115 95 28MB
German Pages 315 Year 1992
THOMAS NICK
Konzernbetriebsrat und Sozialplan im Konzern
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 113
Konzernbetriebsrat und Sozialplan im Konzern Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung einer interessendualistischen Konzernverfassung
Von Dr. Thomas Nick
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP·Einheitsaufnahrne Nick, Thomas: Konzernbetriebsrat und Sozialplan im Konzern: zugleich ein Beitrag zur Entwicklung einer interessendualistischen Konzernverfassung / von Thomas Nick. - Berlin: Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 113) Zugl.: Hohenheim, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07411-4 NE:GT
D 100 Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-07411-4
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit am Institut für Rechtswissenschaft der Universität Hohenheim. Sie wurde von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Sommersemester 1991 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden im wesentlichen bis Ende 1991 berücksichtigt. Zu danken habe ich vor allem meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. L. Vo/lmer, der die Entstehung der Arbeit angeregt und weit über das normale Maß hinaus gefördert hat. Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. A. Ditt-
mann für sein großzügiges Verständnis während meiner Tätigkeit an seinem
Lehrstuhl.
Meinen ehemaligen Kollegen und Kolleginnen am Institut für Rechtswissenschaft möchte ich für ihre auch moralische Unterstützung danken; sie haben in erheblichem Umfang zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Dank gebührt aber auch Frau C. Köppe/er, die mit großem Einsatz die umfangreichen Schreibarbeiten erledigte. Mit großer Sorgfalt unterstützten mich Frau P. Miche/-Mettang und Frau M. Bandur bei der kritischen Durchsicht des Manuskripts; auch hierfür bin ich zu Dank verpflichtet.
Stuttgart, im Januar 1992
ThomasNick
I~altsverzeicbumis
Einleb...._ .............._ ..........................._ ............................_ .............................................................. 1 A PnlblemsteUung und Ziel der Untersuchung ••.•••••••••.••••..•.•••••...•...••••..................•.......•.•............ 1
B. Gang der Untersuchung ..................................................................................................................5
Erster Teil: Der K. . .ra ... leiDe Verfassa................................................................................ 7 Einleitung............................................................. _ .................................................................................. 7
A Der AG - Konzem ......................................................................................................................... 14 I. DerVertragskonzem ............................................................................................................ 16 1. Die Leitungsmacht im Vertrapkonzem ................................................................... 16 2. Schutz der Beteiligten der abhängigen Gesellschaft .•.....•.......•••••.•....•.••••....•...•...... 17 a) Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger................................. 18 b) Schutz der Arbeitnebmer.................................................................................. 19
ß. Der faktische Konzem......................................................................................................... 21 1. Der einfache faktische Konzem.................._.............................................................. 22 a) Die Leitunpmacht im einfachen faktischen Konzem •.....•.••........•..............• 22
aa) Zulässigkeit und Durcbsetzbarkeit der Leitunpmacht..••......•.....•.... 23 bb) Art und Umfang der Leitunpmacht ................................................... 26 ce) Zwischenergebnis ............._ .................................................................... 29 b) Schutz der Beteiligten der abhängigen Ge&ellschaft.•.......•.•.......•.•....•.....•.... 29 aa) Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger ..................... 30 bb) Schutz der Arbeitnehmer ...................................................................... 31 2. Der qualifIZierte faktische Konzem ........................................................................... 33 a) Der Tatbestand des qualifIZierten faktischen Konzerns .•••.......••.•....•.......... 36 aa) Vermutungsregcln.•••••• _ ......................................................................... 38 bb) FaUgruppen.............................................................................................. 39 ...) Doppelmandate ......................................................................... 40 bbb) Organisationsstruktur.............................................................. 43
x ccc) Finanzielle Piibrung................. _ ........•..••.•..•••••••.•..................•• 47 ce) Zwischenergebnis •••••••_ ...._ .................................................................. 49 b) Schutz der Beteiligten der abhlngi&en Ge&elllcbaft........••.•...•.•......•••••••••..••5O u) Scbutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger ...........•.........50 bb) Scbutz der Arbeitnehmer .•......•.•.......•••..............•..................................53 c) Folgerungen für die konkrete Ausübung der Leitungsmacbt...................... S4
Iß. Zusammenfassung ............ _ ............................_ ...............................................................56 B. Der GmbH - Konzern ..••.•.•.•..........................••••..•.•................................•.•...••.......•.......................59 I. Der Vertragskonzern ••.................................•.•.•.................................................................... 60
ß. Der faktisc:be Konzern......................................................................................................... 62 1. Der einfacbe faktische Konzern ............................•.................................................•... 62 2. Der qualifIZierte faktische Konzern ...........................................................................65 ßI. Zusammenfassung .........•......••.•.••....................................................................................... 66 C. Der Personengese11sc:bafts - Konzern .......................................................................................... 68
I. Der Vertragskonzern ............................................................................................................ 69 ß. Der faktische Konzern......................................................................................................... 70
m.
