Hilfswillige waren. Von den 6780 deutschen Soldaten entfielen 4101 oder etwa 40 % auf die Gefechtsstärken der Kampfeinheiten, NARA Film 684 Frame 1228. Hier finden sich auch Vergleichszahlen für andere Divisionen des XXIII. Armeekorps. NARA Film T-314 1088 Frame 431, Verpflegungsstärke der 253. Infanteriedivision. NARA Film T-314 1090 Frame 701, interessant ist, dass die 185 russischen „Freiwilligen" des Ost-Bataillons 253 den regulären Wehrmachtsangehörigen zugerechnet werden, während das Bataillon gleichzeitig 40 „Hilfswillige" zählt.

68

III. Die Soldaten

diesem Zeitpunkt nur 2429 Soldaten. 18 Wie stark auch hier die Fluktuation sein konnte, zeigt ein Vergleich mit dem November desselben Jahres. Nun wurden von der Division insgesamt 11216 Personen versorgt, 19 die Verbände der Division umfassten insgesamt noch 8262 Soldaten, die durch 1144 russische „Hilfswillige" verstärkt wurden, 20 während die Kampfeinheiten eine Gefechtsstärke von durchschnittlich etwa 2100 Mann erreichten. 21 Zur Überprüfung der hier skizzierten Entwicklung kann die Betrachtung der Infanteriebataillone bzw. des Pionierbataillons herangezogen werden. Die Veränderung der Gefechtsstärken der Infanterieregimenter ist neben derjenigen des Pionierbataillons der am besten dokumentierte Bereich der Personalentwicklung, da die Infanterieeinheiten in nahezu jeder überlieferten Stärkenmeldung berücksichtigt wurden. 22 Diagramm 2 zeigt die Anzahl der durchschnittlich in den Infanteriebataillonen bzw. dem Pionierbataillon der 253. Infanteriedivision einsatzbereiten Diagramm 2: Durchschnittliche Gefechtsstärken 1941-1945

RH 26 253 103, Führermeldung (Stärkemeldung) vom 21.08.1943; in der Zahl von 2429 sind die Stäbe der Einheiten nicht enthalten. RH 26 253 71, Beurteilung der Versorgungslage vom 02.12.1943. RH 24 23 162, Ist-Stärken der Divisionen des XXIII. Armeekorps am 01.11.1943. Beispielsweise RH 24 23 162, Führermeldung vom 13.11.1943. In die Berechnung wurden die zu einem bestimmten Zeitpunkt existierenden Bataillone der Infanterieregimenter ohne die 13. und 14. Kompanie sowie ohne den Regimentsstab einbezogen. Dieser kleinste gemeinsame Nenner erlaubt die Betrachtung der Stärken über einen sehr langen Zeitraum. Aus allen zur Verfügung stehenden Quellen wurde für jeden Monat, für den Berichte vorlagen, die durchschnittliche Gefechtsstärke berechnet. Die durchschnittliche Gefechtsstärke eines Bataillons ergibt sich aus den mittleren Stärken der zu einem Zeitpunkt jeweils existierenden Bataillone in einem Infanterieregiment. Die Werte für das Pionierbataillon umfassen immer die in den Berichten ohne weitere Differenzierung genannte Gefechtsstärke des Bataillons

1. Die personelle Entwicklung im Überblick

69

Soldaten. Da der größte Teil der Personalveränderungen in den Kampfeinheiten mit ihren relativ hohen Verlusten stattfand, kann erwartet werden, dass sich die quantitative Entwicklung der Division eher in der Personalentwicklung dieser Teileinheiten widerspiegelt, als in den Teileinheiten, in denen ein höheres Maß personeller Kontinuität vorherrschte. Der Verlauf der Kurven bestätigt die beobachtete Personalentwicklung der Division. Den zunächst hohen, nicht aber katastrophalen Verlusten im zweiten Kriegshalbjahr 1941 folgte der dramatische Einbruch im Winter 1941/42, der die Bataillone an seinem Tiefpunkt auf etwa 30 % ihrer ursprünglichen Gefechtsstärke reduzierte. Sie stabilisierten sich jedoch bei einer Größe zwischen 200 und 400 Soldaten - dies entsprach etwa der Größe von ein bis zwei regulären Infanteriekompanien. Für die Stärke eines Infanterieregiments bedeutete dies Werte um 800 bis 1000 Soldaten, solange die Infanteriebataillone noch durch die 13. Infanteriegeschütz- und die 14. Panzerabwehrkompanie verstärkt wurden, und um 800 Soldaten nach dem Wegfallen dieser Einheiten, die 1943 zu einer divisionseigenen Panzerabwehrabteilung zusammengefasst wurden. Deutlich werden ebenfalls die Bemühungen der Wehrmacht, ihre Kampfeinheiten auf einer vertretbaren taktischen Größe zu halten. Bereits 1942 sind mehrere Wellen zu erkennen, in denen die Bataillone verstärkt wurden. Dies war einerseits auf das Eintreffen von Ersatz zurückzuführen, spiegelt aber auf der anderen Seite auch die Reduzierung der Gesamtzahl der Infanteriebataillone wider. So ist insbesondere der Anstieg der Durchschnittsstärke der Infanteriebataillone bis August 1942 auf die Auflösung eines Bataillons in jedem Regiment zurückzuführen und der Anstieg der Gefechtsstärken zwischen Juni und August 1943 auf die Auflösung des Grenadierregiments 473, dessen Einheiten auf die verbleibenden Bataillone verteilt wurden. Anders dagegen ist vermutlich der Anstieg der Gefechtsstärken im Sommer 1944 zu erklären. Zu diesem Zeitpunkt fanden keine organisatorischen Maßnahmen statt, die auf Personalumverteilungen schließen lassen. Dieser Umstand macht es wahrscheinlich, dass es sich hier um eine reale personelle Aufstockung der Division handelt. 23 Noch klarer wird diese Tendenz durch den Vergleich der indizierten Werte der Verpflegungsstärke der Division mit der Gefechtsstärke der Kampfeinheiten. Zunächst zeigt Diagramm 3 die im Winter 1941/42, gemessen an der Entwicklung der Gesamtstärke der Division, deutlich höheren Verluste der Kampfeinheiten, deren Gefechtsstärke um fast 70 Indexpunkte sank, während in den ersten Monaten des Jahres 1942 die Verpflegungsstärke der Division nur auf etwa die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes abfiel.24 Im weiteren Verlauf des Jahres 1942 reduzierte sich die Verpflegungsstärke zu23

24

Der Anstieg fällt zeitlich mit der Eingliederung von Resten der 26. Infanteriedivision am 17. September 1944 zusammen. Bei dieser Division handelte es sich ebenfalls um eine im Wehrkreis VI aufgestellte Division, die ihren Rekrutierungsschwerpunkt im Raum Köln hatte und bereits vor ihrer Eingliederung die Nachbardivision der 253. Infanteriedivision gewesen war. Vgl. von Bönninghausen, Kampf und Ende, S. 47. Juni 1941 = 100. Siehe Tabelle-A 1.

70

III. Die Soldaten

Diagramm 3: Indices der

Personalstärken

nächst weiter, gleichzeitig hatten sich die Gefechtsstärken bereits stabilisiert. Dies deutet auf die Personalumschichtungen aus den rückwärtigen Diensten in die Kampfeinheiten hin, mit denen die Wehrmacht versuchte, die Einsatzbereitschaft der Fronteinheiten aufrecht zu erhalten. 25 1942/43 verlief die Entwicklung nahezu parallel. Die steigenden Verpflegungsstärken zeitgleich mit der Auflösung des Grenadierregiments 473 deuten darauf hin, dass mit dieser Personalumverteilung die Zuführung von Ersatzmannschaften verbunden war. Zu beachten ist speziell die Entwicklung im Sommer 1944. Hier liegen für die Verpflegungsstärken keinerlei Angaben vor, so dass ein von Ende 1943 bis November 1944 sinkender Trend vermutet werden kann. Die dann stark ansteigenden Gefechtsstärken der Kampfeinheiten deuten jedoch auf eine letzte umfangreichere Eingliederung von Personalersatz hin. Die Meldungen des Pionierbataillons 253, die zu den letzten verfügbaren Stärkenmeldungen einzelner Einheiten zählen, bestätigen die bis Kriegsende starken Verluste der Division. Im November 1944 war die Gefechtsstärke dieser Einheit bis auf 14 % ihres ursprünglichen Wertes abgesunken. Dies bestätigt die bereits skizzierte quantitative Entwicklung der Personalausstattung der 253. Infanteriedivision, für die vor allem der Einbruch im Winter 1941/42 eine einschneidende Zäsur bildete. Darauf folgte jedoch eine nahezu drei Jahre andauernde Phase relativer Stabilität, die nach einer Erholung der Personalentwicklung in der erste Hälfte des Jahres 1944 in die kontinuierlich starken Verluste, die bis Kriegsende andauerten, überging. Entsprechend die23

Vgl. Absolon: Wehrrechtliche Gutachten, Band 4, Nr. 43: Auskämmaktion des Generals der Infanterie z. V. von Unruh, „Sonderbeauftragter des Führers" für die Nachprüfung des Kriegseinsatzes der Wehrmacht, S. lOOff.

1. D i e personelle E n t w i c k l u n g im Überblick

71

ser Periodisierung müssen die Konsequenzen dieses Prozesses analysiert werden. Erstens welche Auswirkungen hatte die Personalkrise 1941/42 auf die Untersuchungsgruppe? Zweitens wodurch war ihre Entwicklung zwischen dem Frühjahr 1942 und dem Sommer 1944 geprägt? Drittens wodurch wurde das Sozialprofil im letzten Kriegsjahr 1944/45 bestimmt? Der zweite wichtige Aspekt der personellen Entwicklung ist die Klärung der Frage, wie viele Personen zwischen 1939 und 1945 zur 253. Infanteriedivision gehört haben. Bislang liegen in der Forschung nur sehr ungenaue und undifferenzierte Schätzungen vor.26 Überlegungen zu einer genauen Bestimmung müssen Folgendes berücksichtigen: die Verluste setzten sich aus Gefallenen, Vermissten und Verwundeten zusammen. Während die ersten beiden Kategorien das endgültige Ausscheiden eines Individuums aus der Wehrmacht mit sich brachten, verblieben die Verwundeten zunächst innerhalb des militärischen Systems. Falls sie nicht später an den Folgen ihrer Verletzungen verstarben, kehrten Sie in den Einsatz im Rahmen der Wehrmacht zurück, in vielen Fällen sogar in ihre ursprünglichen Einheiten. Es muss demnach unterschieden werden, wie viele Soldaten-Einheiten und wie viele Individuen zu einer Division gehörten. Eine Möglichkeit der Annäherung an die erste Maßzahl besteht in der Betrachtung der Ausgangs- und der Endgröße der Division sowie der Gesamtzahl der im Kriegsverlauf eintretenden Verluste.27 Für die 253. Infanteriedivision liegen in der Periode vor dem Eintreten der ersten Verluste im Mai 1940 zwei Größenangaben vor. Aus ihnen ergibt sich eine mittlere Ausgangsgröße (Ml) von 16065 Soldaten. 28 Basierend auf der Auswertung der Heimkehrerkartei und der Vermisstenbildliste, lässt sich die Größe der Division bei ihrer Kapitulation (M2) auf etwa 3500 Soldaten schätzen.29 Die quantitative Auswertung der Verlustunterlagen bei der Deutschen Dienststelle, die von 1939 bis Ende 1944, teilweise aber auch bis Kriegsende reichen, ergibt für die 253. Infanteriedivision Verluste (V) von 31015 Gefallenen, Verwundeten und Vermissten. Zur Ermittlung des Gesamtumfanges muss nun zunächst der Umfang des Personalersatzes (£) berechnet werden, der zum Erreichen der Stärke M2 bei den Verlusten V notwendig war, also 26

27

28 29

Omer Bartov hat mehrfach angesetzt zu klären, wie viele Soldaten insgesamt eine Division der Wehrmacht durchlaufen haben. Er kommt dabei zu Schätzungen zwischen 30000 und 50000 Personen. Vgl. Bartov: Eastern Front, S. 12ff; ders.: Wehrmacht, S. 91f. Er bezieht seine Angaben jedoch aus einer undifferenzierten Betrachtung der Gesamtverluste, ohne zu berücksichtigen, dass der überwiegende Anteil der Verluste in Verwundeten bestand, die nach ihrer Genesung zu ihren ursprünglichen Einheiten zurückkehren konnten. Die im Folgenden angestellten Berechnungen sind als Näherungswerte zu verstehen, da sie auf Zahlen beruhen, deren Genauigkeit nicht überprüft werden kann. Siehe Tabelle-A 1. Die Heimkehrerkartei verzeichnet die aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Soldaten. In ihr ist das Datum der Gefangennahme vermerkt. Für diese Schätzung wurden alle Einträge berücksichtigt, die eine Gefangennahme im Jahr 1945 auswiesen. Die Vermisstenbildliste verzeichnet nur Soldaten, deren Schicksal nach der Rückkehr der Kriegsgefangenen noch nicht aufgeklärt werden konnte. Beide Listen überschneiden sich also nicht. Aus der Vermisstenbildliste wurden alle Einträge berücksichtigt die ein Vermisstwerden 1945 nachweisen. Da die Ver-

