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German Pages 213 Year 1992
GEROLD HOOP
Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbots
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 58
Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbots Die vermögensrechtliche Konzeption ausgewählter naturrechtlicher und pandektistischer Kodifikationen und deren Verflechtung (ABGB, ALR, CC, ZGB, BGB, Liechtenstein) Der weite Sachbegriff als Bindeglied zwischen Sachenund Schuldrecht zum Oberbegriff Vermögensrecht
Von
Dr. Gerold Hoop
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hoop, Gerold: Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbots : die vennögensrechtliche Konzeption ausgewählter naturrechtlicher und pandektistischer Kodifikationen und deren Verflechtung (ABGB, ALR, CC, ZGB, BGB, Liechtenstein) ; der weite Sachbegriff als Bindeglied zwischen Sachen- und Schuldrecht zum Oberbegriff Vennögensrecht / von Gerold Hoop. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zur Rechtsgeschichte; H. 58) Zug!.: Innsbruck, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07419-X NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Gennany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-07419-X
Vorwort Auf die Wertung der Wirkung des Abtretungsverbots im österreichischen Rechtsbereich strahlt auch der Einfluß der deutschen Zivilrechtskodifikation aus. Diese stellt sich als Nachfolgerin der deutschen Pandektistik dar, der Wissenschaft vom römischen Recht in der Gestalt des 19. Jahrhunderts. Nach den Grundsätzen der Pandektistik wurde auch das ABGB bearbeitet. Weiters wirkten diese Lehren in den schweizerischen Rechtsbereich ein. Durch die Rezeption österreichischer und schweizerischer Rechtsnormen fand das pandektistische Gedankengut auch Eingang ins liechtensteinische Recht. Die Pandektistik entwickelte sich aus der Historischen Schule. Ihr Gründer, Savigny, lehnte die drei naturrechtlichen Kodifikationen - das ALR, den Code Napoleon und das ABGB - ab und bezeichnete den Sachbegriff des ABGB als "unbrauchbar". * Weil Savignys Urteil nachhaltigen Einfluss auf die Rechtsentwicklung ausübte, werde ich auch den Gründen nachgehen, die ihn zu diesem Urteil bewogen. Dabei wird deutlich, daß tragende Systemelemente zivilistischer Lehre wie die Trennung von Schuld- und Sachenrecht sowie der Sach- und Forderungsbegriff entscheidend durch den jeweiligen historischen Hintergrund mitbestimmt sind. Anhand der Möglichkeit des rechtsgeschäftlichen Ausschlusses der Abtretung von Forderungen werden in der vorliegenden Arbeit die Begriffe Forderung und Sache, die Konzeption des Schuld- und Sachenrechts sowie deren Entwicklung dargestellt. Das Erhellen von Entstehungszusammenhängen trägt zum Verständnis des geltenden Rechts bei und liefert Argumente zu einer allfalligen Weiterentwicklung. Veränderungen wirtschaftlicher Gegebenheiten erfordern zeitgerechte rechtliche Lösungen, denn außerrechtliche Entwicklungen können auch gefestigte Strukturen des Rechts aushöhlen. Die vorliegende Arbeit stellt die beiden ersten meiner drei Teile umfassenden Dissertation dar, die ich anfangs 1991 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck eingereicht hatte.
*
Savigny, Beruf 99.
Vorwort
6
Herrn Univ.-Prof. Dr. Heinz Barta möchte ich für seine Hilfsbereitschaft und entgegenkommende Betreuung dieser Arbeit herzlich danken. Mein Dank richtet sich auch an Herrn Univ.-Prof. Dr. Christoph Faistenberger für sein Interesse und sein wohlwollend erstattetes Zweitgutachten. Eschen, im August 1991
Gerold Hoop
Inhaltsverzeichnis
TEIL 1
Das Abtretungsverbot unter Berücksichtigung des Forderungsbegriffs und der Sachtradition A. Das Abtretungsverbot: Hindernis der Refinanzierung durch Zessionskredite oder Factoring ..................................•..............
15
I
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
II.
Die rechtliche Wirkung des Abtretungsverbots ..... . . . . . . . . . . . . .
16
III.
Abwägung von Interessenbewertungen ........................ 1. Die gesetzliche Regelung ................................ 2. Die Position des Gläubigers .............................
20
21 22
B. Entstehungszusammenhänge und Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen in vermögensrechtlichen Fragen ........................
23
I
Einführung ...............................................
23
II.
Begriff der Sache im römisch-gemeinen Recht ..................
25
III.
Geschichte der Forderungsabtretung .......................... 1. Römisches Recht ...................................... 2. Glossatoren und Kommentatoren ........................ 3. Das deutsche Recht .................................... 4. Usus modernus pandectarum ............................ 5. Vernunftrecht .........................................
27
Das ABGB ............................................... 1. Begründung einer eigenständigen österreichischen Rechtswissenschaft .......................................... 2. Der Sachbegriff des ABGB .............................. 3. Der Eigentumsbegriff des ABGB ......................... 4. Die Zession des ABGB ................................. 5. Folgerungen für die Wirkung des Abtretungsverbots ........
33 33 36 38 40 41
Der Einfluß der rechtshistorischen Schule .....................
43
1. Bestrebungen der pandektistischen Interpretation des ABGB
43
IV.
V.
27 28 29 31 32
8
Inhaltsverzeichnis a) Versuch der Proskription von Martinis und Zeillers naturrechtlichen Lehrbüchern ............................. b) Wiedereingliederung der österreichischen Rechtswissenschaft in die gesamtdeutsche durch die Universitätsreform des Ministers Thun-Hohenstein .......................
46 48
2. Die Rückkehr zum ABGB ..............................
55
VI.
Argument für die relatil'e Wirkung des Abtretungsverbots aus dem Publizitätsprinzip .........................................
59
VII.
Das Allgell/eille Lalldrecht .tUr die Preußischen Staaten (ALR) 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
I. Der Sachbegriff des ALR ............................... 2. Der Eigentumsbegriff des ALR .......................... 3. Die Zession des ALR ...................................
64 65 66
a) Die Lehre des ALR und der Einfluß der Pandektistik . . . . . b) Die Zession unter Einwirkung der Pandektistik ..........
68 69
4. Das Verfügungsverbot bei körperlichen Sachen und das Abtretungsverbot .........................................
70
VIII. Eillwirkullg des ALR, des gell/eillell Rechts ulld des BGB auf das Abtreflillgsl'erbot des ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
I. Bezugnahme auf das ALR bei der Beratung des BGB ....... 2. Bezugnahme auf das gemeine Recht bei der Beratung des BGB
72 74
a) Angleichung der Entwicklungslinien des romanistischen mit dem germanistischen und vernunftrechtlichen Ze~sionsrecht b) Die Entstehungsgeschichte des Abtretungsverbots im BGB c) Die Forderung und Zession des BGB ..................
74 77 80
3. Verfügungsbefugnis im BGB ............................
81
IX.
Absolutes Zessiollsl'erbot ulld Pfälldbarkeit ....................
82
X.
Das schweizerische ZMlgesetzbuch ulld Obligatiollellrecht . . . . . . . .
83
I. Rechtszustand vor den kantonalen Kodifikationen .......... 2. Die kantonalen Kodifikationen ..........................
83 84
a) Die Anlehnung von Kodifikationen an das österreichische ABGB ............................................ b) Österreichische Einwirkung auf die Rechtswissenschaft ...
84 86
1'011
3. Der Weg zur Rechtseinheit .............................. 4. Ausstrahlung der Historischen Schule und Pandektistik auf das schweizerische Recht und der Widerstand Bluntschlis .......
87 89
a) Bluntschli und das Privat rechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich (PGB) von 1853-1856 ...................... b) Der Sachbegriff des PGB ............................. c) Die Zession des PGB ................................
89 92 94
5. Der Sach-, Forderungs- und Zessionsbegriff des ZGB und OR
95
Inhaltsverzeichnis
Xl.
XII.
9
a) Einfluß der Pandektistik auf Gesetz, Gerichtsgebrauch und Lehre ............................................. aa) Eugen Huber als Romanist ....................... bb) Einfluß auf Gesetzgeber, Richter und Lehre . . . . . . . . . cc) Der Sachbegriff des ZGB ........................ b) Die rechtliche Struktur der Obligation ................. aa) Forderungen als Rechtsobjekte von Nutznießung und Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Globalzession und ihr Verfügungsobjekt Forderung ........................................
101
6. Verfügungsbeschränkungen und Abtretungsverbot ..........
103
Das französische Recht ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zeit der Coutumes ................................. 2. Signifikation und Tradition .................. . . . . . . . . . . . . 3. Die Forderung als Vermögensgegenstand .................. 4. Die Veräußerungsbeschränkung körperlicher Sachen und das Abtretungsverbot ...................................... 5. Die Subrogation und das "Dailly-Gesetz" .................
104
Liechtenstein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rezeption von österreichischem und schweizerischem Privatrecht .............................................. 2. Das Zusammenspiel von Schuld- und Sachenrecht .......... 3. Das Begriffspaar "res corporales - res incorporales" und das subjektive Recht ....................................... a) Von der Trichotomie des Gaiussystems zur Vierteilung der Glossatoren in personae, res, obligationes und actiones ... b) Der Gang zur Zweiteilung in dominium und obligatio .... c) Die strikte Trennung von Sachen- und Schuldrecht ....... 4. Die vernunftrechtliche Konzeption des Vermögensrechts und die Zession ........................................... 5. Relativierung der Trennung von Schuld- und Sachenrecht .... 6. Der" weite Sachbegriff', die Rechtszuständigkeit und das Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
XIII. Ausblick .................................................
95 95 96 97 98 99
106 109 114 117 118
119 122 124 127 129 130 132 135 140 143
TEIL 2
Politische Absicht und rechtstheoretisches Programm der Historischen Schule und der Grund für die Ablehnung der Kodifikationen durch Savigny I.
Einwirkung der Pandektistik auf das Recht der Schweiz und Österreichs ...................................................
145
10
Inhaltsverzeichnis Gründe des Einflusses in Österreich ...................... Gründe des Einflusses in der Schweiz ..................... Die Erwerbsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Begleitumstände ...................................
147 148 148 149
Savigny und die Gründung der Historischen Schule. . . . . . . . . . . . . .
150
1. Savignys Lebensweg. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 2. "Recht des Besitzes" und seine Wirkung. . . . . . . . . . . . . . .. . . .
151 152
1. 2. 3. 4.
Il.
a) b) c) d)
IIl.
Leitbild für Mühlenbruchs Zessionslehre ............... Gründe und Methode der Änderung dieser Lehre ........ Rechtsbesitz im ALR, ABGB, BGB und ZGB ........... Der Widerstand von Gans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153 154 155 159
3. 4. 5. 6. 7.
Ursachen und Vorgang der Nationalisierung des Rechts ..... Wirtschaftliche Verhältnisse um 1814 ..................... Der Vorschlag Thibauts ................................ Die Antwort Savignys .................................. Die Entstehung des Rechts und Gründe der Rezeption nach der Historischen Schule .................................... 8. Volksrecht und Juristenrecht: Einfluß auf die Schweiz .......
162 162 163 164
Der Grundfür Savign.l's Ablehnung der Kod(fikationen ..........
171
1. Ausbildung des römischen Vermögensrechtssystems . . . . . . . . . 2. Savignys Rechtsquellenlehre in seiner "Methodenlehre" 1803 3. Die geänderte Rechtsquellenlehre 1814 .. "................
171 174 174
a) Die formale Rechtsauffassung ........................ b) Anpassung der Volksgeistlehre ........................ c) Völkerschlacht bei Leipzig ........................ ,..
176 178 179
Der Wunsch nach der Einheit Deutschlands .... ,.......... Rechtseinheit durch die Rechtswissenschaft ................ Recht, Gesetz und Staat .... , ...................... ,.... Die Germanisten und das Naturrecht .......... ,.......... Anforderungen an das Recht im Wandel der Zeit ...........
180 182 183 187 190
a) Aufgaben für die Germanistik und Pandektistik .... ,.... b) Die Verkörperung der Obligation .....................
190 191
9. Aufklärung und Naturrecht .............................
192
4. 5. 6. 7. 8.
Literaturverzeichnis
166 169
196
Abkürzungsverzeichnis aA ABGB Abs. Abschn. AcP AGB AK ALR Anm. Art. AT Aufl. BankArch Bd. BG BGB BGBI BGE BGH BGHZ BlgNR
anderer Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich vom I. Juni 1811 Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Tübingen 1818-1944, 1948ff.) Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternativ-Kommentar Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 Anmerkung = Artikel Allgemeiner Teil Auflage Österreichisches Bankarchiv Band Bundesgesetz Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896 Bundesgesetzblatt = Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichtes, Amtliche Sammlung (Lausanne 1875 ff.) (deutscher) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen = Beilagen zu den stenographischen Protokollen des (österreichischen) Nationalrates
CC CG
= Code civil franr;ais vom 21. März 1804 Zivilgesetzbuch (Kanton Bern und Solothurn)
d
deutsch (vor einer anderen Abkürzung) = Digesta Iustiniani Der Betrieb derselbe = das heißt Dissertation Deutscher Juristentag = Deutsche Juristenzeitung
D
DB ders. d.h. Diss. DJT DJZ
12
Abkürzungsverzeichnis
DRW dZPO
Deutsche Rechtswissenschaft (Hamburg 1936-1943) (deutsche) Zivilprozeßordnung v.om 30. Januar 1877
E
Entscheidung Erläuternde Bemerkungen Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen
EB EvBI
f.
ff. FLF FLOGH FN FS Gai Inst. GedS GlU
GlUNF GP GrünhutsZ
folgende fortfolgende Finanzierung, Leasing, Factoring Liechtensteinischer Oberster Gerichtshof = Fußnote Festschrift Gaius Institutiones Gedächtnisschrift Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k. k. Obersten Gerichtshofes, hrg. von Glaser und Unger Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k. k. Obersten Gerichtshofes. Neue Folge Gesetzesperiode Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart (hrg. von Grünhut)
Heft Handelsgesetzbuch HGB HH = Herrenhaus HHKommB Herrenhauskommissionsbericht hL herrschende Lehre hrg. herausgegeben Hrg. Herausgeber H.
i.e. S. i.w.S. IPRG i. Y.m. JBl JGS Jhdt. JherJB JuS JZ KritV KSchG
im engeren Sinn im weiteren Sinn BG über das internationale Privatrecht in Verbindung mit Juristische Blätter = Justizgesetzsammlung Jahrhundert Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, seit 1897 unter dem Titel: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Jena 1857 ff.) Juristische Schulung (München/Berlin/Frankfurt a.M. 1961 ff.) (deutsche) Juristenzeitung (Tübingen 1951 ff.)
= Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konsumentenschutzgesetz
Abkürzungsverzeichnis LGBI LJZ
Landesgesetzblatt Liechtensteinische Juristenzeitung
m.E. m.w.H. m.w.N.
meines Erachtens mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen
13
N NF NJW Nr.
= Note Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Nummer
OGH ÖJZ
Oberster Gerichtshof Österreich ische Juristenzeitung
Paul PGB PGR Pkt.
Iulius Paulus Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 18531856 Personen- und Gesellschaftsrecht, LGBI 1926/4 Punkt
QuHGZ
Quartalshefte der GirozentraIe
RabelsZ RdW Rdz RGBI RGZ Rspr
RV
S. SachR sc SchR SchRAT SchRBesT Sess. SJZ stRsp SZ SZGerm SZRom
= Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Berlin und Leipzig 1927-1942, Berlin / Tübingen 1949 ff.) Österreichisches Recht der Wirtschaft Randziffer = Reichsgesetzblatt Entscheidungen des (deutschen) Reichsgerichts In Zivilsachen (Leipzig 1880ff., Berlin 1938-1945) Rechtsprechung Regierungsvorlage Seite = Sachenrecht = scilicet (offenbar, gemeint) Schuldrecht Schuldrecht, Allgemeiner Teil Schuldrecht, Besonderer Teil Session Schweizerische Juristen-Zeitung (Zürich 1904 ff.) ständige Rechtsprechung Entscheidungen des ästerreichischen Obersten Gerichtshofes Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Weimar 1880ff. dito: Romanistische Abteilung
Abkürzungsverzeichnis
14 Tit. TN TZW
= Titel Teilnovelle zum ABGB, III. TN: Kaiserliche Verordnung vom 19.3. 1916, RGBI Nr. 69 Teilzahlungswirtschaft
vgl.
= vergleiche
WGGB
= Westgalizisches Gesetzbuch, lustizgesetzsammlung 337/1797
z. B. ZB1V ZfdgK ZGB ZHR
zum Beispiel Zeitschrift des Bemischen luristenvereins (Bem 1865 ff.) Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht (seit 1962: für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht) zitiert Zivilprozeßordnung = Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel 1852 ff.; NF 1882 ff.) Zeitschrift für Verkehrsrecht
zit. ZPO ZSR ZVR
TEIL I
Das Abtretungsverbot unter Berücksichtigung des Forderungsbegriffs und der Sachtradition A. Das Abtretungsverbot: Hindernis der Refinanzierung durch Zessionskredite oder Factoring I. Einleitung In zunehmendem Maße nehmen wirtschaftlich starke Schuldner formularmäßig in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Abtretungsverbot auf. 1 In Österreich enthalten die Einkaufsbedingungen der meisten staatlichen Unternehmen Abtretungsverbote. 2 In der Bundesrepublik dürften auf diese Weise mehr als die Hälfte aller kommerziellen Forderungen nicht verkehrsfähig sein. 3 Insbesondere in den letzten 30 Jahren ist eine außergewöhnliche Verbreitung dieser Praxis zu beobachten. Eine Belieferung der öffentlichen Hand wie auch vieler Branchen der Privatwirtschaft ist nur möglich, wenn ein formularmäßiges Abtretungsverbot akzeptiert wird. Abtretungsverbote trifft man in den Einkaufsbedingungen großer Kaufhäuser, der Automobil- und Mineralölkonzerne, der chemischen Industrie, privater Wohnbaugesellschaften, des Baustoffhandels, der Foto-, Elektro-, Radiound Fernsehindustrie sowie der Stahlindustrie an. Auch in der Nahrungs-, Genußmittel-, Bekleidungs- und Möbelindustrie sind Abtretungsverbote weit verbreitet. 4 Vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen ist diese Praxis beschwerlich; obwohl darauf angewiesen, können sie ihre Forderungen gegen jene starken Schuldner nicht als Kreditgrundlage verwenden. Weil die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Forderungen nicht besteht, birgt diese Praxis auch Gefahren für Banken, die sich z. B. als Vgl. Bette, ZfdgK 1969,463; Schmitt, DB 1980,244. "Die Presse", 11.4.1984, S. 12. Abtretungsverbote behindern Wettbewerb. J Schmitl, DB 1980,244. 4 Reckert, FLF 1987,26 unter Hinweis auf die vom Bundesverband Deutscher Banken in unregelmäßigen Abständen veröffentlichte Liste der Firmen, die Abtretungsverbote in ihre Einkaufsbedingungen aufnehmen. 1
2
16
Teil I, A. Das Abtretungsverbot: Hindernis der Refinanzierung
Sicherheit etwa in der Form einer Globalzession Forderungen abtreten lassen, die mit einem nicht erkennbaren Abtretungsverbot behaftet sind. Banken sind daher immer wieder gegen die Praxis aufgetreten, die Abtretung von Forderungen vertraglich ausschließen zu können. 5 Auch Lieferanten der von einem Abtretungsverbot betroffenen Unternehmen können Schaden erleiden, falls sie Waren auf Kredit geliefert und sicherheitshalber einen "verlängerten Eigentumsvorbehalt"6 vereinbart haben. Wenn der Unternehmer über die Ware verfügt, verliert der Lieferant in einem allfalligen Konkurs des Unternehmers den Zugriff auf die Ware. Infolge des Abtretungsverbots geht ihm auch die Ersatzsicherheit verloren. 7 Verkäufer haben häufig wegen der Konkurrenz Zahlungsziele von mindestens 30 Tagen zu gewähren; sie kreditieren somit die Abnehmer. Dünne Kapitalreserven zwingen aber viele Verkäufer, sich zu refinanzieren. Weil oft keine anderen Sicherheiten vorhanden sind, werden Kundenforderungen dafür benötigt. Denn die Refinanzierung wird vielfach durch Zessionskredite oder Factoring durchgeführt. Diese Finanzierungsformen verlangen abtretbare Forderungen. 8 In den Mitgliederversammlungen des Deutschen Factoring-Verbandes gab das Abtretungsverbot in den letzten Jahren daher immer wieder Anlaß zur Forderung, dies möglichst einzuschränken. 9 11. Die rechtliche Wirkung des Abtretungsverbots
Die Abtretung von Forderungen aus Geschäften des Kunden mit seinen Abnehmern an den Factor ist die Grundlage des Factoring-Geschäfts. Diese Forderungen zieht der Factor vom Abnehmer seines Kunden im eigenen Namen ein. Handelt es sich um eine nicht abt re tb are Forderung, so ist eine gleichwohl vorgenommene Abtretung unwirksam. Bei dieser Konstellation ist das Factoring-Geschäft nicht möglich. Voraussetzung für das FactoringGeschäft ist deshalb, daß die gegen den Abnehmer gerichteten Forderungen überhaupt abtretbar sind. Die Abtretbarkeit einer Forderung kann aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen werden: 10 Huber, NJW 1968, 1905 Anm. 3 m. w. H. Als Surrogat für das Erlöschen des Eigentumsvorbehalts werden Forderungen vorweg abgetreten. 7 Huber, NJW 1968, 1905 m. w. H. 8 Vgl. Wilhelm, J811984, 305. 9 Brink, FLF 1990, 113. 10 Gschnitzer, SchRAT 183. 5
6
11. Die rechtliche Wirkung des Abtretungsverbots
17
- von Gesetzes wegen (z. B. unpfändbare Forderungen) - das abzutretende Recht kann von einem anderen gar nicht ausgeübt werden oder es wird durch den ursprünglichen Gläubiger wesentlich in ihrem Inhalt beeinflußt (z. B. höchstpersönliche Forderungen) - nicht abtretbar sind auch diejenigen Forderungen, bei denen die Abtretung durch Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner ausgeschlossen wurde. Für das Factoring ist nur der vertragliche Abtretungsausschluß von Bedeutung. Ein Grund für den Abtretungsausschluß auf Seiten des Schuldners liegt darin, daß er nicht zu prüfen hat, an welchen Gläubiger er mit schuldbefreiender Wirkung leisten kann. Auch bei einer Abtretungsanzeige ist die Gefahr von Fehlleistungen der jeweiligen Zahlungen gegeben, besonders in einem kaum noch überschaubaren Großbetrieb. Weiters bereitet die Berücksichtigung von Gläubigerwechseln Unbequemlichkeiten für die mit einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage ausgestattete Buchhaltung. Dem österreichischen Recht fehlt eine gesetzliche Bestimmung über das Abtretungsverbot. Der OGH hatte zunächst entschieden, das pactum de non cedendo berühre die Gültigkeit der vertragswidrig erfolgten Abtretung nicht, sondern begründe lediglich einen Schadenersatzanspruch des Schuldners gegen den Gläubiger. lI Nur wenig später dagegen hat der OGH die Ungültigkeit der Zession angenommen, dem Zessionsverbot absolute Wirkung auch gegenüber Dritten zuerkannt. 12 Nachdem der OGH in SZ 54/110 eine Bereitschaft zum Abgehen dieser Judikatur erkennen ließ, hat 1984 ein verstärkter Senat entschieden, daß das vertragliche Zessionsverbot absolut wirkeY In der Lehre tritt der überwiegende Teil ebenfalls für die absolute Wirkung des Zessionsverbotes ein. Der Kunde kann daher die Forderung nicht mehr wirksam zedieren und der Factor das Forderungsrecht auch nicht erwerben. Das Zessionsverbot beseitigt somit die Verfügungsmöglichkeit. Diese Auffassung wird folgendermaßen begründet: - Dem Gläubiger und Schuldner müsse es freistehen, vertraglich die Befugnisse des Gläubigers aus dem ihm zustehenden Forderungsrecht nach jeder Richtung hin einzuschränken. Die Vertragspartner könnten damit ein Recht schaffen, das von Anfang an unveräußerlich sei. 14
11 12 13 14
2 Hoop
OGH 3.11.1908 GIUNF 4363,644. OGH 17.9.1912 GIUNF 6043, 638. OGH JBl1984, 311 = SZ 57/8. Hasenöhrt, Obligationenrecht 11/1, 180.
18
Teilt, A. Das Abtretungsverbot: Hindernis der Refinanzierung
- Forderungen seien nicht schon ihrem Wesen nach für den Verkehr bestimmt. Ihre Abtretbarkeit beruhe vielmehr auf dem regelmäßigen Partei willen. 15 - Die Unabtretbarkeit der Forderung bei Vorliegen eines Zessionsverbotes ergebe sich "mit Notwendigkeit daraus, daß dem Schuldner nach § 1396 ABGB alle Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zum Zedenten erhalten bleiben" .16 Die relative Wirkung des vertraglichen Zessionsverbots befürwortet vor allem die jüngere Lehre. 17 Ein Teil dieser Lehre tritt für eine analoge Anwendung des § 364 c ABGB ein. Nach dieser Vorschrift wirkt ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechts nur dann gegen Dritte, wenn es zwischen nahen Angehörigen begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde. Einem Veräußerungsverbot soll nach dieser Gesetzesstelle grundsätzlich nur relative Wirkung zukommen. Unter diesem Gesichtspunkt erzwinge sich eine Gleichbehandlung der körperlichen und unkörperlichen Sachen. Der Verkehrsschutz spreche für eine relative Wirkung eines Zessionsverbotes. Außerdem behandele das ABGB die Zession wie den Verkauf einer körperlichen Sache; dies sei aus der Gewährleistungsregelung und am Erfordernis von Titel und Modus ersichtlich. Veräußerungs- und Belastungsverbot seien wie das Zessionsverbot vertragliche Einschränkungen des Erwerbers. Durch das Fehlen von Sondernormen für Forderungen sei die analoge Anwendung des § 364 c ABGB gerechtfertigt. 18 Im Gegensatz zu körperlichen Sachen ist der gutgläubige Erwerb einer dem Zedenten nicht zustehenden Forderung in aller Regel unmöglich. 19 Dieser Grund spreche aber nicht gegen eine Gleichbehandlung von Forderungsrecht und Eigentumsrecht im Zusammenhang mit dem pactum de non cedendo. Gegen den gutgläubigen Erwerb von Forderungen sprächen einerseits die Interessen des angeblichen Zessus, der ohne sein Zutun zu einer Leistung verpflichtet würde, andererseits fehle bei Forderungen die Rechtsscheinwirkung des Besitzes. Beim Vorliegen eines pactum de non cedendo schulde ein Zessus wirklich etwas. Eine bereits existente Forderung solle nicht zu Lasten des rechtsgeschäftlichen Verkehrs außer Verkehr gesetzt werden. 20 Ehrenzweig, System lI/I, 255. Swoboda, Bürgerliches Gesetzbuch III 147. 17 Raber, JB11971, 441; Aicher, ÖJZ 1972,309; Boyer, JBI1972, 511; Koziol, FactoringGeschäft, QuHGZ 1972, 313 ff., 324; Koziol, JBl 1980, 113; früher schon Wolf/in Klang VI,295. 18 Raber, JB11971, 450 f. 19 Klang in Klang 11, 222. 20 Raber, JBl 1971,451. 15
16
11. Die rechtliche Wirkung des Abtretungsverbots
19
Ein weiteres Argument für die relative Wirkung wird darin gesehen, daß das Zessionsverbot eine Vereinbarung, ein Forderungsrecht darstelle. Die Relativität der Forderungsrechte hindere die Ableitung der absoluten Wirkung des Zessionsverbots aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dritte, die bei Vertragsabschluß den Vertragsinhalt durch Willenserklärung nicht gestalten können, dürften durch einen solchen Vertrag auch nicht verpflichtet werden. 21 Ferner könne eine Verbürgung ohne Zustimmung des Schuldners erfolgen und der Bürge mit der Zahlung von Gesetzes wegen die Forderung gegen den Schuldner erwerben (§ 1358 ABGB). Auch nach § 1422 ABGB könne ohne weiteres eine Übertragung der Forderung erzielt werden, gehe doch bei rechtzeitigem Einlösungsverlangen die Forderung von Gesetzes wegen auf den Einlöser über. In diesen Falltypen habe ein zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbartes Zessionsverbot keinen Einfluß auf den Forderungsübergang. Diese Bestimmungen enthielten zwingendes Recht und stünden der Anerkennung der absoluten Wirkung von Abtretungsverboten entgegen. 22 Meines Erachtens überwiegen jene Argumente, die für eine relative Wirkung des Zessionsverbotes sprechen. Vertragliche Abtretungsverbote können für das Factoring verschiedene Bedeutungen haben. Es sind 3 Varianten zu unterscheiden: (l) zwischen Gläubiger und Schuldner besteht ein Kontokorrentverhältnis (2) individuelle Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner (3) der Abtretungsausschluß ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Schuldners enthalten. Die Vereinbarung eines Kontokorrents bewirkt, daß die Forderungen ihre rechtliche Selbständigkeit verlieren und einzeln nicht mehr abtretbar sind. 23 Deshalb sind kontokorrentgebundene Forderungen für das Factoring nicht geeignet. Der Kunde ist nach den üblicherweise verwendeten FactoringVerträgen verpflichtet, dem Factor bestehende Kontokorrentverhältnisse mitzuteilen. Eine Auswegmöglichkeit, dennoch ein Factoring durchzuführen, stellt die Abtretung des künftig festgestellten Kontokorrentsaldos dar. Bis zur Feststellung dieses Saldos ist die Höhe des Forderungsbetrages aber ungewiß. Bei einem individuell vereinbarten Abtretungsausschluß hat der Gläubiger auf die Refinanzierungsmöglichkeit, die sich aus einer Abtretung ergeben könnte, verzichtet. Solche Forderungen können nicht übertragen werden, 21 22 23
2'
Wolffin Klang VI, 295; vgl. Aicher, ÖJZ 1972,309,311. Royer, JBI1972, 511, 519f. Canaris, Großkommentar HGB, § 355 Anm. 60.
20
Teil I, A. Das Abtretungsverbot: Hindernis der Refinanzierung
und der Anschlußkunde wird im allgemeinen vertraglich verpflichtet sein, den Factor hiervon zu unterrichten. In der Entscheidung des verstärkten Senates (SZ 57/8 = JB11984, 311) hat der OGH entschieden, daß Vereinbarungen über den Ausschluß, die Beseitigung oder die Einschränkung der Umlauffähigkeit von Forderungen im rechtsgeschäftlichen Verkehr absolute Wirkung auch gegen Dritte zukomme. Der Schuldner muß aber doch befürchten, daß das Zessionsverbot für ungültig erklärt wird. "Bei der Vereinbarung können sie (die Parteien) ihre Interessen selbst wahren; notfalls hilft § 879 ABGB" führt der OGH in seiner Entscheidung zu dieser Frage aus. 24 Damit kann er unliebsamen Konsequenzen der absoluten Wirkung ausweichen. 25 Das ist zu erwarten, wenn der Schuldner unter dem Druck seiner wirtschaftlichen Überlegenheit Abtretungsverbote durchsetzt und dadurch die Finanzierungschancen des Gläubigers erheblich einengt. In diesem Fall könnte ein nach § 879 Abs. I unwirksamer Knebelungsvertrag vorliegen. 26 Unsicherheiten bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit führen zu Rechtsunsicherheit. Das ist als negativer Aspekt der absoluten Wirkung des Zessionsverbots zu werten. 27 III. Abwägung von Interessenbewertungen Wenn ein Abtretungsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, hat der Lieferant bei marktstarken Abnehmern häufig nur die Möglichkeit, diese Bestimmung zu akzeptieren oder auf den Vertragsabschluß zu verzichten. Dieses Verbot wäre wirkungslos, wenn es gegen § 879 Abs.3 ABGB verstoßen würde. Danach ist eine nicht die Hauptleistung festlegende Vertragsbestimmung in AGB nichtig, wenn sie eine Partei unter Berücksichtigung aller Umstände gröblich benachteiligt. Bei der Beurteilung der gröblichen Benachteiligung des Vertragspartners sind 2 Fälle zu unterscheiden: Der Gesetzgeber hat dispositive Regeln über die gewünschte Interessenwertung aufgestellt oder es fehlen solche dispositiv-rechtlichen Maßstäbe.2~ Abweichungen vom dispo-
SZ 57/8 = JBI 1984, 311, 313. Iro, RdW, 1981, 104. - Eine einschränkende Auslegung der absoluten Unwirksamkeit verbotswidriger Abtretungen vertritt der OGH in JB11992, 46 f. für Sicherungszessionen. Der Vereinbarung, dem Schuldner sei verboten, künftige Forderungen gegen Dritte abzutreten, komme jedenfalls dann keine absolute Wirkung zu, wenn dieses Verbot nur zur Sicherung der Kaufpreisforderung der Gläubigerin diene. Erfolge die Vereinbarung des Abtretungsverbotes zu Sicherungszwecken, müsse ihr Wirksamkeit gegenüber Dritten jedenfalls versagt bleiben, wenn sie nicht die für Sicherungsabtretungen notwendigen Publizitätsmerkmale aufweise. 26 Wilhelm, JBI 1984, 306. 27 Iro, RdW 1984, 104. 28 OHG in JBI 1986,374. 24
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111. Abwägung von Interessenbewertungen
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sitiven Recht können eine gröbliche Benachteiligung sein, falls sich dafür keine sachliche Rechtfertigung ergibt,29 oder die Abweichung unangemessen ist. 30 Jedenfalls ist die Benachteiligung gröblich, wenn ein auffallendes Mißverhältnis zwischen der Stellung der einen Partei im Vergleich zur Rechtsposition der anderen Partei liegtY Dabei sind von § 879 Abs. 3, der einen erweiterten Schutz der Beteiligten bezweckt, nicht die strengen Anforderungen wie in den Fällen der § 879 Abs. 1 und Abs. 2 Z.4 zu fordern. Für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist eine umfassende, die Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Bewertung der einzelnen, sich gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen. 32 Diese Interessenabwägung ist zur Beurteilung der sachlich berechtigten Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm heranzuziehen. 33 Bei dieser Interessenabwägung sind die vom Verwender der Formblätter angestrebten Interessen mit den Belastungen, die eine solche Klausel für seinen Vertragspartner bringt, zu vergleichen. 34 Eine unangemessene Verschiebung bewirkt die Nichtigkeit der Bestimmung; der gesetzgeberische Wille im Sinne der dispositiven Normen kommt zur Gestaltung des Vertragsinhalts zum Zug. Diese sind der vorgegebene Maßstab für eine inhaltlich ausgewogene, angemessene und interessengerechte Regelung, falls die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Gerechtfertigt wird dieser Eingriff, weil die abweichenden Vereinbarungen auf einer bloß verdünnten Willensfreiheit beruhen. Der Partner des Vertragsverfassers macht Vertragsbestandteile zum Inhalt seiner Erklärung, die er nicht wirklich will. Die Privatautonomie der Parteien, aufgrund derer der Gesetzgeber Abweichungen vom dispositiven Recht anerkennt, ist nur unzulänglich erfüllt. 35 Die Unangemessenheit der Vereinbarung des beeinträchtigten Partners ist um so weniger anzunehmen, je freier seine Willensentscheidung war. 1. Die gesetzliche Regelung
Nach §§ 1392 ff. ABGB sind Forderungen grundsätzlich abtretbar. Ausgenommen davon sind Forderungen, die gesetzlichen Abtretungsverboten OGH in JBI 1986,374; OGH in SZ 57/41, 194. Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 242 zu § 879. 31 Krejci, KSchG-Handbuch 167; OGH in JB11983, 535; OGH in JBl1985, 234; OGH in JBI 1986, 374. 32 OGH in JB11983, 535 mit Verweisung auf Kötz in MünchKomm § 9 ABGB Rdz 4, vgl. Ulmer - Brander - Hensen § 9 Rdz 68. 33 OGH in JB11983, 535 mit Verweisung aufBGHZ 54,106,109; BGHZ 41,151,154. 34 OGH in JB11983, 535; OGH in JBI 1986,374. 3; Krejci. KSchG-Handbuch 164f.; EB der RV zum KSchG (744 B1gNr. 14. GP, 46). ~9
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Teil I, A. Das Abtretungsverbot: Hindernis der Refinanzierung
unterliegen; ferner unübertragbare Ansprüche oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist. Weil die Mitwirkung des Zessus bei der rechtsgeschäftlichen Zession entbehrlich ist, schützt die gesetzliche Konzeption primär die Interessen des Schuldners. Seine Lage darf durch eine Zession der Forderung nicht verschlechtert werden. 36 Daher behält der Schuldner nach § 1396 ABGB seine Einwendungen gegen den Zedenten, die bis zur Verständigung entstanden sind. 37 Vor allem bleibt ihm die Aufrechnungslage, soweit sie bei inkonnexen Ansprüchen dem Zedenten gegenüber bereits eingetreten war, erhalten;JR hat der Schuldner doch dem Gläubiger im Vertrauen kreditiert, daß ihm in der Gegenleistung notfalls ein Deckungsfonds zur Verfügung steht. Weiters gewährt dem Zessus § 1395 ABGB Schutz, denn er kann bis zur Kenntnis der Abtretung mit schuldbefreiender Wirkung an den alten Gläubiger leisten oder sich sonst mit ihm abfinden. Durch diese gesetzlichen Normen erfahren die Interessen des Schuldners ausreichenden Schutz; seine rechtliche Stellung wird nicht verschlechtert. Hinzunehmen hat er aber Unannehmlichkeiten tatsächlicher Art: der neue Gläubiger ist weniger entgegenkommend; der Schuldner hat zusätzliche Mühen durch buchhalterische Arbeiten. 39
2. Die Position des Gläubigers
Der Gläubiger hingegen hat durch das Abtretungsverbot einschneidende rechtliche Folgen zu tragen, denn er verliert die Forderung als Sicherungsoder Zahlungsmittel gegenüber seinen Geldkreditgebern. Ihm wird die Aussicht genommen, die Forderung als Sicherheit zur Erlangung eines Kredits einzusetzen. Vielfach wird das Abtretungsverbot auch nicht zwischen wirtschaftlich ausgewogenen Partnern vereinbart; größtenteils müssen die kleineren oder mittleren Lieferanten oder Unternehmer dies einfach akzeptieren; sie können ihre Interessen gegen Großfirmen oder Behörden als Auftraggeber nicht durchsetzen. 4o Der Gläubiger ist in dieser Situation zweifach benachteiligt: seine wirtschaftlich schwächere Position zwingt ihn, sich den Bedingungen des Schuldners zu beugen, weil er oftmals keine Ausweichmöglichkeiten hat oder 36
37 38 39 40
OGH SZ SOll = EvB11977/168; Gschnitzer, SchRAT 184. Wolf/in Klang VI, 317. Gschnitzer, SchRAT 184. Vgl. Medicus, SchR I § 63 I, 323. Vgl. Serik, Eigentumsvorbehalt 11, 289.
I. Einführung
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andere Abnehmer gleiche Bedingungen festsetzen. Gleichzeitig wird ihm die Verkehrsfähigkeit der Forderung entzogen.4l Diese Konstellation des auch "volkswirtschaftlich unerwünschten"42 pacturn de non cedendo ist m. E. eine gröbliche Benachteiligung des Gläubigers und daher nach § 873 Abs. 3 ABGB nichtig.
B. Entstehungszusammenhänge und Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen in vermögensrechtlichen Fragen I. Einführung
In der Entscheidung 43 über die Wirkung des Abtretungsverbots stellt sich der verstärkte Senat des OGH die Frage, ob der Regelungszweck der sachenrechtlichen Bestimmung des § 364 c ABGB analog auf Forderungen anzuwenden sei. Dies hätte zur Folge, daß der Gläubiger über seine Geldforderung frei verfügen könnte. Der OGH beruft sich in dieser Entscheidung auf die Absicht des historischen Gesetzgebers: Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 364c ABGB wäre eine Gesetzeslücke im Entstehungszeitpunkt der III. TN. Dies verneint der OGH, weil es nach dem Herrenhauskommissionsbericht dem "Wesen des Verhältnisses" entsprach, daß die Parteien die Abtretbarkeit einer Forderung vertraglich ausschließen könnten; überdies werde in diesem Bericht auf § 399 BGB verwiesen. Nun wird in der Entscheidung die Prüfung auf die Frage eingeschränkt: Veränderte sich die wirtschaftliche Funktion der verkehrsfähigen Forderung, aufweiche sich der historische Gesetzgeber abstützte, dermaßen, daß das Abtretungsverbot der ratio legis des § 364 c ABGB nicht mehr entspreche? Eine solche relevante Änderung der Umstände lehnt der OGH ab, denn es könne mit den Mitteln, die der Rechtsprechung zur Verfügung stehen, "nicht festgestellt werden, daß sich die wirtschaftliche Interessenlage seit der Entstehung der III. TN grundlegend geändert hätte".44 Diese Sicht der Rechtsgüterzuordnung ist der historischen Entwicklung verhaftet, die von der Wirklichkeit überholt ist. Die Forderung knüpft nicht 41 42
43 44
Vgl. Oe/ner, Abtretungsverbote 53. Serik, Eigentumsvorbehalt 11, 289. JBl 1984,311 = SZ 57/8. OGH in JB11984, 314.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
nur ein schuldrechtliches Band, sondern ist auch Vermögensgegenstand. Diesem weiten funktionellen Sachbegriff wird das ABGB gerecht, ist doch Sache "alles, was von der Person unterschieden ist und zum Gebrauch der Menschen dient".45 Das Sachenrecht des ABGB ist nicht nur der Teil des Vermögensrechts, der sich auf körperliche Sachen und dingliche Rechte beschränkt; vielmehr erscheint das Vermögen wegen des weiten Sachbegriffs als einheitlicher Rechtsgegenstand, der körperliche Sachen und Rechte umfaßt. Dies entspricht der sozialen Ordnung der Gemeinschaft, in welcher den Rechten gleichwertige Funktionen wie den körperlichen Sachen zukommen. 46 Das vom ABGB konzipierte System vermögensrechtlicher Zuordnungen gebietet m. E. wegen der erforderlichen Bedachtnahme auf die Einheit der Rechtsordnung 47 die Anwendung der Grundgedanken des § 364 c ABGB auch auf Abtretungsverbote. Der OGH aber wiederholt und bestärkt vielmehr das Argument, der historische Gesetzgeber hätte auf § 399 BGB verwiesen, um die mit der Bestimmung des § 364 c ABGB verfolgte Regelungsabsicht zu konkretisieren. Der Pandektenwissenschaft folgend, beschränkt das BGB (§ 90) wie auch das ZGB (Art. 641 ff.) den Sachbegriff auf körperliche Sachen. Daher verweist der OGH in dieser Frage auf ein völlig anders konzipiertes System. Die Zuordnung vermögensrechtlicher Positionen im BGB ist von einem strengen Dualismus geprägt. Durch den körperlichen Sachbegriff wird das Sachenrecht gegenüber dem Schuldrecht als getrennte Einheit betrachtet. Das Vermögensrecht, das Sachenrecht im Sinne des ABGB, ist nicht der gemeinsame Oberbegriff, der körperliche Sachen und Forderungsrechte umfaßt. Diese Trennung von Schuld- und Sachenrecht bewirkt, daß das Sachenrecht des BGB nur mehr der Teil des Vermögensrechts ist, der sich auf dingliche Rechte an körperlichen Sachen bezieht. Mit dieser aus dem BGB übernommenen Vorstellung argumentiert offenbar auch der OGH. Wird aber die Forderung nicht als Gegenstand der Vermögenszuordnung gesehen, sondern lediglich als relative Anspruchsbeziehung, bleiben wesentliche Ausschnitte der Güterordnung im Sachenrecht ausgeklammert. Der ständig wachsenden Bevölkerung stehen Grundstücke längst nicht mehr im ausreichenden Maß zur Kapitalanlage zur Verfügung. Einkünfte und Vermögen hängen nicht mehr so sehr von Eigentum an Grund und Boden, als vielmehr von Forderungsrechten ab, wie etwa aus einem Dienstvertrag; diese stellen oft die einzige Existenzgrundlage dar. Auch bewegliche Sachen sind vorwiegend zweckbestimmt, daher nur in geringem Umfang bedeutende Vermögensgegenstände. Der Schwerpunkt der zugeordneten Rechtsgüter hat sich zu den unkörperlichen Sachen, den Forderungen, verschobenY 4S
46
47 48
§ 285 ABGB. Wieacker, AcP 28 (1943), 58. Vgl. Steininger, JBl1971, 224. Vgl. Ficker, Interferenz, 180 f.
11. Begriff der Sache im römisch-gemeinen Recht
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Die scharfe Trennung von Schuld- und Sachenrecht führt in zunehmendem Maße in eine graduelle Abstufung über. Autonome sachenrechtliche Regeln sind durch schuldrechtliche verdrängt oder ergänzt worden. Parallel dazu hat sich die Rechtsentwicklung den funktionellen Erfordernissen vor allem im Bereich des Kreditmarktes als anpassungsfähig erwiesen: Das Sicherungseigentum, die Treuhand, die Anwartschaft, das Leasing bewirkten Verschiebungen innerhalb des Sachenrechtssystems. 49 Im folgenden möchte ich darlegen, daß das heute vertretene dualistische System den Fragen wie der Wirkung des Abtretungsverbots nicht gerecht wird. Es reißt Zusammenhänge auseinander, die einheitlich geregelt gehören. Aus diesem Grunde sollen Entstehungszusammenhänge aufgezeigt werden und der "Verflechtung rechtlicher Fragen mit allgemeinen gesellschaftlichen Geschehensabläufen"50 nachgegangen werden. Dadurch wird anschaulich, daß die Rechtsordnung ein durch unterschiedliche Einflüsse geprägtes Gebilde ist. Die historische Betrachtung ist für das Verständnis und die Interpretation der Gesetzesbestimmungen wichtig. Aber Vergangenheit sollte nicht um ihrer selbst willen behandelt werden "oder nur um Gegenwart abzustützen. Die Rechtfertigung der Rechtsgeschichte liegt im Futurum . .. Altes muß vom Neuen her gesehen werden."51 Die Abweichung zwischen der m. E. vom theoretischen System des ABGB verlangten Lösung und der gefestigten Rechtsprechung kann aus dem System das ABGB nur schwer erklärt werden. Dem Grad der Verflechtung und Beeinflussung der verschiedenen Rechtsordnungen untereinander ist nachzugehen, um aufzuzeigen, wie Lösungen zustandekommen. Daher werde ich rechtsvergleichend vorgehen. 11. Begriff der Sache im römisch-gemeinen Recht
In den Institutionen des Gaius werden unter dem Sachbegriff sowohl körperliche (res corporales) als auch unkörperliche Sachen (res incorporales) subsumiert. Nach Kaser 52 hat diese Einteilung keinen praktischen Wert erreichen können und blieb auf die Schuljurisprudenz beschränkt. Das Eigentum, verstanden als dingliches Vollrecht, blieb im klassischen römischen Recht auf körperliche Sachen beschränkt. 53 Im Gegensatz dazu Wiegand, AcP 190 (1990), 130 f. Barta, Kausalität, 28. 51 Barta, Kausalität, 29. 52 Kasel', Privatrecht I, 376. 53 Kasel', Privatrecht I, 376 - Auch § 90 BGB beschränkt den rechtlichen Sachbegriff im Gegensatz zum § 285 ABGB auf den "körperlichen Gegenstand". Da Sache im Rechtssinn und Eigentum korrelate Begriffe sind, scheiden im BGB vor allem unkörperliche Vermögensobjekte wie Forderungen aus dem Begriff des Eigentums aus, obwohl sie 49
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
wird in einer Textstelle 54 von einem dominium am ususfructus 55 gesprochen. Kaser 56 hat seine anfängliche Ansicht aufgegeben, daß dieses Nutzungsrecht als funktionell beschränktes Eigentum an den stehenden und sich erneuernden Früchten, verbunden mit einem inhaltlich beschränkten Eigentum an der fruchttragenden Sache, zu sehen sei. Er qualifiziert es nun als ein von Anbeginn an die Person des Trägers gebundenes, seinem Gegenstand nach dingliches Recht unmittelbar an der Sache. 57 Aus Anlaß des dominium am ususfructus in 0 7.6.3. erweitern die Glossatoren und Konsiliatoren den Eigentumsbegriff und unterscheiden einen weiteren und engeren Begriff des dominium. Der engere Begriff bezeichnet das Eigentum an körperlichen Sachen, der weitere Begriffumfaßt jedes Recht an einer körperlichen oder unkörperlichen Sache. Dieses ius in re ist das direkt auf die Sache gerichtete Recht, welches auch das Nießbrauchrecht umfaßt. 58 Nach Bartolus fallen auch obligatorische Rechte darunter, er geht dadurch aber über die Glosse hinaus. 59 Die Glossatoren wie Konsiliatoren verwenden dominium aber korrekterweise als ,Jus plenum in re corporali" , d. h. als Eigentum an einer körperlichen Sache. 60 "In dem weiteren Sinne wird das Wort nur verwendet, um die jedem dinglichen Rechte inhärrende absolute Natur stringent zu bezeichnen." "Den naheliegenden Mißgriff', Eigentum auch an unkörperlichen Sachen anzunehmen, haben sie nicht begangen. 61
dem Rechtsträger .,gehören". Als ..inneren Widerspruch" empfindet diese Rechtslage Du/ckeiT, Verdinglichung. 34 f. 54 D 7.6.3. 55 Paul, D.7.1.I: .. Der Nießbrauch ist das dingliche Recht, eine fremde Sache zu gebrauchen und ihre Früchte zu ziehen, ohne die Substanz zu be~inträchtigen". 56 Kasel', Privatrecht I, 448. . 57 Josef Ungel', der das ABGB im Geiste der historischen Schule und der Pandektenwissenschaft bearbeitet, argumentiert in System I, 525 Anm. 56, um das Eigentum im technischen Sinne wie nach gemeinem Recht auf res corporales einzuschränken: "Der Ausdruck Eigenthum einer Forderung, an einer Erbschaft, an einem ususfructus u. s. f. . wird ebenso uneigentlich gebraucht wie der Ausdruck dominium ususfructus, hereditas dominium in den römischen Quellen". 58 Coing, Eigentumslehre, 349 f. 59 Coing, Eigentumslehre, 350 Anm. 5. 60 Vgl. Huwiler, Begriff 3. 61 Landsberg, Glosse 92. - Die ähnliche Diktion verwendet Unger, System I, 525, der auch für das österreich ische Recht das Eigentum auf körperliche Sachen beschränkt wissen will, "wenn man nicht gänzliche Zersetzung und Auflösung der Begriffe so wie in maßlose Verwirrung gerathen will".
III. Geschichte der Forderungsabtretung
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III. Geschichte der Forderungsabtretung
1. Römisches Recht Nach klassischer römischer Rechtsauffassung waren Forderungsrechte an ihren Träger gebunden und durch Einzelnachfolge auf einen anderen nicht übertragbar. 62 Im Gegensatz zum Eigentum an körperlichen Sachen konnten Forderungen nicht übertragen werden. 63 Ein Grund könnte in den Nachwirkungen der Personalhaftung zu sehen sein,64 denn nach älterem Recht haftete der Schuldner für seine Verbindlichkeit mit seiner Person. Ein anderer mag sein, daß die römische Obligation ein unveränderlicher Typus war, dessen Begründungsakt ihr dauernd allein die Norm gab und ihm die Klage daher genau entsprechen mußte. 65 Nach dem älteren ius civile wurde eine abtretungsähnliche Wirkung durch Novation erzielt. Der Schuldner begründete auf Grund einer Anweisung (delegatio) des bisherigen Gläubigers mit einem anderen, der an dessen Stelle trat, eine neue Obligation. Der Mangel dieses Verfahrens lag in der Mitwirkung des Schuldners, von dessen guten Willen der Gläubigerwechsel abhing. 66 Da im klassischen Recht ein gerader Weg nicht offen stand, dem wirtschaftlichen Bedürfnis nachzukommen, den von einer Forderung dargestellten Vermögenswert einem Dritten zuzuwenden, wurde auf Seitenwege gedrängt. Durch das Institut der prozessualen Stellvertretung konnte der Gläubiger einen anderen damit bevollmächtigen, seine Forderung gegen den Schuldner im Prozeß geltend zu machen und das Erstrittene für sich zu behalten (mandatum ad agendum in rem suam). In wirtschaftlicher Sicht wurde damit ohne Mitwirkung des Schuldners der Effekt einer Forderungsabtretung erreicht, doch ohne wirkliche Sondernachfolge, weil der Zedent die GläubigersteIlung behielt. Bis zur fitis contestatio konnte der Zedent seine Ermächtigung widerrufen. Er war berechtigt, als Gläubiger auch ohne einen solchen Widerruf über die Forderung zu verfügen; und der Schuldner konnte noch mit befreiender Wirkung an ihn, den alten Gläubiger, leisten. Der Zessionar hatte bis zum Prozeßvertrag also "nichts Sicheres in Händen".67 Kaser, Privatrecht I, 652. Erst das Naturrecht zieht eine Parallele zwischen Eigentums- und Forderungsübertragung durch Vergegenständlichung der Forderung. Noch in der Pandektistik bemühten sich einige Anhänger (bes. Mühlenbruch, Zession der Forderungsrechte, S. 502-507), die Vermögensrechtslehre auf ihre gemeinrechtlichen Grundlagen zurückzuführen und eine Singularsukzession des Zessionars in die Forderung zu verneinen. 64 Kaser, Privatrecht I, 653. 65 Dernburg, Pandekten 11 § 47, 130. 66 Kaser, Privatrecht I, 653. 67 Kunkel/ Mayer-Maly, Römisches Recht, 278. 62
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Die Entwicklung im hochklassischen Recht ging dahin, dem Zessionar durch die Übertragung der Forderung einen sofortigen Verkehrswert zu verschaffen und seine Rechtsstellung zu stärken, gleichzeitig den Schuldner gegen die Gefahren einer doppelten Gläubigerschaft von Zedent und Zessionar zu schützen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, gewährten kaiserliche Reskripte dem Erwerber einer Forderung ein eigenes Klagerecht (utilis actio suo nomine), vermöge dessen er nicht mehr als Bevollmächtigter, sondern unabhängig vom Willen des Zedenten in eigenem Namen klagen konnte. Durch die Gewährung der actio utilis wurde aber eine wirkliche Übertragung der Forderung nicht erreicht, weil das Recht des Zessionars neben dem des Zedenten bestehen blieb; dessen Ausübung hätte den Abtretungszweck vereitelt. 68 Um die Schwäche des konkurrierenden fortbestehenden Anspruchs des Zedenten zu beseitigen, konnte der Zessionar dem Schuldner die geschehene Abtretung anzeigen (denuntiatio). Eine schuldbefreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten war nach diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Im Ergebnis war damit die Forderungsübertragung erreicht. 69 Eine Zession als Übertragung der materiellen Berechtigung kannte das römische Recht nicht. Trotz geschützter Rechtsstellung hat der Zessionar eine fremde Forderung eingezogen. 70 2. Glossatoren und Kommentatoren
Infolge der verschiedenen Entwicklungsstufen, welche die Zessionslehre durchlief, vermochen die Glossatoren aus dem Corpus Juris keinen einheitlichen Zessionsbegriff abzuleiten. Sie bearbeiteten im 15. Jahrhundert die Quellen des römischen Rechts mit logischen Mitteln, bedacht auf ihre Harmonisierung trotz verschiedener Ungereimtheiten. Für sie war das Forderungsrecht (actio) mit der Person des Gläubigers untrennbar verbunden, indem sie in eindrücklicher Weise darlegten, daß die actio in den Knochen und Eingeweiden der Gläubiger hänge und ebensowenig von ihm getrennt Kose,., Privatrecht, 654. Kunkel/ Mayer-Maly, Römisches Recht, 279. 70 Während das ABGB die Zession als Singularsukzession in die Forderung ausgestaltet, bemühten sich einige Autoren der Historischen Schule, der römischen Lehre wieder Geltung zu verschaffen, wonach nur das Einziehungsrecht übergehe. Mühlenbruch ist der Ansicht, daß die Zession nicht das Forderungsrecht selbst, sondern nur dessen Ausübung übertrage, daher der Zessionar ein fremdes Forderungsrecht geltend mache. Im Wesentlichen sieht er die Zession als das, was sie in ihren Anfängen in Rom war. Forderungen sind unübertragbar und die Zession ist die Übertragung der Ausübung der Forderung durch einen procurator in rem suam (Mühlenbruch, Zession der Forderungsrechte). Diese Meinung hatte jedoch keinen Erfolg, auch das gemeinte Recht anerkennt die Zession als Singularsukzession in die Forderung. 68
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IH. Geschichte der Forderungsabtretung
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werden könne wie die Seele vom Körper. 7 \ Nach herrschender Glossatorenmeinung war die Zession die Bestellung des Zessionars zum procurator in rem suam. 72 Auch die Kommentatoren halten am Dogma der Unabtretbarkeit der Forderung fest. Die Begründung wird darin gesehen, daß der alte Gläubiger nach C.8.41.3 auch nach erfolgter Zession die Forderung einziehen und der Schuldner schuldbefreiend an ihn leisten könne. Darum sei die Forderung unveräußerlich. An diesem Grundsatz ändere auch die Tatsache nichts, daß diese Zahlungsmöglichkeit durch die Denuntiation unterbunden werden könne. 73 Durch das Mandat werde der Zessionar zum procurator in rem suam oder er erhalte die actio utilis; das direkte Klagerecht verbleibe beim Zedenten. Diese Auffassung der Zessionstheorie beherrscht für Jahrhunderte die romanistische Wissenschaft. Das Dogma der Unübertragbarkeit der Forderung wird auch von den Humanisten 74 übernommen. 75
3. Das deutsche Recht Nach älterem deutschem Recht waren Forderungen nicht übertragbar. Die Schuld galt als ein höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner. 76 Andere Gründe werden in dem deliktischen Charakter der Forderungen, der persönlichen Haftung des Schuldners sowie dem formalistischen Charakter des Rechts gesehen. Dies hatte zur Folge, daß sich die Wirkungen der Schuldverträge genau nach dem Wortlaut der Berechtigungen richteten. Der Schuldner versprach, nur seinem Vertragsgegner zu leisten. Einem Dritten, der davon ausgenommen war, fehlte ein Rechtsgrund zur Verfolgung. 77 Ab dem 12. Jahrhundert erfahrt das deutsche Recht infolge des Aufschwungs von Handel und Gewerbe eine außerordentliche Entwicklung. Das Schuldrecht wird von den Fesseln des Strafrechts befreit. Die Schuldvollstreckung ist nicht mehr von einer Straftat abhängig. Der Gläubiger stützt sich nunmehr auf eine besondere Schuldklage, die sich aus der 71 Accursius, Glosse in nominiubus zu D 15.1.16: "Quae nomina sive actiones non possunt separari a domino, sicut nec anima a corpore". 7c Luig, Zessionslehre 11 f. - Darum wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts im gemeinen Recht für einige Jahrzehnte die Forderungsrechte für unübertragbar gehalten. 7) Luig, Zessionslehre 16. 7. Donellus (1527-1591), Faber (1557-1624), Johann a Sande (1568-1638). 75 Luig, Zessionslehre 16 ff. 76 Planifz, Privatrecht 150. 77 Hübner, Privatrecht 469 f.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Schuldpflicht als solcher herleitet. Das Schuldrecht wird dadurch in das Vermögensrecht überführt, und die einzelnen Forderungen können als Vermögensgegenstände behandelt werden. Der Weg zur Übertragbarkeit der Forderung ist geebnet. 78 Diese entwickelte sich erst in Form der Stellvertretung. Der Gläubiger übertrug einem Dritten die gerichtliche Geltendmachung der Forderung, der damit eine dem römischen procurator in rem suam vergleichbare Stellung erhielt. Der Dritte klagt dann zwar im fremden Namen, aber auf eigene Rechnung. Diese Art der Übertragung setzt aber die Zu lässigkeit der gerichtlichen Stellvertretung voraus, deren Unzulässigkeit aber als ein tief wurzelnder germanischer Rechtsgrundsatz prägend "für einzelne Teile des germanischen Rechtsgebietes das ganze Mittelalter" war. 79 Diesem Hindernis wurde ausgewichen, indem der Schuldner seine Zustimmung zur Abtretung im vorhinein gab. Er versprach, dem Gläubiger oder einem Dritten zu leisten. Der ursprüngliche Gläubiger war dadurch zur Abtretung berechtigt, der Dritte ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. 80 Diese Verträge zugunsten Dritter kamen mangels einer freien Übertragung von Forderungen einem dringenden wirtschaftlichen Bedürfnis entgegen. Auf der Grundlage dieses germanischen Rechtsgedankens entwickelten sich die Order- und Inhaberpapiere. 81 Am Ende des Mittelalters war das Erfordernis des Schuldner konsenses nicht mehr notwendig, die Abtretung durch Vertrag zwischen Alt- und Neugläubiger anerkannt. Oft wurde als Formvorschrift die Eintragung in das Stadtbuch verlangt. 82 Die spät mittelalterliche Forderungsabtretung wurde als Singularsukzession verstanden;8J die Forderung erschien als Verkehrsgegenstand, über den der Gläubiger einseitig verfügen konnte. 84
78 Planitz, Privatrecht 128 Wieacker. Forderung 62 f.. bemängelt, daß im Gegensatz zu dem Allgemeinen Landrecht und dem ABGB. bei denen auch unkörperliche Gegenstände und damit Rechte als Sachen gelten. dies im BGB nicht der Fall sei. Dadurch komme nicht zum Ausdruck, daß die Forderung wie alle anderen Vermögenswerte gleichzeitig Gegenstand und als solcher Bestandteil des Vermögens sei. In scharfem Gegensatz dazu stehe die .. Auffassung des Rechtsverkehrs und der vom Pandektensystem unabhängigen Vorschriften, vor allem aus dem Bereich des deutschen Privatrechts. Hier wird die Forderung, besonders die umlauffahige Geldforderung, unbefangen ihrem wirtschaftlichen Funktionswert entsprechend den körperlichen Gegenständen gleichgestellt" . 79 Hübner, Privatrecht 470. 80 Hübner, Privatrecht 471. 81 Hübner, Privatrecht 456 f.; Gierke, Privatrecht III 182. 82 Planitz, Privatrecht 150 f. 83 Planitz, Privatrecht 151. 84 Gierke, Privatrecht III 183.