Zusammenfassung .............................................................................................................. 71
D. Die internationalen und europäiscben Konzerne ......••••.••........................................................ 73 I. Internationale Konzerne....................................................................................................... 73 1. Gesel1sc:baftsrec:btlicbe Scbutzinteressen .................................................................. 73 2. Arbeitsrec:btlic:he Scbutzinteressen ............................................................................ 7S
ß. Europäische Konzerne ...........•.••.•...•.••••••.•.•••••.......••............•.............•................................ Tl Iß. Zusammenfassung .•.•...•.....................................••.•.•••.•..•....................................................79
E. Die Treuhandanstalt als Konzern ......................•......••••.••....•......•..........................•..................... 81 I. Verantwortlichkeit gegenüber den Gläubigern und den Gese11sc:baftem .................... 81
ß. Verantwortlic:hkeit gegenüber den Arbeitnehmern...•.•.................................................. 83
Inhaltsverzeichnis
XI
Ergebnisse und Folgerungen ................................-..m........................................................................ BS Zweiter Teil: Der Ko_r.betriebsnIt .............................................................................................94 Einleitung................................................................................................................................................ 94
A Die Errichtung des Konzernbetriebsrates. •...•......•.••.............•.........••..•.......•••.......••.......••.......... 98 I. Voraussetzungen.................................................................................................................... 98 1. Existenz von zwei Unternehmen.................................................................................. 99 a) Unternehmensbegriff im Konzerngesellschaftsrecht ...•.........•••.......•.......... l00 b) Unternehmensbegriffim Mitbestimmungsrecht ......................................... l03 c) Unternehmensbegriff im Betriebsverfassungsrecht ..•...•.......•........•.•.........• l05 2. Konzernverhältnis •.•••........•......•...•.•••••...•..•..........••....•....••.•.......•.•.............................. 106 3. Zwischenergebnis ........................................................................................................ 110 II. Konzernbetriebsrat und Gemeinschaftsunternehmen ......•..•.........•.................•..•........ 111 1. Gemeinschaftsunternehmen und Konzerngesellschaftsrecht.........•.........•......•.... l11 a) Grundstrukturen............................................................................................... 112 b) Paritätische Beteiligungen .............................................................................. 113 2. Gemeinschaftsunternehmen und Betriebsverfassungsrecht..........•.......•.........•.•.. 114 a) Keine Einheitslösung ...............•..•.....•.•.•..........•.............•..........•.......••............. 114 b) Differenzierung nach Fallgruppen................................................................. 116 88) Bei Ausübung der Leitungsmacht durch eine Obergesellschaft .•.. 116 bb) Bei Aufspaltung der Leitungsmacht .................................................. 117 ce) Bei Ausübung der Leitungsmacht durch eine Beteiligungsgesellschaft ............................................................................................. 119 dd) Bei Beteiligung einer ausländischen Konzernspitze........................ 121 c) Zwischenergebnis.............................................................................................. 122 III. Konzernbetriebsrat und Konzern im Konzern ............................................................. 124 1. Konzern im Konzern und Gesellschaftsrecht ......................................................... 125 2. Konzern im Konzern und Arbeitsrecht ................................................................... 127 a) Konzern im Konzern und Mitbestimmungsrecht........................................ 127 b) Konzern im Konzern und Betriebsverfassungsrecht .................................. 130 IV. Konzernbetriebsrat und internationale Konzerne....•...•......•............................•.......... 132 1. Der einstufige Konzern mit ausländischer Konzernspitze .....•........•......•.............. 133
2. Der mehrstufige Konzern mit ausländischer Konzernspitze ......•....•.•..••••.••......... I34 3. Der mehrgliedrige Konzern mit ausländischer Konzernspitze .•.......•.................. 136 4. Zwischenergebnis ........................................................................................................ 138 B. Die allgemeinen Kompetenzen des Konzernbetriebsrates .................................................... 140
Xß
Inbaltsverzeicbnis I. Originäre Zuständigkeit gemU f 58 Abs. 1 BetrVG...............................................•..... 140 1. Gesetzliche Ausgangslage .......................................................................................... 141 a) Grundlagen........................................................................................................ 142 b) InformationsdeflZite von Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat ......................... 143 c) Keine Bescbränkung auf Mitwirkunprecbte................................................ 144 d) Keine Bescbränkung wegen feblender Praktikabilität................................ 145 2. Notwendigkeit einer Einzelfallbetracbtung............................................................. 146 a) Konzernbezug einer betriebsverfassunprecbtlicben Angelegenbeit........ I46 b) Parallele zum Verbältnis Betriebsrat - Gesamtbetriebsrat ....................... 147 3. Kein gemeinsames Regelunprecbt mebrerer Gesamtbetriebsräte .................... 149 4. Zwiscbenergebnis........................................................................................................ 150 11. Abgeleitete Zuständigkeit gemäß f 58 Abs. 2 BetrVG ................................................ l51 1. Der Streit um den zuständigen Regelungspartner................................................. 151 2. Die systemgerecbte Lösung....................................................................................... 152
C. Abschluß und Wirkung von Konzernbetriebsvereinbarungen .............................................. 156
I. Die normative Wirkung von Konzernbetriebsvereinbarungen im Meinungsstreit ... 159 1. Die Lehre •.•.........•••....••.•••..•••.••.•••••.••..............••.................•........•.•..•......................•....159 a) Vorrang des (Konzern-) Gesellschaftsrechts ............................................... 160 aa) Differenzierung nach Konzernarten .................................................. 160 bb) Differenzierung nach Regelunpgegenständen ................................ 161 ce) Mischtheorien ........................................................................................ 162 dd) Sonstige Lösungsansätze ..................................................................... 163 aaa) Beschränkung der normativen Wirkung auf den jeweiligen Regelungspartner ................................................. 164 bbb) Bevollmächtigung durch die abhängige Gesellschaft........ I6S ccc) Schuldrechtliche Vereinbarungen ........................................ 167 ce) Zwischenergebnis .................................................................................. 168 b) Vorrang des Betriebsverfassunprechts........................................................ 168 aa) Zweckorientierte Begründungen ........................................................ 169 bb) Kompetenzorientierte Begründungen............................................... 169 ce) Zwischenergebnis .••••............................................................................. 171 2. Die Rechtsprechung ................................................................................................... 172 11. Normative Wirkung der Konzernbetriebsvereinbarung als Element einer organischen Konzernverfassung ...................................................................................... 173 1. Notwendigkeit einer Differenzierung nach Konzernarten ................................... 174 2. Normative Wirkung \IOD Konzernbetriebsvereinbarungen in den verschiedenen Konzernarten ........................................•...•..•..................••.............................. 176 a) Im Vertrapkonzern ......................................................................................... 176 aa) Bedeutung des Beherrschunpvertrap .............................................. 177
InhaItsYeneicbnis
XIII
bb) Bedeutung der Strutturänderung und der Kompetenzverlagerung. ... _ ..................................................................................... 179 ce) Verbands~htlicbe SteUung der Arbeitnehmer............................... 182 dd) Zwischenergebnis ................................................................................. 183 b) Im einfachen falrtischen Konzem _ ............................................................... 183 u) Autonomicverlust der abhängigen Gcscllschaft............................... l84 bb) Parallele zum Vertragskonzcm .......................................................... 185 ce) Kein Rückgriff auf Stellvertretung...................................................... l85 dd) Zwischenergebnis ................................................................................. 187 c) Im qualifIZierten faktischen Konzem ............................................................ 187 d) Zwischenergebnis ............................................................................................. 188 Ergebnisse und Folgerungen ............................................................................................................. 190
Dritter Teil: Der SoziaIpIaa im Konzera ...................................................................................... 194 Einleitung.............................................................................................................................................. 194 A Voraussetzungen, Zweck und Wirkungen des Sozialplans .................................................... 2OO
I. Voraussetzungen des Sozialplans...................................................................................... 200 11. Gcsctzgcbcrischcr Zweck des Sozialplans...................................................................... 203 1. Sozialplan und unabhängiges Einzeluntemehmen ................................................ 204
m.