III. Die Soldaten

72

M1-V+E = M2 E = - ((Ml - V) - Ml)

16065-31015 4-£ = 3500 E = -(16065-31015-3500) E= 18450

Der Umfang des Personalersatzes, den die 253. Infanteriedivision benötigte, um die beobachtete Entwicklung zu nehmen, betrug also 18450 Soldaten. 30 Die Summe der die Division durchlaufenden Soldaten-Einheiten ergibt sich aus der Ausgangsgröße Ml und dem Personalersatz E und betrug etwa 34515. Eines der grundlegenden Prinzipien bei der Allokation von Personalersatz der Wehrmacht war es, genesene Verwundete nach Möglichkeit wieder zu ihren Stammtruppenteilen zurückzuversetzen. 31 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie hoch der Anteil dieser Rückversetzten am Personalersatz gewesen ist, wie viele Individuen also für die Gestellung von 34500 SoldatenEinheiten notwendig waren. Die Verluste müssen hierzu zunächst in Gefallene und Vermisste einerseits, Verwundete andererseits differenziert werden. Für die 253. Infanteriedivision ergeben sich 2145 Vermisste, 6928 Gefallene und 21942 Verwundete. Aus den von der Wehrmacht im Rahmen der Personalplanung angestellten Berechnungen ergibt sich, dass von den Verwundeten etwa 70 % nach ihrer Genesung wieder als feldverwendungsfähig eingestuft wurden, also wieder an der Front eingesetzt werden konnten. 32 Daraus ergibt sich ein Anteil von 15359 Soldaten, die wieder für Kampfeinsätze zur Verfügung standen. Eine Analyse der Schicksale von Soldaten der 253. Infanteriedivision, die während ihrer Zugehörigkeit zur Division verwundet wurden, zeigt, dass zwischen 47 % und 55 % der wieder dienstfähigen Verwundeten im Verlauf eines halben Jahres nach ihrer Verwundung aus dem Divisionsverband versetzt wurden. 33

3C

31

32

33

lustunterlagen der DDSt in den meisten Fällen nur bis Ende 1944 reichen, kann davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil der Gefallenen des Jahres 1945 in die Vermisstenbildliste eingegangen ist. Hier ist es nun von Bedeutung, zwischen Individuen und Soldaten-Einheiten zu unterscheiden, wobei unter letzteren die Präsenz eines Soldaten währen eines Dienstzeitintervalls bei der 253. Infanteriedivision verstanden werden soll. Ein Soldat konnte mehrere Dienstzeitintervalle bei den Feldeinheiten absolvieren. Er zählt dabei als ein Individuum, kann jedoch mehrere Soldaten-Einheiten repräsentieren. Im Oktober 1942 wurden im Bereich der 253. Infanteriedivision 80 % der Genesenen wieder ihren alten Einheiten zugeführt, 20 % wurden für Neuaufstellungen als Kader verwendet, NARA T-314 Film 685 Frame 388. Vgl. allgemein van Crefeld: Kampfkraft, S. 123. Müller-Hildebrand: Statistic Systems, Study P-011, S. 148ff., insbesondere S. 159. Nach 6 Monaten standen durchschnittlich sogar 85 % der Soldaten wieder zur Verfügung. 70 % wird als Mittelwert angenommen. Es ergeben sich jedoch Ungenauigkeiten, da Soldaten beispielsweise mehrfach verwundet werden konnten. Vgl. dazu auch van Crefeld: Kampfkraft, S. 122f. Diese Zahl stimmt im Übrigen mit Werten, die für die Verwundeten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg angegeben werden, überein, vgl. Erickson: Red Army, S. 245. Die Auswertung der Datenbank ergibt, dass der Anteil der Versetzten oder Entlassenen bei Messungen nach 30, 60, 90, 120, 150 und 180 Tagen bzw. für den Gesamtzeitraum zwischen dem Verwundungsereignis und dem Ausscheiden des Soldaten, für Soldaten, deren Schicksal ermittelt werden konnte, zwischen 47 % und 55 % lag. Es ergibt sich ein Mittelwert von 51 %.

1. D i e personelle E n t w i c k l u n g im Ü b e r b l i c k

73

Bei einer mittleren Quote von 51 % der Verwundeten, die nach ihrer Verwundung die Division verließen, um in einer anderen Einheit zum Einsatz zu kommen, verblieben unter dem Personalersatz der 253. Infanteriedivision etwa 7525 Soldaten (G), die mindestens einmal in die Feldeinheiten der Division zurückversetzt wurden. Als Näherungswert für die Anzahl der Individuen (/), die zwischen 1939 und 1945 Angehörige der 253. Infanteriedivision gewesen sind, ergibt sich daraus / = M\ + E - G oder 1= 16065 4- 18500-7525 also ein Wert von 27040 Individuen. Bei der weiteren Verwendung der hier ermittelten Maßzahlen muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Berechnungen auf Angaben beruhen, deren Genauigkeit kaum überprüfbar ist. Sie sind also mit gewissen Unwägbarkeiten behaftet und können nur als Näherungswerte verstanden werden. 34

B. MILITÄRISCHE VERLUSTE U N D PERSONALERSATZ

Die beiden Faktoren, von denen der soziale Wandel innerhalb der Untersuchungsgruppe bestimmt wurde, waren die militärischen Verluste und der zugeführte Personalersatz. Über die militärischen Verluste, die bei der 253. Infanteriedivision zwischen 1939 und 1945 eingetreten sind, geben vor allem zwei Quellen Auskunft. Die Sachakten der Division enthaltenen Berichte der Stabsabteilung Ila/b, die für den Zeitraum zwischen April 1941 und Mai 1943 - also die ersten beiden Jahre des Krieges gegen die Sowjetunion - eine Zusammenfassung der Verluste, differenziert nach Gefallenen, Verwundeten und Vermissten sowie nach Mannschaften und Offizieren bieten. Sie werden ergänzt durch die für einige Monate vorliegenden monatlichen Verlustmeldungen. Diese Überlieferung reißt jedoch, wie der überwiegende Teil der Sachakten auf Divisionsebene, Mitte 1943 ab. Dagegen bilden die von Oktober 1939 bis März 1945 vorliegenden Verlustmeldungen der Division, die in den Beständen der Deutschen Dienststelle erhalten sind, einen Quellenbestand, aus dem sich durch quantitative Auswertung ein genaues Bild über die Entwicklung der Verluste für nahezu den gesamten Untersuchungszeitraum erarbeiten lässt.35 Die Genauigkeit beider Quellen ist durch Lücken in der Überlieferung sowie dem komplizierten Meldewesen der Wehrmacht inhärente Probleme beeinträchtigt, so dass auch hier aus den ermittelten Werten '4 Aus dem Vergleich statistischer Angaben aus den Sachakten mit den quantitativen Auswertungen der Stichprobe aus den Personalpapieren ergibt sich eine Fehlerquote von 10 bis 15

%. 3

BA MA RH 26 253 12, Tätigkeitsbericht II a/b 11.04.1941 bis 02.12.1941; BA MA RH 26 253 21, Tätigkeitsbericht II a/b 03.12.1941 bis 13.04.1942; BA MA R H 26 253 47, Tätigkeitsbericht II a/b 14.04.1942 bis 31.12.1942; BA MA RH 26 253 48, Tätigkeitsbericht II a/b 1.1.1943 bis 30.06.1943; aus der DDSt, Verlustunterlagen der 253. Infanteriedivision. Eine detaillierte Aufstellung findet sich im Anhang auf Seite 456.

74

III. Die Soldaten

und Entwicklungen nur Tendenzen und ungefähre quantitative Verhältnisse abgeleitet werden sollen.36 Unter den militärischen Verlusten sollen des Weiteren die Personalveränderungen verstanden werden, die durch den Tod, Verwundungen oder die Gefangennahme von Soldaten im Kampfeinsatz eingetreten sind, während Versetzungen und Kommandierungen, die etwa durch Krankheit, Ausbildungen, Umstrukturierungen oder Entlassungen, etwa wegen der uk-Stellung von Soldaten zugunsten der Wirtschaft, außen vor bleiben, da sie nur sehr unzureichend dokumentiert sind. Die auf diese Weise ausgelösten Personaltransfers wiegen im Vergleich zu den militärischen Verlusten quantitativ nicht so schwer, dass ihre Vernachlässigung das Ergebnis gravierend verzerrt. Für die Gesamtverluste der 253. Infanteriedivision, bestehend aus Gefallenen, Verwundeten und Vermissten ergibt die Auswertung der Verlustunterlagen eine Summe von 31015.37 Diagramm 4 zeigt die Verteilung der Verluste D i a g r a m m 4: Verluste der 253.

Infanteriedivision

3000 2M0 2600 2400

• vermisst verwundet «tot

2200 2000 1800 1600 1400 1200 1000

I

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• 11'.. i..

i*!fI3t*lf33i*jfij

Vgl. zu dieser Problematik Overmans: Militärische Verluste. Die Angaben beziehten sich auf den Zeitraum zwischen September 1939 und Mai 1945, wobei die Verlustmeldungen bis in den März 1945 für die Mehrzahl der Divisionseinheiten relativ vollständig vorliegen. Für die Überprüfung dieses Wertes können nur die Verlustmeldungen vom April 1941 bis Mai 1943 aus den Sachakten herangezogen werden. Für diesen Zeitraum ergibt sich aus den Verlustunterlagen ein Wert von 11229 und aus den Berichten der Abt. II a/b ein Wert von 12271, wobei letzterer auch uk-Stellungen und Abgänge wg. Krankheit und allg. gesundheitlichen Gründen sowie Entlassungen einschließt, die in den Unterlagen der Deutschen Dienststelle nicht enthalten sind. Dieser Vergleich spricht daher für die Zuverlässigkeit der Auswertungsergebnisse. Vergleichszahlen für die ersten 28 Monate des Krieges gegen die Sowjetunion zeigen, dass die Verluste der 253. Infanteriedivision durchaus typisch für Infanteriedivisionen an der Ostfront waren. Für den genannten Zeitraum meldete die 123. Infanteriedivision 13969, die 125. Infanteriedivision 15139 und die 294. Infanteriedivision 17714

1. Die personelle E n t w i c k l u n g im Überblick

75

auf die Einsatzdauer der 253. Infanteriedivision. 38 In dieser Entwicklung zeichnet sich die Operationsgeschichte der Division ab. Sie zeigt für den Zeitraum nach dem Angriff auf die Sowjetunion die hohen Anfangsverluste, die vor allem aus den harten Kämpfen um die Stadt Welikije Luki im Juli und August 1941 herrührten. Im Herbst 1941 folgten darauf mehrere Monate mit anhaltend hohen Verlusten, die zwar niedriger lagen als zu Beginn des Feldzuges und erst im März 1942 einen neuen Höhepunkt erreichten, durch ihre lange Dauer aber zu den beobachteten hohen personellen Einbußen führte. 39 Gerade dieser Zeitraum, in den die erste tief greifende militärische Krise der Wehrmacht fällt, erfordert eine genaue Betrachtung der Verlustziffern. Bereits nach der Einnahme von Welikije Luki hatte die 253. Infanteriedivision stark abgesunkene Gefechtsstärken gemeldet, gleichzeitig lag die Verpflegungsstärke der meldenden Einheiten um bis zu 700 Soldaten höher als bei früheren Meldungen. Neben Stabspersonal handelte es sich hier vermutlich um Kranke und Leichtverletzte, deren baldige Genesung zu erwarten war. Die Beurteilung der Verluste nach den gemeldeten Gefechtsstärken täuscht in diesem Fall über das tatsächlich geringere Ausmaß der dauerhaften Verluste. 40 In der Tat lagen die Verpflegungsstärken nur wenig unter den im Kriegsstärkennachweis angegebenen Sollwerten. Auch die Entwicklung im Winter 1941/42 erfordert ähnliche Sorgfalt. Zwischen dem 21. Juni 1941 und dem 30. April 1942 meldete die 253. Infanteriedivision Gesamtverluste von 163 Offizieren und 5193 Mannschaften, darunter 1109 Gefallene und 622 Vermisste. Im Folgemonat erhöhten sich die seit Feldzugsbeginn eingetretenen Verluste auf 166 Offiziere und 5302 Mannschaften, darunter jedoch nur 18 neue Gefallene. Bis zum 15 Juni 1942 meldeten sich insgesamt 209 als vermisst gemeldete Soldaten, die bei den Rückzugsbewegungen während der Winterschlacht von ihren Einheiten getrennt worden waren, bei der 253. Infanteriedivision zurück. So kehrte beispielsweise der Feldwebel Ludwig A., Jahrgang 1911, der bereits am 18. Januar 1942 als bei Nelidowo vermisst gemeldet worden war, am 7. Mai 1942 wieder zu seiner Einheit zurück. 41 Die