III. Geschichte der Forderungsabtretung
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4. Usus modernus pandectarum
Vom 16. bis 18. Jahrhundert bemühte sich die heimische Rechtspraxis um Harmonisierung zwischen dem rezipierten römisch-kanonischen Recht und den Errungenschaften des heimischen Rechts. 85 Die römische Zessionslehre in der von den Glossatoren, Kommentatoren und humanistischen Juristen bearbeiteten Gestalt wird in Deutschland fast vollständig übernommen. Die Vertreter des älteren usus modernus 86 sind sich einig, daß ein derivativer Forderungserwerb unmöglich sei. Die actio directa verbleibt beim Zedenten, der Zessionar ist procurator in rem suam. 87 Eine Singularsukzession in die Forderung unter Berufung auf das deutsche Recht anerkennt Schilter (1632-1705). Nicht vom procurator, sondern von "erb- und eigenthümlich cedieren" sei in den an deutschen Gerichten üblichen Zessionsformeln die Rede. Diese Einzelnachfolge nach deutschem Recht sei möglich, weil im Zessionsrecht die römische Regelung nicht nur etwa geändert, sondern gar nicht rezipiert worden sei. Weil Schilter die Zession als "quasi traditio"88 betrachtet, welche auf einer causa beruhen müsse, kann eine Verbindung zum Sachenrecht gesehen werden. Im jüngeren usus modernus wird jedoch von gewichtigen Stimmen 89 die herkömmliche Ausübungslehre vertreten. 90 Es bestehen viele Meinungsverschiedenheiten; die Zessionslehre stellt sich uneinheitlich dar. Diese sind letztlich aus den vermögensrechtlichen Begriffsbildungen des romanistischen gemeinen Rechts zu erklären. Die Forderung wird ausschließlich als Relation zwischen Gläubiger und Schuldner gesehen. Keine Berücksichtigung findet, daß sie werthaftes Recht und damit Vermögensgegenstand ist. Weil nur res corporales als Gegenstand der Vermögenszuordnung anerkannt werden, wird Schuld- und Sachenrecht radikal getrennt. Deshalb fanden die für die Eigentumstradition körperlicher Sachen entwickelten Grundsätze für die Forderungsabtretung keine Verwendung. Nach romanistischer Auffassung ist das Vermögensrecht auf die Natur der Rechtsobjekte ausgerichtet; sie anerkennt nur körperliche Dinge als Gegenstände der Vermögenszuordnung und damit des Eigentums. 91 Flossmann, Privatrechtsgeschichte 9. Brunnemann (1608-1672), Mevius (1609-1670), Lauterbaeh (1618-1678), Struve (1619-1692). 81 Luig, Zessionslehre 26 f. 88 Luig, Zessionslehre 31 f. 89 Stryk (1640-1710), Coeeeji (1644-1719), Berger (1657-1732), Beemann (1720-1783), Hellfeld (1717-1782), Thibaut (1772-1840). 90 Luig, Zessionslehre 32 ff. 91 Huwi/er, Begriff 34 f.; Wiegand, AeP 190 (1990) 113. 85
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Im Gegensatz dazu leitet das deutsche Recht die Vermögensrechtsordnung nicht von den Rechtsobjekten, sondern von der Gewere, der menschlichen Herrschaft über Rechtsbegriffe, her. Durch Anerkennung einer Gewere an Forderungen 92 war eine Vergegenständlichung der res incorporalis möglich. Im Leben und größtenteils auch in der Lehre setzte sich die Auffassung durch, daß die Zession die Forderung selbst übertrage; sie übereigne einen unkörperlichen Gegenstand. Die Forderungsübertragung wurde von der Praxis daher als Eigentumsübertragung einer Forderung eingestuft. 93
5. Vernunftrecht Ähnliche Grundlagen wurden von den Theoretikern des Vernunftrechts gelehrt. Der Glaube an die Kraft der reinen Vernunft löste das Naturrecht von religiöser Offenbarung; seine Wurzeln mußten in den verbindlichen Handlungen der Menschen selbst gesucht werden. 94 Hugo Grotius (1583-1645) rechnet die "Herrschaft über Handlungen anderer" dem Eigentum zu; damit führt er den Begriff des Eigentums an Forderungen in das Naturrecht ein;95 Samuel Pufendorf (1632-1694) regelt den Übergang von körperlichen Sachen und Rechten in gleicher Weise als Konsequenz seiner Sicht, daß Forderungen als Vermögensgegenstände verdinglicht werden könnten. Wie körperliche Sachen seien sie Objekte des als Vermögen gedeuteten Eigentums. 96 Durch Ausdehnung des Eigentumsbegriffs auf Forderungen wird im Vernunftrecht die Forderungsabtretung als Übertragung des Eigentums an der Forderung verstanden; damit ist sie Singularsukzession. Unmittelbaren Einfluß auf die Systematik des ABGB hatte die Philosophie Kants. 97 Seiner Vermögensrechtslehre läßt sich entnehmen, daß körperliche wie unkörperliche Gegenstände Sachen sind und folglich Objekte des Eigentums darstellen. 98 Mitteis-Liebrich. Privatrecht 87 HUlI'iler, Begriff 35; Gierke. Privatrecht III 184. 94 Mitteis, Naturrecht 18. 95 Wieacker, Privatrechtsgeschichte 291 Die meisten naturrechtlichen Kodifikationen haben das übernommen, indem sie das gesamte Recht der Vermögenszuordnung in das Eigentums- oder Sachenrecht einbeziehen: ALR. ABGB. Code civil (§§ 90. 903 BGB). 96 HUldler, Begriff 44; schon Donellus (1527-1591) hatte die Einsicht gewonnen. die Forderung sei zugleich Relation und Vermögensgegenstand. Wieacker. Pandektenwissenschaft 21 Anm. 51. 97 Swoboda, Kant 11,61. 98 Huwiler, Begriff 102; Swoboda meint. daß der Begriff Sache des § 285 ABGB an den Begriff Kants vom .,äußeren Mein und Dein" erinnert. Kam. 62. 92
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IV. Das ABGB
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IV. Das ABGB 1. Begründung einer eigenständigen österreich ischen Rechtswissenschaft
Die ursprünglich gesamteuropäische Rechtswissenschaft umfaßt das Kanonische und Gemeine Recht, welches das Römische Recht in seiner spezifisch mittelalterlichen Ausgestaltung war. Durch Verdrängung des Gelehrtenlateins durch die Nationalsprachen konnte sich im 18. Jahrhundert eine gemeindeutsche Rechtswissenschaft ausbilden. Das Vernunftrecht der Aufklärung fundierte die Rechtswissenschaft neu. Auch an den österreichischen Rechtsfakultäten wurde das traditionelle Lehrgut der gemeindeutschen Rechtswissenschaft gelesen, denn sie standen in der Gemeinschaft mit den deutschen Universitäten. In den österreichischen Ländern war das in der Praxis geltende Recht stark vom Einfluß des überkommenen Deutschen Rechts bestimmt. Mit diesem Recht kam der auf der Universität einseitig romanistisch ausgebildete Jurist erst in der Praxis in Berührung. Landsbrauch und Gemeines Recht standen dort in Konkurrenz um die Gestaltung des geltenden Rechts. Neuen Anforderungen sahen sich die österreichischen Rechtsfakultäten durch die große Staats- und Verwaltungsreform Maria Theresias gegenübergestellt. Man war bestrebt, eine eigene österreichische Rechtsordnung zu schaffen. 99 Um Differenzen zwischen Landsbrauch und Gemeinem Recht zu beheben, sollte auf eine praktische Ausrichtung des Rechtsunterrichts geachtet werden. lOo Bereits auf der Universität sollte der Student mit dem geltenden Recht, das die Praxis der österreichischen Länder beherrschte, konfrontiert werden. lol Die Fachliteratur wurde entsprechend angepaßt; sie stellte eine Synthese von gemeinem und österreichischem Recht her. Hier kündigt sich die Lösung einer eigenständigen österreichischen Rechtswissenschaft von der gemeinen deutschen an. Es wurde auf das Ziel hingearbeitet, mit dem Abschluß der Kodifikationen dem gemeinen Recht und der gemeindeutschen Rechtswissenschaft ein gleichberechtigtes österreichisches Recht und eine österreichische Rechtswissenschaft gegenüberzustellen. 102 Mit der Neugestaltung der juridischen Studien von 1810 hat sich die österreichische Rechtswissenschaft von der reichsdeutschen gelöst. Die Wege trennten sich, indem Österreich am Naturrecht festhielt und sich am neuen kodifizierten Recht orientierte, während sich Preußen vom NaturLentze, Universitätsreform 43 ff. Lentze. Universitätsreform 50. 101 Schon Choteks Reformationsdekret für die Universität Innsbruck vom Jahre 1748 schreibt vor: .. allenthalben wo Praxis ajure communi unterschieden ist, jene in explicationibus fleissig mit beygefüget", Lentze, Universitätsreform 50. IO~ Lemze, Universitätsreform 51. 99
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recht abwandte und unter Hintansetzung des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 das gemeine Recht stützte. In der neu gegründeten Berliner Universität setzte sich der Einfluß Savignys durch, des Begründers der Historischen Schule. Nicht das preußische, sondern das gemeine Recht bildete die Grundlage des Berliner Rechtsstudiums. Die Praxis wurde nach wie vor vom Landrecht beherrscht. In der Absicht, dies zu ändern, hielt Savigny erstmals 1819 eine mit gemeinrechtlichen Gedankengängen gespickte Vorlesung über das Landrecht, um den Lehren der Historischen Schule zum Siegeszug zu verhelfen. 103 Der Untergang des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1806 - Kaiser Franz 11. legte die römische Kaiserkrone nieder - sowie der Abschluß der Kodifikationsarbeit 104 zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachte der von Maria Theresia eingeleiteten und von Josef 11. geförderten österreichischen Nationalerziehung Aufschwung. Die deutsche Rechtsgeschichte war entbehrlich geworden: Wien war nicht mehr Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches, sondern nur noch des österreichischen Kaiserstaates. Die neuen Gesetzbücher ermöglichten es, sich vom gemeinen Recht abzusondern. Eine von der reichsdeutschen gemeinrechtlichen Wissenschaft unabhängige, eigenständige österreichische Rechtswissenschaft konnte begründet werden. Die Verhandlungen zu einer neuen Ordnung des juridischen Studiums erfolgten in den Jahren 1807-1810. Die Reform des Rechtsunterrichts wurde von Zeiller durchgeführt. 105 In dem 1808 entworfenen "Vorschlag über die künftig zu lehrenden juridischen Fächer" war Zeiller der Ansicht, als "positives Staatsrecht ward vormahls das deutsche Staatsrecht gelehrt, und demselben das auf Deutschland sich beziehende Österreichische Staatsrecht eingeschaltet. Dieser auf den vormaligen deutschen Staatskörper sich beziehende Theil des Österreichischerr Staatsrechts hat mit Erlöschung dieses Körpers seine Anwendung verloren. Die wenigen noch übrig bleibenden Fundamentalgesetze der deutschen Österreichischen Erbstaaten bilden kein Ganzes, das eines eigenen Lehrfaches bedürfte, sie werden füglich, so wie schon bisher, theils in der Österreichischen Geschichte, welche in der Philosophie gelehrt wird, theils in der Statistik und zum Theil in der politischen Gesetzkunde vorgetragen." 106 Der Lehre des Zivilrechts mußte ein neuer Weg gewiesen werden. Es galt, die Herrschaft des gemeinen Rechts abzustreifen und sich stattdessen der Rechtslage zuzuwenden, welche durch das unmittelbar bevorstehende InLentze, Universitätsreform 71. 1803 wurde das Strafgesetzbuch, das den Strafprozeß miteinbezog, in Kraft gesetzt. 1781 trat die Allgemeine Gerichtsordnung in Kraft. 105 Vgl. Lentze, Universitätsreform 61 f.; Eben, Einfluß 64 f. 106 Zit. nach Ebert, Einfluß 67. 103
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IV. Das ABGB
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krafttreten des neuen bürgerlichen Gesetzbuches entstand. Zeiller zeigte die Richtung: "Dieses (das Privatrecht) wurde bisher nach zwey Hauptquellen gelehrt, nach den angenommenen Römischen und nach den einheimischen Österreichischen Gesetzen, ein Theil des Privatrechts aber, nämlich das Lehnrecht theils nach dem angenommenen langobardischen, theils nach dem deutschen, und Österreich ischen Rechte gelehrt. Durch das neue bürgerliche Gesetzbuch, welches im Februar d. J. zur höchsten Schlussfassung überreicht worden ist, soll das Römische Recht für die Zukunft ganz ausser Anwendung kommen."107 Auch als subsidiäre Rechtsquelle? Denn das ABGB ist nicht mehr dem aufklärerischen Gesetzgebungsideal der materiellen Vollständigkeit verhaftet. "Und da der süsse Traum eines vollständigen, alle Fälle bestimmt entscheidenden Gesetzbuches, endlich wohl allgemein verschwunden ist", 108 kommt doch das römische Recht zum Zuge? Nein! Dem Richter wird eine vernünftig beschränkte Macht in der Auslegung und Anwendung der Gesetze zugestanden. Dabei soll er sich nach dem natürlichen Sinn der Worte des Gesetzes, nach dem ganzen Zusammenhange und der klaren Absicht des Gesetzgebers orientieren (§ 6 ABGB). Wenn auch die Analogie nicht weiterhelfe, soll der Richter nach den "natürlichen Rechtsgrundsätzen" entscheiden; das nötige ihn, in den Geist der Gesetze einzudringen. 109 Wie noch darzustellen ist, wurden diese natürlichen Rechtsgrundsätze später doch wieder zur Einbruchsstelle gemeinen Rechts. Zeiller scheint solche Tendenzen vorausgesehen zu haben: Die allgemeinen Rechtsgrundsätze ... "sind ihrer Natur nach so unbestimmt, daß sie nur von dem philosophischen Kopfe gehörig angewendet werden können." "Welcher Missbrauch, welche schiefe Anwendung wird von den Vertretern nicht oft aus Unwissenheit oder zur Verwirrung des Richters von den Grundsätzen gemacht." I 10 Um die römisch-rechtlich orientierte Gesinnung der Zeit zu beruhigen, kam Zeiller ihr mit der Erklärung entgegen, das römische Recht als Lehrfach aufrechterhalten zu wollen. Er glaubte, den Gegnern einer einheimischen Gesetzgebung Zugeständnisse schuldig zu sein. Durch die Außerkraftsetzung des justinianischen Gesetzbuches sei nicht gesagt, daß "auch der öffentliche Unterricht in dem Römischen Rechte entbehrlich werde. Ich will hier den obigen Betrachtungen über den hohen Werth des Römischen Rechts nur noch beysetzen, daß die häufigen Streitigkeiten über vergangene Fälle, worauf die neue Gesetzgebung nicht ausgedehnt werden kann, noch immer nach den Römischen Gesetzen zu entscheiden seyn werden; daß das Römi107
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Zit. nach Ebert, Einfluß 68. Zeiller, Natürliches Privat-Recht § 25. Ofner 11 473 f. Zeiller, Vorbereitung 49.
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sche Recht als die Basis unseres vaterländischen, folglich eine systematische, zweckmässige Lehre der ersteren als die gründlichste Vorbereitung zum Studium des letzteren zu betrachten sey ... " 111 Als Kodifikation weist Zeiller aber das justinianische Gesetz strikt ab, denn aus einer unsystematischen Zusammenstellung entstehe noch kein Gebäude der Gesetzgebung. Es sei beißende Satire, daß man beinahe jede Stelle des Römischen Gesetzbuches aus einer anderen bestreiten könne. Dies hätte zur Folge, daß "der ehrliebende Rechtsfreund seine Partey nur mit zitternder Hand vertreten, ungewiss, ob sein Gegner nicht ein ihm unbekanntes Gesetz hervorziehen, und damit alle seine Gründe vernichten werde. Ein solcher Zustand des Rechts biethet zwar den Advocaten einen weiten Tummelplatz zu vielen langwierigen Kämpfen, aber dem Bürger keine sichere Schutzwehre seiner Rechte an." 112 Konsequent wurde daher im Kundmachungspatent 'zum ABGB vom 1. Juni 1811 verfügt, daß "das bis jetzt angenommene gemeine Recht ... außer Wirksamkeit gesetzt" wird. 113 2. Der Sachbegriff des ABGB Der Urentwurf Martinis von 1796 gliederte das Privatrecht in 3 Teile; der erste Teil umfaßte das Personen- und Familienrecht, der zweite Teil das Sachen- und Erbrecht und der dritte Teil regelte das Schuldrecht. Um die praktische Probe zu bestehen, wurde dieser Entwurf mit Patent vom 13. Februar 1797 in Westgalizien als Gesetz eingeführt und allgemein als "Westgalizisches Gesetzbuch" (WGGB) benannt. 114 Von Kant beeinflußt, änderte Zeiller die Systematik des Gesetzbuches. In seiner Rechtslehre arbeitete Kant den Dualismus zwischen vernünftigen und vernunftlosen Wesen heraus. Er lehrte, daß es kein rechtliches Verhältnis des Menschen zu Wesen gäbe, die weder Rechte noch Pflichten hätten. Denn das seien vernunftlose Wesen, die uns weder verbinden, noch von welchen wir verbunden werden könnten. Sehr wohl gebe es ein rechtliches Verhältnis des Menschen zu Wesen, die sowohl Rechte als auch Pflichten hätten. Denn dies sei ein Verhältnis von Menschen zu Menschen. ll ; Zeiller, Vorbereitung 39; vgl. MollllhaupT. Rechtsquellenverständnis 172 f. Zeiller, Vorbereitung 35 f.; vgl. Eber!, Einfluß 69. IU Kaiserliches Patent vom I. Juni 1811. JGS Nr. 946 Abs. 4. 114 Das WGGB unterscheidet sich vom Martinischen Entwurf äußerlich dadurch. daß es die Paragraphen nicht in jedem einzelnen Kapitel. sondern fortlaufend injedem seiner 3 Teile zählt. Gegenüber dem Entwurf bestehen auch sachliche Unterschiede. Schey in Klang I/I 9; Adler, Gesetzgebung 106 ff. IIS Kant, Metaphysik 44. 111
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In Anlehnung an Kant betont Zeiller die scharfe Dichotomie zwischen Personen- und Sachenrecht. So wie es in dem Universum nur zwei Gattungen von Wesen gebe, Personen und Sachen (vernünftige und vernunftlose Wesen), so gebe es auch nur zwei Hauptgattungen von Rechten oder Rechtsgegenständen. Einerseits sei das "Personenrecht die Lehre von verschiedenen Arten der Personen und ihren Rechtsverhältnissen gegen einander ohne Beziehung auf Sachen". Andererseits sei das Sachenrecht "die Lehre von verschiedenen Arten der Sachen, und dem Rechtsverhältnisse der Personen gegen einander in Hinsicht auf Sachen" .116 Dem im 1. Teil geregelten Personenrecht stellt Zeiller folgerichtig ein erweitertes Sachenrecht gegenüber. Dieses gliedert er in ein "dingliches" und "persönliches". Im 3. Teil werden die "gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte" geregelt. Dieser beinhaltet: 1. die Befestigung, 2. die Umänderung, 3. die Aufhebung und 4. die Verjährung und Ersitzung der Verbindlichkeit. Für einen eigenen 3. Teil dieser Modifikationen trat Zeiller ein, weil ihrer Regelung dingliche wie obligatorische Rechte, ja selbst Personen- und Familienrechte, unterlägen. Rechte des Adoptivkindes gegen seine Eltern, des Pupills gegen seinen Vormund,je nachdem, ob es Eigentums-, Erb- oder Personenrechte seien, könnten durch Pfand oder Bürgschaft befestigt, durch Vergleich oder Novation umgeändert, durch Vergleich oder Tod aufgehoben oder auch zediert werden. Nicht bloß die dinglichen, auch die persönlichen Rechte würden durch Verjährung erlangt oder aufgehoben. 117 Der Einfluß Kants dehnt sich auf Zeillers Kommentierung des Sachbegriffs aus (§ 285 ABGB).118 "Die vernunftlosen Wesen sind durch Ordnung der Natur zu beliebigen Zwecken der vernünftigen Wesen (Personen) bestimmt, und werden zum Unterschied von Personen Sachen genannt."119 Was ist nun unter Sache alles zu verstehen? Zur näheren Erklärung zieht Zeiller wiederum Kants Rechtslehre heran. Subjektive Rechte könnten nie gegen Sachen gerichtet sein. "Denn zwischen den vernunftlosen und den vernünftigen Wesen gebe es kein Rechtsverhältnis." "Unsere Rechte seien immer gegen andere Personen gerichtet, sie von irgendeinem Gegenstande auszuschliessen oder irgendeinen Gegenstand von ihnen zu fordern."12o Ist auch eine Forderung vergegenständlicht und damit Sache? "Ist dieser Gegenstand nicht so, wie bei den Familienrechten, die ganze Person des anderen, sondern nur einzelne Kräfte und Leistungen desselben, oder vom Zeiller, Commentar I 90 f. Djner, Bd. 2,210. 118 § 285 ABGB: "Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird in rechtlichem Sinne eine Sache genannt". 119 Zeiller, Commentar lI/I, 5. 120 Djner, Protokolle I 213. 116
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Menschen ganz verschiedene, vernunftlose Wesen, so nenne man den Gegenstand eine Sache und das darauf sich beziehende Recht ein Sachenrecht." 121 Deutlich wird diese Frage bejaht, denn eine Person lasse "sich nicht schlechthin, sondern nur insofern als erwerblich denken, -als sich an ihr Veräusserliches findet", ... "nämlich ihre Kräfte (Causalität) und allerlei durch dieselben mögliche äussere Handlungen (Unternehmungen und Unterlassungen) für Zwecke anderer Menschen, weil sich daran bloss Sächliches" ... "darstellet".122 Die Leistungspflicht des Schuldners - die Forderung - vergegenständlicht Zeiller gleich wie Kant; sie wird zur Sache im Rechtssinne erhoben. 123
3. Der Eigentumsbegriff des ABGB Martini entwickelt in seinem Urentwurfzunächst in einem Programmartikel einen auf körperliche und unkörperliche Sachen ausgedehnten Eigentumsbegriff (§ 73).124 Im nächsten Paragraphen (§ 74) beschränkt er aber die sachenrechtlichen Regeln von Erwerb, Verlust und Schutz des Eigentums auf körperliche Sachen. 125 Der Wortlaut der §§ 73, 74 I WGGB deckt sich wörtlich mit diesen Paragraphen des Urentwurfs. In den Beratungen des ABGB kristallisierte sich aber eine andere Meinung heraus, die zur Folge hatte, daß die Kommission § 74 neu formulierte. Nur unwesentlich geändert wurde § 73 126 und der in ihm zum Ausdruck gebrachte Inhalt konsequent weiterverfolgt: "Alles was jemandem zugehöret, all seine körperlichen und unkörperlichen Sachen heissen sein Eigenthum." 127 Zeiller schloß sich der Ansicht der Wiener juristischen Fakultät an, daß der Begriff des Eigentums nicht auf körperliche Sachen beschränkt werden sollte. Diese Beschränkung sei eine Eigenschaft des römischen Rechts, dagegen sich die zeitgenössischen Rechtsphilosophen ausgesprochen hätten. Auch wäre anderenfalls unklar, ob das Eigentum in der beschränkten oder in der weiteren, unkörperliche Sachen mitumfaßten Bedeutung zu verstehen sei. Mit Aus121 122
Dlne,., Protokolle I 213. Zeil/e,., Privatrecht § 56.
HUlI'ile,., Begriff 135f.; Wieacke,., AcP 28 (1943) 58; ders., Forderung 62. Urentwurf 11 3 § 73: "Alles, was jemandem zugehöret, alle seine Habe, all sein Gut, folglich alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, alle seine Rechte heissen überhaupt sein Eigenthum". 125 Urentwurf 11 3 § 74: "In engsten Verstande ist Eigenthum das Recht, mit der Substanz und den Nutzungen einer körperlichen Sache frei zu schalten und zu walten, folglich auch jeden anderen davon auszuschliessen, insofern dadurch die Gesetze oder die Rechte eines Dritten nicht verletzt werden". 126 Diner, Protokolle I 243. 127 § 353 ABGB. 123
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nahme von Ehrenberg, der Eigentum auf körperliche Sachen beschränkt wissen wollte, wurde Zeillers Vorschlag gutgeheißen: 128 "Als ein Recht betrachtet ist Eigenthum das Befugniss, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache frei zu schalten, und jeden anderen davon auszuschliessen." 129 Aus diesen Beratungen des § 354 ABGB ist ersichtlich, daß es den Verfassern mit der Ausdehnung des Eigentumsbegriffs auf unkörperliche Sachen ernst war. Die noch in § 74 I WGGB 130 befürwortete Einschränkung körperlicher Sachen wurde gestrichen. l31 Zeiller kommentiert, daß kein Unterschied zwischen körperlichen und unkörperlichen Sachen bestehe, denn auch diese, die Rechte, gleich ob dinglich oder persönlich, seien ein Gegenstand des Eigentumsrechts. 132 Damit steht der weite Sachbegriff in Einklang mit dem Begriff des Eigentums in § 353. 133 Die Forderung ist wie alle anderen Vermögensrechte zugleich Sache und als solche Bestandteil des Vermögens, 134 an dem nach der Intention Zeillers Eigentum möglich ist. Der Eigentümer einer körperlichen Sache könne diese veräußern, gebrauchen oder zerstören. Stehe jemandem aber auf die körperliche Sache nur ein Recht zu, beispielsweise das Gebrauchs- oder Forderungsrecht, so seien seine Verfügungen unmittelbar über diese körperliche Sache, verglichen mit dem Eigentümer derselben, nur beschränkt möglich. Der Unterschied sei unwesentlich, denn er liege nur in der Beschaffenheit des Objekts. Diesem gehöre der körperliche Gegenstand, jenem komme das Gebrauchs- oder Forderungsrecht eigentümlich zu. Über diese Rechte könne er nach ihrer Beschaffenheit alle Verfügungen ausschließend treffen. Es stehe in seinem Belieben, ob er das Recht ausübe, auf einen anderen übertrage oder aufgebe. Die wesentlichen Merkmale des Eigentums seien gegeben. Die unterschiedliche Anwendung, bedingt zwischen lebenden oder leblosen, beweglichen oder unbeweglichen Sachen hebe den Begriff des Eigentums nicht auf. Folglich sei Eigentum auf unkörperliche Sachen oder Rechte auszudehnen. 135
128 129 130 131 132
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134 135
Olner, Protokolle I 243 f. § 354 ABGB. entspricht Urentwurf 1I 3 § 74. Klang in Klang 1I 130 f. Zeiller, Commentar 1I11, 109. Swoboda, Kant 63. Wieacker, Vermögenszuordnung 62. Zeiller, Commentar 1I11, 110 f.
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4. Die Zession des ABGB Der Kommission lag folgende Begriffsbestimmung der Zession vor: "Wenn Forderungen von einer Person an die andere übertragen, und von dieser giltig angenommen werden; so entsteht die Umänderung des Rechts mit Hinzukunft eines neuen Gläubigers. Eine solche Uibereinkunft he isst Abtretungsvertrag (Zession) und kann mit oder ohne Entgelt geschlossen werden."136 Nachdem in der ersten Lesung zu diesem Text keine Wortmeldungen zu verzeichnen waren,137 erklärte Zeiller während der zweiten Lesung, daß die Qualifikation, eine "solche Übereinkunft he isst Abtretungsvertrag (Cession)", nicht zutreffe. Vielmehr heiße eine solche Handlung "Abtretung (Cession), weil Cession die Handlung selbst, der Modus aber kein Vertrag" sei. 138 Zeiller fügt damit die Zession in die umfassende Sach- und Eigentumslehre des ABGB ein, indem er die Abtretung als Modus der Eigentumsverschaffung sieht. Um das Eigentum durch Zession zu erlangen, müsse eine dem Gegenstand angemessene Übergabe (§ 425 ff. ABGB) hinzukommen. Insbesondere würden Schuldforderungen durch Erklärung abgetreten; Zeiller verweist in seinem Kommentar auf § 427 ABGB, der die Übergabe durch Zeichen regelt. Weil der Urentwurf1 39 nur zwei Arten der Eigentumsübergabe kannte, die körperliche und die durch Erklärung, war Zeiller der Meinung, es sei nötig, noch weitere Eigentumserwerbsarten aufzunehmen. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Arten der Übergabe sei vor allem nach der Verschiedenheit der Gegenstände begründet, die körperlich oder unkörperlich seien. Um die Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten, sollten die Übergabearten nicht zu sehr beschränkt werden. Mit Zustimmung der Kommission formulierte Zeiller die Übertragung von Forderungen im Zusammenhang mit anderen beweglichen Sachen: 140 "Bei solchen beweglichen Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit nach keine körperliche Übergabe zulassen, wie bei Schuldforderungen, Frachtgütern, Warenlagern, und einem ähnlichen Inbegriffe von Sachen, gestattet das Gesetz die Übergabe durch Zeichen ... ".
Urentwurf III 16 § 545; entspricht wörtlich dem § 545 III WGGB. Dfner, Protokolle 11 236. m Dfner, Protokolle 11 445. \39 116 § 164; entspricht wörtlich dem § 16411 WGGB: "Bewegliche Sachen können auf zweierlei Art veräussert werden, nämlich durch körperliche Übergabe von Hand zu Hand. aber ohne diese durch die Erklärung des Übergebers, dass er eine Sache nur im Namen des Übernehmers behalten wolle: durch diese Erklärung gelangt der Übernehmer zum Eigenthum der Sache, welche in des vorigen Eigenthümers Gewährsame verbleibt". \40 Dfner, Protokolle I 278 f. \36
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Damit gliedert Zeiller die Zession in die vom ABGB normierte Lehre von der kausalen Eigentumsübertragung ein. Aus dem Verpflichtungsgeschäft, "dem Abtretungsvertrag erhält der Zessionar ein persönliches Recht, auf die Übergabe des abgetretenen Rechts sammt allen damit verbundenen Behelfen ... ". Durch das Verfügungsgeschäft, "die angemessene Übergabe und Übernahme kommen sie, wie vormahls dem Zedenten, so nun dem Zessionar eigenthümlich zu, und er kann sie sowohl wider den Schuldner, als auch, in so weit sie dingliche Rechte sind, wider jedermann geltend machen". 141 Im ABGB ist die Forderung somit nicht nur relative Anspruchsbeziehung, sondern Vermögensbestandteil und als solcher verfügbarer Gegenstand des Rechtsverkehrs. 142 Verkehrsfähige Sachen, körperliche wie unkörperliche, sollten somit nach gleichen Grundsätzen veräußert oder abgetreten werden können, was Zeiller bestätigt: "Zur Abtretung wird nur die Einwilligung des Abtreters oder Ueberträgers (Cedenten) und des Uebernehmers (Cessionar) erfordert (§ 1392), nicht auch des abgetretenen oder übernommenen Schuldners (Cessus), weil der Eigenthümer sein Recht nach Belieben veräussern kann."143 Durch die vernunftrechtlichen Grundlagen beeinflußt, wurden im ABGB die Sache und das Eigentum auf alle vermögenswerten Güter ausgedehnt. Die Zession wurde als Eigentumsübertragung an der versachlichten Forderung ausgestaltet, die eine Singularsukzession des Zessionars in die Forderung bewirkt, denn die "Rechte des Übernehmers sind mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung ebendieseiben" . 144
5. Folgerungen für die Wirkung des Abtretungsverbots Auf diesen Grundlagen aufbauend, müßte ein Veräußerungsverbot für Sachen und ein Zessionsverbot für Forderungen die gleiche Wirkung entfalten, ansonsten das auf das gesamte Vermögen einer Person erweiterte Sachenrecht mit einem Widerspruch behaftet wäre. Zeiller. Commentar IV 85. Wieacker, Vermögenszuordnung 62; Huwiler, Begriff, 145; Larenz I § 33 I ist der Ansicht, weil man diese Eigenschaft im Grunde übersehen hätte, sei das BGH mit einem Aufbaufehler und einer sachlichen Unklarheit behaftet. Ein vollständiges Vermögensrecht hätte nicht nur die rechtliche Zuordnung von Sachenrechten, sondern auch von anderen Vermögensrechten, vor allem von Forderungen, zu regeln. In das System des Schuldrechts passe die Abtretung insoweit, als in ihm das Verhältnis zum Schuldner geregelt würde. Als Verfügungsgeschäft fände die Abtretung ihren systematisch richtigen Platz "in dem zu einem Recht der dinglichen Vermögenszuordnung erweiterten Sachenrecht". I.) Zeiller, Commentar IV 84. I •• § 1394 ABGB; vgl. Huwiler, Zession 145 f. 1.1
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Daran ändert auch nichts, daß Zeiller sich einer unterschiedlichen Wortwahl des Begriffs Zession bedient. Wie schon erwähnt, stellte er noch in der zweiten Lesung des bürgerlichen Gesetzbuches richtig, anstatt: .. Eine solche Übereinkunft heisst Abtretungsvertrag (Cession)" 145 müsse es heißen: .. Eine solche Handlung heisst Abtretung (Cession), weil Cession die Handlung selbst, der Modus aber kein Vertrag ist."146 In seinem Kommentar dagegen ist Zeiller der Ansicht: .. Der Abtretungsvertrag besteht darin, dass ein Gläubiger seine Forderung ... auf eine andere (von dem Schuldner verschiedene) Person überträgt, und diese dieselbe annimmt." 147 Diese Diktion setzt er fort, denn aus .. dem Abtretungsvertrage erhält der Zessionar ein persönliches Recht, auf die Übergabe des abgetretenen Rechtes".148 Dieses Vorgehen kann als Selbständigkeit Zeillers gegenüber doktrinären Vorgaben gewertet werden. In der geschickten Unterbringung im 3. Teil .. Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte" liegt zudem ein Fortschritt. Den Gemeinsamkeiten gerecht werdend, die mit der Sachübertragung bestehen, können auch die speziellen Fragen in begrifflich konsequenter Dogmatik berücksichtigt werden, welche der Zession eigen sind. Diese Entwicklung erlaubt, die Zession weder vollständigder naturrechtlichen Auffassung entsprechend - der Traditio, noch nach gemeinrechtlicher Tradition dem Forderungskauf zuzurechnen. 149 Soweit das Verhältnis zum Schuldner geregelt wird, gehören die Bestimmungen der Abtretung ins Schuldrecht. Die Abtretung als Verfügungsgeschäft hat ihren Platz hingegen in einem umfassenden Vermögensrecht. Durch den unkörperlichen Sachbegriffkommt das ABGB der wirtschaftlichen Betrachtung des Forderungsbegriffs entgegen. Es kennt die dem Gläubiger zurechenbare Aussicht, in absehbarer Zeit die geschuldete Leistung zu erhalten, als gegenwärtigen Vermögenswert an. Die Forderung wird als Leistungsbeziehung und verfügbarer Vermögensgegenstand geregelt. Damit umschreibt das ABGB die reale Auffassung, die das Vermögen einer Person als die Gesamtheit der ihr zustehenden geldwerten Rechte ansieht. Neben dem Eigentum an körperlichen Sachen sind das auch Forderungen, die auf geldwerte Leistungen gerichtet sind; Und diese Vermögensgegenstände, die Forderungen inbegriffen, sind Gegenstände des Rechtsverkehrs; über . diese kann der Berechtigte verfügen. ISO 145 Urentwurf III § 545. 146 147
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Ofner, Bd. 2,445; vgl. § 1392 ABGB. Zeil/er, Commentar IV, 83. Zeil/er, Commentar IV, 85. Vgl. Luig, SZGerm 93 (1976) 493 f. Larenz, Schuldrecht Bd. 1 § 33 I.
V. Der Einfluß der rechtshistorischen Schule
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An diesen Gegenständen ist nun nach den Bestimmungen des ABGB Eigentum möglich. Obwohl der gleiche Begriff - Eigentum - verwendet wird, bestehen selbstverständlich Unterschiede in Form, Inhalt und Funktion. Eigentum wird in dem weiten Sinn verstanden, der alle diese Gegenstände einer Person zuordnet. Nicht so sehr die Terminologie ist entscheidend, sondern das Verständnis von Inhalt und Funktion. Dem kommt das ABGB durch die Unterscheidung in körperliche und unkörperliche Sachen entgegen. Mit Weitblick will denn auch Zeiller m. E. verstanden werden, wenn er ausführt, im "objektiven Verstande he isst Eigenthum der Gegenstand, welcher uns eigenthümlich gehört, oder den wir zu unseren beliebigen Zwecken verwenden können. Es wird kein Unterschied gemacht, ob die Sache eine körperliche oder unkörperliche sei; ja es wird vielmehr ausdrücklich gesagt, dass auch unkörperliche Sachen, nämlich Rechte, und zwar ohne Unterschied der dinglichen und persönlichen, einen Gegenstand des Eigentumsrechts ausmachen". Über diese Gegenstände könne man nach Belieben verfügen. 151 Aus diesen Grundsätzen folgt m. E. das gleiche Interesse der Verkehrsfähigkeit bei körpeTlichen Sachen wie Forderungen. Beide werden vom Gesetz als Gegenstände anerkannt, die verkehrsfähig sind: das ist das Wesentliche. Ob man nun von "Eigentum an Forderungen" oder von "einem Recht an der Forderung" oder von "Rechtszuständigkeit" spricht, ist in diesem Zusammenhang letztlich ein terminologisches Gefecht. Wurde die grundsätzliche Entscheidung getroffen, die Verkehrsfähigkeit körperlicher Sachen dürfe nicht beschränkt werden, hat dies auch für Forderungen zu gelten. Zeiller tritt dem Einwand entgegen, die Erweiterung des Sachbegriffs weiche vom römischen Recht ab, welches unkörperliche Sachen weder als eigentliche Gegenstände des Besitzes, noch der Übergabe und des Eigentums anerkannte. Nur ein analoger Besitz, eine analoge Übergabe und ein analoges Eigentum sei an diesen möglich. Schon diese Worte deuteten "auf einen Wortstreit hin, den die Ausleger, wie gewöhnlich, durch den Unterschied zwischen engerer und weiterer Bedeutung des Wortes auszugleichen suchen".152 V. Der Einfluß der rechtshistorischen Schule 1. Bestrebungen der pandektistischen Interpretation des ABGB
Tatsächlich bringt die gegenwärtige Rechtslage ein "eigenartiges Ergebnis"153 an den Tag: Das Veräußerungsverbot hinsichtlich einer körperlichen 151 152 153
Zeiller, Commentar lI/I, 108 f. Zeiller, Commentar lI/I, 109. Gschnitzer, Sachenrecht 157.
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Sache oder eines dinglichen Rechts wirkt in der Regel obligatorisch. Dem Zessionsverbot spricht der OGH I s4 (verstärkter Senat) dagegen absolut dingliche Wirkung zu. Im ABGB von 1811 wurde die Frage, welche Wirkung dem Veräußerungsverbot über Vermögenswerte zukommen sollte, nicht geregelt. Das bereitete der Praxis viele Jahrzehnte Schwierigkeiten. ls5 Diese haben den Gesetzgeber in der III. TN zum Eingreifen veranlaßt; er klärte mit § 364c ABGB diese Frage. Dem durch Vertrag begründeten Veräußerungsverbot hinsichtlich einer körperlichen Sache oder eines dinglichen Rechts kommt im allgemeinen nur obligatorische Wirkung zu. Durch Verweisung auf die wirtschaftliche Interessenlage zur Zeit der III. TN in der Begründung seiner jüngsten Entscheidung zu dieser Frage soll die Aufmerksamkeit der Absicht des Gesetzgebers und dem Herrenhauskommissionsbericht gelten; auch auf diesen beruft sich der OGH in dieser Entscheidung. Zum Zessionsverbot ist in dem Bericht zu lesen, es liege "im Wesen des Verhältnisses, daß das Verbot auch dem Zessionar entgegengehalten werden kann", also absolut wirke. 156 Aufhorchen läßt der nächste Satz: "So entscheidet auch § 399 Deutsch.b.G.B."157 Diese Argumentation übernimmt der OGH, um zu dokumentieren, daß von einer Gesetzeslücke zur Entstehungszeit der III. TN nicht gesprochen werden könne, die Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 364 c ABGB wäre. ISS Warum stützt sich der Gesetzgeber wie auch die Rechtsprechung in dieser Frage auf das BGB, ein von pandektistischen Grundsätzen beeinflußtes Gesetz, welches das im Vernunftrecht auf das gesamte Vermögen einer Person erweiterte Sachenrecht ablehnte und es wiederum auf die Herrschaft an körperlichen Sachen reduzierte? Die Forderung lediglich als Leistungsbeziehung, nicht aber auch als Vermögensbestandteil wie das ABGB betrachtet?159 Nach § 90 BGB sind Sachen im Sinne des Gesetzes nur körperliche; § 241 BGB regelt den Gehalt der Forderung lediglich als relative Anspruchsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Das Sachenrecht des BGB tritt als Bereich der körperlichen Gegenstände dem systematisch wie materiell getrennten Bereich des Schuldrechts gegenüber; im Bereich dieses Gesetzes ist es unmöglich, die Zession als Eigentumsübertragung an der vergegenständlichten Forderung zu sehen. J8I 1984,311 = SZ 57/8. Nr. 78 d. Beil. z. d. Steno Protokollen des Herrenhauses - 21. Session 1912.42. 156 Nr. 78 d. Beil. Z. d. Steno Protokollen des Herrenhauses - 21. Session 1912.44. IS7 Die noch zusätzlich angefügte oberstgerichtIiche Entscheidung betrifft eine grundbücherIich angemerkte Verfügungsbeschränkung einer Forderung. 158 J8I1984, 313. 159 Wieacker, Vermögenszuordnung 62; Larenz, Schuldrecht I 519. 154 ISS
V. Der Einfluß der rechtshistorischen Schule
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Die Verweisung im Falle des Zessionsverbotes auf das in einem anderen Geiste gestaltete BGB ist daher problematisch. Sie führt durch die geschlossene Argumentationskette des OGH in JBI 1984,314 auf die Interessenlage zur Zeit der III. TN letztlich eine dem ABGB systemwidrige Rechtslage herbei, indem durch die Übernahme der Argumentation des Herrenhausberichtes auf das "Wesen des Verhältnisses" der Forderung und § 399 BGB abgestellt wird. Diese Interpretation des ABGB im Geiste der Pandektenwissenschaft wurde durch die österreichische Historische Schule eingeleitet. Nach Ansicht der Lehre verharrte die österreichische Rechtswissenschaft während der Jahre 1820-1850 in den Bahnen der exegetischen Methode, die sich auf die Erklärung der Gesetze aus sich selbst heraus beschränkte. Triste politische und geistige Zustände im vormärzlichen Österreich bewirkten einen Stillstand der wissenschaftlichen Tätigkeit und eine Isolation der österreichischen Zivilrechtslehre von der regen geistigen Entwicklung, die sich zur selben Zeit unter dem Einfluß der Historischen Schule an den deutschen Rechtsfakultäten vollzog. 160 Karl Friedrich von Savigny hatte als Vertreter der romanistischen Gemeinrechtswissenschaft in seiner Streit- und Programmschrift 161 im Jahre 1814 das ABGB einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Vermögensrechtslehre entwickelte er aus anderen Ansätzen als das Vernunftrecht. Sein Anknüpfungspunkt ist die Willensherrschaft, die sich über die unfreie Natur und fremde Person erstrecken kann. "Die unfreie Natur kann von uns beherrscht werden nicht als Ganzes, sondern nur in bestimmter räumlicher Begränzung; ein so begtänztes Stück derselben nennen wir Sache, und auf diese bezieht sich daher die erste Art möglicher Rechte: das Recht an einer Sache, welches in seiner reinsten und vollständigsten Gestalt Eigenthum heisst." 162 Diese Herrschaft kann nun über eine fremde Person nicht ausgedehnt werden; denn wäre sie "eine absolute, so würde dadurch in dem Anderen der Begriff der Freiheit und Persönlichkeit aufgehoben; wir würden nicht über eine Person herrschen, sondern über eine Sache, unser Recht wäre Eigenthum an einem Menschen". Es müsse ein anderes Rechtsverhältnis sein, das die Herrschaft nur auf einzelne Handlungen dieser Person beziehe. "Ein solches Verhältnis der Herrschaft über eine einzelne Handlung der fremden Person nennen wir Obligation." 163
160
161
16~ 16)
Ogris, Historische Schule 451 f. m. w. H. Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Sal'igny, System I 338. Sal'igny, System I 339.
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Unkörperliche Sachen können somit keinesfalls mehr Gegenstand des Eigentumsrechts sein, der Sachbegriff wird auf körperliche eingeschränkt. Savigny erhebt nun gegen das ABGB aus seiner Sichtweise Vorwürfe, ohne die vernunftrechtlichen Grundlagen dieses Gesetzbuches zu beachten: "Die Begriffe der Rechte nämlich sind theils zu allgemein und unbestimmt, theils zu sehr auf den biossen Buchstaben des Römischen Rechts, oder auch auf das Missverständnis neuerer Commentatoren desselben gegründet, was bei gründlicher Quellenkenntnis nicht möglich gewesen wäre."164 Die auf vernunftrechtlichen Erkenntnissen aufbauende Zweiteilung in Personenrecht und Sachenrecht des ABGB I 65 disqualifiziert Savigny: Sie sei "weder auf Römische, noch auf irgend eine andere Weise bestimmt gedacht" .166 Weil nun der weite Sachbegriff des ABGB mit dem Eigentum korreliert, kommt Savigny zum Schluß, es sei "einleuchtend, daß eben dadurch diese Begriffe durchaus gestaltlos und unbrauchbar werden" .167 Savignys Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen, daß sich als Folge der Kodifikation die Rechtspflege nur scheinbar durch "das Gesetzbuch, in der That aber durch etwas anderes, was außer dem Gesetzbuch liegt, als der wahrhaft regierenden Rechtsquelle, beherrscht werden"168 wird. Denn tatsächlich interpretierte die Pandektistik das ABGB später in ihrem Sinn. a) Versuch der Proskription von Martinis und Zeillers naturrechtlichen Lehrbüchern Nach der Meinung von Oberkofler blieb die österreichische Rechtswissenschaft im Vormärz nicht einfach stehen. War doch ein vehementer wissenschaftlicher Meinungsstreit in der 1825 gegründeten Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzeskunde zu beobachten! Die Lehrbücher Martinis und Zeillers stellten das fortschrittliche Naturrecht in einer Art dar, die spezifisch auf das österreichische System zugeschnitten war. Diese Schriften standen allerdings unter starkem Druck vormärzlicher Reaktion. Gegen konservative Kräfte mußten sie verteidigt werden, um ihre Verwendung als Vorlesebücher an österreichischen Universitäten zu sichern. 169 164
Savigny, Beruf 98.
165 "Die vernunft/osen Wesen sind durch Ordnung der Natur zu beliebigen Zwecken der
vernünftigen Wesen (Personen) bestimmt, und werden, zum Unterschied von Personen, Sachen genannt", Zeiller, Commentar 11/1 3. 166 Savigny, Beruf 99. 167 Savigny, Beruf 99. 168 Savigny, Beruf 22 f.; Ogris, Wissenschaft 156. 169 Oberkoj7er, Studien 15 f.; vgl. zum folgenden auch Barta, Rezension 104 f.
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Der Delegat Mazzoleni zog gegen Martinis und Zeillers Lehrbücher für das natürliche Privat- und öffentliche Recht zu Felde, weil er einige der darin enthaltenen Lehren für sehr gefcihrlich und geeignet hielt, die unglücklichsten Folgen und eine Störung der gesellschaftlichen Ordnung herbeizuführen. Mazzoleni wollte das Gedankengut der Aufklärung bekämpfen: Läge doch die Hauptursache der Französischen Revolution und vergleichbarer trauriger Ereignisse in der irrigen Lehre des vom Naturzustand abgeleiteten Gesellschaftsvertrages. Nach Martini legitimiert sich die Macht des Monarchen aus dem Recht des Volkes, das ihm diese Macht übertragen hat. Diese Theorie wollte Mazzoleni vom Unterricht verbannen und an dessen Stelle die Lehre der Autorität als Grundlage des Staatsrechts sehen. 170 Die Überlegungen vom Gesellschaftsvertrag waren denn auch viel mehr von politischer als wissenschaftlicher Brisanz, konnten doch von ihnen die Fürsten- oder Volkssouveränität und di~ allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte abgeleitet werden. Zeillers Lehre von den angeborenen Rechten l7l de~ Menschen stempelte Mazzoleni als gefcihrlich und unheil bringend ab. Habe doch schon Thomas Paine in "Rights of Man" (1790) ähnliche Gedanken vertreten und mit den demokratischen Parolen der Französischen Revolution sympathisiert. 172 In der Folge diskriminiert Mazzoleni sämtliche Ansätze des Naturrechts und deren Vertreter. Schon die Justinianische Gesetzgebung wie die Glossatoren seien von einem falschen Begriff des natürlichen Rechts ausgegangen. Danach verurteilte er die Reformation; sie hätte die Anwendung des von ihr vertretenen Prinzips der individuellen Souveränität auf die politische Ordnung begünstigt. Auch Descartes falle in diese Linie wie überhaupt alle Traktate über das natürliche und öffentliche Recht, die in Holland, Deutschland, Frankreich und England seit dem 16. Jahrhundert dem "FundamentalIrrthum" des Dogmas der Volkssouveränität erlegen seien. Daher verurteilt er Grotius, Hobbes, Puffendorf, Sidney, Locke, Thomasius und Wolf. Auch Montesquieu hätte die Idee vorgeschwebt, die Nation solle sich selbst beherrschen. Nicht zu reden von Rousseau, der mit seinen Werken beigetragen habe, die Welt zu erschüttern. Auch Kants Ideen gehörten nach der Meinung Mazzolenis proskripiert, hätten sie doch in ihren verführerischen Formen das Übel begünstigt. 173
170 Begutachtung der Denkschrift des Delegaten Mazzoleni durch Dollinar und Jenull, veröffentlicht in Oberkofler, Studien 29 ff. 171 Vgl. § 16 ABGB: "Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als Person zu betrachten ... ". 172 Oberkofler, Studien 19 ff. 173 Begutachtung der Denkschrift des Delegaten Mazzoleni durch Dollinar und Jenull, veröffentlicht in Oberkofler, Studien 29 ff.
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Gegen diese äußerst bedenklichen Anfeindungen verfaßten Dollinar und Jenull ein mutiges, gründliches Gutachten, das die politischen Realitäten im Auge behielt, aber auch der restaurativen Strömung des Vormärz entgegentrat. Die umständlichen Diskussionen klangen aber nicht ab und mündeten in den Plan einer allgemeinen Reform der juridisch-politischen Studien. 174 b) Wiedereingliederung der österreichischen Rechtswissenschaft in die gesamtdeutsche durch die Universitätsreform des Ministers Thun-Hohenstein Dieser "vormärzlichen Idylle" der österreichischen Rechtswissenschaft wurde im Sturmjahr 1848 ein abruptes Ende bereitet. Studenten hatten sich während der Revolution an der Spitze des Aufstandes betätigt. Das ließ den Schluß zu, daß das Naturrecht und die Rechtsphilosophie die Studierenden in ihrer liberalen, revolutionären Gesinnung bestärkt hätte; zudem lag die Vermutung nahe, daß das vormärzliehe Studiensystem seine Aufgabe, die jungen Rechtshörer im konservativen Geiste zu erziehen, nicht erfüllen konnte. Die durch die Revolution des Jahres 1848 unmittelbar bedrohten spätfeudalen Schichten der Monarchie sahen im Naturrecht die Ursache der Französischen Revolution. Thun, der Repräsentant dieser noch herrschenden Schichten, beabsichtigte, dem Naturrecht die Historische Schule entgegenzustellen. Ein Wendepunkt der österreichischen Rechtswissenschaft war erreicht. Die Neuorientierung des Studiensystems wurde zur politischen Notwendigkeit, entweder auf der Grundlage der bisherigen Tradition oder durch Übernahme des deutschen ModellsY' Die Antwort ist einer Rede 176 des Unterrichtsministers Graf Leo ThunHohenstein zu entnehmen, die er im Jahre 1852 hielt. Er führte unter anderem aus, daß dem römischen und germanischen Recht im österreichischen Studienplan kein Platz eingeräumt worden sei. "Diese Mißgriffe konnten nicht ohne Nachtheil für die Rechtswissenschaft in Österreich bleiben. Während in Deutschland durch den großen Rechtslehrer Savigny und andere eine mächtige Schule begründet, und die Rechtslehrsamkeit wahrhaft gefördert wurde, ... ,musste die juridische Literatur Österreichs in bedauerlicher Weise zurückbleiben." Sie hätte nichts anderes aufzuweisen "als Handbücher für den praktischen Gebrauch". Den Niedergang der österreichischen Zivilrechtswissenschaft im Vormärz, der sich in blinder Anbetung des ABGB und Vergötzung des Gesetzesbuchstabens zeige, habe man der Naturrechtsschule zu verdanken, "die das bürgerliche Recht nicht 174
m 176
Vgl. Oberkoj7er, Studien 26 ff. Ogris, Historische Schule 452; vgl. Oberkoßer. Studien 155. Die Rede ist abgedruckt bei Lel11ze, Universitätsreform. Anhang III 304 ff.
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sowohl als auf höhere sittliche Gesetze gegründete Ordnung geschichtlich gegebener thatsächlicher Verhältnisse, sondern vielmehr als das Produkt der Spekulation des menschlichen Verstandes betrachtete". Thun haßte das Naturrecht, dem er die Schuld für die liberalen und revolutionären Ideen der studierenden Jugend zuschrieb. Es sollte fallen und an seiner Stelle rechtshistorische Disziplinen treten, welche die jungen österreichischen Rechtshörer zu einer konservativen Denkungsart bekehren sollten. 177 Das Ziel des Programms, das Thun auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft und des juridischen Ausbildungsganges formulierte, war die Eingliederung der Gesamtmonarchie in den Bereich des Gemeinen Rechts der deutschen Rechtswissenschaft. Das ABGB sollte ebenso wie das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 nach der zu dieser Zeit in Deutschland herrschenden Historischen Schule und Pandektenwissenschaft behandelt werden. Dieses Programm suchte Thun diktatorisch von oben her durchzusetzen. Sollte es konsequent durchgeführt werden, bedeutete dies das Ende der in der theresianisch-josefinischen Zeit begründeten eigenständigen Rechtswissenschaft und ihre Eingliederung in die gemein-deutsche J urisprudenz. 178 Bei den Befürwortern der traditionellen österreichischen Rechtskultur stieß dieses Reformprogramm auf erbitterten Widerstand: 179 Es würde einen tiefgreifenden Bruch in der Entwicklung bewirken. Hatte doch das ABGB bei seiner Einführung der Praxis keine Schwierigkeiten bereitet. Scheinbar ohne Mühe wendete sie das neue Recht an. In den Entscheidungen spiegeln sich die naturrechtlichen Anschauungen der damaligen Juristen wider und ihre Gewissenhaftigkeit, Unbestechlichkeit und Unparteilichkeit tritt überall zu Tage. Oft wurden den Urteilen Erwägungen der Vernunft und Billigkeit zugrunde gelegt, so daß der Vorwurf ungerechtfertigt ist, das Hintansetzen der Rechtswissenschaft dem starren Festhalten am Gesetzesbuchstaben gleichzusetzen. Sie haben keine dem Rechtsgefühl ins Gesicht schlagende Entscheidungen gefällt, wie sie bei doktrinärer Buchstabenauslegung vorkommen können, so daß die konkrete Fallentscheidung fast immer zu billigen ist. 180 Als Thun den jungen Kaiser Franz Joseph für seine Reformpläne gewinnen konnte, begannjener sein Programm in die Tat umzusetzen. 181 Nicht aus Lentze, Eingliederung 65. Lentze, Universitätsreform 104. 179 Ogris, Historische Schule 454. 180 R. Hermann, R. Bartseh, O. Leonhard, L. Bernhard, E. Former, Praxis 58\ ff. Zu einer Untersuchung der Rechtsprechung aus dem Jahre \8\3-\820 wurden hunderte Entscheidungen der Obersten JustizsteIle herangezogen. 181 Ogris, Historische Schule 454. 1'7 178
4 Hoop
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eigenem Antrieb, sondern durch den politischen Gestaltungswillen eines Ministers aufgezwungen, sollte die österreichische Zivilistik in die deutsche Historische Schule eingegliedert werden. Thuns wichtigster Helfer, der seine wissenschaftspolitischen Pläne in wissenschaftliche Tat umsetzte, war Josef Unger. 182 Obwohl Unger nach den damaligen Verhältnissen keineswegs als professorabel gelten konnte,183 begann unter Thuns schützender und fördernder Hand eine glanzvolle Karriere. In der Erwartung, daß Unger der "historischen Behandlung des österreichischen Civilrechts"184 Bahn brechen werde, wurde er an der Prager Universität im Jahre 1853 zum Professor ernannt. Drei Jahre später nahm er die Berufung nach Wien an, um die historische Methode gegenüber der althergebrachten exegetischen zu vertreten. Die Gegenwehr der älteren Schule erlahmte, denn Unger war mit seinem "System des österreichischen allgemeinen Privatrechts" nicht nur zu einer wissenschaftlichen Kapazität geworden, sondern er sammelte um sich auch eine stattliche Zahl bedeutender Anhänger. Diese, wie Exner, Randa, aber auch Arndts, Pfaff und Hoffmann gestalteten seit der Mitte der sechziger Jahre die österreichische Zivilistik im Zeichen der Historischen Schule. 185 Der Historischen Rechtsschule, nach dem Titel ihrer charakteristischen Lehrbücher zur .. Pandektenwissenschaft" geworden, lag das Rechtsbild des wissenschaftlichen Positivismus zugrunde. Dieser beschränkte die Ableitung von Rechtssätzen und Entscheidungen ausschließlich auf System, Begriffe und Lehrsätze der Rechtswissenschaft. Außerjuristischen Wertungen, etwa religiöser, sozialer oder philosophischer Art, wirtschaftlichen oder soziologischen Zweckmäßigkeiten gestand er keine rechtserzeugende oder rechtsändernde Kraft ZU. 186 Als Hilfswissenschaft der Jurisprudenz wurde nur die Geschichte anerkannt; dagegen die Rechtsphilosophie abgelehnt; die KampfsteIlung gegen das Naturrecht, die wissenschaftliche Basis der eigenständigen österreichischen Zivilrechtswissenschaft, war vorgegeben. Die Geschichte wurde in der Pandektenwissenschaft herangezogen, um einzelne Begr,iffe durch historische Forschung aus der Entwicklungsgeschichte der Rechtsinstitute abzuleiten. Sie verwendete das antike römische Recht als Grundlage ihres Begriffssystems. Das System des rechtswissenschaftlichen Positivismus beanspruchte ein geschlossenes, lückenloses System. Dieses war durch unablässiges Lentze, losef Unger 224. Lentze, Universitätsreform 139; Hindernisse für eine akademische Laufbahn waren sein mosaisches Bekenntnis und seine politische Betätigung im Jahre 1848. 184 Ernennungsantrag Thuns an den Kaiser, abgedruckt bei Lentze, Voraussetzungslose Wissenschaft, 207 ff. 18S Ogris, Historische Schule 458 ff. 186 Wieacker, Privatrechtsgeschichte 431. 182
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Ausfeilen und Zuschleifen der rechts wissenschaftlichen Begriffe bis zu voller Systemgerechtigkeit zu erreichen. So entwickelte die Pandektenwissenschaft die Begriffsjurisprudenz, die durch logische Subsumtion unter einen Lehrsatz oder Begriff die richtige Entscheidung für jeden einzelnen Rechtsfall finden wollte. 187 War durch die verschiedenen Partikularrechte in der Zeit des Deutschen Bundes eine Rechtszersplitterung gegeben, so bemühte sich die Pandektenwissenschaft, die Einheit der Rechtstheorie und Rechtsfortbildung sicherzustellen. Die von ihr entwickelte Methode und deren Begriffspyramide bestimmten weitgehend die Interpretation der einzelnen deutschen Zivilrechtsbücher. Es sollte nach dem Willen Thuns die Eingliederung des preußischen Privatrechts in die deutsche Pandektenwissenschaft Vorbild für die österreichische Zivilrechtswissenschaft nach 1848 sein. 188 Unger, der auf die Linie Thuns eingeschwenkt hatte, fand seine Aufgabe in der Einordnung des österreichischen Rechts als Wissenschaft von einem Partikularrecht in die deutsche Gemeinrechtswissenschaft. Dabei besann er sich auf das römische Recht, soweit es für die Dogmatik des geltenden Zivilrechts von Bedeutung war. 189 Schwerpunkt seiner Arbeit war die kritische Würdigung und die Interpretation des ABGB im Sinne der Pandektenwissenschaft. Um das ABGB einer wissenschaftlichen Kritik zu unterziehen, wurde es vor das Forum der Pandektenwissenschaft gezogen und nach deren Errungenschaften beurteilt. Nach Unger war es ein "Hinderniß des Fortschritts, ein Hemmschuh der Entwicklung geworden". 190 Er war der Ansicht, daß es bei diesem Stand der Dinge Pflicht sei, "sich die Resultate der neueren Forschungen anzueignen, zu fragen, wie sich die gesetzlichen Bestimmungen zu den Ergebnissen der neueren gründlichen Untersuchungen verhalten, zu prüfen, inwieweit die gesetzlich fixierten Sätze auf theoretische Anerkennung noch Anspruch machen können".191 Eine Revision der Grundbegriffe sei nötig, denn "eine Menge falscher und halbwahrer Begriffe hat sich über das ganze Gebiet unserer Jurisprudenz ausgebreitet ... ".192 Zu diesem Zweck müßten die Schleusen "geöffnet werden, um den reichen Strom deutscher Wissenschaft auf die brach liegenden Fluren der österreichischen Jurisprudenz zu leiten" .193 187 188 189
190 191 192 19J
4"
Wieacker, Privatrechtsgeschichte 436. Lentze, Eingliederung 63 f. Lentze, Eingliederung 67. Vorrede zum System I VIII. Vorrede zum System I VIII. Vorrede zum System I Vf. Vorrede zum System I VI.
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Aber nicht die Revision des ABGB, sondern die Schaffung eines gesamtdeutschen Zivilgesetzbuches war das hehre Ziel von Unger. "Die Einigung der österreichischen Rechtswissenschaft mit der deutschen zu diesen Zwecken anzubahnen und zu vollziehen, das muss die bewußte Aufgabe der österreichischen Civiljurisprudenz in unseren Tagen bilden."194 Als 1866 Österreich endgültig von Deutschland getrennt wurde und das deutsche Reich seine Kodifikationen schuf, fand Unger sich damit ab, daß eine gesamtdeutsche Kodifikation in Österreich nicht mehr Geltung erlangen konnte. Aufgrund der damaligen politischen Lage trat er für die Novellierung einzelner Bestimmungen ein und wies dem Gesetzgeber damit den Weg. 195 Zur zweiten Aufgabe der österreichischen Pandektistik, der Interpretation des ABGB, bediente sich Unger des römischen (gemeinen) Rechts. In den Fällen, in denen der Gesetzgeber ein gemeinrechtliches Institut benannte, ohne dessen gesamten Inhalt zu regeln, sei das betreffende gemeinrechtliche Rechtsinstitut in seiner Totalität in das ABGB rezipiert worden. Nach Unger ist kraft logischer Auslegung das gemeine Recht in diesen Fällen daher geltendes Recht. 196 Das trifft sicherlich nicht auf die Zessionslehre zu. Ist doch Zeiller mit dem Resultat, daß die Abtretung eine Singularsukzession des Zessionars in die Forderung bewirkt, über die gemeinrechtliche Zessionslehre hinausgekommen. Martini hatte sich zumindest in der älteren Fassung des § 546 Urentwurfs 197 noch nicht zu dieser Meinung durchgerungen, indem er nach gemeinrechtlicher Lehre an der Unabtretbarkeit der Forderung festhielt: "Der Übernehmer der Forderung ist demnach als Machthaber berechtigt, den übernommenen Schuldner im Namen des Cedenten zu belangen. Die Abtretungsurkunde stellt die Vollmacht dar:'i98 Durch das Umschwenken der österreichischen Privatrechtswissenschaft von der naturrechtlich-exegetischen zur historisch-systematischen Methode sollte die vernunftrechtliche Vermögensrechtssystematik des ABGB gesprengt werden. Nach der pandektistischen Theorie wurde die sachenrechtliche Konstruktion der Abtretung in die Übertragung der schuldrechtlichen Rechtszuständigkeit umgedeutet. Unger legte dem ABGB die romanistische Teilung in Schuld- und Sachenrecht zugrunde. Der Ausdruck Eigentum im § 353 ABGB werde in einer weiten, unjuristischen Bedeutung verwendet, dem alles zugehören könne, was unter den Begriff bona, was in bonis est, falle. \94 Unge,., Entwicklungsgang. Abdruck im Anhang zur 5. Aufl. von Ungers System I. 635 ff., 650. \95 Lentze, Unger 229 f. \96 Unger, System I 83; Koschembah,.-LyskOll"ski. Stellung 250 f. \97 Urentwurf 111 16 § 546. \9& Harrassowsky, Codex, Bd. 5,226 Anm. 5.
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In diesem Sinne spreche man auch von Eigentum an Forderungen, indem Eigentümer soviel wie Berechtigter bedeute. Wie wenig passend die Definition des § 353 ABGB sei, "bei welcher Eigenthum mit Vermögen identifiziert wird, an der Spitze der Lehre vom Eigenthum im technischen Sinne stehe, leuchtet von selbst ein" .199 Die Meinung der Redaktoren des ABG B radikal zur Seite schiebend, wird im Anschluß an Savigny der Sachbegriff auf körperliche Sachen reduziert. Über die vernunftrechtlich-kantianische Herkunft der Idee des umfassenden Sachenrechts hinwegsehend, legte Unger dem § 292 ABGB die römischrechtliche Zweiteilung in res corpora/es und res incorpora/es zugrunde. Das ABGB sei dem Irrtum verfallen, daß es jene Einteilung für eine solche der Sache selbst halte, anstatt sie als Einteilung der Vermögensbestandteile zu sehen, die in Sachen (res corporales) und Rechte (res incorporales) aufzuspalten sei. Das ABGB konnte sich in § 292 vor allem "darein nicht finden, daß das römische Recht die res corporales als res quae tangi possunt bezeichnete, ... und hielt sich vom Standpunkt einer durchgebildeteren Philosophie aus für berechtigt, die Definition der körperlichen Sachen dahin zu berichtigen, dass sie alle Dinge umfassen, welche überhaupt in die Sinne, nicht bloss in den Tastsinn fallen". 200 Diese neue Lehre sieht sich daher gezwungen, das Eigentum im technischen Sinn "wie nach gemeinem Recht so auch für unser österreichisches Recht auf die totale rechtliche Herrschaft über körperliche Sachen" zu beschränken, "wenn man nicht in gänzliche Zersetzung und Auflösung der Begriffe so wie in maßlose Verwirrung gerathen Will".201 Die Ausdehnung dieses Eigentumsbegriffs aufForderungen im Sinne Zeillers wird undenkbar, denn seine Ausführungen beruhten nach Unger "auf einer Verwechslung des Gegenstandes des Rechts mit dem Recht selbst".202 Der Ausdruck Eigentum einer Forderung könne nur ebenso uneigentlich gebraucht werden wie in den römischen Quellen. 203 Auch Exner sprach im Hinblick auf eine "prinziplose Unge,., Unge,., Unge,., Unge,., Unge,.,
System I 380 Anm. 39. System I 359. "01 System I 525. ,0" System I 525 Anm. 57. "03 System I 525 Anm. 56; - "In diesem uneigentlichen Sinn wird das Wort Eigenthum auch im § 353 a.b.G.B. gebraucht und dieser Gebrauch ist hier um so verwerflicher als der § 353 a.b.G.B. an der Spitze der Lehre vom Eigenthum im technischen Sinn steht und schon der nächstfolgende § 354 a.b.G .B. bei der Definition des Eigenthums im subjectiven Sinne den Begriff des Eigenthums mit Recht auf körperliche Sachen beschränkt, also in den zwei aufeinanderfolgenden §§ 353, 354 a.b.G.B. dasselbe Wort (Eigenthum) in verschiedenem Sinn gebraucht wird." - Unge,., System I 526 Anm. 59. Diese Ausführungen Ungers stimmen mit der oben dargestellten Entstehungsgeschichte des ABGB nicht überein, wurde doch ausdrücklich während der Beratungen des § 354 der Eigentumsbegriff auch auf Forderungen ausgedehnt, weil "nur in dem römischen Rechte diese beschränkte Bedeutung vorkomme", (Zeiller) die Wissenschaft und Rechtsphilosophie einer solchen Einengung ablehnend gegenüberstehe. Olner, Protokolle I 243. 199
"00
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Theorie", die im ABGB ihren legislativen Ausdruck fand, dem allgemeinen Begriff unkörperliche Sache die juristische Brauchbarkeit ab. 204 Konsequent verneint Unger die Berechtigung des § 427 ABGB für die Zession, werde doch mitten "in der Lehre vom Eigenthum im technischen Sinn, vom Eigenthum an Schuldforderungen gehandelt". 205 Die Rechtsprechung vertrat den gegensätzlichen Standpunkt; es unterliege keinem Zweifel, "daß zur Übertragung des Eigenthumes einer abgetretenen Forderung eine Übergabe und zwar auf eine der im §427 a.b.G.B. bezeichneten Arten an den Zessionar nothwendig" sei. 206 Selbstverständlich rechnet sie die Schuldforderungen "den beweglichen Sachen ... (§§ 298, 299 a.b.G.B.)" zu. Die Parallele zur Eigentumsübertragung körperlicher Sachen zog die Rechtsprechung, als sie, die Forderungen im Auge, fortfuhr, daß "zur Erwerbung des Eigenthums an denselben ... allerdings die Tradition nothwendig" sei. 207 Dagegen wendet sich Randa, ein weiterer Vertreter der Historischen Schule. Er will den Anwendungsbereich des § 427 ABGB aufInhaberpapiere begrenzt sehen. Sollte diese restriktive Auslegung nicht gebilligt werden, so würde man den "Unterschied zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten preisgeben und bedenklicher Verwirrung Thür und Tor öffnen".208 Methode und Geisteshaltung der Historischen Schule zeigte sich insbesondere in Äußerungen zur Lehre vom titulus und modus acquirendi. Während das ABGB für die Übereignung das Vorliegen eines gültigeniTitels verlangt, lehrte Savigny im "System", die Tradition als solche sei ein Vertrag. Die beiden Willenserklärungen seien darauf gerichtet, Eigentum zu geben und zu nehmen. Dieser dingliche Vertrag mit dem Ziel der Begründung, Belastung, Veränderung oder Aufhebung eines Sachenrechts stehe neben dem schuldrechtlichen selbständig da. Bei der Tradition bezwecke er also eine Übertragung des Eigentums im Sinne einer echten Sukzession. Der dingliche Vertrag sei von seinem wirtschaftlichen Grundgeschäft unabhängig, also abstrakt. 209 Für Exner war die Folge, daß die Regelung des ABGB, "die Lehre vom Titulus, ein Spiel der ins Unbestimmte abstrahierenden Theorie, nirgends praktische Konsequenzen nach sich zieht." ... "Denn die betreffenden, rein doktrinären Sätze entbehren jeder materiellen Bedeutung. "210 In die gleiche Kerbe schlägt Randa, der zu den Bestimmungen über den mittelbaren 204 205
206 207 208 209 210
Exner, Rechtserwerb 39. Unger, System I 526 Anm. 59.
GIU 4534. GIU 7398. Rondo, Eigenthumsrecht 282. Felgenträger, Einfluß 40 f. Exner, Rechtserwerb 84.