a) Problematik ....................................................................................................... 204 b) Stellungnahme .................................................................................................. 20S u) Ausgleichsfunktion................................................................................ 206 bb) Lenkunpfunktion ................................................................................. 208 ce) Zwischenergebnis .................................................................................. 209 2. Sozialplan und Konzem ............................................................................................. 210 a) Lenkunpfunktion............................................................................................. 210 b) Ausgleichsfunktion........................................................................................... 212 3. Zwischenergebnis ........................................................................................................ 214 Ökonomische Wirkungen des Sozialplans .................................................................... 214 1. Gcsamtwirt&chaftliche Wirkung. ............................................................................... 214 2. Bctricbswirt&chaftliche Wirkungen .......................................................................... 217 a) Wirkungen im unabhängigen Einzeluntemehmen ...................................... 217 b) Wirkungen im Konzemverband ..................................................................... 221
B. Wirtschaftliche Vertretbarkeit des Sozialplans ....................................................................... 223 I. Notwendigkeit der Mitbcriicksichtigung der Konzcmlage ............................................ 223 1. Gcscllschafts~htlicher Ansatz ................................................................................ 226
InbaltsYeneichnis
XIV
2. Arbeitsn:c:htlicher Ansatz .......................................................................................... 228 a) f 112Abs. 5 BetrVG und Koozernlage .........................................................228 b) f 16 BetrAVG und Konzernlage.................................................................... 231
n.
Mitbetiicbichtigung der Koozernlage bei den Konzernarten .................................... 234 1. Mitberiicksichtigung im Vertrapkonzern ............................................................... 23S a) GenereUe Notwendigkeit ................................................................................ 23S aa) Parallele zu f 302 AktG ....................................................................... 23S bb) Zweck des SoziaIpIans.......................................................................... 238 ce) Zwischenergebnis .................................................................................. 239 b) Art der Mitberiicksichtigung .......................................................................... 239 aa) VeriustausgleichspOicht als Maßstab? ............................................... 240 bb) Hypothetischer Gewinn der Tochtergesellschaft als Maßstab? .... 242 ce) W'trtschaftlichen Lage der Konzemspitze als Maßstab ................... 243 dd) Keine unzulässige Privilegierung der Arbeitnehmer....................... 246 ce) Bedeutung für internationale Konzerne............................................ 247 ft) Zwischenergebnis .................................................................................. 247 2. Mitberiicksichtigung im qualifIZierten faktischen Konzern .................................. 248 a) Generelle Mitberiicksichtigung ...................................................................... 249 b) Keine Verbaltenshaftung ................................................................................ 250 c) Zwischenergebnis.............................................................................................. 251 3. Mitberiicksichtigung im einfachen faktischen Konzern ........................................ 251 a) Nachteilsausgleich als ausreichender Konzernbezug? ................................ 253 b) Keine generelle Mitbetiicksichtigung der Konzernlage ..•..••........•............. 255 aa) Nur bei Verursachung der Betriebsänderung durch die Muttergesellschaft................................................................................. 255 bb) Weitere Einschränkungen ................................................................... 257 aaa) Die "pßichtgemäß ebenso handelnde Geschäftsleitung" .. 257 bbb) Bei konzernstrategischer Leitung ........................................ 2S8 c) Zwischenergebnis.............................................................................................. 259
Ergebnisse und Ausblick .................................................................................................................... 260
Ergebnisse in 1beseL......................................................................................................................... 263
Uteratu"eneichnis ............................................................................................................................ 267
Abkürzungsverzeichnis aA a.a.O. ABlEG Abs. AcP
a.B. AG AktG a.M.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Archiv für die clvilistische Praxis am Ende Aktiengesellschaft oder "Die Aktiengesellschaft" (Zeitschrift) Aktiengesetz andere(r) Meinung
Anh.
Anhang
Anm.
Anmerkung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Artikel Auflage Arbeit und Recht Bundesarbeitsgericht Der Bctriebs-Bcrater Band Bcarbeiter(in) Bcschäftigungsförderungsgesetz Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alterversorgung Bctriebsverfassungsgesetz Bctriebswirt5Chaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht
AP ArbGG AR-Blattei Art. Aufl. AuR
BAG BB Bd. Bcarb. BcschFG BctrAVG BctrVG BFuP BGB BGBI. BGH BGHZ BIStSozArbR
XVI
BR-DrS BT-DrS BVerfG BVerfGB
BWL
bzw. DAG DB DBW ders. DGB d.h. Diss. DM DStR
BOV EEA BQ
BGBGB Binl. etc. BuGH BuZW EWG EWGV EWiR
EWIV EWS
FzA. f. FAZ ff.
FN PS GbR GenG GG
ggf.