3S 39

40 41

Verwundeten und Gefallene. Die 253. Infanteriedivision hatte bis zu diesem Zeitpunkt 15937 Tote und Verwundete. BA ZNS P5 (10) Ordensabteilung, Schreiben des XVII. Armeekorps vom 16.11.1943. Siehe Tabelle-A 3. Zu den hohen Verlusten im Winter 1942 und der Situation der 253. Infanteriedivision in diesem Zeitraum siehe BA MA RH 24 23 68, Verluste, Ausfälle und Beute im 7. bis 10. Vierwochenabschnitt des Osteinsatzes vom 21.12.1941 bis 20.04.1942 des XXIII. Armeekorps. Hier wird darauf hingewiesen, dass sich die Verluste des Korps in den vier Wintermonaten gegenüber den ersten sechs Monaten nach dem Überfall auf die Sowjetunion verdoppelt haben. NARA T-314 Film 679 Frame 646. DDSt, Zentralkartei; DDSt Verlustmeldung IR 464. Diese Soldaten tauchen zunächst in den Verlustmeldungen der Division auf, die so entstandenen Ungenauigkeiten wurden bei der DDSt nachträglich korrigiert, in der Zentralkartei blieben die Einträge jedoch vielfach unberichtigt, so etwa im Fall Ludwig A., der nur anhand der korrekt bearbeiteten Verlustmeldung nachvollzogen werden konnte, während die Auskunft in der Zentralkartei mit der Vermisstmeldung 1942 abschließt. Die Gesamtverluste der 253. ID wurden in den Sachakten des XXIII. AK im April mit 5356, im Mai mit 5468 und Mitte Juni mit 5295 Soldaten angegeben; NARA T-314 Film 683 Frame 453ff.

76

III. Die Soldaten

Zahl der Vermissten reduzierte sich von 622 auf 413 Soldaten! Im Licht dieser Einschränkungen relativiert sich das durch undifferenzierte und punktuelle Auswertung von Verlustmeldungen entstehende Bild von Struktur und Umfang der personellen Verluste. Trotz der unzweifelhaft drastischen, vor allem aber der Wehrmacht bis dahin völlig unbekannten Höhe und Intensität der Verluste, waren die langfristigen Auswirkungen, da die dauerhaften Verluste niedriger lagen als bisher vielfach angenommen, geringer als isoliert betrachtete Angaben suggerieren. 42 Im Sommer 1942 kam es zu einem kurzen Absinken der Verlustquoten, während die Zeit von August 1942 bis Anfang 1943 durch die Auswirkungen der Schlachten bei Rshew gekennzeichnet ist. Die Phase relativ niedriger Verluste im Frühjahr 1943 ist auf den gelungenen Rückzug aus dem Frontbogen bei Rshew im Rahmen der Büffelbewegung, die Stationierung der Division in einem ruhigeren Frontabschnitt und ihre anschließende Verlegung in den Raum nördlich von Orel zurückzuführen. 43 Mit den Kämpfen bei Orel und Brjansk ab Juli 1943 begann dann die letzte Phase, die von anhaltend hohen Verlusten geprägt wurde, in denen sich die hohe Intensität der Rückzugsschlachten niederschlug. Ihren Höhepunkt erreichte sie im Sommer 1944, als die Heeresgruppe Mitte unter der Großoffensive der Roten Armee zusammenbrach. Obwohl die 253. Infanteriedivision wenige Wochen zuvor zur südlich an die Heeresgruppe Mitte anschließende Heeresgruppe Nordukraine verlegt wurde, zeichnen sich die Auswirkungen der Kampfhandlungen ab. Zwischen 1941 und 1945 werden also zwei Phasen erkennbar. Von Juni 1941 bis Mitte 1943 wurde die Entwicklung von einer im Vergleich zu den Anfangsverlusten des Feldzuges abnehmenden Verlustquote gekennzeichnet, auf Monate mit sehr hohen Verlusten folgten Zeiträume mit geringeren Opfern. Ab Juni 1943 jedoch wiesen die Verluste eine ständig steigende Tendenz auf, wobei nun Monate mit unterdurchschnittlichen Verlusten selten wurden. Bei der Gewichtung der Entwicklung von Größe und Zusammensetzung der Division muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die zwischen Mitte 1942 und Mitte 1943 zeitweise rückläufigen Verlustziffern relativ zu den ebenfalls stark abgesunkenen Mannschaftsstärken auswirkten. Interessant scheint ferner die Beobachtung, dass die monatlichen Verluste im Krieg gegen die Sowjetunion zunächst nicht wesentlich höher lagen als die Verluste im Westfeldzug. Dies macht deutlich, dass der gravierende Unterschied zwischen dem Krieg im Westen und dem im Osten zunächst nicht in der Intensität der Kämpfe lag, sondern in deren langem Anhalten bei gleichzeitig hoher Intensität.44 4

- Vgl. beispielsweise Bartov: Eastern Front, S. 37. Auch NARA T-315 Film 1759 Frame 733f.; vom 01.01.43 bis zum 30.06.1943 verlor die 253. ID 550 Verwundete, darunter 11 Offiziere und 206 Tote. Unter den Toten waren 2 Offiziere. 18 Mannschaftssoldaten wurden vermisst. 44 Tatsächlich finden sich im August 1941 - etwa 6 Wochen nach Angriffsbeginn - erste Meldungen des Divisionskommandos, die sich nicht auf die hohen Verluste, sondern auf die Beanspruchung durch die Dauer des Vormarsches beziehen, BA MA RH 26 253 16, Betr. Zustandsbericht, Schreiben vom 04.08.1941. 43

77

1. Die personelle E n t w i c k l u n g im Ü b e r b l i c k

Die Verteilung der Verluste auf Gefallene, Verwundete und Vermisste, wie sie Tabelle 2 zeigt, lässt auf ein Verhältnis von etwa 7 : 3 zwischen Verwundeten und Soldaten, die dauerhaft ausfielen, schließen. Von den Verlusten entfielen also 70 % auf Verwundete und 30 % auf Tote und Vermisste. Die 9073 gefallenen oder vermissten Angehörigen der 253. Infanteriedivision entsprachen bei einem angenommenen Personalbestand von insgesamt etwa 27040 Personen einem Anteil von 33,6 %. Dieser Wert liegt - wie für eine Kampfeinheit zu erwarten - leicht über dem für die gesamte Wehrmacht errechneten durchschnittlichen Anteil von etwa 28 % dauerhaften Verlusten. 45 Tabelle 2: Tote, Verwundete

Verluste

und Vermisste

tot

% Tote

der

Teileinheiten

verwundet

% Ver- vermisst wundete

% Vermisste

GR453 GR464 GR473 Pi. 253 Div. Btl. 253 AA253 Pz.Jg.253 AR 253 FEB 253 NA 253 Dinatru Stab

9187 10303 4480 1065

2039 2181 1169 279

22,2 21,2 26,1 26,2

6572 7376 3161 725

71,5 71,6 70,6 68,1

576 746 150 61

6,3 7,2 3,3 5,7

1664 329 973 2444 321 161 77 11

311 115 262 443 77 38 10 4

18,7 35,0 26,9 18,1 24,0 23,6 13,0 36,4

1104 203 642 1831 198 112 14 4

66,3 61,7 66,0 74,9 61,7 69,6 18,2 36,4

249 11 69 170 46 11 53 3

15,0 3,3 7,1 7,0 14,3 6,8 68,8 27,3

Summe

31015

6928

22,3

21942

70,7

2145

6,9

Neben der Makroperspektive auf die Verteilung der Verluste über den Untersuchungszeitraum ist für das Verständnis des sozialen Wandels auch die Mikroperspektive, die alltägliche Entwicklung deren Bilanz schließlich die Verlustzahlen eines Monats ergab, von Bedeutung. Für die 253. Infanteriedivision liegen entsprechende Meldungen vom 30. Oktober 1941 bis zum 26. Juni 1942 vor.46 43

46

Vgl. Overmans: Militärische Verluste, S. 243ff. Die hier angestellten Berechnungen werden durch diese Übereinstimmung bestätigt. Tote und Vermisste, zu denen auch die in Kriegsgefangenschaft Geratenen zählen, können insofern gemeinsam betrachtet werden, als sie für die Wehrmacht dauerhaft ausfielen. Die Datentabellen, die Diagramm 5 zugrundeliegen sind für den Abdruck im Anhang zu umfangreich. Die entsprechenden Angaben finden sich NARA T-314 Film 104 Frame 1400ff. für den Zeitraum vom 30.09.1941 bis zum 29.10.1941; NARA T-314 Film 680 Frame 1402ff. für den Zeitraum vom 04.11.1941 bis zum 12.01.1942; N A R A T-314 Film 681 Frame 541ff. für den Zeitraum vom 30.01.1942 bis zum 31.03.1942; NARA T-314 Film 683 Frame 400ff. für den Zeitraum vom 01.04.1942 bis zum 27.6.1942.

III. D i e Soldaten

7H D i a g r a m m 5: Tägliche

o

o

o

o • " O rt

Verluste von Oktober

o

o

1941 bis Juni

o

p

o

o

o

o

o

1942

5 3 s s

O O O

p

8 8 8 !

Die in Diagramm 5 aufgetragenen Angaben über die täglich eintretenden Verluste an Gefallenen, Verwundeten und Vermissten machen deutlich, dass Verluste sich nicht gleichmäßig verteilten, sondern in Abhängigkeit von offensiven und defensiven Operationen in Intervallen schubartig auftraten. Dazwischen konnten jedoch Phasen von bis zu mehreren Wochen Dauer liegen, in denen die Verluste minimal waren. In den Perioden mit niedrigen Verlusten, die häufig verlustfreie Tage oder Verluste unter fünf Verwundeten bzw. Gefallenen mit sich brachten, die sich auf eine Gesamtheit von mehreren Tausend Divisionsangehörigen verteilten, blieben gravierende Eingriffe in das soziale Gefüge der Einheiten aus. Die Gesamtentwicklung war folglich nicht nur im Monatsintervall, sondern auch in der täglichen Erfahrung von zwei extremen Zuständen geprägt. Zeiträume, in denen keine größeren Operationen stattfanden und der Stellungskrieg nur geringfügige Opfer unter den Soldaten der 253. Infanteriedivision forderte, wechselten mit intensiven Kampfhandlungen, während denen die Verlustziffern explosionsartig in die Höhe schössen. 47 Die Verteilung der Verluste auf unterschiedliche Truppengattungen innerhalb der Division, dargestellt in Tabelle 3, zeigt deutlich unterschiedliche AnDer in Diagramm 5 gewählte Zeitabschnitt kann in soweit gewisse Repräsentativität beanspruchen, als diese neun Monate sowohl Phasen extrem hoher Verluste als auch durchschnittlicher Verluste beinhalten. Ein Vergleich zwischen den aus den Unterlagen der Deutschen Dienststelle ermittelten Verlustzahlen und den aus den in den Korpsakten enthaltenen Verlustmeldungen zeigt, dass beide Ergebnisse bis auf eine Differenz von unter 5 % beieinander liegen. In relativer Übereinstimmung mit dem auf Monatsbasis errechneten Verhältnis von dauerhaften zu temporären Verlusten verteilen sich die Verluste in der hier dargestellten Periode auf etwa 77,5 % Verwundete und 22,5 % Gefallene und Vermisste.