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Erwerb von Eigentum mittels Titel und Übergabe meint, daß sie "eben nur als irrige theoretische Lehrsätze erscheinen, welche in anderweitigen materiellen Bestimmungen des Gesetzbuches ihre sachliche Korrektur finden und jeder praktischen Konsequenz entbehren". 211 Unter Berufung auf Savigny stellt sich für Unger die Eigentumstradition als abstrakter Vertrag dar. 212 Diesen Grundsatz dehnt er auf die Zession aus und qualifiziert den Zessionsakt, den modus acquirendi, als Abtretungsvertrag. 213 Er weist damit in eine andere Richtung als Zeiller, der die Abtretung als "Faktum" deutete. Angesichts des Wortlautes des Gesetzes konnte sich die Lehre von der abstrakten Tradition nicht durchsetzen. 214 Daß die Abtretung aber ein Konsensualvertrag ist, wird anerkannt. 215 Damit ist die Zession ein rein schuld rechtliches Rechtsgeschäft. 2. Die Rückkehr zum ABGB
Der österreichischen Pandektistik kommt das bleibende Verdienst zu, die von der Pandektistik meisterlich gehandhabte System- und Begriffsbildung in die österreich ische Jurisprudenz eingeführt zu haben. 216 Die Kehrseite dieser Medaille war die gewaltsame "Romanisierung" des Rechts; sie führte zum Bewußtsein, daß methodisch ein fehlerhafter Historismus angewendet wurde. 217 Trat doch in der Blütezeit der Pandektistik eine tiefe Kluft zwischen Lehre und Praxis auf, denn angesichts einer abweichenden Gesetzgebung konnte die Theorie keinen Platz in der Lebenswirklichkeit finden; die Praxis entbehrte dadurch belebender Anregungen seitens der Wissenschaft und wurde zur trockenen Kasuistik. 218 Diese Situation wurde erst durch die Publikation der bis dahin unzugänglichen Gesetzesmaterialien überwunden. Ihre Auswertung zertrümmerte die These von der Rezeption des gemeinen Rechts in complexu in das ABGB. Abweichungen des Gesetzbuches vom gemeinen Recht wurden nicht mehr als Irrtümer, sondern als Resultat sorgfältiger rechtspolitischer Überlegungen des aufgeklärten Gesetzgebers gesehen. Die neue Tendenz der österreichischen Zivilrechtswissenschaft führte zur Rückkehr zum ABGB;219 auch Unger unterstützte sie. Seinen Randa, Eigenthumsrecht 273; vgl. Ogris, Historische Schule 484 f. Unger, System 11 170 f.; 9 f. Anm. 30. 213 Unger, System 11 205 f. Anm. 15. 214 Klang in Klang 11 299; die Ansicht von Savigny setzte sich in § 929 BGB durch. Dort hat die Lehre vom dinglichen Vertrag, der von dem ihm zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag losgelöst ist, Anerkennung gefunden. 215 Randa, Der Besitz 435; WoljJin Klang VI 287; Gschnitzer, SchRAT 176. 216 Gschnitzer, AT 13. 217 Schey, Einleitung I/I 20. 218 Till, Rechtfertigung 385. 211
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Ausführungen ist zu entnehmen, daß er sich "nur mühsam von den Fesseln der romanistischen Schuldoktrin befreit und erst allmählich zu einer unabhängigeren Auffassung und freieren Darstellung emporgerungen habe". 220 Dem positiven Gesetzesinhalt trat die Lehre nunmehr vertrauensvoll gegenüber und versuchte, soziale, ethische und wirtschaftliche Motive des Gesetzes zu erkennen, um sie für die Entwicklung des bürgerlichen Rechts zu verwerten. 221 Nachdem Unger 1904 die großen sachlichen Vorzüge des ABGB gelobt2 22 hat, trat er ein für eine "Reform im einzelnen (und) mosaikartige Einzelkorrekturen, um Änderungen gesetzlicher Bestimmungen rein positiver Natur, die durch Rechtswissenschaft und Rechtsfindung, mag man ihre Freiheit noch so weit spannen, nicht herbeigeführt werden können". 223 In den Jahren 1914-1916 wurde dann die Teilnovellierung des ABGB durchgeführt. Weil sich der OGH zur Begründung der absoluten Wirkung des Zessionsverbotes auf die wirtschaftliche Interessenlage der III. TN beruft, sollten die Bemerkungen des Berichterstatters der Kommission des Herrenhauses in Erinnerung gerufen werden. Er spricht zur Verwendung für die Auslegung und die Fortbildung des novellierten ABGB eine "Warnung vor Überschätzung der Gesetzesmaterialien" aus. 114 Das ist umso beachtenswerter, als sich der Herrenhauskommissionsbericht zur Klärung obiger Fragen auf das "Wesen des Verhältnisses" unter Verweis auf § 399 BGB beruft. Die Argumentation aus dem Wesen eines Verhältnisses verwehrt die selbständige Bewertung entscheidungsrelevanter Fakten. 11s Aber auch bei der Abfassung des BGB war die Wirkung des pactum de non cedendo umstritten, ebenso wie im gemeinen Recht. Weil eine Quellenentscheidung aus dem römischen Recht fehlte, war im gemeinen Recht freie Hand gegeben, die Antwort aus allgemeinen RechtsSehe)" Einleitung 1/1. 20. Unge/', GrünhutsZ XV (1888) 676 Anm. 8. 221 Sehe)" Einleitung 1/1. 20. 222 Unge/', GrünhutsZ XXXI (1904) 390 .. Es geht ein freier frischer Zug durch dasselbe, es weht die Luft der Aufklärung und der Humanität des 18. Jahrhunderts darin. Gar manches, was man jetzt als eine "Errungenschaft" des delllsehen bürgerlichen Gesetzbuches preist und mit Recht als einen bedeutenden Kulturfortschritt rühmt. ist in Österreich durch das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch längst zum Gemeingut geworden". 22.1 Unge/', GrünhutsZ XXXI (1904) 404. 224 Sehey, Einleitung 1/1,17 "Erläuterungen oder Mitteilungen der Regierung aus Anlaß einer RV oder einer Verordnung können Aufschluß über gewisse Zusammenhänge geben, nicht aber authentische Antwort auf im Gesetz unerledigt gebliebene Fragen". "Zu den Materialien gehören auch fremde Gesetze. die bei der Ausarbeitung der Entwürfe vorbildlich waren, für die österreichischen Novellen also namentlich das DBGB. Dabei darf aber niemals vergessen werden, daß selbst eine aus dem DBGB in das ABGB wörtlich übernommene Bestimmung in einer anderen Umgebung auch ganz anders wirken kann ...... 225 Otte, JuS 1970, 159. 219
220
V. Der Einfluß der rechtshistorischen Schule
57
grundsätzen herzuleiten. Die einen verwiesen auf die Analogie zu den Regeln, welche das römische Recht in bezug auf das vertragsmäßige Veräußerungsverbot bei körperlichen Sachen aufstellte. Eine trotz solchen Verbotes geschehene Veräußerung war nicht nichtig, sondern verpflichtete den Vertragsbrüchigen nur zu Schadenersatz. Aus ökonomischen Überlegungen müsse dasselbe beim vertraglichen Zessionsverbot gelten. 226 Die anderen betonten den formaljuristischen Standpunkt, die Parteien könnten die Forderung beliebig individualisieren; damit werde "von vornherein der Macht des Gläubigers die Grenze gesetzt, dass er nur von dem Schuldner Leistung soll fordern dürfen".227 Der Entwurf erster Lesung des BGB versagte dem vereinbarten Abtretungsverbot die absolute Wirkung, denn nach moderner Auffassung über die Verkehrsrahigkeit und die Sonderrechtsnachfolge in Forderungen seien sie gleichsam versachenrechtlicht und daher den rechtsgeschäftlichen Dispositionsbeschränkungen der Sachen zu unterstellen. Gewichtig waren auch praktische Erwägungen. Absolute Wirkung des Zessionsverbotes würde zur Folge haben, daß die Forderung auch im Wege der Exekution nicht übertragbar sei. Damit werde die Gläubigerbenachteiligung durch das Gesetz erleichtert. 228 Die Kommission bestätigte in zweiter Lesung diese Auffassung nicht. Sie vertrat die Meinung, daß die Zulässigkeit eines pactum de non cedendo mit Wirkung gegen Dritte "an sich schon in der Natur der Forderungsrechte begründet sei"; weiters müsse der Schuldner den mit einer Abtretung verbundenen Gefahren vorbeugen können. Für die Frage der Wirkung des Abtretungsverbotes im Bereich des ABGB sollte sich die Rechtsprechung nicht durch eine direkte Verweis kette am BGB orientieren, sondern sich der vernunftrechtlichen Herkunft des umfassenden Sachenrechts, welches das gesamte Vermögensrecht zusammenfaßt, bewußt werden. Dem Grundsatz der Verfasser des Gesetzbuches folgend, welche die innere Einheit des Gesetzes, das logische Ineinandergreifen der einzelnen Vorschriften, die Zurückführung spezieller Normen auf allgemeine Prinzipien zum Ausdruck bringen wollten,229 sollte das Zessionsverbot wie das Veräußerungsverbot bei körperlichen Sachen relative Wirkung entfalten. Besonderes Interesse legte Zeiller auf die Harmonie der Gesetzgebung. 23o Diese werde gestört, "wenn man nebst dem einheimischem ein auf anderen Prinzipien ruhendes fremdes Recht bestehen lässt". 231 Seuffert, Zessionsverbot, AcP 51 (1868) 102 ff. Windscheid, Pandekten 11 § 235 Anm. 5; Stegmann , pactum de non cedendo, AcP 67 (1884) 315 ff. 228 Motive 11 122 f. Mugdan 67. ~29 S\\'oboda, Kant 144 ff. ~~6
~~7
=
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Im Unterschied zum ABGB beruht das BGB durch Einengung des Sachbegriffs auf körperliche Gegenstände in § 90 BGB auf der Trennung von Schuld- und Sachenrecht. Die Forderung wird als relative Anspruchsbeziehung zwischen zwei Personen gesehen, als Gegenstand der Vermögenszuordnung wird sie ignoriert. Schon Gierke betonte 1889 in seiner Abhandlung über den Entwurf des BGB, daß der Begriff "unkörperliche Sache" nicht entbehrlich sei. Die Forderungen als ideell begrenzte Rechtsobjekte müßten den räumlich begrenzten Rechtsobjekten gleichartig gegenüberstehen. Nur durch eine Vergegenständlichung der Forderungen sei ihre dem täglichen Leben so geläufige Behandlung als Passiva oder Aktiva einer Vermögensmasse juristisch auszugestalten. 232 Den körperlichen Gegenständen gleichgestellt wird die Forderung in den vom Pandektensystem unabhängigen Vorschriften, besonders aus dem deutschen Privatrechtsbereich. Gleich einer Sache redet der tägliche Sprachgebrauch von "guten" und "schlechten" Forderungen. Dieselbe Auffassung herrscht im Steuerrecht, in dem die wirtschaftliche Betrachtungsweise überwiegt. 23J In der EO wird unter demselben Titel die Exekution auf körperliche Sachen neben der auf Forderungen geregelt. Den verfassungsrechtlichen Schutz des durch Art. 5 StGG geschützten Eigentums genießen nicht nur körperliche Sachen, sondern alle Privatrechte. 234 Nach Wieacker faßt das heutige System des BGB die Funktion wichtiger Rechtsverhältnisse nicht lebensrichtig auf. Denn das Sachenrecht sollte ein Recht der Vermögenszuordnung sein, in das Forderungen einbezogen sein müßten. 23S Auch Larenz ist der Ansicht, durch die Regelung der Forderungsabtretung im Schuldrecht verberge sich im BGB ein Aufbaufehler und eine systematische Unklarheit. Man hätte nicht erkannt, daß die Forderung nicht nur Leistungsbeziehung, sondern als Vermögensbestandteil verfügbarer Gegenstand des Rechtsverkehrs sei. Die Abtretung als Verfügungsgeschäft müßte "in dem zu einem Recht der dinglichen Vermögenszuordnung erweiterten Sachenrecht" geregelt werden. 236 Dieser Parallelismus zwischen Verfügung körperlicher Sachen und Abtretung von Forderungen ist im ABGB nach wie vor bei Schenkungen sichtbar. Obgleich die Abtretung auf bloßer Einigung zwischen Zedent und Überneh230 231 232 2ll 234 235 236
Zei/ler, Commentar Bd. 1 Vorrede. Zei/ler, Vorbereitung Bd. 1 56. Gierke, Entwurf 45. Doralt / Ruppe, Steuerrecht I 286 f. Klecatsky, ZVR 1970,316. Wieacker, Vermögenszuordnung 65. Larenz, Schuldrecht I § 33 I.
VI. Argument für die relative Wirkung
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mer beruht, verlangt der OGH im Judikat 142 für unentgeltliche Zessionen, die nicht durch Notariatsakt beurkundet sind, wirkliche Übergabe der Schuldforderung. Nach SZ 54/51 soll dadurch "der Übergang der geschenkten Forderung in das Vermögen des Beschenkten" zu entnehmen sein. "Die wirkliche Übergabe soll den empirischen Eigentumswechsel vollziehen ... " "Da eine körperliche Übergabe von Forderungen nicht möglich ist, hat sie gemäss §427 ABGB durch Zeichen zu erfolgen."
VI. Argument rur die relative Wirkung des Abtretungsverbots aus dem Publizitätsprinzip Im Herrenhausbericht237 wird argumentiert, die dingliche Wirkung von Veräußerungs- und Belastungsverboten könne nur statuiert werden, wenn für deren Publizität gesorgt sei. Ansonsten würde das Vertrauen Dritter zu deren Schaden führen. Bei beweglichen Sachen fehle es an dem Mittel, daher könne die dingliche Wirkung nur bei unbeweglichen Sachen durch Eintragung ins Grundbuch begründet werden. Dem Zessionsverbot wird in Widerspruch zu diesen Ausführungen an gleicher Stelle dennoch absolute Wirkung zugebilligt. Um ihn zu beheben, sollte das konstitutive Merkmal des absoluten Rechts nicht seine Allwirksamkeit sein. 238 Nach Dulckeit liegt das wesentliche Kriterium des absoluten Rechts vielmehr in seiner Absolutheit, ausgedrückt im realen Haben und wirklichen Besitz einer Rechtsposition. Demgemäß ist das dingliche Recht ein unmittelbares Herrschaftsrecht über jeden beliebigen Vermögensgegenstand. Dessen Allwirksamkeit kann jedoch nur dort gegeben sein, wo es kundbar in einem äußeren Besitztatbestand in Erscheinung tritt. Dieser kann von jedem verletzt oder beeinträchtigt werden. Allwirksam ist daher stets das dingliche Eigentum an körperlichen Sachen, an unkörperlichen nur dann, talls es wie ein Patent von jedem verletzt werden kann. Die Forderung, mit dem Gehalt relativer Anspruchsbeziehung zwischen zwei Personen, wirkt als unkundbares Recht grundsätzlich nur gegenüber dem Relationspartner. Daher kann der Schuldner auch nach Wirksamkeit der Zession, "solange ihm der Übernehmer nicht bekannt wird",239 dem Zedenten mit schuldbefreiender Wirkung zahlen oder sich sonst mit ihm abfinden. 78 HH 21. Sess. 164 ff. = HHKommB 44. Du/ckeit, Verdinglichung 48 - Vgl. Sohm, GrünhutsZ V (1878) 26, der meint, Wirkung gegen jedermann sei "regelmässig Folge des Daseins eines dinglichen Rechts, nicht Kriterium desselben". 239 § 1395 Satz 2 ABGB. 237
238
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Die absolute Wirksamkeit des Zessionsverbotes führt zu Widersprüchen mit den von Lehre und Rechtsprechung im Zusammenhang von Eingriffen Dritter in Forderungsrechte entwickelten Grundsätzen beim Doppelverkauf beweglicher und unbeweglicher Sachen. Der Dritte haftet für Schuldverletzungen bei allen Varianten der sittenwidrigen Schädigung, aber auch bei wissentlichen Eingriffen in fremde Forderungsrechte, die durch Besitz nicht erkennbar sind. 240 Werden diese Rechte nicht von jedermann respektiert, kann das wegen der völlig fehlenden Publizität nur bei wissentlicher Verleitung zum Vertragsbruch zu schadenersatzrechtlichen Ansprüchen führen. Sanktionslos bleibt die bloß fahrlässige Beeinflussung des Schuldners in Richtung Nichterfüllung. Die ansonsten durchzuführenden Nachforschungspflichten bezüglich fremder Forderungen im Verkehr würden angesichts der mangelnden Publizität und ihrer Häufigkeit zu überspannten Anforderungen führen. Unzumutbare Beschränkung der Bewegungsfreiheit des einzelnen wäre die FolgeY' Grundsätzlich ist der absolute Schutz von Rechten unabhängig von ihrer Relativität im Innenverhältnis, dem Verpflichtetsein des Schuldners zur geschuldeten Leistung. Denn beim Recht gegen Dritte auf Achtung und dadurch Nichtbeeinträchtigung seines Rechtes handelt es sich um die Frage, inwieweit die Rechtsordnung die Interessen des Gläubigers höher einstuft als die völlige Bewegungsfreiheit der anderen. 242 Überredet ein Dritter den Verkäufer zu einem zweiten Kaufvertrag und zur Übergabe der Sache, kann das für ihn als Käufer und jetzigen Eigentümer zur Herausgabe der Kaufsache an den ersten Käufer führen. Wertungsmäßig ist dieser Obligationsschutz gleichzustellen mit dem der Wirkung des Zessionsverbots gegen jedermann. Der schadenersatzrechtliche Restitutionsanspruch des ersten Käufers gegen den Zweiterwerber ist aber nur dann gegeben, wenn dieser besonders verwerflich handelt, also etwa in Schädigungsabsicht Kollusion mit dem Schuldner geübt hat. 243 Der debitor cessus hingegen kann dem Zessionar auch im Falle der Unkenntnis eines bestehenden vertraglichen Abtretungsverbotes die Zahlung verweigern. Forderungen unterscheiden sich von den anderen Rechtsgütern wie Leben, Gesundheit, Eigentum usw. durch ihre geringe allgemeine Erkennbarkeit. Gerechtfertigt ist ihr allgemeiner Schutz nur, wenn eine typische Erkennbarkeit von Forderungsrechten herzustellen ist. Diese Funktion kann der Besitz übernehmen, der ein möglicherweise schutzwürdiges Recht 240 241 242 243
Gschnitzer, Sachenrecht 105; Bydlinski in Klang IV/2 116 f.; SpR 59. Bydlinski in Klang IV/2 117 f. Koziol, Beeinträchtigung 136 f. OGH in JB11981, 536.
VI. Argument für die relative Wirkung
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signalisiert. 244 So schützt der OGH im Falle des Doppelverkaufs den besitzenden Ersterwerber der Liegenschaft nicht nur bei arglistigem Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer, sondern schon dann, "wenn das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Ersterwerbers für seinen Gegner (Zweiterwerber) deutlich erkennbar war. In diesem Fall genügt bereits, daß sein Gegner seine obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte". 245 Auch für Fabricius ist die Offenkundigkeit wesentlich für die Entfaltung von Wirkungen gegenüber Dritten. Das Merkmal der sozialtypischen Offenkundigkeit sei auf Grund unserer Sozial- und Kulturauffassung die selbstverständliche Erkennbarkeit eines Rechtsgutes, das nicht unbedingt die Verkörperung einer Sache verlange. Es genüge, daß "durch einfache, überwiegend auf Erfahrung und Gewohnheit beruhende Gedankenreflexion, auf das Rechtsgut als das rechtlich geschützte Interesse eines Berechtigten an einem Gegenstand geschlossen wird". 246 Dieses Kriterium trifft auf Forderungen nicht zu. Denn sowohl die Verpflichtung als auch die vorzunehmende Leistung sind einem Dritten in keiner Weise kundbar, sondern normalerweise nur den Vertragsparteien bekannt. 247 Auch der OGH ist der Ansicht, daß den Zessionar keine Nachforschungspflicht bezüglich Rechte eventuell anderer Zessionare treffe, "weil Nachforschungspflichten bezüglich fremder Forderungen im Verkehr angesichts der Unerkennbarkeit (mangelnden Publizität) von Forderungsrechten einerseits und wegen ihrer Häufigkeit andererseits unzumutbare Beschränkungen der Bewegungsfreiheit des einzelnen wären".248 Auch dem Zessionar, dem trotz Abtretungsverbot zediert wurde, fehlt im Normalfalljegliche Kenntnis, daß er zur Entgegennahme der Leistung nicht berechtigt sei. Daher sollte das Abtretungsverbot auch aus dieser Sicht den Grundsätzen der Vertragsverletzung unterstellt werden. Um die Harmonie der Rechtsordnung aufrechtzuerhalten, müßte bei absoluter Wirkung des Zessionsverbotes eine allgemeine Erkennbarkeit dieser Verträge geschaffen werden. Dies könnte eine Registerpublizität bewirken; das wäre natürlich völlig unpraktisch.
~44 ~4;
~46 ~47 ~48
Schilcher / Holzer, JBl 1974,454. EvB119811156. Fabricius, AcP 160 (1961) 295. Fabricius, AcP 160 (1961) 301. SZ 52/110, 533.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
VII. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794
Das ALR war der Vorläufer der sogenannten naturrechtlichen Kodifikationen; zwischen den antagonistischen Positionen Aufklärung und Absolutismus stehend, gab dieses Gesetz den Bauern Hoffnung auf Befreiung, nahm andererseits auf die ständischen Strukturen Bedacht und sicherte dem Adel Privilegien. Es bejaht angeborene Rechte der Menschen 249 und regelt zugleich detailliert die Erbuntertänigkeit. 250 Ein besonderes preußisches Recht bildet sich erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Der organisatorischen Zusammenfassung der brandenburgischen Territorien entsprang der Wunsch nach einer einheitlichen Privatrechtsgesetzgebung. Im Interesse der Rechtseinheit hatte sich in der Mark Brandenburg die Rezeption des gemeinen Rechts mit besonderer Energie vollzogen. Durch die Aufnahme eines nicht nationalen Rechts ergaben sich Schwierigkeiten. Das Recht entfremdete sich dem Verständnis der Bevölkerung und zum Teil dem modernen praktischen Bedürfnis. Dagegen opponierte die naturrechtliche Schule, die mit einer dem Naturrecht entsprechenden allgemeinen Gesetzgebung Hilfe bieten wollte. 151 Das "Project des Corpus Juris Fridericiani" von 1749 war mit den Schwächen der älteren Naturrechtsrichtung behaftet und scheiterte. Trotz aller Bezugnahme auf das Naturrecht war dieser Gesetzesentwurf in die Systematik der justinianischen Institutionen gebrachtes gemeines Recht. 252 Eine Wiederbelebung der Kodifikationsbestrebungen war erst wieder durch die Kabinettsorder vom 14. Apri11780,m gerichtet an den Großkanzler von Cramer, zu verzeichnen. Friedrich 11. erteilte ihm zunächst den Auftrag, "daß alle Gesetze für Unsere Staaten und Unterthanen in ihrer eigenen Sprache abgefaßt, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden" sollten. Denn er finde es "sehr unschicklich, daß solche größtentheils in einer Sprache geschrieben sind, welche Diejenigen nicht verstehen, denen sie zu ihrer Richtschnur dienen sollen". Die neue Kodifikation sollte neben der Berücksichtigung des Inhalts der verschiedenen Landesgesetze auch das Corpus Juris Justinians nicht außer acht lassen, ist es doch "als das subsidiarische Gesetzbuch fast aller europäischen Staaten seit vielen Jahrhunderten her auch bei uns angenommen worden ... ". Aus dem römischen 249 250
251 252 253
ALR Einleitung § 83; I 1 § 10. ALR 11 7 §§ 87-548; vgl. Ca,.oni, Privatrecht 77 f. Dernburg, Lehrbuch Bd. I § 3. Thieme, SZGerrn 57 (1937) 362. Abgedruckt in: Förster / Eccius, Privatrecht 16 f.
VII. Das Allgemeine Landrecht für die Preuß. Staaten (ALR) von 1794
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Recht sollte nur "das Wesentliche, mit dem Naturrecht und der heutigen Verfassung Übereinstimmende" übernommen werden. Nach dem Willen des Königs sollte zuerst für jede Provinz ein eigenes Gesetzbuch geschaffen werden und "darin alles eingetragen werden, wodurch sich die Rechte der einen Provinz von der anderen unterscheiden". Die Kabinettsorder wies dem ALR die Funktion als "subsidiarisches Gesetzbuch" zu, dem lediglich Bedeutung "beim Mangel der Provinzialgesetze" zukäme. Als subsidiarisches Gesetzbuch trat es an die Stelle, welche vorher das gemeine Recht innehatte; daher wurde in Preußen der "Gebrauch der im übrigen Deutschland geltenden fremden Rechte entbehrlich",254 was als Fortschritt galt. Obgleich der König wiederholt mahnte, wurden nur zwei Provinzialgesetzbücher fertigge;stellt. Erfreulicherweise führte das ALR aus diesem Grunde als ausschließliche Rechtsquelle die Vereinheitlichung des Rechts in den preußischen Ländern herbei. Es trat am 1. Juni 1794 in Kraft. Der zuvor beabsichtigte Verzicht auf die räumliche Vereinheitlichung ist als Konzession an die Stände zu betrachten. Indem ihnen bei der Abfassung der Provinzialgesetzgebung das Recht eingeräumt wurde, ihre Vorstellungen einzubringen, erhoffte sich der König die Zustimmung der Stände zum ALR zu erwirken. 255 Zur Erledigung dieses umfassenden Gesetzgebungsauftrags zog der Großkanzler von Cramer Svarez und Klein bei, die in jahrelanger Arbeit den Entwurf fertigsteIlten. Svarez, der sich der Naturrechtslehre verpflichtet fühlte, legte dem Gesetzeswerk einen naturrechtlichen und aufklärerischen Grundcharakter zugrunde, an dem er das römische Recht maß. Während er 1792 in seinen Kronprinzenvorträgen im Einklang mit der Kabinettsorder dem römischen Recht einen überragenden Platz zuwies 256 und das Naturrecht nicht einmal erwähnte, ist die Kodifikation doch vom Naturrecht durchdrungen. 257 Es lieferte dem Gesetzeswerk die Prinzipien; das römische Recht bietet mit seinen Rechtsbegriffen das juristische Instrument. 258 Ein wichtiges Zitat Meiners aus dem Jahre 1793, zit. nach Caroni, Privatrecht 78. Vgl. Caroni, Privatrecht 78 f. 256 Svarez, Vorträge 601. a) Die Entscheidung der einzelnen Fälle, woraus der größte Teil des römischen Rechts besteht, sind auf allgemeine Grundsätze zurückgeführt. b) Das römische Recht ist nur so, wie es in den preußischen Staaten bisher wirklich gegolten hat, in dem Gesetzbuche aufgenommen, und dadurch sind alle Streitigkeiten, ob dieses oder jenes Stück des römischen Corpus Juris ein wirklich geltendes Gesetz sei, kupiert. c) Alle dunklen Stellen des römischen Rechts, über deren Verstand und Auslegung unter den Rechtsgelehrten und in den Gerichten gestritten wurde, sind erklärt und ihnen ein deutlicher und bestimmter Sinn beigelegt. 254
155
d)
m
Wagner, Wissenschaft 124 f.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Um die Abkehr vom gemeinen Recht zu vollziehen, stellte sich das ALR als vollständiges und eigenständiges Gesetzbuch dar, wie den abschließenden Sätzen des Publikationspatentes zu entnehmen ist. Es dürfe "kein Kollegium, Gericht oder lustizbediensteter sich unterfangen", das neue Gesetzbuch nach den "aufgehobenen Rechten und Vorschriften zu erklären oder auszudeuten". Auch Svarez war daran gelegen, das ALR selbständig aus sich heraus zu verstehen. Er vertrat die Ansicht, daß "am allerwenigsten gestattet werden kann, dies neue Gesetz aus dem lure Romano kommentieren oder erklären zu wollen".259 Auch erwuchs das Kommentarverbot der Kodifikation aus der Abneigung des römischen Rechts. Durch dieses sollte die Eigenständigkeit des ALR gewährleistet werden. Das römische Recht wurde als spitzfindiges, unpraktisches Recht betrachtet, dem die lange Dauer der Prozesse zugesprochen wurde. Mit seiner festen Terminologie und Systematik wurde es den Anforderungen der Zeit nicht gerecht. 260 Die heute überholte Vorstellung eines Kommentarverbots ist denn auch vor dem Hintergrund der historischen Situation zu betrachten, um ihm gerecht zu werden: Durch dieses sollte das gemeinrechtliche Rechtsquellensystem beseitigt werden. Dasselbe hat auch das Postulat der inhaltlichen Vollständigkeit im Auge. 261
1. Der Sachbegriff des ALR Das römische Recht anerkannte nur körperliche Sachen; sie waren individualisierte Objekte der Außenwelt, räumlich in bestimmte Grenzen eingeschlossen. Als natürliche Einheiten zählten dazu die Mobilien, als künstlich abgegrenzte die Grundstücke. Im ALR umfaßt das Sachenrecht nicht nur körperliche Objekte und dazugehörige dingliche Ansprüche, sondern alle wirtschaftlichen Güter, welche im Rechtsverkehr als selbständige und einheitliche Objekte dienen. Es ist somit als Vermögensrecht im vernunftrechtlichen Sinne ausgestaltet. 262 Das ALR definiert zwei verschiedene Sachbegriffe. Als Sache im weiteren Sinne versteht es: "Sache überhaupt heißt im Sinne des Gesetzes alles, was der Gegenstand eines Rechts oder einer Verbindlichkeit sein kann:·:6 .'
'258
Dilethey, Landrecht Bd. 12, 148.
Brief an Prof. Madihn in Frankfurt a.d.O. vom 13. August 1780. zit. nach Tllieme. SZGerm 57 (1937) 387. 260 Thieme, SZGerm 56 (1936) 242 f., 248. 261 Vgl. Caroni, Privatrecht 79 f. 262 Vgl. HUII'i1er, Begriff 121 f.; Wieacker, System 29; ders., Forderung 62. 263 ALR I 2 § I. 2j9
VII. Das Allgemeine Landrecht für die Preuß. Staaten (ALR) von 1794
65
"Auch die Handlungen der Menschen, ingleichen ihre Rechte, in so fern dieselben den Gegenstand eines anderen Rechtes ausmachen, sind unter der allgemeinen Benennung von Sachen begriffen."264
Damit bringt das ALR verschiedene Gegenstände der rechtlichen Willensherrschaft unter den Begriff Sache im weiteren Sinne. 265 Davon werden auch die Forderungen erfaßt. 266 Dieser umfassende Sachbegriff unterscheidet zwei Arten: Handlungen 267 und in § 3 die Sache im engeren Sinne. "Im engeren Sinne wird Sache nur dasjenige genannt, was entweder von Natur, oder durch die Übereinkunft der Menschen, eine Selbstständigkeit hat, vermöge deren es der Gegenstand eines dauernden Rechtes sein kann."
Darunter werden körperliche Sachen, aber auch res incorporales wie der Nießbrauch und die Servitut, verstanden. 268 Für den praktischen Gebrauch ist aber diese Definition nicht geeignet. 269 Die Sache soll dem Berechtigten zur Befriedigung seiner Bedürfnisse dienen. Nach diesem wirtschaftlichen, nicht rechtlichen Zweck, bildet die Summe aller einer Person zustehenden Sachen, unabhängig im weiteren oder engeren Sinn, deren Vermögen. 270 Das Landrecht faßt somit im Geiste des Vernunftrechts res corporales wie incorporales unter dem Begriff Sache zusammen. 2. Der Eigentumsbegriff des ALR
Im ALR wurde der Grundsatz berücksichtigt, daß Sache im Rechtssinn und Eigentum korrelate Begriffe sind. So drängte der eigentliche Verfasser des Gesetzbuches, Svarez, die Eigentumstheorie des römischen Rechts zurück und berücksichtigte weitgehend die jüngere Naturrechtsschule. In den Vorlesungen aus dem Gebiete des Staatsrechtes und der Rechtswissenschaft, die er dem preußischen Kronprinzen hielt, erläuterte Svarez: "AlIes, was ein Mensch zu dem Seinigen rechnen und darüber als über das Seinige verfügen kann, gehört zu dem Eigentum dieses Menschen. Eigentum erstreckt 264 ALR I 2 § 2. 265 Koch, Kommentar, Anm. I zu I 2 § I. 266 Dernburg, Lehrbuch Bd. I §60, 132. 267 Das Verhältnis der Herrschaft über eine Handlung heißt Obligation, Koch, Kommentar, Anm. I zu I 2 § I. 268 Koch, Kommentar, Anm. 3 ff. zu I 2 § 3. 269 Koch, Lehrbuch Bd. I, 203. 270 Förster / Eccius, Privatrecht Bd. I, 105. 5 Hoop
66
Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen sich also nicht bloß auf körperliche Sachen, welche in die Sinne fallen, sondern auch auf Rechte, die bloß durch Ausübung merkbar werden."271
So ausgedehnt, fallen die Begriffe Eigentum und Vermögen zusammen. Das ALR hat den Begriff Eigentum in einer weiten Ausdehnung angenommen. Der Eigentümer ist befugt, über die Substanz einer Sache oder eines Rechtes zu verfügen. Unter diesen Rechten werden nicht nur dingliche Rechte, sondern auch Handlungen und Forderungsrechte verstanden. 272 In dieser weitesten Ausdehnung definiert das ALR den Begriff des Eigentums: "Eigenthümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Subst~nz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Anderer, aus eigener Macht, durch sich selbst, oder einen Dritten, zu verfügen. "273
Koch 274 spricht in diesem Zusammenhang davon, daß "eine der wichtigsten, in den Verkehr des gemeinen Lebens tief eingreifenden Abweichungen des L.R. vom R.R. ... die Behandlung der obligatorischen Rechte als Waare" sei. Durch die kaufmännische Auffassung und Behandlung der Forderungsrechte sei neben dem persönlichen Verhältnis zwischen zwei bestimmten Personen eine Größe des Vermögensrechts getreten, welche beliebig übertragen werden könne. Die Forderungsrechte seien nun gleich körperlichen Sachen Gegenstand des freien Verkehrs. Somit ist die Forderung im ALR vergegenständlicht; sie wird als relatives Recht und Verkehrsgegenstand behandelt. 275 Wie nach gemeinem Recht erfordert der mittelbare Eigentumserwerb im ALR einen rechtmäßigen Titel und als Erwerbsart die Tradition. 276 Sie wird in der wechselseitigen Absicht vollzogen, das Eigentum zu verschaffen und es zu erwerben, obgleich dieses Erfordernis das ALR nicht ausspricht: 277 "Die mittelbare Erwerbung des Eigenthums einer Sache erfordert, außer dem dazu nöthigen Titel, auch die wirkliche Übergabe derselben. "278
3. Die Zession des ALR
Im Entwurf des ALR wurde die Zession als obligatorischer Vertrag definiert, mit der Verpflichtung, das Eigentum an der Forderung zu verschaffen: Svarez, Vorträge 307. Koch, Lehrbuch Bd. 1,420. 273 ALR, I, 8, § 1. 274 Koch, Kommentar, Anm. 1 zu I, 11, § 376. 275 HUlI'iler, Begriff 123; Wieacker, Forderung 62; ders., Pandektenwissenschaft 21 Anm.51. 276 Daniels, System 391. 277 Koch, Kommentar, Anm. 1 zu I, 10, § 1. 278 ALR I, 10, § 1. 271
212
VII. Das Allgemeine Landrecht für die Preuß. Staaten (ALR) von 1794
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"Die Abtretung der Rechte ist ein Vertrag, wodurch jemand sich verpflichtet, einem anderen das Eigenthum seines Rechtes, gegen eine bestimmte Vergeltung zu überlassen."279 Weil der Entwurf die Zession bloß als Titel zur Eigentumsverschaffung verstand, bemerkte hierzu Svarez in der revisio monitorum: "Um accurant zu sprechen, und Chicanen gegen die Definition zu vermeiden, muß man nicht sagen: die Cession der Rechte ist ein Vertrag, sondern die Abtretung setzt einen Vertrag voraus. Denn Zession ist eigentlich traditio des Rechts, oder die Handlung selbst, wodurch das Eigenthum des Rechts dem Anderen übertragen wird. "280
In diesem Zusammenhang ist die grundsätzliche Übereinstimmung des Sach-, Forderungs- und Zessionsbegriffs zwischen ALR und ABGB zu beachten. Besonders ins Auge sticht das Vorbild des ALR, wenn Zeiller in der Revision des ABGB die Begriffsbestimmung des Entwurfs in sinngemäßer und fast wörtlicher Übereinstimmung mit der von Svarez in der revisio monitorum geäußerten Meinung ändert. Zeiller trägt vor, anstatt: "Eine solche Übereinkunft heisst Abtretungsvertrag (Cession)" müsse gesagt werden: "Eine solche Handlung heisst Abtretung (Cession), weil Cession die Handlung selbst, 'der Modus aber kein Vertrag ist. "281 Die oben erwähnte Bestimmung des Entwurfs (ALR) wurde nun dahingehend neu gefaßt, daß die Zession als modus acquirendi, als Erwerbungsart vergleichbar der Tradition bei körperlichen Sachen, verstanden wurde: "Die Abtretung der Rechte setzt einen Vertrag voraus, wodurch jemand sich verpflichtet, einem anderen das Eigenthum seines Rechts, gegen eine bestimmte Vergeltung, zu überlassen."282 "Die Handlung selbst, wodurch das abzutretende Recht dem anderen wirklich übertragen wird, wird Cession genannt. "283 Die Zession im ALR ist ein kausales Verfügungsgeschäft, wodurch das Eigentum des Rechts aufgrund eines Titels übertragen wird; sie ist die Übergabe der zur Sache vergegenständlichten Forderung. 284 Vollzogen wird sie "durch die Erklärung des Cedenten, daß der andere das abgetretene Recht von nun an als das seinige auszuüben befugt sein soll, und durch die Annahme dieser Erklärung, geht das Eigenthum des Rechts selbst auf den neuen Inhaber über". 285
279
280
281 282
283 284
285
5*
Entwurf, 11, 8, § 340, zit. nach Koch, Übergang 35. Zit. nach Koch, Übergang 35 f. Djner, Bd. 2,445. ALR I, 11, § 376. ALR I, 11, § 377. Koch, Übergang 36; Huwiler, Begriff 131; vgl. Wieacker, Pandektenwissenschaft 20 f. ALR I, 11, § 393.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Die Forderungsabtretung bewirkt eine Singularsukzession in die Forderung, denn "durch die Cession tritt der neue Inhaber in alle abgetretenen Rechte und damit verbundenen Pflichten des Cedenten".286 a) Die Lehre des ALR und der Einfluß der Pandektistik Lehre und Praxis des ALR zur Zessionslehre wurden in der Folge von der pandektistischen Theorie beeinflußt. Denn nicht die Ausbildung im preußischen Recht rückte in den Mittelpunkt des Studiums; diese Stellung behielt das gemeine Recht. Die folgenden Jahre brachten mit ihrem Wechsel von Ansichten und Wertvorstellungen eine solche Distanz zur Kodifikationszeit, die fast jedes Verständnis des Landrechts und seines Geistes verblassen ließ.287 Die nachfolgenden Juristen orientierten sich an klassischen Vorbildern und entwickelten eine begriffliche Dogmatik, welche die deduktive Methode des naturrechtlichen Systems ablehnte. 288 Eine neue Epoche im wissenschaftlichen Schicksal des ALR leitete die Historische Schule ein, deren maßgebender Jurist Friedrich Carl von Savigny im Winter 1819/20 an der Berliner Universität eine Vorlesung über das Landrecht hielt, die er später noch viermal wiederholte. Er legte ihr sein eigenes romanistisches System zugrunde; mit dieser Immission von Lehren der Historischen Schule wollte er die vom Landrecht beherrschte Praxis zum römischen Recht hinführen. 2S9 Diese Vorlesung war der Anstoß, daß das ALR ab 1826 an allen preußischen Universitäten gelehrt wurde, es Fühlung mit den geistigen Strömungen der Zeit aufnahm. Indem Savigny das System des ALR mit romanistischen Denkkategorien behandelte, sparte er nicht mit Vorwürfen über mangelnde Beachtung von Grund und praktischem Geist des römischen Rechts. 290 Seine Kritik wurde dem ALR nicht gerecht, sein Standpunkt lag zu weit von den Absichten der aufgeklärten Redaktoren entfernt. Aber die Wissenschaft wandte sich unwiderruflich dem ihr von Savigny gewiesenen Weg zu. Christian Friedrich Koch begann in seinen Werken über Institutionen des preußischen Privatrechts und seinem "Kommentar mit Anmerkungen", die gemeinrechtliche Literatur zu verwerten. Die der Wissenschaft des preußischen Rechts ursprünglich zukommende Aufgabe, die naturrechtlich-philosophische Rechtsforschung, warf sie zu eilig über Bord. 291 Die Vorherrschaft ALR I, 11, § 402. Thieme, SZGerm 57 (1937) 409 f. m Wagner, Wissenschaft 129 f. 2K9 Thieme, SZGerm 57 (1937) 410. 290 Thieme, SZGerm 57 (1937) 411. 291 Thieme, SZGerm 57 (1937) 415. 286 287
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der pandektistischen Behandlung der preußischen Kodifikation verkörpern die Lehrbücher von Förster und Dernburg. Dernburg ordnete sein Buch nach dem Pandektensystem an, "was sich auch um deswillen empfiehlt, weil es auf diese Weise erleichtert wird, das Studium des Landrechts in ein inneres Verhältnis zur Lehre des gemeinen Rechts zu setzen".292 Die Quelle des römischen Rechts im Altertum, auf welche die Pandektenwissenschaft zurückgriff, wurde von Dernburg in vollem Umfang berücksichtigt. "Die Anlehnung einer wissenschaftlichen Darstellung an die Legalordnung" des ALR sei kaum durchführbar. Diese Anordnung berücksichtige "nicht den juristischen Character und den inneren Zusammenhang der Rechtsinstitute, es ist vielmehr der ökonomische Zweck und die äußere Erscheinung der Rechtsverhältnisse maßgebend. Daraus ergeben sich zwar geistreiche und frappante, aber nicht tief begründete Zusammenstellungen".293 In der praktischen Rechtspflege hatte Savignys Schule zeit seines Lebens keinen erheblichen Einfluß; der usus modernus behauptete sich zäh. Anfänglich führte die Historische Rechtsschule zudem Unsicherheiten in der Rechtsprechung herbei. Diese klärten sich erst im letzten Drittel des Jahrhunderts, als die Pandektistik durch ihre Vertreter auch in der preußischen Praxis breiten Raum fand. b) Die Zession unter Einwirkung der Pandektistik Noch Koch 294 betonte die im Gegensatz zum gemeinen Recht bestehende Auffassung des ALR, die persönliche Anspruchsbeziehung der Forderung trete hinter der übertragbaren "Größe des Vermögensrechts" zurück. Als Modus stehe die Zession der Tradition von körperlichen Sachen zur Seite; der Zessionar erhalte das Eigentum an der vergegenständlichten Forderung. Dernburg billigt, daß das ALR nicht nur von Eigentum an körperlichen Sachen, sondern auch von Eigentum an Rechten spreche, die sich durch Ausübung bemerkbar zeigten; so sei in den Quellen des preußischen Rechts häufig vom Eigentumsrecht an Forderungen die Rede. Trotz dieser Verallgemeinerung könne sich aber das preußische Recht dem Übergewicht der römischen Rechtsanschauung nicht entziehen; das Eigentum im engeren Sinne, über körperliche Sachen, müsse als besonderes Rechtsverhältnis betrachtet werden. 295 Die Zession sei ein kausales Verfügungsgeschäft. Die Ausübung der übertragenen Forderungen liege nicht in einem "Quasibesitz,
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Dernburg, Privatrecht Bd. 1, I. Aufl., 15 Anm. 4. Dernburg, Privatrecht Bd. 1, I. Aufl., 15. Koch, Kommentar, Anm. 1 zu I, 11, § 376. Dernburg, Privatrecht Bd. 1, § 181.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
sondern in der Geltendmachung des Anspruchs".296 Seiner Ansicht nach wird nicht das Eigentum der versachlichten Forderung, sondern die obligatorische Rechtszuständigkeit übertragen. Weitere Parallelen zur pandektistischen Theorie stellen Förster / Eccius her. Der Wortlaut des ALR über die mittelbare Erwerbung des Eigentums sage "in Wahrheit nichts vom gemeinen Recht Verschiedenes".297 Die Traditio an Fahrnis stelle auch im ALR ein abstrakter dinglicher Übereignungsvertrag dar, denn es zeige sich, "dass es nicht objektiv auf den Titel, sondern nur auf die Willenseinigung bei der Tradition" ankomme. 298 Analog definieren sie die Zession jetzt als abstrakten schuldrechtlichen Vertrag, denn die Abtretung erzeuge das Recht des neuen Gläubigers, auch wenn kein pactum de cedendo geschlossen worden sei. Die Zession begründe die Singularsukzession in das ,,Eigenthum des Rechts". Dieser Eigentumsbegriff sei allerdings nur ein dem gemeinen Leben entlehnter Ausdruck, um zu bezeichnen, daß die abgetretene Forderung die eigene des neuen Gläubigers geworden sei. 299 Die sachenrechtIiche Verflechtung 'der Abtretung wird zugunsten der Übertragung der schuldrechtlichen Rechtszuständigkeit aufgegeben. 4. Das Ve1fügungsverbot bei körperlichen Sachen und das Abtretungsverbot
Der Eigentümer einer körperlichen Sache konnte durch ihn verpflichtende Willenserklärungen in der Verfügung über die Sache beschränkt sein. Im ALR fehlen besondere Vorschriften über die bindende Kraft von Verträgen dieses Inhalts. 30o Deshalb wird diese Verbindlichkeit nach den allgemeinen Grundsätzen beurteilt, die im "von Willenserklärungen" handelnden Titel zu finden sind. 301 Danach kann ein selbständiger Vertrag, mit welchem die Dernburg, Privatrecht Bd. 11. § 81. Förster / Eccius, Privatrecht, Bd. 111, § 178, 253. 298 Förster / Eccius, Privatrecht, Bd. III, § 178, 255. m Förster / Eccius, Privatrecht, Bd. I, § 99, 630 f. 300 Förster / Eccius, Privatrecht, Bd. 111, § 169, 155. 301 ALR, I, 4, § 15: Nicht nur durch Natur oder Gesetz, sondern auch durch rechtliche Privatverfügungen können Sachen dem Verkehre entzogen werden . .,§ 16: Dergleichen Privatverfügung binden einen Jeden, welchen der Verfügende zu verpflichten berechtigt war. § 17: Doch darf auch ein Dritter, welchem dergleichen Privatverfügung bekannt geworden ist, derselben nicht entgegen handeln. § 18: Die bloße öffentliche Bekanntmachung ist zum Beweise, daß der Dritte die Verfügung gewußt habe, noch nicht hinreichend. § 19: Dagegen kann sich Niemand mit der Unwissenheit einer in das Hypothekenbuch eingetragenen Verfügung entschuldigen. 296
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Verfügbarkeit einer Sache eingeschränkt oder ausgeschlossen werden sollte, ohne weitere causa keinen Anspruch auf Gültigkeit erheben. Auf die im Eigentum begründete Verfügungsbefugnis kann vertragsmäßig nur im Anschluß an ein sonstiges Rechtsverhältnis verzichtet werden, das einem bestimmt ausgesprochenen Zwecke gewidmet ist, aus dem sich ein Interesse des Versprechensempfangers ergibt. 302 Das ALR ließ diese Beschränkung auch gegen Dritte wirksam werden, sofern ihnen die Kenntnis der Tatsache, auf welchem die Beschränkung beruhte, bei Anwendung der "schuldigen Vorsicht" bekannt sein konnte. 303 Auf diese allgemeinen Grundsätze der Einschränkungen infolge verpflichtender Willenserklärungen verweisend, behandelte Koch das Abtretungsverbot bei Forderungen gleich den Verfügungsbeschränkungen körperlicher Sachen. Eine trotz Abtretungsverbot erfolgte Zession sei unwirksam, "wenn sie dem Cessionar ersichtlich war, außerdem würde ihm seine Redlichkeit zu Statten kommen".304 Im ALR wurden somit unter den Sachbegriff des Titels "Von Willens erklärungen"305 körperliche Objekte gleichermaßen wie obligatorische Rechte subsumiert und somit das Sachenrecht als Vermögensrecht im vernunftrechtlichen Sinne verstanden. Nach den gleichen allgemeinen Grundsätzen beurteilt, wurde das Veräußerungsverbot bei körperlichen Sachen und das Abtretungsverbot bei Forderungen einer harmonischen und in sich widerspruchsfreien Lösung zugeführt. Durch die pandektistische Behandlung der preußischen Kodifikation wurde später die Wirkung des Abtretungsverbots aus anderer Sicht begründet. Die Obligation wurde als Gegenstand des Eigentums nicht mehr anerkannt; die Zession nicht mehr als Übertragung einer Sache, sondern als rechtsgeschäftlicher Übergang des Forderungsrechts auf einen neuen Gläubiger, als Übertragung der schuldrechtlichen Rechtszuständigkeit behandelt. Folglich zogen Förster / Eccius in bezug auf das Abtretungsverbot auch nicht mehr die Grundsätze von einschränkenden Willenserklärungen über eine "Sache" heran; nach diesen Grundsätzen war das pactum de non cedendo als Beschränkung der Verfügungsrnacht eingestuft, das nicht zugleich eine Umgestaltung des Rechts in ein unübertragbares bewirkte. Eine trotz Abtretungsverbot erfolgte Zession war nur unwirksam, insoweit der Koch, Kommentar, Anm. 28 zu I 4, § 15. Koch, Kommentar, Anm. 28 zu I 4, § 15; Förster / Eccius, Bd. IH, § 169, 156. 304 Koch, Lehrbuch 140; Koch, Übergang 72f.; bei Rechten aus zweiseitigen Verträgen könne der Verpflichtete, wider den Willen des anderen Kontrahenten, seine Verbindlichkeit nicht auf einen Dritten übertragen, Koch, Kommentar, Anm. 10 zu I, 11, § 382 unter Verweis auf die Rechtsprechung. 305 ALR I, 4, 15: "Nicht nur durch Natur oder Gesetz, sondern auch durch rechtliche Privatverfügungen können Sachen dem Verkehre entzogen werden". 302 303
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Zessionar diese Verabredung gekannt hatte; ansonsten wurde er in seinem guten Glauben geschützt. Das Abtretungsverbot war demnach als dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung, die das Recht als ein übertragbares beließ, einzustufen. Den veränderten Anschauungen gemäß paßten Förster / Eccius die Begründung den neuen Gegebenheiten an: "Dem Schuldner, der sich bedungen hat, daß nur dieser Berechtigte ihm gegenüber trete, kann ein anderer Gläubiger vertragswidrig nicht aufgedrängt werden, das widerspricht der vertragsmäßigen Begrenzung seiner Verbindlichkeit." 306 Die Forderung wird hier nicht mehr vorrangig als verfügbarer Vermögensgegenstand, als Sache, sondern als Leistungsbeziehung im Verhältnis Gläubiger-Schuldner, also ausschließlich als Schuldverhältnis behandelt. Aufgrund der durch die schuldrechtliche Gestaltungsfreiheit ermöglichten Verpflichtung des Gläubigers zur Unterlassung der Abtretung wird die Forderung unabtretbar. Das pactum de non cedendo bewirkt also eine Umgestaltung des Rechts in ein unübertragbares und betrifft nicht mehr dessen Beschränkung der Verfügungsrnacht allein. Es entfaltet dingliche Wirkung. Obgleich die Zession und das Abtretungsverbot im Zuge der pandektistischen Interpretation des ALR geänderte dogmatische Beurteilungen erfuhren, blieben ihre praktischen Wirkungen im wesentlichen gleich. VIII. Einwirkung des ALR, des gemeinen Rechts und des BGB auf das Abtretungsverbot des ABGB
1. Bezugnahme auf das ALR bei der Beratung des BGB Erhellt man den Entstehungszusammenhang über die von der österreichischen Rechtsprechung vertretene absolute Wirkung des Abtretungsverbots, so ergeben sich auf Grund der historischen Betrachtungsweise die zu diesem Resultat führenden Entwicklungslinien. Indem die Argumente analysiert und ihr Stellenwert bestimmt wird, können Grundpositionen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung dargestellt werden. Ineinandergreifende Entwicklungen werden deutlich, die das Verständnis des Gesetzes und seine Anwendung fördern sollen. Die Geschichtlichkeit des Rechts 307 wird veranschaulicht, betrifft dieser Fragenkreis doch grundlegende dogmatische und systematische Positionen im Grenzbereich von Schuld- und Sachenrecht. Der OGH308 räumt Methodischem in seiner Entscheidung zum Abtretungsverbot einen hohen Stellenwert ein. Nicht schlechthin lehnt er die )06
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Förster / Eccius, Privatrecht, Bd. I, § 99,643. Vgl. Wiegand, Sachenrecht 135 f.
JB1 1984, 311 (verst. Senat).
VIII. Einwirkungen auf das Abtretungsverbot des ABGB
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analoge Anwendung des § 364 c ABGB ab; der historische Gesetzgeber habe aber diese Bestimmung auf Sachen und dingliche Rechte beschränken wollen. Der OGH führt aus, daß eine Gesetzeslücke während der Entstehungszeit der 111. TN zu verneinen sei; nach dem Herrenhauskommissionsbericht könne man das dem Gläubiger einer Forderung auferlegte Abtretungsverbot auch dem Zessionar entgegenhalten. Der OGH unterstützt dieses Argument, indem er betont, daß in diesem Bericht überdies auf § 399 BGB verwiesen würde. Eine nachträgliche Gesetzeslücke wäre nur gegeben, falls durch soziale, ökonomische oder technische Entwicklungen der verkehrsfähigen Forderung als Gegenstand der Güterbewegung eine andere wirtschaftliche Funktion zukäme als zur Zeit des historischen Gesetzgebers der 111. TN. Mit den der Rechtsprechung zur Verfügung stehenden Mitteln könne aber eine grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Interessenlage nicht festgestellt werden. Obgleich ich dieser Ansicht nicht folge, greife ich im Zusammenhang mit dem ALR das andere Argument, den Verweis auf § 399 BGB, auf. Versagte der Entwurf Erster Lesung des BGB dem Abtretungsverbot Wirkung gegen Dritte,309 wurde dieser Schritt in der Zweiten Lesung korrigiert: "Es sei keineswegs ein Gebot des Verkehrsinteresses, in Abweichung von der im Gebiete des gemeinen und preußischen Rechtes 310 herrschenden Auffassung ein gegen Dritte wirksames pactum de non cedendo gänzlich auszuschließen."311 Mittelbar und vage hat damit das preußische Recht Anteil an der Entscheidung des OGH. Die Regelungsabsicht des ALR war, die auf Willenserklärungen beruhenden Beschränkungen von körperlichen Sachen, dinglichen Rechten und Forderungen einheitlich zu regeln;312 dies im Gegensatz zu der jetzt im ABGB geschaffenen Rechtslage. Die absolute Wirksamkeit wurde vernünftigerweise dadurch abgeschwächt, indem dritte Personen in ihrem guten Glauben geschützt wurden. 313 Die Relevanz der wirtschaftlichen
Motive 11 122 f. = Mugdan 11 67. Förster / Eccius bemerkten in ihrem Systemwerk über "Preußisches Privatrecht" Bd. I in ihrer 6. Aufl. 1892, 643 Anm. 82a vor Darstellung der preußischen Regelung: "Der Entwurf des BGB § 295 versagt dem Rechtsgeschäft, daß die Übertragung ausschließt, Wirksamkeit gegen Dritte". 3ll Protokolle, 771 f. = Mugdan 11 573. 31~ ALR 1,4, §§ 15-19. 313 Vgl. § 405 BGB, der bestimmt, daß sich der Schuldner, falls er eine Urkunde über die Schuld ausgestellt hat und die Forderung unter Vorlegung der Urkunde abgetreten wird, sich dem neuen Gläubiger gegenüber nicht darauf berufen kann, daß die Abtretung durch Vereinbarung mit dem ursprünglichen Gläubiger ausgeschlossen sei, es sei denn, daß der neue Gläubiger den Sachverhalt bei der Abtretung kannte oder kennen mußte. - Art. 164 Abs.2 OR: "Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, das ein Verbot der Abtretung nicht enthält, kann der Schuldner die Einrede, daß die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen worden sei, nicht entgegensetzen". 309
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Betroffenheit des Rechtsverkehrs durch diese Bestimmungen läßt sich aus dem für die Praxis "unentbehrlichen"314 Kommentar von Koch entnehmen: "Dabei ist muthmaßlich an Familien-Fideikomisse gedacht. "315 Abgesehen von der im Vergleich zur gegenwärtigen Zeit geringen praktischen Bedeutung der Frage des Abtretungsverbots während der Geltungszeit des ALR, legte es doch Wert auf eine einheitliche Regelung. Wenn sich der OGH auf den "historischen Gesetzgeber"316 beruft, wäre dies ein zu beachtendes Argument. Es wäre demnach die in § 364c ABGB getroffene Wertung auch auf das Abtretungsverbot für Forderungen heranzuziehen. 2. Bezugnahme auf das gemeine Recht bei der Beratung des BGB Im zweiten Entwurf des BGB wird auch das gemeine Recht erwähnt, um das pactum de non cedendo zuzulassen. a) Angleichung der Entwicklungslinien des romanistischen mit dem germanistischen und vernunftrechtlichen Zessionsrecht Der deutsche historische Gesetzgeber knüpfte an der historischen Entwicklung der Zession an. 317 Diese beginnt im römischen Recht der Antike, welches die Obligation als vinculum iuris betrachtete; auf Grund dieser Sicht wurde ihre Ablösbarkeit von ihren Subjekten verneint. Diese Meinung teilte auch die romanistische Tradition seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert; eine Singularsukzession in die Forderung des Zedenten war begrifflich ausgeschlossen. Diese Klippe wurde mit Surrogaten wie der Prozeßstellvertretung (procurator in rem suam) umschifft. Noch Mühlenbruch, dessen Zessionstheorie die Historische Rechtsschule in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahm, hielt an der Unübertragbarkeit der Forderung fest. Die Forderung sei ein Band zwischen Gläubiger und Schuldner; dieser dürfe daher nicht zu einem Prozeß mit jemandem gezwungen werden, dem er nichts schulde. Der wirtschaftliche Erfolg einer Übertragung könne nur erreicht werden, indem der Erwerber als procurator in rem suam auftrete. 318 Wagner, Wissenschaft 141. Koch, Kommentar, Anm. 28 zu ALR I, 4, § 15. 316 JBI 1984, 313. m Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 1 f. == Schuber! 933 ff. 318 Luig, Zessionslehre 47 f.; die damals fast unbestrittene Theorie von Mühlenbruch setzte der hessische Entwurf 1853 in I § 261 und das sächsische BGBvon 1856 in den §§ 953,962,963,968 um. Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 3 == Schubert 935. 314 315
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Diese zur allgemeinen Geltung gelangte Ansicht der romanistischen Zessionstheorie, daß Forderungen unübertragbar seien, wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen Vertreter aus eigenen Reihen - Windscheid 319 überwunden. Er war der Ansicht, daß die Aufgabe der deutschen Rechtswissenschaft die Herstellung eines nationalen Rechts sei. Das römische Recht sollte das eigene nur bereichern; es sei aber, weil "auf den empfanglichen Geist des neueren Europa drückend, zum Gesetz für Deutschland geworden". An diesem Zustand sei die Historische Schule nicht unschuldig, denn zu beflissen hätte sie "das römische Recht als die Incarnation des absoluten Rechtsgedankens" anerkannt. 32o Auch wenn das römische Recht die Einzelnachfolge nicht anerkannte, nach Gewohnheitsrecht seiner Zeit stehe dieselbe fest. Die Singularsukzes'sion des Zessionars werde durch die "heutige Lebensauffassung und die darauf gegründete Gewohnheit der Übung vollkommen" anerkannt;321 nach dem Rechtsbewußtsein sei das Forderungsrechtjeder Einwirkung des bisherigen Gläubigers entzogen. 322 Die gemeinrechtliche Rechtslehre sah sich somit nicht in der Lage, die Forderung, verstanden als Anspruchsbeziehung zwischen zwei Personen, durch Einzelnachfolge auf den Zessionar zu übertragen. Sie erweiterte stillschweigend die Begriffsbestimmung der Obligation um ein Element; gleich dem deutschen Rechtsbrauch 323 wurde der Leistungsgegenstand der Forderung als Begriffsbestimmung in das Schuldverhältnis aufgenommen. 324 Davon kann ausgegangen werden, wenn zur Überwindung des gemeinrechtlichen Axioms der Nichtabtretbarkeit von Forderungen das Gewohnheitsrecht aktiviert wurde. 325 Durch Anerkennung des wirtschaftlichen Werts der Forderung als deren Wesensmerkmal gelangte die deu~schrechtliche Vorstellung zur Objektivie319 Die Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 3 f. berufen sich auf ihn zur Unterstützung ihres Entwurfs, in dem eine Sondernachfolge als möglich und zulässig angenommen wird, ebenso die Protokolle der Ersten Kommission = Mugdan , 11 65; daneben erwähnen die Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § I) 2 Bähr. 320 Windscheid, Actio 167. l2l Windscheid, Pandekten § 329,225. 322 Windscheid, Pandekten § 329, 225 f., Anm. 9. 323 Zum Rechtsbrauch vgl. Gierke, Privatrecht Bd. 111 56. 324 Auch die vernunftrechtliche Rechtslehre und deren Kodifikationen begriffen die Forderung als persönliches Band und Gegenstand. 32S Die folgende, in den Redaktormotiven Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 4 = Schubert 936 verwendete Begründung, welche das Gegenteil belegen würde, gab Windscheid später zugunsten der oben vorgetragenen auf: "Dem Gläubiger ist der Wille des Schuldners gebunden; das Band, mit dem ihm derselbe gebunden ist, gibt er einem anderen in die Hand; dieser hat es nun; ist das Band nicht mehr dasselbe, weil ein Anderer es in der Hand hat?"
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rung des Schuldverhältnisses. Als Gegenstand konnte dieses den beteiligten Personen verselbständigt gegenübertreten. Die Verselbständigung wurde differenziert, je nachdem der Leistungsgegenstand persönlicher oder sachlicher Art war. Leistungen wie die Abgabe einer Willenserklärung werden aus dem Persönlichkeitsbereich des Schuldners geschöpft; insoweit der persönliche Forderungsgehalt überwiegt, bleibt die Vergegenständlichung unvollkommen. Sachlicher Art ist der Leistungsgegenstand, wenn die persönliche Handlung nur zur Übertragung eines verkehrsfähigen Gegenstandes dient. Die Forderung konnte somit ihr Subjekt wechseln, ohne daß davon ihr objektiver Bestand berührt wurde, sie war übertragbarer Vermögensgegenstand. Die Vergegenständlichung der Forderung zog ihre Eingliederung in den objektiven Vermögensbegriff nach sich. 326 Aufgrund des deutschen Schuldbegriffs war die Zession als Übereignung eines unkörperlichen Gegenstandes aufgefaßt worden. 327 Indem Windscheid sich auf das Gewohnheitsrecht berief, hat er meines Erachtens die deutsch rechtlichen Definitionsmerkmale der Forderung in die romanistische Zessionstheorie eingeführt und damit eine Wendung eingeleitet. Die bisherigen gegensätzlichen Entwicklungslinien des römischen Rechts einerseits, des germanischen Rechts und der vernunftrechtlichen Gesetzgebungen andererseits sind auf dem Gebiet der Forderungszession somit angeglichen worden. 328 Bähr, ein weiterer Vertreter der Historischen Schule, sprach von Eigentum an Forderungen. Er sah in der Zession einen der Tradition analogen Vertrag. So wie diese das Recht einer körperlichen Sache, übertrage die Zession ein "Klagerecht, solches als Vermögensobject gedacht". 329 Daher müsse zwischen der "subjektiven" Berechtigung an der Forderung und ihrem objektiven Bestand unterschieden werden. Daraus erwachse das Bedürfnis, die subjektive Berechtigung, wem eine bestimmte Forderung also zustehe, zu bezeichnen; "und ich weiß in der That keinen passenderen Ausdruck hierfür, als wenn man von dem ,Eigenthum' an der Forderung redet. Die Sprache des gemeinsamen Lebens hat sich längst diesen Ausdruck angeeignet; und es Gierke, Privatrecht Bd. III 56 ff. Gierke, Privatrecht Bd. III 179: in einer Breslauer Urkunde von 1423 heißt es, der Gläubiger habe sich der Forderung "geeusert"". sie dem Erwerber .. abgetreten und mittenander entreumet und im genczlichen zugeeignet. also das er dormite tun und lassen sal von im und eyme idermanne ungehindert". Gierke, Privatrecht Bd. III 18JAnm. 16. m Windscheid zieht in der Folge die Parallele zwischen der Tradition körperlicher Sachen und der Übertragung von Forderungen: die iusta causa der Zession könne von so verschiedener Art sein "wie der Grund einer jeden Vermögenszuwendung". Es gelte für sie das gleiche wie für die Tradition. Windscheid, Pandekten § 330, 227. 329 Bähr, JherJb I (1857) 372. 326
m
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scheint mir von Seiten der Wissenschaft eine leidige Sprödigkeit, wenn sie solchen verschmäht". 330 Auch Jhering anerkannte das Recht als Gegenstand, den er näher als potentiellen Nutzen definierte: "Zwei Momente sind es, die den Begriff des Rechts constituieren, ein substantielles, in dem der praktische Zweck desselben liegt, nämlich der Nutzen, Vortheil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll, und einformales, welches sich zu dem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage."331 Kommt diese Vergegenständlichung der Forderung, welche die Zulässigkeit der Zession herbeiführte, auch im BGB zum Ausdruck? b) Die Entstehungsgeschichte des Abtretungsverbots im BGB Die Richtigkeit der Auffassung des älteren deutschen Rechts ließ v. Kübler in der Begründung des Teilentwurfs "Sondernachfolge in die Forderung und die Schuld", welcher der ersten Kommission zum Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1882 vorgelegt wurde, ausdrücklich dahingestellt. 332 Dennoch berief er sich in der Begründung, eine Sondernachfolge in die Forderung sei zulässig, auf die Bedürfnisse des Verkehrs, überdies sei sie in den bestehenden Gesetzen mehrfach ausgesprochen und auch in der Theorie nicht ohne Anerkennung geblieben. Nach dem Volksrechtsbewußtsein stelle sich die übertragene Forderung als die eigene des Zessionars dar, ebenso "wie eine veräußerte körperliche Sache als Eigenthum des Erwerbers". Für den Gesetzgeber liege aller Grund vor, die Singularsukzession zu sanktionieren, welche jedenfalls durch Gewohnheitsrecht feststehe. 333 Ferner gehöre die Leistung an einen bestimmten Gläubiger nicht zum Wesen des Schuldverhältnisses; sei die Übertragbarkeit der Forderung ausgeschlossen, weil der .dadurch bezweckte Erfolg nur durch die Leistung an den bestimmten Gläubiger erreicht werde, so gründe dies in den besonderen Umständen des einzelnen Falles. 334 So hatte v. Kübler in seinem ursprünglichen Redaktorenentwurf gar kein vertragliches Abtretungsverbot vorgesehen. 335 In der Folge änderte er den 330 Bähr, JherJb 1 (1857) 401 Bähr stellt weiter fest, "daß für dieses Eigenthum an Forderungen nicht alle die Sätze zur Anwendung kommen, welche für das Eigenthum an Sachen gelten, daß namentlich dort der Besitz mit allen seinen Consequenzen hinwegfällt: daran wird kein Verständiger zweifeln", Bähr, JherJb 1 (1857) 401 f.; - Allein auch Rechte, soweit verkehrsfähig, sind besitzfähig; Gschnitzer, SachR, 8 f. J3l Jhering, Geist 327. ))c Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 1 = Schubert 933 ff. m Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 2 Schubert 934. ))~ Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 1) 4 = Schubert 936. l3S Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 3) 19 Anm. 1 Schubert 951.
=
=
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Teil I, 8. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Entwurf dahingehend, daß er ein solches nur bei einer bestehenden Forderung ausschloß, bei Forderungsbegründung hingegen zuließ.336 Eine nachträgliche Übereinkunft könne die Natur der Forderung nicht ändern und den Forderungsübergang hindern; "sie wirkt, wie ein vertragsmäßiges Veräußerungsverbot bei körperlichen Sachen, nur unter den Kontrahenten".337 Der Entwurf erster Lesung erklärte nach den unterschiedlichen Ansichten des Redaktorenentwurfs, die Übertragbarkeit einer Forderung könne durch Rechtsgeschäft überhaupt nicht mit Wirkung gegen Dritte ausgeschlossen werden. m Die Anschauu'ngen des älteren deutschen Rechts und der aufgeklärten Gesetzgebung vor Augen, heben die Motive hervor, daß nach moderner Verkehrsauffassung die Forderung gleichsam "versachenrechtlicht" sei und daher hinsichtlich der Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Dispositionsbeschränkung ähnlich wie eine Sache zu beurteilen sei. 339 Auch entkräfteten die Motive das Argument, die Vertragspartner eines obligatorischen Rechtsverhältnisses könnten, weil von deren Rechtswillen in allen Beziehungen abhängig, durch Rechtsgeschäft nicht übertragbare Forderungen begründen; dies stehe mit dem vom römischen Recht abweichenden Entwicklungsgang der Zession in "grundsätzlichem Widerspruch". 340 Die Kommission zweiter Lesung war anderer Ansicht. Nach ihr soll zunächst unter dem Vorbehalt redaktioneller Nachprüfung eine Forderung für nicht übertragbar gelten, "wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Schuldner ... nach dem Inhalte des Schuldverhältnisses nicht erfolgen soll". Diese Formulierung wurde geändert; als Entwurf Zweiter Lesung wurde der Wortlaut des heute gültigen § 399 BGB verabschiedet. 341 Aus einer grundlegend anderen wirtschaftlichen Situation heraus als heute sprechen sich die Protokolle 341 gegen den Ausschluß absolut wirkender Abtretungsverbote aus, sei es doch keineswegs ein "Gebot des Verkehrsinteresses" , dies beizubehalten. Die geschichtliche Entwicklung hätte zwar dazu geführt, daß der Person des Gläubigers regelmäßig kein entscheidendes Gewicht beigelegt werde.