Abkümmpverzeichnis
Drucksachen des Deutschen Bundesrates Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des BundeswrflllUnpprichts Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise Deutsche Angestelltengewertsc:haft Der Betricb Die Betriebswirtschaft derselbe Deutscher Gcwcrtsc:haftsbund das heiSt Dissertation Deutsche Marlt Deutsches Steuerrecht Elektronische Datenverarbeitung Einheitliche Europäische Akte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einleitung et cctera Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift rür Wirtschaftsrccht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrccht Europäische Wirtschaftliche InteressenVJereinigung Europäisches Wirtschafts &. Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arl>eitsrccht und folgende(r) (Seite, Paragraph) Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland und folgende (Seiten, Paragraphen) Fußnote(n) Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Genossenschaftsgesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland pgebenenfalls
Abkürzunpveneichnis
GK-BetrVG GK-MitbG GmbH GmbHG GS GWB HGB h.M. HISg., hISg. HV i.d.R. IG InkrG
insb. i.S. i.S.d. i.S.v. i.V.m. JA IbPfSt JfNSt JR JuS
JZ
KBV KG
KGaA KK
KO
KSchG KStG
LAG LG Mio. MitbErgG MitbG MontanMitbG 2 Nick
XVII
Gemeinschaftskommentar z. BetrVG (HISg.: Pabricius u.a.) Gemeinschaftskommentar z. MitbG (HISg.: Pabricius) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Großer Senat Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben Hauptversammlung in der Regel Industriegewerkschaft Gesetz über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik insbesondere im Sinne im Sinne der, des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch der Pachanwälte für Steuerrecht Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Konzernbetriebsvereinbarung Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Konkursordnung Kündigungsschutzgesetz Körperschaftssteuergesetz Landesarbeitsgericht Landgericht Million(en) Mitbestimmungsergänzungsgesetz von 1956 Mitbestimmungsgesetz von 1976 Mitbestimmungsgesetz von 1951
XVIII
MünchHdbAG MünchKomm BGB m.w.N. NP NJW Nr. NZA OHG OLG ORDO o.V. RdA Rdn RegE RIW/AWD Rspr. S. SAE SE
SozpIKonkG Sp. StbJb str. SzU TreuhG
Tz. usw. u.U. v. Verf. vgI. Vor WM Wpg
Abkünungsverzcichnis
Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, Aktiengesellschaft Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen Neue Folge Neue Juristischen Wochenschrift Nummer(n) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ohne Verfasser Recht der Arbeit Randnummer(n) Regierungsentwurf Recht der internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftdienst Rechtsprechung Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Societas Europea, Europäische Aktiengesellschaft Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Spalte Steuerberater-Jahrbuch streitig Schriften zur Unternehmensführung Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens Textziffer und so weiter unter Umständen von,vom Verfasser vergleiche Vormerkung(en) Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung
Abkürzunpvencichnis
WSI
z. z.B. ZfA ZfB ZlbP ZfO
ZGR
ZHR ZIP ZO ZPO ZRP
XIX
Wirtschafts- und sozialwisscnschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum, zur zum Beispiel Zeitschrift rür AIbeitsrecht Zeitschrift rür Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift rür betriebswirtschaftliehe Porschung Zeitschrift rür Organisation und Neue Betriebswirtschaft Zeitschrift rür Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift rur das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift rur Organisation (aufgegangen in ZfO) Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik
Einleitung A. Problemstellung und Ziel der Untersuchung Mehr als fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen über den Sozialplan sind sowohl die rechtspolitische Bedeutung dieses Rechtsinstituts als auch die Voraussetzungen, der Inhalt und, vor allem, der Umfang der konkreten Sozialplanpflichten nach wie vor umstritten. Dies kann nicht verwundern. Der Sozialplan ist neben dem individual-rechtlichen Kündigungsschutz das wichtigste gesetzliche Institut zur Gewährleistung eines wirksamen Arbeitnehmerschutzes bei Betriebsänderungen. Die Arbeitnehmer erwarten deshalb eine Gesetzesauslegung, bei der sich ein möglichst großer präventiver und repressiver Schutz ergibt, der von den Betriebsräten gegenüber der Unternehmensleitung verwirklicht werden soll. Ein solcher Schutz führt jedoch zu einer erheblichen Beschränkung der unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten bei notwendigen Betriebsänderungen und/oder zu unter Umständen erheblichen fmanziellen Belastungen. Angesichts dieses Interessenkonflikts haben Rechtsprechung und Lehre immer noch große Schwierigkeiten mit einer sachgerechten Gesetzesanwendung. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit behindert eine partnerschaftliche Konfliktregelung im Geiste des betriebsverfassungsrechtlichen Kooperationsgebotes. Die Praxis hat sich zwar (nolens volens) mit dem Institut des Sozialplans weitgehend arrangiert und fmdet in der Mehrzahl der Fälle einvernehmliche Sozialplan - Regelungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat!. Es kommt aber gleichwohl immer wieder zu Konflikten, die sich nur noch durch Einschaltung einer Einigungsstelle oder eines Arbeitsgerichts lösen lassen. Hierfür müssen die gesetzlichen Voraussetzungen und der gesetzliche Umfang eines erzwingbaren Sozialplans so weit wie möglich geklärt werden. All dies gilt namentlich für konzernverbundene Unternehmen. Gerade hier sind die Voraussetzungen und der Inhalt eines erzwingbaren Sozialplans noch weit mehr ungeklärt und umstritten als bei einem Einzelunternehmen. Weitere ungeklärte Fragen kommen hinzu. Ist der Betriebsrat des 1 Instrllktiv hierzu Hemmer,
Sozialplanpraxis, S. 94 ff.
2
Einleitung
abhängigen Tochteruntemehmens, bei dem es zu einer Massenentlassung kommt, für die Sozialplanregelung zuständig oder der Konzembetriebsrat? Sollte letzteres zu bejahen sein, stellt sich die Frage, ob dieser mit verbindlicher Wirkung auch zu Lasten der abhängigen Gesellschaft eine Betriebsvereinbarung bzw. einen Sozialplan abschließen kann. Klärungsbedürftig ist schließlich die Frage, ob und inwieweit dabei die Konzernlage zu berücksichtigen ist. Ein wesentlicher Grund für diese ungelösten Fragen ist die nach wie vor ganz allgemein schwierige Erfassung des Konzerns zwischen den Polen Einheit und Vielheir. Hinzu kommt, daß hier mit besonderer Schärfe die zwei Blöcke "Arbeitsrecht" und "Gesellschaftsrecht" in einem gesetzlich schlecht koordinierten Interessendualismus aufeinander treffen. Bereits das Konzemgesellschaftsrecht wirft, für sich allein betrachtet, besondere Probleme auf!3 deren sachgerechte Lösung von Beginn der aktienrechtlichen Kodifikation an bis heute Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen war und ist. Dies liegt zum einen daran, daß sich die gesetzgeberischen Vorgaben nur auf Aktiengesellschaften beziehen, während andere Konzernkonstellationen (wie etwa GmbH- und Personengesellschaftskonzeme) noch nicht Gegenstand gesetzgeberischer Aktivitäten waren. Aber auch die Regelungen, die im Aktiengesetz Niederschlag gefunden haben, lassen vieles offen. Deshalb sind viele Fragestellungen im Fluß und Gegenstand von kontroversen Lehrmeinungen und Entscheidungen4 • Es kommt hinzu, daß das geltende Aktienkonzernrecht vomehmlich ein System des (Schadens-) Ausgleichsrecht ist. Ein so verstandenes Konzernrecht greift jedoch zu kurz. Angesichts der vielschichtigen Konzemprobleme muß vielmehr ein Konzernrecht entwickelt werden, welches sich von einem Ausgleichssystem löst und sich in Richtung auf ein Konzemverbandsrecht hin entwickelt. Dieses Konzemverbandsrecht muß nicht nur die Interessen der Anteilseigner (Gesellschafter), sondern auch die der Arbeitnehmer angemessen unter dem Aspekt berücksichtigen, daß all diese Gruppen "Mitglieder" des Konzemverbandes sinds• 2 Grundlegend
zu dem Bcgriffspaar BäIz, FS Raiser, S. 287 Cf.