79

1. D i e personelle E n t w i c k l u n g im Ü b e r b l i c k

teile an den Verlusten. 48 Die Kampftruppen, denen nach dem 1939 gültigen KStN etwa 87 %, nach dem KStN einer Infanteriedivision 44 noch etwa 84 % des Divisionspersonals angehört haben, erlitten insgesamt 99 % aller Verluste, während auf die Unterstützungseinheiten, deren Anteil im gleichen Zeitraum zwischen 12 und 16 % betrug, nur 1 % der Verluste entfiel.49 Tabelle 3: Verteilung

der Verluste auf Truppengattungen

Einheit

Verluste 50

Infanterie andere Kampfeinheiten 51 Zwischensumme Artillerie52 Unterstützungseinheiten 53 Zwischensumme Summe

Tote

(in %)

Verwundete

Vermisste

77 14 91 8 1 9

78 15 93 6 1 7

78 13 91 8 1 9

69 20 89 8 3 11

100

100

100

100

Der Anteil der Toten an den Verlusten wies von 1941 bis Ende 1944 eine leicht rückläufige Tendenz auf. Höhepunkte erreichte die Todesquote während größerer Schlachten, an denen die Division beteiligt war, und während der Wintermonate. Der Anteil der Vermissten dagegen entwickelte sich gegenläufig: bis Mitte 1943 lag er relativ niedrig und erreichte nur während der Wintermonate 1941/42 und 1942/43 Spitzenwerte. Ab Mitte 1943 aber begann die Zahl der Vermissten in die Höhe zu schnellen und erreichte im Sommer 1944, während der Offensive der Roten Armee, einen Höchstwert. Diese Verschiebung zwischen Toten und Vermissten ist vermutlich nicht zuletzt auf die zunehmend schwierigen Bedingungen, unter denen das Meldewesen der Wehrmacht arbeitete und die steigende Anzahl von Kriegsgefangenen zurückzuführen. Gleichzeitig fluktuierte der Anteil der Verwundeten, abgesehen von kurzen Zeiträumen mit extremer Entwicklung, um etwa 70 %. Insgesamt ist also zu beobachten, dass der Anteil der dauerhaften Ausfälle regelmäßig in den Wintermonaten anwuchs und abgesehen davon in Zeiträumen hoher Gefechtsintensität am höchsten lag, jedoch nicht langfristig von dem beobachteten Verhältnis von 7 : 3 abwich. 54 Diesen Befund bestätigen auch die Erkennungsmarkenverzeichnisse des Infanterieregiments 48

49 30 31 32 33

34

In Prozent der Gesamtverluste; Einteilung der Einheiten weitgehend analog zu Müller-Hildebrand: Statistic Systems, Study P-011, S. 98, bzw. van Crefeld: Kampfkraft, S. 67. Hier werden die Nachrichtenabteilung und der Divisionsstab jedoch als Unterstützungseinheiten gewertet. Vgl. Tessin: Verbände, Band 15, S. 151ff. Infanterieregimenter 453, 464, 473; Divisionsbataillon; Divisionsfüsilierbataillon. Pionierbataillon; Panzerjägerabteilung; Aufklärungsabteilung; schnelle Abteilung. Artillerieregiment. Divisionsstab; Divisionsnachschubtruppen; Divisionsverwaltungstruppen; Nachrichtenabteilung. Siehe Tabelle-A 3.

so

III. Die Soldaten

453. Für alle 12 Infanteriekompanien des Regiments ergibt sich ein Anteil von durchschnittlich 31,7 % Toten und Vermissten an den Verlusten zwischen 1939 und 1945. Unter Einbeziehung der 13. und 14. Kompanie sinkt der Anteil auf 30,7 %, bei Berücksichtigung der Stäbe auf 28,7 %. 55 Auch innerhalb der Kampftruppen sind Differenzierungen feststellbar. Insbesondere der Anteil der Infanterieregimenter an den Verlusten war mit 77 % deutlich höher als ihr Anteil am Gesamtpersonal der Division, der einschließlich des Feldersatzbataillons zwischen 56 % im Jahr 1939 und 53 % nach dem KStN von 1944 lag. Dagegen entfiel auf das Artillerieregiment, dessen Anteil von 19 % im Jahr 1939 auf etwa 16 % im Jahr 1944 zurückging, ein Anteil von nur 8 % an den Gesamtverlusten der Division. Für das Entstehen von Bereichen mit unterschiedlicher sozialer Stabilität innerhalb der Division, ist diese Ungleichverteilung des personellen Wandels, der durch Verluste und Ersatz bedingt war, ein wichtiger Indikator. Offenbar trugen einige Einheiten, bedingt durch ihre Aufgaben, gemessen an ihrem Anteil am Divisionspersonal einen überproportionalen Anteil an den Verlusten und waren daher auch einer starken Fluktuation von Personal ausgesetzt, während andere Einheiten einen zu ihrer Stärke relativ geringeren Anteil an den Verlusten trugen, so dass hier ein höheres Maß an sozialer Kontinuität vermutet werden kann. Als Extreme stehen sich die Infanterieeinheiten und die Unterstützungseinheiten gegenüber. Der Anteil der Nachrichtenabteilung, die durchschnittlich 3 % des Personals der Division einnahm, an den Verlusten lag sogar bei nur etwa 0,5 %. 56 Die Verteilung der Verluste auf Offiziere und Mannschaften der 253. Infanteriedivision kann gestützt auf die Berichte der Abteilung II a/b des Divisionsstabes, die für den Zeitraum von April 1941 bis Juni 1943 erhalten sind, also die ersten beiden Jahre des Krieges gegen die Sowjetunion umfassen, nachvollzogen werden. 57 Aus Tabelle 4 ist zunächst abzulesen, dass sich die Gesamtverluste von 12271 Soldaten auf Anteile von etwa 97 % Mannschaften und 3 % Offiziere verteilten, wobei diese Anteile das Verhältnis zwischen Mannschafts- und Offiziersverlusten sowohl in der Summe als auch bei der Einzelbetrachtung von Verwundeten, Gefallenen und Vermissten beschreiben. 58 Eine leichte Verschiebung ergibt sich lediglich bei den Vermissten. Hier liegt der Anteil der Offiziere nur bei 2,1 % gegenüber 97,9 % bei den Mannschaftssoldaten. Dies rührt zum Teil aus den intensiven Bemühungen her, die Schicksale als vermisst gemeldeter Offiziere zu klären. 59 33 36 37

58 39

DDSt, Erkennungsmarkenverzeichnisse IR 453. Vgl. Tessin: Verbände, Band 15, S. 154f.; Müller-Hildebrand: Statistic Systems, Study P-011, S. 89. BA MA RH 26 253 12, Tätigkeitsbericht II a/b 11.04.1941 bis 02.12.1941; BA MA RH 26 253 21, Tätigkeitsbericht II a/b 03.12.1941 bis 13.04.1942; BA MA RH 26 253 47, Tätigkeitsbericht II a/b 14.04.1942 bis 31.12.1942; BA MA R H 26 253 48, Tätigkeitsbericht II a/b 1.1.1943 bis 30.06.1943. Vgl. auch Absolon: Wehrmacht, Band VI, S. 631. Die stark abfallenden Werte im vierten Bericht sind darauf zurückzuführen, dass in dieser Periode der Rückzug aus dem Frontvorsprung bei Rshew durchgeführt und die 253. ID nach ei-

1. D i e personelle E n t w i c k l u n g im Ü b e r b l i c k Tabelle 4: Verluste an Offizieren

und Mannschaften

Gefallene

81

1941 bis 1943

Verwundete

Vermisste

Summe

Offiziere

Mai-Dezember 1941 Januar-April 1942 Mai-Dezember 1942 Januar-Juni 1943 Summe

45 40 17 2

115 57 61 11

1 8 2 0

161 105 80 13

104

244

11

359

Mannschaften

Mai-Dezember 1941 Januar-April 1942 Mai-Dezember 1942 Januar-Juni 1943

1136 876 1016 204

3067 2219 2352 529

88 338 69 18

4291 3433 3437 751

Summe

3232

8167

513

11912

Summe

Mai-Dezember 1941 Januar-April 1942 Mai-Dezember 1942 Januar-Juni 1943

1181 916 1033 206

3182 2276 2413 540

89 346 71 18

4452 3538 3517 764

Summe

3336

8411

524

12271

Das Verhältnis von 3 zu 97 entspricht jedoch den Anteilen von Offizieren und Mannschaften am Personal einer Infanteriedivision. 60 Daneben zeigt sich, dass sich die Verluste auch im Verlauf der hier dokumentierten Periode in dem bereits festgestellten Verhältnis von 7 : 3 auf Verwundete bzw. Gefallene und Vermisste verteilen, wobei sich diese Quote sowohl für die Summe der Verluste von Offizieren und Mannschaften als auch bei getrennter Analyse beider Gruppen ergibt. Dies aber lässt den Schluss zu, dass die Verluste der Offiziere in Relation zu den Verlusten unter den Mannschaftsdienstgraden durchschnittlich nicht höher lagen und die Offiziere, betrachtet man die Struktur der Verluste, kein durchschnittlich höheres Risiko trugen, getötet zu werden oder in Kriegsgefangenschaft zu geraten. Dem stehen jedoch sowohl Belege aus den Sachakten der Wehrmacht gegenüber, in denen hohe Offiziersverlusten beklagt werden, als auch die in der Forschung vorherrschende Ansicht, dass die Verluste an Offizieren relativ gesehen weit über denen der Mannschaften gelegen haben. 61

60 hl

ner ruhigeren Periode im Frühjahr 1943 in den Südabschnitt der Heeresgruppe Mitte verlegt wurde. Die Division erlebte daher in diesem Zeitraum eine relativ geringe Gefechtsintensität. Vgl. Tessin: Verbände, Band 15, S. 154f.; van Crefeld: Kampfkraft, S. 68. BA MA RH 24 12 467, Verluste, Ausfälle und Beute im 5. und 6. Vierwochenabschnitt des Osteinsatzes vom 21.10.-20.12.1941; BA MA R H 24 23 68, Verluste, Ausfälle und Beute im 7.

82

III. Die Soldaten

Ein Hinweis auf die Lösung dieses Widerspruchs ergibt sich aus einer näheren Betrachtung der Offiziersverluste und deren Ausgleich durch Personalersatz. Zum einen haben sich die Offiziersverluste auf bestimmte Gruppen konzentriert. Während unter den Stabsoffizieren und den Offizieren der Unterstützungstruppen die Verluste sehr niedrig waren, lagen die Verluste unter den subalternen Einheitsführern bei den Kampftruppen weit über dem Durchschnitt. 62 Zudem waren die Verluste an Offizieren wesentlich schwieriger auszugleichen als die Verluste unter den Mannschaftsdienstgraden, da höhere Anforderungen an den Personalersatz für die Offizierslaufbahn gestellt wurde, also weniger Bewerber zur Verfügung standen und die Ausbildungsphase länger dauerte. Offiziere waren also schwerer zu ersetzen und erreichten die Feldeinheiten langsamer als der Ersatz für gefallene Mannschaftsdienstgrade.63 Ferner wurde die bis Kriegsende verfolgte Strategie, immer neue Einheiten aufzustellen, zu einer starken Konkurrenz für die direkte Ersatzgestellung an die bereits existierenden Feldeinheiten. Die Diskrepanz zwischen den beobachteten Verlusten und dem tatsächlichen Mangel an Offizieren in den Feldeinheiten rührt also aus einer Kombination aus der Konzentration der Offiziersverluste auf eine Teilgruppe, die subalternen Einheitsführer, und unterschiedlichen Bedingungen für die Verfügbarkeit von Personalersatz für ausgefallene Offiziere her. Auch die zweite Einflussgröße auf die Veränderung der sozialen Zusammensetzung, der Personalersatz, erfordert eine ähnlich differenzierte Betrachtung. Unsere Berechnungen haben ergeben, dass der 253. Infanteriedivision Personalersatz im Umfang von etwa 18500 Soldaten zugeführt wurde, unter denen sich 7252 bzw. 40 % genesene Verwundete befanden, die bereits vor ihrer Verwundung zu den Feldeinheiten der Division gehört hatten. Bei der folgenden Untersuchung werden zwei Fragen im Mittelpunkt stehen: erstens die Zusammensetzung des Personalersatzes hinsichtlich seiner Herkunft aus den Ersatzeinheiten der 253. Infanteriedivision; zweitens die quantitativ-strukturelle Entwicklung der Ersatzlage im Hinblick auf das sich aus regelmäßiger Zuführung von Ersatzmannschaften ergebende Maß an personeller Kontinuität. Dabei wird der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem Einsatz der Division im Krieg gegen die Sowjetunion liegen. Zunächst muss zwischen Personalersatz unterschieden werden, der aus den Ersatzeinheiten der 253. Infanteriedivision zugeführt wurde und solchem, der aus fremden Feld- oder Ersatztruppenteilen stammte. Vor der Un-

62

63

bis 10. Vierwochenabschnitt des Osteinsatzes vom 21.12.1941-20.4.1942; NARA T-314 Film 686 Frame 81; NARA T-314 Film 681 Frame 283; vgl. auch van Crefeld: Kampfkraft, S. 195f.; für die gesamte Wehrmacht ergibt sich ein Anteil von etwa 4 % Offizieren an den Gefallenen; siehe auch Müller-Hildebrand: Statistical System, Study P-011, S. 128ff.; Vgl. dazu auch Oetting: Motivation und Gefechtswert, S. 126. Vgl. Kroener, Bernhard R.: Generationserfahrungen und Elitenwandel. Strukturveränderungen im deutschen Offizierskorps 1933-1945, in: Hudemann, Rainer; Soutou, Georges-Henri (Hrsg.): Eliten in Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert, Strukturen und Beziehungen, Band 1, München 1994, S. 199-233, S. 225; Kroener: Heeresoffizierskorps, S. 673f.; DRZW, Band 5.1, S.894f. Vgl. Absolon: Wehrmacht, Band VI, S. 640.