=
Redaktormotive Obligationenrecht'(Abschn. I Tit. 4 I) § 3 Schuber! 950. Redaktormotive Obligationenrecht (Abschn. I Tit. 4 I zu § 3) 18 Schubert 950. 338 Mugdan II, XX, I § 295. 339 Motive II 122 f. = Mugdan II 67. 340 Motive II 122 = Mugdan II 67. 341 Mugdan H, XX H, § 343; § 399 BGB: "Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist". RG und BGH verstärkten die Entscheidung des Gesetzgebers, indem sie dem rechtsgeschäftlichen Abtretungsverbot (§ 399 Halbs. 2 BGB) absolute Wirkung beigelegt haben. 342 Protokolle II 771 f. = Mugdan H 573. 336
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=
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"Aber was regelmässig nicht geschehe, sei darum noch nicht unzulässig. "
Daraus erhellt, daß das pactum de non cedendo für eine äußerst selten vorkommende Vereinbarung gehalten wurde. Denn "die Obligation sei dazu bestimmt, den besonderen Bedürfnissen der Einzelnen in ihrem Verkehre untereinander zu dienen". Interventionen der Eisenbahnen und Versicherungsgesellschaften, die sich auf ihre praktischen Geschäftsinteressen beriefen, führten neben anderem die Streichung des Ausschlusses absolut wirkender Abtretungsverbote herbei. Die Eisenbahnen wollten darüber disponieren können, Retour-, Rundreise- und Abonnementskarten als nicht übertragbar zu verkaufen; die Versicherungsgesellschaften machten darauf aufmerksam, ihnen weiterhin die Möglichkeit einzuräumen, die Abtretung der den Versicherten zustehenden Forderungen zu verbieten. Sie befürchteten ansonsten zunehmende Manipulierungsmöglichkeiten. 343 Nur dieser Art von Forderungen sprechen die Protokolle das Verkehrsinteresse ab, für kommerzielle Forderungen könnte man sich demnach auf das Verkehrsinteresse berufen und daher für diese Obligationen die Unzulässigkeit von Abtretungsverboten herleiten; die Kommission hat auf diese Art das Zessionsrecht in die wirtschaftliche Entwicklung eingebettet. 344 Seit Erlaß des BGB und der III. TN hat die Forderungsabtretung als Sicherungsmittel und zur Finanzierung der Umsatzkredite durch Factoring in eminentem Maße an Bedeutung gewonnen, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen. Die tatsächliche Situation gegenüber zur Zeit der lahrhundertwende hat sich auch insofern grundlegend geändert, als Abtretungsausschlüsse nicht die seltene Ausnahme bilden. 345 DUI:ch vertragliches Abtretungsverbot dürften heute in der Bundesrepublik Deutschland weit mehr als die Hälfte aller kommerziellen Forderungen nicht verkehrsfähig sein. 346 Diese Regelung findet sich weniger in Individualvereinbarungen, als vielmehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 347 Es erscheint unvertretbar, auf diese Art die Finanzierungsmöglichkeiten für den vielfach wirtschaftlich unterlegenen Gläubiger zu verbauen, ihm den Zugang zu diesem Vgl. Blaurock, ZHR 142 (1978) 331. Vgl. Mummenhof, JZ 1979,426. 345 "Schon im Jahre 1936 ist von dem Reichsfinanzministerium durch Runderlaß vom 25.3.1936, im Jahre 1937 von der Reichswirtschaftskammer (Die Reichswirtschaftskammer zur Frage der Verwendung von Buchforderungen als Kreditsicherheit) und im gleichen Jahre nochmals vom Reichsfinanzministerium durch Erlaß vom 5.5.1937 /06100 Bhl = 116/36 I B Bau, empfohlen worden, Abtretungsverbote im Interesse der Oesamtwirtschaft nicht wahl- und unterschiedslos zu vereinbaren (die zitierten Empfehlungen sind zum Teil abgedruckt bei Schütz, DR 1940 S. 1175, 1177f.)", zit. nach Serik, Eigentumsvorbehalt 11 289 Anm. 96. 346 Schmitt, DB 1980,244. 347 In Österreich sind z. B. in den Einkaufsbedingungen der meisten verstaatlichten Unternehmen Abtretungsverbote enthalten, "Die Presse", 11.4.1984, 12. 343
344
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wertvollen Vermögenswert zu versperren. Aufgrund der veränderten Situation erscheint diese gesetzliche und richterliche Wertung zugunsten des Schuldners fragwürdig. 348 Dies um so mehr, weil nach § 137 BGB die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Mit dinglicher Wirkung kann auf die Verfügungsbefugnis weder verzichtet noch diese beschränkt werden. Nach dieser Norm ist es bloß möglich, sich mit schuldrechtlicher Wirkung zu verpflichten, Verfügungen zu unterlassen. Um Verletzungen vorzubeugen, ergeben sich aus solchen Verpflichtungen Unterlassungsansprüche, bei vertragswidriger Verfügung Schadenersatzansprüche gegen den Verfügenden. 349 Dieser Wertungswiderspruch ist zum einen dadurch erklärbar, weil das Abtretungsverbot als seltene Ausnahme betrachtet wurde. Andererseits wurde meines Erachtens der funktionelle Zusammenhang zwischen Schuldund Sachenrecht im Gefüge des bürgerlichen Vermögensrechts aus vorwiegend dogmatischen Gründen nicht beachtet. Während das ABGB in seinem umfassenden Sachenrecht das gesamte Vermögensrecht vereint, indem es .. dingliche Rechte" und .. persönliche Sachenrechte" zusammenfaßt, hat das für das BGB maßgebende Pandektensystem diese Verbindungen aufgelöst. c) Die Forderung und Zession des BGB Nach § 241 BGB besteht das Schuldverhältnis lediglich als relative Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Konsequent führt es den aus dem römischen Recht kommenden Grundsatz durch, daß die Obligation nichts als ein persönliches Band zwischen den Relationspartnern begründe ... Das obligatorische Recht des Gläubigers ergreift nicht darüberhinaus auch oder schon den speziellen Gegenstand (Sache oder Recht), der durch die Leistung ihm verschafft werden soll. Ein Vermögensinteresse gehört ... nicht zum Wesen der Obligation."35o Würde der Leistungsgegenstand als Begriffselement der Obligation gesehen werden, könnten aus dessen Beschaffenheit die Natur und Intensität des persönlichen Bandes bestimmt werden. Die ungleiche Struktur der Forderungsrechte ergibt sich aus dem Gegenstand der geschuldeten Leistung, je nachdem es sich um vertretbare Sachen, insbesondere Geld, oder höchstpersönliche Leistungen handeltYl Ansonsten ließe Vgl. Drobnig, Gutachten 51. DJT F 78. Münchner-Kommentar. § 137 Rdz 30f. - In Sonderfällen ordnet das Gesetz sogar die Nichtigkeit der schuldrechtlichen Wirkung der Verfügungsbeschränkung an. - § 1136 BGB: .. Eine Vereinbarung, durch die sich der Eigentümer dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten, ist nichtig." - siehe auch § 2302 BGB (Unbeschränkbarkeit der Testierfreiheit). 350 Motive II 5 = Mugdan II 1. m Gierke, Entwurf 187. 348
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Mayel~Maly,
VIII. Einwirkungen auf das Abtretungsverbot des ABGB
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sich auch nicht erklären, weshalb die Übertragbarkeit der Forderung durch die Beschaffenheit der geschuldeten Leistung bedingt ist. Einen Bruch mit dem Dogma, das die Eigenschaft der Forderung in der relativen Beziehung sieht, begehen die Motive 352 selbst. Indem sie die Zulässigkeit der Zession mit der von römischrechtlichen Anschauungen abweichenden Entwicklung begründen, qualifizieren sie die Forderung als "gleichsam versachenrechtlicht" . Erst durch diese Vergegenständlichung kann die Forderung sich ohne Bestandsveränderung von ihrem Subjekt lösen. 353 Das BGB hält somit an der historischen Definition des Forderungsrechts als "iuris vinculum" fest, als praktisches Resultat wurden aber im Bereich der Zession Lösungen aus dem deutschen Rechtsbrauch und der Naturrechtsära übernommen. 3. Verjügungsbejugnis im BGB
Im gemeinen Recht entfaltete das Veräußerungsverbot über körperliche Sachen nur Wirkungen zwischen den Vertragspartnern. Die entgegen der Vereinbarung erfolgte Veräußerung war gültig. 354 Im ersten Entwurf des BGB war die Regelung des rechtsgeschäftlichen Verfügungsverbots des § 137 BGB in einer Vorschrift des Sachenrechts 355 und einer anderen im Schuldrecht 356 zu finden. Der historische Gesetzgeber zielte mit diesen Bestimmungen einen Gläubigerschutz an, indem er eine funktionsfähige Zwangsvollstreckung gewährleisten wollte; ansonsten könnte "das ganze Vermögen außer Verkehr gesetzt, bzw. den Angriffen der Gläubiger des Berechtigten entzogen werden". 357 Ein weiteres Anliegen war der Verkehrsschutz, sollten doch durch rechtsgeschäftliche Veräußerungsbeschränkungen im Gegensatz zum ALR die Güter des Marktes nicht verringert werden können. 358 Die Kommission erster Lesung legte Wert auf eine Motive 11 122 f. = Mugdan 11 67. Gierke, Entwurf 203 . .'5. Windscheid / Kipp, Pandektenrecht § 172a. Z3. 355 § 796: .,Die Befugniß desjenigen, weIchem das Eigenthum oder ein anderes Recht an einer Sache zusteht, über sein Recht zu verfügen, kann nicht durch Rechtsgeschäft mit Wirkung gegen Dritte ausgeschlossen oder beschränkt werden, soweit nicht das Gesetz ein anderes bestimmt". 356 § 295 Abs. 2: .,Durch Rechtsgeschäft kann die Übertragbarkeit einer Forderung mit Wirkung gegen Dritte nicht ausgeschlossen werden." - Ausgenommen für die im § 796 geregelten Sachenrechte wurde dieser Grundsatz durch § 312, des gegenwärtigen §413 BGB, auf alle anderen Rechte ausgedehnt: .,Die Vorschriften über die Übertragung von Forderungen finden auf die Übertragung anderer Rechte entsprechende Anwendung, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt". m Motive III 77 = Mugdan III 43. m Mayer-Maly, Münchner-Kommentar § 137 Rdz 4. 35~
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einheitliche Lösung, verwies sie doch bei der Beratung des § 796 auf die in §§ 295 Abs.2, 312 beabsichtigte Regelung für Forderungen und aller anderen Rechte. Die Kommission zweiter Lesung war der Ansicht, daß der Ausschluß der Befugnis zur Verfügung über das Eigentum oder über ein anderes Recht an einer Sache durch Rechtsgeschäft auf alle veräußerlichen Rechte auszudehnen sei. Deshalb sei diese Norm vom Sachenrecht in den Allgemeinen Teil des BG B zu versetzen. 359 Aus den bereits oben dargestellten Gründen wurde im Gegensatz dazu bestimmt, daß der vertragliche Ausschluß der Abtretbarkeit einer Forderung zulässig sei. 360 . Dieser .. Anachronismus"361 wurde vom österreichischen OGH ohne Erörterung der Problematik, welche im Heranziehen einer ausländischen Rechtsquelle besteht, übernommen. Betrachtet man diese Methode von der praktischen Seite, ist der OGH ähnlich wie derjenige vorgegangen, der die Antwort auf seine juristische Frage in seinem Kurzlehrbuch nicht findet und daher einen Kommentar zu Rate zieht, obgleich dieser von einem anderen Verfasser stammt. IX. Absolutes Zessionsverbot und Pfändbarkeit Der OG H ist der Ansicht, daß trotz absolut wirkendem Abtretungsverbot die Pfändbarkeit solcher nicht verkehrsfähiger Forderungen in Lehre und Rspr. nicht ernstlich bezweifelt werde; als Vorbild dient ihm § 851 Abs.2dZPO.·161 Auch Ehrenzweig,363 den der OGH zur Unterstützung seiner Meinung neben Heller I Berger I Stix 364 heranzieht, beruft sich lediglich auf diese Gesetzesstelle. Jedoch eine gleichlautende Bestimmung enthält das österreichische Recht nicht. 365
m Protokolle 111 3797 = Mugdan III 500; Als § 102a des 2. Entwurfs, in der heutigen Fassung § 137 BGB. 360 Protokolle 11 771 f. = Mugdan 11 573; § 399 2. Alt BGB. 361 Oft, AK § 399 Rdz 2. 362 JBI 1984, 313 851 Abs. 2 dZPO: .. Eine nach § 399 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht übertragbare Forderung kann insoweit gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist". 363 System, lI/I 255 Anm. 7. 364 Kommentar, 111 2233 - Sie meinen, es könne doch nicht sein, daß regelmäßig unter Verwendung vOn Vordrucken zwischen Gläubiger und Schuldner ein Abtretungsverbot vereinbart würde, um damit die für beide Teile lästige Exekution auf die Forderung oder Bezüge zu vermeiden. Immerhin schütze ein vertragsmäßiges Zessionsverbot nur vor rechtsgeschäftlichem Veräußerungsverbot. 365 Kommentar, 111 2233.
IX. Absolutes Zessionsverbot und Pfandbarkeit
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Umgekehrt hindert ein rechtsgeschäftliches Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c ABGB, das durch Verbücherung auch Wirkung gegen Dritte schafft, die exekutive Begründung von Pfandrechten. 366 Diese Auffassung entspricht dem § 400 BGB und § 851 dZPO, welche zwischen der Unübertragbarkeit einer Forderung und ihrer Unpfandbarkeit eine Wechselwirkung herstellen. Nach § 400 BGB ist eine unpfandbare Forderung unübertragbar, nach § 851 dZPO ist eine unübertragbare Forderung unpfändbar. Die Ausnahme des § 851 Abs. 2 dZPO spielte in der Entstehungsgeschichte des § 399 BGB, die Unabtretbarkeit der Forderungen kraft Vereinbarung betreffend, eine wichtige Rolle. Die Kommission erster Lesung schloß bei Forderungen und anderen Rechten neben anderen Gründen jede Verfügungsbeschränkung aus, weil das Zwangsvollstreckungsrecht auf der Übertragbarkeit von Forderungen und Rechten aufbaue. Würden demnach rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen im materiellen Recht zugelassen, könne insoweit die Zwangsvollstreckung nicht greifen. 367 Die Kommission zweiter Lesung, welche die Unübertragbarkeit einer Forderung durch Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner zuließ, entkräftete die Bedenken hinsichtlich des Gläubigerzugriffs durch eine Sonderbestimmung im Zwangsvollstreckungsrecht, dem heutigen § 851 Abs. 2 dZPO.368 Es ist widersprüchlich, wenn der OGH zur Begründung der absoluten Wirkung des Zessionsverbots auf § 399 BGB verweist, zur Zulässigkeit der Pfändbarkeit dieser Forderung das Vorbild des § 851 Abs.2 dZPO heranzieht, der nicht österreichisches Recht ist. Aus Praktikabilitätserwägungen ist aber auch im österreich ischen Rechtsbereich von der Pfandbarkeit jener Forderungen auszugehen, die mit dem Zessionsverbot behaftet sind.
x.
Das schweizerische Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht
1. Rechtszustand vor den kantonalen Kodifikationen Im Unterschied zu den Territorien des Reichs blieb der größte Teil der Eidgenossenschaft von der Rezeption frei. Lediglich in den Grenzstädten Gschnitzer, Sachenrecht 198; Heller / Berger / Stix, Kommentar 11 904 f. Motive 11 122 = Mugdan 11 67 - "Eine solche (sc dingliche) Wirksamkeit würde zur Folge haben, daß die Forderung auch im Wege der Exekution nicht übertragbar wäre. Somit würde sie den Schuldnern in vielen Fällen den Weg eröffnen, in einfacher Weise ihr Vermögen den Angriffen der Gläubiger ganz zu entziehen. Nichts wäre bedenklicher, als den Schuldnern das Bestreben, ihr Vermögen vor den Angriffen der Gläubiger zu sichern, zu erleichtern". 368 Protokolle 772 f. = Mugdan 11 573; vgl. Liebs. AcP 175 (1975) 20 f. 366
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Genf, Basel und Schaffbausen sowie den tessinischen Vogteien und im Bistum Sitten erlangte das römische Recht subsidiäre Geltung. 369 Wenn Rechtsgewohnheiten, Normen des eigenen Rechts fehlten oder diese nicht mehr den Bedürfnissen der Zeit und einem veränderten Rechtsdenken entsprachen, war man nicht abgeneigt, römische Institute zu übernehmen. 370 Einer Einführung des römischen Rechts, auch nur als subsidiäres, stand das starke Bewußtsein der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Eidgenossen entgegen. Sie hatten sich dem Reichskammergericht entzogen; vor allem übten Verwaltung und Rechtsprechung keine gelehrten Juristen aus, sondern Laien, die ihre administrative und richterliche Tätigkeit auf die lokale Selbstverwaltung in genossenschaftlich organisierten und räumlich überschaubaren Gemeinwesen stützten. 371 Nachdem die Truppen Napoleons 1798 das Gebiet der Eidgenossenschaft überwältigt hatten, faßte die Staatsführung der Helvetik (1798-1803) den Entschluß, ein Zivilgesetzbuch für den helvetischen Einheitsstaat zu schaffen. Weil es offenbar wichtigere Sorgen gab und der französische Code civil noch nicht vorlag, ist dieses Projekt nicht verwirklicht worden. Nach dem Wiener Kongreß lebten die alten Gebräuche und Gewohnheiten wieder auf. m Der frühere Zustand ließ sich aber nicht mehr herstellen; gegen die alten Verhältnisse erhob sich Opposition. 37J Zur Zeit der Regeneration, 1830, war die Kodifikation des Privatrechts ein Anliegen dieser liberalen Erneuerungsbewegung. J74 Die Autonomie der Kantone war zu dieser Zeit durch die Bundesgewalt nicht eingeschränkt. Die souveränen Kantone, die selbst auf ihrem eigenen Gebiet ein Bild der Rechtszersplitterung boten, führten die Vereinheitlichung zuerst auf kantonaler Ebene durch. m 2. Die kantonalen Kod((ikationen
a) Die Anlehnung von Kodifikationen an das österreichische ABGB Das Zivilgesetzbuch des Kantons Bern wurde noch in der Restaurationszeit unter einer konservativen, aristokratischen Regierung geschaffen (18241830). Das wieder erstarkte bernische Patriziat, von dem der Anstoß zu einer Huber, Privatrecht IV 118 ff.; Lil'(!/,. Einleitung Rdz 17 ff. Liver, Einleitung Rdz 17. m Lh'er, Einleitung Rdz 19 ff. m Caroni, Privatrecht 35. m Pet er, Zivilrechtswissenschaft 325 . .174 Neben einer geschriebenen Verfassung. der Gewaltenteilung und der allgemeinen Volksbildung. 375 Caroni, Privatrecht 35. .'69 .170
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Kodifikation des Zivilrechts ausging, wollte auf keinen Fall den aus einer Revolution hervorgegangenen Code civil zum Vorbild nehmen. Das ABGB Österreichs, das Recht eines monarchischen Staatswesens, bot sich an. Überdies war Österreich in langen Kriegen gegen das Frankreich der Revolution und Napoleons gestanden; weitere Bindungen zu Österreich bestanden durch die fremden Dienste bernischer Patrizier in diesem Land. 376 Der Redaktor des bernischen Zivilgesetzbuches, Samuel Ludwig Schnell,377 übernahm vor allem das Personenrecht und in beinahe vollkommener Übereinstimmung das Schuldrecht des ABGß. In das Sachenrecht gliederte er vielfach die österreichischen Institute ein und übernahm 327 Paragraphen fast wörtlich. 378 Dementsprechend wies das Zivilgesetzbuch des Kantons Bern dem Sachenrecht keine systematisch selbständige Stellung neben dem Obligationenrecht zu. Es regelte die gesamte Lehre VOn den Vermögensrechten im zweiten Hauptteil des Gesetzbuches als das "Sachenrecht". Gleich dem ABGB handelt das erste Hauptstück "von den dinglichen Rechten", das zweite "von den persönlichen Rechten". 379 Deutlich kommt daher zum Ausdruck, daß das Vermögensrecht der funktionalen Bedeutung der Forderungsrechte als Mittel und Gegenstand der Vermögenszuordnung Rechnung trägt: § 332 CG: Jeder Gegenstand eines Rechts, der nicht selbst rechtsfähig ist, heisst Sache. § 337 CG: Sachen, welche durch die äusseren Sinne wahrgenommen werden, heissen körperliche, und Sachen, welche durch die äusseren Sinne nicht wahrgenommen werden, unkörperliche Sachen: zu diesen letzteren gehören alle Rechte.
Durch die Anerkennung der Rechte als unkörperliche Sachen werden F orderungen somit wie körperliche Gegenstände als verfügbare Vermögensgegenstände angesehen. Klarer und schärfer in der Begriffsbildung wird dieser Grundsatz in dem über das bernische Vorbild entworfenen, somit auch vom ABGB mitgeprägten Zivilgesetzbuch des Kantons Solothurn 380 (1842-1848) gehandhabt. Die Lehre von den Vermögensrechten wird nicht als "Sachenrecht" bezeichnet, H6 Carlen, Einflüsse 15 Durch Kapitulationen war es Österreich gestattet, auf schweizerischem Gebiet Truppen anzuwerben. Zahlreiche Regimenter aus der Schweiz standen in österreichischen Diensten, 36 Schweizer steigen in Österreich in Generalränge auf, Carlell, Einflüsse 7. m Er war Anhänger der Kantischen Naturrechtslehre und machte sich wegweisende Ideen des ABGB zu eigen, Carlen, Einflüsse 17 m. w. H. 378 Carlen, Einflüsse 17 f. 379 Vgl. Huber, System 111 3 ff. 380 Vgl. Lil'er, Einleitung Rdz 33. Dem Modell des österreichischen ABGB schlossen sich ferner Luzern (1839) und Aargau (1855) an.
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sondern unter dem treffenderen Wort "Vermögens recht" geregelt. Folgende Definition in § 649 CG setzt die Klarheit dieses Ausdrucks fort: .. Die Vermägensrechte beziehen sich entweder auf Rechte an Sachen, d. h. an äusseren Gegenständen, denen keine Rechtsfähigkeit zukommt, oder auf Forderungen an bestimmten Personen:,-,sl
In diesen Kodifikationen wurde die vernunftrechtliche Idee eines das ganze Vermögensrecht umfassenden Sachenrechts umgesetzt; begünstigend wirkte sich dabei das naturrechtliche Denken der Schweizer Gesetzesredaktoren aus. 382 b) Österreichische Einwirkung auf die Rechtswissenschaft Neben den Kodifikationen haben auch österreichische Einflüsse in den Bereich der Schweizerischen Rechtswissenschaft eingewirkt. Unger, der das österreichische Recht durch die Verknüpfung mit der gemeinrechtlichen Dogmatik romanisiert hat, hatte in dem Zürcher Romanisten Friedrich Ludwig Keller 383 (1799-1860) einen Vorgänger. Durch Savignys Lehre beeinflußt, verhalf er der Wissenschaft des gemeinen Rechts zuerst in Zürich, danach in anderen Kantonen zur hervorragenden Stellung. So konnte auch Ungers "System des österreich ischen allgemeinen Privatrechts" in den vom ABGB beeinflußten Rechtsgebieten der Schweiz zu einer gewissen Rolle gelangen. 384 Ungers Lehre fand aber auch durch seinen Schüler AdolfExner in der schweizerischen Rechtswissenschaft Verbreitung. ' Dieser Vertreter der österreichisch-romanistischen Zivilistik wurde 1868 auf den Lehrstuhl für römisches Recht an der Universität Zürich berufen, den er bis 1872 innehatte. Exner kam aus einem Land mit kodifiziertem Privatrecht nach Zürich, wo ein im Historismus der deutschen Schule verwurzeltes Gesetzbuch galt. Daher hielt er seine Antrittsvorlesung über ein Thema, dem große Bedeutung in der Wissenschaft des römischen Rechts zukam: "Die praktische Aufgabe der romanistischen Wissenschaft in Staaten mit kodifiziertem Recht". Im Fakultätsgutachten wurde sein 1867 publiziertes Buch 385 gelobt, denn "die Art und Weise, wie er auf Grund der gemeinrechtlichen Quellen das österreichische Recht bearbeitet, bezeichnet Zit. nach Huber, System III 8. Der französische Code civil war die Grundlage des eigenen Privatrechts für die Kantone Waadt (1819), Tessin (1837), Fribourg (1850), Wallis (1853) und Neuchatel (1855). Genf und der ehemalige Berner Jura gehörten 1804 zum französischen Staat. Nach der Aufnahme in die schweizerische Eidgenossenschaft 1815 galt der Code Napoleon weiterhin, vgl. Elsener, Rechtsschulen 57 ff. JSJ Schwarz, Universität Zürich 9 ff. 384 Schwarz, Universität Zürich 36. m Die Lehre vom Rechtserwerb durch Tradition nach gemeinem und österreichischem Recht. J81
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den Weg, auf welchem in nicht zu ferner Zukunft das Zivilrecht überhaupt behandelt werden muß". 386 Mehr denn das römische Recht, das Exner zeitlebens lehrte, steht in seinem literarischen Gesamtblick das österreichische Zivilrecht im Vordergrund. 387 Exner, der "den Typus des pandektistisch fundierten Dogmatikers eines modernen kodifizierten Privatrechts verkörperte", 388 trug mit seinem Buch erheblich dazu bei, das Dogma von der abstrakten Natur der Tradition zu festigen. Mit dieser Lehre hatte sich die schweizerische Rechtsprechung bis in neuerer Zeit auseinanderzusetzen. 389 Auch die weiteren aus Österreich stammenden Juristen haben durch ihre Lehre die Praxis beeinflussen können. 390 3. Der Weg zur Rechtseinheit Durch das schweizerische Zivilgesetzbuch, das im ganzen Gebiet der Schweiz am 1. Januar 1912 in Kraft getreten ist, sind die vielen zersplitterten Quellen des Privatrechts außer Kraft gesetzt worden. Diese Vereinheitlichung hatte sich in mehreren Etappen vollzogen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand als ein Aspekt der industriellen Revolution der Übergang zur mechanischen Produktion statt. Um eine zeitgerechtere politische Organisation herbeizuführen, wurde die Eidgenossenschaft 1848 von einem Staatenbund zum Bundesstaat. Die Bundesverfassung von 1848 erfüllte im Zuge der Industrialisierung auch Anliegen wirtschaftspolitischer Art: Indem sie sich für die Handels- und Gewerbefreiheit, Niederlassungsfreiheit und Beseitigung der Binnenzölle aussprach, schuf sie einen einheitlichen Wirtschaftsraum. Schwarz, Universität Zürich 37. Vgl. seinen Sachbegriff oben Anm. 204. 388 Schwarz, Universität Zürich 38. 389 Das Bundesgericht hat sich noch in BGE 67 II 123 für das Abstraktionsprinzip im Recht der Forderungsabtretung ausgesprochen. In BGE 48 II 363 E.l ist es der Ansicht, daß dieser bisher anerkannte abstrakte Charakter neu zu überdenken wäre. Denn es "dürfte sich angesichts der Wendung der Rechtsprechung im Gebiet des Mobiliarsachenrechts, BGE 55 II 302 ff., eine erneute Prüfung dieser grundsätzlichen Frage des Zessionsrechts genügend rechtfertigen, wenn auch gewiss die Verschiedenheit des Gegenstandes der Übertragung nach wie vor die Möglichkeit voneinander abweichender Lösungen offen lässt." - Interessant ist es für meine Belange, daß das Bundesgericht trotz dem heutigen schweizerischen Sachbegriff, der entsprechend der gemeinrechtlichen Lehre nur die körperlich greifbaren Güter umfaßt, von Forderungen als Gegenstand spricht. Damit knüpft es an die oben erwähnten naturrechtlieh beeinflußten Kodifikationen an. 390 Carlen, Einflüsse 27 f., z. B. der in Wien geborene Julius Georg Lautner, der 1930 nach Zürich berufen wurde und den romanistischen Aspekt der europäischen Privatrechtsentwicklung in den Vordergrund stellte. 386
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Die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Privatrechts ließ vorerst auf sich warten. Die Zersplitterung wurde nicht als unerträglich empfunden. War doch die soziale Rechtsvereinheitlichung verwirklicht, denn die verschiedenen kantonalen Kodifikationen bekannten sich zum modernen Prinzip der allgemeinen Rechtsfähigkeit. 391 Gegenüber der explosionsartigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der zweiten Jahrhunderthälfte nahm die privatrechtliche Ordnung einen statischen Platz ein. Ihre nunmehrige Unzulänglichkeit ließ den Wunsch nach einem einheitlichen Privatrecht ertönen. Vier Versuche waren nötig, um dem Bund die ausschließliche Zuständigkeit zur privatrechtlichen Gesetzgebung zuzuweisen. Nach den mißlungenen Anläufen von 1865 und 1872 wies die Bundesverfassung von 1874 dem Bund jene Teile des Privatrechts zu, die am stärksten von der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung überholt waren: das Obligationenrecht einschließlich des Handels- und Wechselrechts. Die handelshemmende Rechtsunsicherheit sollte beseitigt werden. 392 In Kraft gesetzt wurde das Obligationenrecht 1881. Die Teilkompetenz von 1874 führte zu einem Nebeneinander von eidgenössischem und kantonalem Privatrecht. Diese Konkurrenz bescherte mißliche Zustände; durch die ständig zunehmende Vermischung der Bevölkerung vermehrten sich die Kollisionsfälle. Die Gesellschaft der im wesentlichen abgeschlossenen industriellen Revolution betrachtete die Spaltung der Gesetzgebungskompetenz in eine Zeit gehörend, welche dem Handel und der Industrie bloß sektorielle Bedeutung zubilligte. Der Markt war aber zu einer maßgebenden Einrichtung geworden und zog tiefgreifende Veränderungen mit sich. Der "wirtschaftlich-soziale Automatismus" verlangte nach Vereinheitlichung. Um die Güter optimal einzusetzen, trat an vorderster Stelle der Wunsch nach Umgestaltung des Hypothekarrechts. Die Kreditfähigkeit der Pfandtitel sollte erhöht werden, um den Geld- und Kreditmarkt in erleichterter Weise über die Kantonsgrenzen auszudehnen. 393 Das Hypothekarrecht regelten bis anhin in unterschiedlicher Art die Kantone, während die Regelung des Mobiliarpfandrechts in die Bundeskompetenz fiel. 394 Je nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen bildeten sich in den Kantonen eine oder mehrere Arten von Grundpfandrechten aus, die nebeneinander zugelassen wurden. Die Zersplitterung war groß. Bevor die Grundpfandrechte im ZGB vereinheitlicht wurden, waren etwa 60 verschiedene Arten, die unterschiedliche Entwicklungsstufen aufwiesen, anzutreffen. 395 391 392 393 394 395
Zum Ganzen Caroni, Privatrecht 25 ff. Vgl. Gygi, Verfassungsgrundlagen 9 f. Caroni, Privatrecht 43 ff. Huber, System III 435 f. Huber, System III 437; Schulin, Entwicklung 374.
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1898 wurde dem Bund durch Verfassungsänderung die Zuständigkeit für die gesamte Privatrechtsgesetzgebung übertragen. Das Zivilgesetzbuch trat gleichzeitig mit dem revidierten Obligationenrecht von 1881 am 1.1.1912 in Kraft. Dieses wurde formell nicht in das ZGB eingegliedert. 396
Aus heutiger Sicht drängt sich ein Vergleich zwischen dem Hypothekarrecht und kommerziellen Forderungen auf. Früher war ein maßgebendes Ziel der industrialisierten Gesellschaft, das Hypothekarrecht zu vereinheitlichen, um durch die Verpfandung der Grundstücke die optimale Mobilisierung der Bodenwerte zu erreichen. Körperliches Sacheigentum, vor allem Grund und Boden, ist aber nur begrenzt vorhanden. Daher ist zunehmend die wirtschaftliche Bedeutung der Forderungsrechte für den Einzelnen wie für den Unternehmer seit Entstehung des ZGB gestiegen. 397 In der heutigen schweizerischen Praxis der Kreditsicherheiten (und in anderen Ländern) nehmen Forderungsabtretungen, vor allem die Sicherungszession, eine "herausragende" Stellung ein. 398 Die Forderung als Gegenstand vermögensrechtlicher Zuordnung kann aber in beinahe willkürlicher Weise durch Abtretungsverbote als Kapitalgrundlage entzogen werden. Überlegenswert ist, ob - und in diesem Fall wann der "wirtschaftlich-soziale Automatismus"399 auch im Bereich der Forderungsabtretung eine dem Hypothekarrecht ähnliche Entwicklung nachholen wird: Die Mobilisierung der Forderungswerte könnte danach nur noch in erschwerter und begründeter Weise durch Abtretungsverbote ausgeschlossen werden. 4. Ausstrahlung der Historischen Schule und Pandektistik auf das schweizerische Recht und der Widerstand Bluntschlis
a) Bluntschli und das Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich (PGB) von 1853-1856 Die Wurzeln des maßgebenden Einflusses, welchen die deutsche Rechtswissenschaft auf das schweizerische Zivilrecht ausübte, reichen in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zurück. Sie beruhen auf den besonderen Verhältnissen dieser Zeit;junge Schweizer Juristen kamen von deutschen 396 Wieacker, Privatrechtsgeschichte 490 f. Das ZGB gliedert sich in 4 Teile: Personen-, Familien-, Erb- und Sachenrecht. Das OR beginnt mit eigener Artikelzählung. Aus der Gesetzesüberschrift ist zu entnehmen, daß es der Sache nach den 5. Teil des ZGB darstellt. 397 Vgl. Krasser, Schutz 142. 398 Stauder / Stauder, Wirksamkeitsvoraussetzung 291. 399 Caroni, Privatrecht 45.
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Universitäten, an denen die Historische Schule in ihrem Zenit stand. Von Savignys Lehre begeistert, setzte vor allem Friedrich Ludwig Keller400 sein Vorhaben um, das römische Recht an schweizerischen Universitäten in das Zentrum des Rechtsunterrichts zu stellen. Mitbegründer der zürcherischen Romanistik war Johann Caspar Bluntschli, ein Schüler von Keller, danach von Savigny.40I Bluntschli hat das zürcherische privatrechtliche Gesetzbuch (PGB), das zwischen 1853 und 1856 in Kraft trat, geschaffen. 402 Viele Lösungen wurden aus dieser Kodifikation ins ZG B übernommen;403 in Zweifelsfällen wurde hauptsächlich auf das PGB zurückgegriffen. 404 Eugen Huber fand lobende Worte, denn "die einheimischen Überlieferungen sind mit bewundernswerter Geschicklichkeit nicht nur beibehalten, sondern in das System eingefügt und in alle Details ausgeführt und der Wissenschaft entsprechend ergänzt". 40S Die Redaktion des PGB fiel in die Zeit der Auseinandersetzungen zwischen Romanisten und Germanisten an den deutschen Universitäten. Das PGB wurde zum eigentlichen Vorläufer des ZGB, weil es eine Synthese zwischen überliefertem partikulärem Recht, römischem Recht und modernem Handelsrecht herstellte. Bluntschli hatte die Fähigkeit der Neugestaltung des überkommenen Rechts an die Anforderungen der Zeit. Er erkannte aus der historischen Entwicklung die soziale Funktion des herkömmlichen Rechts, seine Grundsätze und Einrichtungen und deren Lebensfahigkeit. Aus dieser Erkenntnis wahrte er, wo es ihm angebracht schien, die Tradition. Sie gab ihm aber auch die Freiheit der Wertung, ob die Tradition aufgegeben werden müsse; oder ob traditionelle Formen mit neue m Sinn einem rechtspolitischen Ziel der Gegenwart entgegengeführt werden könnten. 406 Von Gierke meinte, "das Zürcher Privatrechtliche Gesetzbuch hat als ein nach Stoff und Geist germanistisches modernes Gesetzbuch für die Wissenschaft und das Leben des deutschen Rechts eine hohe Bedeutung erlangt". 407 In Berlin stark unter dem Einfluß Savignys stehend, war Bluntschli 1830 nach Zürich zurückgekehrt. An der 1833 neugegründeten Universität Zürich Zur Biographie: Landsberg, III 2, 465. Schwarz, Universität Zürich 9 ff. 402 Vgl. Bauhofer, ZSR 46 (1927) II ff.; vgl. Hochuli, ZSR 101 (1982) 98 ff. Dem . zürcherischen Vorbild folgend, kodifizierten ihr Recht die Kantone Nidwalden (1853), Thurgau (1860), Zug (1861), Graubünden (1862), Schaffhausen (1865) und Glarus (18691874), vgl. Liver, Einleitung Rdz 35 ff. 403 Vgl. Liver, Kommentar, N. 105 und 201 zu Art. 730 ZGB; vgl. Huber, Erläuterungen 11 204. 404 Liver, ZSR 81 (1962) 9 ff. (20 ff.). 405 Huber, System IV 194. 406 Elsener, Rechtsschulen 174 f.; Liver, Einleitung Rdz 43. 407 Zitiert nach: Elsener, Rechtsschulen 175. 400
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lehrte er römisches Recht, später deutsches Recht. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit übte Bluntschli auch verschiedene politische Ämter aus. Nachdem er anfangs romanistische Arbeiten im Stile der historischen Schule verfaßte, distanzierte sich Bluntschli später von deren Methoden und kritisierte sie. Die Vorherrschaft des römischen Rechts sei nicht mehr gerechtfertigt, nachdem es seinen Beitrag zur Entwicklung von Rechtszustand und Rechtsverständnis geleistet habe; überdies komme in seiner engeren Heimat dem einheimischen Rechte die führende Stelle zu. Ohne Bruch mit den Grundsätzen der Historischen Schule - vielmehr übertrug er diese auf die Schweizer Rechtsverhältnisse - vollzog er den Übergang zum deutschen Recht. Bluntschli wurde zum "Germanisten entschiedener Färbung" und zum Anhänger neuerer Rechtsumgestaltung. 408 Denn ob der Vergangenheit, die hinter uns sei, dürfe man nicht "die Gegenwart und Zukunft vernachlässigen, die mit uns und vor uns ist, und für die zu wirken wir berufen sind" .409 Germanistisch war auch seine Vorrede zu seinem 1853 erschienenen Buch "Deutsches Privatrecht" geprägt. In der Erkenntnis und Fortbildung des modernen Rechts sei "der einfachste Weg, die ungebührliche Herrschaft römischer Begriffe und Gesetze allmählich zurückzudrängen und zu beseitigen".410 Er beklagt, in der Rezeptionszeit sei der "Pedantismus und die formelle Gesetzesautorität des sogenannten gemeinen römischen Rechteseben der juristische Zopfstyl - überall, ausser in England, auf den hohen Schulen der Wissenschaft und in den verschlossenen Gerichtshöfen herrschend geworden. Leider müssen wir bekennen, am ärgsten in Deutschland ... "411 Daher müßten Begriffe des römischen Rechts, die der Zeit fremd und in Widerspruch mit deren Bedürfnissen seien, in reformatorischer Weise aus der Rechtsordnung ausgeschieden werden. 412 Bluntschli anerkennt, daß in besonderer Weise das römische Recht auf das Schuld recht eingewirkt habe, wodurch das deutsche Privatrecht gefördert worden sei. 413 Dessen ungeachtet müsse das römische Recht aber, durch die wirtschaftliche Entwicklung bedingt, "dem Geiste der neuen Welt wesentliche Concessionen machen und bedeutende Modificationen in sich aufnehmen" .414 Der Verkehr mit Vermögensrechten hätte reichlich zugenommen. In diesem Zusammenhang müsse dem älteren deutschen Recht trotz seiner geringen 408 409 410 411 412
4t3 414
Landsberg, III 2, 552ff. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 1 V f. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 1 IX. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 1 XIII. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 1 XIX. Bluntschli, Staats- und Rechtsgeschichte Bd. 1,215. Bluntschli, Staats- und Rechtsgeschichte Bd. 1,216.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Ausbildung zugestanden werden, daß der entscheidende Anstoß zur Entwicklung von diesem ausgegangen sei. Dies treffe vor allem auf das Recht der Zession ZU. 415 Gelegen kommt Bluntschli bei dieser Aussage sicher, daß in der Schweiz keine Rezeption stattgefunden hat. Dies sei dem Umstand zu verdanken, daß ihr das römische Recht nicht vom Reichskammergericht aufgezwungen wurde. "Eben deshalb ist die Schweiz, welche den früheren Einflüssen des römischen Rechts kaum viel weniger ausgesetzt war als Süddeutschland überhaupt, von dieser direkten und zum Theil auch pedantischen Herrschaft eines fremden Gesetzbuches frei geblieben ... "416 b) Der Sachbegriff des PGB Während das römische Recht bei den Forderungsrechten an der Sichtweise des persönlichen Bandes zwischen Gläubiger und Schuldner festhielt, rücke "unser neueres Recht" dagegen mehr den "objectiven Gehalt" der Forderung in den Vordergrund; dadurch würde die Verkehrsfähigkeit erhöht. Die Forderung sei daher ein Gegenstand des "activen Vermögens, des Eigenthums im weiteren Sinn".417 Dieser Grundsatz, wonach die Forderung ein Gegenstand der Vermögenszuordnung ist, widerspiegelt sich in der Zuordnung der Forderungen zum beweglichen Gut im § 484 PGB: "Unter dem Ausdrucke ,bewegliches Gut' oder .fahrende Habe' werden in der Regel nicht bloß alle beweglichen Sachen im eigentlichen Sinne des Wortes verstanden, sondern auch das ganze dem Verkehr anheimfallende in Rechten (Forderungen, Schulden) bestehende Vermögen .. :'
Das bewegliche Gut oder die fahrende Habe umfaßt somit sämtliche körperlichen Sachen und Rechte, die das bewegliche Vermögen darstellen. Bluntschli war bestrebt, das Sachenrecht mit den Bedürfnissen des lebhaften Verkehrs, der Geldwirtschaft und des Kredits in Einklang zu bringen, Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bemühte er sich, herkömmliches Recht der Gegenwart entsprechend fortzubilden und die im Volk lebenden Rechtsansichten möglichst klar auszusprechen. Im Sachenrecht erfuhr die Betrachtung der Forderung als Gegenstand ihren Niederschlag in der Mobilisierung des Schuldbriefs, einer Form des Grundpfands. 418 Er sieht eine dingliche wie persönliche Haftung des Schuldners vor. 415 416
417
Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 2, 2. Bluntschli, Staats- und Rechtsgeschichte Bd. I, 319. Bluntschli, Privatrecht Bd. 2, 3.
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Durch den Schuldbriefwird eine verselbständigte Forderung Gegenstand des wertpapiermäßigen Verkehrs. 419 Dies wird dadurch erreicht, indem das zwischen den Parteien abgeschlossene Schuldverhältnis ~it Errichtung des Schuldbriefs durch Novation aufgehoben und damit frei von Einreden wird. 420 Der Schuldbrief wurde als bevorzugte Kapitalanlage eingesetzt, war es doch bis vor kurzem bei "unsern Kapitalisten die beliebteste Art, ihre Gelder in Schuldbriefen zinsbar und sicher anzulegen" ,421 wie Bluntschli 1854 schrieb. Obgleich sich das Verhältnis zugunsten von Aktienscheinen und auswärtigen Papieren geändert habe, seien die Schuldbriefe nach wie vor der "überwiegende Bestandteil des einheimischen, auf Zinsen angelegten Kapitals". Manch neuere Bestimmungen des Gesetzbuches, auch solche, welche den "Verkehr mit Schuldbriefen erleichtern", würden die Attraktivität dieses Instituts noch fördern. 422 Die Verkehrsfunktion des Schuldbriefs wird vor allem in den §§ 844 und 845 PGB betont. Nach § 844 PGB können Schuldbriefe "auch ohne Vorwissen und Zustimmung des Schuldners von dem Pfandgläubiger beliebig veräußert und verpfändet werden". Diese Beweglichkeit des Schuldbriefes begründet Bluntschli, indem er die Forderungen wegen ihres objektiven Wertes als Gegenstand des Vermögens sieht. Im Verkehr mit Schuldbriefen, der sich damit dem Inhaberpapier annähere, zeige sich recht anschaulich, wie in der "neueren Rechtsbildung im Gegensatze zu der römischen die gegenständliche Bedeutung der Forderung hervortritt, so sehr, dass in manchen Beziehungen das sachenrechtliehe Schicksal des Schuldbriefs als eines Werthpapiers die persönliche (obligatorische) Verbindung zwischen Gläubiger und Schuldner bestimmt".423 Daher kann der Schuld brief nach § 845 nach den Grundsätzen des MobiIiarverkehrs veräußert oder verpfändet werden. Eine Vormerkung der Übertragung auf dem Schuld brief ist dabei nicht notwendig. Gleich wie die Veräußerung und Verpfändung von beweglichen Sachen wird das Grundpfandrecht durch bloße Übergabe der Schuldbriefurkunde übertragen. Deren Übertragung bedeutet zugleich die Zession der persönlichen, versicherten Forderung, die nicht mehr gesondert vorgenommen zu werden braucht. 424 -ll8
373 ff. 419
4~O 4~1 4~~
4~) 4~4
Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz vgl. Schulin, Entwicklung Vgl. Esche/', Grundpfandrecht 53 ff. Blullfschli, Erläuterungen Anm. 2 zu § 781. Blullfschli, Erläuterungen Anm. 1 zu § 781. Blullfschli, Erläuterungen Anm. 1 zu § 781. Blullfschli, Erläuterungen Anm. 2 zu § 844. Vgl. Huber, System III 558; ders., Geschichte IV 815.
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Die Zession der persönlichen Forderung, die als Vermögensgegenstand, als Sache gesehen wird, erfolgt somit nach sachenrechtlichen Grundsätzen durch die Übertragung des Eigentums an der Urkunde; dadurch wird das Grundpfandrecht übertragen und gleichzeitig die persönliche Forderung zediert.42 5 c) Die Zession im PGB Seine Erkenntnis überträgt Bluntschli nun auch ins Zessionsrecht. "Das heutige Rechtsbewußtsein betrachtet die Forderungen ihrem objektiven Werthe nach als Bestandtheile des Aktivvermögens und daher ähnlich wie das Eigenthum an Sachen als Objekt des Verkehrs." Umwege, wie sie die Römer aufgrund ihrer Betrachtung der Forderung als persönliches Band beschreiten mußten und trotzdem nur unvollständig das Ziel erreichten, seien nicht mehr notwendig. Der Zessionar wird selbständiger Gläubiger und nicht bloßer Stellvertreter des ursprünglichen Gläubigers. 426 Der Zedent verfügt somit über eine vergegenständlichte Forderung. Die Abtretung hat weiters eine Singularsukzession des Zessionars zur Folge: .. Der Gläubiger ist in der Regel berechtigt, auch ohne Zustimmung des Schuldners seine Forderung auf einen anderen zu übertragen. "4~7 .. Die Forderung gehört nun zu dem Vermögen des Zessionars .. :q~8
Bluntschli wollte mit seiner deutschrechtlichen Kodifikation das auf der geschichtlichen Tradition beruhende zürcherische Recht vor der Verdrängung oder Abschwächung durch das Pandektenrecht schützen; versuchten doch die Juristen dies zur Geltung zu bringen, weil sie darin ausgebildet ·wurden.429 Sein Privatrechtliches Gesetzbuch wurde neben einer Gruppe von Kantonen das wirksamste Vorbild des schweizerischen ZGB.430
42l Das Recht des Schuldbriefs ist im Jahre 1887 in Angleichung an das Bundesgesetz über das Obligationenrecht vom 14. Juni 1881 revidiert worden. 426 Bluntschli, Erläuterungen zu § 1025; vgl. HUlI'iler, Begriff 167 f. 427 § 1025 PGB. 428 § 1035 PGB. 429 Oppikojer, ZSR 60 (1941) 361 ff. 430 Liver, Eigentumsbegriff 151; Eugen Huber, der den Entwurf des ZGB ausgearbeitet hat, würdigt die Vorzüge des PGB, "die vermutlich erst eine spätere Zeit ganz zu würdigen verstehen wird, wenn sie sieht, daß vorher und nachher keine bessere Kodifikation mehr möglich gewesen ist", System IV, 194 f.
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5. Der Sach-, Forderungs- und Zessionsbegriff des ZGB und OR
a) Einfluß der Pandektistik auf Gesetz, Gerichtsbrauch und Lehre In den nachfolgenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ist die Begriffsund Gedankenwelt der deutschen Pandektenwissenschaft fester Bestandteil des schweizerischen Rechts. Am 1. Januar 1883 trat das "Bundesgesetz über das Obligationenrecht" in Kraft, mit dem die Rechtseinheit im Schuldrecht einschließlich des Handels- und Wechselrechts herbeigeführt wurde; damit war die handelshemmende Rechtsunsicherheit aufgehoben. 431 Weil sowohl der allgemeine wie der spezielle Teil des OR unter Heranziehung der gemeinrechtlichen Doktrin entstanden ist, wurde in der Folge auch von den Gerichten zur Auslegung und Ergänzung des Gesetzes der pandektistischen Lehre besonderes Gewicht beigemessen. 432 Unter Berücksichtigung des großen Gewichts, das der Tradition im schweizerischen Recht zukommt, hätte man eigentlich diese Rolle eher vom früheren Recht erwartet. In den publizierten Motiven ist das alte kantonale Recht aber nicht anzutreffen. Die Gründe dieser Zurückhaltung liegen in der Art des früheren Rechts, denn durch die Zersplitterung in 25 Rechtsgebiete fehlte es an einer einheitlichen einheimischen Tradition. Auch war es nicht angebracht, das Recht eines einzelnen Kantons offiziell zur Grundlage des Bundesrechts zu verwenden. Auf dem Gebiet des Verkehrsrechts besaß das kantonale Recht keinen eigentümlichen, nationalen Charakter; eine eigene wissenschaftliche Tradition fehlte, es sta,nd unter großem Einfluß des Auslands. Vielfach wurde es nach der Tradition, Lehre und den Begriffen des gemeinen Rechts, teilweise durchsetzt von den Lehren des Code civil, gehandhabt. Bezeichnend ist daher vor allem in der älteren Praxis die Berufung auf die Pandektisten. 433 aa) Eugen Huber als Romanist Eugen Huber, der Schöpfer des ZGB,434 hat auch an der Anpassung des alten OR an das ZGB mitgewirkt. Die Vorarbeiten begannen 1900 und Huber redigierte die Entwürfe. Weiters behandelte er das Obligationenrecht in seinen Lehrveranstaltungen. Wichtigstes Zeugnis dieser Beschäftigung ist ein Manuskript über den Allgemeinen Teil. 435 431 432
433 434 435
Oser / Schönenberger, Zürcher Kommentar Bd. V 1 XXI ff. Meier-Hayoz, Richter 199. Spiro, Gerichtsgebrauch 138 ff. Liver, SJZ 58 (1962) 212. Kaufmann, Obligationenrecht 70 ff.
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In diesem Manuskript charakterisiert Huber das bürgerliche Obligationenrecht, ausgenommen das Handels- und Wechselrecht, als auf römischrechtlichen Grundlagen aufbauend. Allerdings seien diese durch die Doktrin in fortwährender Weiterentwicklung. Teilweise sei auch eine Verschmelzung der deutschen gemeinrechtlichen Wissenschaft auf römisch-rechtlicher Grundlage mit der französischen Doktrin auf Grund des Code civil feststellbar. 436 Huber bestärkt das klare Überwiegen des Einflusses der deutschen Pandekten wissenschaft im Obligationenrecht, indem er laufend auf das römische Recht und die gemeinrechtliche Doktrin verweist. Er beschreibt das schweizerische Obligationenrecht insgesamt mit dem begrifflichen Instrumentarium der Pandektistik. Statt ihrer deutschen Übersetzung bevorzugt er überall römische Institutsnamen. Im Text erscheinen vor allem Pandektenwissenschaftler wie Savigny, Thibaut, Keller, Windscheid, Jhering, Hartmann, Leonhard und Dernburg. 437 bb) Einfluß auf Gesetzgeber, Richter und Lehre Die Revision des alten Obligationenrechts von 1881 im Jahre 1911 diente nicht nur der Anpassung dieses Gesetzes an das ZG B, sondern es konnte sich auch dem Einfluß der Kodifikation des Schuldrechts im deutschen BGB nicht entziehen. 438 Wichtige Bestimmungen sind speziell in Anlehnung an das deutsche BGB entstanden. 439 Oft hatte die Praxis auch bei der Auslegung anderer Artikel deutsches Recht herangezogen. 44o Bei der Frage, wann die Zession durch die Natur des Rechtsverhältnisses nach Art. 164 OR ausgeschlossen sei, lehnte sich die Praxis für die nähere Bestimmung an § 399 BGB an. Maßgebendes Kriterium sei, ob der Gläubigerwechsel eine Veränderung des Leistungsinhalts zur Folge hätte. 441 Das deutsche Recht strahlt auch in den Bereich, in dem die selbständige Autorität der Doktrin, die dabei eine Art Kontrollinstanz ausübt, feststell436 Zum Beispiel bei der Lehre vom Schadenersatz, der Lehre vom zweiseitigen Vertrag, der Lehre von der Perfektion der Verträge. 437 Kaufmann, Obligationenrecht 78 ff. 438 v. Tuhr I Siegwart, Allgemeiner Teil 1 f. 439 Zum Beispiel Art. 21 (BGB § 138 Abs. 2), Art. 26 (BGB § 122), Art. 27 (BGB § 120), Art. 41 Abs.2 (BGB §826), Art. 107/109 (BGB §§326ff.), Art. 108 Ziff.2 (BGB §326 Abs.2), Art. 60 Abs.3 und 67 Abs.2 (BGB §§853, 821), Art. 175/183 (BGB §§414ff.), Spiro, Gerichtsgebrauch 162. 440 VgI. zur ähnlichen Situation in Österreich Barta, Kausalität 19 Anm. 16: .. Zwischen Deutschland (BRD) und Österreich bestehen im rechtlichen Bereich Affinitäten, wie man sie selten zwischen zwei souveränen Staaten antrifft". 441 BGE 39 I 261, 63 11 157 ff.; vgI. Spiro, Gerichtsgebrauch 164.
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bar ist. In diesen Fällen kommt die Autorität der Doktrin als solcher, nicht ihren Erwägungen zu, weil auch sie die Norm nicht begründet. In dieser Art verhält sich die Praxis bei der Qualifikation der Zession als abstraktes Rechtsgeschäft. Das Bundesgericht begründet die Abstraktheit der Zession mit dem Hinweis auf das "analoge deutsche Recht",442 mit Präjudizien und Literatur. Diese wiederum begnügt sich mit der Begründung, indem sie auf den Charakter der Zession als Verfügungsgeschäft verweist, das notwendig abstrakt sei. 443 Nun gestaltet aber das ZGB die Verfügung über Immobilien ausdrücklich kausal aus. Die Fahrnistradition wurde bis zu BGE 55 11 306 abstrakt, seit jenem Entscheid aber kausal aufgefaßt. Nunmehr spricht sich ein Teil der neueren Doktrin dahingehend aus, es liege kein Grund vor, die Zession abweichend zu behandeln. 444 Auch das Bundesgericht hat erwogen, es dürfte sich "angesichts der Wendung der Rechtsprechung im Gebiete des Mobiliarsachenrechts ... eine erneute Prüfung dieser grundsätzlichen Frage des Zessionsrechts genügend rechtfertigen, wenn auch gewiss die Verschiedenheit des Gegenstandes der Übertragung nach wie vor die Möglichkeit voneinander abweichender Lösungen offen lässt". 445 Interessant an dieser Entscheidung ist, daß das Bundesgericht in der Frage abstrakter oder kausaler Charakter der Verfügung gleiche Grundsätze zwischen Fahrnistradition und Zession zumindest in Erwägung zieht. Weiters spricht es von der Forderung als "Gegenstand". Dies lenkt die Aufmerksamkeit vorerst auf den im schweizerischen ZGB geregelten Sachbegriff; auf die Frage, ob das Gesetz auch unkörperliche Sachen anerkennt. cc) Der Sachbegriff des ZGB In der schweizerischen Literatur äußert sich von Büren über das Eigentum am Forderungsrecht. Das obligatorische Recht werde als relatives Recht bezeichnet, weil es sich nur gegen einen Teil der Rechtsgemeinschaft richte. Das dingliche Recht als Anspruch gegen die Gesamtheit der Rechtsindividuen nenne man absolutes Recht. Diese Gegensätzlichkeit erfasse nur eine Seite des obligatorischen Rechts. Die Obligation sei doppelseitig, auch sie hätte absolute Elemente. Einerseits könne sie durch Anspruchsausübung, andererseits durch Verfügung ausgewertet werden. Daher sei sie ein "Kannrecht", also ein absolutes Recht. Über dieses Kannrecht könne man verfügen, zugleich schließe es ein Abwehrrecht gegen jedermann ein. BGE 67 II 127. Spiro, Gerichtsgebrauch 204 f. 444 Jäggi, SJZ 67 (1971) 7; v. Büren, Obligationenrecht 318; Jeanpretre, SJZ 63 (1967) 19; Moecke, Zession 97. 445 BG E 84 II 363 E.l; in BG E 95 II 112 Iit. b wird diese Frage erneut offen gelassen. 442
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Die Position des Forderungsberechtigten sei dem Eigentümer einer materiellen Sache durchaus ähnlich, nur das sein Recht sich auf ein Objekt nicht sinnlicher Art beziehe. Man dürfe von einem Eigentum des Gläubigers an seiner Forderung sprechen. Dieser Ausdruck werde auch sonst vielfach übertragen gebraucht, wenn man beispielsweise vom Eigentum an Patent-, Autoren-, Markenrechten usw. spreche. In der Zession, der Verfügung über Forderungen, trete die Bedeutung der Obligation als absolutes Recht in Erscheinung. Demgegenüber hätten alle anderen Institute des Schuldrechts die Funktion der Obligation als relatives Recht zum Gegenstand. 446 Art. 641 Abs. 1 ZGB erwähnt aber nur den "EigentümereinerSache". Von einer allgemeinen Bestimmung über den Gegenstand der Sache nahm das ZGB im Gegensatz zum deutschen und österreichischen Recht Abstand. Anfanglich wurde vorgeschlagen, dies in einem ersten Artikel zu definieren: "Als Gegenstand des Eigentums werden die körperlichen Sachen und die Naturkräfte anerkannt, insofern sie der menschlichen Herrschaft unterworfen und sowohl tatsächlich als rechtlich abgegrenzt werden können. "447 Dem folgend vertritt die Lehre im Wege der Auslegung die Auffassung, der Sachbegriff umfasse "entsprechend der gemeinrechtlichen Lehre (vgl. z. B. Savigny, System des heutigen römischen Rechts [1840] I 338 ff.) nur die körperlich greifbaren Güter ... Die schweizerische Auffassung entspricht insoweit der deutschen ... d. h. unpersönliche, körperliche, für sich bestehende Stücke der beherrschbaren Natur (RGZ 87 45)".448 Der unkörperliche Sachbegriff wird demgemäß im Bereich des ZGB nicht anerkannt. b) Die rechtliche Struktur der Obligation Weil das ZGB solche pandektenwissenschaftliche Postulate verwirklicht, wird es als "die reifste Frucht der deutschsprachigen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts in Gesetzesgestalt" , als "ein pandektistisches Gesetzbuch, nicht denkbar ohne das System, die Begrifflichkeit und das logische Ideal des rechts wissenschaftlichen Positivismus"449 beschrieben. Diese Postulate vertritt die moderne Lehre auch bei der Definition des vom Gesetzgeber offengelassenen Begriffs des Schuldverhältnisses. Die Forderung wird folglich nicht als Gegenstand und Relation, sondern lediglich als die "Rechtsbeziehung (das ,iuris vinculum' im Sinne der römischrechtlichen Begriffsbestimmung in Inst. 3, 13 pr.)" zwischen Gläubiger und Schuldner gesehen. 450 v. Büren, Obligationenrecht 2. Huber, Erläuterungen II 58. 448 Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bd. IV, Systematischer Teil, N. 117; vgl. Haab I Simonius I Scherrer I Zobl, Einleitung, N. 20 ff.; Liver, Eigentum 11. 449 Wieacker, Privatrechtsgeschichte 491. 450 Kramer I Schmidlin, Berner Kommentar, Bd. VI, Allgemeine Einleitung, N. 33 f. 446 447
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Forderungsrechte wie auch dingliche Rechte bezwecken aber eine Vermögenszuordnung an ihren Inhaber. Aufgrund des funktionellen Zusammenhangs zwischen Schuld- und Sachenrechten im Gesamtzusammenhang des bürgerlichen Vermögensrechts 451 muß wegen der einseitigen Betonung der Relativität des Forderungsrechts dieses durch Auslegung den wirtschaftlichen Notwendigkeiten angepaßt werden. aa) Forderungen als Rechtsobjekte von Nutznießung und Pfandrecht Der Abtretung nahestehend ist nach Tuhr / Escher die Belastung einer Forderung mit Nutznießung oder Pfandrecht. Diese bei den Rechtsgeschäfte werden, obwohl sie Forderungen betreffen, sowohl vom Gesetz (ZGB Art. 772, 899)452 als auch in der Literatur systematisch im Sachenrecht behandelt. 4S3 Das Fahrnispfandrecht gehört wie das Grundpfandrecht, die Dienstbarkeiten und die Grundlasten zu den im ZGB geregelten beschränkten dinglichen Rechten. Diese Rechte haben eine fremde bewegliche Sache zum Gegenstand. Im Gegensatz zum Eigentum als dem umfassendsten dinglichen Recht haben sie bloß eine beschränkte Sachherrschaft zum Gegenstand. 454 Weil ein wesentliches Merkmal des dinglichen Rechts in der Unmittelbarkeit der Sachherrschaft besteht,4SS ist in der Dogmatik deshalb umstritten, ob das Pfandrecht an Forderungen und Rechten auch zu den beschränkten dinglichen Rechten gezählt werden kann. Es fehle an einer Sachherrschaft. 456 Tatsache ist, daß aufgrund des positiven Rechts die Pfandrechte an Rechten zur Kategorie der beschränkten dinglichen Rechte gehören; die Rechte als Pfandobjekte in Art. 899 ff. ZGB in pfandrechtlicher Hinsicht den Sachen gleichgestellt sind. 4S7 Mit dem auf körperliche Gegenstände beschränkten Sachbegriff ist das "nicht leicht zu erklären".4S8 Die gemeinrechtliche Doktrin verneinte mehrVgl. Kramer / Schmidlin, Berner Kommentar, Bd. VI, Allgemeine Einleitung, N. 47. Ebenso BGB §§ 1074ff., 1279ff. 453 v. Tuhr / Escher, Obligationenrecht II 373. 454 Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bd. IV, Systematischer Teil, N. 80, N. 257. 455 Liver, Eigentum 9. 456 Vgl. Oftinger / Bär, Art. 899 ZGB, N. 5 ff.; Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bd. IV, Systematischer Teil, N. 229; Liver, Eigentum 15; Zobl, Berner Kommentar, Systematischer Teil, N. 153a. 457 Zobl, Berner Kommentar, Systematischer Teil, N. 153a; vgl. die Gesetzessystematik: 2. Abteilung: Die beschränkten dinglichen Rechte; 23. Titel: Das Fahrnispfand; 2. Abschnitt: Das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten. 458 Liver, Eigentum 15; während der ce fr das Pfandrecht an Rechten nur bei Spezialfragen erwähnt (Art. 2075, 2081), bestimmt § 448 ABGB: .. Als Pfand kann jede Sache dienen, 451
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heitlich die Frage, ob ein Recht an einem Recht begründet werden könne. Bei den "Rechten an Rechten" handle es sich bloß um eine fiduziarische Zession. 459 Haab erkennt begrifflich nichts Unmögliches in der Auffassung "Rechte an Rechten". Zu deren Gunsten spreche außer wirtschaftlichen Überlegungen der Umstand, daß das ZGB auch die Rechte als der sachenrechtlichen Herrschaft fähige res incorporales anerkenne (vgl. Art. 655, 943, 733-775, 899 ff.). Das Gesetz gewähre insofern die Verselbständigung von Rechten, die daher taugliche Rechtsobjekte seien. 460 Huber vertrat die Meinung, verschiedentlich müsse der Begriff der körperlichen Sache im Interesse der Vereinfachung der Ordnung ausgedehnt werden. 461 Auch diejenigen Institute seien dem Sachenrecht einzuverleiben, deren Gegenstand zwar Rechte darstellen, die aber nach ihrer Ausgestaltung den Beziehungen nachgebildet sind, die den körperlichen Sachen zugedacht seien. Beim Pfandrecht an Forderungen könne geradezu von einem "Eigentümer einer Forderung" gesprochen werden. Demgemäß operiere das Sachenrecht des ZGB mit zwei verschiedenen Sachbegriffen. Sache sei einerseits der körperliche Gegenstand und andererseits dann doch auch wieder der Vermögenswert. das Recht. die Forderung. Diese Einbeziehung der Rechte erscheine als eine Ausnahme; sie sei eine Ausdehnung der sachenrechtlichen Begriffe auf Dinge. denen sie eigentlich nicht zukomme. 462 Allein, weil im ZGB der Begriff der Sache auf körperliche Gegenstände beschränkt wird. ist diese Unterscheidung von körperlichen und unkörperlichen Sachen nicht mit dem System des schweizerischen Sachenrechts in Einklang zu bringen. 463 Es ist gleich dem BGB mit einem System mangel behaftet. die im Verkehr steht.·· Weiters regelt das Gesetz in § 454 das Afterpfal1d. als Pfandrecht am Pfandrecht. Nicht ausdrücklich geregelt ist das Forderungspfand. Begründet ist dies darin, daß beide Gesetze nicht nur körperliche, sondern auch unkörperliche Sachen als Gegenstände der dinglichen Rechte ansehen (meubles incorpore1s, ce fr Art. 527,529,2075; ABGB §§ 292, 447, 448), Oftinger / Bär, Art. 899 ZGB. N. 4. 459 Haab / Simol1ills / Scherrer / Zobl. Einleitung N. 41. 460 Haab / Simollills / Scherrer / Zobl. Einleitung N. 41. 461 Dem Sachenrecht im Ganzen müsse aber ein Begriff der Sache zugrunde liegen. der das gleichmäßige Objekt der dinglichen Rechte darstelle und die verschiedenen Institute zu einem Ganzen zusammenhalte. Dieses Objekt könne nicht der Begriff des Vermögenswertes, des .. bien" der französischen Rechtssprache, sein. Ebensowenig könne der Begriff des Rechtsobjektes wie in der Berner Gruppe. die dem ABGB nachgebildet ist. den Begriff der Sache ausmachen, sondern nur die körperliche Sache. Hilber. Erläuterungen 11 30. 462 Im Besitzrecht ist diese Ausnahme im Art. 919 Abs. 2 ZG B geregelt. in welchem dem Sachbesitz bei Grunddienstbarkeiten und Grundlasten die tatsächliche Ausübung des Rechts gleichgestellt wird. 463 Vgl. Liver, Eigentum 15.
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Diesen versucht die herrschende schweizerische Lehre zu überwinden, indem sie das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten als ein dem dinglichen Recht verwandtes absolutes Recht betrachtet. Auf dieses seien die für körperliche Sachen aufgestellten Rechtssätze nur analog anwendbar. 464 Nach der Auffassung von Canaris ist dem Forderungspfandrecht eine Forderung als Gegenstand zugeordnet. Daher könne jenes zwanglos als dingliches Recht betrachtet werden. 465 Dies lasse sich dogmatisch auch mit dem schweizerischen Recht in Einklang bringen, ein Analogieverfahren erübrige sich daher. 466 Festzuhalten ist, daß das positive schweizerische Recht den Begriffunkörperliche Sachen nicht kennt, aber "ausgewählte Rechte und andere Objekte ... wie die Sachen" behandelt. 467 Wird dieser Grundsatz auch auf die Zession angewandt? bb) Die Globalzessi0n und ihr Verfügungsobjekt Forderungen Die frühe Zessionsdogmatik zum revidierten schweizerischen Obligationenrecht lehnte sich an Theorien an, die bei den Vorarbeiten zum BGB vertreten wurden. Dort hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, die Übertragbarkeit mit dem Resultat der Sondernachfolge in die Forderung sei "nach moderner Auffassung" im Gegensatz zur romanistischen Tradition "gleichsam versachenrechtlicht". 468 Von Tuhr / Escher meinen, die Zession sei wohl ein dem Obligationenrecht angehöriger und daher im OR geregelter Vertrag, weil sie eine Forderung zum Gegenstand habe. Dennoch sei sie kein Schuldvertrag, aus welchem eine Forderung entsteht, sondern eine Verfügung. Durch diese gehe die Forderung aus dem Vermögen des Zedenten in das des Zessionars über. "Die Zession hat daher mehr Ähnlichkeit mit der Eigentumsübertragung, als mit dem Schuldvertrag. "469 Die Zession wird demnach in Analogie zur Eigentumstradition gesehen. Sachenrechtliche Grundsätze spielen in der Diskussion über die Abtretung künftiger Forderungen eine bedeutende Rolle. Hier wird verlangt, daß 464 Meier-Hayoz, Berner Kommentar 15, Bd. IV Systematischer Teil, N. 229; Rey, Systematischer Teil, N. 227; Haab / Simonius / Scherrer / Zobl, Einleitung N. 40 ff. 46; Canaris, Verdinglichung 375. 466 Zobl, Kommentar, Systematischer Teil, N. l53c. 467 Djtinger / Bär, Art. 899 ZGB, N. 5. 468 Mugdan, 11 67. 469 v. Tuhr, Obligationenrecht' 2. Halbband 716 Anm. 10; v. Tuhr / Escher, Obligationenrecht 3 330 Anm. 10.
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wie bei jeder Verfügung das Verfügungsobjekt Forderung im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit genügend bestimmbar ist. Vor allem bei Globalzessionen, mit denen sämtliche Kundenguthaben aus einem Geschäft oder Geschäftszweig des Zedenten abgetreten werden, stellt sich die Frage, wann die erforderliche Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit vorliegen muß.470 Unter Berufung auf das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip haben Bucher 471 und Wiegand 472 gefordert, die Zession als Verfügung müsse sich auf eine im Zeitpunkt der Vornahme der Abtretung bereits bestimmte Forderung beziehen. Die Meinung, daß die Bestimmtheit der Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung oder erst im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung genüge, sei abzulehnen. 473 Künftige Debitorenforderungen müßten daher einzeln zediert werden, die Globalzession sei nur als Verpflichtungsgeschäft anzuerkennen. Nach BGE 113 11 163 ff. steht diese Ansicht aber im Widerspruch zur Praxis; es genüge Bestimmbarkeit der Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung. 474
In diesem Zusammenhang weist Staehelin auf das Naheverhältnis der Zession mit dem zweiseitigen Verfügungsgeschäft hin, mit dem über ein dingliches Recht (Eigentum oder beschränktes dingliches Recht) verfügt wird. Diese Verfügung setzt eine existente Sache voraus, da unmittelbar in den Bestand eines dinglichen oder obligatorischen Rechts eingegriffen wird. Über eine noch nicht existierende Sache kann nicht verfügt werden. Nur in scheinbarem Gegensatz dazu steht die Befugnis, über eine Forderung schon vor deren Entstehung durch Abtretung im voraus zu verfügen. Das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip kann nach Staehelin nicht direkt auf das Zessionsrecht angewandt werden. Daher gelten auch für die "zessionsrechtliche Spezifikation des Verjügungsobjekts"475 nicht die gleichen Anforderungen wie für die sachenrechtliche Tradition. Die Abtretung einer zukünftigen Forderung bewirke den Übergang auf den Zessionar ipso iure, ohne daß es einer zusätzlichen Verfügung bedürfe. Die Abtretung künftiger Forderungen stelle eine Art »Vorausverfügung« dar. 476
Vgl. Staehelin, Abtretung 381 ff. Bucher, Obligationenrecht 491 f.; ders. in "recht" 1989, 12 ff. 412 Wiegand, Kreditsicherung 283 ff., 285 ff.; ders., ZBJV 1980,561 ff. 413 Zum Diskussionsstand vgl. Zabl, SJZ 1989, 352ff. 474 Genügende Bestimmbarkeit liegt vor, wenn sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Kundenguthaben (Debitorenausstände) aus dem Geschäftsbetrieb des Zedenten abgetreten werden. 475 Zabl, SJZ 1989, 353 Anm. 44. 476 Staehelin, Abtretung 382 f. 470
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x. Das schweizerische Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht
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Anhand dieses Fragenkreises treten die Übereinstimmungen zwischen Zession und Tradition trotz ihrer rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede klar zutage. Das Prinzip, nach dem dingliche Rechte nur an einzelnen individualisierten Sachen begründet werden können, gilt für die Übertragung von Forderungen ebenso. Wie die Tradition verlangt auch die Zession die Unterscheidung zwischen dem Verpflichtungsgeschäft (pactum de cedendo) und dem Verfügungsgeschäft (Zessionsvertrag). Weiters wird die genügende Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderungen im Verfügungsgeschäft gefordert. Jedoch treten die "sachenrechtlichen Wirkungen der Abtretung erst mit der Entstehung der Forderung ein";477 für die Globalzession genügt daher die Bestimmbarkeit der Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung. 478 Nachdem diese Parallelen zwischen Tradition und Zession feststell bar sind: Werden diese Grundsätze auch auf eine einheitliche Regelung des Veräußerungs- und Abtretungsverbots übertragen? 6. Verjügungsbeschränkungen und Abtretungsverbot
Das ZGB enthält keine allgemeinen Bestimmungen über Verfügungsverbote und Verfügungsbeschränkungen von Grundeigentum. Die Art. 681-683 regeln lediglich das Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufrecht. 479 Diese formgerecht verabredeten Veräußerungsbeschränkungen entfalten zunächst nur persönliche, obligatorische, aber keine dingliche Wirkung. Dinglich verstärkt wird dieser persönliche Anspruch durch formgerechte Vormerkung im Grundbuch. Nun können sie gegenüber jedermann durchgesetzt werden. 480 Entsprechend den §§ 137 und 1136 BGB wird in Art. 812 Abs. 1, der von der Beschränkung der Verfügung durch Grundpfanderrichtung spricht, die dingliche Wirkung einer solchen Vereinbarung verneint. "Ein Verzicht des Eigentümers auf das Recht, weitere Lasten auf das verpfändete Grundstück zu legen, ist unverbindlich. "481 Auch im Fahrnisrecht fehlen Vorschriften über Beschränkungen des Eigentums. 482 Rechtsgeschäftliche Veräußerungsverbote haben aber wie nach § 137 BGB lediglich obligatorische Wirkung (vgl. Art. 97 ff. OR). Eine an sich gegebene Verfügungsmacht wird nicht eingeschränkt. 483 Der Drittm 478 479
480 481 482
Staehelin, Abtretung 384. BGE 113 11 163 ff. Liver, Eigentum 202. Tuor / Schnyder, Zivilgesetzbuch 596 f. Art. 812 Abs. 1 ZGB; Liver, Eigentum 202. Liver, Eigentum 309.