3 Die konzernrechtlichen Regelungen traten mit der Reform des Aktienrechts am 6.9.1965,
BGBII, S. 1089 in Kraft. • Vgl. nur die umfangreichen Nachweise bei Koch, NJW 1990, S. 158, 159 f., und Kirchner, ZGR 1990, S. 709, 750 f. , Darüberhinaus muß ein ausreichender Schutz für Gläubiger gewährleistet werden, die zwar nicht Mitglieder des Konzernverbandes sind, aber ebenfalls zusätzlichen (Konzem-) Risiken ausgesetzt sind.
A Problemstellung und Ziel der Untel5uchung
3
Von einem solchen Konzemverbandsrecht sind wir heute noch weit entfemt. Anders als das Konzerngesellschaftsrecht ist das Konzemarbeitsrecht überhaupt erst ansatzweise kodifIZiert und dies auch noch weitgehend ohne inneren Bezug zum Konzerngesellschaftsrecht. Vor allem fehlt ein einheitliches Recht des Sozialplans im Konzern. Hinsichtlich des Konzembetriebsrates begnügt sich das Betriebsverfassungsgesetz, soweit Regelungen überhaupt vorhanden sind, mit schlichten Verweisungen bzw. Nachbildungen des Rechts von Betriebs- und Gesamtbetriebsrat, wie die §§ 54, 58 BetrVG deutlich zeigen. Diese Verweisungstechnik ist nicht zuletzt deshalb unzureichend, weil dabei nicht nach Konzemarten differenziert wird. Auch im Mitbestimmungsgesetz fehlt es völlig an einer Differenzierung nach Konzemarten. Darüber hinaus scheint das Mitbestimmungsrecht nur auf gesellschaftsrechtliche Vorgaben abzuheben. Das hat zur Folge, daß gerade beim Sozialplanrecht ein unaufgelöster und so auch nicht auflösbarer Widerstreit zwischen einseitig gesellschaftsrechtlich oder einseitig arbeitsrechtlich orientierten Lösungsansätzen besteht. Vor diesem Hintergrund greift vor allem jede Problemerörterung zu kurz, die sich nur an einzelnen arbeitsrechtlichen Normen festmacht. Notwendig ist vielmehr, die Gesamtheit der arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Betracht zu ziehen, soweit sie einen Konzembezug aufweisen. Dies allein genügt jedoch immer noch nicht. Hinzu kommen muß eine Betrachtung, die sich um die Verklammerung von Konzemarbeitsrecht und Konzemgesellschaftsrecht bemüht. Diese Notwendigkeit ergibt sich schon aus einem Vergleich mit dem Recht des Einzeluntemehmens. So wie sich dort Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht immer mehr in Richtung auf die Entwicklung einheitlicher verbandrrechtlicher Strukturen verbunden haben6, muß auch im Konzemgesellschafts- und Konzemarbeitsrecht die Entwicklung vorangetrieben werden. In beiden Bereichen geht es darum, Leitungsmacht zu kanalisieren und Mißbräuche zu verhindem. Dies ist nicht allein die Aufgabe des Konzerngesellschaftsrechts, sondem auch die des Konzemarbeitsrechts. Dieses muß sich insbesondere darum bemühen, die Funktionen von Interessenausgleich und Sozialplan für den Konzem sachgerecht zu bestimmen. Im Einzeluntemehmen wird durch Interessenausgleich und Sozialplan zumindest indirekt Einfluß auf die unternehmerische Führung genommen
6 Vgl. etwa BiJIz in: 40 Jahre Bundesrepublik, S. 179, 184; Vollmer, ·Partnerschaftliche Unternehmensverfassung" S. 9 ff.; &User, Unternehmensrecht als Gegenstand juristischer Grundlagenforschung, S. 31, lS.
4
Einleitung
und es werden zusätzliche Parameter im Bereich unternehmerischer Autonomie geschaffen. Diese zwingen zur Beachtung und Berücksichtigung gruppenspeziftscher Interessen und ziehen damit, ergänzt durch die verschiedenen Formen der Aufsichtsratsmitbestimmung, einer rein auf die Interessen der Anteilseigner/Gesellschafter bezogenen Unternehmenspolitik Grenzen. Macht man sich dies klar, so haben Interessenausgleich und Sozialplan gerade im Konzern besondere Bedeutung, weil es auch hier darum geht bzw. gehen muß, Konzernleitungsmacht zum Schutz der Arbeitnehmer zu binden. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit ist es daher, zu zeigen, daß das Institut des Sozialplans ganz allgemein und speziell im Zusammenhang mit Konzernsachverhalten weit mehr als bisher als Instrument zur Bändigung von rechtlich anerkannter Leitungsmacht gesehen und fortentwickelt werden muß. Soweit dabei die Arbeitnehmerschaft betroffen ist, ist die Erkenntnis von grundlegender Bedeutung, daß der Sozialplan nicht nur eine Ausgleichsfunktion, sondern - nicht zuletzt - auch eine Präventivfunktion hat. Haben, wie dargelegt, das (Konzern-) Gesellschaftsrecht und das Arbeitsrecht das gleiche Ziel, nämlich Bindung und Kontrolle von Leitungsmacht, so kann die Aufgabe nicht lauten: Arbeitsrecht versus Gesellschaftsrecht. Es würden sonst die Problembereiche einseitig, je nach gewähltem Standpunkt, allein aus Sicht des jeweiligen Rechtsgebietes betrachtet. Dies hätte zur Folge, daß die speziftschen Besonderheiten des jeweilig anderen Normkomplexes unberücksichtigt blieben oder unter Berufung auf höherrangige Grundprinzipien beiseite geschoben würden'. Der Versuch, über den Einzelfall hinausreichende Lösungen zu entwickeln, setzt zunächst ganz allgemein voraus, daß, unabhängig von den einzelnen Konzernarten, eine organische Konzernverfassung entwickelt wird, die in einem verbandsrechtlichen Lösungsansatz dem interessendualistischen Grundkonflikt zwischen "Kapital" und "Arbeit" gerecht wird. Die Notwendigkeit einer verbandsrechtlichen Grundlegung ergibt sich daraus, daß die Gesellschafter und die Arbeitnehmer nicht nur faktisch, sondern, ansatzweise bereits heute schon, auch rechtlich Mitglieder einer gemeinsamen Verbandsordnung sind. Diese Verbandsordnung ist allerdings, wie bereits
7 Allein schon aus diesem Grund ist Konzeptionen, die rein arbeitsrechtlich orientiert sind und von daher z.B. ein allein auf das BctrVG gestütztes Institut des Konzemarbeitgcbers ableiten (so z.B. FabriciusjKreutz, GK-BctrVG § 58 Rein. 10 Cf., insb. Rdn. 13), mit Skepsis zu begegnen.