1. Die personelle E n t w i c k l u n g im Überblick

83

tersuchung des quantitativen Verhältnisses beider Kontingente müssen hinsichtlich ihrer Struktur mehrere zeitlich aufeinander folgende Phasen berücksichtigt werden. Von Mitte 1941 bis etwa Juli 1942 folgte der Personalersatz dem ursprünglich von der Wehrmacht angewandten Allokationsprinzip. In unregelmäßigen Abständen trafen die so genannten Genesenenmarschkompanien, in denen wiederhergestellte Verwundete dem neuerlichen Kampfeinsatz zugeführt wurden, bei der Division ein.64 Ausgebildete Rekruten dagegen erreichten die Feldeinheiten in Marsch- bzw. Feldersatzbataillonen.65 Daneben wurde je nach Verfügbarkeit und militärischer Lage Personalersatz, der anderen Einheiten zugedacht war und folglich nicht aus den Ergänzungseinheiten der 253. Infanteriedivision stammte, an die 253. Infanteriedivision umgeleitet.66 Mitte 1942 wurde das Ersatzsystem an die veränderte Gliederung des Ersatzheeres angepasst, in dem Genesenden- und Ausbildungskompanien zwar nun voneinander getrennt wurden, der Personalersatz jedoch durch Genesenenmarschkompanien, die aus Rekruten und Genesenen bestanden, zugeführt wurde. 67 Diese Kompanien trugen eine Ordnungsnummer, die aus dem zuständigen Wehrkreis, der empfangenden Division und einer Nummerierung bestand, also beispielsweise Genesenenmarschkompanie VI/253/1. Ihre Nummerierung wurde bis Kriegsende fortgeführt, so dass sich diese Einheiten bis Januar 1945 lückenlos nachweisen lassen. Dieses sehr kontinuierlich durchgehaltene System der Zuführung von Personalersatz wurde zum Rückgrat für die Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Infanteriedivisionen.68 Daneben stand wie bereits zuvor die unregelmäßige Zuweisung von Personalersatz aus fremden Einheiten. Die Auswertung der beim Grenadierregiment 453 aus solchen Einheiten eintreffenden Soldaten lassen einige Rückschlüsse auf die Zusammensetzung dieses Personalersatzes zu. Außerplanmäßiger Ersatz trat nach Juni 1941 nicht kontinuierlich, sondern zeitlich konzentriert auf. Die Schwerpunkte lagen Mitte 1942, Mitte 1943 und Mitte 1944, fallen also mit dem in Diagramm 3 ablesbaren Ansteigen des Personalbestandes zu diesen Zeitpunkten zusammen. Diese Beobachtung legt den Schluss nahe, dass der reguläre Ersatz quantitativ ausreichte, die laufenden Verluste auszugleichen, eine Aufstockung der Stärken aber nur unter Hinzuziehung von zusätzlichem Ersatz möglich war. Daneben zeigt die Liste der beteiligen Einheiten, dass bis Oktober 1943 divisionsfremder Personalersatz aus Einheiten des Ersatzheeres stammte, wobei der überwiegende Teil dieser M

M 66

67 68

Zwischen November 1941 und August 1942 wurden der 253. Infanteriedivision zunächst sieben Marscheinheiten zugeführt, siehe Tabelle-A 2. Sechs Genesenenkompanien trafen zwischen April 1941 und Juli 1942 ein, siehe Tabelle-A 2. So beispielsweise Ende 1941, bei dramatischer Personallage, Teile des FEB der 86. ID und das Marschbtl. XII/12 aus Metz, siehe Tabelle-A 2. Vgl. DRZW, Band 5.2, S. 831 f.; Müller-Hildebrand, Personnel, Study P-005, S. 58. An diesem System wurde noch Ende 1944 festgehalten. Dies unterstreicht beispielsweise die Diskussion um das Verhältnis zwischen Verleihungen des EK I und EK II, in der das AOK 18 im September 1944 zu bedenken gab, dass „eine Reihe Divisionen immer wieder in der Mehrzahl alte, bewährte Angehörige ihrer Regimenter als Genesene als Ersatz zurück erhalten, [... ]", BA ZNS Ordensabteilung P5 (10), Schreiben AOK 18 vom 21.09.1944.

84

III. Die Soldaten

Einheiten ebenso wie die Ergänzungseinheiten der 253. Infanteriedivision im Wehrkreis VI stationiert waren. 69 Ab Oktober 1943 begann jedoch beim divisionsfremden Personalersatz die Zuführung aus anderen Einheiten des Feldheeres zu überwiegen. Dies reflektiert die in der zweiten Hälfte des Krieges zunehmend angewandte Praxis, Einheiten, deren Verluste so stark waren, dass sie nicht mehr selbstständig einsetzbar waren, noch funktionsfähigen Verbänden als Verstärkung zuzuführen. 70 Hinweise auf den Personalersatz in den letzten Monaten vor dem Kriegsende finden sich schließlich in der Heimkehrerkartei und den erhaltenen Verlustmeldungen für das Jahr 1945. Zu diesem Zeitpunkt war jede reguläre Zuführung von Ersatzmannschaften zusammengebrochen. Die letzte Genesenenmarschkompanie der Ergänzungseinheiten der 253. Infanteriedivision hatten die Feldeinheiten im Januar 1945 erreicht, die Ersatzeinheiten selbst existierten zu diesem Zeitpunkt in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr. Auch umfangreichere Personalzuführung von anderen Feldeinheiten ist für die letzten Monate des Krieges nicht mehr nachzuweisen. So zählen zu den letzten Zugängen zu den Einheiten der 253. Infanteriedivision neben einer Reihe von Einzelversetzungen aus Kampfeinheiten der Wehrmacht, die in der Nähe der 253. Infanteriedivision eingesetzt waren, die Eingliederung einiger deutscher Forstschutzkommandos und von Abteilungen des deutschen Zollgrenzschutzes. 71 Für die quantitative Verteilung des Personalersatzes auf die beiden Arten der Ersatzzuführung - divisionseigenen und divisionsfremden Ersatz - lässt sich auf der Grundlage der verfügbaren Informationen ein Näherungswert ableiten. Von April 1941 bis Mai 1943 ist die Zuführung von Personalersatz lückenlos durch die Tätigkeitsberichte der Abt. Ila/b des Divisionsstabes belegt. In diesem Zeitraum erhielt die Division insgesamt 10584 Soldaten Personalersatz. Hiervon entfielen 7898 Soldaten auf die divisionseigenen Ersatzeinheiten, während 2595 Soldaten aus divisionsfremden Einheiten stammten. Die beiden Kontingente standen demnach in einem Verhältnis von 3 zu 1. Gleichzeitig lag die Durchschnittsstärke der Genesenenmarschkompanien, die von Juli 1942 bis Dezember 1944 die einzige Quelle für Personalersatz aus den Ergänzungseinheiten der Division waren, bei 200 Soldaten.72 Dieser Wert ergibt sich als Durchschnittsgröße der 15 Genesenenmarschkompanien, 69

70

71

72

Insgesamt waren 17 der Einheiten, aus denen bis Ende 1942 dem IR 453 Personalersatz zugewiesen wurde, im Wehrkreis VI stationiert. Im Jahr 1943 hielten sich die Zuweisungen aus dem Wehrkreis VI und die aus Ergänzungseinheiten, die aus anderen Wehrkreisen stammten, etwa die Waage; vgl. Tessin: Verbände, Bände 1-14. Ein Sonderfall stellt hier die Eingliederung des Jäger-Bataillons 14 in die 253. Infanteriedivision um die Jahreswende 1943/44 dar, BA MA RH 26 253 70, Meldung vom 09.12.1943. Das Bataillon hatte offenbar im Einsatz nicht in seinen Kampfwert gesetzten Erwartungen erfüllt und wurde daher durch die Eingliederung in die Division aufgelöst. Zu einer weiteren möglicherweise umfangreichen Eingliederung kam es Ende 1944, als der 253. Infanteriedivision die Reste der 26. Infanteriedivision zugeführt wurden. DRK-Suchdienst, Heimkehrerkartei Bestand IR 473; DDSt, Verlustunterlagen IR 473; DDSt Verlustunterlagen IR 473, Einzelmeldungen. Van Crefeld geht für Genesenenmarschkompanien von einer Stärke bis zu 250 Soldaten aus, bei den in der ersten Phase des Krieges eingesetzten Marschbataillonen von bis zu 1000 Solda-

1. Die personelle E n t w i c k l u n g im Überblick

85

deren Stärke zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 nachweisbar ist.73 Legt man diese Durchschnittsgröße zugrunde, so ergibt sich unter Berücksichtigung der 25 Genesenenmarschkompanien, deren Eintreffen bei der Division belegt ist, ohne dass ihre Stärken bekannt sind, bis Januar 1945 ein Umfang des Personalersatzes aus den divisionseigenen Ergänzungseinheiten von 13432 Soldaten, denen bei Wahrung des Verhältnisses von 3 : 1 etwa 4450 Soldaten aus divisionsfremden Einheiten gegenüber gestanden haben könnten. Die daraus resultierende Summe von 18045 Mann Personalersatz für den Zeitraum zwischen April 1941 und Dezember 1944 liegt relativ nahe an dem Wert von 18450 Soldaten Personalersatz, der sich aus den vorstehenden Berechnungen ergibt. Da diesen Befunden zufolge 7252 Soldaten des Personalersatzes genesene Verwundete waren, die bereits bei der 253. Infanteriedivision gedient hatten und nach ihrer Wiederherstellung durch das Ersatzsystem der Division erneut den Feldeinheiten zugeführt wurden, ergibt sich bei den Ersatzeinheiten ein Anteil von etwa 6180 neu ausgebildeten Rekruten.74 Hinzu kamen die etwa 4613 Soldaten aus fremden Einheiten. Hieraus resultiert ein Anteil von etwa 10793 neuen Soldaten, die aus eigenen oder fremden Ersatz- oder Feldeinheiten stammten, denen 7252 Soldaten, die als Genesende nie aus dem Divisionsverband ausgeschieden waren, gegenüber standen. Hinter der 253. Infanteriedivision stand also von Kriegsbeginn bis Ende 1944 eine leistungsfähige Ersatzorganisation, deren Kern zu jedem Zeitpunkt die divisionseigenen Ergänzungseinheiten bildeten. Sie konnten bis zu 75 % des personellen Ersatzes stellen und garantierten so einen kontinuierlichen Zustrom von Soldaten mit gleicher regionaler Prägung und Mentalität wie die Mehrheit der in der Division befindlichen Soldaten, die zudem ihre militärische Sozialisation bereits in Einheiten der 253. Infanteriedivision erhalten hatten. Unter Berücksichtigung der gewonnenen Näherungswerte für den Anteil der Genesenen am Personalersatz, verteilte sich der divisionseigene Personalersatz zu etwa gleichen Teilen auf neu ausgebildete Rekruten und wieder zur Feldeinheit versetzte Genesene. 75 Organisatorisch wurde dieser Bereich des Ersatzsystems von der Zuführung größerer Kontingente in Marschbataillonen, diese Praxis herrschte zwischen April 1941 und Juli 1942 vor, auf die Bereitstellung von Genesenenmarschkompanien von je etwa 200 Soldaten in wesentlich kürzeren Abständen umgestellt. Diese erreichten die Division in Intervallen von etwa 3 Wochen. 76 Der divisionsfremde Personaler-

73 74

73

7h

ten, vgl. van Crefeld: Kampfkraft, S. 95. Zu Marschbataillonen, vgl. Absolon: Wehrrechtliche Gutachten, Band 2, Nr. 70: Marschbataillone, S. 69. Siehe Tabelle-A 2. Die große Bedeutung der Wiederzuführung von genesenen Verwundeten für die Kampfkraft wurde immer wieder betont; beispielsweise BA MA RH 20 9 200, Beurteilung des Kampfwertes der Divisionen vom 25.03.1944; nach der Zuführung von 400 Genesenen wird hier eine bedeutende Steigerung der Kampfkraft der 253. ID erwartet. Nach den hier ermittelten Werten setzte sich der divisionseigene Personalersatz zu etwa 53 % aus Genesenen und 47 % neuen Rekruten zusammen. Siehe Tabelle-A 2.