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erwerber wird geschützt, wobei es unerheblich ist, ob er in gutem oder bösem Glauben handelt. 484 Wie im österreichischen und deutschen Recht werden diese Ansichten über die Beschränkung des Eigentums aber nicht auf die Zession angewendet, die mit einem durch Vereinbarung geschaffenen Abtretungsverbot belastet ist. Denn die "Formel BGB § 399 kann auch als Umschreibung des schweizerischen Zustandes aufgefaßt werden".485 Die trotz pactum de non cedendo erfolgte Zession ist nichtig. 486 Somit wird auch die schweizerische Regelung der vermögensrechtlichen Bedeutung und dem Verkehrsinteresse der Forderung nicht gerecht, weil sie sich im wesentlichen an der gesetzlichen Entscheidung des BGB orientiert. Verfügungsverbote körperlicher Sachen und die Vereinbarung eines Abtretungsverbots werden ungeachtet ansonsten ähnlicher Grundsätze dieser Verfügungen ungerechtfertigt unterschiedlich beurteilt. Das ist die Folge der Ansicht, welche die Forderung als Leistungsbeziehung und nicht auch als verfügbarer Vermögensgegenstand ansieht. Oft sind aber abtretbare Forderungen die einzigen Mittel, über welche die Industrie und das Gewerbe für Sicherstellungszwecke verfügen können. Dementsprechend hohe wirtschaftliche Bedeutung kommt deshalb dem Zessionskredit zu. Dieser bleibt U nternehmen praktisch versperrt, die mehrheitlich Waren an Kunden liefern, welche die Abtretbarkeit ihrer Verbindlichkeiten ausschließen. XI. Das französische Recht Vor der Revolution von 1789 war die Rechtszersplitterung kennzeichnend für den ursprünglichen Zustand des Rechts in Frankreich. Geist und Wesenszug des Code civil aus dem Jahre 1804 sind freilich nicht allein als ein Werk aus dem Geist der Französischen Revolution darstellbar. Neben der Beseitigung der feudalen Rechtseinrichtungen der Vergangenheit hat der Code civil auch die Ergebnisse einer langen historischen Entwicklung verarbeitet und stellt vielfach eine geglückte Verbindung überkommener und bewährter Rechtseinrichtungen dar. Diese stammten entweder aus dem droit 48.1 Beim Doppelverkauf ist daher entscheidend. gegenüber welchem der Verkäufer erfüllt. Nur in Extremfallen kann der Zweitverkauf als unsittlich und nichtig beurteilt werden. Hinderling, Besitz 483 Anm. 57: vgl. ZachmaIlII. Kollision 58. 4S4 Hinderling, Besitz 483; demgemäß kann der Fiduziar ohne Rücksicht auf guten oder bösen Glauben Eigentum übertragen; BGE 94 II 1968.311. 485 Bucher, Obligationenrecht 488 Anm. 13. 486 Bucher, Obligationenrecht 489; I'. Bürell. Obligationenrecht 325; Oser / Scl!öllberger. OR 164 N.20; v. Tuhr / Escher, Obligationenrecht II 347. Der Schuldner kann durch Zustimmung zu der Zession die Ungültigkeit beseitigen. Diese entfaltet dadurch volle Wirkung ex tune.
XI. Das französische Recht
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ecrit des Südens, das vorwiegend vom römischen Recht geprägt war, oder aus dem vom germanisch-fränkischen Gewohnheitsrecht geprägten droit coutumier, welches sich im Norden entwickelte. 487
Die Entwicklung des französischen Abtretungsrechts ist darzustellen, um die Funktion der Forderung als Vermögensgegenstand zu erkennen. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches im Jahre 476 galt das römische Recht vor allem in den Königreichen der Westgoten und Burgunder für die Untertanen nichtgermanischer Abstammung weiter. Wichtigstes Dokument für die Kenntnis des römischen Rechts in Gallien stellt das im Jahre 506 vom westgotischen König Alarich 11. verkündete Gesetz, die Lex Romana Wisigothorum, dar. Starken Widerhall fand das römische Recht auch durch dessen Renaissance im 11. und 12. Jahrhundert in Oberitalien. Im Gegensatz dazu brachten im Norden die Franken ihre eigenen entwickelten Gewohnheitsrechte (Coutumes) germanischen Ursprungs mit. Obgleich durch den zunehmenden Einfluß des römischen, kanonischen sowie des Lehensrechts abgeschwächt, blieb dieser Unterschied grundsätzlich bis 1789 bestehen. 488 Karl VII. wollte der Zersplitterung der Coutumes entgegentreten und die Rechtsunsicherheit beheben. Er ordnete in der ordonnance von Montils-LesTours an, die Coutumes, die auf germanisch-fränkisch-normannischen Gebräuchen beruhenden Rechtsregeln, aufzuzeichnen. Dadurch wurde die Widerstandskraft der überkommenen Gewohnheitsrechte gestärkt und die Voraussetzung der Entwicklung eines gemeinfranzösischen Gewohnheitsrechts geschaffen. Letztlich ist damit die Verbindung zwischen droit coutumier und droit ecrit zur Rechtseinheit Frankreichs im Jahre 1804 vorbereitet worden. 489 Besondere Bedeutung erlangte die Coutume de Paris. Dies beruhte auf der einflußreichen Rechtsprechung der Stadt,490 ihrer politischen Bedeutung und der Einflüsse des Humanismus, später des Naturrechts und der Aufklärung. 491 Nach der Reformierung der Coutume de Paris im Jahre 1580 wurde dieser der Vorrang zuteil, daß sie ergänzend noch vor dem römischen Recht Zlreigert / Kötz, Bd. 1,81. Hübner / Constantinesco, Einführung 2. m Zlreigert / Kötz, Bd. I, 84. Am Vorabend der Revolution galten 60 coutumes generales für jeweils ein Gebiet und 300 coutumes locales beschränkt auf einen einzelnen Ort. Das veranlaßte Voltaire zum Spott. ,,11 y a, dit-on, cent quarante-quatre coutumes en France qui ont force de loi: ces lois sont presque toutes differentes. Un homme qui voyage dans ce pays change de loi presque autant de fois qu'i! change de chevaux de poste", zit. nach Schnitzer, Bd. I, 193. m breigerr / Kötz, Bd. 1,84. m Sonnenberger / Sclllreinberger, Einführung 2. m
m
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angewendet werden konnte, wo das an sich zuständige Landrecht Lücken aufwies. 492 J. Die Zeit der Coutumes
In der fränkischen Zeit scheint wegen des kaum ausgebildeten Verkehrslebens kein Bedürfnis nach Zessionsgeschäften bestanden zu haben. Die Gesetze der Westgoten und Burgunder, die lex Salica und lex Ribuaria regeln die Zession nicht. Auch die ältesten Coutumes aus dem 12. Jahrhundert enthalten kaum Belege der Forderungsabtretung. 493 Dennoch war die Übertragbarkeit der Forderung dem coutumiären Recht bekannt, wie eines der frühesten Beispiele, enthalten in den Sammlungen der Urteile des normannischen Echiquier aus dem Jahre 1219, zeigt. Dem Urteil ist zu entnehmen, daß der Zedent nach erfolgter Zession nicht für berechtigt gehalten wird, über die Forderung nochmals zu verfügen. Namentlich kann der Zedent dem Schuldner nach diesem Zeitpunkt keine Quittung mehr erteilen. Die Zulässigkeit der Zession bezeugt auch die Rechtsprechung der Schöffen von Reims. Einem Schöffenspruch von 1253 ist zu entnehmen, daß die Zession ohne Mitwirkung des Schuldners durchgeführt werden könne. 494 Diesen Grundsatz, daß die Forderung ohne den Willen des Schuldners übertragen werden könne, sprechen schon die Assises de la baisse Court de Jerusalem (vor 1187) aus. 495 Mit Ausnahmen in den Quellen der nördlichen Gegenden ist wahrscheinlich schon im 13., sicher im 14. und 15. Jahrhundert die Zession anerkannt. 496 Anders als im römischen Recht wurde die Zession als Vollrechtsübertragung statuiert. Das geht aus einer Compiliation für Poitou 497 aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hervor, nach der die Zession die Wirkung hat, das "tout le droit de la dette" übergeht. Das französische Recht 492 Zweigen / Kötz, Bd. I, 84 f. Wie für römisches und kanonisches Recht entwickelte sich zu den einzelnen Coutumes eine eigene Kommentarliteratur, Schnitzer, Bd. 1,191. Anfangs des 16. Jahrhunderts teilte sich die französische Rechtswissenschaft einerseits in die coutume-Wissenschaft, als deren Hauptvertreter Char/es Dumoulill (Molinaeus, 15001566) und Benrand d'Argentre (1519-1590) zu nennen sind. Sie bemühten sich um eine Systematisierung und Vereinheitlichung der Coutumes. Cujacius (1522-1590) und DOlle/Jus (1527-1591) schufen als Vertreter der Eleganten Jurisprudenz mit ihrer philosophisch. systematischen Methode die Grundlage für das Aufleben des ursprünglichen Geistes des römischen Rechts, Hübner / Constantinesco, Einführung 2. 493 Schumann, F orderungsa btretung 26 ff. 494 Brunner, Inhaberpapier 15 ff. m "L'on peut bien donner se (ce) que l'autre li doit, si com est si uns horn ou une feme me devet X besanz on C besanz, ie les puis bien donner a un autre horne, veille le celuy qui me les det ou non", zit. nach Brunner, Inhaberpapiere 18 Anm. 4. 496 Schumann, Forderungsabtretung 30. 497 Livre des droits et des commandements d'office de Juslice.
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hat denn auch nach der offiziellen Redaktion der Coutumes den Grundsatz vertreten, daß bei der "transport-cession" das Eigentum der Forderung übertragen werde. 498 Die Zession nach coutumiärem Recht hat sich somit unabhängig vom römischen Recht entwickelt. Der Zessionar trat nicht wie nach römischem Recht als procurator des ursprünglichen Gläubigers auf, sondern die Zession ist als wahre Veräußerung der Forderung, welche das obligatorische Recht des Zedenten auf den Zessionar überträgt, ausgestaltet. Obwohl die Zession zulässig war und ihre Durchführung keine Umgehungsformen verlangte, sind in dieser Zeit bereits Einflüsse römischen Rechts feststell bar. Nicht selten bestellte der Zedent den Zessionar trotzdem zu seinem procurator. Für die privatrechtliehe Einordnung der Zession kommt diesem Umstand aber keine Bedeutung zu. Die Verwendung der Prokuraturklausel war lediglich formeller Art. Aus Vorsicht oder zu prozessualen Zwecken wurde sie auf Fälle unzweifelhafter Rechtsübertragung angewendet, wie auf Schenkungen von Renten oder auf die Veräußerung von Grundstücken. Von den italienischen Notaren beeinflußt, fügten auch die französischen Notare die Klausel des procurator in rem suam vorsichtshalber in die verschiedenartigsten Urkunden ein. Im 14. Jahrhundert waren sie in Verkaufs- und Verpfandungsverträgen über Grundstücke üblich. Aber gleich wie bei der Eigentumsübertragung an Renten oder Grundstücken wurde auch der Zessionar trotz Prokuratorklausel als Rechtsnachfolger und nicht als Bevollmächtigter behandelt. 499 Die Ansicht, daß die Forderungsabtretung eine Singularsukzession in die Forderung bewirkt, läßt die Frage aufkommen, ob die Forderung demnach anders als im römischen Recht vergegenständlicht, als unkörperliche Sache aufgefaßt wurde. Im französischen Recht gibt es Einteilungen der Sache, die dem römischen Recht fremd oder in der Bedeutung unbekannt sind. Wichtigste Einteilung in den Coutumes ist die in bewegliche oder unbewegliche Sachen (meubles und immeubles). In der bedeutenden Coutume de Paris wird diese im Art. 88 vorgenommene Einteilung in den folgenden Artikeln erläutert. Dabei liegt dieser Einteilung ein dem römischen Recht unterschiedlicher Sinn zugrunde. Entscheidend ist nicht, ob eine Sache beweglich oder unbeweglich ist, sondern ob sie als solche gilt. 500 Dies trifft insbesondere die unkörperlichen Sachen, die ebenfalls dieser Einteilung unterworfen sind. 501
498 499 500 501
Brunner, Inhaberpapier 20. Brunner, Inhaberpapier 23 f. m. w. H.
Von daher stammt die Redensart repute oder cense meuble oder immeuble. Warnkönig, Rechtsgeschichte Bd. 11 290.
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In einigen Coutumes werden daher die rentes constituees a prix d'argent zu den Immobilien gerechnet. Dies gilt selbst von demjenigen Geld, das zugunsten der Ehefrauen und Minderjährigen zur Anschaffung von Liegenschaften oder aus dem Verkauf von solchen gelöst worden ist. 502
Zu den beweglichen Sachen werden neben den Schuldbriefen, deren Gegenstand Geldsummen sind, alle Obligationen auf bewegliche Sachen gezählt. 503 Das französische coutumiäre Recht bringt somit den Vermögenswert der Forderung unmittelbar zum Ausdruck und weist sie dem beweglichen Vermögen zu. Durch Anerkennung der Forderung als Sache vertritt dieses Recht ein über körperliche Sachen hinausreichendes, umfassendes Vermögenssystem. Demgemäß steht die Forderung als Gegenstand unmittelbarer Vermögenszuerkennung gleichberechtigt neben dem Eigentum an einer körperlichen Sache. Es gilt nach Hinweisen zu suchen, ob dieses Verständnis auch ins Recht der Forderungsabtretung Eingang gefunden hat. Durch die veränderte Bedeutung der Signifikation 504 beginnt anfangs des 16. Jahrhunderts ein neues Stadium der französischen Zessionsentwicklung. Wamkönig. Rechtsgeschichte Bd. 11 292. "Or et argent monnoye et a monnoyer et tout ce qui peut se transporter de lieu en autre, noms raisons et actions pour choses mobiliaires sont meubles". Warnköllig. Rechtsgeschichte Bd. 11 294 Anm. I. 504 Nach Art. 1689 Code civil geht die Forderung auch ohne Aushändigung der vorgeschriebenen Urkunde auf den Zessionar über. sofern sich die Parteien darüber vertraglich geeinigt haben. Dies gilt jedoch nur für das lllllellverhälmis der Parteien des Abtretungsvertrags. Art. 1689: Dans le transport d'une creance. d'un droit ou d'une action sur un tiers. la delivrance s'opere entre le d:dant et le cessionnaire par la remise du titre. Art. 1689: Bei der Übertragung einer Forderung. eines Rechtes oder einer Klage gegen einen Dritten erfolgt der Übergang zwischen dem Zedenten und dem Zessionar durch Übergabe der Urkunde. Nach Art. 1690 gilt die Forderung DriTTeil gegenüber erst dann als übergegangen. wenn die Forderungsabtretung dem Schuldner förmlich vom Gerichtsvollzieher zugestellt worden ist. Unter sign(jicatioll wird diese förmliche Zustellung der Abtretung verstanden. Die Zustellung kann durch den Zedenten oder Zessionar bewirkt werden. Die Drittwirkung tritt auch ein, wenn der Schuldner in gerichtlicher oder notarieller Urkunde dem Zessionar gegenüber die Abtretung .. angenommen" hat (acceptation). Ferid. Bd. 1. 568: Heinsheimer, Bd. I, 568 f. Art. 1690: Le cessionnaire n'est saisi a l'egard des tiers que par la signification du transport faite au debiteur. Neamoins le cessionnaire peut etre egalement saisi par l'acceptation du transport faite par le debiteur dans un acte authentique. Art. 1690: Der Zessionar erwirbt Dritten gegenüber die Forderung erst durch die förmliche Mitteilung (Signifikation) der Übertragung an den Schuldner. Jedoch kann der Zessionar sie mit gleicher Wirkung durch die von dem Schuldner in einer öffentlichen Urkunde erklärte Annahme der Übertragung erwerben. 502
~Ol
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Hatte die Signifikation bis anhin die Funktion eines Sicherungsmittels gegen unberechtigte Zahlungen des Schuldners, so geht nunmehr ihr Bedeutungswandel vorwiegend auf das Pariser Recht und die davon beeinflußten Quellen zurück. Art. 170505 der Pariser Coutume vom Jahre 1510 bestimmt: "Un simple transport 506 ne saisit point." Die Coutume von Xaintonge aus dem Jahre 1520 scheint diesen Gedanken zu übernehmen: "Transport simple sans apprehension ne saisit."507 Die Pariser Coutume von 1580 mißt der Signifikation ausführlich die Bedeutung zu, daß erst durch sie oder einen ihr rechtlich gleichstehenden Vorgang der Rechtsübergang bewirkt wird: "Un simple transport ne saisit point, et faut signijier le transport a la partie. en bailler copie auparavant que d' executer. "508 Bis zur Signifikation verbleibt demnach die Forderung beim Zedenten. Bis zu diesem Zeitpunkt kann ein Gläubiger des Zedenten die Forderung noch pfänden, weil sie zu dessen Vermögen gehört. Ein zweiter Zessionar, der die Abtretung früher angezeigt hat, geht dem ersteren vor. 509 2. Signijikation und Tradition
Abgesehen von der gewandelten Bedeutung der Signifikation .wurde das Wesen der Abtretung nicht geändert. Die Zession bewirkte nach wie vor eine Singularsukzession des Zessionars in die Forderung; er forderte im eigenen Namen ein eigenes Recht. Die Signifikation als zweiter Akt neben dem Abtretungsvertrag "überträgt recht eigentlich Eigenthum und Besitz der Forderung auf den Zessionar".510 In diesem Zusammenhang sind die Entwicklungen bei der Tradition körperlicher Sachen aufzuzeigen. Denn .ein sachlicher Bezug zwischen der Signifikation und der römischen denuntiatio kann "aus dem römischen Rechte ... füglieh nicht hergeleitet werden". 511 Eine dem römischen Formularprozeß ähnliche Prozeßform war dem französischen Recht fremd und auch nicht rezipiert worden, als in den Coutumes der Begriff der Signifikation Bedeutung erlangte. Mit der römischen denuntiatio wurde dem Zessio505 Grand Coutumier von Richebourg, Bd. III I ff., zit. nach Schumann, Forderungsabtretung 69. ;06 Unter "transport" versteht man die Veräußerung eines Forderungsrechts von seiten des Gläubigers. ;0; Grand Coutumier von Richebourg, Bd. IV 873, zit. nach Schumann, Forderungsabtretung 69. ;08 Grand Coutumier von Richebourg, Bd. I 39 ff., zit. nach Schumann, Forderungsabtretung 69. ;09 Brunner, Inhaberpapier 25. ;10 Warnkönig, Bd. II 539. ;)) Brunner, Inhaberpapier 25.
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nar die Legitimation zu seiner noch bestehenden actio directa genommen, weil die Wirkungen der litis contestatio früher eintraten. 512 Die Signifikation im französischen Recht hatte aber eine andere Bedeutung. Die Entwicklung zur konstitutiven Wirkung der Signifikation ist in Relation der sich im späteren Mittelalter herausbildenden Form des Eigentumsübergangs darzustellen. Schon in der ältesten Zeit waren Abschluß und Vollzug des Veräußerungsgeschäftes eng verbunden. Nach den ältesten Coutumes war ein Kauf daher erst verbindlich entweder durch förmlichen Handschlag, wenn ein Teil des Preises bezahlt oder die Sache selbst übergeben worden war. 513 Der Kauf von Immobilien erschien nicht selten durch Übertragung der Saisine 514 perfekt. 515 Das Eigentum an Sachen ging somit erst mit der geschehenen Tradition über, sowohl bei Liegenschaften wie bei Fahrnis. 516 Später erforderten wohl die Verkehrsbedürfnisse, daß unabhängig von der tatsächlichen Ausführung eines Vertrages ein wirksames Rechtsgeschäft mit Rechten und Pflichten für die Kontrahenten geschlossen wurde. Dieser Veräußerungsvertrag, nunmehr von dem tatsächlichen Vollzug des Geschäftes getrennt, ist im französischen Recht immer ein dinglicher Vertrag gewesen. 517 Das Veräußerungsgeschäft wurde aber nicht in zwei Verträge zerlegt: Einen obligatorischen, der Verpflichtungen zwischen den Parteien begründet, und in einen abstrakten dinglichen Vertrag, oer das Eigentum überträgt. Dieser ist dem französischen Recht immer fremd gewesen. Das Bestreben ging dahin, den obligatorischen und dinglichen Vertrag in einem Rechtsgeschäft zu verschmelzen. Der Kaufvertrag sollte schon dingliche Wirkung entfalten. Um diesen Zweck zu erreichen, wurde seit dem Mittelalter im Veräußerungsvertrag regelmäßig eine Klausel aufgenommen, Grane,.. Forderungsabtretung 20. "Emptio vel venditio non valet sine palmata. vel sine solutione pretii, particulari vel universali. vel sine rei traditione". zit. nach Scl!ae.f!lIe,.. Bd. II 252 Anm. 1. 514 Die saisille ist als faktische Innehabung einer Sache. als natürliche Herrschaft über dieselbe zu verstehen. Die dessaisille ist jede Handlung, welche diese Herrschaft beeinträchtigte. Dies konnte eine bloße Störung oder gänzliche Entziehung sein, Schaeffne,., Bd. II 296f. Unter saisine hat man dasjenige "Verhältnis einer Person zu einer (körperlichen oder unkörperlichen) Sache zu verstehen, vermöge dessen sie den richterlichen Schutz zur Anerkennung und Aufrechterhaltung dieses Verhältnisses selbst auffordern kann. Saisine ist somit nichts anderes als das vollwirksame, d. h. gerichtlich anerkannte und geschützte dingliche Recht", zit. nach Warnkönig, Bd. II 295. m "Vente d'yretage ne fait a tenir, comment que saisine et dessaisine en soit faite", zit. nach Schaeffne,., Bd. II 252 Anm. 3. 516 "Puis k'il n'ot onkes le saisine des coses, sans coi nul n'aquiert la sengnorie", zit. nach Schaeffne,., Bd. II 254 Anm. 10. 517 Loysel, Institutes coutumiers liv. III tit. IV no. 6: L'on n'a pas plus tost vendu la chose, qu'on n'y a plus rien. Lauriere fügt in seinem Kommentar zu Loysels Sentenzen an dieser Stelle hinzu: "Also ist bei uns zu Lande, wenn der Kauf vollendet ist, das Eigentum der verkauften Sache ohne Tradition gegen die Bestimmung 1.20 de pactis übertragen", zit. nach Eisfeld, ius ad rem 16 Anm. 1. 51~
m
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in welcher der Verkäufer versicherte, er habe die Sache auf den Käufer übertragen und besitze sie nunmehr für ihn. 51 g An Stelle der alten förmlichen Übertragung der Saisine trat allmählich eine dem römischen Recht nachgebildete "fingierte Tradition".519 Um dem formlosen dinglichen Vertrag zum Durchbruch zu verhelfen, haben die französischen Juristen an die Rechtsfigur des constitutum angeknüpft. In den Coutumes de Meulan finden sich de retention d'usufruit, atitre de ferme ou loyer und comme constitut nebeneinander. 520 Meines Erachtens wurden nun diese Grundsätze der fiktiven Tradition, mit der die Eigentumsübertragung körperlicher Sachen bewirkt wurde, auf den Forderungsübergang ausgedehnt. Den Besitzkonstitutsklauseln beim Eigentumsübergang körperlicher Sachen tritt demnach die Signifikation beim Forderungsübergang zur Seite. Die konstitutive Wirkung der Signifikation könnte sich aus der Anerkennung des Besitzkonstituts entwickelt haben. Ein Beleg für diese Ansicht findet sich in der Coutume de Mantes et Meulan von 1550, wo dieses Institut zumindest im Falle der Forderungsschenkung zur Sprache kommt: "Simples dons, cessions et transports ne saisissent les donataires, s'il n'y a apprehension de jai!, retention d'usujrui! ou clause translative de possession, comme constitut, precaire ou autre."521 Brunner hingegen zieht diese Stelle als Beleg heran, das Erfordernis der Signifikation mit der Übertragung der Grundsätze der saisine auf Forderungen zu erklären. Die Schenkung war dem Veräußerer gegenüber erst durch Besitzerlangung des Geschenkten wirksam. Dies beinhaltete der Satz: "don ne vaut sans saisir de chose" oder "donner et retenir ne vaut". Auch die schenkungsweise erfolgte Zession von Renten wurde Dritten sowie dem Schenker gegenüber erst mit der saisine des Beschenkten perfekt. Diese Grundsätze seien auf Forderungen übertragen worden. 522 In der Literatur wie in der Praxis bestanden Zweifel, ob das constitut die gleiche Wirkung wie die "reale Tradition" entfalte. Bei der neuen Redaktion der zwei bedeutendsten Coutumes, Paris und Orleans, waren diese Bedenken überwunden. Die Pariser Coutume bestimmte in Art. 275: "Ce n'est donner et retenir, quand il y a clause de constitut ou precaire. "523 Brodeau bemerkt zu dem Artikel über die Bedeutung der Signifikation,524 daß diese als Tradition der Forderung anzusehen sei. Gleich dem Besitzkonstitut kann das 518
Eisfeld, ius ad rem 16. Bd. II 254. Kohler, Vertrag 10.
519Schaeffner, 520
Richebourg, Coutumier general III 446, zit. nach Kohler, Vertrag 10. Brunner, Inhaberpapier 26 Anm. 1. 523 Kohler, Vertrag 10. 524 Art. 108: U n simple transport ne saisit point, et faut signifier le transport a la partie et en bailler copie auparavant que d'executer. 521
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nur eine fiktive Tradition bedeuten: "ne saisit, c'est-a-dire n'attribue droit de propriete et ne transfere point la possession de la personne de cedant en celle du cessionnaire pour le rendre possesseur - et la signification en ce droit incorporel produit la meme chose que la tradition aux choses corporelles". 525 Durch die Signifikation wurde der Eigentums- und Forderungsübergang somit auf die gleiche rechtsdogmatische Grundlage gestellt. 526 Die von Wahl angetönten übereinstimmenden Formvorschriften lassen sich noch in anderer Hinsicht nachweisen: ,,11 resulte de ses termes (sc. Art. 108 der Coutume von Paris des Jahres 1580) que la notification ou l'acceptation n'ont pas d'autre but que de mettre les formalites des cessions de droits incorporels en accord avec les formalites des ventes des meubles corporels."527 Das constitut setzte notarielle Form voraus;528 für die Signifikation bestand eine vergleichbare Vorschrift, welche die Mitteilung einer Abschrift der Zessionsurkunde durch den Gerichtsdiener vorschrieb. 529 Gleich der Tradition beim Eigentumsübergang war die Signifikation nicht nur zum Rechtsübergang im Verhältnis zu Dritten, sondern zum Übergang zwischen den Zessionsparteien selbst notwendig. 530 Zession und Eigentumsübertragung'standen zur Zeit der Pariser Coutume auf der Stufe des Traditionsprinzips. Die Traditionssurrogate wie die "clause de constitut", "clause precaire" und "clause de retention d'usufruit" fanden Eingang in die Rechtspraxis. 5.11 Dies war der Weg, auf dem die Redaktoren des Code civil den Eigentumsübergang mit Abschluß des Kaufvertrags eintreten ließen. Mit Statuierung des Konsensprinzips wurde die Rechtspraxis zum Gesetz erhoben. m Portalis, einer der Redaktoren, meinte: "Dans les m Brodeau Commentar zur Coutume von Paris lte Ausg. S.333. cf. Carondas zur Cout. von Paris A. 108 und Argou IV. eh. 5, zit. nach Wamköllig, Bd. 11 539 f. ~~. Graller, Forderungsabtretung 23. 527 Wahl, Note zum Urteil: 7 juillet 1897 Rec. Sir. 1898, 1, 113, zit. nach Graner, Forderungsabtretung 23. 528 So sagt die Coutume d'Orleans in Art. 278: "Dessaisine et saisine faites present notaire de cour laie de la chose alienee valent et equipollent atradition de fait et possession prinse de la chose, sans qu'il soit requis autre apprehension". ~29 Warnkönig, Bd. 11 540. ~JO Dies geht neben dem obigen Kommentar von Brodeau noch aus einem anderen zu Art. 108 der Pariser Coutume von 1580 hervor: " ... le sens de cet article est que celui auquelle cession ou le transport est fait de quelques dettes n'en est le maltre que quand il a ete signifie au debitem ... la cession ou transport ne rend le cessionnaire possessem et maltre du droit cede que quand il a ete signifie au debitem ... la cession ou transport ne rend le cessionnaire possesseur et maltre du droit cede que quand il a ete signifie, la signification ayant effet de prise de possession", Ferriere, Corps el compilation sur coutume de Paris, 2 me €:dit, 1714, tome 11 sur 108, 126, zit. nach Graller, Forderungsabtretung 24. m Braun, Code civil 10 f. SJ2 Arminjon / Nolde / Wolff, Traite, Bd. I, 412.
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principes denotredroitfranrais le contrat suffit." Er sprach von einer traditio ficta, die lediglich bloßen Konsens voraussetze. Die Redaktoren führten denn auch die Wirkung des Konsensprinzips auf eine fingierte Tradition zurück. "Il n'est pas besoin de tradition reelle" äußerte dazu Bigot. 533 Der Eigentumsübergang auf Grund des bloßen Konsenses, des Zustandekommens des Kaufvertrags, bildet das "principe cardinal" des französischen Kaufrechts. 534 Die Zession hat sich im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar übereinstimmend mit dem Eigentumsübergang zum konsensualen Rechtsgeschäft weitergebildet. Im internen Verhältnis geht die Forderung durch formlosen Konsens über; dieser hat sich auf die Forderungsübertragung und die Gegenleistung zu erstrecken (Art. 711, 1138, 1583).535 Daß im internen Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar die Wirksamkeit des Forderungsübergangs nicht von der schuldnerischen Zustimmung abhängt, ergibt sich aus der allgemeinen Stellung der Zession im Kaufrecht. Die Zession wird als Forderungskauf angesehen, daher gilt auch die das gesamte Kaufrecht umfassende Vorschrift des Art. 1583, wonach das Recht durch Konsens übergeht. 536 Dadurch wird der Zessionar vom Zedenten aus gesehen Gläubiger. Dieser Rechtszustand tritt Dritten - auch dem Schuldner - gegenüber erst mit der Signifikation oder einer dieser gleichwertigen Annahme (acceptation) durch den Schuldner ein.
Kohler, Vertrag 11. Ferid, I 583, 588. Dies entspricht folgenden Artikeln: Art. 711. La propriete des biens s'acquiert et se transmet par ... l'effet des obligations. Art.711. Das Eigentum an Gütern wird erworben und übertragen ... durch die Wirkung der Verbindlichkeit. Art. 1138. L'obligation de livrer la chose est parfaite par le seul consentement des parties contractantes. Elle re nd le creancier proprietaire et met la chose a ses risques des l'instant ou elle a du eIre livre, encore que la tradition n 'en ait point ete faite, ... Art. 1138. Die Verbindlichkeit, eine Sache zu liefern, kommt durch die bloße Übereinstimmung der Vertragsparteien zustande. Sie macht den Gläubiger zum Eigentümer und überträgt auf ihn die Gefahr von dem Augenblicke an, wo die Sache geliefert werden sollte, wenn auch die Übergabe nicht erfolgt ist, ... Art. 1583. Elle (Ja vente) est parfaite entre les parties, et la propriete est acquise de droit a l'acheteur a l'egard du vendeur, des qu'on est convenu de la chose et du prix, quoique la chose n'ait pas encore ete livree ni le prix paye. Art. 1583. Er (der Verkauf) ist unter den Parteien zustande gekommen und das Eigentum ist auf den Käufer von Rechts wegen gegenüber dem Verkäufer übergegangen, sobald man über die Sache und den Preis einig geworden ist, wenn auch weder die Sache geliefert noch der Preis gezahlt worden ist. m Ferid, Bd. I 568. 536 Planiol/ Riperr, T. VII, Nr. 1116. 5J3
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8 Hoop
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Die Umstellung des Verständnisses, daß die Signifikation nur gegenüber Dritten konstitutive Bedeutung entfaltet, hat sich schon vor Inkrafttreten des Code civil durchgesetzt. m Die rechtlichen Qualitäten der Denuntiationsförmlichkeiten vergleicht der überwiegende Teil der Lehre mit den Publizitäts bestimmungen des Grundstücksrechts. m Durch. Art. 1690 Code civil werde der Rechtsübergang von Förmlichkeiten abhängig gemacht, die von der Öffentlichkeit wahrnehmbar seien. So hätten Dritte sichere Anhaltspunkte über die derzeitigen Rechtsverhältnisse der Forderung. 539 Gegen die Publizitätsfunktion der Signifikation wendet sich Planiol. Nach einer historischen'Bewertung sei es vielmehr ein im ausschließlichen Interesse des Zessionars geschaffenes Verfahren. Dieser könne dadurch endgültig die Forderung ergreifen. "On suppose que fes tiers interesses a connaftre I'existence du transport iront s'en informer aupres du debiteU1; constitue par la loi centre de la publicite. 11 est plus exact historiquementd'y voir deux procMes etablis dans l'interet exclusif du cessionnaire. pour le saisir definitivement erga omnes de la creance qui lui est transmise. Il n' en est pleinement investi qu' apres !'information qu' en possede le debiteur. "s~o Durch die Verwendung des Wortes .. saisir" kommt Plariiol in die Nähe der ursprünglichen Auffassung, wonach die Signifikat ion gleich der Tradition von körperlichen Sachen an unkörperlichen Sachen Eigentum und Besitz übergehen läßt. 3. Die Forderung als Vermögensgegenstand
Im Code werden denn auch körperliche Sachen den unkörperlichen kraft Anordnung des Gesetzes gleichgesetzt. Art. 529 bringt den Vermögenswert der Forderung unmittelbar zum Ausdruck: "Son! meubles par la determination de la loi, les obligations et actions qui on! pour objet d,es sommes exigibles ou des effets mobiliers ... " Dem Code ist ein Sachenrecht als Inbegriff aller Bestimmungen, die dingliche Rechte an Sachen regeln, fremd. Das zweite mEin Rechtswörterbuch aus dem Jahre 1771 weist auf die übertragende Wirkung des Zessionsvertrages hin, soweit es den Zedent und Zessionar selbst betrifft: "Neanmoins, nonobstant le dHaut de signification. le transport est valable, et a son effet au profit du cessionnaire contre le cedant ... ", Fe/Tiere, Dictionnaire de Droit et de Pratique, zit. nach Gmner, Forderungsabtretung 26. m Ursprünglich galt auch im Liegenschaftsrecht des Code das uneingeschränkte Konsensprinzip. Dies führte jedoch zu Unsicherheiten im Kredit- und Hypothekarwesen. Dem trat man mit dem Transkriptionsgesetz von 1855 und 1955 entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der Eigentumsübergang Dritten gegenüber nur wirksam, wenn der Vertrag im Transkriptionsregister eingetragen ist, vgl. Ferid / Sonnenberger, II 587 ff. 519 Vgl. Graner, Forderungsabtretung 119 f. m. w. H. 540 Planiol/ Ripert, T. VII N r. 1117.
XI. Das französische Recht
115
Buch handelt in den Art. 516-710 von den Vermögenswerten (biens) und den Abwandlungen des Eigentums (modifications de la proprietl:). Das "Sachenrecht" wird als ein Recht der Sache, als "droit des biens", verstanden. Dieses droh des biens ist als umfassendes Vermögensrechtssystem konzipiert. Denn dem Begriff biens werden körperliche wie unkörperliche Vermögenswerte zugeordnet; das können körperliche Gegenstände und Immaterialgüter wie auch Rechte sein. 54 ! In diesem Zusammenhang befaßte sich Ginossar mit der Unterscheidung von dinglichen und obligatorischen Rechten. Er geht davon aus, daß im französischen Recht Eigentum nicht nur im Sinne eines Rechts aufgefaßt wird, das sich lediglich auf körperliche, materielle Sachen bezieht. Obgleich Art. 544542 vom Eigentum an körperlichen Gütern handelt, schließt der Code civil einen weiten Eigentumsbegriff nicht aus. Dieser umfaßt auch die unkörperlichen Sachen. Weder Doktrin noch die Rechtsprechung haben diese Frage einer systematischen Untersuchung unterzogen. Ginossar stellt fest: Während der Begriff "Eigentum an Forderungen" in einigen Entscheidungen aufscheint, verzeichnet die Grundtendenz der Zivilrechtslehre eine andere Richtung. Diese neigt dazu, Eigentum nur an körperlichen Sachen anzuerkennen und lediglich in einer lakonischen, den Zustand bedauernden Feststellung den Eigentumsbegriff auf unkörperliche Sachen auszudehnen, wie z. B. in den Begriffen "industrielles Eigentum", "wirtschaftliches Eigentum" oder "geistiges Eigentum". Aber nur der Begriff des Eigentums vermag die Idee der Verfügungsrnacht des Gläubigers über seine Forderung auszudrücken, meint Ginossar. Das traditionelle Konzept des Gläubigerrechts als lediglich relatives Recht könne im allgemeinen die Rechtsbeziehung mit der Schuldnerseite nicht erklären. Vieles wurde aber geschrieben, um die fehlende Übereinstimmung der Begriffe körperlicher und unkörperlicher Sachen darzustellen. Trotzdem hat diese Unterteilung alle Kritik überdauert, was um so bemerkenswerter ist, als dieser Unterschied sich in "nulle part ecrite dans nos lois" findet. Es scheint, daß man sich dieses Begriffspaars nicht entledigen kann. 543 Eine solche Beständigkeit läßt sich weder allein durch Trägheit noch mit Traditionsgründen erklären. Wenn es zutreffend ist, daß die von Gaius vorgeschlagene Unterscheidung zur "l'antithese entre le droit de propriete, confondu avec les choses, d'une part, et tous les autres droits, d'autre part" 544 hinauslaufe, dann deshalb, weil eine solche Antithese auf einem rationalen 541
542 543 544
8*
Ferid / Sonnenberger, Bd. 2,513.
De la propriete. Ginossar, Droit 44.
Ripert et Bou/anger, T. I,
q. 2583, zit. nach Ginossar, Droit 44.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Fundament beruhe. Die Römer waren nämlich der Ansicht, das Eigentum unterscheide sich von den anderen Rechten derart, indem es die Sache absorbiere, auf das es sich beziehe. Daher seien die körperlichen Sachen nur ein Teil, die das Aktivum der Vermögenswerte darstellten; der andere seien die unkörperlichen Sachen, die Rechte und insbesondere die Obligationen. "Et, puisque les choses 545 deviennent des ,biens' 546 au sens juridique du mot lorsqu'elles sont appropriees, ce sont les biens qu'il convient de diviser ainsi en corporels et incorporels."547 Bei den Forderungen ist es also vollkommen angezeigt, von unkörperlichen Sachen zu sprechen; das Eigentum an ihnen stimmt in demselben Maße überein, wie sich das Eigentum einer körperlichen Sache mit dieser vermengt. Denn wie man von "meiner Sache", "Ie bien de Jacques", "Pierre hat ein Auto" redet, spricht man von "meine Forderung", von "der Forderung Jacques", der "Forderung, die er gegenüber Jacques" hat. Ginossar führt aus, der Begriff des Vermögens (patrimoine) habe im vergangenen Jahrhundert eine Veränderung erfahren. Heute werde der Begriff der Gesamtheit der Rechte (un ensemble de droits) dem der körperlichen oder unkörperlichen Sachen vorgezogen. Dabei könnten sich diese Rechte auf konkrete wie auf abstrakte Gegenstände beziehen. Die Vermögensrechte teilen sich daher in zwei große Klassen: in körperliche und unkörperliche Sachen. Die eine besteht aus konkreten Eigentumswerten, wie den beweglichen und unbeweglichen Gütern; die andere im Eigentum an Forderungen, die ihrem Eigentümer - dem Gläubiger - erlauben, von einer anderen bestimmten Person (dem Schuldner) ein positives Versprechen (etwas zu geben oder zu machen) oder ein negatives Versprechen (etwas zu unterlassen) zu fordern. Ginossar zieht weiters Parallelen zwischen den Verfügungsbefugnissen körperlicher Sachen und Forderungen. Im wesentlichen ordnet das Eigentum einer Person einen Gegenstand zu und dieses manifestiert sich normalerweise in der Verfügungsbefugnis des Eigentümers über die Sache. Ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und der Forderung als Eigentum zu qualifizieren, kann dieser daher gleich dem Eigentümer einer körperlichen Sache über die Forderung verfügen. Dabei ist gewiß keine völlige Identität zu fordern, besteht doch schon ein Unterschied zwischen dem Eigentum einer verbrauchbaren und unverbrauchbaren Sache. Naturgemäß ändert sich das Institut des Eigentums je nach dem in Betracht gezogenen Gut: Dies sticht zwischen dem Eigentum an körperlichen Sachen und jenem an Forderungen nur mehr heraus. Unter "choses" werden körperliche Sachen verstanden. Die "biens" sind entweder körperliche Sachen (choses) oder unkörperliche (Rechte. wie Forderungen, dingliche Rechte, Urheberrecht, Patentrecht). 547 Ginossar, Droit 45. 545
546
XI. Das französische Recht
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So wie der Eigentümer seine Sache gebraucht, kann der Gläubiger auch sein Recht "gebrauchen"; vorausgesetzt, daß er damit nicht gegen positives Recht verstößt. 548 Nach Ginossar erschöpft sich die Obligation nicht in einem vinculum iuris zwischen Gläubiger und Schuldner, sondern sie muß gleichzeitig als Vermögensgegenstand ähnlich den körperlichen Sachen gesehen werden. Die Forderung wird somit systematisch in das umfassende Recht der Vermögensgüter eingegliedert. 4. Die Veräußerungsbeschränkung körperlicher Sachen und das Abtretungsverbot
Ausdruck des Geistes der französischen Revolution war die Freisetzung des Eigentums von den Beschränkungen der feudalen Ordnung. Die freie Verfügung stand im Mittelpunkt des Interesses. Auch auf dem Gebiet des Vertragsrechts wurde das Prinzip der Freiheit zum obersten Postulat erhoben. Die verbliebenen spärlichen Beschränkungen zielten vorwiegend darauf ab, ein auskömmliches Verhältnis der Eigentümer untereinander zu gewährleisten. 549 Ausdruck dieses Postulats ist Art. 537 Abs. 1, nach dem Privatpersonen freie Verfügung über ihre Güter haben. 550 Grundsätzlich gilt für Immobilien und Fahrnis Verfügungsfreiheit. 551 Der in diesem Artikel verwendete Begriff "biens" stellt aber die Gesamtheit aller der Herrschaft Einzelner unterwerfbaren Güter dar; auch die Forderungen sind somit Ginossar, Droit 39-47. Mitteis, SZGerm 63 (1943) 194. Heute ist ein von sozialer Einbindung geprägtes Verständnis des Eigentums festzustellen, das sich im Anwachsen von öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen zeigt, Ferid / Sonnenberger, Bd. 2,516. ;50 Art. 537. Les particuliers ont la libre disposition des biens qui 1eur appartiennent, sous les modifications etablies par les lois. Art. 537. Privatpersonen haben die freie Verfügung über die Güter, die ihnen gehören, unter den Einschränkungen, welche die Gesetze bestimmen. ;51 Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote sind vor allem bei unentgeltlichen Zuwendungen festzustellen, die in Art. 28 Abs. I Z. 2 des Dekrets vom 4.1.1955 über Immobilienpublizität gesetzlich geregelt wurden. Um Wirksamkeit gegen Dritte zu erlangen, müssen sie publiziert werden. Der 1971 in den Code eingefügte Art. 900-1 setzt die Voraussetzungen für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungsverbote für Schenkungen und letztwillige Zuwendungen fest. Dieser Vorschrift wird allgemeine Bedeutung beigemessen. Zulässige Klauseln setzen im Zusammenhang mit einer Übereignung ein zeitlich beschränktes Verfügungsverbot zu Lasten des Erwerbers voraus. Dies muß einem ernsthaften und berechtigten Interesse entsprechen. Die Folgen des Zuwiderhandelns sind gesetzlich nicht geregelt, jedoch kann der Vormann des Veräußerers wegen Vertragsverletzung aufVertragsauflösung klagen oder eine Schenkung widerrufen. Nach der Rechtsprechung kann derjenige, zu dessen Gunsten das Verfügungsverbot vereinbart war, eine Nichtigkeitsklage unmittelbar gegen den Dritten erheben. Allerdings unzulässig ist diese wegen mangelnder Publizität, sofern das Verbot für ein Grundstück bestimmt war, Ferid / Sonnenberger, Bd. II 551 f. 548
;49
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
erfaßt. 552 Weil die Unübertragbarkeit von Forderungen infolge eines Abtretungsverbots im Gesetz nicht vorgesehen ist, sind derartige Vertragsbestimmungen daher nichtig. m In dieser Angelegenheit stehen körperliche Sachen und Forderungen als Vermögenswerte gleichberechtigt nebeneinander und erfahren auch die gleiche Regelung. Die Rechtsprechung vertritt die Ansicht, das den Personen gewährleistete Recht der freien Verfügung über ihr Vermögen beruhe auf einem öffentlichen Interesse. Entgegengesetzte Vereinbarungen seien daher nach Art. 6 als nichtig anzusehen. 554 5. Die Subrogation und das "Dailly-Gesetz"
Im kaufmännischen Geschäftsverkehr besteht ein erhebliches Interesse, Forderungen ohne große Formalitäten derart übertragen zu können, daß diese Übertragung dem Schuldner und anderen Dritten gegenüber wirksam wird; der Zessionar als Inhaber der Forderung sollte insbesondere dem Vergleichs- oder Konkursverwalter in einem etwaigen Vergleichs- oder Konkursverfahren über das Vermögen des Zedenten seine Forderung durchsetzen können. Die Vorschrift des Art. 1690 Code civil ist für einen Kaufmann ungeeignet, der seine Kundenforderungen vor Fälligkeit in Geld umsetzen oder sie als Mittel ZUr Sicherung eines Kredites verwenden möchte. Nach dieser Zessionsregel wird die Abtretung erst durch die Signifikation an den Schuldner wirksam; die Zession gestaltet sich bei der Abwicklung laufender Geschäfte umständlich, weil diese Mitteilungvon einem Gerichtsvollzieher in einem Schriftsatz zugestellt wird; dem gleichgestellt ist die Annahme des Schuldners in einer notariellen Urkunde. 555 Die Praxis suchte nach Ausnahmen von der strengen Formvorschrift und fand eine in der Übertragung durch Wechselbegebung. 556 Heinsheimer. Code civil 144. Schumalll1. Forderungsabtretung 127. ;;4 Crome, Grundlehren 258. Das Reichsgericht argumentierte, die Forderung werde nach Art. 529 den beweglichen Sachen gleichgestellt und stütze sich im weiteren auf Art. 544. Dieser definiert das Eigentum als das Recht. Sachen auf unbeschränkteste Weise zu benutzen und darüber zu verfügen. Crome, Grundlehren 258 Anm. 55; vgl. Arndt, Zessionsrecht 14 Anm. 14. m Die Grundsätze des Art. 1690 sind von der Rechtsprechung modifiziert worden. Die dem Schuldner zugestellte Klageschrift des Zessionars wird als "signification" anerkannt. Die "acception" ist nicht unbedingt in einer öffentlichen Urkunde zu erklären, eine privatschriftliche, sogar eine stillschweigende Annahmeerklärung ist wirksam. Auch arglistiges Zusammenwirken mit dem Zedenten zum Nachteil des Zessionars befreit den Schuldner nicht, wenn dieser vor der "signification" oder "acception" an den Zedenten gezahlt hat. Eine klare Regel hat sich in der Rechtsprechung noch nicht gebildet, Zweigen / Kötz, II 150ff. SS6 Mezger, RIW 1981,213 f. ;;~
m
XII. Liechtenstein
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Das französische Recht kennt neben der Zession aber noch eine andere Art des Gläubigerwechsels, die "subrogation personnelle" des Art. 1249, 1250 no. I Code civil. Erfüllt ein Dritter an Stelle des Schuldners dessen Obligation, tritt er kraft vertraglicher Subrogation an die Stelle des Leistungsempfängers. Die Drittwirkung des Forderungsüberganges ist dabei nicht abhängig von den Formvorschriften des Art. 1690. 557 Auf diese Weise wird auch das französische Factoring..:Geschäft durchgeführt: Der Kunde nimmt die Zahlung des Factors als Zahlung des Schuldners entgegen. Als Gegenleistung überträgt der Kunde seine Forderung, die er gegen den Schuldner hat, an den Factor. Die Benachrichtigung des Schuldners ist keine Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit gegenüber Dritten; der Factor erwirbt im Wege der "subrogation" die Forderungen, ohne den Formalitäten des Art. 1690 genügen zu müssen. 558 Des weiteren ist mit dem "Gesetz zur Erleichterung der Kreditgewährung an die Unternehmen" vom 2.1.1981 (Loi Dailly) die Situation der Finanzierung von Forderungen verbessert worden. Es gilt allgemein für Abtretungen zugunsten eines Kreditinstituts von im Berufsleben vertraglich begründeten Forderungen. Nach Art. I dieses Gesetzes kann ein Unternehmen Forderungen gegen verschiedene Schuldner und mit verschiedenen Fälligkeiten abtreten. Zur Wirksamkeit der Abtretung genügt die Aushändigung eines vom Zedenten unterschriebenen Abtretungsformulars (bordereau), das die genaue Bezeichnung der abgetretenen Forderungen enthalten muß. Die Wirksamkeit der Abtretung ist unabhängig von einer Mitteilung an den Schuldner. Einwendungen bleiben dem Schuldner solange erhalten, bis er nicht eine formelle Anerkennungserklärung abgegeben hat. 559
XII. Liechtenstein 1. Die Rezeption von österreichischem und schweizerischem Privatrecht
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beruhte die liechtensteinische Rechtspflege vorwiegend auf dem germanischen Recht. Dessen Gewohnheiten und mündliche Überlieferungen, größtenteils in sogenannten "Landsbräuchen" niedergeschrieben, waren tonangebend und dienten der Rechtsprechung als Richtschnur. Die jahrhundertealten öffentlichen Einrichtungen, auf der Ferid, I 570 f. sss Vgl. Gavalda, Subrogation 139ff. 559 Mezger, RIW 1981, 213 ff.; vgl. die Entscheidungen einer Forderungsabtretung nach der Loi Dailly vom Cour d' Appel Pau, RIW 1986, 226 und Cour d' Appel de Paris, RIW 1989,66. 557
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deutschen Reichsverfassung fußend, standen dem zeitgemäßen Fortschritt nunmehr im Wege und hatten sich überlebt. Die Rechtsprechung wurde denn auch 1809 dem fürstlichen Oberamte Vaduz übertragen; bis dahin lag die Rechtspflege bei den aus der Bevölkerung der Ortsgemeinden gewählten Richtern; an deren Spitze stand in jeder der Landschaften Schellenberg und Vaduz ein Landammann. Gleichzeitig mit dieser Geschäftsübertragung wurden wichtige Gesetze in Kraft gesetzt; im Kundmachungspatent der Erbschafts- und Verlassenschaftsabhandlung wird dieser Schritt begründet: 560 "Wir haben uns ... sattsam überzeugt, daß das in dem souveränen Fürstentum Liechtenstein561 bisher bestandene, mit Gesetzeskraft sanktionierte Gewohnheitsrecht (Lands brauch) jenen Erwartungen nicht mehr zu entsprechen vermöge, ... weswegen Wir ... hiemit dieses Gewohnheitsrecht (den Landsbrauch) nach seinem vollen Inhalte für aufgehoben und null und nichtig erklären ... "562 Die enge Verbundenheit des Fürstenhauses mit Österreich und die ähnliche Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur Liechtensteins mit dem Nachbarland Vorarlberg begünstigten die 1812 eingeleitete "vollkommenste Form der Rezeption".563 Fürst Johann I. rezipierte im Februar 1812 das ABGB (mit Ausnahme des Erbrechts), die allgemeine Gerichtsordnung von 1781, zusätzlich das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung von 1803. 564 Dies war keineswegs als einmaliger Vorgang vorgesehen, denn die erzielte Rechtsgleichheit auf den wichtigsten Gebieten sollte aufrechterhalten werden. Zu diesem Zweck wurde mit der Verordnung vom 6. Februar 1818 die Rechtsprechung koordiniert: Das Oberlandesgericht für Tirol und Vorarlberg fungierte nun als dritte Instanz in Zivil- und Strafsachen. 565 Weiters bestimmte die Verordnung vom 16. Oktober 1819, "daß Seine Durchlaucht auch die späteren Verordnungen. welche über die angenommenen k. k. österreichischen Gesetze elj7iessenwerden. verbindende Kraft im Fürstentum Liechtenstein erteilt haben wollen". 566 Dies hatte den Vorteil, daß die österreichische Literatur und Rechtsprechung zu diesem Gebiet uneingeschränkt verwendet werden konnte. In der Maul'. Rezeption 755 ff. 1719 wurden die beiden Reichsherrschaften Vaduz und Schellenberg von Kaiser Karl VI zu einem unmittelbaren Reichsfürstentum mit dem Namen Liechtenstein erhoben. Bis zur Auflösung 1806 gehörte Liechtenstein als Reichsfürstentum dem Deutschen Reich an. Napoleon zwang es in den Rheinbund. Liechtenstein war Mitglied des Deutschen Bundes bis zu dessen Auflösung 1866. m Zit. nach In der Maul', Rezeption 757. 563 Gschnitzer, Lebensrecht 32. 564 Vgl. Brauneder. LJZ 1988,96. 565 In den absoluten Monarchien Österreichs und Liechtensteins waren Verordnungen Gesetzen gleichzuhalten, Gschnitzer, Lebensrecht 27. 566 Zit. nach Gschnitzer, Lebensrecht 27. 560
561
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Mit der Verordnung vom 20. Januar 1843 wurde diese vollkommenste Form der Rezeption aufgegeben; Jahre können nunmehr zwischen dem Inkrafttreten der Gesetze in Österreich und ihrer Rezeption in Liechtenstein verstreichen. Darin lauert die Gefahr, einen anderwärts schon überwundenen Rechtszustand noch aufrechtzuerhalten. 567 Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie ist eine Hinwendung Liechtensteins zur Schweiz zu beobachten. Durch die Loslösung von Österreich sollte auch die enge Verbindung mit dem österreichischen Recht gelockert werden. Dies zeigte sich im Bestreben, in Anlehnung an das schweizerische und deutsche Recht ein neues Zivilgesetzbuch zu schaffen. Als Anfang wurde 1923 nach schweizerischem Vorbild das Sachenrecht und 1926 das Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) eingeführt. 568 Um den Sinn der Rezeption wachzuhalten, sollte das übernommene Recht nicht erstarren, sondern mit dem Ursprungs recht möglichst Schritt halten. Literatur und Judikatur des Ursprungsrechts können auch bei zu vielen Änderungen lediglich partiell und nur mit größter Vorsicht verwendet werden. Dies gilt um so mehr, wenn sachlich zusammenhängende Vorschriften aus verschiedenen Rechtsordnungen übernommen werden. Aus heutiger Sicht ist zu bemerken, daß die mit der Einführung des schweizerischen Sachenrechts und des PGR geschaffene Rechtslage nur als Übergang angesehen wurde, bestand doch die Absicht, das gesamte schweizerische Privatrecht zu rezipieren. 569 Allein dies wurde unterlassen. 570 Auf Schwierigkeiten wäre die geplante Gesamtübernahme schweizerischen Rechts bei der Ersetzung der österreichischen ZPO gestoßen, sind doch in der Schweiz nur kantonale Zivilprozeßordnungen in Kraft. Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf das Sachenrecht der berechtigten Frage Gschnitzers nachzugehen, ob es unter solchen Umständen sinnvoll war, "einzelne Teile des schweizerischen Privatrechts zu übernehmen, und zwar 567 Gschnitzer, Lebensrecht 33. Weiters wurde 1846 das Erbrecht des ABGB rezipiert, 1859 das österreichische Strafgesetzbuch von 1852. Österreich wie Liechtenstein übernahmen für das Handels- und Wechselrecht die im Rahmen des Deutschen Bundes ausgearbeiteten Gesetzbücher. Weiters führte die von 1852-1919 bestehende Zollunion zwischen Liechtenstein und Österreich zur Rezeption österreichischen Rechts. Zwischen 1912 und 1915 wurde die Zivilprozeßordnung, die lurisdiktionsnorm und die österreichische Strafprozeßordnung übernommen. 568 Kleimrächter, ZSR 1923,388 f.; Beck, Liechtenstein 117. An Stelle des Oberlandesgerichts Innsbruck errichtet das Gerichtsorganisationsgesetz von 1922 den liechtensteinischen Obersten Gerichtshof. 569 In diesem Sinn ist offenbar § 12 der Schlußabteilung des PGR zu verstehen: "Bis zum Erlass eines Familienrechts ... ", § 4 Abs. 2: "Bis zum Erlass eines neuen Erbrechts ... ". Diese Gesetze sollten augenscheinlich das Recht des ABGB ablösen. 570 Gschnitzer, Lebensrecht 39 ff.
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ohne zwingende Notwendigkeit. da das ABGB das Rechtsleben in Liechtenstein ohne Schwierigkeit bewältigte?!,,571 2. Das Zusammenspiel von Schuld- und Sachenrecht
Die Rechtsordnung eines bestimmten· Staates sollte als ganzheitliches Gebilde empfunden werden und auch theoretisch als ein geschlossenes System gedeutet werden können. Durch praktische und historische Notwendigkeiten bedingt, erfolgt der Bau dieser Gesamtordnung in unterschiedlichen Größenordnungen und in zeitlich kleineren und größeren Abschnitten. m Für Liechtenstein stellt sich die Frage, ob die später rezipierten sachenrechtlichen Bestimmungen auf das in großem Umfang in Geltung gebliebene Schuldrecht hinreichend abgestimmt erscheinen. Dazu ist das Konzept des österreichischen und schweizerischen Sachenrechts und seine jeweilige Stellung im ABGB und ZGB darzustellen. Dies bedingt eine Beschreibung der diesen Systemen zugrundeliegenden Positionen und der Prämissen der Gesetzgeber. Wie harmoniert die schuldrechtliche Forderungsübertragung, für welche die aus dem österreichischen ABGB rezipierten Vorschriften gelten, mit der sachenrechtlichen Eigentumsübertragung? Für diese gilt das als Teil des "Liechtensteinischen Zivilgesetzbuches" am 1. Februar 1923 in Kraft getretene Sachenrecht. Gemäß dessen Art. 141 Schlußtitel sind alle diesem Gesetz "widersprechenden Gesetze und Verordnungen außer Kraft gesetzt". Insbesondere sind davon die §§ 285-530 ABGB betroffen. Diese Sachenrechts kodifikation lehnt sich auf das engste an diejenige des Schweizerischen Zivilgesetzbuches an. Dessen Bestimmungen sind zum größten Teil wörtlich übernommen worden. 573 Der "von dem Sachenrechte" handelnde 2. Teil des ABGB mit seinen die §§ 285-1341 umfassenden Vorschriften ist somit zerrissen worden. Das Sachenrecht des ABGB ist vernunftrechtlich geprägt. Vernunftrechtlich sind daher auch die vom System abhängigen inhaltlichen Entscheidungen, wie die Einbeziehung auch unkörperlicher Gegenstände ins Sachenrecht; dadurch ist die mögliche Eingliederung von Forderungen ins Vermögensrecht gewährleistet. Wie in Deutschland hat auch in der Schweiz die deutsche Pandektistik die wissenschaftliche Grundlage der heutigen Zivilrechtslehre geschaffen. Soweit diese Grundlage nicht als quellengemäß erschien, wurde von der Pandektistik namentlich die naturrechtliche Tradition verworfen. 574 Demge571 572 57l
574
Gschnitzer, Lebensrecht 42. Vgl. Bucher, ZSR 102 (1983) 288. Vgl. Rümelin, AcP 1 (1923) 120 f. Vgl. Liver, Realobligation 207.
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mäß fand auch der Begriff der unkörperlichen Sache im neuen System keinen Platz mehr. Dieser hatte aber Anerkennung und Aufnahme im naturrechtlichen System errungen, weil er zur rechtlichen Bewältigung der wirtschaftlichen Verhältnisse förderlich war; die Sondernachfolge in Forderungen hatte sich nur ausgebildet, weil die Forderung nicht nur als relatives Recht, sondern auch als Objekt der Vermögenszuordnung anerkannt wurde. Durch die Rezeption des schweizerischen Sachenrechts mit seinem auf körperliche Gegenstände beschränkten Sachbegriff kommt die funktionale Bedeutung des Forderungsrechts als Mittel und Gegenstand der Vermögenszuordnung somit im liechtensteinischen Gesetz nur höchst unvollkommen zum Ausdruck. Als Eigentumsobjekte und daher Sachen werden körperliche Gegenstände erfaßt: Somit regelt das Sacherirecht das Vermögensrecht nur noch sektorial. In der Rechtsterminologie des zum Recht der körperlichen Gegenstände verkümmerten Sachenrechts ist man nicht mehr "Eigentümer" seines Vermögens, sondern der im Vermögen befindlichen körperlichen Gegenstände. Diese Auffassung mag zu einer Zeit berechtigt gewesen sein, als Einkünfte und Vermögen in überwiegendem Maße vom Eigentum an Grund und Boden abhingen. Heute freilich hat sich diese Relevanz zugunsten des körperlichen Sacheigentums grundlegend verschoben. Vermögen erscheint vorwiegend in schuldrechtlichen Beziehungen organisiert und zugeordnet: Bankguthaben, Anleihe- und Beteiligungspapiere, Geldforderungen aus Produktion und Dienstleistung, Gesellschaftsanteile, Lebensversicherungen und Ansprüche gegen Arbeitgeber sowie öffentliche Instanzen. Dieses geänderte juristische Geschehen ist Ausdruck einer gewandelten Vermögensverfassung. 575 Gierke betonte, daß künstliche Mittel angewendet werden müßten, um den Inhalt des Sachenrechts von obligationsrechtlicher Beimischung zu entleeren. 576 Die auf Savigny zurückgehende Konzeption eines gleichrangigen, aber neben dem Obligationenrecht selbständigen Sachenrechts ist verfehlt. 577 Allerdings versuchte Savigny im Sinne einer Koordination die Fäden zwischen Schuld- und Sachenrecht zu knüpfen. Denn eine wesentliche "Verwandtschaft dagegen muß behauptet werden zwischen den Obligationen und den Verhältnissen des Sachenrechts, deren Grundlage das Eigentum bildet". Übereinstimmend sei, "daß die Obligation, wie das Eigentum, in der Herrschaft einer bestimmten Person über ein Stück der äußeren Welt besteht. Dadurch bilden beide das Vermögensrecht, als dessen coordinierte Teile sie erscheinen".578 Ebenfalls wurde die zunehmende Bedeutung des 575 Vgl. Walz, KritV 1986, l3lf.; Dubischar, AK §§ 854 ff. Rdz 4. 576 Gierke, Entwurf 281. 577 Vgl. Wiegand, AcP 190 (1990) 132. m Savigny, Obligationenrecht, Bd. I 16.
vor §§24lff. Rdz 14 und vor
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Obligationenrechts von Savigny anerkannt: "In dem gesamten Rechtsverkehr der heutigen Zeit ist dem Einfluss des Obligationenrechts eine augenscheinlich fortschreitende Wichtigkeit, vor andern Teilen des Rechts, zuzuschreiben, indem darin die Bedürfnisse und Richtungen der Gegenwart vorzugsweise ihre Befriedigung finden. "579 Trotzdem setzte Savigny nicht bei einem gemeinsamen Oberbegriff, dem Vermögensrecht im Sinne des ABGB oder Code civil, an. Erst auf einer darunterliegenden Stufe anerkennt er mit verschiedenem Inhalt ausgestattete Vermögensrechte: das Eigentum und die Obligation, die aber selbständig nebeneinander stehen. Obgleich diese Konzeption zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Realität weitgehend zuwiderlief, wurde dieses System in Liechtenstein durch die Rezeption des schweizerischen Sachenrechts übernommen; gleichzeitig der Systemgedanke des Vernunftrechts aufgegeben, das Obligationenrecht mit dem Sachenrecht zu einem Vermögensrecht zusammenzuschmelzen. Das liechtensteinische Schuld- und Sachenrecht setzt sich nunmehr aus Vorschriften zusammen, die geschichtlich bedingt aus unterschiedlich geregelten Systemen stammen. Das Schuldrecht wurde zum Teil aus dem österreichischen ABGB, einer vernunftrechtlichen Kodifikation, übernommen. Dieses System ging von der Funktion des Vermögens- und Güterverkehrs in einer sozialen Ordnung aus; dementsprechend umfaßte sein allgemeines Vermögensrecht nicht nur körperliche Sachen, sondern alle Gegenstände, insbesondere auch die Forderungen. Während das ALR und der Code civil das Erbrecht und den Güterumsatz als Eigentumserwerbsgründe in das Eigentumsrecht einfügen, stellt das ABGB der Eigentumsordnung eine Vertragsordnung gegenüber. Das liechtensteinische Sachenrecht und ein Teil des Schuld rechts ist ein Produkt des Pandektensystems. Dies teilt das Privatrecht nach den Merkmalen des subjektiven Rechts ein. Aus der Unterscheidung zwischen jus in re ("dingliches Recht") und obligatio ("Forderungsrecht") folgt die geschlossene, selbständige Gegenüberstellung zwischen Schuld- und Sachenrecht. 580 . 3. Das Begriffspaar "res corpora/es - res incorpora/es" und das subjektive Recht
Ursprung der gemeinrechtlichen Unterscheidung zwischen jus in re und Obligation ist das justinianische Institutionensystem (res-obligationes). Eine andere Bedeutung hat dieser Einteilung aber ihr Urheber Gaius zugesprochen. Gaius teilt das objektive Recht in solches, das sich ad personas, ad res 579 580
Savigny, Obligationenrecht, Bd. I 17. Vgl. Wieacker, System 26.
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und ad actiones bezieht. Den res-Begriff wiederum unterteilt er in körperliche und unkörperliche Sachen. 581 Dieser res-Begriff mit seinen Gliederungen wird von der modernen Romanistik heftig kritisiert. Nach Kreller hat Gaius "eine geradezu säkulare Verwirrung damit angerichtet, dass er die subjektiven Rechte", als welche die res 582 betrachtet werden müßten, in die Gruppen res corporales und incorporales eingeteilt habe. Greifbare Dinge einerseits und Machtpositionen rechtlichen Inhalts (res quae in iure consistunt) andererseits seien so grundverschiedene Dinge, daß sie schlechterdings keine vergleichbaren Größen seien und daher als Grundlage einer Einteilung unbrauchbar. 583 Nach Demburg ist Gaius einem gewöhnlichen, im Leben entstandenen Sprachgebrauch erlegen, der statt des Eigentums die Sache nenne, auf die sich das Eigentum bezieht. Wenn Gaius körperliche Dinge als Vermögensbestandteile bezeichne, meine er im Grunde das Eigentumsrecht an diesen. Er identifiziere dabei das Eigentumsrecht nur versehentlich mit der Sache, da es diese total umspanne. Daher würde er das Eigentumsrecht als etwas Körperliches auffassen, obgleich es in Wahrheit wie jedes andere Recht nur in der Idee bestehe. 584 Nach Kaser ist Gaius durch die Einteilung allen Privatrechts nach der Beziehung auf die personae, res und actiones gezwungen gewesen, einen resBegriffvon "unfruchtbarer Weite" einzuführen. Denn die dem Rechtssubjekt (persona) gegenübergestellte res sei das Rechtsobjekt schlechthin. Um brauchbar zu sein, hätte Gaius diesen umfassenden res-Begriff in res corporales und incorporales unterschieden. Dadurch träten den Sachen im landläufigen Sinne die subjektiven Rechte an die Seite. Offenkundig hätte der weite res-Begriff aber keinen praktischen Wert, auch sei dessen Scheidung der juristischen Kritik ausgesetzt. 585 Das grundlegende Mißverständnis der Funktion des Begriffspaars res corpora/es - res incorpora/es bei Gaius in der modernen Romanistik wurzelt. in dem Unvermögen, sich von den Vorstellungen der Pandektistik zu lösen. Denn Gaius ging nicht vom heutigen Zentral begriff des Privatrechts, des "subjektiven Rechts", aus. Dementsprechend handelt es sich bei diesem Begriffspaar auch nicht um eine Klassifizierung des "subjektiven Rechts", 581 Gai, Inst. 1112-13: "Quaedam praeterea res corporales sunt, quaedam incorporales. Corporales hae sunt, quae tangi possunt, velut fundus, homo vestis, aurum, argentum et denique aliae res innumerabiles. Incorporales sunt, quae tangi non possunt, qualia sunt ea, quae in iure consistunt, sicut hereditas, ususfructus, obligationes quoquo modo contractae. 58~ im Zusammenhang von Gai, 11 12-14. 583 Kreller, SZRom 79 (1962) 585 f. ;s.I Dernburg, Pandekten § 67 I b. m Kasel', SZRom 70 (1953) 142 f.