B. Gang der Untersuchung
s
erwähnt wurde und noch später näher darzulegen sein wird, unvollständig und lückenhaft. Aufgabe dieser Arbeit ist es daher auch, diese Lücken zu schließen.
B. Gang der Untersuchung In einem ersten Teil ist nach den Grundlagen einer Konzernverfassung zu suchen, die, bei allen Unterschieden der verschiedenen Konzernkonstellationen, Gemeinsamkeiten aufweist und als Basis einer kooperationsrechtlichen Verbindung von Konzerngesellschafts- und Konzernarbeitsrecht dienen kann. Ausgangspunkt muß eine Untersuchung der verschiedenen Konzernarten zwischen aktienrechtlichem Vertragskonzern und einfachem faktischen Konzern als Eckpunkten sein. Hierbei müssen auch sonstige Erscheinungsformen in die Betrachtung einbezogen werden, insbesondere der GmbH-Konzern und der Personengesellschaftskonzern. Herauszuarbeiten sind die Gemeinsamkeiten aller Konzernarten, aber auch ihre Unterschiede, sowie die sich daraus ergebenden Einflüsse auf das Konzernarbeitsrecht. Wesentlicher Untersuchungspunkt ist dabei, ob und inwieweit es eine rechtlich anerkannte Leitungsmacht gibt, die in allen Konzernarten, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, vorhanden und rechtlich ein- und durchsetzbar ist. Damit verknüpft ist die Frage, inwieweit das (Konzern-) Arbeitsrecht, insbesondere mit seinem Institut ·Sozialplan" und mit dem Interessenvertretungsorgan "Konzernbetriebsrat" gemäß §§ 54, 58 BetrVG, hierauf reagieren kann und muß. In einem zweiten Teil sind daher die gefundenen Ergebnisse auf das Organ "Konzernbetriebsrat" anzuwenden. Dieses Organ ist die gesetzliche Grundlage für die sachgerechte Entwicklung der Sozialplanpflicht im Konzern. Dies ist allerdings nur möglich, wenn Klarheit geschaffen wird über die Bildung des Konzernbetriebsrates, seinen allgemeinen Kompetenzbereich und die Möglichkeit, Konzernbetriebsvereinbarungen mit Wirkung für und gegen alle konzernverbundenen Unternehmen bzw. deren Arbeitnehmer abzuschließen. Daran anzuschließen hat sich in einem dritten Teil eine Untersuchung des Instituts "Sozialplan" im Konzern als das wichtigste Mittel, um Arbeitnehmerschutz im Konzernverband zu realisieren. Es gilt festzustellen, ob und inwieweit die Tatsache der Konzernierung besondere Sozialplananlässe mit sich bringt, die besondere Sozialplanpflichten auslösen (müssen). Hierzu gehört auch die Frage nach dem allgemeinen Umfang und dem Konzern-
6
Einleitung
bezug eines Sozialplanbudgets; ein Problem, welches in der Praxis häufig im Vordergrund des Interesses steht, aber keineswegs die Problematik der Sozialplanpflicht im Konzern erschöpft.
Erster Teil
Der Konzern und seine Verfassung Einleitung A. Die rechtliche Erfassung des Phänomens "Konzern" bereitet seit seiner Kodifikation im Jahre 19651 prinzipielle Schwierigkeiten, weil sich der Gesetzgeber von zwei widerstreitenden Prinzipien hat leiten lassen: einerseits geht das Aktiengesetz von der Möglichkeit aus, daß zwei oder mehr Unternehmen zu einer höheren Organisationseinheit zusammengefaßt werden können, andererseits soll es jedoch bei der rechtlichen Selbständigkeit der beteiligten Unternehmen bleiben. Dieses Grundproblem, in der rechtswissenschaftlichen Literatur treffend gekennzeichnet mit dem Schlagwort "Einheit und Vielheit im Konzern", bedingt eine Fülle von Fragen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, ein funktionsfähiges System von "checks and balances" zu schaffen, d.h. Regelungen, die Ausmaß aber auch Grenzen und Konsequenzen von Einflußnahmen beschreiben2• Demgegenüber faßt die wirtschaftswissenschaftliche Literatur3 den Konzern im wesentlichen als ein (einheitliches) Wirtschaftssubjekt auf. Sie orientiert sich dabei an der Wirtschaftspraxis, in der viele Konzerne tatsächlich wie ein Einheitsunternehmen geführt werden. Eine solche praxisorientierte 1 Zur Geschichte des Konzernrcchts im deutschen Recht ausführlich Nörr, ZHR 150 (1986), S. 155 Cf.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 2 Cf.; Emmerich/Sonnenschein, Konzcrnrechtj S. 4 Cf., Dei/mann, Entstehung, S. 15 Cf. 2 Homme/hoff, Konzernleitungspflicht, S. 109 ff., spricht insbesondere auf den faktischen Konzern bezogen plastisch von "Gegenkräften" der beherrschten Gesellschaft. 3 Vgl. dazu nur die Darstellung bei Theisen, Konzern, S. 19 Cf. und Bleicher in: Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, S. 55, 57 Cf. mwN.