86

III. Die Soldaten

satz wurde schwerpunktartig zugeführt und diente vermutlich der personellen Auffrischung. Sein Anteil lag bei etwa 25 % des Personalersatzes, veränderte also den regionalen bzw. soziokulturellen Charakter der Division nicht grundlegend, zumal bis Ende 1943 die meisten ersatzstellenden Einheiten ebenfalls aus dem Wehrkreis VI stammten. Vor dem Hintergrund nahezu kontinuierlich sinkender Stärken der 253. Infanteriedivision zeigt sich indes auch die angesichts der hohen Verluste der Wehrmacht unzureichende Leistungsfähigkeit ihrer Ersatzorganisation. Sie war nach 1941/42 zu keinem Zeitpunkt mehr in der Lage, die Kampfkraft des Feldheeres mehr als nur geringfügig zu steigern. Ihre Kapazitäten scheinen jedoch ausreichend gewesen zu sein, um nach den Massenverlusten der ersten Monate des Krieges gegen die Sowjetunion die personelle Ausstattung bis Mitte 1944 auf dem im Frühjahr 1942 erreichten Niveau zu halten. Immerhin erreichten die Division im Zeitraum von Mai 1941 bis Ende Dezember 1944 durchschnittlich fast 400 Mann Personalersatz pro Monat. Für das Sozialprofil und insbesondere für Gruppenkohäsion und Primärgruppen ist es dabei von zentraler Bedeutung, dass die Strukturen des Ersatzsystems - bei funktionierendem Austausch zwischen Feld- und Ersatzheer - auf die personelle Homogenität der Feldeinheiten bis Ende 1944 stabilisierend wirken konnte. Erstens stammte der überwiegende Teil des Personalersatzes aus eigenen Ergänzungseinheiten, zweitens befand sich unter dem Ersatz ein hoher Anteil von Genesenen, die zu ihren Stammtruppenteilen zurückversetzt wurden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der 253. Infanteriedivision zwischen 1939 und 1945 rund 27000 Soldaten angehört haben. Diese Anzahl war notwendig, um die etwa 34500 Soldaten-Einheiten zu stellen, die der Division im Verlauf des Krieges angehörten. Die chronologische Entwicklung des personellen Umfangs zerfiel in vier Phasen: Von 1939 bis Mitte 1941 war die Division personell voll ausgestattet. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 bis in den März 1942 erfolgte der tiefste personelle Einschnitt durch die Massenverluste des Winters 1941/42. Danach stabilisierte sich die Entwicklung - wenn auch auf wesentlich niedrigerem Niveau als zu Kriegsbeginn - bis etwa Mitte 1944, als die Sommeroffensive der Roten Armee der Personalbestand der Division erneut stark dezimierte. Die in diesem Prozess eintretenden Verluste in Höhe von etwa 31000 Soldaten bestanden aus 70 % Verwundeten sowie 30 % Gefallenen und Vermissten, wobei diese Verteilung sowohl im chronologischen Verlauf als auch hinsichtlich der Mannschafts- bzw. Offiziersverluste stabil blieb. Daneben bewegten sich die Verluste von Mannschaften und Offizieren parallel zum Anteil von Mannschaften bzw. Offizieren am Gesamtpersonal. Beide Gruppen trugen also durchschnittlich ähnlich hohe Risiken im Kampfeinsatz. Der Personalersatz der Division, der einen Gesamtumfang von etwa 18400 Soldaten-Einheiten erreichte, verteilte sich auf die divisionseigenen Ergänzungseinheiten im Verhältnis von etwa 3 : 1 . Insgesamt betrug der Anteil der Soldaten, die aus dem Divisionsverband der 253. Infanteriedivision stammten, um 75 %. Lediglich 1/4 der Soldaten wurden aus fremden Einheiten zugeführt. Das Ersatzsystem

1. Die personelle Entwicklung im Überblick

87

wurde so - mit einem relativ kontinuierlichen Zustrom an Personal, das zum größten Teil innerhalb des Divisionssystems ausgebildet und militärisch sozialisiert wurde - zur Grundlage für Zusammenhalt und Einsatzfähigkeit der Division. Das Zusammenspiel von Verlusten und Ersatz mit seinen Auswirkungen auf die Entwicklung der 253. Infanteriedivision von April 1941 bis Dezember 1944 erläutert Diagramm 6. Tatsächlich zeichnet die monatliche Bilanz aus Verlusten und Ersatz die Entwicklung der Verpflegungsstärke nach. Phasen mit hoher Gefechtsintensität wie beispielsweise im Juli 1941, dem Sommer 1942 bzw. Winter 1942/43, während denen kaum Personalersatz in die Division eingegliedert wurde, folgten dabei regelmäßig ruhigere Perioden, in denen die Personalbilanz über mehrere Monate hinweg positiv verlaufen konnte, die Stärke der Division folglich stieg. Nach den Verlusten der Winterschlacht 1941/42 ist daher eine leichte Erholung der Personallage bis in den Juli 1942 zu beobachten, nach der die Sommerschlacht bei Rshew ein neuerliches Absinken mit sich brachte. Die Verlegung der Division in den Süden der Heeresgruppe Mitte erlaubte eine Auffrischung des Personalbestandes bis Mitte 1943, anschließend leitete die Schlacht nördlich von Orel die Rückzugskämpfe bei der 253. Infanteriedivision ein, die nun fortwährend zu einer negativen Personalbilanz führten. Offen bleibt nach wie vor der exakte Verlauf der Personalentwicklung im Sommer 1944, der sich nicht klar rekonstruieren lässt. Ein Indikator für den vermuteten Anstieg der Personalstärke ist jedoch die positive Ersatzbilanz

Diagramm 6: Bilanz von Verlusten und Ersatz Slark>nind»x

VvrlusU ' Ersatz

88

III. Die Soldaten

der Monate Juni und Juli, mit der sich die bei der Entwicklung der Infanteriebataillone beobachtete Personalaufstockung vor der Sommeroffensive der Roten Armee zu bestätigen scheint. Zwar zeigt die Gesamtentwicklung in wie geringem Maß die Wehrmacht in der Lage war, die Personalstärke ihrer Fronteinheiten dauerhaft aufrecht zu erhalten: im Durchschnitt erhielt die Division monatlich 388 Soldaten Personalersatz, während ihre Verluste 644 Mann betrugen. Allerdings macht die differenzierte Analyse von Stärken, Verlusten und Personalersatz deutlich, dass diese Entwicklung keineswegs gleichmäßig verlief. Vielmehr wechselten sich Phasen stabiler Entwicklung und Phasen hoher Verluste ab, während die eintretenden Verluste nur zu einem tatsächlichen Personalverlust von etwa 30 % führten, der größte Teil der Verwundeten nach der Genesung wieder einsatzbereit war und die Struktur des Divisionsverbandes eine relativ stabile Entwicklung der personellen Zusammensetzung unterstützte.

2. DAS SOZIALPROFIL DER DIVISION Eine Analyse der sozialen Zusammensetzung, die davon ausgeht, dass ein Zusammenhang zwischen dem Sozialprofil einer Gruppe und deren Verhalten besteht, muss sich bemühen, Variablen zu messen, die Rückschlüsse auf Merkmale der Sozialstruktur zulassen, von denen Einflüsse auf das Handeln erwartet werden können. Grundsätzliche Überlegungen zum Erfassen der Strukturen sozialer Einheiten verweisen auf konfessionelle, regionale, wirtschaftliche, kulturelle und schichtspezifische Faktoren, deren Kombination das sozialmoralische Milieu gesellschaftlicher Gruppen ausmachen. 77 Das Heranziehen dieses Faktorenbündels hat sich in der Wahl- und Elitenforschung - nicht zuletzt bedingt durch den Charakter der Quellen und deren Informationsgehalt - weitgehend durchgesetzt. In ähnlichen Konfigurationen liegt es einer Vielzahl quantitativer Sozialprofilanalysen zugrunde. Eine vergleichbare Auswahl von Variablen findet sich auch bei Untersuchungen zu sozialen Gruppen innerhalb der Wehrmacht oder der SS.78 Ebenso basiert die Rekonstruktion des Sozialprofils der Mannschaftssoldaten der 253. Infanteriedivision auf Auswahl und Messung einiger Merkmale auf der Grundlage der in den Personalunterlagen verfügbaren Daten. So werden zunächst die Altersstruktur bzw. die Generationszugehörigkeit, die regionale Herkunft, die sozioökonomische Prägung, repräsentiert durch die ökonomische 7

78

Vgl. Lepsius: Parteiensystem und Sozialstruktur: Zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, in: Abel, Wilhelm; u. a. (Hrsg.): Wirtschaft, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 1966, S. 371-393, S. 382f. Wegner: Politische Soldaten, S. 207ff.; Bartov: Eastern Front, S. 40ff.; Bald: Offizier, S. 38ff., 101 ff.; Banach: Heydrichs Elite, S. 35ff.

2. D a s Sozialprofil d e r Division

89

Stellung des Elternhauses, die Schul- und Berufsausbildung und den ausgeübten bzw. erlernten Beruf sowie die politische Nähe zum Nationalsozialismus, ausgedrückt in der Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen, betrachtet. Im Unterschied zur Mehrzahl vergleichbarer Untersuchungen soll dabei weder nur ein Zeitpunkt noch die Grundgesamtheit der Untersuchungsgruppe in einer zeitlich undifferenzierten Analyse betrachtet oder allgemeine Trends in einer langfristigen Betrachtung herausgearbeitet werden. Vielmehr ist das Ziel ein detailliertes Bild des Wandlungsprozesses im Sozialprofil der Mannschaftssoldaten im Verlauf des Zweiten Weltkrieges. Aus diesem Grund erfolgt die Auswertung auf zwei Ebenen. Erstens durch die Betrachtung der gesamten Stichprobe, also für den Zeitraum von 1939 bis 1945 ohne zeitliche Differenzierung. Zweitens wird die Dynamik des sozialen Wandels durch die Querschnittsbildung mit unterschiedlichen, der jeweiligen Teilfragestellung angemessenen Messintervallen durchgeführt. Quartalsweise Messungen, bei denen die Variablen für jede Dreimonatsperiode zwischen Ende 1939 und der Kapitulation der Wehrmacht abgefragt werden, bilden das wichtigste Intervall. Daneben werden gegebenenfalls auch kleinere und größere Zeiträume gewählt, wobei jeweils die in diesem Intervall der Division zugehörige Teilmenge der Stichprobe untersucht wird. 79 Im Unterschied zur Untersuchung nationalsozialistischer Eliten oder Führungsschichten, bei denen vermutet werden kann, dass die Ausprägungen des Sozialprofils auf Zusammenhänge zwischen besonderen Merkmalen und einer Affinität zur untersuchten Gruppe hindeuten, sind die Angehörigen der hier untersuchten Gruppe in der Regel der Wehrmacht im Allgemeinen, insbesondere aber der 253. Infanteriedivision nicht gezielt oder bewusst beigetreten. 80 Selbstrekrutierung ist weitgehend ausgeschlossen, vielmehr gehorcht die Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe den Grundsätzen der Personalallokation des Heeres. Damit zielt die Sozialprofilanalyse auf die Ermittlung charakteristischer Merkmale der Untersuchungsgruppe und deren Veränderung im Zeitverlauf. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich hier um eine aus Sicht der Gruppenmitglieder unfreiwillig zusammengestellte Gemeinschaft handelt, deren Zusammensetzung anderen Mechanismen folgte als beim Offizierskorps oder den Führungskadern anderer Organisationen wirksam waren, kann jedoch von soziokulturellen Eigenschaften nicht direkt auf eine daraus folgende höhere Neigung zur Gruppenmitgliedschaft geschlossen werden. 81

Siehe Tabelle-A 9. Interessant sind hier Vergleiche mit den wenigen aus dem Ersten Weltkrieg vorliegenden Daten etwa bei Jahr, Christoph: Gewöhnliche Soldaten. Desertion im deutschen und im britischen Heer 1914-1918, Göttingen 1999, S. 63f. Vgl. etwa Wegner: Politische Soldaten; Banach: Heydrichs Elite; aber auch Jamin: SA-Führerschaft bzw. Orth: Konzentrationslager-SS. Zur Selbstrekrutierung des deutschen Offizierskorps vgl. beispielsweise Bald: Offizier, S. 38ff. Zur quasi zufälligen Zusammensetzung von Tätergruppen am Beispiel der Ordnungspolizei vgl. Browning, Christopher R.: Nazi Policy, Jewish Workers, German Killers, Cambridge 2000, S. 144f.