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sondern um eine Darstellung von den res corpora1es und incorporales. Dabei sind die res incorporales - Rechte wie der ususfructus, die obligatio ebenso gegenständlich gedacht wie die res corporales. Er hat eine Einteilung der Gegenstände vorgenommen, unabhängig vom Begriff des subjektiven Rechts und somit auch keine Darstellung dieses Begriffs versucht. 586 Gaius konnte in dieser Art vorgehen, weil zu dieser Zeit das subjektive Recht überhaupt nicht entwickelt war. Es ist zu unterscheiden, ob in einer bestimmten Gesellschaft das private Eigentum in einem weiten, juristisch 'untechnischen Sinn bereits entstanden und entwickelt ist; ob diese Gesellschaft eine private Verfügungsgewalt über Lebensgüter überhaupt kennt: Dies hat die Sozialgeschichte zu beantworten. Eine andere Frage lenkt die Aufmerksamkeit dahin: Zu welcher Zeit und mit welcher Funktion tritt das subjektive Recht in einer bestimmten Rechtsordnung als technisch ausgeformter Begriff auf? Für die klassische römische Jurisprudenz spielt das subjektive Recht keine Rolle, weil es an die Aktionen anknüpfte. Für die rechtliche Beurteilung der Beziehung zwischen den Parteien stehen nicht so sehr die materiellen Rechte und Pflichten zwischen den Parteien im Vordergrund als vielmehr die Frage nach der Auslegung der das Verfahren zwischen Kläger und Beklagten beherrschenden Formel. Daher tritt der materielle Rechtssatz neben dem Einfluß des Aktionensystems zurück. So ist das römische Recht im Bereich der dinglichen Rechte in der Vorstellung verhaftet, daß beim Eigentum der Eigentümer die Sache selbst und nicht ein Recht habe. Diese Ansicht wurde auf die Übertragung des Eigentums angewandt: Die Sache selbst wird übertragen. In den systematischen Bemühungen der Römer kann die Bedeutung des subjektiven Rechts in keiner Weise mit derjenigen der modernen Privatrechtssysteme verglichen werden. Gaius knüpft an das objektive Recht an und teilt es in solches, das sich ad personas, ad res und ad actiones bezieht. Sein Bezugspunkt sind Gegenstände, die von den objektiven Rechtsnormen erfaßt werden, nicht subjektive Rechte. Auch die justinianische Kodifikation beruhte auf dem Aktionensystem; den Begriff der aetio ersetzte erst Windscheid im Jahre 1856 durch den des Anspruehs. 587 Bei Gaius sind daher nicht nur die res corporales gegenständlich, sondern auch ea, quae in iure eonsistunt und deshalb res ineorporales genannt werden. "Wer an seinem Grundstück einen Nießbrauch oder eine Servitut bestellt, der trennt gleichsam ein Stück ab und macht eine neue, selbständige Sache
586 587
F1ume, SZRom 79 (1962), 22ff. Coing, "Subjektives Recht" 242-248.
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daraus, dergleichen es von Natur nicht gibt, die also - wie Gaius sagt - in iure consistit, die allein dem Recht ihr Dasein verdankt ... "588 Weil die res alle Gegenstände umfassen, klammert Gaius unter der Rubrik jus quod ad res pertinet das gesamte Vermögens recht zusammen. Die Rubrik De rebus hat eine andere Bedeutung als das "Sachenrecht" des Pandektensystems; der Begriff des jus in re als dingliches Recht an der Sache ist dem klassischen Recht fremd. Für Gaius existiert das Gegensatzpaar jus in re - obligatio nicht. Er verschmelzt das Schuldrecht mit dem Sachenrecht zu einem einzigen Vermögensrecht. Zu beachten ist dabei der lange übersehene Gegensatz zwischen der "actio" und desjenigen "quod venit in actionern" . Die actio ist nicht als einseitige subjektive Begünstigung, sondern ganz allgemein als Prozeßbegründungsmittel, als Bestandteil der formellen Technik des gerichtlichen Verfahrens aufzufassen. 589 "Res" und "actio" sind als Dualismus zu betrachten. Dabei sind reale Vermögensbestandteile nicht die "actiones" selbst, sondern "quod est in actionibus", der Inhalt der actio, die res. Der Rahmen - die actio - und ihr Inhalt sind zwei getrennte, voneinander unabhängig existierende Dinge. 59o Denn "keine Sache (,res') ist klagbar an sich. Die res kann nur mit Erfolg eingeklagt werden, wenn eine actio hac de re benutzt wird. Dies erfordert zweierlei: dass eine solche actio besteht, und dass diese zur Anwendung kommt". 591 a) Von der Trichotomie des Gaiussystems zur Vierteilung der Glossatoren in personae, res, obligationes und actiones Die römische Rechtslehre kannte die abstrakten Formulierungsbegriffe wie subjektives, dingliches und persönliches Recht noch nicht; dies sind Schöpfungen eines Gerüstes von Abstraktionen, welche erst die mittelalterlich-neuzeitliche Jurisprudenz aufbaute. Der Begriff "res" kennzeichnet in der römischen Rechtslehre das substantielle Moment des Rechts. Während diese Anschauung der "res" bis auf die Zeiten Justinians ungeschmälert erhalten blieb, scheinen die Redaktoren der justinianischen Gesetzgebung nicht mehr das Verständnis des altbekannten Rechts für diesen Begriff aufgebracht zu haben. Obgleich der Schwerpunkt nach wie vor in den res, den objektiven realen Rechtsverhältnissen liegt, läßt sich das aufkom588 589 590 591
Pflüger, SZRom 65 (1947) 341 f. Dubischar-, Zweiteilung 19. Bekker, SZRom 15(1894), 190. Bekker, SZRom 15 (1894) 197.
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mende mangelhafte Verständnis anhand der justinianischen Institutionen darlegen. Während bei Gaius die obligatio noch dem Oberbegriff res untergeordnet ist, tritt Theophilus, einer der Redaktoren der justinianischen Gesetzgebung, in der Institutionenparaphrase III 13 für die Eigenständigkeit der obligatio ein. Exemplarisch für die spätere Jurisprudenz bringt er die obligatio in Beziehung zur actio. 592 Theophilus erörtert in seiner Paraphrase die res. Er läßt dann aber aufhorchen, weil er systemwidrig nach Behandlung der Personen und Sachen sich nicht den Aktionen zuwendet, sondern "nun zu den Obligationen kommen" wolle. Einer eventuellen Beanstandung, nach der Institutionenordnung folge dem Sachenrecht doch das Aktionenrecht, entgegnet Theophilus, seine Ordnung sei "nicht ohne Verteidigung; denn wer von den Obligationen redet, der redet stillschweigend auch von den Aktionen. Die Obligationen sind nämlich die Mütter der Aktionen".593 Theophilus hat somit nicht beachtet, daß im Sinne der klassischen Jurisprudenz auch die Obligationen res sind und dadurch in keinem engeren Verhältnis mit den übrigen Rechtsverhältnissen, einschließlich der persönlichen, stehen. Mit Theophilus beginnt in der romanistischen Tradition die Zersplitterung des Begriffs res, welche in der Bedeutung von körperlicher Sache enden sollte. 594 Gleichzeitig beginnt die Zeit des subjektiven Rechts, das Recht des Subjekts, das "der zentrale Begriff des Privatrechts und zugleich die letzte Abstraktion aus der Vielgestaltigkeit des Rechtslebens"595 werden sollte. "Wenn derartige Mißverständnisse", die Obligationen als selbständigen Teil zwischen das Sachenrecht und das Aktionenrecht zu stellen, "sich schon in der nachklassischen römischen Rechtsperiode einstellten, gewissermaßen am grünen Holze, so ist von vornherein ein besseres von den Rechtsgelehrten des Mittelalters nicht zu erwarten. Besonders aber mußte die unklare Vorstellung über die Obligationen und deren Bezeichnung als Mütter der Aktionen große Verwirrung in den Köpfen der Epigonen anrichten".596 Das Verständnis für die res seit Theophilus hat sich an den byzantinischen Rechtsschulen denn auch in eine "Art mystischer Auffassung der Obligationen als Mütter und rechtliche Bänder der Aktionen" gewandelt. Der rote Faden, welcher die mittelalterliche mit der klassischen Rechtswissenschaft hätte verbinden können, zerriß schon zur Zeit Justinians. Der Riß in der geschichtlichen Kontinuität führte die Glossatoren zur Ansicht, das Institutionensystem behandle zuerst die Personen und Sachen, denen die Obligationen und Aktionen folgen. 597 Affoller, Institutionensystem 70; Dubischar, Zweiteilung 26. Aus dem Griechischen übersetzt von Hugo, zit. nach Affoller, Institutionen 70. 594 Affoller, Institutionensystem 71. 595 v. Tuhr, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 53. 596 Affoller, Institutionensystem 77. m Affolter, Institutionensystem 77. 592 593
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b) Der Gang zur Zweiteilung in dominium und obligatio In den systematischen Bestrebungen Johann Apels (1486-1536) reifen die von der Glosse entwickelten Begriffsmerkmale dahin, daß Apel die Unterscheidung res und obligatio verwirft: Er gelangt zur Zweiteilung der Institutionen in dominium und obligatio. 598 Apel betrachtet die res nicht mehr im klassischen Sinn als Einteilung der Gegenstände: als das Substantielle, als die objektiven realen Rechtsverhältnisse. Die Dreiteilung in Personen, Sachen und Aktionen bemängelt Apel: Dies seien bloß circumstantiae (Tatbestandsmerkmale), nach denen das Recht abgehandelt werde, gleich anderen Umständen wie locus, tempus, quantitas, qualitas.
"Quid enim in universa rerum natura non est res?", tadelt Apel und fährt fort: "Es wäre zutreffender und deutlicher, wenn der Rechtsgelehrte Gaius und die Verfasser der Institutionen dasjenige, was sie res genannt haben, Eigentum genannt hätten, statt einen so obskuren Begriff wie res an die Spitze der Rechtswissenschaft zu stellen." Die Identifizierung der obligation es und actiones bildete den Anfang der Unklarheiten, nun ging der Begriff res vollends in Dunst und Nebel auf. Die Trichotomie des Gaius verwirft Apel, weil sie lediglich eine mangelhafte Aufzählung der circumstantiae seien. Aus dieser oberflächlichen Sichtweise erklärt Apel das Motiv, warum Gaius die personae an den Beginn seiner Einteilung gestellt habe: Aus Bequemlichkeit sei dies geschehen, denn die personae kämen unter allen Tatbestandsmerkmalen am häufigsten vor. Das Spiel ist gelaufen: dies sei unwissenschaftlich und mit der Würde des Rechtsstoffs unverträglich. Die Trichotomie wird verworfen, an die Spitze rückt das Eigentum, die ehemaligen res. Der andere Hauptgegenstand müsse neben dem Eigentum die obligatio, nicht die actio bilden; beide erzeugten doch in gleicher Weise Aktionen. Apel hat somit verkannt, daß im Institutionensystem res nicht Eigentum bedeutete, sondern alle objektiven realen Rechtsverhältnisse. Objektiv aufgefaßt wurden auch die personalen Rechtsverhältnisse ebenso wie die aktioneIlen; und alle drei waren einander gleichgestellt. Übrig blieb noch das dominium und die obligatio. Auf Apels Methodica geht die im 17. und 18. Jahrhundert herrschende Lehre vom ius in re und ius ad rem zurück; in dieser vereinigen sich die Fäden, welche die Systematik der mittelalterlichen und neueren Jurisprudenz umspinnen. 599
598 599
9 Hoop
Vgl. Brand, Eigentumserwerb 50 f. Affolter, Institutionensystem 90 ff.
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c) Die strikte Trennung von Sachen- und Schuld recht Das Vermögensrecht verengte sich nunmehr zum Recht der körperlichen Gegenstände. Dem dominium trat die obligatio in personam, das Schuldrecht, zur Seite. Diese Systematik Apels wirkte bestimmend für die späteren gemeinrechtlichen Systeme und zuletzt für das Pandektensystem. 600 Klassisch ausgeprägt wurde das Pandektensystem im 19. Jahrhundert durch Savigny. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der Begriff des Rechtsverhältnisses als der rechtlich geordneten Lebensbeziehung. Savigny verband die Trennung dominium-obligatio mit der Bestimmung des subjektiven Rechts. Die dadurch bewirkte Selbständigkeit des Schuld- und Sachenrechts beherrscht das System des BGB, des ZGB und des liechtensteinischen Sachenrechts. 601 Basis dieser Entwicklung bildet das von Savigny konzeptualisierte Vermögensrecht. 602 Er erläutert den Begriff des Rechtsverhältnisses: 603 Dessen bestimmendes Element ist die Willensherrschaft, der Bereich unabhängiger Herrschaft des individuellen Willens. Dieser Wille, das subjektive Recht, kann im Bereich des Vermögensrechts zwei Bereiche umfassen: die unfreie Natur oder fremde Personen. Beide Bereiche werden eingeschränkt. "Die unfreye Natur kann von uns beherrscht werden nicht als Ganzes, sondern Wieacker. System 28. In den Motiven des BGB wird unter dem Titel .. Stellung des Sachenrechts in dem System des Entwurfs" die Grundvorstellung erläutert: .. Das Sachenrecht nimmt in dem System des Entwurfs eine selbständige Stellung ein. Es schliesst sich ab einerseits gegen das Recht der Schuldverhältnisse und das Familienrecht. andererseits gegen das Erbrecht. Seine Selbständigkeit beruht wesentlich in dem Gegensatz zwischen dinglichem und persönlichem Rechte", Motive III 1 = Mugdan III 1. Dieser Konzeption folgt auch das ZGB: "Das Sachenrecht hat den dinglichen Rechten jene genaue Abgrenzung . .. zu verschaffen ... ", Huber, Erläuterungen II 17. 60~ SOI'igll.l'. System 1. Buch 2. §§ 52-57. 60.1 Savigny unterscheidet in seinem System zwei Schichten im positiven Recht: Den positiven Rechtssatz und das Rechtsinstitut. Unter Rechtssatz ist die Einzelnorm zu verstehen. Das Rechtsinstitut zielt auf die organische Einheit sachlich zusammengehöriger Einzelnormen ab. wie etwa das Institut der Ehe. des Vertrages. des Sacheigentums. der Obligation usw. Der einzelne Rechtssatz. wie er sich in Gesetz und Entscheidung findet, soll aus dem Gedanken des Rechtsinstituts erläutert werden. Die einzelnen positiven Rechtssätze sind aus diesen Rechtsinstituten zu verstehen und wo Lücken vorhanden sind, zu ergänzen. Das Rechtsleben selbst ist geprägt von vielen einzelnen Rechtsverhältnissen zwischen Rechtssubjekten. Diese bestehen aus gegenseitigen subjektiven Rechten. Subjektive Rechte werden unter dem Gesichtspunkt der Freiheit definiert: .. Betrachten wir den Rechtszustand, so wie er uns im wirklichen Leben von allen Seiten umgibt und durchdringt, so erscheint uns darin zunächst die den einzelnen Personen zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht, und mit unserer Einstimmung herrscht. Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person ... , Savigny, System I 7. Subjektive Rechte entstehen vorwiegend aus Rechtsgeschäften, namentlich Verträge oder Rechtshandlungen, vgl. Coillg, ZBJV 91 (1955) 337 ff. 600 601
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nur in bestimmter räumlicher Begränzung; ein so begränztes Stück derselben nennen wir Sache, und auf diese bezieht sich daher die erste Art möglicher Rechte: das Recht an einer Sache, welches in seiner reinsten und vollständigsten Gestalt Eigenthum heisst. "604 Eigentum und die Sachenrechte beziehen sich somit nur auf körperliche Sachen. Bei denjenigen Rechtsverhältnissen, deren Gegenstände fremde Personen sind, könne diese Herrschaft keine absolute sein, ansonsten der "Begriff der Freiheit und Persönlichkeit aufgehoben" würde; anderenfalls müßte dies nicht als eine Herrschaft über eine Person, sondern über eine Sache gedeutet werden, als Eigentum an einem Menschen. Daher "muß die Herrschaft nicht auf die fremde Person im Ganzen, sondern nur auf eine einzelne Handlung bezogen werden". Diese Herrschaft über die einzelne Handlung der Person wird Obligation genannt. 605 In Beziehung zum Eigentum würde die Obligation aber dennoch stehen, denn es sei eine "Schätzung der Obligation in Geld" möglich, "welche nichts Anderes ist, als Verwandlung in Geldeigenthum". Der Grundstein für die Schaffung eines umfassenden Vermögensrechts ist gelegt, denn durch das Eigentum wie auch der Obligationen, "wird die Macht der berechtigten Person nach außen, über die natürlichen Grenzen ihres Wesens hin, erweitert. Die Gesammtheit der Verhältnisse nun, welche auf diese Weise die Macht des Einzelnen erweitern, nennen wir das Vermögen desselben, und die Gesammtheit der darauf bezüglichen Rechtsinstitute das Vermögensrecht".606 Savigny wendet sich nun der Differenzierung von Sachenrecht und Obligationenrecht zu. Bei genauer Betrachtung zeige sich ein weiter Spielraum in den Bestimmungen der verschiedenen Rechtsordnungen. Der Grund dieser Verschiedenheiten liege "theils in der Gränzscheidung zwischen Sachenrecht und Obligationen, theils in der Beziehung worin beide Rechtsteile zueinander gedacht werden". Nach einer Untersuchung tritt Savigny für eine strikte Trennung zwischen den beiden Bereichen der Vermögensrechte ein, denn als ;,sicheres Kennzeichen dieser Gränze dient das Daseyn einer in rem oder in personam actio".607 Die Selbständigkeit der beiden Teile des Vermögensrechts dürfe nicht verdunkelt werden, schon das Römische Recht halte "beide streng auseinandel~ und behandelt jeden Theil für sich als ganz unabhängig innerhalb seiner Gränzen" .608 Die gegenteilige Konzeption vernunftrechtlicher Gesetzgebungen qualifiziert Savigny deshalb als "Abirrung".609 604 60; 606 607
60S
9'
Savign)", System I 338.
Sal'ign)", System I 338 f. Sal'igll)", System I 339 f.
Sal'igll)", System I 371 ff. Sal'igll)", System I 374.
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An dieser von Savigny entwickelten Konzeption knüpft das Sachenrecht des BGB, des ZGB610 und dasjenige Liechtensteins an. Daher geht auch die liechtensteinische Sachenrechtskodifikation, die sich auf das engste an diejenige der Schweiz anlehnt, nunmehr davon aus, daß Sachen im Sinne des Gesetzes nur körperliche Gegenstände sein können. Durch Aufhebung aller einschlägig sachenrechtlichen Bestimmungen des früher rezipierten österreichischen ABGB wurde nicht nur der Sachbegriff reduziert: Mit seiner Begrenzung wurde auch der Gegenstandsbereich des Eigentums und auch des Besitzes neu festgelegt, denn die Sache im Rechtssinne und Eigentum sind korrelate Begriffe. Unkörperliche Vermögensobjekte, vor allem Forderungen, sind somit aus dem Begriff des Eigentums im juristischen Sinne ausgeklammert, obwohl sie dem Rechtsträger "gehören". Das ist ein innerer Widerspruch gegenüber dem zuvor geltenden weiten Sach- und Eigentumsbegriff. Dieser zeigt sich auch darin, daß trotz des eingeschränkten Sach- und Eigentumsbegriffs beschränkte dingliche Rechte wie das Nießbrauchs- und Pfandrecht auch an Forderungen zugelassen werden. 611 4. Die vernunftrechtliche Konzeption des Vermögensrechts und die Zession
In Liechtenstein wird die Zession nach den vom österreichischen ABGB rezipierten Bestimmungen geregelt. Es stellt sich die Frage, ob dies nicht zu begrifflichen Widersprüchen zum eingeschränkten Sach- und Eigentumsbegriff führt, weil die Konzeption der Zessionstheorie des ABGB auf dem umfassenden Sachenrecht beruht. Dieses umklammert das gesamte Vermögensrecht, auch die unkörperlichen Sachen. Daher konnte die Zession widerspruchsfrei in dieses System eingefügt werden: als Tradition der vergegenständlichten Forderung. Wie paßt das pandektistisch konzipierte Sachenrecht und das noch teilweise geltende, aus dem ABGB rezipierte vernunft rechtliche Schuldrecht zusammen? Harmonisiert das Zessionsrecht mit dem Sachenrecht, das eine grundlegende Systemänderung bewirkte? Stammen beide doch aus zwei verschiedenen Schichten; lagen doch der naturrechtlich bedingten Systembildung gegenüber der Pandektistik entgegengesetzte Ausgangspunkte zugrunde. Der breiten vernunftrechtlichen Fassung des Herrschaftsobjektes (res) entsprach der naturrechtliche Dominium-Begriff. 609 610
611
Vgl. Wiegand, Numerus c1ausus 631 f. Vgl. Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bd. IV, Systematischer Teil, Rdz 117. Vgl. Dulckeit, Verdinglichung 34ff.
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Anders als das Pandektensystem baut die Systematik des ABGB nicht auf der logischen Trennung der subjektiven Rechte in Sachenrechte und Obligationen auf. Die Grenzziehung verläuft vielmehr zwischen Personen und Sachen. Durch Kant beeinflußt, faßte Zeiller die dinglichen Rechte und das Recht der Schuldverhältnisse unter dem Oberbegriff Sachenrecht - dem umfassenden Vermögensrecht - als einen Teil zusammen. Diesen stellt er dem im ersten Teil geregelten Personenrecht gegenüber. 612 Während bei Savigny sich das Rechtsverhältnis auf zwei mögliche Gegenstände beziehen kann, die "unfreye Natur" (körperliche Sachen) und fremde Personen, ist bei Kant, und ihm folgend Zeiller, lediglich ein Rechtsverhältnis zwischen Menschen möglich. 613 Kant begründete dies, es sei klar, "dass ein Mensch, der auf Erden ganz allein wäre, eigentlich kein äusseres Ding als das Seine haben, oder erwerben könnte; weil zwischen ihm, als Person, und allen äusseren Dingen, als Sachen, es gar kein Verhältnis der Verbindlichkeit giebt. Es giebt also, eigentlich und buchstäblich verstanden, auch kein (direktes) Recht in einer Sache, sondern nur dasjenige wird so genannt, was Jemandem gegen eine Person zukommt, die mit allen Anderen (im bürgerlichen Zustand) im gemeinsamen Besitz ist".614 Daher versteht Kant unter Sachenrecht den Inbegriff aller Gesetze, die das "Mein und Dein" betreffen. 615 Das Mein und Dein umfaßt neben der körperlichen Sache (Substanz) auch die Leistung (Kausalität) eines anderen; Kants Vermögens rechtslehre umfaßt somit körperliche wie unkörperliche Sachen. 616 In Anlehnung an Kant begründete Zeiller nach einer vollkommen anderen Grundlage als das gemeine Recht den Sachbegriffnicht aus dem Vorhandensein einer actio in rem und in personam, sondern aus der Gegensätzlichkeit vernünftiger und vernunftloser Wesen: Nach vernunftrechtlicher Auffassung sind subjektive Rechte "nie gegen Sachen gerichtet; denn zwischen den vernunftlosen und den vernünftigen Wesen gebe es kein Rechtsverhältnis" . Das Vgl. Swoboda, Kant 61. Kant, Metaphysik 44. Kant teilt die verschiedenen "statthaften oder unstatthaften" Beziehungen, weIche sich aus Rechtsverhältnissen ergeben könnten, ein: ,,1. Das rechtliche Verhältnis des Menschen zu Wesen, die weder Recht noch Pflicht haben. Vacat Denn das sind vernunftlose Wesen, die weder uns verbinden, noch von weIchen wir können verbunden werden. 2. Das rechtliche Verhältnis des Menschen zu Wesen, die sowohl Recht als Pflicht haben. Adest Denn es ist ein Verhältnis von Menschen zu Menschen." 614 Kant, Metaphysik 69. 615 Vgl. Kant, Metaphysik 69. 616 Vgl. Kant, Metaphysik 67. 612
613
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subjektive Recht richte sich immer gegen andere Personen, sie von irgend einem Gegenstand auszuschließen oder irgend einen Gegenstand von ihnen zu fordern. Der sozialen Wirklichkeit gerecht werdend, sieht sich Zeiller von dieser Sicht nicht zu einer Trennung zwischen dinglichen und persönlichen Rechten veranlaßt. Die schroffe Teilung zwischen Schuld- und Sachenrecht und deren Selbständigkeit vermeidet er. Zeiller integriert vielmehr beide zu einem gemeinsamen Vermögensrecht, denn er vergegenständlicht die Forderung, die Leistungspflicht des Schuldners. Richtet sich nämlich das subjektive Recht nicht auf einen Gegenstand, der wie bei den Familienrechten die ganze Person des anderen umfaßt, "sondern nur auf einzelne Kräfte und Leistungen desselben. oder vom Menschen ganz verschiedene. vernunftlose Wesen. so nenne man den Gegenstand eine Sache und das darauf sich beziehende Recht ein Sachenrecht". 6 17 Zeiller anerkannte die Möglichkeit einer rechtlichen Beziehung zwischen Mensch und Sache nicht an. Klar stellt daher § 285' ABGB Subjekt und Objekt einander gegenüber: "Alles. was von der Person unterschieden ist. und zum Gebrauche der Menschen dient. wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt." Gschnitzer führt zutreffend aus, daß das ABGB dadurch imstande ist, "die zur Zeit seiner Entstehung nicht vorauszusehende technische Entwicklung juristisch zu erfassen: die Energie - etwa die elektrische Kraft ist genauso Objekt wie die körperliche Sache. Nicht nur das! Die Erkenntnis der modernen Naturwissenschaft, daß die Trennung zwisch;en Materie und Energie unhaltbar ist, ist hier vorweggenommen."618 Schade, daß zu einer Zeit, als die Elektrizität bereits Triumphe feierte, Liechtenstein den körperlichen Sachbegriff aus dem mehr als 100 Jahre jüngeren ZGB übernahm. Gefangen in den begrifflichen Erscheinungsformen der Pandektistik, wirkt das ZGB daher wie auch das BGB schon heute älter als das ABGB, das dank seiner tieferen philosophischen Basis neueren Entwicklungen gerecht wurde. 619 Aus diesem Blickwinkel ist jener Schritt in der liechtensteinischen Rechtsordnung rückschrittlich: Sind doch vermehrt Wirtschaftsgüter, nicht die körperlichen Sachen bestimmende Faktoren des Rechts. Bei einem Unternehmen stellen körperliche Sachen lediglich das Substrat dar: es ist eine aus vielen Sachen, Rechten und tatsächlichen Beziehungen verbundene organi617 Olner, Protokolle Bd. 1,213; Zeiller dehnt natürlich den Sachbegriff in keiner Weise auf Personen aus und lehnt daher auch Kants Begriff eines dinglichen pe,.sönlichen Rechts ab, welches den Ehegatten wechselseitig und den Eltern über Kindern zustehe. Das ist ein klarer Verstoß gegen die ansonsten von Kant so hervorgehobene Menschenwürde, vgl. Swoboda, Kant 64 f. 618 Gschnitzer, JBI 1960,213. 619 Gschnitzer, ÖJZ 1954,467; Gschnitzer, JBl1962, 406.
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satorische Einheit. Für diese Organisation von körperlichen Sachen und Rechten ist im liechtensteinischen wie schweizerischen Recht eine einheitliche dingliche Behandlung grundsätzlich unmöglich, es kennt kein Eigentum am Unternehmen. 620 Anders begegnet das ABG B mit seinem weiten Sachbegriff solchen Rechtsobjekten, es anerkennt Eigentum. 621 Der weite Sachbegriffbringt die in der wirtschaftlichen Realität so wichtigen als "unkörperliche Geschäftswerte" bezeichneten Wertfaktoren mit der Rechtsordnung in Einklang; "so lösen wir uns mehr und mehr vom Körperlichen, das zuerst als einzig Reales erscheinen mochte und zuletzt höchstens die äußere Unterlage abgibt". 622 Grundverschieden von der Regelung des BGB und ZGB ist auch die Besitzdefinition des ABGB dank des weiten Sachbegriffs nicht auf den Sachbesitz beschränkt: Rechtsbesitz - wiederum durch eine Vergeistigung - ist möglich, wie der Besitz Von Forderungen, die dauernder Ausübung fähig sind. 623 5. Relativierung der Trennung von Schuld- und Sachenrecht
Die scharfe Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht und der Numerus clausus der dinglichen Rechte haben den Nachteil, daß zahlreiche Bedürfnisse des Rechtslebens nicht befriedigend geregelt werden können. Im Bereich des ZGB war es erforderlich, Elemente des Obligationen- und Sachenrechts zu verbinden. Ein Beispiel stellen die "Realobligationen"624 dar. Das sind Obligationen, die sich nicht wie die dinglichen Rechte gegen jedermann richten, sondern gegen einen bestimmten Verpflichteten. Sie haben aber zusätzlich eine dingliche Komponente: Die Gläubiger- oder Schuldnerstellung wird durch eine unmittelbare Sachherrschaft, namentlich an einem Grundstück, bestimmt. Mit diesem Rechtsverhältnis ist zusätzlich eine Verpflichtung oder Berechtigung verbunden. Realobligationen kommen häufig bei den Rechtsgemeinschaften 62S vor, insbesondere bei Mit- und Stockwerkseigentum. Ein geordnetes nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis erfordert positive Leistungspflichten zwischen den benachbarten Grundeigentümern. Die Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht erschwert die begrifflich systematische Erfassung dieser juristischen Gebilde. Gewisse CharakteristiVgl. Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bd. IV, Systematischer Teil, Rdz 161 f. Gschnitzer, Sachenrecht 59. 622 Gschnitzer, ÖJZ 1954,467. 623 Gschnitzer, ÖJZ 1954,467. 624 Über die Definition der Realobligation vgl. lost, Realobligation 95. 625 Vgl. die Aufzählung bei Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bd. IV, Systematischer Teil, Rdz 277. 620
621
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ka verweisen sie ins Sachenrecht: die subjektiv-dingliche Anknüpfung der Verpflichtung an ein dingliches Recht; weiters geht die Verpflichtung mit dem dinglichen Recht, an das sie geknüpft ist, über oder unter. Gleichzeitig weisen die Realobligationen ein Merkmal auf, das dem Sachenrecht fremd ist: Positive Leistungs- oder Handlungspflichten sind den dinglichen Rechten als subjektive Rechte unbekannt. 626 Die Ansicht einer scharfen Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht wird in Liechtenstein durch die kodifikatorische Regelung des Treuhandrechts 627 relativiert. Dieser Kodifikation, bei der dogmatische Traditionen abgestreift wurden, liegt ein umgreifendes Vermögensrecht zugrunde. Es zeigt eine seinen Aufgaben gemäße angepaßte Flexibilität, um vermögensrechtliche Zuordnungen interessengerecht zu lösen. Daß diese Kodifikation nicht im Begriffsgegensatz von dinglichen und obligatorischen Rechten gefangen ist, kann wohl damit erklärt werden: das Iiechtensteinische Treuhandrecht richtet sich im Gegensatz zum deutschen, schweizerischen und österreichischen Recht nicht nach der kontinentalen Tradition. Vielmehr beruht diese Kodifikation auf dem Bestreben, Grundsätze des anglo-amerikanischen Trustrechts in die Form einer europäischen Kodifikation zu gießen. 628 Einer der verschiedenen Gründe, wonach die Errichtung von Trusts in den kontinentalen Staaten nicht möglich erscheint, liegt im Numerus clausus der dinglichen Rechte. 629 Dieser erwies sich als notwendig, um die dem Gesetzesverfasser vorschwebende Selbständigkeit des Sachenrechts zu gewährleisten. Dem Eigentumsbegriff des BGB, des ZGB und deshalb auch des liechtensteinischen Sachenrechts schwebt das Verständnis der totalen Sachherrschaft vor. Weil das Eigentum nicht als eine Summe von Befugnissen aufgefaßt wird, bleibt es unteilbar. Dies auch dann, wenn einzelne Befugnisse einem anderen übertragen werden. Dieser wird daher auch nicht Eigentümer, sondern lediglich Inhaber eines jus in re aliena. Dieses beschränkte dingliche Recht ist nur von vorübergehender Art: Nach seiner Aufhebung nimmt das Eigentum, weil es elastisch gestaltet ist, wieder seinen ursprünglichen Zustand an. Dingliche Rechte, die diesen formalen Eigentumsbegriff umgeben, erscheinen als zeitweilige Ausnahmen, die es zu begrenzen galt. 630 Im anglo-amerikanischen Recht bildet hingegen die mögliche Spaltung von Eigentumsrechten 631 die Grundlage des modernen Trusts. Das amerikaVgl. Dimopoulos-Vosikis, AcP 167 (1967) 516. Im 16. Titel des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR) wird in den Art. 897-932 die "Treuhänderschaft" geregelt. Als Art. 932a wurde am 10.4.1928 dem PGR eine Regelung über das "Treuunternehmen" eingefügt. Es umfaßt 170 Paragraphen. 628 Vgl. Straub, Treuhandrecht 26; Coing, Treuhand 237 f. 629 Vgl. Wyler, ZSR 56 (1937) 303. 630 Wiegand, AcP 190 (1990) 117. 626 627
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nische Sachenrecht (law ofproperty) zeichnet sich durch eine unwahrscheinliche Formenvielfalt aus. Facettenreiche Arten des Miteigentums wie auch verschieden bedingte Formen und Beschränkungen des Eigentumsrechts sind zu beobachten. Unscharf ist auch die Unterscheidung dinglicher Rechte (rights in rem) und persönlicher Rechte (rights in personam).632 Die funktionelle Anpassung des englischen Treuhandrechts in Liechtenstein hat das herkömmliche Sachenrechtssystem verändert. Dies läßt sich anschaulich darstellen, indem man gesetzlich fixierte Wertungen - als Beispiel dient die Insolvenz des Treuhänders - im liechtensteinischen PGR mit der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts vergleicht. Das Treugut wird wie nach der ursprünglichen Konzeption des österreichischen Sachenrechts als Einheit von Sachen und Rechten betrachtet. Nach PGR Art. 911 gehören zum Treuhandgut "alle Vermögenswerte, die durch den Treugeber oder kraft Gesetzes hierzu bestimmt sind, wie auch alle durch ihre Verwaltung erworbenen Vermögenswerte". Es gilt das Surrogationsprinzip; zum Treuhandgut gehört daher auch alles, was auf Grund eines zu ihm gehörenden Rechts als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum Treugut gehörenden Gegenstandes erworben wird. Zum Bestand des Treugutes werden auch alle Vermögenswerte gezählt, die mit den Mitteln des Treugutes oder durch ein auf dieses sich beziehendes Rechtsgeschäft erworben werden. 633 Das liechtensteinische Gesetz über die Treuhandschaft konzipiert ein umfassendes Vermögensrecht, das sich aus der Versteinerung überkommener Dogmatik löste. Es überbrückt den hergebrachten Begriffsgegensatz zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten. Daher werden Mißverhältnisse der herkömmlichen Sachenrechtsdogmatik zwischen Funktion und Konstruktion abgebaut. 631 Verschiedene Eigentumsrechte (estates = dingliche Rechte) können gleichzeitig und gemeinsam am Vermögen bestehen. Betrifft die Spaltung der Eigentumsrechte den Rechtstitel (legal title), lassen sich die estates in 2 Hauptgruppen einteilen: 1. In zeitlich begrenzte, die von der Miete, lease bis zum life estate, das Eigentums- und Besitzrecht auf Lebenszeit begründet, reichen. Die lease wird als bewegliches Vermögen betrachtet; obgleich durch Vertrag begründet, überträgt sie ein dingliches Recht, das gegen Dritte wirkt. Bei einem zeitlich begrenzten estates besteht ein remainder, ein "übriggebliebenes" Eigentumsrecht zugunsten eines Dritten: Falls A testamentarisch seiner Ehefrau ein life estate an einem Grundstück einräumt und seine Kinder für den remainder einsetzt. 2. Estates können ihrer Natur oder ihrem Umfange nach beschränkt sein. Weiters bestehen Eigentumsrechte und -anspruch in equity. Der Inhaber der legal title in allen Arten der estate kann, weil er der "Eigentümer" ist, Übereignungen vornehmen. Dabei hat der mit einem equitable interest Begünstigte Anspruch auf den Nutzen (use) an dem Eigentum. Ha)" Amerikanisches Recht 85 ff. m Parker, Privatrecht 49. 633 Art. 911 Abs. 3 PGR.
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Durch die Treuhandurkunde wird die Verfügungsgewalt des Treuhänders dinglich beschränkt. Diese ist maßgebend für die zulässige Verfügungsbefugnis des Treuhänders. Nach Art. 912 Abs. 3 PGR besteht ein Verfolgungsrecht für Sachen und Rechte: "Haben Dritte zum Treugute gehörende Sachen oder Rechte in Kenntnis ihrer Treuhandeigenschaft vom Treuhänder, ohne dass dieser verfügungsberechtigt war, erworben, so kann der TreugdJer, ein Mittreuhänder oder ein Begünstigter oder endlich ein vom Landgericht bestellter Treuhänder, sei es einzeln oder als Streitgenosse mit anderen den Herausgabe- oder den Bereicherungsanspruch zu Gunsten des Treuhandvermögens geltend machen." In Übereinstimmung mit den allgemeinen Zessionsbestimmungen des ABGB hat der Schuldner die Zugehörigkeit einer Forderung zum Treugut erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntnis erhalten hat. 634 Interessant ist, wie das liechtensteinische Recht das Treugut im Insolvenzfall des Treuhänders behandelt. In diesem Fall tritt eine Diskrepanz zwischen dem Eigentum an dem Treugut und dessen wirtschaftlicher Zuordnung ein. Gemäß Art. 915 PGR ist bei der Zwangsvollstreckung und im Konkurs des Treuhänders das Treuhandvermögen als Fremdvermögen zu betrachten und unterliegt nicht dem Zugriff der Gläubiger des Treuhänders. Diese können lediglich in der Höhe der Ersatz- oder Entschädigungsansprüche, die der Treuhänder selber hat, darauf greifen. Vergleicht man diese Wertung mit der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts, tritt deutlich zutage: Diese vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen leiten sich aus der zuvor getroffenen Entscheidung ab, der Eigentumsbegriff sei modifizierbar; in diesem Zusamenhang ist das die wichtige Feststellung. Damit wird eine tragende Stütze des autonomen Sachenrechts, der Numerus c1ausus der dinglichen Rechte, angesägt. Obgleich das liechtensteinische und schweizerische Sachenrecht nur in Nebenbestimmungen voneinander abweichen, vertritt das Schweizerische Bundesgericht eine gegensätzliche Position. In einer Entscheidung, welche die treuhänderische Übertragung eines Grundstücks betrifft, bezog das Bundesgericht Stellung, ob Treuhandgut zum Vermögen des Gemeinschuldners gehört oder nicht. Bemüht, dogmatische Positionen nicht aufzugeben, schließt das Bundesgericht eine Sonderbehandlung des Eigentumsbegriffs aus. Denn bei der Abgrenzung des dem Art. 197 Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes "zu Grunde liegenden Vermögensbegriffs bedarf es eines scharfen und objektiven Kriteriums; ein solches aber kann, soweit körperliche Sachen in Betracht kommen, nur dadurch gewonnen werden, daß auf den absoluten Begriff des Eigentums, im eigentlichen (juristischen') Sinn des Wortes abgestellt wird".635 634
Art. 912 Abs. 4 PGR.
XII. Liechtenstein
139
Gegenteilig hatte in erster Instanz das Zürcher Obergericht entschieden, das sich zur Bekräftigung seiner Argumentation auf ein Urteil des deutschen Reichsgerichts berief: "Die Liegenschaften gehören formell und juristisch, aber nicht materiell und wirtschaftlich zum Vermögen des Betreibungsschuldners. Aus diesem Gesichtspunkt hat in einem dem vorliegenden ganz analogen Falle das Reichsgericht einen Aussonderungsanspruch an Liegenschaften geschützt (R-G. Bd. 45 p. 84 ff.)."636 Das Bundesgericht ist aber überzeugt, daß nur ein einheitlicher Eigentumsbegriffund der daraus folgende Numerus clausus der Sachenrechte ein funktionsfähiges Vermögensrecht ermöglicht und garantiert. 637 Entschieden lehnt das Bundesgericht daher Differenzierungen der Übertragungswirkungen ab. Das Eigentum könne nicht in ein solches "nach außen" und in ein solches "nach innen" zerfallen. Desgleichen sei die Konstruktion materielles und wirtschaftliches Eigentum zu verwerfen. 638 Da ansonsten Grundpositionen des Sachenrechtssystems einbrechen würden, wird diese Begründung von der Literatur weitgehend gebilligt; eine Spaltung des Eigentums fande im Gesetz keinerlei Handhabe, ja wäre unvereinbar "mit dem kontinentalen Verständnis des Eigentums als dem Inbegriff aller Rechte an einer Sache". 639 Das Bundesgericht hat seine Auffassung nicht mehr geändert. 64o Liechtenstein hat mit der Anerkennung des Treuguts als Fremdvermögen den Numerus clausus der Sachenrechte durchbrochen und vertritt somit gegenüber der schweizerischen Rechtsprechung eine entgegengesetzte Position. Das Treuhandrecht ist ein Beispiel, das die überkommene Vorstellung der Trennung von Schuld- und Sachenrecht ausgehöhlt hat, obgleich formale Begriffe wie Eigentum oder Numerus clausus weiterhin hochgehalten werden. Liechtenstein hat sich aber im Gegensatz zur Schweiz nicht am traditionellen Sachenrechtssystem und Typenzwang festgehalten. Es hat dadurch neue Rechtsinstitute ermöglicht; erfreulicherweise stimmt das dogmatische BGE 31 11 810. Blätter für Zürcherische Rechtsprechung 5 (1906) 274. In der verwiesenen Entscheidung stellte das Reichsgericht Grundsätze der Behandlung von Treuhandeigentum auf. Diese entwickelten sich in Deutschland zur festen Rechtsprechung und wurden vom BGH übernommen. Das Reichsgericht entschied, damit ein Gegenstand ausgesondert werden könne, müsse zu dem formalen Eigentum zusätzlich die Möglichkeit bestehen, daß der Gemeinschuldner über den Gegenstand auch wirtschaftlich wie ein Eigentümer verfügen dürfe. Bei der fiduziarischen Zuwendung gehörten dem Gemeinschuldner die zugewendeten Gegenstände zwar "formell und juristisch", aber nicht materiell und wirtschaftlich", RGZ 45, 85. Das Aussonderungsrecht wird allerdings auf die echte fiduziarische Rechtsübertragung beschränkt. Wie bei der römischen Fiduzia ist es notwendig, daß der Treugeber das Treugut unmittelbar an den Treuhänder übertragen hatte, Coing, Treuhand 44f. 637 Wiegand, Treuhandrecht 572. 638 BGE 39 11 810. 639 Nickel, Eigentum 91. 640 Wiegand, Treuhandrecht 568 f.; ders., AcP 190 (1990) 126ff. 631
636
140
Teil 1, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Instrumentarium auch mit einer Realität überein, die ohnehin in anderen Ländern auch gegeben ist. 641 6. Der" weite Sachbegriff', die Rechtszuständigkeit
und das Abtretungsverbot
Im Gegensatz zum schweizerischen und deutschen Recht ist im österreichischen Recht durch die Legaldefinition des § 353 ABGB Eigentum auf unkörperliche Sachen ausgedehnt. Auch aus dieser Bestimmung geht hervor, daß die Forderung nicht nur Leistungsbeziehung, sondern auch verkehrsfähiger Vermögensbestandteil ist; die Parallele zur sachenrechtlichen Zuordnung körperlicher Sachen ist offenbar. Für die liechtensteinische Rechtsordnung stellt sich die Frage, welche Differenzen sich zu den aus der österreichischen Rechtsordnung rezipierten Zessionsbestimmungen durch Übernahme des körperlichen Sachbegriffs ergeben. Trotz verschiedener philosophischer Fundamente begann die Angleichung der vernunft rechtlichen Vermögenssystematik des ABGB an die romanistische schon durch U nger im Zuge seiner pandektistischen Interpretation des österreichischen Rechts. Er teilte Schuld- und Sachenrecht,642 vertrat einen körperlichen Sachbegriff6 43 und verwarf den Begriff Eigentum an Forderungen. 644 Weil doch "mitten in der Lehre vom Eigentum im technischen Sinn" von Schuldforderungen die Rede sei, sieht Unger auch keine Berechtigung des § 427 ABGB für die Zession. Zeillers sachenrechtliche Konstruktion der Abtretung wird abgelehnt, der Zessionsakt als Abtretungsvertrag qualifiziert. 645 Diese Anschauung hat sich durchgesetzt. Heute wird trotz der Fassung des § 353 ABGB, der körperliche und unkörperliche Sachen gleichrangig erwähnt, zwischen einem Eigentum im engeren Sinne, das die körperlichen Sachen umfaßt, und einem Eigentum im weiteren Sinne unterschieden. Schon Jahre vor der Rezeption der schweizerischen Sachenrechtskodifikation in Liechtenstein wurde in Österreich gelehrt, das Wort Eigentum bei unkörperlichen Sachen sei nur "im vulgären Sinne gemeint und soll nur die Herrschaft des Subjekts eines Vermögensrechtes über dieses bezeichnen". Stubenrauch bekräftigt sein Argument: "Auch das bürgerliche Gesetzbuchfür das Deutsche Reich kennt ein Eigentum nur an körperlichen Sachen (§§ 90 und 641 642 643 644 645
Vgl. Wiegand, Treuhandrecht 588 ff. Unger, System I 380 f. Unger, System I 358 ff. Unger, System I 524 f. Unger, System, Bd. 11 205 f. Anm. 15.
XII. Liechtenstein
141
903). "646 Liechtenstein lag im Trend der Zeit, als es den körperlichen Sachbegriff des schweizerischen ZGB übernahm.
Eigentum im weiteren, also im Sinne des § 353 ABGB, dient heute als Umschreibung der Rechtszuständigkeit. 647 Besteht noch ein Unterschied zu den Rechtsordnungen, die den körperlichen Sachbegriff vertreten? Wird inhaltlich der Begriff subjektives Recht als "Willensherrschaft" , "Herrschaftsmacht" beschrieben, kann allgemein von einer "rechtlichen Erlaubnis eines Subjekts, rechtlich zurechenbar zu handeln", gesprochen werden. Die Merkmale dieser Begriffsbestimmung treffen auf Forderungsrechte und Sachenrechte gleichermaßen zu. Auch werden beide von der objektiven Rechtsordnung einem Rechtsträger zugeordnet; dadurch wird die Zuständigkeit des Subjekts begründet. Der Gesetzgeber hat dem Gläubiger mit dem Forderungrecht die Geltendmachung der Verpflichtung - er kann von einem anderen eine bestimmte Leistung verlangen - unmittelbar zugeordnet. Mehr noch, wie die Zessionsregeln bezeugen. Durch diese hat der Gläubiger eine die Geltendmachung übersteigende Herrschaftsmacht vom Gesetzgeber zugesprochen bekommen; das Interesse des Gläubigers wird zusätzlich als vermögenswertes Rechtsgut gewertet, weil die Forderung gleich den körperlichen Sachen Gegenstand des Vermögensverkehrs ist. Wie die körperlichen Sachen unterliegen auch die unkörperlichen Gegenstände der Herrschaftsmacht des Rechtssubjekts, dem sie zugeordnet sind. Die Verfügung über das Forderungsrecht, die Abtretung, ist von der Ausübung oder Geltendmachung der durch das jeweilige Recht verliehenen Befugnis zu unterscheiden. Diese Verfügung liegt auf einer anderen, höheren Stufe. Bei körperlichen Sachen wird diese Herrschaftsmacht als Eigentum definiert. Dem BGB und ZGB ist durch ihren beschränkten Sachbegriffaber Eigentum als einheitlicher, auch die Herrschaftsmacht über unkörperliche Gegenstände umfassender Oberbegrifffür die Beziehung des Rechtsinhabers zu seinem Recht verwehrt. 648 Diese Beziehung können sie nicht wie im Bereich des ABGB mit dem weiten Eigentumsbegriff beschreiben, sondern gebrauchen den Ausdruck "Rechtszuständigkeit" oder "Rechtsinhaberschaft". Dieser Terminus hat auch Eingang in das österreichische Recht gefunden. Das Eigentum im weiteren Sinne hat sich zur Rechtszuständigkeit gewandelt. Überhaupt wurden die großen Unterschiede in der Regelung des 646 Stubenrauch, Commentar § 354 Anm.2. Auch Klang meint, es entspreche "dem Standpunkte moderner Gesetze", daß man unter Eigentum im engeren Sinne nur jenes über körperliche Sachen verstehe und verweist auf die §§ 90 und 903 BGB und Art. 641 ZGB, Kommentar Bd. 2 131. 647 Vgl. Spielbüchler, § 353 ABGB Rdz I, § 345 ABGB Rdz I, Klang, Kommentar Bd. 2 131. 648 Vgl. Fabricius, AcP 162 (1963) 471 ff.
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Teil 1, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
Sachbegriffs und Zessionsrechts im Zuge der pandektistischen Interpretation zwischen der schweizerischen und österreich ischen Rechtsordnung eingeebnet. Daher ist erklärlich, daß zwei auf so unterschiedlicher Basis entstandene Rechtsordnungen wie die österreichische und schweizerische in Liechtenstein zusammengefügt werden konnten und die bestehende Kluft dogmatisch überwindbar war, obwohl der Rechtsanwendung diese Übergänge Schwierigkeiten bereiten. Es ist beinahe zwangsläufig, daß in Liechtenstein gleich wie in Deutschland, der Schweiz und Österreich das Relikt aufrechterhalten wird, dem Abtretungsverbot absolute Wirksamkeit zu verleihen. 649 Dies steht, wie in den anderen Rechtsordnungen, im Widerspruch zur Regelung von Veräußerungsverboten körperlicher Sachen. Wie das schweizerische ZGB enthält das liechtensteinische Sachenrecht keine allgemeinen Bestimmungen über Verfügungsverbote und Verfügungsbeschränkungen. Nach den Art. 63-66 SR besteht die Möglichkeit, das Verfügungsrecht durch Vereinbarung eines Vorkaufs-, Rückkaufs- oder Kaufrechts zu beschränken. Die obligatorische Wirkung kann durch Vormerkung im Grundbuch dinglich verstärkt werden. Durch diese unterschiedliche Wertung zwischen Abtretungsverbot und Veräußerungsverbot körperlicher Sachen wird deutlich, daß Forderungsrechte, weil sie nicht als Sachen angesehen werden, nicht mit den körperlichen Gegenständen unter einem gemeinsamen Vermögensrecht erfaßt werden. Ansonsten müßten für diese in gleiche Richtung zielenden vertraglichen Vereinbarungen gleiche Grundsätze angewendet werden. Mit Ausnahme des Treuhandrechts beruht die liechtensteinische Konzeption auf der gemeinrechtlichen Doktrin, die nicht bei dem gemeinsamen Oberbegriff "Vermögens recht" ansetzt. Erst auf einer darunterliegenden Stufe werden die Vermögensrechte Eigentum und Forderungsrecht getrennt geregelt. Dadurch sind solche auseinanderfallenden Ergebnisse erst begründ bar. In Liechtenstein wurde dem aus der vernunftrechtlichen Periode stammenden Gesetz ein von der Begrifflichkeit des rechtswissenschaftlichen Positivismus geprägtes pandektistisches Gesetz650 beigefügt. Daß die auf einem anderen philosophischen F].lndament aufbauende sachenrechtliche Kodifikation hinreichend auf den in Geltung verbliebenen Teil der Privatrechtsordnung abgestimmt erscheint und diese deshalb im prinzipiellen als etwas Ganzheitliches empfunden wird, ist auf die Pandektenwissenschaft zurückzuführen. Als "Repräsentant der europäischen Rechtswissenschaft"651 drang sie im 19. Jahrhundert auch in Gebiete kodifizierten Rechts ein. Die Dogmatik des aus der naturrechtlichen Periode stammenden ABGB wurde pandektisiert; romanistische Denkformen drangen im 19. Jahrhun649 650 651
Nach Auskunft (26.4.89) vom Präsidenten des FLOGH, Kohlegger. Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte 491. Koschaker, Krise 36.
XIII. Ausblick
143
dert auch in die Schweiz. Der Siegeszug der deutschen Pandektistik bewirkte, daß trotz verschiedener Rechtsbegriffe zwischen ABGB und ZGB prinzipielle Übereinstimmung über deren Inhalt herrscht. Dies kommt Liechtenstein zugute. XIII. Ausblick
Die Lösung der Frage nach der Wirkung des Abtretungsverbots, die sich im wesentlichen auf die tradierte Zweiteilung des Vermögensrechts in Schuld- und Sachenrecht stützt, wird m. E. einer aufgaben- und zweckbezogenen Betrachtung nicht gerecht. Diese traditionelle Dichotomie steht einem zeitgemäßen Vermögensrecht im Wege. Um diese überkommenen Ansichten an neuen Kriterien auszurichten, kann die "Property Rights Lehre"652 wichtige Unterstützung bieten. Sie stellt sich die normative Frage, wie eine Eigentumsordnung beschaffen sein sollte, um optimale gesamtwirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen. 653 Bemerkenswert ist, daß die "Property Rights" von der gleichen Feststellung ausgeht wie das von Kant und Zeiller konzipierte vernunftrechtliche Vermögensrecht, das dem ABGB zugrunde liegt: Eigentum an einer Sache sei nicht die Rechtsherrschaft von Menschen über Sachen, sondern ein Verhältnis zwischen Menschen. Denn "in der Welt von Robinson Crusoe spielen Eigentumsrechte keine Rolle" .654 Aus der Sicht der Economic Analysis ofLaw kommt dem Rechtsschutz vor allem die Funktion zu, die Nutzung der Güter zu steigern. 655 Unter Gütern werden nicht nur körperliche Sachen, sondern alle knappen Güter verstanden, namentlich auch immaterielle, unkörperliche Sachen. 656 Eine effiziente Rechtsgüternutzung soll erreicht werden, indem ein Recht einem Rechtssubjekt zugewiesen wird und andere davon ausgeschlossen werden. Die Gewährung eines ausschließlichen Nutzungsrechtes wird rechtspolitisch für erforderlich erachtet, weil es zu einer ökonomisch freien Betätigung notwendig ist. Eigentumsbildung ist die Reaktion auf knappe ökonomische Ressourcen. Auf der Ebene des Konsums kann sich keine effiziente Produktionsstruktur bilden, wenn sich wie bei den Jägern und Sammlern jeder nehmen kann was er will; dies muß durch ein Ausschlußrecht eingeschränkt werden. Die Produktionsebene wiederum ist auf Ausschlußrechte (Patente) angewie652 Vgl. Gäfgen, Property Rights 43; Kirchner, ZHR 144 (1980) 563. Die "Theorie des Eigentums" - theory of property rights - ist Teil der "ökonomischen Theorie des Rechts". Sie wurde in den USA entwickelt. 653 Gotthold, ZHR 144 (1980) 546. 654 Demsetz, zit. nach Gotthold, ZHR 144 (1980) 546 Anm. 5. 655 Mayer-Maly, Eigentum 26. 656 Gottho/d, ZHR 144 (1980) 547.
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Teil I, B. Verflechtung verschiedener Rechtsordnungen
sen, weil durch den Schutz der Innovationen (Patente) ein effizienter Forschungsbetrieb gewährleistet ist; erfordert dieser doch Kapital und Risiko. Ohne Ausschlußrechte droht bei knapper werdenden Ressourcen Überbeanspruchung, wie das übermäßige Fällen von Holz in tropischen Ländern oder bei uns die Luftverschmutzung zeigt. Dies kommt daher, weil die sozialen Kosten, weIche die Betroffenen zu tragen haben, nicht den Verursachern aufgebürdet werden. Dem Recht kommt daher die Aufgabe zu, privaten und sozialen Nutzen wie auch private und soziale Kosten einander anzugleichen. Dies soll über den Markt erfolgen, der aber nur möglich ist, wenn diese zugewiesenen Rechte auch genutzt, beliehen und übertragen werden können. 657 Dem kommt eine Struktur vermögensrechtlicher Zuordnung entgegen, die von einem umgreifenden Vermögensrecht ausgeht. Der Begriffsgegensatz von dinglichen und relativen Rechten erfüllt diese Anforderungen nicht. Es ist ein System verlangt, weIches die anfallenden Aufgaben flexibel löst. Handlungen richten sich auf die Nutzung bestimmter Eigenschaften von Gegenständen, von Rechtsgütern. Innerhalb gewisser Grenzen genießen diese Rechtsschutz und müssen vom Berechtigten durchsetzbar sein. Dieser Schutzumfang bildet die Grundlage, sich ein Rechtsgut als Gegenstand vorzustellen. Der Schutzumfang entspricht bei körperlichen Sachen den räumlichen Grenzen, bei Forderungen der Berechtigung, von einer Person Zins und Tilgung in bestimmter Höhe zu verlangen. Gegenstand eines Rechts, einer Forderung ist der potentielle Nutzen, aufweIchen der Inhaber Aussicht hat. 658 Dieser Schutzumfang ist der Rahmen für die Beleihung, Nutzung und Veräußerung dieser Rechtsgegenstände. Die Bausteine der Property Rights könnten den Anstoß liefern, das Vermögensrecht vom Systemdualismus dinglicher und obligatorischer Rechtsposition zu befreien und einem umfassenden Vermögensrecht den Weg zu bahnen. In diesem Licht betrachtet kämem. E. die Rechtsprechung auch in der Frage des Abtretungsverbots zu anderen Wertungen. Wirkungszusammenhänge rechtlicher Institutionen lassen sich durch die Konzeption der Property Rights besser erklären; das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge könnte in der juristischen Praxis präziser verwertet werden. Diese wäre in der Lage, den vermehrten ökonomischen Aufgaben entgegenzutreten, ohne die vielfältigen anderen Herausforderungen des Rechts zu vernachlässigen. 659
657 658
659
Walz, KritV 1980, 148 ff. Walz, KritV 1980, 151. Vgl. Kühler, Property Rights 121 f.
TEIL 2
Politische Absicht und rechtstheoretisches Programm der Historischen Schule und der Grund für die Ablehnung der Kodifikationen durch Savigny I. Einwirkung der Pandektistik auf das Recht der Schweiz und Österreichs Thibaut wollte mit seiner Schrift "Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland" (1814) der politischen Idee von der Freiheit und Einheit der deutschen Nation durch seine Forderung einer allgemeinen deutschen Kodifikation Nachdruck verleihen. Savigny war dagegen, was er in seiner berühmt gewordenen Gegenschrift "Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" zum Ausdruck brachte. Nicht mehr Vernunft und Kodifikation, sondern Geschichtlichkeit und Volksgeist umschrieben fortan das bestimmende Programm. l Diese starke Betonung des Historismus bewirkte ein Auseinandergehen von Theorie und Praxis. "Dieser Gegensatz zwischen dem akademischen Rechtsunterricht und den Anliegen der partikularrechtlichen Rechtspflege wirkt bis in die Gegenwart hinein. Letztlich beruhen heute die maßgebenden Standortbestimmungen der Rechtswissenschaft immer noch weitgehend auf dem Savignyschen Wissenschafts bild. Savignys erklärter Kampf gegen das als traditionsfeindlich, unkritisch und unhistorisch bezeichnete Naturrecht hat die Rechtswissenschaft in eine andauernde Isolation geführt. "2 Im folgenden versuche ich die Ursachen zu ergründen, die Savigny bewogen, die naturrechtlichen Kodifikationen so vehement zu verurteilen. Im "Beruf' wie im "System" schuf er die programmatischen und dogmatischen Grundlagen zur Um interpretation des Sach- und somit auch des Forderungsbegriffs. Der Führungsanspruch der Romanistik setzte sich in dieser Beziehung sowohl in Österreich als auch in der Schweiz durch. Hatte Bluntschli den objektiven Gehalt 3 der Forderung betont und sich bewußt von der römischrechtlichen Ansicht distanziert, so wurde seine I 2 3
Vgl. Schlosser, Privatrechtsgeschichte 119 f. Schlosser, Privatrechtsgeschichte 126. Bluntschli, Privatrecht Bd. 2, 3.
10 Hoop
146
Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
Auffassung dennoch von Savignys Einfluß überrollt. Auf ihn verweist die zeitgenössische Literatur nach wie vor: Der schweizerische Sachbegriff des ZGB umfaßt - "entsprechend der gemeinrechtlichen Lehre (vgl. z. B. Savigny, System des heutigen römischen Rechts [1840] I 338 ff.) - nur die körperlich greifbaren Güter (so noch expressis verbis die ersten unpublizierten Entwürfe Eugen Hubers zum Sachenrecht)".4
Im "System" hat Savigny die Grundlagen des justinianischen Rechts dargestellt. Dabei stützte er sich nicht auf das gemeine Pandektenrecht seiner Gegenwart; das von der Wissenschaft und Praxis seit der Rezeption neu hinzugefügte Recht berücksichtigte er nicht. Dies, obgleich Savigny sich der Tatsache bewußt war, daß die ursprünglichen römischen Rechtsansichten durch geschichtliche Entwicklungen überholt waren. Er wollte das vom Naturrecht entwickelte System subjektiver Rechte und Pflichten mit dem Aktionssystem des römischen Rechts verknüpfen. Das mehrbändige Werk ist denn auch von einer zunehmenden Formalisierung der Begriffe geprägt, die den historischen Sinn vermissen lassen. Entgegenstehende Gesichtspunkte werden kaum verarbeitet. 5 Zeitlich nur früher - das zürcherische Gesetzbuch war eben erst in Kraft getreten -, setzte in Österreich auf interpretativem Wege die gleiche Entwicklung des Sach- und damit des Forderungsbegriffs ein. Unger, der das ABGB vor das Forum der Pandektenwissenschaft zog und es nach deren Kriterien beurteilte, polemisierte in seinem 1856 erschienenen "System" über den Sachbegriff des § 285 ABGB:6 Diese Definition sei wenig befriedigend, weil auch Sonne, Mond und Sterne dem Gebrauch der Menschen dienen und dennoch nicht Sachen im juristischen Sinne seien. Auch U nger berief sich zur Abstützung dieser Meinung auf Savigny: "Über die fehlerhafte Definition des österreich ischen Gesetzbuchs vgl. insbesondere auch Savign)'. Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung. 3. Auj7. 1840 S. 99. "7 In dieser Schrift bezichtigte Savigny die Naturrechtsschule "gänzlicher Nullität".8 In (bewußter) Verkennung des vernunft recht lichen Aufbaus urteilt er daher an von Unger zitierter Stelle, daß die Unterscheidung von 4 Meier-Hayoz, Berner Kommentar. Bd. IV. Systematischer Teil. Rdz 117 (1981): vgl. die Meinung von Gmür, Rechtsgeschichte 3 Rdz 8. daß die wissenschaftliche Bewegung der Historischen Rechtsschule bis in die Gegenwart nachwirke: ebenso meint Larell=. Methodenlehre 7, daß wir uns noch in der von Savigny eingeleiteten Epoche der Rechtswissenschaft befänden. - Beispielsweise wird Savigny in Fragen der Gesetzesauslegung in der schweizerischen Literatur nach wie vor herangezogen: Meie1~Ha)'o=. Einleitungsband des Berner Kommentars N 179 ff.; Deschenaux, Einleitungstitel86 Anm. 56; Liver, Wille 6, 7, 11; ders., ZBJV 91 (1955) 1 ff., 34, 35. ; Wolf, Rechtsdenker 518. 6 Unger, System Bd. 1, 355. 7 Unger, System Bd. 1,355 Anm. 9. 8 Savigny, Beruf 126.
I. Einwirkung der Pandektistik
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Personen- und Sachenrecht "weder auf Römische, noch auf irgendeine andere Weise bestimmt gedacht" ist. Der Begriff Sache sei in dieser Allgemeinheit unbrauchbar. 9 Nachdem im überwiegenden Gebiet der Schweiz, in Österreich und im deutschen Rechtsbrauch die Forderung als Relation und Gegenstand angesehen wurde: Warum wurde diese Rechtsentwicklung übergangen und als rechtliches Vorbild der Text des Justinianischen Corpus Juris herangezogen?IO Damit in Zusammenhang steht die Frage nach der Trennung zwischen Romanisten und Germanisten. 1. Gründe des Einflusses in Österreich
Für Österreich läßt sich diese Entwicklung als erste Stufe unter Berücksichtigung der geistigen, politischen und gesellschaftlichen Situation im Vormärz erklären. Unger, der die Neuorientierung der österreich ischen Zivilrechtswissenschaft wesentlich gestaltete, wurde durch Minister Thun gefördert. 11 "Als Repräsentant der absterbenden spätfeudalen Gesellschaft verurteilte Thun das juristische Studiensystem des Vormärz, das der Rechtsphilosophie (Naturrecht) den ersten Rang eingeräumt hatte, als eine Vorschule der Revolution und des Liberalismus". Die historischen Rechtsfächer sollten eine "konservative Grundhaltung der neuen österreichischen Juristengeneration garantieren ... " 12 Die Pandektisierung der österreich ischen Zivilistik ist daher im Lichte außerrechtlicher Begleitumstände zu sehen. Diese treten in Form von rechtspolitischen Absichten deutlich zutage. Für Thun waren die historischen Rechtsdisziplinen "keine neutralen Wissenschaften, sondern durch und durch politische, die zur Erhaltung des herrschenden Gesellschaftssystems 13 einen ideologischen Beitrag leisten sollten".14 Die Uminterpretation des Sachbegriffs bekräftigte Unger mit der Autorität Savignys. Dieser verurteilte die österreichische Bestimmung als "fehlerhafte Definition". Beide trifft daher die Kritik des (bewußten) mangelnden Verständnisses der vernunftrechtlichen Grundlagen des ABGB, weil sie ihm 9
Sal'ign)', Beruf 99.
Nach Coing, Jus 1979,88 Anm. 19 bedarf das Verhältnis von Savignys Lehren zur Rechtswissenschaft der unmittelbar vorhergehenden Epoche noch der Klärung; vgl. zu dieser Frage Rammen, Bedeutung, 17. 11 Vgl. oben Anm. 182 ff. 1, Oberkoj7er, Studien 124. 13 Savigny lehrte, daß man in der Wissenschaft aufgrund innerer Zusammenhänge »so wenig Revolutionen als möglich" annehmen sollte, Methodenlehre 53. 14 Oberkoj7er, Studien 124. 10
10*
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
die pandektistische Begriffswelt überstülpten und das Gesetz aus dieser Sicht beurteilten. Oder Unger erfüllte bewußt die in ihn gesetzte Erwartung, als erster "der historischen Behandlung des österreich ischen Civilrechts im Inland Bahn zu brechen", wie es im Ernennungsantrag Thuns an den Kaiser hieß. Dies sei um so wichtiger, als die vernunftrechtliche "Anschauung des Rechtes mit den revolutionären Ideen der Gegenwart in enger Verbindung steht"Y Mit welcher Methode wurde die romanistische Dogmatik dem ABGB unterstellt und die natürlichen Rechtsgrundsätze zur Bedeutungslosigkeit degradiert? Die Rechtsanalogie sei "vollkommen ausreichend, umjeden sich ergebenden Fall im Geiste des bestehenden Rechts (sc Romanistik) zu lösen, und in der Aufstellung des Naturrechts im § 7 des bürgerlichen Gesetzbuches ist nichts anderes als die Befriedigung eines rein theoretischen Dranges der Verfasser des bürgerlichen Gesetzbuches zu sehen".16 2. Gründe des Einflusses in der Schweiz In der Schweiz wurzelten die wissenschaftlichen Gründe der Kodifikationsgegner in der Rechtsauffassung der Historischen Schule. Mittelbar waren auch bei ihnen politische Motive maßgebend. Kampfpositionen waren zentralistische oder föderalistische Strukturen in ihrer staatspolitischen Bedeutung. Für viele Eidgenossen bedeutete der Verzicht der kantonalen privatrechtlichen Gesetzgebung zugunsten des Bundes die Aufhebung der kantonalen Autonomie. Sie fürchteten um die Souveränität. 17 Zu dem Kreise wissenschaftlicher Kodifikationsgegner von 1874 gehörte Johannes Schnell, ein Mann von konservativer Haltung. Er und seine Mitarbeiter von der Zeitschrift für schweizerisches Recht waren entschieden der Volksgeistlehre verhaftet. 18
3. Die Erll'erbsgesellschaft
Die bürgerlich-liberale Erwerbsgesellschaft wiederum stellte das von der Historischen Schule vertretene römische Recht in ihre Dienste, das somit zur Waffe des wirtschaftlichen Liberalismus wurde. Die Produktionsmethoden der industriellen Revolution verdrängten allmählich die altständische Sozial- und Wirtschaftsverfassung. Dem Bürgertum kam das individuelle Recht der römischen Quellen entgegen, sicherte es ihnen doch Vertrags- und 15
16 17
18
Ernennungsantrag abgedruckt bei Lell1ze, Graf Thun 207 ff. Unger, System I 71. . Liver, ZSR 80 (1961) 202 f. Liver, ZSR 80 (1961) 203,207.