8
Erster Teil: Einleitung
"Einheitsbetrachtung" auf der Grundlage einer "ökonomischen Analyse" des Konzerns4 kann jedoch (allein) nicht maßgebend sein. Bei ihr wird nicht berücksichtigt, daß das Konzernrecht die Zusammenfassung von zwei oder mehr rechtlich selbständig bleibenden Unternehmensträger - Gesellschaften mit, ie nach Konzernart, höchst unterschiedlicher Organisationsdichte regelt>. Ausgehend davon, bezeichnen vermittelnde Auffassungen den Konzern als eine Organisationsform zwischen den Idealtypen "Markt" und "Unternehmen..6. Bei diesem Einordnungsversuch wird - zutreffend - deutlich gemacht, daß beim Konzern die für die Annahme eines "Unternehmens" notwendige "Organisationsdichte" zwar (noch) nicht erreicht wird, aber gleichwohl schon Organisationsstrukturen bestehen, die nach Art und Umfang über marktmäßige Kooperationsabsprachen hinausgehen7. Nach dieser Sichtweise ist der Konzern dadurch gekennzeichnet, daß zwei oder mehr Unternehmen (genauer: Unternehmensträger - Gesellschaften) in einen Organisationsverband mit einer besonderen Organisationsverfassung eingebunden sind8• Trotz dieser Einbindung ist der Konzern kein Einheitsunternehmen. Es kommt bei den Konzerngesellschaften, insbesondere bei den Konzerntöchtern, zwar zu einem je nach Konzernart mehr oder weniger starken Eingriff in die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung und zu einer Lockerung der Vermögensbindung, die Kompetenzordnung der konzernabhängigen Unternehmen und die hier bestehende Vermögensbindung werden aber selbst bei den intensivsten Formen der Konzernbildung niemals völlig aufgehoben. Die rechtliche Selbständigkeit der konzemverbundenen Gesellschaften bleibt insoweit also zumindest partiell bestehen9• Andererseits gehen bei den konzernverbundenen Gesellschaften die Eingriffe in die 4 Kirchner, ZGR 1985, S. 214 ff.; Den., Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie Band 3, S. 223 ff. S Vgl. dazu Lehmann in: Handwörterbuch der Organisation, "Konzernorganisation", Spalte 1105 ff.; Koppensteiner in: KK, § 18 Rdn 14 f.; SChejJ1er, SzU, Bd. 30 (1983), S. 7 ff., insb. 10 f., Theisen, DBW 48 (1988), S. '1:19, 280. 6 Teubner, ZGR 1991, S. 189, 194, charakterisiert den Konzern moderner Prägung als "organisierten Markt" wegen der zunehmenden Tendenz, dezentrale Autonomie mit hoher Systemintegration zu verbinden. 7 Darauf verweist Kirchner, ZGR 1985, S. 214, 224 ff. Vgl. auch Teubner, FS Steindorff, S. 261, 264 f.; Ordelheide, BPuP 1986, S. 293, 29S ff. S K. Schmidl, Gesellschaftsrecht, § 171, S. 402 f.; Schneider, BB 1986, S. 1993 f. 9 Ausführlich dazu Hommelhoff, Konzernleitunppflicht, S. 109 ff., 148 ff.
Elster Teil: Einleitung
9
Kompetenzordnung und die Lockerung der Vermögensbindung selbst bei den schwächsten Formen der Konzernbildung schon so weit, daß eine verbandsrechtliche Eingliederung in eine Konzernverfassung vorliegt, die sich deutlich von einer bloßen kooperationsrechtlichen Koordinierung einzelner Unternehmensfunktionen unterscheidetlO• Man könnte daher beim Konzern - auch rechtlich und nicht nur wirtschaftlich gesehen - von einem WUnternehmen im weiteren Sinnewsprechen. Bei dieser Sichtweise ist das konzernabhängige Unternehmen nur noch ein wBetrieb i.w.S:. Daraus ergeben sich, wie im 2. und 3. Teil der Arbeit zu zeigen sein wird, weitreichende arbeitsrechtliche Konsequenzen.
B.
Die verbandsrechtliche (unternehmensrechtlich zu qualifizierende) Eingliederung in den Konzern und die dadurch bedingten Eingriffe in die Kompetenzordnung und die Vermögensbindung machen verbandsrechtlich (unternehmensrechtlicb) begründete Schutzmechanismen notwendig. I. Der Schutz der abhängigen Gesellschaft, der (außenstehenden) Gesellschafter und der Gläubiger stand schon immer im Blickpunkt des Konzerngesellschaftsrechtsll. Allerdings wächst erst in neuer Zeit die Erkenntnis, daß diese Schutzmechanismen verbandsrechtlich zu begründen und fortzuentwickeln sind12• Das gilt namentlich für den faktischen Konzern, der häufigsten Konzemform, bei der bis heute umstritten ist, ob und inwieweit es hier überhaupt eine rechtlich anerkannte Konzernleitungsmacht gibt13• Richtiger Ansicht nach ist dies, wie noch darzulegen sein wird, zu bejahen, weil auch beim faktischen Konzern eine verbandsrechtlich zu begreifende Verbindung von mindestens zwei Unternehmensträgergesellschaften besteht. 11. Folgt man dieser Ansicht, so gibt es bei allen Konzerntypen eine Konzernverfassung, die prinzipielle Gemeinsamkeiten aufweist und eine geeignete Grundlage zur Fortentwicklung eines modernen Konzernrechts bildet14• Hierbei kann weitgehend an die Entwicklungen angeknüpft werden, 10 So auch
EmmerichjSonnenschein, Konzcmrecht, S. 96. Dezidiert a.A. Bälz in: 40 Jahre
Bundesrepublik, S. 179, 233 f.; ähnlich Wredemann, Die Untemehmensgruppe, S. 13 f. 11 In diesem Sinne auch K Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 I, S. 402. 12 Vgl. nur K Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 I, S. 784. 13 Vgl. hierzu insb. die berühmt-berüchtigte "Autokran"-Entscheidung, BGHZ 95, S. 330 ff., aber auch BGHZ lOS, S. 324 ff. ("Supermarkt") und 80HZ 107, S. 7 ff. ('Tiefbau"). 14 So zu Recht Lutter, in: Das St. Galler Konzcmrechtsgespräch, S. 225, 226 ff., m.w.N. A.A. Wredemann, Die Untemehmensgruppe, S. 13 f. Zweifelnd vom Stand des bisher Erreichten aus Kropf! in: Rechtsgrundlagen freiheitlicher Untemehmenswirtschaft, S. 71, 84.