III. Die Soldaten

90 A. ALTERSSTRUKTUR

Ziel der Analyse der Altersstruktur ist es zunächst, innerhalb der Untersuchungsgruppe Generationstypen zu bilden, die bedingt durch ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Geburtsjahrgängen ähnliche Sozialisations- und Lebenserfahrungen aufweisen. Durch diese horizontale Differenzierung der Untersuchungsgruppe soll einerseits der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich die Lebensbedingungen und -erfahrungen der unterschiedlichen Jahrgänge selbst innerhalb einer bestimmten Region und einer sozialen Schicht sehr stark voneinander unterscheiden konnten. Andererseits soll sie eine genaue Rekonstruktion der sich im Kriegsverlauf verändernden Altersstruktur der Untersuchungsgruppe erlauben. Um jedoch durch eine undifferenzierte Anwendung des Generationsbegriffes die Ergebnisse nicht zu verwässern oder durch die sehr feine Kategorie der Geburtskohorte auf eine nicht handhabbare Detailfülle hinzusteuern, wird in zwei Schritten vorgegangen.82 Zunächst erfolgt eine relativ grobe Einteilung der Untersuchungsgruppe in weit gefasste Generationstypen. Diese Betrachtung dient zur grundsätzlichen Einteilung der Soldaten in Gruppen mit weitgehend ähnlicher Prägung. Sie kann sich zunächst an den gravierenden Einschnitten in der deutschen Geschichte zwischen Kaiserreich, Weimarer Republik und dem „Dritten Reich" orientieren. Für die Zuordnung zu einem Generationstypus kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass die politische Sozialisation etwa ab dem 15. Lebensjahr prägend wirkt und sich - in Wechselwirkung mit den Diagramm 7: Altersstruktur

der Stichprobe (in %)

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Vgl. Jaeger, Hans: Generationen in der Geschichte. Überlegungen zu einer umstrittenen Konzeption, in: Geschichte und Gesellschaft (3/1977), S. 419-452, S. 447f.; Kater, Michael H.: Generationskonflikt als Entwicklungsfaktor in der NS-Bewegung vor 1933, in: Geschichte und Gesellschaft (U/1985), S. 217-243; S. 217ff.; Banach: Heydrichs Elite, S. 58f.

2. Das Sozialprofil der Division

91

allgemeinen politischen und sozialen Zeitumständen und der persönlich familiären Situation - dauerhafte Einstellungen entwickeln. 83 In einem zweiten Schritt werden die Angehörigen der Untersuchungsgruppe dann in Jahrgangsklassen von je fünf Geburtsjahrgängen eingeteilt, um anhand eines überschaubaren Rasters die quantitativ überwiegenden Altersgruppen zu isolieren und anhand ihres Geburtsjahres auf Einflussgrößen in ihren Biographien schließen zu können. Diagramm 7 zeigt die Verteilung der Geburtsjahrgänge der in der Stichprobe aus den Personalpapieren erfassten Soldaten ohne zeitliche Differenzierung. 84 Das Geburtsintervall umfasst die Jahrgänge zwischen 1897 und 1926, eine Spanne von nahezu 30 Jahren. Unter Berücksichtigung der Sozialisationsphasen der Soldaten wird deutlich, dass in der Untersuchungsgruppe die Generation, die in der Endphase des Kaiserreiches und während des Ersten Weltkrieges aufgewachsen ist, ebenso vertreten war, wie Soldaten, die von Erfahrungen aus der Weimarer Republik geprägt worden sind und solche, deren Sozialisation erst im „Dritten Reich" stattgefunden hat. So können vier Generationstypen unterschieden werden. 1. Die in der Untersuchungsgruppe nur sehr kleine Jahrgangsklasse von 1897 bis 1900. Ihre Angehörigen sind im Kaiserreich geboren und aufgewachsen und haben größtenteils aktiv am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Sie gehörten zur Frontgeneration, deren Welt mit der deutschen Niederlage 1918 zusammenbrach. Im Jahr 1939 wurde ein Teil von ihnen reaktiviert und nahm als Veteranen am Zweiten Weltkrieg teil. 85 2. Die Jahrgangsgruppe von 1901 bis 1910. Die in diesem Jahrgangsintervall Geborenen gehörten zur überflüssigen letzten Generation des deutschen Kaiserreiches. Ihre ältesten Angehörigen haben die Endphase des Ersten Weltkrieges bewußt erlebt und sind in der Vorkriegszeit aufgewachsen, während für die jüngsten Mitglieder dieser Generation der Krieg nur noch eine Kindheitserinnerung war. Für dieses Segment der Generation waren die ersten Jahre der Weimarer Republik prägend. Sie erlebten dabei einerseits ihre Väter als Verlierer des Krieges im stürmischen ersten Drittel der 1920er Jahre, traten andererseits vor oder während der Aufschwungphase der Goldenen Zwanziger ins Berufsleben ein und erlebten so zumindest eine kurze Blüteperiode, obwohl sie als Angehörige der jungen Generation fast in allen wirtschaftlichen Bereichen Benachteiligungen erfuhren. 86 Daneben konnten die Angehörigen dieser Altersgruppe bereits aktiv an der politischen und soziokulturellen Entwicklung der Weimarer Republik partizipieren. 87 3. Die Jahrgangsklasse von 1911 bis 1920. Die bewusste Lebenserfahrung der Angehörigen dieser im und unmittelbar um den Ersten Weltkrieg geborenen Altersgruppe setzte für die ältere Hälfte, etwa die Geburtsjahrgänge 83

84 83 86 87

Vgl. Lepsius: Sozialstruktur, S. 268f.; Gestrich, Andreas: Vergesellschaftung des Menschen: Einführung in die Historische Sozialisationsforschung, Tübingen 1999, S. 53ff. Siehe Tabelle-A 4. Vgl. Peukert, Detlev: Die Weimarer Republik, Göttingen 1987, S. 27f. Vgl. Kater: Generationskonflikt, S. 227 Vgl. Peukert, Weimarer Republik, S. 26f., 30.

92

III. Die Soldaten

bis 1915, in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik ein. Sie haben vor allem ihren Zerfall bereits bewusst erlebt und waren, da sie bereits Ende der 1920er oder in den frühen 1930er Jahren ins Berufsleben eingetreten sind, stark von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise betroffen. Für die jüngere Hälfte verschieben sich die für die Sozialisation prägenden Lebensabschnitte schon zunehmend in die Anfangsphase des „Dritten Reiches", teilweise verstärkt durch das nach 1933 nationalsozialistisch beeinflusste Bildungs- und Ausbildungssystem. Die Erfahrungen dieser Generation konzentrieren sich im Spannungsfeld zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus im Jahrzehnt zwischen 1925 und 1935. Für sie vollzog sich weitgehend ohne relativierende Erfahrungen - gleichzeitig der Wechsel von wirtschaftlicher und sozialer Not zu einer scheinbaren, für die Betroffenen aber möglicherweise objektiven Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse, der Eintritt in einen nach 1933 stark restriktiven Arbeitsmarkt und eine zunehmend vom Regime kontrollierte Lebenswelt. 88 4. Die Jahrgangsgruppe von 1921 bis 1926. Ihre Angehörigen haben den größeren Teil ihrer Jugend und vor allem ihrer schulischen und außerschulischen Erziehung während des Nationalsozialismus absolviert. Die ältesten Mitglieder dieser Generation waren 1933 etwa 14 Jahre, die jüngsten erst sieben Jahre alt.89 In der Untersuchungsgruppe ergibt sich eine Verteilung der Soldaten auf diese vier Generationstypen von 2,4 % auf die Geburtsjahrgänge 1897 bis 1900; 19,2 % auf die Geburtsjahrgänge zwischen 1901 und 1910; 67,5 % auf die Geburtsjahrgänge von 1911 bis 1920 und 10,9 % auf die Geburtsjahrgänge von 1921 bis 1926.90 Der Schwerpunkt liegt deutlich auf den Geburtsjahrgängen der 1910er Jahre. 91 Damit entspricht die Verteilung auf die Geburtsjahrgänge bzw. die Jahrgangsklassen in der Untersuchungsgruppe 88

89

90

91

Vgl. dazu Mason, Timothy W : Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft. Dokumente und Materialien zur deutschen Arbeiterpolitik 1936-1939. Berlin 1975; auch Mason, Timothy W: Social Policy in the Third Reich. The Working Class and the „National Community", Oxford 1997; Schneider, Michael: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999; Banach: Heydrichs Elite, S. 62f.; dies traf in ähnlicher Form auch auf die Mittelschicht zu vgl. dazu Prinz, Michael: Vom neuen Mittelstand zum Volksgenossen. Die Entwicklung des sozialen Status der Angestellten von der Weimarer Republik bis zum Ende des NSZeit, Oldenburg 1986, S. 143-187; Berghoff, Hartmut: Did Hitler create a new society? Continuity and change in German social history before and after 1933, in: Panayi, Panikos (Hrsg.): Weimar and Nazi Germany. Continuities and Discontinuities, Harlow 2001, S. 74105, S. 83ff.; Peukert, Detlef: Volksgemeinschaft und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus, Köln 1982, S. 11 Off. Vgl. Klönne, Arno: Jugend im Dritten Reich. Die Hitler-Jugend und ihre Gegner, Köln 1982, S. 283ff.; Gamm, Hans-Jochen: Führung und Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus, München 1964; Knopp: Hitlers Kinder, S. 11. Zur Generationsaufteilung und ihrer Begründung vgl. auch Niethammer, Lutz: Heimat und Front. Versuch, zehn Kriegserinnerungen aus der Arbeiterklasse des Ruhrgebietes zu verstehen, in: ders. (Hrsg.): „Die Jahre weiß man nicht, wo man die heute hinsetzen soll". Faschismuserfahrungen im Ruhrgebiet. Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930 bis 1960, Band 1, Bonn 1986, S. 163-232, S. 164f.; oder DRZW, Band 5.2, S. 978f. Siehe Tabelle-A 4.

2. Das Sozialprofil der Division Diagramm 8: Entwicklung der Altersstruktur

1/40

1/41

1/42

93

1939-1945 (in %)

1/43

1/45

weitgehend der allgemein zwischen 1939 und 1945 im Heer feststellbaren Jahrgangsschichtung. 92 Neben dieser zeitlich nicht weiter differenzierenden Betrachtung ist jedoch vor allem die Entwicklung der Generationenschichtung im Verlauf des Zweiten Weltkrieges von Bedeutung, um Veränderungen deutlich zu machen. Hier ist es nun im Hinblick auf die spätere Analyse des Sozialprofils sinnvoll, die bereits angesprochene feinere Einteilung in Jahrgangsklassen von je 5 Geburtsjahrgängen in Anlehnung an die definierten Generationstypen vorzunehmen. 93 Auch bei einer Betrachtung über die Zeit erweist sich die Altersgruppe der Geburtsjahrgänge zwischen 1911 und 1920 in der Stichprobe als die bei weitem stärkste, wobei der ältere Teil dieser Generation, die zwischen 1911 und 1915 Geborenen, überwiegt. 94 Ihr Anteil an der Untersuchungsgruppe hat zwar zwischen 1939 und 1945 in Relation zu den anderen Jahrgangsgruppen stetig an Bedeutung verloren - über den Untersuchungszeitraum hinweg ist ein Absinken von etwa 55 bis 60 % auf 42 % zu beobachten - die Jahrgangskohorte zwischen 1911 und 1915 war jedoch zu jedem Zeitpunkt die zahlenmäßig umfangreichste. Wobei allein die Jahrgänge 1913 und 1914 bei Aufstellung der 253. Infanteriedivision zwischen 40 % und 45 % der Mannschaftsdienstgrade stellten. 95 Gleichzeitig schwankte der Anteil der Vgl. beispielsweise DRZW, Band 5.2, S. 977. Bei der Analyse der Altersstruktur wurden Alterskohorten in 5-Jahresabschnitten zwischen 1897 und 1926 gebildet. Diese decken sich weitgehend mit den oben definierten Generationstypen. Werte siehe Tabelle-A 6. Um Übersichtlichkeit zu wahren sind im Diagramm die Werte des ersten Quartals jeden Jahres dargestellt. Der Anteil der Jahrgänge 1911-15 lag im letzten Quartal des Jahres 1939 bei 65 %, im ersten Quartal des Jahres 1940 bei 55, %. Am Ende des Betrachtungszeitraums im Jahr 1945 stellten