I. Einwirkung der Pandektistik
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Verkehrsfreiheit. Als entscheidendes Ordnungselement ökonomischer Struktur legte es Wert auf das unumschränkte Eigentum. Dieses liberale Verkehrsrecht war für eine Gesellschaft konzipiert, die mit formaler Gleichheit der Bürger, der Freiheit des Eigentums und der Verträge zufrieden war, ohne auf demokratischen Mitspracherechten zu bestehen. Weil die Bürger aber in ihrer sozialen Stellung ungleich waren, führte die formale Gleichbehandlung von sozial Ungleichen zu Ungerechtigkeiten. Auf dem Gebiet des Arbeits-, Handels- und Wirtschafts rechts war das Pandektenrecht unzeitgemäß und versagte. 19 Die Theorie der Historischen Rechtsschule war somit wandlungsfähig, vielseitig einsetzbar; nachfolgende Generationen konnten sich je nach Ideologie auf Savigny berufen. 20 4. Die Begleitumstände In der Philosophie und den anderen Geisteswissenschaften breitete sich im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert eine geschichtsphilosophische Auffassung aus. Neben Historismus, klassischer Philologie und deutscher Klassik wurde auch das Recht von einer romantischen Geistesphase erfaßt. 21 Gestärkt wurde diese Geistesbewegung durch den Schlag gegen die französische Revolution; Napoleon hatte sich nicht als der ideale Weltkaiser, sondern als Vergewaltiger von Recht, Staaten und Völkern erwiesen. Die Gleichheit vor dem Gesetz war zwar gegeben, nur die Freiheit war verloren. 22 Auch andere Wurzeln sind durch diesen geistigen Gegenschlag gestärkt worden: Schon 50 Jahre früher hatte das deutsche Nationalbewußtsein starke Impulse erfahren. Frei von territorialstaatlichen Fesseln wollte es als deutsche geschichtliche, volksmäßige, sprachliche und gesittungsmäßige Einheit aufgefaßt werden. 23 Nicht mehr wie in der Aufklärung und im Rationalismus sollten naturhafte Gemeinschaften atomisiert werden, sondern das Volk sollte als ursprüngliche, individuelle Einheit erfaßt werden. Herder erkannte das Volkstum und seinen Ausdruck in Psyche, Sprache und Sitte. Denn nicht in der abstrakten Vernunft, sondern in der Seele der Völker sei der Ursprung von Wissenschaft und Mythos. 24 19 VgJ. Dahm, Deutsches Recht, 153; Schlosser, Privatrechtsgeschichte 130 f.; Wesei, Rechtswissenschaft 19; ders., Frühformen 13 f. 10 VgJ. Caroni, Bemerkungen 122. 11 VgJ. Dahm, Deutsches Recht 147. 11 Srbik, Humanismus 168. 13 Srbik, Humanismus 164. l' Dahm, Deutsches Recht 146.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
Kräftigung erfuhr auch die Meinung, daß das Leben als Geschichte, die Geschichte als Leben aufzufassen sei: Die historische Schau wurde durch Montesquieu, Voltaire und Burke geweckt. Der Glaube an die Allmacht der Ratio erfuhr eine Gegentendenz. Gegen Teleologie und Verkennen der irrationalen Lebenskräfte wurde vorgegangen. Das Zeitalter der Romantik stellte das Unbewußte und naturhaft Gewachsene der spekulativen Verstandestätigkeit gegenüber. Unter Beihilfe dieser neuen Geistesbewegung, gepaart mit dem zu dieser Zeit herrschenden Leid, materiellem und seelischem Elend wurde der Kontinent wieder der vorrevolutionären Ordnung zugeführt. 25
11. Savigny und die Gründung der Historischen Schule
Der eigentliche Begründer der historisch orientierten Zivilrechts wissenschaft, Gustav Hugo (1764-1844)26 ließ in seinem Lehrbuch des Naturrechts (1799) die Abwendung vom in der vorangegangenen Epoche gelehrten Ideal erkennen: Der Rechtscharakter der Sklaverei könne damit begründet werden, weil sie ja über tausende von Jahren rechtens war, und das bei Millionen kultivierter Menschen. 27 Der Begründer der Historischen Schule ist Friedrich
C~rl
von Savigny
(1779-1861). Bald nach deren Gründung verschwindet das Naturrecht vpn
den deutschen Universitäten. 28 Dabei wurde es weniger bekämpft als vielmehr einfach totgeschwiegen. 29 Erstaunlich an dem Aufblühen des römischen Rechts ist, daß die vorangegangene Zeit eher von dessen offenbarem Niedergang kündigte. Die Ursachen lagen im Niedergang des Reichs; auch zog das Naturrecht die besten Köpfe an. Um so merkwürdiger, als sich diese Faktoren zur Gründungszeit der Historischen Schule noch gesteigert hatten: Das Heilige Römische Reich war 1806 zusammengebrochen, das Reichskammergericht wurde im gleichen Jahr aufgehoben; der Deutsche Bund verdrängte das Reichsrecht anstelle der in den souveränen Territorien geltenden Landesrechte, Preußen und Österreich führten Kodifikationen ein. Savigny und seine Gefolgschaft hatte trotzdem Erfolg. 30
25 26 27
28 29 30
Srbik, Humanismus 167 f. Schlosser, Privatrechtsgeschichte 123 f.; Kleinheyer-Schröder, Juristen 132 f. Vgl. Bloch, Naturrecht 103. Koschaker, Europa 255. Bergbohm I, 190, zit. nach Koschaker, Europa 255 Anm. 1. Koschaker, Europa 255 f.
II. Savigny und die Gründung der Historischen Schule
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1. Savignys Lebensweg
Friedrich Carl von Savigny entstammte einer wohlhabenden Beamtenfamilie; er wurde 1779 in Frankfurt a.M. geborenY Nach dem frühen Tod seiner Eltern lebte er im Haus eines Onkels, Konstantin von Neurath. Dieser war Richter am Reichskammergericht und übernahm die Erziehung des Dreizehnjährigen. Der Romantik war er durch seine schwägerschaftlichen Beziehungen zu Clemens Brentano, dessen Schwester Gunda er 1804 heiratete, verbunden. Um Manuskripte mittelalterlicher Rechtshandschriften zu studieren, unternahm er zwischen 1804 und 1806 mehrere Reisen. 1810 wurde er an die im Aufbau befindliche Universität Berlin gerufen. Hier setzte er durch, daß an der Universität der preußischen Hauptstadt das kodifizierte preußische Recht beinahe ein Jahrzehnt nicht gelehrt wurde, sondern das gemeine Recht dem Lehrplan zugrundegelegt wurde. 32 Die zweite Lebenshälfte widmete Savigny neben Lehre und Forschung vielfach praktischen Tätigkeiten in Rechtsprechung und Gesetzgebung. Seit Konstituierung des preußischen Staatsrats war er dessen Mitglied, in dem unter anderem die Gesetzesentwürfe der Monarchie beraten wurden. 33 1819 31 Zur Biographie: StolI, Bd. 1-3; Landsberg, III 2, 186 ff.; Wolf, Rechtsdenker 467 ff.; Wieacker, SZRom 72 (1955) I ff.; Rückert, Savigny. 32 Gierke, Rechtsschule 16. Gierke nennt das eine "seltsame Abirrung". Gerechtfertigt hat Savigny diesen Schritt, daß für praktische Bedürfnisse die spätere Einführung im Vorbereitungsdienst hinreiche. f}1angels geschichtlicher Quellen könne man diesem Gesetz keine wissenschaftliche Seite abgewinnen. Als er 1819 doch eine Landrechtsvorlesung hielt, wurde er von allen Seiten gelobt. Seine Verdienste um das preußische Recht erscheinen aber anfechtbar. In einem Brief an Eichhorn sprach er sein Anliegen aus: "Mich ärgert es schon lange, daß hier im Lande unser Lehren so ganz abgeschnitten von der Praxis dasteht." Es handelte sich um eine "Immission der Lehren der Historischen Schule in die vom ALR beherrschte Praxis: durch das Landrecht zurück zum gemeinen, reinen römischen Recht!" (Thieme) So meinte Savigny denn auch bei der Eröffnung seiner ersten Vorlesung über das preußische Recht: "Das ALR hat bekanntlich kein ganz neues Recht gebildet, sondern ist auf das ältere Recht gebaut worden. Es ward bloß für die Praxis geschaffen und sollte für die Theorie keine Folgen haben." 1845 erhielt sein Schüler Heydemann in Berlin den ersten und einzigen Lehrstuhl für preußisches Recht. In einer späteren Gedenkrede an Savigny war sein Bekenntnis zu ihm zugleich ein Selbstbekenntnis: "Er dachte römisch und lehrte uns römisch denken". Thieme, JZ 1935,221 f. Getreu dem von Savigny gewiesenen Weg begann sein Schüler Koch "die Schätze der gemeinrechtlichen Literatur auf die dürren Felder des preußischen Landrechts zu deren Befruchtung abzuleiten", Recht der Forderungen, zit. nach Thieme, JZ 1935,222. Und Unger öffnete die Schleusen, "um den reichen Strom deutscher Wissenschaft auf die brach liegenden Fluren der österreichischen Jurisprudenz zu leiten ... ", Unger, System I, Vorrede VI. 33 Zu dieser Tätigkeit im Staatsrat (1817-1848) vgl. Barta, Kausalität 68 Anm. 93: Das Buch von Schneider, Preuss. Staatsrat "ist u. a. auch deshalb von Interesse, weil darin die weithin unbekannte, nichts desto weniger aber bedeutungsvolle Rolle Savignys als Gesetzesverjasser im Rahmen seiner Tätigkeit im preuß. Staatsrat klar herausgearbeitet wird.
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wurde er Mitglied des Preußischen Revisions- und Kassationshofs für die Rheinlande. 34 Im Spruchkolleg der Berliner Fakultät hat er 138 Relationen selbst ausgearbeitet. 35 Trotz dieser vielfältigen Aufgaben schrieb Savigny seine wissenschaftlichen Werke,36 so daß sich ein Widerspruch nicht gegen eine Leistung, sondern nur gegen ein Programm 37 und dessen Ausführung richten sollte. Die Entscheidung für die bevorzugte Behandlung des römischen Rechts kristallisierte sich für Savigny unter dem Einfluß des Marburger Lehrers Weiss schon zu Beginn seines Studiums heraus. Noch 1850 spricht Savigny ihm Dank aus, denn er sei "von entscheidendstem Einfluss auf meine ganze fernere Bildung gewesen ... ".38 Nur oberflächliche Berührung während seines Studiums hatte Savigny mit dem Deutschen Recht. 39 An C. von Neurath schrieb er 1799, er hätte das "Römische Recht (das ich außerordentlich liebe) .. -. ziemlich gründlich repetiert und auch einzelne Materien studiert; damit bin ich bald fertig und werde dann die übrigen juristischen Disciplinen (die ich herzlich verachte) cursorisch durchsehen".40 Die Bemühungen um das römische Recht durchzogen sein ganzes Leben. 41 2. "Recht des Besitzes" und seine Wirkung
Die absolute Vorherrschaft des römischen Rechts bestätigte sich in Savignys erster, 1803 erschienenen juristischen Monographie "Recht des Besitzes". Er wurde mit einem Schlage berühmt. 42 Dieses Buch bedeutete ein Bekenntnis zur geschichtlichen Rechtsansicht, denn Savigny ließ nur das reine, klassische römische Recht gelten, befreit von allen Zutaten des usus modernus pand.ectarum. Er stellte das römische Besitzrecht "unmittelbar aus den Quellen", d. h. aus dem corpus juris, dar. Beachtenswert ist die Nach Schneiders Darstellung (149 ff.) kann Savigny geradezu als Begrüllder des Fachs Legistik betrachtet werden" . .14 Stoll 11 168 ff. ) j Wolf, Rechtsdenker 520. 36 1803: Das Recht des Besitzes. 1815-1831: Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter. - 1840-1849: System des heutigen römischen Rechts (8 Bde.). - 1851-1853: Obligationenrecht (2 Bde.). 37 Vgl. Wieacker, SZGerm 72 (1955) 4. 38 Brief an die Marburger luristenfakultät, Stoll 111, Nr. 570. 122. 39 Thiemi!, SZGerm 80 (1963) 4. 40 Brief an C. v. Neurath von Ende 1798 oder Anfang 1799, Stoll I, Nr. 9, 69 f. 41 Vgl. Strauch, Recht 167, 169. 42 Vgl. Thieme, Deutsche Rechtswissenschaft 1942,60.
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rechtspolitische Frage, wie sich dieses klassische römische Institut mit den wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen der Gegenwart vertrug. Dem justinianischen Recht entsprechend blieb es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im Fall des abgeleiteten Besitzes bei der bloßen Detention. So genoß zwar der Dieb, weil er den animus domini hat, der Nießbraucher auf Grund einer quasi possessio Besitzschutz. Denn es solle nicht sein, daß das Recht des Fructuars vermindert würde, weil er vielleicht außerstande sei, den Schutz des Eigentümers aus Vertrag in Anspruch zu nehmen. Der Eigentümer könnte ja durch Veräußerung oder Ersitzung gewechselt haben. Anders beim Verhältnis des Mieters zum Vermieter: Es entscheidet die Machtlage. Denn vom Grundsatz "Kauf bricht Miete" abzugehen, hätte bedeutet, das klassische römische Recht zu verlassen. Denn für eine quasi possessio des Mieters fehle es an einem anzuknüpfenden Rechtsverhältnis. Diese wäre auch nicht nötig, weil der Mieter eine Klage aus dem Vertragsverhältnis hätte. 43 Ein völlig anderes Verständnis des sozial Schwächeren vertrat mit Gesetzeskraft das ALR. Es hatte dem Mieter die Stellung eines dinglich Berechtigten eingeräumt. 44 Mit diesem Werk hatte zwar Savigny der "echten wissenschaftlichen Methode der römischen Jurisprudenz in der Rechtswissenschaft zum Durchbruch verholfen" ,45 die Bewunderung der gelehrten Welt war ihm sicher; nur war durch den romanistischen Purismus das Werk für die Praxis nicht geeignet. 46 a) Leitbild für Mühlenbruchs Zessionslehre Aber "ein Zauber ging von dem Buche aus"! Die Klarheit der Sprache, des Stils überzeugte. - Um die Verbindung mit dem Forderungsbegriff herzustellen: "Dieser bahnbrechenden Tat folgten dann unter Anwendung der Savignyschen Methode ... Mühlenbruchs Zessionslehre (1817). "47 Mühlenbruch arbeitete im Stile der Historischen Schule und achtete auf streng durchgeführte Quellenmäßigkeit. 48 Seine Zessionstheorie wurde in der er43
ScllIrarz, AcP 161 (1962) 486 f.
ALR I, 21 § 2: So weit der Berechtigte sich im wirklichen Besitze der zu gebrauchenden oder zu nutzenden Sache befindet, hat seine Befugnis die Eigenschaft eines dinglichen Rechts. § 3: Die Verpflichtung, ihm die Ausübung des dinglichen Rechts zu gestatten, geht also auf jeden neuen Eigentümer der belasteten Sache, welcher sein Recht von dem Besteller des Gebrauchs- oder Nutzungsrechts herleitet, mit über. 4; Stoll III 192. 46 Caroni, Bemerkungen 108. 47 Stoll III 192. 48 Landsberg III/2, 375. 44
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sten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschend. Weil sein Buch der Praxis ebenfalls nicht entgegenkam, sah sich Windscheid ungefähr 50 Jahre später veranlaßt, diese Theorie zu korrigieren. Denn Mühlenbruch vertrat die Ansicht, da die Forderung nur ein Band zwischen bestimmten Personen sei, wäre die Übertragung der Forderung unmöglich. b) Gründe und Methode der Änderung dieser Lehre Interessant ist, wie diese Umstellung bewerkstelligt wurde: Windscheid war der Meinung, wenn nicht schon das römische Recht die Sondernachfolge in Forderungen anerkenne, so doch das Gewohnheitsrecht. 49 Zu diesem Ausweg sah sich Windscheid wohl veranlaßt, weil sich die Pandektistik nicht den drängenden wirtschaftlichen Bedürfnissen der Zeit entziehen konnte, nur um ihre Quellentreue zu pflegen. Zur Untermauerung seiner Ansicht verweist Windscheid unter anderem auf Bluntschli, Deutsches Privatrecht. Dort beanstandet Bluntschli, die Wissenschaft in Deutschland hätte sich "trotz der gewaltigen Schläge, welche die neue re Gesetzgebung seit 100 Jahren der Autorität der Justinianisehen Gesetzgebung versetzt hat, und trotz der im Laufe der letzten 50 Jahre neu gewonnenen Einsicht in die wahre Natur des römischen und des deutschen Rechtes, mit welcher eine fortgesetzte Legalherrschaft des Corpus Juris unverträglich ist, von jenem Zopfstyl nicht emancipiert. In einigen Beziehungen ist es sogar in der Folge der neueren Fortschritte der Wissenschaft in unseren Tagen noch schlimmer geworden als zuvor. "50 An der von Windscheid verwiesenen Stelle führt Bluntschli weiter aus, ungeachtet der geringen Ausbildung der einzelnen Forderungen im älteren deutschen Recht gab dieses doch den Anstoß zu einer größeren Entwicklung. 51 Neben der persönlichen Bindung begriff es die Forderung auch als Verkehrsgegenstand und sei dadurch zur Zession gelangt. 52 Haben doch die vernunftrechtlich beeinflußten Kodifikationen (Windscheid verweist auch auf Förster, Preußisches Privatrecht) die Forderung in ihrer Doppelnatur als relatives Recht und Verkehrsgegenstand erkannt und darum den unkörperliehen Sachbegriff eingeführt. Dieser wird von der Romanistik aber bekämpft. . Ein Ergebnis, die Zession, wird aber aus wirtschaftlichen Gründen übernommen. Wie wird dieses Ergebnis in die aus der Historischen Schule hervorgegangene Pandektenwissenschaft eingefügt? Dies müßte mit Schwierigkeiten 49 50
51 52
Windscheid, Pandektenrecht § 329 Anm. 9. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 1 XIII f. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 2 § llO Rdz 2. Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. 2 § 111.
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verbunden sein, stürzten doch so vehement verteidigte dogmatische Festungen aus profanen wirtschaftlichen Zwängen ein. Lag ihr doch der rechtswissenschaftliche Positivismus zugrunde, der außerjuristischen Wertungen und Zwecken rechtserzeugende oder rechtsändernde Kraft versagte. Das Ideal des streng logischen juristischen Formalismus leitete Rechtssätze und ihre Anwendung ausschließlich aus System, Begriffen und Lehrsätzen ab. 53 Windscheid befand 1865, daß es "freilich eine fernere Frage" sei, "wie der von dem Gewohnheitsrecht geforderte Satz (sc Zession) theoretisch construiert, d. h. mit feststehenden Begriffen vermittelt werden soll".54 In einer Rektoratsrede 1884 vertrat Windscheid, der wohl bedeutendste Systematiker der Pandektistik, die Meinung, daß "ethische, politische oder volkswirtschaftliche Erwägungen nicht Sache des Juristen als solchen" seien. 55 Gerade die Zessionsdogmatik, obwohl Windscheid die Zession in ein theoretisches Begriffsgebäude gestellt hat, kann als Beispiel herangezogen werden, daß er letztlich dieses wertfreie Leitbild nicht erfüllte und wohl auch gar nicht erfüllen konnte; ansonsten wäre doch für die Jurisprudenz die Diagnose des Rückschritts oder bestenfalls des Stillstands für ihre Aufgabenerfüllung in der Gesellschaft zu verzeichnen. Zu diesem "Formalismus und Wertabstinenz der autonomen Rechtswissenschaft des 19. und eben auch noch des 20. Jhdts."56 meint Barta: Die "menschliche Zukunft braucht die Jurisprudenz zur nötigen, kontrolliert wertenden Steuerung der Gesellschaft. Um diese wichtige Funktion erfüllen zu können, muß sich an der Jurisprudenz manches ändern. Nur ein bewusster(er) und offener(er) Umgang mit gesellschaftlichen Wertungen führt weiter."s7 c) Rechtsbesitz im ALR, ABGB, BGB und ZGB Während ALR'und ABGB an die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Rechtsbesitzes anknüpften, entwickelte Savigny mit seinem Werk eine neue Theorie. Das ALR nahm einen Besitz von Forderungsrechten überall dort an, wo es sich um Rechtsverhältnisse handelt, welche mehrere Erfüllungshandlungen erforderten,s8 also bei Dauerschuldverhältnissen. Ansonsten erlangte man Wieacker, Privatrechtsgeschichte 430 f.; Schlosser, Privatrechtsgeschichte 127. Windscheid, Pandektenrecht § 329 Anm. 9. 55 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte 431; vgl. Stratenwerth, SJZ 1980,378. 56 Stratenwerth, SJZ 1980,378; vgl. Barta, Kausalität 84 Anm. 163a. 57 Barta, Kausalität 84 Anm. 163a. 58 Dernburg, Preußisches Privatrecht § 160- ALR I 7, § 80: Wer eine Handlung, die ein anderer als fortdauernde Schuldigkeit von ihm gefordert hat, wirklich leistet, der setzt 53 54
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den Besitz durch die Ausübung der Rechte. S9 Darunter wurde hauptsächlich der Rechtsbesitz für reine Vermögensrechte verstanden, wie der Besitz und Schutz des Besitzes des Firmengebrauchs oder des Rechts eines Gesellschafters auf Einsicht in die Geschäftsbücher. Unter dem Einfluß der romanistischen Theorie wurde der Anwendungsbereich des Besitzes von Rechten jedoch durch die Gerichtspraxis eingeschränkt. Theorie und Schutz des Rechtsbesitzes bestimmten sich im wesentlichen analog des Sachbesitzes. 6o
Im ABGB betrachtete Zeiller Sachen wie Forderungen als Objekte des Sachenrechts. 61 Im Einklang mit seinem auf diese Objekte bezogenen Eigentumsverständnis dehnte er auch den Besitzgriff auf Rechte aus. 62 Durch den weiten Sachbegriff wollte Zeiller den Bedürfnissen des modernen Verkehrs gerecht werden und "die inneren Bedingungen für ungehemmten Austausch und Umsatz und für leichtere Verwertbarkeit aller Güter und Kräfte"63 schaffen. Franz Klein, gegen den verständnislosen Tadel Savignys64 Stellung beziehend, meint weiters, dieser Sachbegriff sei mit Blick auf den Verkehr ein Zeichen kommerzieller Richtung. "Was hienach Sache ist und im Verkehre steht, kann besessen, erworben, ersessen, verpfandet, vererbt, vermacht, veräußert und abgetreten werden oder sonst Gegenstand von Verträgen sein. Die Verkehrsfähigkeit wird vermutet."65 Nach Zeiller sind alle Sachen besitzbar, bei denen "ein Verkehr Platz greifen kann". Dies ist gegeben, falls diese Gegenstände "eine Innehabung und ein rechtlicher Wille, sie als die seinigen zu behandeln, zulassen. 66 Durch die Vergegenständlichung der Forderung wird der Sach- und Rechtsbesitz einheitlich gestaltet; § 309 ABGB ist als umfassender Besitzbegriff ausgestaltetY Nach Randa 68 umfaßt § 309 ABGB freilich nur den Besitz körperlicher Sachen. Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen Ungers über den denselben in den Besitz des Rechts, die Wiederholung dieser Handlung von ihm zu fordern. 59 ALR I, 7 § 78: Der Besitz anderer Rechte, die von dem Besitze einer körperlichen Sache nicht abhängen, kann nur durch die Ausübung derselben erlangt werden. 60 Dernburg, Preußisches Privatrecht § 160. 61 Zeiller, Commentar lI/I 12. 62 311 ABGB: Alle körperlichen und unkörperlichen Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen Verkehrs sind, können in Besitz genommen werden. 63 Franz Klein, Lebenskraft 6. 64 "Allerdings möchte man alles eher vermuten, als bei Sal'igll.l' eine so beschränkte Schulmeisterkritik zu finden, wie er sie in dieser Schrift (sc "Beruf' S. 99) am bürgerlichen Gesetzbuche übt", Franz Klein, Lebenskraft 6 Anm. 3. 65 Franz Klein, Lebenskraft 6 f. 66 Zeiller, Commentar lI/I 42. 67 Vgl. Swoboda, Franz von Zeiller 31. 68 Randa, Besitz § 2, 84 f.
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Sachbegriff. 69 Der Rechtsbesitz sei ausschließlich in den §§ 312,313 ABGB geregelt, die Normen des Sachbesitzes also vom Rechtsbesitz begrifflich getrennt. Während Randa herleitete, "daß der Besitzbegriff des österr. Gesetzbuches mit dem des röm. Rechtes wesentlich im Einklang steht",1° verwendete Zeiller für den umfassenden Besitzbegriff des § 309 den "intelligiblen" Besitz, den er von Kant übernahm. 71 Kant legte dem von ihm entwickelten Begriff1 2 eine völlig andere Betrachtungsweise als das römische Recht zugrunde. Auszugehen ist davon, daß er körperliche wie unkörperliche Sachen (Leistungen) gleichermaßen als Rechtsobjekte betrachtete. 73 Der Besitz, als die subjektive Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs, ist unabhängig von einem Kontakt des Besitzenden mit der Sache. Der intelligible Besitz ist ein Willensakt, gerichtet auf Ausübung eines Rechts. Der Gläubiger einer Leistung (Forderung) kann nach Kant das Versprechen zur Leistung des Schuldners zu seinem Vermögen (obligatio activa) rechnen; aber nicht nur, falls er das Versprochene schon tatsächlich erhalten hat, sondern auch, obgleich er dieses noch nicht bekommen hat. Also muß der Gläubiger sich "vom empirischen Besitz unabhängig, doch im Besitz dieses Gegenstandes zu sein denken können". 74 Kant folgert daher, ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Sach- und Rechtsbesitz bestehe nicht. Denn man könne durch den Gebrauch eines Gegenstandes geschädigt werden, den man nicht innehat. Daher müsse der Begriff des Besitzes genau dieses Gegenstandes einmal in der Bedeutung des physischen, einmal als intelligibler (rechtlicher) Besitz verstanden werden. 75 Anzunehmen ist daher, daß Zeiller Sach- und Rechtsbesitz im § 309 ABGB einheitlich regeln wollte. Durch die pandektische Interpretation bedingt, 69 Randa, Besitz 85 Anm. 2, "Über den Begriff der Sache und den Sprachgebrauch des ABGB vgl. die Ausführungen Unger's I, S. 356 ff'. Unger wiederum verweist auf Savigny und meint an dieser Stelle, daß das Begriffspaar unkörperliche, körperliche Sache des § 292 ABGB hätte "nach der doctrinären Tendenz der Verfasser desselben die römische Eintheilung wiedergeben wollen und sollen; es muß daher zum richtigen Verständnisse dieses Paragraphen und zur Beurtheilung ob und inwieweit ihm jene Reproduktion des römischen Rechts gelungen sei an dieses angeknüpft werden." Unger, System Bd. 1, 356. ;0 Randa, Besitz 95. " Zeiller, Commentar lI/I, 40; vgl. Slt'oboda, Zeiller 31. ;~ .. Ein intelligibler Besitz ist ein Besitz ohne Inhabung", Kant, Metaphysik 50; Besitz ist "die subjektive Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs", Kant, Metaphysik 49. 7) Dieser Gedanke kommt z. B. bei der Erwerbung des äußeren Mein und Dein zum Tragen: "Der Materie (dem Objekt) nach erwerbe ich entweder eine körperliche Sache (Substanz), oder die Leistung (Kausalität) eines Anderen ... ", Kant, Metaphysik 67. 7" Kalif, Metaphysik 52 f. 7~ Kant, Metaphysik 49.
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wird nunmehr die Definition des Rechtsbesitzes in den §§ 312,313 gesehen, die Einheit somit aufgegeben. Bluntschli folgt auch im Besitzrecht nicht der Theorie Savignys, sondern "geht hier über die Theorie des römischen Rechts hinaus". Das PGB knüpfe an die Rechtsentwicklung an, wie sie in "unserer Sprache, in der Volksanschauung und Praxis und in den neueren Gesetzgebungen sich kund gibt und einer vollständigeren Einsicht in die Natur des Besitzes gemäß ist". 76 Demgemäß genießt nach § 490 PGB auch der Mieter, Pächter und Entlehner Rechtsbesitz. Selbst Forderungsrechte sind besitzbar, wenn eine äußere Anerkennung sichtbar werde, wie z. B. eine jährliche Zinszahlung. 77 Savigny sah sich veranlaßt, weil im ALR und ABGB nach seiner Ansicht ein methodisch abgegrenzter Besitzbegriff nicht vorhanden war, in der Vorrede zur 4. Auflage seiner Besitzmonographie auf diesen Zustand hinzuweisen: "Indem ich ... unmittelbar aus den Quellen arbeitete, zog am meisten der Besitz meine Aufmerksamkeit auf sich, indem es mir schien, als könnten gerade hier die herrschenden Begriffe und Meinungen aus den Quellen sehr berichtigt werden." 78 Die Pandektenwissenschaft ist im wesentlichen Savignys Meinung gefolgt. In Übereinstimmung mit den römischen Quellen wird Rechtsbesitz nur noch für beschränkte dingliche Privatrechte, wie z. B. Servituten, anerkannt. 79 Diesen Rechtsbesitz begründete Savigny damit, daß die ausgeübten dinglichen Rechte Bestandteile des Eigentums seien, die wie der Sachbesitz durch Gewalt gestört werden können. Gierke wies im Jahre 1889 darauf hin, daß durch die Beseitigung der unkörperlichen Sache im deutschen BGB durch die romanistische Bevorzugung des Eigentums gegenüber den übrigen Rechten der "Sachbegriff mit kulturfeindlichem Erfolge ... materialistisch 'verunstaltet" werde, würden doch Rechte ohne grobsinnliches Substrat verkümmern. 8o Bluntschli, Erläuterungen (Sachenrecht) § 490, 16. Bluntschli. Privatrecht Bd. 1, 245 f. 78 Savigny, Besitz (1822) IV - Daß Zeiller sich aber an der vernunftrechtlichen Lehre orientierte, läßt sich aus einer Anmerkung zu seinem Kommentar des § 309 ABGB entnehmen: »Im Römischen Recht wird diese Lehre sehr weitläufig, und doch sehr zerstückelt und undeutlich, vorgetragen." Er lobt aber die klärende Arbeit Savignys auf diesem Gebiet. Zeiller, Commentar lI/I, 39. 79 Mit dieser Auffassung bezog Savigny eine entgegengesetzte Meinung als die gesetzliche Regelung im ALR. Seine Einstellung zu diesem Gesetz ist aus einem 1816 geschriebenen Brief zu entnehmen: »Du hast gut reden, die Juristen sollen unsere Gesetze erklären. Du fühlst in dem Augenblick das Bedürfnis, und da solls dastehen, aber woher soll zu diesem Geschäft Lust und Muth und auch nur Möglichkeit kommen, da eben diese Gesetzgebung (sc ALR) in Form und Materie eine solche Sudeley ist", Brief an Armin vom 22.11.1816, Stoll 11, Nr. 319, S. 210. 80 Gierke, Aufgabe 498. 76
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Im BGB wollte man durch Anerkennung von Eigenbesitz, Fremdbesitz, mittelbarem und unmittelbarem Besitz den Rechtsbesitz entbehrlich machen. 81 Auf diesen wurde jedoch nicht völlig verzichtet; man schränkt ihn dem römischen Recht gemäß auf Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten ein. 82 Das schweizerische ZGB orientiert sich im Besitzrecht teils am Obligationenrecht von 1881, teils am BGB. Das ZGB kennt die Besitzarten selbständiger und unselbständiger Besitz und Besitzdiener. Ausgehend vom körperlichen Sachbegriff, wird Besitz als tatsächliche Herrschaft über eine körperliche Sache definiert. 83 Weil der Besitz im ZGB ein körperliches Gewaltverhältnis voraussetzt, ist der Rechtsbesitz nur im Ausnahmefall des Art. 919 Abs.2 ZGB bezüglich der Grunddienstbarkeiten und Grundlasten anerkannt. 84 Savigny betrachtete das Corpus Juris als geltendes Recht; die bedeutenden Fortbildungen des römischen Rechts seit Justinian sah er nicht nur als quellenwidrig, sondern auch als sachwidrig an. 85 Das bedeutete doch nichts anderes, als daß er die Errungenschaften des älteren gemeinen Rechts und die Fortschritte der zu dieser Zeit bestehenden vernunftrechtlichen Kodifikationen nicht berücksichtigte. Demnach war dies ein Rückschritt. Die Zession von Forderungen wurde wiederum als unmöglich betrachtet. Der Einfluß der Pandektistik wirkte sich auch auf die Schweiz aus. Dadurch wurde z. B. der Rechtsbesitz im ZGB, nachdem Bluntschli ihn im PGB aufgenommen hatte, wieder auf die Fälle des römischen Rechts beschränkt. Dies liegt darin begründet, weil die Vergegenständlichung der Forderung nicht anerkannt wurde, auf der diese Rechtsinstitute aufbauen. Auf die Ergebnisse konnte freilich nicht verzichtet werden; diese wurden mit begrifflichen Konstruktionen erreicht. Der Forderung wurde aber der materielle Inhalt, den ihr die römischen Quellen gaben, gelassen. d) Der Widerstand von Gans Die schwachen Punkte in Savignys Besitzlehre deckte sein Gegner Eduard Gans auf. Er griff die für Savigny so wichtige Frage nach der Rechtsnatur des BI Swoboda, Gesetzbuch II 173 Anm. 1; Er empfindet, daß durch dieses System "außerordentlich komplizierte Konstruktionen" nötig werden. 82 §§ 1029, 1090,900/2 BGB - Nach § 1029 BGB finden für den Schutz des Rechtsbesitzes die für den Sachbesitz "geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung". 83 Tuor / Schnyder, Zivilgesetzbuch 501 f. 84 Ein Überblick über die wichtigsten praktischen Unterschiede der deutschen und schweizerischen Regelung gewährt Hinderling, ZBJV 98 (1962) 4 ff. 85 Wesenberg, Privatrechtsgeschichte 172.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
Besitzes auf. Savigny stelle dem Eigentum als einem rechtlichen Zustand den Besitz gegenüber, den er als natürlichen Zustand, als Faktum, qualifizierte. Dies wahrscheinlich deshalb, weil das römische Recht von einem factum possessionis spreche. Weil aber mit dem Recht Schutzmittel verbunden seien, komme man in einige Verlegenheit zu erklären, wie der Besitz - ein natürlicher Zustandzu Rechten gelangen könne, folgert Gans. Nach Savigny werde der rechtlose Besitz, falls gegen ihn Gewalt verübt werde, plötzlich zu einem berechtigten und demzufolge geschützten. Was aber von Haus aus Faktum sei, könne auch nicht mit allen Künsten der Gewalt zu einem Recht erhoben werden. Gans findet Savignys Argumentation sonderbar: Obgleich der Besitz nur ein Faktum, ein natürlicher Zustand und kein Recht ist, hat der Besitzer als solcher Rechte: diese kann er demnach nicht aus dem Besitz haben, weil dies kein Recht ist; demnach gewinnt er das Recht vielmehr aus der Gewalt und dem Unrecht anderer!86 Diese Begriffslehre des Besitzes kritisiert Gans mit der allgemeinen Bemerkung, im Recht gebe es nichts Faktisches, das nicht zugleich eine rechtliche Ader habe. Allerdings seien alle Rechtsbegriffe Fakta. Mit dem: ich besitze, ich habe Eigentum, ich heirate, ich erbe - seien auch rechtliche Beziehungen verbunden. Die verschiedenen Stadien und Stufen des Rechtsbegriffs stehen in einem Verhältnis zueinander. Die unterschiedlichen rechtlichen Qualitäten berechtigten nicht zu sagen, die unteren seien Fakta. Der Besitz sei weniger als das Eigentum; darum sinke er noch nicht zum faktischen Verhältnis herab. Faktum sei zum Beispiel die Detention, weil der Innehaber gar keinen Willen habe, die Sache für sich zu haben und daher in gar keiner rechtlichen Beziehung zu ihr stehe. 87 Nach unserem gegenwärtigen Rechtsverständnis hat nicht Savigny, sondern Gans recht bekommen: "Aus dem Besitz erfließen aber Rechte; insoweit kann er als Recht bezeichnet werden." "Somit ist die Bezeichung des Besitzes als Recht in § 308 (ABGB) nicht zu tadeln:,gg Zwischen Gans und Savigny schwelte eine langjährige Kontroverse. 89 Gegen den Widerstand von Savigny trat Gans 1828 in die Berliner Fakultät ein. 90 Savigny zog sich darauf von den Fakultätsgeschäften zurück. 91 Den Versöhnungsversuchen von Gans erteilte Savigny abschlägige Antworten. Gans, Grundlage 9 ff. Gans, Grundlage 14. 88 Gschnitzer, Sachenrecht 6. 89 Anschaulich beschreibt die Geschichte des Zerwürfnisses zwischen Gans und Savigny Braun, JZ 1979, 769ff. 90 Braun, JZ 1979, 772. Als sich Gans 1819 beim preußischen Kulturminister von Altenstein für die Universitätslaufbahn anmeldete, wurde im Fakultätsgutachten trotz § 8 86
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Gans versuchte in den vier Bänden "Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung" (1824-1835), Hegels geschichtsphilosophische Anschauungen mit der Rechtswissenschaft zu verbinden. Diese sollte universell behandelt werden, eine Universalrechtsgeschichte sein. Gans wandte sich gegen die Sicht der Historischen Schule, nur die Zweige der Rechtsgeschichte zu bearbeiten, welche für das Pandektenstudium unmittelbaren Nutzen versprechen; diese betreibe sie dann aber weit über das Maß dieses Nutzens hinaus antiquarisch und mikrologisch. Die Universalgeschichte dagegen berücksichtige jedes Volk als Entwicklungsstufe. Den richtigen Weg hätte Montesquieu durch seinen Hinweis auf den Geist der Gesetze gezeigt. Die Historische Schule würde die "Geschichte" lediglich als Erkenntnis der Vergangenheit betrachten, ohne die Beobachtung der Gegenwart miteinzubeziehen. Das Ergebnis der Geschichte solle nicht ein Festklammern am Geist der Vergangenheit sein, sondern vielmehr die Einsicht gewähren, daß eine Stufe der Begriffsentfaltung die andere überragt. Der Gegenwart komme daher das Recht der freien Entfaltung ihrer Lebensumstände zu. Gegen diese Vorwürfe wehrte sich Savigny: "Mikrologie, die jeder gering schätzen müsste, sei nicht zu verwechseln mit genauer und strenger Detailkenntnis" . Diese sei unentbehrlich, weil einzig sie der Geschichte ihren Wert sichern könne. 92 Für Gans ist das zu wenig. Eine Detailkenntnis, die sich selbst genügt, ohne daß sie das Mittel ist zum Geist aufzusteigen, sei nichts anderes als die in Detailkenntnis übersetzte Mikrologie; die Substanz verkümmere zum wesenlosen Schein. 93 Um seiner Forderung gebührend Ausdruck zu verleihen, wählte Gans für seine Abhandlung folgende Meinung Thibauts als Motto: "Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unseren Studierstuben mehr wahren juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereien, denen die Intestaterbfolge von Augustus bis J ustinianus unterlag." Mit Savignys Einvernehmen wurde nach dem Tod von Gans sein philosophischer Widersacher Stahl berufen. Man ging daran, die von Gans ausgestreute "Drachensaat" auszutilgen; heute weiß man von Gans kaum noch etwas. 94 des preußischen 1udenedikts von 1812 gezweifelt, ob das jüdische Bekenntnis von Gans für diese öffentliche Anstellung nicht etwa hinderlich wäre. Gans ließ sich Ende 1825 in Paris taufen. Kurz darauf wurde er in Berlin zum Extraordinarius ernannt. 91 Braun. 1Z 1979, 773. 9~ Savign)", Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, IH, S. 5 f., zit. nach Gans, Erbrecht Bd. I, XX. 93 Gans, Erbrecht Bd. I, XX f. 9. Braun,1Z 1979,775. 11 Hoop
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen 3. Ursachen und Vorgang der Nationalisierung des Rechts
Im 19. Jahrhundert löste sich die bis dahin bestehende einheitliche und übernationale Rechtswissenschaft auf. Bis zur französischen Revolution verband das lus Commune, das römisch-kanonische Recht, die Staaten West- und Mitteleuropas. Nunmehr zogen das Recht der Einzelstaaten, im Privatrecht die nationalen Kodifikationen, die Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft an. Die Ursachen dieser Nationalisierung sind in den geänderten Ansichten der Aufklärung zu sehen, die das Recht im Gesetz erblickte. Im Gegensatz dazu konnte sich das gemeine Recht als Resultat einer europäischen Wissenschaft und deren Autorität behaupten. Dem Deutschen Bund als politisch-militärische Organisation der deutschen Einzelstaaten fehlte eine allgemeine Gesetzgebungskompetenz. In Österreich, Preußen und im Rheinland galten Kodifikationen, in den anderen Gebieten hatte das gemeine Recht hinter lokalen und territorialen Rechten weiterhin Geltung.9~ Im Rheinland verhinderten Anhänger des französischen Rechts auch nach dem Sturz Napoleons die Abschaffung des Code und die Einführung des ALR. Den Rheinländern kam dabei zugute, daß die veränderten Zeitumstände manches am ALR überflüssig und veränderungsbedürftig erscheinen ließen. Überdies hatten sie den Code als Garantie ihrer Bürgerrechte schätzen gelernt. 96 4. Wirtschaftliche Verhältnisse um 1814
Nachdem durch die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 die französischen Streitkräfte geschlagen wurden und die Herrschaft Napoleons gebrochen war, drängten nationale Bestrebungen zu einem geeinten Reich. Durch den Partikularismus der Einzelstaaten, das Hegemonialstreben Preußens, aufgrund der Aktivitäten Österreichs in Süd- und Osteuropa und der Gleichgewichtspolitik der anderen Großmächte kam es auf dem Wiener Kongreß lediglich zur Gründung eines Staatenbundes. In der gewerblichen Produktion spielte das Handwerk die entscheidende Rolle, die Industrie steckte in den ersten Anfangen. Die Naturalwirtschaft war bedeutend,97 die Verkehrsverbindungen unzureichend, die Währungen zerrüttet. Die Zeit des Neubeginns erforderte viele Aufgaben im Bereich der Währung, Bildung, des Gewerbes und des Zollwesens. 98 Coing, Privatrecht Bd. 2, 24 ff. Hattenhauer, Grundlagen 79 f. 97 Noch 1817 hatte Friedrich List als Professor an der Universität Tübingen ein Drittel seines Gehalts in Naturalien ausbezahlt bekommen, Benöhr, Jus 1974,681. 98 Benöhr, Jus 1974,681 f. m. w. H. 95
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11. Savigny und die Gründung der Historischen Schule
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Nach dem Erfolg des Code Napoleon in Deutschland stellte sich die Frage, ob nach dem Sturz Napoleons ein Zivilgesetzbuch für alle deutschen Staaten geschaffen werden sollte. Schon mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs im Jahre 1806 war ungeklärt, was eigentlich aus dem römischen Recht geworden ist. Falls es mit dem Römischen Reich erloschen ist, müßte ein neues deutsches Zivilgesetzbuch geschaffen werden. Oder es hat nur als Kaiserrecht ausgedient, seine Fortgeltung als gemeindeutsches Recht muß dennoch behauptet werden. Die Antwort ergibt die ideologischen und rechtlichen Grundlagen der verfassungsrechtlichen Frage der deutschen Rechtseinheit. 99 5. Der Vorschlag Thibauts
Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840) trat 1814 in der Abhandlung "Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland" für eine Vereinheitlichung des Rechts in Deutschland ein. Er wollte das gemeine Recht durch ein neues, den gegenwärtigen Bedürfnissen angepaßtes Recht ersetzen. Auch die altdeutschen Gesetzbücher würden "häufig den Bedürfnissen unserer Zeit nicht entsprechen, überall die Spuren alter Rohheit und Kurzsichtigkeit an sich tragen, und in keinem Fall als allgemeine, umfassende Gesetzbücher gelten können". 100 Das geltende deutsche Partikularrecht sei auch unvollständig, so "daß von hundert Rechtsfragen immer wenigstens neunzig" nach dem römischen Recht entschieden würden. 101 Das römische Recht sei aber nicht in einem allgemein verbindlichen Text, sondern in zahlreichen, voneinander abweichenden Abschriften des Corpus juris civilis überliefert. Mit dem römischen Recht aber erreiche "das Ungemach den höchsten Gipfel". Sei es doch "das Werk einer uns sehr ungleichen fremden Nation aus der Periode des tiefsten Verfalls derselben, die Spuren dieses Verfalls auf jeder Seite an sich tragend" .102 Weil es lückenhaft und widersprüchlich sei, vergrößere sich die Unsicherheit, "denn die Erklärungsquellen fehlen uns bei jeder Gelegenheit, und der ganze Wust jämmerlich zerstückelter Fragmente führt in ein ... Labyrinth gewagter, schwankender Voraussetzungen" .103 Den klassischen Juristen müsse man Scharfsinn "in der Anwendung allgemeiner positiver Rechtssätze auf die feinsten, verwickelten Einzelheiten zugestehen". Indem sie aber überall unter dem "Zwange positiver GrundlaHattenhauer, Grundlagen 81. Thibaut, Notwendigkeit 13. 101 Thibaut, Notwendigkeit 14. 102 Thibaut, Notwendigkeit 15. 103 Thibaut, Notwendigkeit 17.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
gen aus der Periode der Barbarey" gestanden hätten, schade ihr "Scharfsinn im Grund der wahren Rechtsweisheit" ebensoviel als ihr dies nutzte. Solche Rechtssätze verlangten Theorien, von denen manche als "Meisterstücke juristischer Consequenz und Zergliederungskunst" zu bezeichnen seien. Eindringlich warnt Thibaut vor den Folgen, die eine Mißachtung seiner Anliegen nach sich zögen. Treffend führte Thibaut aus: Aber "wehe der Nation, wo die Juristen dazu verurteilt sind, an solchen rohen, einseitigen Grundlagen ihren Scharfsinn zu üben" .104 Thibaut wollte durch ein einheitliches Gesetzbuch die Rechtszersplitterung überwinden. Diese war das Ergebnis der vielen Partikularrechte. Das neue Gesetzbuch sollte ein nationales Werk sein, aus eigener Kraft und Geist geschaffen. 105
6. Die Antwort Savignys Gegen diesen Vorschlag wandte sich Savigny noch im Jahr 1814 mit seiner Schrift "Vom Berufunserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft". Gefestigt hat er seine Ansicht in der Vorrede zum 1. Band der von ihm und Eichhorn gegründeten Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft. Mit diesen beiden Programmschriften war der Grundstein zur Historischen Rechtsschule gelegt. . Savigny entgegnete Thibaut, der noch dem Geist des rationalistischen Naturrechts nahestand, das Recht sei kein Erzeugnis der Vernunft. 106 Der gegenwärtige Rechtszustand müsse "als die Fortsetzung und Entwicklung aller vergangenen Zeiten" gesehen werden. Indem der Rechtsstoff "in unauflöslicher Gemeinschaft mit der ganzen Vergangenheit steht", ist die Geschichte "der einzige Weg zur wahren Erkenntnis unseres eigenen Zustandes". 107 Die geschichtliche Schule 108 nehme daher an, daß "der Stoff des Rechts durch die gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch nicht durch Willkür, so dass er zufallig dieser oder ein anderer sein könnte, sondern aus dem innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen" sei. Gesetzgebung sei Willkür, deren sich die ungeschichtliche Schule bediene. Denn unabhängig vom Rechte vergangener Zeiten, nur nach "bester Überzeugung", würde es durch Kodifikation hervorgebracht. 109 Thibaut, Notwendigkeit 19. Thibaut, Notwendigkeit 26. 106 Kaufmann, Rechtsphilosophie 59. 107 Savigny, Historische Schule 332. 108 Die andere nannte er ..in Ermangelung eines anderen Ausdrucks die lI11geschichtliche Schule", weil sie in den .. verschiedensten und widersprechendsten Formen auftritt. und sich bald als Philosophie und Naturrecht, bald als gesunden Menschenverstand ankündigt", Savigny, Historische Schule 331. 109 Savigny, Historische Schule 333 f. 104 105
II. Savigny und die Gründung der Historischen Schule
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Dem Postulat Thibauts entgegnete Savigny im "Beruf', der bestehende Rechtszustand könne durch Anwendung der streng historischen Methode verbessert werden. Dadurch sei es möglich, insbesondere das klassische römische Recht von den Entartungen zu befreien, welche die neue re Zeit durch bloße Unkunde hinzugefügt hätte. 110 Savigny hatte demnach das klassische römische Recht dermaßen verabsolutiert und dogmatisiert, daß er Änderungen als Mißverständnisse auffaßte; dadurch wurde jeder späteren Zeit das Recht auf Erfahrungen und schöpferische Tätigkeit abgesprochen. 111 Dieses historische Postulat des Verständnisses der Gegenwart als Gewordenes wurde durch diese Vorliebe zum klassischen römischen Recht aber folgenschwer umgedeutet. Würde man nicht "jeden Stoff bis zu seiner Wurzel ... verfolgen, welcher Grundsatz oben als der Charakter der historischen Methode angegeben worden ist", fände überall ein Rückschritt statt. Dieser hätte schon von den Glossatoren zu den Konsiliatoren, denen Savigny mit Unverständnis gegenüberstand, festgestellt werden können. 112 Durch die Berufung auf die geschichtliche Bearbeitung legitimierte Savigny seine Rückkehr zum klassischen römischen Recht. Diese "verderbliche Folge der Sünde wider den geschichtlichen Geist"113 emfpand schon Feuerbach als einen eigentümlichen Rechtszustand. Die Geschichte unseres Rechts sei demnach "gleichwohl nicht bei uns und bis auf unsere Zeit herab, sondern bei einem fremden untergegangenen Volke bereits vor mehr als tausend Jahren abgelaufen . .. "; Feuerbach rügt diese Rechtslage. Sei es doch notwendig, um einigermaßen das Recht der Deutschen im 19. Jahrhundert darzustellen, "an dem dünnen, oft zerreißenden Faden der Geschichte, Sprach- und Alterskunde wieder um mehr als ein Jahrtausend forschend rückwärts" zu gehen. 114 Mit Savigny setzt aber auch die berühmt berüchtigte "Pandektenharmonistik" ein, denn er führte die Erscheinungen des Rechtslebens auf die ihnen Wesenberg, Privatrechtsgeschichte 172; Kantoroll'icz, Savigny 49. Caroni, SZGerm 86 (1969) 108. 112 Savigny, Beruf 140; Caroni, SZGerm 86 (1969) 114. Die Glossatoren hatten für die praktische Anwendung ihrer Kenntnisse wenig Interesse gezeigt. Im Gegensatz dazu richtete sich das Interesse der Konsiliatoren nicht auf das Corpusjuris als solches, sondern auf die Verwendung seiner Vorschriften in der Praxis. Die von ihnen verfaßten Kommentare und Konsilien (Gutachten) dürften die Grundlage für die Benutzung des Corpusjuris als Rechtsquelle in der juristischen Praxis gewesen sein. Damit hätten sie die Grundlage für das Eindringen der an den Rechtsschulen vermittelten Kenntnis in das praktische Rechtsleben geschafft, vgl. Gmür, Rechtsgeschichte 37 ff. An anderer Stelle äußerte sich Savigny über die Konsiliatoren, sie seien ohne Vergleich "schlechter als die Glossatoren, verhalten sich zu ihnen wie jetzt ungefähr die Praktiker zu den Theoretikern", Methodenlehre, 28. 113 Gierke, Rechtsschule 13 f. 114 Feuerbach, Gesetzgebung 290 f. 110 111
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
innewohnende Einheit zurück, versah die Begriffe mit dem Schein des logisch Notwendigen. I 15 Einer zweifachen Verarbeitung des gegebenen Rechtsstoffes solle sich die Rechtswissenschaft annehmen: Neben der historischen auch der systematischen, "um jeden Begriff und jeden Satz in lebendiger Verbindung und Wechselwirkung mit dem Ganzen anzusehen, d. h. in dem Verhältnis, welches das allein wahre und natürliche ist". 116 Diese Einheit der Rechtsordnung sah er im römischen Recht. Lobend äußerte sich Savigny, in den Schriften der römischen Juristen sei "weit weniger Individualität" zu finden als in anderweitiger Literatur; die Sicherheit ihrer Rechtsanwendung könne mit der Mathematik verglichen werden, "und man kann ohne Übertreibung sagen, dass sie mit ihren Begriffen rechnen" .117 Die Methode der römischen Juristen betrachtete er als vorbildlich. ll8 Eine solche dogmatische, positive Richtung des Rechtsdenkens leitete die Abwendung der Rechtswissenschaft von der sozialen Wirklichkeit ein. 119 Auch wurde durch die Verurteilung praktisch jeder Gesetzgebung, durch die neues Recht geschaffen werden soll, eine mit sich selbst beschäftigte Begriffsjurisprudenz gefördert. 120 7. Die Entstehung des Rechts und Gründe der Rezeption nach der Historischen Schule
Nach Savigny entsteht das Recht nicht "durch die Willkür des Gesetzgebers", sondern durch "innere, stil/wirkende Kräfte". 121 Das Recht lebt mit "innerer Notwendigkeit" durch die "gemeinsame Überzeugung des Volkes", 122 so daß "der eigentliche Sitz des Rechts das gemeinsame Bewußtsein des Volkes" ist. 123 In "System" erfuhr die Volksgeisttheorie eine nähere Ausgestaltung, und er verwendete zum ersten Mal den Ausdruck "Volksgeist":124 "Vielmehr Wesenberg, Privatrechtsgeschichte 176 f. Savigny, Beruf 48. 117 Savigny, Beruf 29; Coing ist der Ansicht, daß die Ergebnisse der historischen Forschung der letzten Jahrzehnte zwingen, die Vorstellungen der römischen Rechtsentwicklung, die auch Savigny vertrat, grundSätzlich zu revidieren. Die System bildung war in der Bildung des römischen Rechts nicht ausschlaggebend, Privatrechtssystem 15 f. 118 Savigny, Beruf 29 ff. 119 Vgl. Stratenwel"th, SJZ 1980,378. 120 Bloch, Naturrecht 105. 121 Savigny, Beruf 14. 122 Savigny, Beruf 8. 12l Savigny, Beruf 11. 124 Kantorowicz, Historische Zeitschrift 301, 309. Ilj
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H. Savigny und die Gründung der Historischen Schule
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ist es der in allen Einzelnen gemeinschaftlich lebende und wirkende Volksgeist, der das positive Recht erzeugt." 125 Dieses geheimnisvolle Geschehen setze "eine ganz ungestörte einheimische Entwicklung"126 voraus. Das Recht als Emanation des Volksgeistes sei Gewohnheitsrecht. Das veranlaßte Jhering zu der Aussage, daß die Rechte nach Savignys Meinung nicht "gemacht waren, sondern würden" .127 Mit welchem "Kunstgrifr'l28 überbrückt nun Savigny den Widerspruch, wonach gerade nicht das aus der Volksüberzeugung hervorgebrachte Gewohnheitsrecht, sondern größtenteils römisches Recht gelten sollte? Durch die Entwicklung der Kultur sonderten sich die Tätigkeiten des Volkes immer mehr ab. Was früher gemeinschaftlich betrieben wurde, falle nunmehr einzelnen Ständen anheim. Als solch abgesonderter Stand treten jetzt die Juristen auf. Das Recht nimmt in seiner Entwicklung eine "wissenschaftliche Richtung, und wie es vorher im Bewußtsein des gesamten Volkes lebte, so fällt es jetzt dem Bewußtsein der Juristen anheim ... " Diese würden nunmehr das Volk in der Rechtsbildung "repräsentieren". In Völkern, in denen eine fortschreitende Entwicklung der Verwissenschaftlichung des Rechts festgestellt werde, könne die Entwicklung nicht mehr bloß durch innere Notwendigkeit, sondern durch freie Wahl erfolgen. Diese würde natürlich von den wissenschaftlich ausgebildeten Juristen ausgehen. 129 Savigny hat mit dieser Erklärung eine Hilfskonstruktion geschaffen. Der Juristenstand übe die rechts schöpferische Tätigkeit des Volkes aus, und diese Rechtsauffassung müsse mit der des Volkes übereinstimmen. Damit überbrückte Savigny das "offenbare Dilemma", 130 denn die Lehre vom Volks geist kam ja nicht dem deutschen, sondern dem römischen Recht zugute; dem Recht Justinians, frei von den Anbauten des usus modernus. Savigny forderte, den gegenwärtigen "Zustand des Rechts allmählich von demjenigen zu reinigen, was durch bloße Unkunde und Dumpfheit literarisch schlechter Zeiten" hervorgebracht wurde. 131 Vorerst bezeichnete Savigny auch dieses Recht mit dem seiner Meinung nach "nicht ganz passenden" Begriff Gewohnheitsrecht. 132 Im System aller125 Savigny, System 1,14. Während sich die Volksgeistlehre inhaltlich schori bei Herder findet, wurde das Wort "Volksgeist" 1793 von Hegel geprägt. Von ihm dürfte es Puchta 1828 übernommen haben und von diesem 1840 Savigny; Gmür, Savigny 12. Als Vorläufer dieser Lehre ist aber Montesquieu zu bezeichnen, Kantorowicz, Historische Zeitschrift 304. 126 Savigny, Beruf 14. 127 Jhering, JherJb 5 (1861) 364. 128 Thieme, SZGerm 80 (1963) 9. 129 Savigny, Beruf 12; vgl. Strauch, Recht 40 f. 130 Thieme, Deutsche Rechtswissenschaft 194262. 131 Savigny, Beruf 119. 132 Savigny, Beruf 14.
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dings nennt er in seiner Rechtsquellenlehre dieses Recht, das "eine Fortsetzung und eigenthümliche Entwicklung des Volksrechts" darstellt, "wissenschaftliches Recht". Dieses bilde sich mit fortschreitender Entwicklung über Gewohnheits- und Gesetzesrecht. 133 Die Meinung, das römische Recht sei in das unmittelbare Volksbewußtsein eingedrungen, das wissenschaftliche Recht stelle eine Fortführung des Volksrechts dar, wurde von Puchta gestärkt. Denn das auf "unmittelbare Volksüberzeugung gegründete Recht" sei Gewohnheitsrecht doppelter Art: Der "Übung eines Satzes" könne eine "gemeinsame Überzeugung der Volksglieder überhaupt" oder gleichberechtigt eine "solche der Rechtskundigen, der Juristen als Vertreter des Volks" zugrundeliegen. 134 Dagegen lehnte sich 1843 Georg Beseler auf. Das sei nur insofern richtig, als eine solche Rechtsbildung den Anforderungen der modernen Lebensverhältnisse entgegenkäme. Aber der deutsche Juristenstand ruhe "überhaupt nicht auf der breiten Basis des Volkslebens". Eine unmittelbare Beziehung zum Volksbewußtsein stehe ihm fern, vielmehr trieb er "meistens ein abgeschlossenes, gelehrtes Wesen" und schöpfte "sein Wissen mehr aus abgestorbenen Rechtsquellen, als aus der lebendigen Fülle der Thatsachen und Verhältnisse". Aus diesem Grund sei dieses Juristenrecht, wie Beseler es nannte, als Gegensatz zum Volksrecht zu betrachten; es hätte "zum grossen Theil nur die Kraft einer bloß äußerlichen Geltung" erlangt. 135 Durch die Rezeption sei die Rechtsentwicklung dem Rechtsbewußtsein des Volkes entglitten. Durch die gelehrten Juristen durchgeführt, hätte sie die "Unterdrückung des eigenen Rechtslebens" bewirkt. Das bliebe immer ein "Nationalunglück, welches der Patriot nur beklagen kann, wenn es auch aus der Verkettung der Verhältnisse wie mit Notwendigkeit hervorgegangen scheint". 136 Beseler trat weiters gegen die obrigkeitlich bevormundende Justiz und Verwaltung auf. Diese hätte die "Entfremdung des Volkes von seinen eigensten Angelegenheiten" bewirkt. 137 Das abstrakte Gelehrtenrecht sollte zugunsten einer größeren Verflechtung von Recht und Juristen mit der sozialen Wirklichkeit weichen; 138 ein Postulat, das auch heute noch seine Gültigkeit hat. Schon Beselers Buchtitel ließ die Diskrepanz zwischen System I 45. zit. nach Beseler, Volksrecht 89. 135 Beseler, Volksrecht 304 f. 136 Beseler, Volksrecht 42; Beseler betrachtet als Sprecher der deutschen Einheitsbewegung die Rezeption nicht nur von der Schattenseite: Als positiv bewertet er, daß die Nation dadurch ein Gemeinrecht hätte, das "dem üppig wuchernden Partikularrecht lange einen festen Damm entgegengesetzt hat", Volksrecht 41. 137 Beseler, Volksrecht 41. 138 Beseler, Volksrecht 306. 133
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Savignys Auffassung der Identität der beiden Rechte und der Wirklichkeit erkennen: "Volksrecht und Juristenrecht". Die Theorie vom Volksgeist war nicht länger haltbar, die Spaltung in Juristenrecht und Volksrecht dargestellt. Die Anerkennung des Juristenrechts als Rechtsquelle leitete sich aus der Autorität der Juristen ab. Im Gegensatz zu der Tätigkeit der römischen Juristen der Kaiserzeit, die durch die Regelung des jus respondendi unterstützt wurden, beruhte die Wirksamkeit des deutschen Juristenrechtes auf einer Art Gewohnheitsrecht. 139 8. Volksrecht und luristenrecht: Einfluß auf die Schweiz
Diese Lehre vom Volksrecht (Gewohnheitsrecht) und Juristenrecht (Recht der Wissenschaft) ergriff in der Schweiz auch Bluntschli, und er legte sie seiner Systematik der Rechtsquellenlehre zugrunde. 140 Die Geltung des Juristenrechts beruhe auf einer freien Autorität; deshalb könne sie im Einzelfall auch den Zweifeln und der Kritik ausgesetzt sein. Nicht die Abzählung der Meinungen sei entscheidend, sondern der wissenschaftliche Charakter, das Wahrheits gepräge der dargestellten Rechtsansicht und die "Empfänglichkeit der Richter oder des Volkes für Anerkennung und Beachtung des Juristenwerks" .141 Auf dieser Grundlage änderte Bluntschli den römischen Sach-, Forderungs- und Zessionsbegriff in seinem Lehrbuch. Er paßte diese Begriffe den Zeitverhältnissen an und übernahm sie danach ins PGB. Die Autorität des deutschen Juristenrechts überzeugte aber auch kantonale schweizerische Gesetzgeber. Im Bereich der Lückenfüllung wurde neben dem Gewohnheitsrecht meist eine weitere Rechtsquelle anerkannt, um bei Schweigen des gesatzten Rechts dem Richter eine objektive Entscheidungsgrundlage zu bieten. Im 19. Jahrhundert war ein Mittel der Lückenfüllung die generelle Verweisung des Richters auf das gemeine Recht. 142 Das gemeine Recht als subsidiäre Rechtsquelle anerkannte der Codice civile des Kt. Tessin von 1882 in Art. 3 und der § 3 des bündnerischen Privatrechts von 1862: 143 Beseler, Volksrecht 88. Bluntschli, Privatrecht Bd. I §§ 6, 7; als weitere Rechtsquelle anerkennt Bluntschli das obrigkeitliche Recht (Gerichtsgebrauch) und Gesetzgebung. 1'1 Bluntschli, Privatrecht Bd. I 20 f. I'~ Oder eine andere fremde Rechtsordnun~; als subsidiäre Rechtsquellen wurden weiters vorgeschlagen oder standen in Geltung: bewährte Lehre und Überlieferung; die allgemeinen oder naturrechtlichen Rechtsgrundsätze. 1'3 Meier..Ha)'oz, Richter 91 ff.; im ZGB hat das gemeine Recht keine lückenausfüllende Funktion mehr. Als Hilfsmittel dient es aber zur Erklärung über Entstehung, Entwicklung 139
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"Für Fälle in welchen dieses Gesetz, selbst mit Hülfe der logischen Interpretation, nicht ausreicht, können im Kanton bestehende Statuten und konstante Rechtsübungen, sowie das gemeine Recht, insoweit dieselben weder dem Wortlaut noch dem Geiste der inländischen Gesetzgebung widerstreiten als subsidiäre Rechtsquelle benutzt werden."
Breite Verwendung fand auch die Literatur der deutschen Rechtswissenschaft in der Schweiz, insbesondere die Lehrbücher des Pandektenrechts. Verstärkt wurde dieser Einfluß durch eine beinahe kontinuierliche Präsenz junger deutscher Romanisten, die angesichts des Fehlens einheimischer Lehrer an die Universitäten Zürich, Basel und Bern berufen wurden. Dadurch haben sie auch auf die praktische Rechtsanwendung eingewirkt. Als bedeutende Vertreter der deutschen Pandektistik lehrten Jhering, Windscheid und Bechmann in Basel, Julius Baron und Philipp Lotmar in Bern, Theodor Mommsen, Dernburg, Hölder und Regelsberger in Zürich. 144 Im Vorwort einer zürcherischen Schrift 145 äußert sich Regelsberger 1868 über seine romanistisch juristischen Eindrücke, die einen Vorgang verständiger Romanisierung des Rechtslebens beschreiben: "Obwohl noch nicht sehr lange Zeit verstrichen ist, daß in den Gerichten dieses Landes das römische Recht den Einen unbekannt, von den Andern verpönt war, findet man jetzt kein Arges, aus diesem unerschöpflichen Born den Rechtsstoff zu bereichern. So würdigt thatsächlich ein nüchternes gegen fremde Einflüsse eher mißtrauisches, auf seine Unabhängigkeit in jeder Hinsicht eifersüchtiges Voll,(, die Bedeutung dieses Rechts für die Rechtsanwendung. Allerdings herrscht keine sklavische Unterordnung unter den Buchstaben des corpus juris; es sind die Prinzipien, es ist der Geist des römischen Rechts, von welchen sich die Rechtsprechung beleben und bestimmen läßt, und man ist hier unbefangen genug, eine Fortbewegung der Rechtsentwicklung über die von jenem Recht gezogenen Schranken anzuerkennen und das Leben nicht gewaltsam in überlebte Formen zu bannen."146 Die Schweiz wurde zwar von der praktischen Rezeption des 16. Jahrhunderts nicht berührt. Durch die aus der romanistischen Schulung hervorgegangene Entwicklung des schweizerischen Rechtslebens kann aber von einer theoretischen Rezeption des römischen Rechts im 19. Jahrhundert gesprochen werden, weil die Begriffs- und Gedankenwelt der deutschen Pandekti. stik Eingang ins schweizerische Recht fand. 147 Zwischen diesen beiden und Ausbau von Rechtsinstituten und Rechtsbegriffen. Damit kann es Richtlinien für die Rechtsfindung liefern. 144 Peter, Zivilrechtswissenschaft 327; Schwarz, Univ. Zürich 20 ff., 29 ff., 40 ff.;Bonjour, Univ. Basel 539 ff. 145 Im ersten Heft seiner "Zivilrechtlichen Erörterungen". 146 zit. nach Schwarz, Univ. Zürich 33 f. 147 Schwarz, Rechtsgeschichte \04; Peter, Zivilrechtswissenschaft 328.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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Rezeptionen sah Regelsberger parallele Vorgänge. Die Rechtsentwicklung der letzten 60 Jahre in der deutschen Schweiz, schrieb er 1893, bietet "überraschende und belehrende Analogien zu der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert. Um den Einfluss der damaligen doctores juris zu begreifen, braucht man nur die Wirksamkeit des Romanisten Keller und seiner auf deutschen (und deutsch-schweizerischen) Universitäten gebildeten Landsleute zu verfolgen."'48
IH. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen 1. Ausbildung des römischen Vermögensrechtssystems
In seiner Antrittsvorlesung in Zürich '49 am 8. Mai 1852 führte Theodor Mommsen l5o aus, das Studium des römischen Rechts sei zweckmäßig. Wenn nicht dem Namen, so werde es gewiß dem Wesen nach bestehen, "solange nichts die gegenwärtige Kultur in ihrem stetigen Verlauf unterbricht" Y 1 Schon jetzt sei das römische Staats- und Sakralrecht, das Kriminalrecht und Familienrecht aus den Vorträgen der Zivilisten ausgeklammert. Beschränkt werde das Studium auf nur einen Teil, der freilich äußerst ausgedehnt und wichtig sei: das römische Vermögensrecht. Aus welchen Gründen? Weil das Vermögensrecht im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten viel weniger abhängig von Zeiten und Nationen sei als von der Entwicklungsstufe der Kultur. Die ausschlaggebenden Grundbegriffe des Vermögensrechts, "in deren Analyse dasselbe besteht, das Recht über eine Sache und das Recht auf eine Sache, Eigentum und Obligation sind bei aller Mannigfaltigkeit der Formen ihrem Wesen nach notwendig dieselben und lassen nur eine prinzipielle Auffassung zu" ,152 Mommsen begründet dies damit, man könne allerdings aus den Pandekten nicht in Erfahrung bringen, ob und wann die Verwendung von Stempelpapier zur Fertigung des Kaufbriefs notwendig sei. Diejenigen "Praktiker, die das Wesen der Praxis in die Kenntnis der Stempelpal'iersorten setzen, finden allerdings mit Grund das römische Recht durchaus unpraktisch. Wer dagegen der Meinung ist, daß Regelsberger, Pandekten I 7 Anm. 9. Wickert, Mommsen 205 ff. 150 Schwarz, Univ. Zürich 22 bezeichnet Theodor Mommsen .. auf dem Zürcher romanistischen Lehrstuhl und in der Geschichte der Zürcher Universität überhaupt als der wissenschaftliche Genius schlechthin". 151 Mommsen, zit. nach Wickert 206. 152 Interessant ist, daß Mommsen hier im Sinne des umfassenden Sachenrechts des ABGB und ALR Eigentum und Obligation unter dem Begriff Vermögensrecht zusammenfaßt und nicht das Sachenrecht systematisch als selbständiger Bereich dem Obligationenrecht gegenüberstellt. 1.8
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
das Wesentliche des Kaufvertrages das Kaufen sei, wird nicht fürchten den praktischen Sinn einzubüßen, wenn er hierüber bei Gaius und Ulpian in die Schule geht". 153 Warum die Anknüpfung der Entwicklung des abstrakten Vermögensrechts am römischen Recht? Nicht weil es das vollkommenste sei, äußert sich dazu Mommsen, denn die Deutschen und Engländer hätten ebenso große Juristen wie die Römer gehabt. Keineswegs verdiene ihr Recht eine absolute Verehrung. Das wisse jeder, "der das ganz schlechte und zum Teil wirklich niederträchtige römische Kriminalrecht kennt, und kann auch der Civilist unter anderm aus dem in allen Epochen des Rechts ganz verkehrt organisierten Pfand- und Hypothekenwesen sehen, wenn er Augen hat" .154 Aber es vereinige in sich die beiden höchsten Vorzüge, welche für eine Rechtsentwicklung denkbar seien: nationaler Ursprung und universelle Entwicklung. Nicht ein Vorzugsrecht juristischer Begabung sei der römischen Nation zuteil geworden. Nach Mommsen konnte sie vielmehr dank ihrer politischen Stellung das Rechtssystem vollständig und selbständig ausbilden. Politisch unabhängig wollten aber auch Preußen, Frankreich und Österreich ihre Rechtssysteme pflegen. Wenn nach Mommsen das wesentlichste Merkmal zur Entwicklung des römischen Vermögensrechts die politische Bewegungsfreiheit war, so hat dies sicher auch für die anderen Staaten Gültigkeit. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, warum eigentlich Savigny die preußische, österreichische und französische Kodifikation abgelehnt hatte. In ihren Geltungsbereichen ist doch versucht worden, seinem Postulat zu entsprechen, das Recht sei Ausdruck des Geistes eines bestimmten nationalen Volkes auf bestimmter historischer Kulturhöhe. Statt dies zu respektieren, beanstandet er das auf zeitgemäßen Grundlagen aufbauende Vermögensrecht des ABGB und zieht dies als Beispiel heran, um seine Pauschalverurteilung zu belegen. Wird dieses Vorgehen sinngemäß mit Mommsen's Überlegungen beleuchtet, handelte Savigny den Forderungen, die eine gedeihliche Entwicklung bedingen würden, vollständig entgegen. Er gestand diesen Ländern nicht zu, ihr Rechtssystem vollständig und selbständig auszubilden, wollte demnach an ihrer politischen Stellung rütteln. Warum? Thieme hingegen ist der Ansicht, daß sich Savignys unpolitische Haltung am ausgeprägtesten in der Kodifikationsfrage zeige, welche die eigentliche äußere Ursache zur Gründung der Historischen Schule war. Es hätte ihn ISl 154
Mommsen, zit. nach Wickert 206. Mommsen, zit. nach Wickert 206 f.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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nicht interessiert, daß es sich hierbei um eine erstrangige politische Aufgabe handle. Er hätte den Vorschlag Thibauts deshalb abgelehnt, weil er nicht in seine Rechtsentstehungslehre paßte. ISS Wieacker ist der Ansicht, Savignys Ablehnung der Naturrechtskodifikationen richte sich gegen den aufgeklärten Rationalismus. 156 Caroni war anfanglich der Meinung, Savigny sei gegen die naturrechtlichen Kodifikationen gewesen, weil neues Recht Geltung erlangte ohne die gebührende Berücksichtigung des überlieferten Rechts; dies hätte die Volksgeistlehre verletzt. 157 Diese Ansicht berichtigte Caroni später dahingehend, der Prüfung der drei naturrechtlichen Gesetzbücher sei im vorhinein die Aufgabe zugefallen, "die zeitliche Opportunität und theoretische Geschlossenheit,' mit anderen Worten die Überlegenheit seines wissenschaftlichen Programms zu beweisen" .158 Nach Conrad war die revolutionäre Grundhaltung der Gesetzbücher ausschlaggebend für Savignys Urteil. Ihren Inhalt hätte er als Mißgriff der Rechtsentwicklung gesehen. 159 Ogris meint, die Kodifikationen paßten nicht in das Konzept von Savignys Rechtsentstehungslehre. Sie hätten neu es Recht setzen wollen, ohne das Überlieferte gebührend zu berücksichtigen. Auch sei Savignys Kodifikationsvorstellung, von der "Volksgeistlehre" geprägt, wesentlich auf die Vollständigkeit der leitenden Grundsätze ausgerichtet. 160 Vielleicht läßt aber gerade Savignys Rechtsquellenlehre und die scharf durchgeführte Trennung von Recht und Politik die dahinterstehende politische Idee verkennen. Es könnte sein, daß der Spieß umgedreht werden müßte: Die Kodifikationen paßten nicht in sein politisches Konzept, deshalb schmiedete Savigny eine seinen Vorstellungen gemäße Rechtsquellenlehre. Nicht so sehr der rechtspolitische Gehalt einer Norm interessierte ihn, sondern vielmehr der formale Aspekt. "Über den materiellen Werth des Römischen Rechts können die Meinungen sehr verschieden sein, aber über die hier dargestellte Meisterschaft in der juristischen Methode sind ohne Zweifel alle einig, welche hierin eine Stimme haben", 161 lobt Savigny denn auch die Vorzüge dieses Rechts.