10
Erster Teil: Einleitung
die sich im Unternehmensverfassungsrecht für Einzelunternehmen vollzogen haben, bzw. sich hier noch voUziehen15. Zu berücksichtigen ist allerdings immer, daß sich im Konzern daraus Sonderprobleme ergeben, weil es bei den Konzern - Tochtergesellschaften "nur zu einer Lockerung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung und der Vermögensbindung sowie zu einer entsprechenden Verlagerung auf die Konzern - Muttergesellschaft kommt16 mit der Folge, daß hier entsprechende Verantwortlichkeiten entstehen. Daraus ergibt sich im Konzern eine Verdoppelung von Minderheiten- und Gläubigerschutzproblemen (nämlich sowohl bei der beherrschten als auch bei der herrschenden Gesellschaft). W
c.
Die Entwicklung eines modernen Konzernorganisations- bzw. Konzernverfassungsrechts kann nicht auf die genannten gesel/schaftsrechtlichen Problembereiche beschränkt bleiben. Ebenso wie bei der Unternehmensverfassung für Einzelunternehmen17 müssen auch die arbeitsrechtlichen Beziehungen sachgerecht in die Konzernverfassung eingebunden werden. Ein entsprechendes Konzernverfassungsrecht, das die einschlägigen handels-, gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Aspekte systematisch abstimmt und harmonisiert, gibt es bislang noch nicht. Dies liegt zum einen daran, daß auch die Befürworter einer Konzernverfassung häufig das Arbeitsrecht ausblenden18, d.h. noch nicht den vergleichbaren, mitbestimmungsrechtlich im Ansatz schon vollzogenen Schritt wie bei der Entwicklung der Unternehmensverfassung für Einheitsunternehmen machen. Hinzu kommt, daß die arbeitsrechtliche Literatur häufig entweder nur den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben folgt19 oder umgekehrt das Konzerngesellschaftsrecht dem Arbeitsrecht unterordnet20• Vereinzelte Versuche, das KonzerngesellDarauf verweist für das parallele Problem des Arbeitsrechts zu Recht Martens, ZGR Th. RDiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 157 Cf. Dezidiert aA Flume, Die juristische Person, S. 47: "Die Interpretation der gesetzlichen Regelungen durch Raiser ist evident unrichtig". Vgl. hierzu ferner Hoyningen-HueM, NZA 1991, S. 7, 8. 16 Vgl. Teubner, PS Steindorff, S. 261, 266 f. 17 Zur Unternehmensverfassung ausführlich VolImer, Entwicklung, S. 51 Cf.; Baiser, Der Bericht, S. 3S, 40 Cf.; 1(. Sclunidl, Gesellschaftsrecht, § 1 11 S. 12 Cf.; Rehbinder, ZGR 1989, S. 305, 337 Cf.; BleicherjLeberl/paul, Unternehmensverfassung, S. 22 ff.; Chmielewicz, PS Grochla, S. 3, 6 jeweils m.w.N. 18 Beispielhaft etwa Lutter, in: St. Galler Konzernrechtsgespräch, S. 22S Cf. Ansatzweise noch anders in Lutter/Tunm, ZGR 1983, S. 269, 276 Cf. 19 Für vermögensrechtliche Ansprüche deutlich 10 Konzen, ZHR 151 (1987), S. S66, 572 und RdA 1984, S. 65, 68. 20 Stellvertretend können hier FabriciusjKreutz, GK-BetrVG § 58, Rdn. 10 Cf., genannt werden. 15
1984, s. 417,423 f.;
Erster Teil: Einleitung
11
schaftsrecht mit dem Konzernarbeitsrecht zu harmonisieren21, sind über Ansätze nicht hinausgekommen. I. Ein solches methodisches Vorgehen, das für den Konzern das Gesellschafts- und Arbeitsrecht isoliert betrachtet, ist unzulänglich. Notwendig ist vielmehr, wie zu zeigen sein wird, daß das Gesellschaftsrecht und das Arbeitsrecht im Rahmen einer organischen Konzernverfassung sachgerecht aufeinander abgestimmt werden. Im Mittelpunkt der Bemühungen muß also eine Synchronisation stehen, die die beiden (keineswegs monolithischen) Blöcke Konzerngesellschaftsrecht und Arbeitsrecht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt. Sowohl im Konzerngesellschaftsrecht als auch im Konzernarbeitsrecht geht es im Kern um zwei Problembereiche: die Herausarbeitung der notwendigen Schutzinteressen und deren organisationsrechtliche Umsetzung bzw. Gewährleistung. Ziel des Konzemgesellschaftsrechts ist der Schutz der abhängigen Gesellschaft, der außenstehenden Gesellschafter und der Gläubiger sowie der Schutz der herrschenden Gesellschaft. Gewährleistet werden soll dieser Schutz durch ein System des fmanziellen Ausgleichs und (zunehmend) durch Informations- und Mitspracherechte. Das Konzemarbeitsrecht verfolgt vergleichbare Schutzziele. In erster Linie geht es um den Schutz der Arbeitnehmer der abhängigen Gesellschaft. Seine Verwirklichung hat jedoch Rückwirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens, da der Schutz der Arbeitnehmer der Konzern - Tochter mit Nachteilen für die der Konzern - Mutter verbunden sein kann. in zweiter Linie muß daher auch für den Schutz der bei der herrschenden Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer gesorgt werden. 11. Von besonderer Bedeutung für den Arbeitnehmerschutz im Konzern ist eine sachgerechte Ausgestaltung der Regelungen über den Sozialplan, weil dadurch nicht nur ein repressiver, sondern auch ein präventiver Schutz vor Konzernleitungsmacht gewährleistet wird. Der Präventivschutz kann im Konzern aller