94

III. Die Soldaten

zwischen 1906 und 1910 geborenen Soldaten über den Untersuchungszeitraum nahezu konstant um einen Wert von etwa 15 %, während sich der Anteil der zwischen 1916 und 1920 Geborenen von knapp 15 % im Jahr 1939 auf nahezu 30 % Anfang 1945 verdoppelte. Der Anteil der Generation der zwischen 1897 und 1905 geborenen Soldaten schrumpfte im Gegensatz dazu von 9,5 % im Jahr 1939 auf 3,7 % bei Kriegsende. Das Gewicht der jüngsten Altersklasse, sie umfasst die nach 1920 geborenen Soldaten, stieg von einem anfänglich minimalen Anteil auf einen Höchstwert von 13,6 % im zweiten Quartal des Jahres 1944, bevor es zu Kriegsende auf 7,3 % absank.96 Hinsichtlich der Ergebnisse für die Quartalsstichprobe 1945 müssen jedoch einige Einschränkungen berücksichtigt werden. Es ist zu erwarten, dass die Aussagen über die soziale Zusammensetzung der Division für diesen letzten Zeitabschnitt nur noch bedingt die Realität widerspiegeln, da die noch bis Ende 1944 gültigen Mechanismen der Ersatzzuführung unwirksam geworden waren und möglicherweise durch hohe Verluste und unsystematische Ersatzzuführung aus umliegenden Einheiten schnelle und den bisherigen Trends nicht entsprechende Veränderungen der sozialen Zusammensetzungen herbeigeführt wurden. Obwohl zur Formulierung der Trendaussagen die Auswertungen der Stichprobe aus den Wehrstammbüchern herangezogen werden, soll eine Altersanalyse der Vermisstenbildliste bzw. der Heimkehrerkartei zumindest eine Möglichkeit zur Überprüfung bieten. 97 Tabelle 5: Altersstruktur

im letzten

Summe

(in %)

1. Quart. 1945

Heimkehrer & Vermisste 1945

Neuzugänge 1945 aus VBL

0,9 3,5 16,5 39,2 27,5 12,4

0,8 3,9 15,4 42,9 29,7 7,3

3,2 4,1 20,8 33,4 21,4 17,1

7,37 6,32 14,74 16,82 10,54 44,21

100,0

100,0

100,0

100,00

Geburtsintervall 4. Quart. 1944 vor 1900 1901-1905 1906-1910 1911-1915 1916-1920 1921-1926

Kriegsjabr

Der in Tabelle 5 dargestellte Vergleich der Ergebnisse zeigt trotz einer leicht unterschiedlichen Gewichtung der Jahrgangsklassen grundsätzlich die glei-

96 97

die Jahrgänge 1913 und 1914 allein immerhin noch etwa 29,5 % des Personalbestandes der 253. Infanteriedivision. Siehe dazu auch Tabelle-A 5. Aus der Heimkehrerkartei werden die Einträge von Soldaten herangezogen, die das Kriegsende bei den Einheiten der 253. Infanteriedivision erlebt haben und aus der Vermisstenbildliste die Daten der Soldaten, die in den letzten Kriegsmonaten bei der 253. ID vermisst wurden. Beide Listen wurden vom DRK-Suchdienst erstellt und überschneiden sich nicht. Da das Meldewesen für Verluste 1945 bereits weitgehend zusammengebrochen war, kann davon ausgegangen werden, dass die Vermisstenbildliste einen großen Teil der in diesem Zeitraum eingetretenen militärischen Verluste umfasst.

2. Das Sozialprofil der Division

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che Tendenz der Altersschichtung beider Stichproben. Dabei fällt bei der aus Heimkehrerkartei und Vermisstenbildliste ermittelten Altersschichtung für 1945 vor allem die etwas gleichmäßigere Gewichtung der mittleren Altersgruppen zwischen 1906 und 1920 und der leicht erhöhte Anteil der extrem alten und extrem jungen Jahrgangsklassen auf. Abgesehen von den Differenzen, die sich aus den Unwägbarkeiten der Datenerhebung ergeben können, spiegelt sich darin der vor allem in der Heimkehrerkartei nachvollziehbare Zugang insbesondere alter und junger Jahrgänge in den letzten Kriegswochen wider, der abgesehen von dieser Quelle kaum dokumentiert ist. Einen Hinweis bieten die in der Heimkehrerkartei verzeichneten Zugänge zu den Feldeinheiten der 253. Infanteriedivision im Jahr 1945. Unter den 195 dokumentierten Versetzungen befinden sich 100 Fälle, bei denen eine Personalverschiebung innerhalb der Division stattfand, darunter nur noch ein minimaler Anteil von Soldaten, die angegeben haben, aus den Ersatzeinheiten der 253. Infanteriedivision zu stammen. Unter den 95 Neuzugängen, die von anderen Einheiten zur 253. Infanteriedivision stießen, zeigt die Altersschichtung, dass die extremen Geburtsjahrgänge im Verhältnis zum Altersprofil der Quartalsstichprobe und der in der Hauptdatenbank dokumentierten Stichprobe, dem bisherigen Trend also, überrepräsentiert waren. Derartig strukturierter Personalersatz kann zur beobachteten Verschiebung der Altersstruktur in der Untersuchungsgruppe in den letzten Kriegsmonaten beigetragen haben. Dieser letzte Personalersatz für die Division stammte aus den unterschiedlichsten Truppenteilen: aus rückwärtigen Einheiten, 98 Feldoder Ersatzeinheiten, die sich 1945 im Umfeld der 253. Infanteriedivision befanden, 99 aber auch aus Schulen und Lehrgängen 100 sowie von Dienststellen, die nicht zur Wehrmacht gehörten.101 Der Exkurs zeigt, dass sich trotz gewisser Abweichungen beim Vergleich zweier unterschiedlicher Stichproben für das Jahr 1945 die grundsätzliche Tendenz bei der Entwicklung der Altersstruktur sowie der quantitative An98

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101

DRK-Suchdienst, Heimkehrerkartei, Bestand 253. Infanteriedivision. Es finden sich beispielsweise Versetzungen zur 253. Infanteriedivision aus dem Sicherungsbataillon 689, der Auffangkompanie Graz, dem Eisenbahnbataillon 688. Aus diesen Einheiten stammten vor allem Soldaten älterer Jahrgänge. DRK-Suchdienst, Heimkehrerkartei, Bestand 253. Infanteriedivision. Hier sind Versetzungen zur 253. Infanteriedivision aus dem Grenadierausbildungsbataillon 302 aus Budweis, dem Grenadierregiment 260 aus Prag und dem Volkssturm Deutsch Russelwitz verzeichnet. In diesen Einheiten herrschten die jungen Jahrgänge vor, der jüngste Soldat, zuversetzt vom Grenadierregiment 260, gab als Geburtsjahr 1929 an. DRK-Suchdienst, Heimkehrerkartei, Bestand 253. Infanteriedivision. Zuversetzende Einheiten waren beispielsweise die Schule für Fahnenjunker der Infanterie, Reichenau; der ROB Lehrgang Wehrkreis XIV; die Kriegsschule Dresden, 17. Lehrgang; die Unteroffiziersschule für Artillerie; die 2. Infanterie/Amberg. Versetzt wurden hier vor allem Angehörige der Jahrgänge ab 1925. DRK-Suchdienst, Heimkehrerkartei, Bestand 253. Infanteriedivision. Es finden sich Versetzungen aus Forstschutzkommandos oder vom Zollgrenzschutz. Hier fanden sich beide extreme Altersgruppen. Aus dem Zollgrenzschutz stammten vor allem alte Jahrgänge zwischen 1890 und 1900 während aus dem Forstschutz viele junge Soldaten der Jahrgänge 1927 und vor allem 1928 zur 253. Infanteriedivision versetzt wurden.

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III. Die Soldaten

teil der Jahrgangsklassen an der Altersschichtung bei Kriegsende weitgehend bestätigt. Daneben deuten sich aber für die letzte Kriegsphase - durch die sehr unsichere Quellenlage ansatzweise erklärbare - abweichende Entwicklungen der personellen Zusammensetzung an, die die seit Ende 1944 veränderten Rahmenbedingungen der personellen Entwicklung deutlich machen. Ferner wird erkennbar, dass die extrem jungen Soldaten der Geburtsjahrgänge 1928 und 1929 offenbar erst während der letzten Wochen des Krieges verstärkt in die Feldeinheiten der 253. Infanteriedivision aufrückten. Zusammenfassend betrachtet, haben also zu jedem Zeitpunkt im Beobachtungszeitraum Soldaten der Geburtsjahrgänge zwischen 1910 und 1920, insbesondere aber die zwischen 1911 und 1915 Geborenen die Sozialstruktur der 253. Infanteriedivision bestimmt. 102 Damit waren die wichtigsten Zeitabschnitte, in denen die Mehrheit der Soldaten ihre Prägung als Jugendliche und junge Erwachsene erhielten, in geringem Maß der Erste Weltkrieg, vor allem aber die Zeit der Weimarer Republik und die ersten Jahre des „Dritten Reiches". 103 Daneben legt das Vorherrschen einer bestimmten Jahrgangsklasse die Vermutung nahe, dass neben den funktional wichtigen Gruppen innerhalb der Wehrmacht auch Generationstypen zu Stabilität und Kontinuität innerhalb der Einheiten beigetragen haben und möglicherweise wichtige Faktoren für das Funktionieren und die Leistungsfähigkeit der Wehrmacht als militärische Organisation gewesen sind. Gleichzeitig mit der Betrachtung der Altersstruktur stellt sich die Frage, wie sich die Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe, differenziert nach unterschiedlichen Truppengattungen innerhalb der Division, verändert hat. Exemplarisch werden die Angehörigen der Infanterieeinheiten bzw. der Versorgungseinheiten der 253. Infanteriedivision aus jeder Quartalsstichprobe herangezogen. Damit wird einerseits der Teil der Kampfeinheiten berücksichtigt, in dem die Personalfluktuation am dynamischsten verlaufen ist, andererseits die Kategorie von Einheiten, bei der sich auf der Basis der vergleichsweise geringen Verluste eine stabilere Entwicklung vermuten lässt. Grundsätzlich kann erwartet werden, dass sich die jüngeren Jahrgänge in den Kampftruppen konzentrieren, während ältere Jahrgänge in Unterstützungseinheiten vorherrschen. Diese Entwicklung wurde vor allem durch die von der Wehrmacht zur Steigerung der Effizienz ihrer Feldeinheiten vorgenommenen organisatorischen Maßnahmen beeinflusst, mit denen die Kampfeinheiten gestärkt werden sollten.104

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Diese Jahrgänge bildeten die zahlenmäßig stärkste Gruppe in der gesamten Wehrmacht, vgl. Overmans: Militärische Verluste, S. 222; und waren auch die stärkste Gruppe an der Gesamtbevölkerung, vgl. Marschalck, Peter: Bevölkerungsgeschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1984, S. 187. Im Fall der 253. Infanteriedivision ist diese deutliche Gewichtung teilweise auf die Umstände ihrer Aufstellung zurückzuführen. Vgl. Tessin: Verbände, Band 1,S. 45f. Vgl. Merkl, Peter H.: Political Violence under the Swastika. 581 Early Nazis, London 1975, S. 231 ff. Müller-Hildebrand: Personnel, Study P-005, S. 75f.; vgl. auch DRZW, Band 5.2, S. 958ff.

2. Das Sozialprofil der Division Diagramm 9: Altersstruktur der Infanterieverbände

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Diagramm 9 zeigt die Entwicklung der Altersstruktur von Infanterieeinheiten. 105 Es bestätigt die zentrale Rolle der Jahrgangsgruppe zwischen 1911 und 1915, wenn auch durch den starken Anstieg des Anteils der jüngeren Jahrgänge ab 1916 relativiert. Gleichzeitig verschwanden die Geburtsjahrgänge vor 1905 im Verlauf des Krieges vollständig aus den Infanterieeinheiten, während die Altersgruppe der zwischen 1906 und 1910 geborenen Soldaten - ähnlich wie im allgemeinen Altersprofil - die geringsten Schwankungen aufwies.106 In den Kampfeinheiten haben demnach die Jahrgänge ab 1911 dominiert, wobei die Geburtsjahrgänge 1906 bis 1915 zu Beginn der Entwicklung im Vergleich zur allgemeinen Entwicklung, wie sie in Diagramm 8 dargestellt ist, leicht überrepräsentiert waren, während ihr Anteil bis ins erste Quartal 1945 unter den Anteil dieser Geburtsjahrgänge an der gesamten Untersuchungsgruppe sank. Die Geburtsjahrgänge zwischen 1916 und 1920 dagegen wuchsen von einem unterdurchschnittlichen Anteil im Jahr 1939 bis 1945 auf 46,6 % der Soldaten in den Infanterieverbänden an.107 Einen gegensätzlichen Verlauf zeigt Diagramm 10 für die Altersstruktur der Versorgungstruppen der 253. Infanteriedivision. Bei den Einsatzunterstützungseinheiten lag der Schwerpunkt der Altersstruktur schon bei der Aufstellung der Division auf den Geburtsjahrgängen vor 1916. Dabei zeigt sich auch hier die überragende Bedeutung der Altersgruppe der zwischen 103

Siehe Tabelle-A 6. ' Das Absinken des Anteils der Jahrgangsklasse 1921-1926 im ersten Quartal 1945 widerspricht der Auswertung der Vermisstenbildliste bzw. der Heimkehrerkartei und ist vermutlich auf die für die letzten Kriegsmonate zunehmend unvollständige Aktenlage bei den Personalpapieren zurückzuführen. 107 Siehe Tabelle-A 6. I0
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