ISS 156 157 158 159 160
161
Thieme, Deutsche Rechtswissenschaft 63. Wieacker, Privatrechtsgeschichte 365 Anm. 55, 373, 385. Caroni, SZGerm 86 (1969) 143, 172 f. Caroni, Bemerkungen 113. Conrad, Savigny 7. Ogris, Wissenschaft 154. Beruf 35.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
2. Savignys Rechtsquellenlehre in seiner "Methodenlehre" 1803
Auf das systematische Element legt Savigny auch in seiner Methodenlehre von 1803 größten Wert. 162 "Die Gesetzgebungswissenschaft" , wie Savigny die Rechtswissenschaft bezeichnet, müsse historisch und philosophisch zugleich sein. 163 Dabei bedeutet philosophisch nicht etwa eine Übernahme naturrechtlicher Lehrsätze. Philosophisch müsse im Sinne von systematisch verstanden werden,164 denn "alles System führt auf Philosophie hin" .165 In dieser Methodenlehre anerkennt Savigny im Gegensatz zu seinem später vertretenen Primat des vom Volksgeist erzeugten Gewohnheitsrechts als einzige Rechtsquelle nur das Gesetzesrecht. Das formale Element scheint insbesondere bei der von Savigny vertretenen Unzulässigkeit der "extensiven" und "restriktiven" Interpretation durch. Sie beinhaltet eine den Gesetzeswortlaut nach dem Zweck oder Grund des Gesetzes erweiternde oder einschränkende Auslegung. Savigny lehnt sie ab, weil der Grund oder Zweck regelmäßig nicht Inhalt des Gesetzes sei. 166 Diese müßten daher vom Interpreten auf eine "künstliche Art gefunden und hinzugetan werden". Diese "Operation" wäre aber "willkürlich". Dem Richter ist eine schöpferische Rechtsfortbildung demnach verwehrt, denn er ist nicht der "Prätor, der Gesetze geben konnte". "Eine Vervollkommnung der Gesetze ist zwar möglich, allein bloß durch den Gesetzgeber, nie durch den Richter darf sie vorgenommen werden" .167 Wie ist der Meinungswandel zu erklären, daß Savigny 1814 nicht mehr das Gesetz, sondern nur noch die Rechtswissenschaft, das luristenrecht, als Rechtsquelle gelten lassen will? 3. Die geänderte Rechtsquellenlehre 1814
Diese Meinungsänderung sollte nicht außer halb des Kontextes der geschichtlichen und politischen Situation betrachtet werden. Durch den Mjßbrauch der französischen Revolutionsgesetzgebung und der Befreiung von der Herrschaft Napoleons wurde in Savigny wie in anderen Deutschen ein Nationalismus wachgerufen, mit dem sich eine Abneigung gegen Natur162 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte 369ff. m.;". H.: Savignys Marburger Vorlesung "Juristische Methodenlehre" (1802/03) wurde nach der Ausarbeitung des Jakob Grimm von G. Wesenberg herausgegeben. 163 Methodenlehre 14. 164 Larenz, Methodenlehre 8. 165 Savigny, Methodenlehre 48. 166 Savigny, Methodenlehre 40; vgl. Larenz, Methodenlehre 10. 167 Savigny, Methodenlehre 43.
IH. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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recht, Revolution und Gesetzgebung verband. 168 Am heftigsten lehnt Savigny im "Beruf' daher auch den französischen Code civil ab. "Die Revolution nämlich hatte zugleich mit der alten Verfassung auch einen grossen Theil des bürgerlichen Rechts vernichtet, bei des mehr aus blindem Trieb gegen das Bestehende und in ausschweifenden, sinnlosen Erwartungen von einer unbestimmten Zukunft, als von dem Wahn eines bestimmten, für trefflich gehaltenen Zustandes geleitet."169 In politischer Absicht verkündet Savigny seine Ansicht von der Rechtsauffassung der Französischen Revolution. Diese versuchte, die von der Aufklärung entwickelten Grundsätze zu verwirklichen. Die Aufklärung zog das überkommene Recht vor das Forum der Vernunft, deren Kritik es ausgesetzt wurde. Das Instrument der Kritik war das Natur- oder Vernunftrecht, beruhend auf dem Gedanken von Freiheit und Gleichheit. Das führte zur Forderung nach einer Änderung der menschlichen Gesellschaftsordnung. N~ch der Vernichtung des Überkommenen sollte diese Stelle entsprechend dem rationalen Modell das Naturrechts eine neue Ordnung einnehmen. Die Organisation der menschlichen Gesellschaft nach vernunftrechtlichen Grundsätzen sollte durch eine Gesetzgebung erreicht und gesichert werden. Als Ergebnis dieser rechtlichen Bestrebungen entstanden das österreichische ABGB, das preußische ALR und der Code civil. Nicht der Richter, dem die Vertreter der Aufklärung mißtrauisch gegenüberstanden, sollte ihre Rechtsideale verwirklichen; ihnen gestand die Aufklärung keine Rechtsschöpfung zu. Gegen diese Rechtsauffassung stellt Savigny seine Lehre. 170 So schrieb er: "In dieser Zeit hatte sich durch ganz Europa ein völlig unerleuchteter Bildungstrieb (sc Aufklärung) geregt. Sinn und Gefühl für die Grösse und Eigentümlichkeit anderer Zeiten, so wie für die naturgemäße Entwicklung der Völker und Verfassungen, also alles, was die Geschichte heilsam und fruchtbar machen muss, war verloren." Im bürgerlichen Recht verlangte "man neue Gesetzbücher, die durch ihre Vollständigkeit der Rechtspflege eine mechanische Sicherheit gewähren sollten, indem der Richter allen eigenen Urteils überhoben, bloß auf die buchstäbliche Anwendung beschränkt wäre". 171 Das ABGB hatte dieses aufklärerische Gesetzgebungsideal der Vollständigkeit überwunden; es ging vielmehr vom Verständnis eines unvollständigen Gesetzbuches aus und verwies auf die subsidiären Rechtsquellen wie die Analogie und die natürlichen Rechtsgrundsätze. Zeiller war schon 1801 bei den Beratungen des ABGB der Ansicht, die Forderung eines vollständigen 168 169 170
17l
Kantoroll'icz, SZRom 53 (1933) 471. Beruf 55. Coing, ZBJV 91 (1955) 330 ff. Beruf 4 f.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
Gesetzbuches "sei unläugbar die schwerste, und jede Gesetzgebung müsse daran scheitern, ... wenn sie die Richter an die buchstäbliche Anwendung der Gesetze bindet". 172 Das römische Recht vor Augen, das sich überwiegend als Juristenrecht entwickelte, stellte Savigny dem Gesetzgeber der Aufklärung die Rechtswissenschaft gegenüber. Als Rechtsquelle soll das Juristenrecht, innerhalb des Juristenstandes durch Wissenschaft und Rechtsprechung gebildetes Recht, dienen. Er setzt der umstürzenden Neuerung durch Kodifikationen die organische Weiterentwicklung, dem Gesetzgeber den Juristenstand gegenüber. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Aufklärung vertritt Savigny eine konservativ-ständische Rechtslehre. m a) Die formale Rechtsauffassung Indem Savigny die Juristen in die formale Ecke des Rechners mit Begriffen verwies, sie zurück zu den Quellen schickte, verpaßte er ihnen ein unpolitisches Image: rechtspolitische Fragen sollten für sie ohne Belang sein. So berichtet ein Student aus dem Jahr 1818: bei Savigny "ward ein festes System ohne alle Abweichung und Wandelbarkeit in unübertrefflicher Anordnung dargestellt; alle Einwendungen wurden kurz beseitigt, alle einzelnen Fälle unter die allgemeine Regel mit bindender Notwendigkeit subsumiert. Bei Schleiermacher erhielten wir kein festes System, sondern er ließ uns den Prozeß des Geistes zur Annäherung an die Wahrheit durchmachen ... "174 Die naturrechtliche, wertbezogene Kritik mußte der eleganten Quellenforschung weichen. Über den antiquarischen Kurs der deutschen Wissenschaft klagte der Germanist Mittermaier: "Nichts ist trauriger, als wenn man so viele junge Leute auf unseren Universitäten sieht, die nichts anderes tun, als nach Varianten haschen oder dem Geburtsjahre einer Lex nachzuspüren. Wie viel gibt es doch in unserer Jurisprudenz noch zu tun, was näher liegt." 175 Die Rechtswissenschaft hatte zwar wieder Ansehen erreicht, allerdings auf Kosten des Einflusses auf Praxis und Gesetzgebung. Diese Lage beschreibt v. Armin, der Schwager Savignys: "Als ob nicht überall die neuen Gesetze sich vordrängten, ohne daß die Juristen auch nur die mindeste Stimme dabei behalten, weil sie sich nicht zur rechten Zeit darauf einlassen. Nun kann einer freilich nicht zehnerlei zu gleicher Zeit treiben, aber dann sollten die römischen Juristen unsere Gesetzgebung ganz aus dem Spiel lassen, weder zu 172 173
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Olner, I 6. Coing, ZBJV 91 (1955) 333 f. Gustav Parthey, Jugenderinnerungen, 11 236, zit. nach Thieme. DJZ 1936. 156. Mittermaier, Brief an Hänel vom 6. Jan. 1828, VB Leipzig, zit. nach Thieme, DJZ
1936, 156.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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neuen Gesetzbüchern auffordern, noch davon abmahnen; es kommt nichts dabei heraus. Diese Meinung habe ich Savigny nie verhehlt."176 In diesen Methoden sah Johann Jakob Bachofen die Rechtskultur des eigenen Volkes gefährdet: "Die Jurisprudenz der Logik und der mathematischen Deduktion auf dem Grunde römisch-rechtlicher Sätze ist unserm Volke fremd und seinen ganzen Geistesanlagen zuwider." 177 Auch Gans wandte sich gegen den engen Gesichtskreis der Historischen Schule. Dieser müsse erweitert werden. "Wie löblich auch die jetzt den jüngeren Männern fast zur Sitte gewordene Beschäftigung ist, den Blick nach den noch unbenutzten Variantenschätzen zu richten, und wie selig auch der Fund einiger neuer Blätter alter Codices machen müßte, es ist ein tieferer Blick, der in den noch unaufgeschlossenen Reichtum ergrauter Rechtsinstitute führt, es ist eine höhere Seligkeit, sich der Notwendigkeit, des Begriffs bewusst zu sein." 178 Savigny selbst anerkannte in seiner Methodenlehre von 1803 sehr wohl eine Verbindung der Jurisprudenz mit der Politik. Vor allem in der historischen Behandlung der Jurisprudenz "werde die politische Maxime als Grundlage des Gesetzes aufgesucht. Aber hier ist die Jurisprudenz doch immer noch Zweck. Allein man kann auch die Jurisprudenz selbst darstellen, zu einer Kritik der Politik, zu einer Vergleichung der Gesetzgebung mit ihrem Erfolg und dadurch also zu einem Urteil über politische Maximen."179 Vor allem "ein Werk existiert, worin ein historisches Studium aller Gesetzgebung zu allgemein politischen Ansichten und Zwecken einzig und gründlich benutzt ist: Montesquieu, Esprit des lois".180
Montesquieu war ein Vorgänger der geistigen Grundlagen von Sa vigny. 181 Trotz seiner Mißachtung des 18. Jahrhunderts erwähnt Savigny auch im "Beruf' Montesquieu mehrmals. 182 Montesquieu hat das Recht in AbhängigBrief A. v. Armin vom 15.1l.l816 an die Brüder Grimm, Stoll II 157. Selbstbiographie von 1854 zu Händen Savignys, zit. nach Thieme, DJZ 1936, 158. 178 Gans, Erbrecht Bd.l XLI. 179 Methodenlehre 34f. Vgl. Hartlrieg, Rechtstatsachenforschung 18: "Eine Rechtstatsachenforschung, die ... die Berührungslinie von Recht und Wirklichkeit als Erkenntnisobjekt wählt, muß über die rechtlichen Kategorien hinausgehen und die Wirklichkeit erforschen." - Arthur Nussbaum hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Antwort auf die Justizkritik seiner Zeit, die der Justiz .. Lebensfremdheit", "Wirtschaftsferne" und ähnliches vorwarf, die Forderung nach der Rechtstatsachenforschung erhoben; Röhl, Rechtssoziologie 47. 180 Savigny, Methodenlehre 35. 181 KantorOlricz, Historische Zeitschrift 304; Biographisches Wörterbuch 2449 ff. 182 ZB auf S. 41, 125. 176 177
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
keit von den Besonderheiten der einzelnen Völker gesehen. Das Recht hänge nur zum Teil vom Volksgeist (i'esprit de la nation) ab; dieser könne auch von dem vom Gesetzgeber erzeugten Recht beeinflußt werden. Dadurch bestätigte er die Autonomie des Gesetzgebers. Denn im Buch "De l'esprit des lois" untersuchte Montesquieu die historischen Bedingungen der Rechtsbildung von Staats- undZivilgesetzen. Erläuternd führte er in sein Werk ein: "Sie (sc Gesetze) müssen dem Volk, für das sie geschaffen sind, so genau angepasst sein, daß es ein sehr großer Zufall wäre, wenn sie auch einem anderen Volke angemessen wären. Sie müssen der Natur und dem Prinzip der bestehenden oder erst zu errichtenden Regierungsform entsprechen, mögen sie nun die Regierung prägen, wie die Staatsgesetze, oder aufrechterhalten, wie die bürgerlichen Gesetze ... Schließlich stehen sie in Beziehungen zueinander: zu ihrem Entstehungsgrund, dem Willen des Gesetzgebers und der Ordnung der Dinge, für die sie bestimmt sind. Von allen diesen Gesichtspunkten aus muß man sie betrachten. Dies soll die Aufgabe des vorliegenden Werkes sein." Alle diese Beziehungen wolle er untersuchen: sie alle zusammen bilden den "Geist der Gesetze."18J b) Anpassung der Volksgeistlehre Savigny änderte allerdings diese Lehre und läßt die Gesetzgebung weg. Folge davon war, daß die Historische Schule Quelle und Stütze konservativer Kräfte der Restaurationszeit wurde. Nur gemäßigter Fortschritt, der niemand in seiner Ruhe störte, wurde als naturwüchsige historische Entfaltung anerkannt. Alles über dieses Maß gehende konnte als Bruch mit der Geschichte verworfen werden; dies war durch die Lehre abgesichert. 184 Unfreie politische Zustände sind aber auch für das Vermögensrecht nur dürre Felder, auf denen eine Entfaltung stark eingeschränkt ist. Meiner Meinung nach ist die Kritik von Savigny an den drei Gesetzbüchern, daher auch sein Tadel über das Vermögensrecht des ABGB, aus überwiegend politischer und nicht rechtlicher Sicht zu sehen. 183 Montesquieu, De I'esprit des lois, zit. nach Hattenhauer, Textbuch 216 f.: Elles doivent etre tellement propres au peuple pour lequel elles sont faites, que c'est un tres grand hasard si celles d'une nation peuvent convenir a une autre. 11 faut qu'elles se rapportent a la nature et au principe du gouvernement qui est etabli, ou qu'on veut etablir; soit qu'elles le forment, comme font les lois politiques; soit qu'elles le maintiennent, comme font les lois civiles. Enfin elles ont des rapports entre elles; elles en ont avec leur origine, avec l'objet du legislateur, avec I'ordre des choses sur lesquelles elles sont etablies. C'est dans toutes ces vues qu'il faut les considerer. C'est ce que j'entreprends de faire dans cet ouvrage. J'examinerai tous ces rapports: ils forment tous ensemble ce que I'on appelle I'esprit des lois. 184 Vgl. Stintzing, v. Savigny 45 f. - Vgl. die Gründe für die Erneuerung der österreichischen Privatrechtswissenschaft im Geiste der Historischen Schule.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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c) Völkerschlacht bei Leipzig Schon vor Niederlegung der Reichskrone im Jahre 1806 schwand im Verlauf der Napoleonischen Siege der alte Reichsgedanke. Sichtbarer Ausdruck der Auflösung des alten Reiches war der Rheinbund. Er stand unter dem Protektorat des Kaisers der Franzosen. Napoleon verlangte unter anderem die Rezeption des Code Napoleon. Durch das einheitliche Recht wurde das eindrucksvollste Zeichen gesetzt, um Zusammenhang und Aufbau des Napoleonischen Herrschaftssystems zu demonstrieren. (Den Adlern folgen die Codes). 185 Nach der Völkerschlacht bei Leipzig (16./19. Oktober 1813), bei der die Napoleonischen Armeen zerschlagen und an den Rhein zurückgedrängt wurden, löste sich der Rheinbund auf. Im Dezember 1813 schrieb Savigny an Eichhorn, daß er gelegentlich zu erfahren wünschte, "ob noch gar nicht vom Code Napoleon die Rede gewesen ist, dessen Abschaffung ich überall für eben so dringend als ungefährlich halte. Ich habe in früheren Zeiten einmal darüber schreiben wollen. Jetzt habe ich es unteriassen. 186 Denn die politischen Gründe dagegen muß man sich schämen den Leuten sagen zu wollen (sc daß so viele Deutsche es waren, die ihn im Rheinland angenommen hatten) und die inneren Gründe treffen zum Theil auch das Landrecht, welche Zusammenstellung aber in diesem Augenblick ich für sündlich halte."187 Seit den Befreiungskriegen und der Romantik erklärten nicht nur die Repräsentanten der rechts historischen Schule den Staat und sein Recht aus der Tiefe des Volksgeistes und vertraten eine allmähliche, völlig organische Entwicklung. Die Vorherrschaft des geschichtlichen Denkens in Staat, Politik und Gesellschaft war durch den Aufstieg der historischen Wissenschaften mitbeeinflußt. Entsprach doch dem Experiment in der Naturforschung die Quellenkritik der Geschichtsforschung. Vor allem Niebuhr hatte nachgewiesen, als Voraussetzung historischen Erkennens sei es notwendig, zu den ursprünglichen Quellen vorzudringen. So wurde die durch Hegel und Ranke errungene Universalität der Geschichtsschreibung gleich den Naturwissenschaften durch eine fortschreitende Spezialisierung eingeschränkt. Aber die "Geschichte" wurde auch zunehmend zur Waffe in den politischen Auseinandersetzungen und begab sich in einen Prozeß der Nationalisierung und Politisierung. Die Nationalstaatsidee rückte stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses; die Historiker erkannten den Nationalstaat als beste Form politischer Gestaltung. 188 Der Historiker Niebuhr lehrte wie Savigny und Eichhorn an der 1809 gegründeten Berliner Universität. Diese 185 186 187
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12*
Bussmann, Römisches Reich 412 ff.
Warum er es 1814 im "Beruf' getan hat, versuche ich darzustellen. Brief an Eichhorn vom 3.12.1813, Stall II Nr. 252, S. 94. Bussmann, Europa 163 ff.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ableh~ung der Kodifikationen
konnte als geistiger Mittelpunkt des mit dem preußischen Staat eng verwobenen Interesses gelten, Befreiung und Einigung des deutschen Volkes zu erstreben. 189 4. Der Wunsch nach der Einheit Deutschlands
Am 31.3.1814 zogen die Alliierten nach einer Reihe von Schlachten in Paris ein. Wie einem Brief vom April 1814 zu entnehmen ist, wollte Savigny keine Restauration des alten deutschen Reichs, wohl aber nach einem Neuaufbau der deutschen Staatenwelt eine Einheit. Diese zu erreichen, war seiner Meinung nach ein schwieriges Vorhaben. "Die Einheit von Deutschland vor dem Umsturz des Reiches war doch nur ein übertünchtes Grab, und eine wahre Einheit kann nur kommen, wenn Ein Fürst und Ein Volk nach allgemeinem Gefühl Mittelpunkt des Ganzen wirklich iSt."190 Von Interesse im Hinblick auf seine in kurzer Zeit nachher erfolgende Ablehnung des ABGB ist Savignys durchschimmernde Präferenz für die kleindeutsche Reichsgründung. "Österreich hat wenig inneren Anspruch darauf, die alte Gewohnheit war viel, so lange sie nicht unterbrochen war, jetzt scheint es selbst den Gedanken ganz aufgegeben zu haben. Auch ist mir, als ob jeder große Plan dieser Art nicht ins Werk kommen könne, so lange die Fürsten leben, die selbst der schweren Sünde so frisch gedient und geholfen haben, die kommende Generation hat das zum voraus, daß sie sich nicht in politische Gräuel eingewöhnt hatte."191 Meiner Meinung nach hat Savigny die drei naturrechtlichen Gesetzbücher nicht aus rechtswissenschaftlichen Gründen abgelehnt; ihm schwebte als oberstes Ziel die Einheit Deutschlands unter Führung eines Kaisers vor. Savigny war sich wohl bewußt, daß die mehr als 30 selbständigen politischen Gebilde sich. nicht auf ein gemeindeutsches Gesetzbuch einigen würden. Schon Napoleon hatte vorgeführt, daß ein einheitliches Zivilrecht dem Zusammenhalt eines Herrschaftssystems dient. Hätten nunmehr dem Beispiel Frankreichs, Preußens und Österreichs folgend, einzelne deutsche Staaten Kodifikationen eingeführt, wäre eine Reichsgründung unter einem Kaiser immer schwieriger durchzuführen gewesen. Weil eine gesamtdeutsche Kodifikation zu dieser Zeit undurchführbar war, lehnte er kurzerhand jede Kodifikation ab und verstärkte dieses Anliegen mit der Behauptung, daß die Zeit nicht zu der Aufgabe der Gesetzgebung berufen sei. Um eine Rechtseinheit trotzdem herzustellen, weil dadurch zu gegebener Zeit die Erreichung der deutschen Einheit vorbereitet und erleichtert werden sollte, führte er die 189
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Braubach, Revolution 72 f. Brief an Wilhelm Grimm vom 29.4.1814, Stoll 11, Nr. 258, 104. Brief an Wilhelm Grimm vom 29.4.1814, Stoll 11, Nr. 258, 104.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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Rechtswissenschaft als neue Rechtsquelle ein. Die Philosophie, die Volksgeistlehre war ihm dabei Mittel zum Zweck. Aus dieser Sicht betrachtet sind viele in der Literatur diskutierte Widersprüche in Savignys Lehre aufzulösen. Als Thibaut in der Begeisterung der Befreiungskriege für die Schaffung eines gesamtdeutschen Gesetzbuches eintrat, änderte Savigny seine einige Monate zurückliegende Absicht, sich nicht über den Code zu äußern: "Für Deutschland aber, das der Fluch dieser Revolution nicht getroffen hatte, war der Code, der Frankreich einen Theil des Weges zurückführte, viel mehr ein Schritt vorwärts in den Zustand der Revolution hinein, folglich verderblicher und heilloser als für Frankreich selbst." 192 Eine nationale Kodifikation hätte auch die historische Legitimität angezweifelt, denn durch die Restauration kommen die alten Überlieferungen noch einmal auf. Den Völkern gegenüber würde diese Kodifikation eine über Territorien und Dynastien hinwegschreitende zentrale Gesetzgebung vorspielen, legitimiert aus demokratischer Vollmacht. 193 Savigny hielt aber, wie er im November 1814 schrieb, "einen Kaiser für das höchste, ab.er einen wahren Kaiser, der die Glorie seines Namensfühlt und darin handelt. Aber wenn wir jetzt einen Scheinkaiser erhielten, der den vollen Rang und Namen wieder wie sonst klein und ohne deutsches Herz gebrauchte, und dadurch um Glanz und Zutrauen brächte, wäre nicht besser eine fortdauernde Vacanz, bis Begriff. Gefühl und Bedürfnis des Wahren recht gereift wäre in vielen Herzen? Das Wichtigste ist, dass alle brave Leute in lauter und stillschweigender Einstimmung die Einheit des deutschen Namens voraussetzen und ausdrücken in ihrer nahen undfernen Umgebung, in Geschäften, in Büchern und auf Universitäten, die wahrhaftig jetzt wieder recht wichtig werden können." 194 Auf dem Wiener Kongreß sollte eine "Restauration" vollzogen werden, orientiert nach dem durch die neuen Machtverhältnisse geschaffenen "Status quo". Das monarchische Prinzip der Legitimität wurde zur Sanktionierung dieses Zustandes herangezogen. 195 Wenige Tage vor Beginn des Wiener Kongresses konnte Savigny "keinen Zustand Deutschlands für dauernd befriedigend erkennen ohne einen rechten Kaiser ... "196
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Savign)', Beruf 57. Wieacker, Aufstieg 44.
Brief an Jakob Grimm vom 8.11.1814, Stoll 11, Nr. 282, 125 f. Bussmann, Römisches Reich 432. Brief an Jacob Gri~m vom 1.4.1815, Stoll 11, Ne. 286, 131.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
5. Rechtseinheit durch Rechtswissenschaft
Ein engerer Zusammenschluß der deutschen Staaten wurde nicht erreicht. Er scheiterte sowohl am Dualismus der beiden deutschen Großstaaten als auch am Souveränitätsbewußtsein der Mittel- und Kleinstaaten. Der Deutsche Bund, ein Staatenbund, entstand. 197 Im Deutschen Bund wurden keine gesetzgebenden Organe eingerichtet. Eine Vereinheitlichung des Rechts durch eine Kodifikation auf nationaler Ebene war daher eine politische Unmöglichkeit. 198 Savignys Absicht, die Rechtseinheit durch die Rechtswissenschaft zu sichern, um dadurch eine neue Reichseinheit vorzubereiten, trat deutlicher als in der Auseinandersetzung mit Thibaut in seiner Rezension gegen Gönners Buch "Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unserer Zeit", Erlangen 1815, zutage. Gönner rügte unter anderem an Savignys Programm, ein erträgliches Gesetzbuch sei besser als gar keines oder als das unerträglich veraltete Corpus iuris civilis; Savigny hätte übereilt und in ungenügend begründeter Weise die drei Kodifikationen verurteilt; Gönner befürchtete ferner, daß durch die historische Methode die Rechtswissenschaft zugunsten einer einseitigen Gelehrsamkeit den Zusammenhang mit dem Leben aus den Augen verliere. Weiterhin ließ sich Gönner auch zu herabsetzender Polemik hinreißen, wie "leider habe nur Herr von Savigny von Rechtswissenschaft gar keinen Begriff'. Den einzelnen Territorien empfahl er eine gesonderte Gesetzgebung. 199 Nach Erscheinen dieses Buches schrieb Savigny an Wilhelm Grimm, er "werde darauf dienen, wünschte aber, daß recht Viele und an vielen Orten ihm sagten, was er werth ist. Ich fordere Sie auf, wenn Sie dort das Buch bekommen können, eine Anzeige des politischen darin (z. B.... Trennung der deutschen Staaten durch Gesetzbücher pp.) für den rheinischen Merkur machten, was aber recht bald geschehen müsste". 200 Savigny trat Gönners Buch in Form einer Rezension mit ganzer Kraft entgegen. 201 Er warf Gönner vor, noch vor wenigen Jahren hätte er unter Napoleonischer Herrschaft die Gesetzgebung der Einzelstaaten des Rheinbundes für unmöglich erklärt. Dadurch wollte er die allgemeine Annahme des Code empfehlen. "Einheimische Gesetzbücher waren also unmöglich", erinnert sich Savigny, "so lange es galt, durch ihre Entfernung der fremden Tyrannei in die Hände zu arbeiten, und sie sind jetzt möglich, wo in ihnen ein Bussmann, Römisches Reich 434. Vgl. Seagle, Weltgeschichte 429. 199 Landsberg, IIII2,156 ff. 200 Brief an Wilhelm Grimm vom 15.4.1815, StollII, Nr. 289,135. 201 Die Art dieser Rezension beurteilt Landsberg, 11112, 159: "von oben herab, herb brutal, ironisch, persönlich erbarmungslos. Eine Hinrichtung." 197
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Mittelgefunden scheint, der innigeren Vereinigung der Deutschen entgegenzuwirken. Und alle diese Proben absoluter Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit und das Vaterland zugleich werden hier mit der größten Unbefangenheit gegeben, ohne irgend eine Spur von Schüchternheit und Beschämung!" . . . "Nicht zu gedenken, daß in mehreren deutschen Regierungen eine unverkennbare Neigung der Absonderung obwaltet, ohne Zweifel weil man glaubt, daß dadurch am besten auch selbst der Schein irgend einer Abhängigkeit vermieden werden könne. Nimmt man nun hinzu, daß nach unserm Verfasser das Gesetzbuch die eigentliche Grundlage alles wissenschaftlichen Rechtsstudiums sein soll, so ist die unvermeidliche Folge seines Vorschlags, und ohne Zweifel auch die deutlich gedachte Absicht desselben, daß in dem Recht sowohl als in dem Rechtsstudium der Deutschen alles Gemeinsame aufhöre. Ein solcher Vorschlag kann jedem, der das deutsche Vaterland liebt, schon um dieser Vaterlandsliebe willen nicht anders als sehr schmerzlich sein: er ist aber auch an sich, für das Recht jedes einzelnen Staats verderblich. "202 An Jakob Grimm schrieb Savigny: "Gönner hat ein Buch gegen meinen Beruf geschrieben, voll der aufrichtigen Napoleonischen Teufeley. Ich habe ihm im 3ten Stück der Zeitschrift ausführlich gedient, können Sie auch noch Steine auf ihn werfen, so thun Sie es, es ist Vaterlandssache ... "203
6. Recht, Gesetz und Staat Nach Gans hat hingegen die Historische Rechtsschule geradezu eine "babylonische Verwirrung" angerichtet, weil die Fülle historischen Reichtums für die Zwecke der Rechtskunde nur "schädlich" war; deren Aufgabe sei es aber, die Kenntnis des geltenden Rechts eines Staates zu vermitteln. 204 Den Ansprüchen der Rechtswissenschaft genüge die Historische Schule jedoch auch nicht. Die Rechtswissenschaft vermittle nicht nur Kenntnisse an Juristen, sondern hätte mit etwas anderem, mit Ideen zu tun. Der Begriff des Rechts könne unter einem doppelten Gesichtspunkt betrachtet werden: Die Philosophie des Rechts sei die wirkliche Gegenwart, "die in Gedanken erfaßte gegenwärtige Welt des Rechts der Sittlichkeit und des Staates". Die Rechtsgeschichte beschreibe das Werden dieser gegenwärtigen Welt. 20S Gans tritt der Historischen Schule denn auch mit Vorwürfen zweifacher Art entgegen: Durch die Vernachlässigung der philosophischen Seite hätte sie die Rechtswissenschaft in eine "schmachvolle Gedankenlosigkeit" ge202
203 204 20S
Savigny, Zeitschrift f. gesch. RW, Bd. 1,414, zit. nach Stintzing, Savigny 43 f. Brief an Jakob Grimm vom 16.5.1815, Stoll II, Nr. 292, 139. Gans, Erbrecht Bd. 1. XXVII f. Gans, Erbrecht Bd. 1 XXX f.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
führt. Alles "Philosophische und Substantielle" hätte sie ausgestoßen, "so daß nur noch die Hülse des Einzelnen und Positiven übrig bleibt". 206 Auch in rechtsgeschichtlicher Hinsicht mangle es der Historischen Schule an ideenmäßiger Klarheit. Für die Rechtskunde leiste sie zuviel, für die Rechtswissenschaft zu wenig. Diese sei als eine mit "allerlei historischem Apparat behängte Rechtskunde verstanden" worden. Dadurch sei der sonderbare Konflikt entstanden, daß die bestimmte Aufgabe der Rechtsgelehrsamkeit, sich für den Staat einzusetzen, im Nebel einer vermeintlichen historischen Wissenschaft aufgelöst worden sei. 207 Gans empörte sich, als von Seiten der Historischen Schule behauptet wurde, Gesetz und Gewalt seien identisch. "Dieselbe schmachvolle Beschränktheit, welche einer Zeit den Beruf zur Gesetzgebung" abspreche, glaube, das Recht dürfe nicht in ausdrücklicher Weise festgesetzt werden. Unsicherheit und Widerspruch sei die Folge, ohne eine höhere Einheit hervorzubringen. Die Zeit sei aber über jene Unmittelbarkeiten naiver Rechtsbildungen hinaus. Heute sei es der Staat, "der von allem das Bewußtsein haben muß, und die letzte Entscheidung über Alles, was das Gesetz ist".208 Deutlich hebt Gans die Wechselwirkung zwischen Gesetz und Staat hervor. Dies ist m. E. genau der Grund, warum Savigny gegen ein noch nicht politisch durchsetzbares nationales Gesetzbuch und gegen die bestehenden vernunftrechtlichen Gesetzbücher kämpfte: Jede Kodifika,tion hätte eine gewisse Selbständigkeit der einzelnen Staaten herbeigeführt. Savigny ~r kannte darin wohl ein Schwinden der Chancen, falls die Zeit dazu bereit sein würde, ein neues Kaiserreich zu errichten. Deshalb lehnte Savigny kurzerhand jede Kodifikation ab. Denn nicht Zwang ist es, meint Gans, der das Gesetz vom Recht unterscheide. Der Unterschied liege vielmehr darin, daß sich im Gesetz das Recht, die Substanz des Staates durchgesetzt hätte. Das bürgerliche Recht sei dann nicht mehr ein bloß formelles und abstraktes Recht. Indem es in der Gesetzgebung eines bestimmten Staates erscheine, hätte es die Natur dieses Staates angenommen und sei von seinem Wesen überhaupt durchdrungen. 209 Bedenklich finde ich Savignys formalen Angriff auf das Bayrische Criminalgesetzbuch von 1813: In wenigen Jahren seien hundert elf Novellen erschienen. Daher habe "in der That eine Zeit", welche begründet oder unbegründet Anlaß zu einer solchen Änderung böte - worüber Savigny sich "alles Urtheils enthalte" - "keinen Beruf zur Abfassung eines Gesetzbuches 206 207 208 209
Gans, Erbrecht Bd. 2, VII f. Gans, Erbrecht Bd. I, XXIX; vgl. Landsberg III/2, 358. Gans, Erbrecht Bd. 2, 293. Gans, Erbrecht Bd. 2, 293.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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zu haben".210 Um seine Position zu verteidigen, bekämpft Savigny alles, was seinen Zwecken und Zielen abträglich war. Feuerbach, der Schöpfer dieses Gesetzbuches, setzte sich für eine vernunftrechtliche Gesetzgebung ein. Gerade die furchtbarsten Rechtsaltertümer, Folter, Tortur und Rad, glorifizierte er nicht ob ihrer Überlieferung. 1806 erreichte er die Abschaffung der Folter in Bayern; im Strafgesetzbuch brachte er die Postulate der Aufklärung in das peinliche Recht ein. Feuerbachs kriminal politischer Leitgedanke war der auf die Magna Charta zurückführende, in der französischen Verfassung vertretene Grundsatz "nulla poena sine lege". Das Strafgesetzbuch begründet die Strafgewalt nicht nur, sondern begrenzt sie vor allem; "der Staat wird vom Verbrecher, der Verbrecher vom Staat geschützt".2lI Sein Wirken genießend, schrieb Feuerbach seinem Vater: "Meine Arbeiten gehen unmittelbar auf das Wohl von Millionen, die mir vielleicht einmal noch spät eine bessere Gesetzgebung danken."212 Anstelle von Brauchtum und Gewohnheit hob Feuerbach die besondere Bedeutung des Gesetzbuches als Rechtsquelle für das Strafrecht hervor. Er erkannte klar die damit vollzogene grundsätzliche Trennung von der Historischen Schule. 213 Seine Vorbehalte gegen Savignys Kritik gegen eine Gesetzgebung äußerte Feuerbach unter anderem 1816 in "Einige Worte über historische Rechtsgelfo!hrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung". Das Übel sei, daß "unsere Rechtswissenschaft, selbst in ihrer unmittelbaren Beziehung auf das Leben, historisch-antiquarisch ist, daß sie dieses nach dermaliger Beschaffenheit der Rechtsquellen sein muss."214 Der römische Rechtsgelehrte und sein Recht wäre etwas vollständig anderes als unser heutiges Rechtswesen. Saß doch der römische Rechtsgelehrte auch nicht hinter alten Denkmälern und Manuskripten, sondern schöpfte sein Wissen aus dem Buche des bürgerlichen Lebens. Feuerbach verurteilte, daß durch das fortgesetzte historisch-antiquarische Forschen ein den Bedürfnissen der Zeit angepaßtes einheimisches Gesetzbuch "oder (weil man bei deutschen Angelegenheiten in der Mehrzahl sprechen muß) nach einheimischen Gesetzbüchern" entbehrlich gemacht werden solpIS Als Vertreter des Rechtsstaatsgedankens unterschied sich Feuerbach von den späteren "Positivisten", weil er einen an Werten wie Gerechtigkeit, Savigny, Stimmen 237 f. Bloch, Naturrecht 107; Wolf, Rechtsdenker 564. 212 Biographischer Nachlaß I 126, zit. nach Wolf, Rechtsdenker 564 Feuerbachs Arbeiten waren begleitet von heftigen Anfeindungen, die am 13. April 1810 in den Versuch einer öffentlichen Verspottung mündeten. 213 Wolf, Rechtsdenker 554. 214 Gesetzgebung 290. 215 Feuerbach, Gesetzgebung 292 f. 210 211
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
Sittlichkeit und Zweckmäßigkeit orientierten "legitimen Positivismus" vertrat. Nach der Formel Kants: "Handle nach einer Maxime, die zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann", vertrat er die Idee der allgemeinen und freien Sittlichkeit des persönlichen Gewissens. 216 Das Ethos des Richters verband er mit der Gerechtigkeit. Dieser übe ein Amt aus, "das die Pflicht auf sich hat, keinem anderen Herrn zu dienen als der Gerechtigkeit, keinem anderen Willen zu gehorchen als dem Willen des Gesetzes". Aber "der Ungehorsam ist dem Richter eine heilige Pflicht, wo der Gehorsam Treubruch sein würde gegen die Gerechtigkeit, in deren Dienst allein er gegeben ist". 217 Durchgesetzt hat sich aber Savigny mit seinem Programm. Gegen den Vorwurf, daß er das römische Recht in seiner Anwendung ungebührlich ausdehnen wollte,m verteidigte Savigny sich wieder in seiner Vorrede zum ersten Band des .,System" (1840). Es müsse anerkannt werden, "daß die gründliche Kenntnis desselben auch für unseren gegenwärtigen Rechtszustand den höchsten Wert hat, ja unentbehrlich genannt werden muß".2I9 Nochmals beklagt er sich über das Landrecht. Savigny bezweckte, in dessen Geltungsbereich an die aufgelöste "Verbindung mit der gemeinrechtlichen Literatur theilweise wieder anzuknüpfen". 220 Dadurch könnte der Abtrennung von der wissenschaftlichen Bearbeitung des gemeinen Recht entgegengewirkt werden. Wäre die Verbindung wieder hergestellt, "so wird damit zugleich einem wesentlichen Übel abgeholfen, das aus der Einführung des Landrechts hervorgegangen ist". 221 Anderer Ansicht war Gans. Alles, was in einem Zeitalter und in einem Volk hervorgebracht wurde, ist seiner Einsicht und Kraft zuzurechnen. Es wäre ein schlechtes Surrogat, wenn diese Einsicht und Kraft gegen die Chronikenbücher der Vergangenheit oder die Codices der Historischen Schule eingetauscht würden. Wenn diese behaupte, die Gegenwart bringe ihre Ergebnisse in unauflöslicher Gemeinschaft mit der Vergangenheit vor, ist dagegen einzuwenden: Das Recht der Gegenwart und ihre Bedeutung ist vielmehr, daß im Gegensatz zu ihr die Vergangenheit unwiederbringlich vorbei ist. Die Gegenwart gilt. Diese freie, an keine Vergangenheit gebundene Bewegung ist nach Gans nicht das Werk einer unvernünftigen Willkür. Die Vernunft vollbringt in jedem Zeitalter und Volk ihre Tat. Dessen Einsicht und Kraft werden zu Organen dieses VollbringensY2 216 217 218
219 220 221 222
Kaufmann, Rechtsphilosophie 80; Wo(f, Rechtsdenker 561. Feuerbach, Würde 282. Savigny, Vorrede System I XIV. Vorrede, System I XVIII. Vorrede, System I XXX. Vorrede, System I XXIX. Gans, Erbrecht Bd. 1, XII f.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
187
Deutlich in seiner Aussage wird Savigny auch in der Lehre über authentische Interpretation. Ein älteres in dieser Art ausgelegtes Gesetz müsse auch von denjenigen im vorgeschriebenen Sinn angewendet werden, obgleich sie von der Unrichtigkeit dieser Auslegung überzeugt seien. 223 "Denn ein allgemeines Volksbewusstsein, welches die Auffassung eines einzelnen Gesetzes zum Gegenstand hätte, ist nur in den seltensten Fällen denkbar. "224 Im römischen Recht sah auch Puchta ein Mittel, "daß unser gegenwärtiger Rechtszustand einer Einheit, einer vollständigen wissenschaftlichen Erfassung fähig ist, und davon muss sich am Ende jeder überzeugen, der nur nicht bei dem eitlen Gedanken stehen bleibt: es wäre doch besser, wenn das römische Recht nie die Alpen überschritten hätte".225 Eine Rechtseinheit schwebte 1855 offenbar auch Unger vor. Nach den Errungenschaften der gemeinrechtlichen Wissenschaft sollte vorerst eine Revision des ABGB durchgeführt werden. "Sie wird dann aber um so segensreicher wirken, weil bis dahin in Deutschland wohl manches Hindernis der Einigung auf dem Gebiete des Zivilrechts beseitigt sein wird und wenigstens ein Theil der deutschen Staaten nicht abgeneigt sein dürfte, sich mit Österreich zur Einführung eines gemeinsamen, den Anforderungen der Wissenschaft vollkommen entsprechenden privatrechtlichen Gesetzbuches zu vereinigen. Die Einigung der österreichischen Rechtswissenschaft mit der deutschen zu diesen Zwecken anzubahnen und zu vollziehen, das muß die bewußte Aufgabe der österreichischen Civiljurisprudenz in unsern Tagen bilden. "226 Meines Erachtens gilt es nach alldem, den von Savigny kritisierten unkörperlichen Sachbegriff und damit verbunden die Auslegung des Forderungsbegriffs, von Unger aufgegriffen und von den österreichischen Pandektisten weitergeführt, neben rechtlichen auch unter politischen Aspekten zu diskutieren. Dasselbe gilt bezüglich der Interpretationsentwicklung des Forderungsbegriffs im ALR. 7. Die Germanisten und das Naturrecht
Landsberg nennt als ersten Vertreter der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht Johann Schilter (1632-1705). Im deutschen Privatrecht werden die auf germanisch-deutscher Wurzel beruhenden Regeln des geltenden Privatrechts in eigenen Systemen dargestellt. 227 Savigny, System I 209. Sal'igny, System I 209 Anm. c. m Puchta, Gewohnheitsrecht I 205. 226 Unger, Entwicklungsgang 650. 227 Luig, Anfange 196,202. m
~24
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
Nach Schilter war die römische Zessionslehre in Deutschland nicht nur geändert, sondern gar nicht rezipiert worden. In den gebräuchlichen Zessionsformeln der Gerichte werde nicht die Konstruktion vom procurator in rem suam verwendet, sondern von "erb- und eigenthümlich" zedieren gesprochen. Eine Verbindung zum Sachenrecht herstellend, beschreibt Schilter die Zession als quasi traditio. 228 Am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts konnte sich das deutsche Privatrecht im Gegensatz zur Romanistik starken Wohlwollens und Interesses erfreuen. Das römische Recht wurde von den meisten als Quelle des geltenden Rechts für ungeeignet empfunden; selbst die gelehrten Romanisten billigten ihrer Wissenschaft keine praktische Tragweite mehr zu. Wegen der Volkstümlichkeit, gegeben nach Ursprung und Sprache, kam das deutsche Recht den Wertvorstellungen der Zeit entgegen. Die Germanistik versuchte, sich von römischen Begriffen zu befreien und deutsche Ausdrücke zu verwenden. Um der wirtschaftlichen Entwicklung der Zeit gerecht zu werden, widmete sich das deutsche Privatrecht auch dem Handels-, Wechselund Seerecht. Erwies sich doch das römische Recht infolge seiner festen Terminologie und Systematik weniger geeignet, den gegenwärtigen Rechtsbildungen zu entsprechen. Befreit vom geschlossenen, vollständigen System der Wolfschen Schule, ging auch das Naturrecht in seiner philosophisch-empirischen Richtung mit dem deutschen Recht ein Bündnis ein. Durch die vielen Partikularrechte bedingt, sah sich die Germanistik genötigt, gleich dem römischen Recht eine Ordnung und praktisch verwertbare System bildung zu erreichen. Dies verlangte die Praxis. Um zu überleben, mußte das deutsche Recht in dieser Hinsicht theoretische Ergebnisse erreichen. Im preußischen Rechtsgebiet sollte durch die Kodifikation die Trennung von römischem und deutschem Recht aufgehoben werden. In diese Richtung wiesen auch Bestrebungen im übrigen Deutschland, um aus der einheitlichen Behandlung Gewinn für Praxis und Wissenschaft zu ziehen. 229 Die historische Schule vernachlässigte aber den Anteil germanischer Rechtsgedanken am gemeinsamen Rechtserbe. Der Zwiespalt darüber führte zur Trennung und schließlich zum Schulenstreit zwischen Romanisten und Germanisten. 23o Anfänglich ließ Savignys Haltung diese Entwicklung nicht vermuten. Vielmehr war die Annahme berechtigt, daß sich der Gegensatz zwischen Romanistik und Germanistik in harmonischem Zusammenwirken auflösen würde. Im "Beruf' wies Savigny der Germanistik als einer Hauptaufgabe der 228 229 230
Luig, Geschichte 31 f. Thieme, SZGerm 56 (1936) 241-255 m. w. H. Koschaker, Europa 151 f.
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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Rechtswissenschaft eine gleichwertige Stellung neben dem römischen Recht und der neueren Modifikation beider Rechte zu. Das römische Recht hätte zwar den Vorzug, als Vorbild wissenschaftlicher Arbeiten zu dienen. Dieser Vorzug werde aber vom germanischen Recht durch einen anderen aufgehoben. "Es hängt nämlich unmittelbar und volksmäßig mit uns zusammen, und dadurch, dass die meisten ursprünglichen Formen wirklich verschwunden sind, dürfen wir uns hierin nicht irre machen lassen. Denn der nationale Grund dieser Formen, die Richtung, woraus sie hervorgingen, überlebte die Formen selbst, und es ist nicht vorher zu bestimmen, wieviel von altgermanischen Einrichtungen, wie in der Verfassung, so im bürgerlichen Recht, wieder erweckt werden kann. Freilich nicht dem Buchstaben, sondern dem Geiste nach, aber den ursprünglichen Geist lernt man nur kennen aus dem alten Buchstaben. "231 Zu diesen Äußerungen bemerkte Gierke, es hätte kein Germanist "schöner als er von dem Werte des germanischen Rechts sprechen, keiner weiser seine Zukunft voraussagen können". 232 So trat denn auch der Germanist Karl Friedrich Eichhorn, Schöpfer der Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Savigny als Mitherausgeber der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft zur Seite. Die historische Schule hielt sich aber nicht an ihr Prinzip. Die "Untreue gegen sich selbst" ,233 welches sich in ihrem Verhalten gegenüber dem germanischen Recht widerspiegelte, führte über eine wachsende Entfremdung zu offener Fehde zwischen Germanisten und Romanisten. Ein stetiger Romanismus gegenüber dem einheimischen Recht überwog. Diese Zurücksetzung führte zur Frage: Wird das einheimische Recht, statt fortgebildet, zugunsten fremder Rechte preisgegeben? War nicht die Aufgabe einer selbstbewußten, geschichtlichen Rechtswissenschaft, das römische Recht möglichst zurückzudrängen, um nach lebenskräftigen einheimischen Rechtswurzeln zu graben und ein mit dem Volksbewußtsein übereinstimmendes Recht aufzuziehen?234 Der von Bluntschli in Aussicht gestellte Kampf begann durch die Begründung eines eigenen Organs, der "Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft" durch Reyscher und Wildar im Jahre 1839. Fortgesetzt wurde er durch Beselers Kampfschrift "Volksrecht und Juristenrecht" 1843, gefolgt von den Germanistentagen von Frankfurt 1846 und Lübeck 1847. 235
m Savigny, Beruf 118. ~3~ Gierke, Rechtsschule 11. 233 Gierke, Rechtsschule 10. 234 Landsberg 111/2, 496. _ 235 Vgl. Landsberg III/2, 501 (513 ff.) (519 ff.).
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Savignys Verhältnis zum Deutschen Recht ist einem Brief zu entnehmen, in dem er Beseler seine Eindrücke über das Buch "Volksrecht" schildert. Zuerst stellt Savigny klar, daß er sich im "Beruf' nicht gegen eine "privatrechtliche Gesetzgebung überhaupt", sondern nur gegen eine "Codification, d. h. ein zu sanctionierendes Rechtssystem" wende. Den Germanisten weist er lediglich eine provinzielle Aufgabe zu. "Besonders für unsere Provinzialgesetzgebung könnten die Germanisten viel leisten, wenn sie vorzüglich das eheliche Güterrecht und die damit verbundene Erbfolge, mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Volksstämme und der einzelnen Länder, sowie auf das praktische Bedürfnis der Gegenwart, bearbeiten wollten. "236 8. Anforderungen an das Recht im Wandel der Zeit
a) Aufgaben für die Germanistik und Pandektistik Durch die Struktur der Rechtswissenschaft bedingt, wurden vom methodischen Bewußtsein der Juristen die sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben, nach denen das Zeitalter der Industriellen Revolution verlangte, nur unvollkommen oder gar nicht registriert. Die neuen Produktionsmittel erforderten einen großen Kapitalbedarf, der neue Rechtsformen der Kreditschöpfung verlangte, wie Mobilisierung des Realkredits, kurzfristige Wechselkredite und Kommerzialisierung der Schuldtitel. Diese Privatrechts bereiche , die Brennpunkte der Wirtschaftsgesellschaft der Industriellen Revolution waren, ließen sich nicht auf das römische jus commune zurückführen. Deshalb nahm sich die Germanistik dieser Gebiete an, die das Handelsrecht, die Personal- und Kapitalgesellschaften, das Seehandelsrecht und das Wertpapierrecht umfaßten; weiters das Genossenschaftswesen, das agrarische Liegenschaftsrecht und den Bodenkredit. 237 Die Germanistik bearbeitete diese Materien begrifflich auch unbefangener, denn die strenge begriffliche Durchbildung, die Abstraktion und der Formalismus vertrat vor allem die herrschende Pandektenwissenschaft. Gleichwohl mußte sich diese mit der Industriellen Revolution auseinandersetzen, denn viele spezifische Geschäftstypen gehörten nicht dem Handelsrecht an. Die Forderungszession, Giralzahlungsakte der Banken und etwa der Eigentumsvorbehalt sind dem allgemeinen Schuldrecht zuzurechnen; überhaupt waren in allen Bereichen Grundsätze und Begriffe des der Pandektenwissenschaft zugeordneten Privatrechts anzuwenden. Zum einen kam sie der auf freier Entfaltung der wirtschaftlichen Interessen beruhenden Wirtschaftsgesellschaft auch entgegen. Indem das subjektive Recht als die 236 237
2ff.
Brief an Georg Beseler vom 13.10.1843, Stoll III Nr. 531,60 ff. Wieacker, Privatrechtsgeschichte 52 (240) (378) (462); ders., Pandektenwissenschaft
1II. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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dem "einzelnen eingeräumte Willensmacht"238 aufgefaßt wurde, das abstrakte Privatrecht und seine Privatautonomie den "freien" Arbeitsvertrag, der zur Ausbeutung wurde, erst ermöglichten, wurde sie ein Werkzeug zur Aufrechterhaltung gesellschaftlichen Unrechts. Die formale Chancengleichheit führte infolge ungleicher Startbedingungen zu sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit. 239 Auf der anderen Seite verwehrte die formale Rechtsbegründung und der logische Formalismus, die sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben des Privatrechts wahrzunehmen. Denn nach Meinung Savignys herrscht das Recht in seinem Gebiet unumschränkt. Daher sei es "keineswegs nötig, demselben ein ganz verschiedenes zweytes (Ziel), unter dem Namen des öffentlichen Wohles, an die Seite zu setzen: ausser dem sittlichen Prinzip ein davon unabhängiges staats wirtschaftliches aufzunehmen". 240 Durch Axiome dieser Art wurden Beziehungen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, ihre Werte, Interessen und Konflikte bewußt ausgeschaltet. b) Die Verkörperung der Obligation Für die Pandektenwissenschaft behielt der Quellenstand maßgebende Bedeutung. An ihm orientierte sich die Bereitschaft oder Hemmung, Anforderungen zu genügen, welche die Industrielle Revolution an die Privatrechtsordnung stellte. Im Bereich der Zession standen die Quellen in entschiedenem Widerspruch zu den Zeitbedürfnissen. Langwierig und mühsam dauerte der Anpassungsprozeß an die Wirklichkeit. Die strenge Relativität der römischen obligatio schloß einen Übergang auf wirtschaftlich beteiligte Dritte aus; das iuris vinculum beschränkte die Schuldbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. 241 Auch Savigny schloß sich dieser von Mühlenbruch wieder vertretenen Meinung an. 242 Savigny stellte aber fest, daß in den "verwickelteren Geschäften des Verkehrs", herbeigeführt durch die wachsende Entwicklung des Welthandels, die Behandlung der Obligation nach einer Änderung drängte. Es bestehe das Bedürfnis l!.ach neuen Formen, die der Obligation die gleichen Vorteile zukommen ließen, welche mit der Veräußerung des Eigentums verbunden seien. 243 Diese Überlegungen stellte er bei der Frage nach der Behandlung von Inhaberpapieren, deren Gültigkeit "nicht auf dem Wege 238 239 240 .241
242
243
Wieacker, Privatrechtsgeschichte 353; ders., Pandektenwissenschaft 6. Wieacker, Privatrechtsgeschichte 442; ders., Pandektenwissenschaft 6. Savigny, System Bd. 1,54. Wieacker, Pandektenwissenschaft 12 ff. Savigny, Obligationenrecht I 246. Obligationenrecht 11 97.
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Teil 2: Savignys Grund für die Ablehnung der Kodifikationen
theoretischer Betrachtung entstanden, vielmehr haben wichtige praktische Bedürfnisse auf dieselbe geführt".244 Vergleiche man die wichtigsten Bestandteile des Vermögens, das Eigentum und die Obligation, unterscheide sich die Zession im wesentlichen von der Veräußerung des Eigentums durch die fehlende völlige Ablösung von der Person des ursprünglichen Gläubigers und den übrigen Rechtsverhältnissen. Dem Zessionar könnten Einreden aus der Person des ursprünglichen Gläubigers entgegengesetzt werden. 245 Die zweite Schwierigkeit bestehe darin, daß der letzte Zessionar die vielleicht zahlreichen Zessionen beweisen müsse. Dem Eigentümer stehe hingegen die Ersitzung oder publizianische Klage zur Seite. Um diesen Schwierigkeiten auszuweichen, seien neue Formen durch Anwendung von Urkunden gefunden worden. Diese Urkunde sei ein Körper, eine Sache, also möglicher Gegenstand des Eigentums und des Besitzes. Diese Sache, die Schuldurkunde, könne der Gläubiger daher zugleich zur leichteren Übertragung der Forderung, also des Rechts gegen den Schuldner, benützen. Dies könne man unter dem Gesichtspunkt einer" Verkörperung der Obligation" zusammenfassen. 246 Meines Erachtens ist diese Argumentation ein Beispiel für den Begriffszwang der Pandektenwissenschaft. Der Umweg über ein "Papier" zur zaghaften Anerkennung der Zession wäre Savigny erspart geblieben, hätte er nur entgegen der Auffassung des römischen Rechts die Ansicht des ALR und ABGB akzeptiert, die Forderung sei zugleich Relation und Vermögensgegenstand. 9. Aufklärung und Naturrecht
Durch das ausschlaggebende Urteil Savignys in seiner Programmschrift, in der er die Rechtswissenschaft des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts der gänzlichen Nullität bezichtigt, steht diese in schlechtem Ansehen. Diese Bewertung herrschte vorwiegend das ganze neunzehnte Jahrhundert. w In Obligationenrecht 11 94. Diese Verschiedenheit des Eigenthums und der Obligation scheine in den .. neueren Gesetzbüchern" beseitigt, weil gesagt werde, .. die Zession übertrage das Eigenthum der Obligation, also die Substanz des Rechts selbst (ALR I II §§ 376. 393). Das ist aber nur scheinbar, denn es wird ausdrücklich hinzugefügt, der Zessionar müsse sich die Einreden aus der Person des Zedenten gefallen lassen, namentlich die der Compensation (ALR I l1 §§ 407, 408,735,736, I 16 § 313). Also ganz wie im Römischen Recht, nur etwas weniger consequent. -- Ähnlich sind die Bestimmungen des Österreich ischen Gesetzbuches §§ 1394-1396", Savigny, Obligationenrecht 11 96 Anm. d. 246 Savigny, Obligationenrecht 11 98 f. 247 Thieme, SZGerm 56 (1936) 202. 244 245
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ihrer weiteren Entwicklung hat sich die Historische Schule unter Mißachtung des Naturrechts in den Dienst des Rechtspositivismus gestellt. 248 Savignys Kritik an den historischen Leistungen der Aufklärung, der "Sinn und Gefühl für die Grösse und Eigenthümlichkeit anderer Zeiten" gefehlt habe, "so wie für die naturgemäße Entwicklung der Völker und Verfassungen, also alles was die Geschichte heilsam und fruchtbar machen muss", 249 ist unberechtigt. Die Aufklärung unhistorisch zu nennen kann nur bedeuten "daß sie die Geschichte nicht um ihrer selbst willen, sondern um der aus ihr zu entnehmenden Beweise oder Angriffsmittel, um ihrer politischen und moralischen Lehren willen betrieb". Ihr außerordentlicher Einfluß zertrümmerte das bisherige Geschichtsbild und deckte eine bisher ungekannte und unbeachtete Welt auf. Die Individuen als Elemente der Geschichte bauen in ihrer Wechselwirkung die sozialen Gebilde auf. Indem man ein unendlich verworrenes Spiel menschlicher Kräfte aufdeckte, wurde ein einfacher, normaler Gehalt der Geschichte herbeigesehnt, den man in den Ideen des Naturrechts"der natürlichen Moral und Religion fand. Somit wurde das Einheitlich-Dauernde mit dem Mannigfach-Wechselnden in der Geschichte auszugleichen versucht. Vor allem brachte die Aufklärung die pragmatische Methode zur Geltung, in der sich die politische Auffassung und Praxis der Zeit widerspiegelt. 250 Der Einfluß von Montesquieus "Esprit des lois" (1748) war groß. Die Verschiedenheit der Gesetze und ihre Ursachen, die Anwendung historischer Kenntnisse zur Erklärung des Bestehenden, die geschichtliche Bedingtheit der Zeiterschein].lngen wirkte auf das juristische Schrifttum und die Forschung ein. Die pragmatische Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts war bestrebt, Ursachenreihen in der Geschichte aufzudecken und dieselbe als Durchforschung der Gegenwart zu verwenden. Zusammen mit der von Montesquieu der Rechtswissenschaft vermittelten Erkenntnis der gesellschaftlichen Bedingtheit der Rechtssätze wird die Nähe zu moderner soziologischer Geschichtsbetrachtung erkennbar. Schlußfolgerungen für die Gesetzgebung der Zukunft aus Erkenntnissen der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart werden denn auch gezogen im Zentrum der pragmatischen Geschichtsschreibung, in dem Göttingen Schlözers, Spittlers, Michaelis und Pütters. In seiner "Enzyklopädie und Geschichte der Rechte in Deutschland "(Göttingen 1785) entwickelt Reiterneier (1755-1839) die Geschichte der Gesetze soziologisch. Er greift auf den Zustand des gesellschaftlichen Lebens zurück, beobachtet seine allmählichen Veränderungen und versucht, dessen Ursachen aufzuklären. Um nicht nur in einem historischen Positivismus zu enden, verläßt er die bloße Empirie und mündet in philosophischer 248
~49 2S0
13 Hoop
Messner, Naturrecht 228.
Beruf 4.
]j·oeltsch, Aufklärung 353.
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Verarbeitung, Erfassung des Wesentlichen, Aufstellung von Entwicklungsgesetzen des allgemeinen positiven Rechts. Die vielfach beobachtbare Wendung von der Deduktion zur Empirie in der rechtswissenschaftlichen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist auch bei den Hamburgern Johann Georg Büsch (1728-1800) und Georg Friedrich Martens (1756-1821) feststellbar. Nach Thieme 251 ist es reine Rechtstatsachenforschung, mit der sie das Wirtschaftsleben Hamburgs beobachtet und monographisch für das Handels- und Wechsel recht verarbeitet haben. 252 Der Naturrechtsgedanke hat sich somit keineswegs in den Systemen von Christian Wolf erschöpft. Bei diesen ersten Vertretern geschichtlicher Auffassung findet sich eine Einheit philosophisch-naturrechtlicher und historischer Arbeitsweise. Weil der Wandel der Naturrechtsidee im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts (bewußt) nicht wahrgenommen wurde, erschien dies als Inkonsequenz und Rückständigkeit. 253 Die Ideen der romantischen Gegenrevolution versuchten denn auch die Fundamente des westeuropäischen Denkens abzutragen. Durch ein in Staat und Gesellschaft aufzurichtendes "organisches" Ideal sollte aus diesem heraus die deutsche Staatenlosigkeit durch die Bildung eines dieses Ideal verkörpernden starken Einheitsstaates überwunden werden. 254 Durch die Romantik wurde die Idee des Naturrechts gesprengt und verschwand von da an fast vollkommen in Deutschland. Wie der Staat Ausdruck für eine jeweils individuelle geistige Welt wird, wird auch das Recht als etwas jeweils Individuelles und Positives angesehen. Die eigentliche Moralität wird in das innere Sein verlegt und von den äußeren Erfordernissen der Wohlfahrt gleich wie von den Regeln des Rechts getrennt. Die westeuropäische und schon stoisch-mittelalterliche Verbindung von Recht, Moral und Wohlfahrt löste sich auf; Recht wurde zu etwas Außermoralischem. Nach Troeltsch war "Verengung" und "Verhärtung" die Folge. "Dann kam die Notwendigkeit, aus der Kraft deutschen Geistes und deutscher Bildung den neuen Einheitsstaat erst aufzubauen, Mischung und Kampf mit einer neuen Welle westeuropäischen Denkens, die Enttäuschungen des Zutrauens zum Geiste nach dem Scheitern der Revolution und SZGerm 56 (1936) 215. Büsch führte im dritten Band seiner Erfahrungen aus, wie die Beschäftigung mit der menschlichen Praxis ihn erfreute. Arm und reich beobachtete er bei ihren Ausgaben und bei ihrem Gewinn. "Das grosse Buch", so sagt er in der Vorrede zu seiner Darstellung der Handlung, "welches ich in dieser Absicht studiere, ist die hamburgische Börse". Aus solcher Erfahrung konnte er seine belehrende Stimme erheben. Sieveking, Schmollers Jahrb. XXVIII (1904) 83. 253 Thieme, SZGerm 56 (1936) 208 ff. 254 Troeltsch, Naturrecht 6 f. 251
252
III. Der Grund für Savignys Ablehnung der Kodifikationen
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schließlich der mit unendlichen Schwierigkeiten kämpfende und ihnen die Reichsgründung abringende Realismus des Bismarckschen Zeitalters. Das alles hat jenen ursprünglichen Idealismus in einen harten Realismus umgebogen. Seine Grundideen freilich blieben. Das Naturrecht und seine Geschwisterbegriffe standen nicht wieder auf. Aber aus der individuellen Fülle der Volksgeister wurde die Verachtung der allgemeinen Menschheitsidee, aus der pantheistischen Staatsvergötterung die ideenlose Achtung des Erfolges und der Gewalt, aus der romantischen Revolution ein sattes Behagen am Gegebenen, aus dem jeweils individuellen Recht eine rein positive Satzung des Staates, aus der hochgeistigen, überbürgerlichen Moral die Moralskepsis überhaupt, aus dem Drang des deutschen Geistes zu einem staatlichen Leibe derselbe Imperialismus wie überall sonst in der Welt."255 Werden Rechtsgeschichte und auch historischer Rechtsvergleich herangezogen, um mit der von der Aufklärung geschaffenen kritischen Grundhaltung gegenüber der Wirklichkeit und der Überlieferung die Einbettung entstandener Lösungen in gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen, verhilft dies zum besseren Verständnis der anderen Nation insgesamt. Dies fördert die Verständigung, was sich zum Wohle aller auswirkt.
255
13*
Troeltsch, Naturrecht 16 ff.
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