Die Zinsschranke als Instrument zur Missbrauchsvermeidung und Steigerung der Eigenkapitalausstattung: Entstehung, Konzeption und verfassungsrechtliche Prüfung [1 ed.] 9783428540792, 9783428140794

Die Dissertation erkennt in der Entstehung der in den §§ 4h EStG i.V.m. 8a KStG geregelten sogenannten Zinsschranke ein

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German Pages 268 [269] Year 2013

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Die Zinsschranke als Instrument zur Missbrauchsvermeidung und Steigerung der Eigenkapitalausstattung: Entstehung, Konzeption und verfassungsrechtliche Prüfung [1 ed.]
 9783428540792, 9783428140794

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 93

Die Zinsschranke als Instrument zur Missbrauchsvermeidung und Steigerung der Eigenkapitalausstattung Entstehung, Konzeption und verfassungsrechtliche Prüfung

Von Alexander Jehlin

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER JEHLIN

Die Zinsschranke als Instrument zur Missbrauchsvermeidung und Steigerung der Eigenkapitalausstattung

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m in Gemeinschaft mit J o c h e n v o n B e r n s t o r f f , M a r t i n He c k e l K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m T h o m a s O p p e r m a n n , G ü nt e r P ü t t n e r Ba rba ra Remmer t, Michael Ronel lenf itsch Christia n Sei ler sämtlich in Tübingen

Band 93

Die Zinsschranke als Instrument zur Missbrauchsvermeidung und Steigerung der Eigenkapitalausstattung Entstehung, Konzeption und verfassungsrechtliche Prüfung

Von Alexander Jehlin

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-14079-4 (Print) ISBN 978-3-428-54079-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84079-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München sowie während meines LL. M.-Studiums in London. Das Manuskript der Arbeit wurde im Januar 2012 fertig gestellt. Für die vorliegende Veröffentlichung wurden die wesentlichen Entwicklungen bis Dezember 2012 berücksichtigt. Mein erster Dank gilt zwei ganz besonderen Persönlichkeiten, die mich in wissenschaftlicher aber auch menschlicher Hinsicht geprägt haben. Zum einen ist dies mein verehrter Doktorvater Herr Prof. Dr. Christian Seiler, dem ich für zahlreiche wertvolle Diskussionen, seinen Mut und seine Unterstützung während meiner Promotion danke. Zum anderen Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schön, der mir durch die Aufnahme am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen weit mehr als nur ein exzellentes wissenschaftliches Umfeld geboten und durch vielfältige Förderung ganz wesentlich zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen hat. Größten Dank schulde ich auch Herrn Dr. Georg Axer, der mir in freundschaftlicher Verbundenheit bei der Themenfindung und der kritischen Durchsicht des Manuskripts sehr geholfen hat sowie Herrn Dr. Erik Röder für seine hilfreichen Impulse insbesondere für den verfassungsrechtlichen Teil dieser Arbeit. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Burkhard Binnewies für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf Vitzthum für die Unterstützung bei der Aufnahme in die Reihe „Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht“. Carlo Pohlhausen, Mauritz von Einem und Christian Marquart danke ich für die arbeitsintensive und heitere gemeinsame Zeit innerhalb und außerhalb des oben genannten Max-Planck-Instituts. Zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat auch das Team der Bibliothek sowie insbesondere Frau Gabriele Auer, die mir mit ihrer offenen und herzlichen Art manchen Ratschlag mit auf den Weg gegeben hat. Frau Stefanie Schmitz danke ich für die charmante Hilfe bei der Vorbereitung auf das Rigorosum sowie die kritische Durchsicht des Verlagsmanuskripts. Schließlich möchte ich meinen Eltern Ruth und Helmut Jehlin für Ihre bisherige und zukünftige liebevolle Begleitung und Unterstützung in allen Lebenslagen danken. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. München, im Dezember 2012

Alexander Jehlin

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Missbräuchliche Gewinnverlagerung als legislative Herausforderung . . . . . . . . . 20 II. Die Zinsschranke als neuartiges Regelungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit des § 4h EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Zusammensetzung des Tetralemmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Nationale Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Besteuerung von ins Ausland fließenden Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 bb) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (1) National . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (2) International . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Besteuerung der Repatriierung von Unternehmensgewinnen über Divi­ denden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 aa) Körperschaftsteuerliches Beteiligungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 bb) Internationales gewerbesteuerliches Schachtelprivileg . . . . . . . . . . . . 33 cc) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Völkerrechtliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Besteuerung von ins Ausland fließenden Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Deutsche Abkommenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 bb) Hintergrund des Verzichts auf Quellenbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 38 (1) National . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 (2) International . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Besteuerung der Repatriierung von Unternehmensgewinnen über Divi­ denden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Deutsche Abkommenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Hintergrund der abkommensrechtlichen Freistellung . . . . . . . . . . . . . . 44 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Europarechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis a) Fehlende Kompetenz zur Harmonisierung der direkten Steuern . . . . . . . . . 47 b) Einfluss auf die Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte . . . . 49 aa) Schieflage durch partielle Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (3) Telos der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (4) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (a) Schwierigkeiten einer Neuverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (b) Lediglich partielle Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (c) Mögliche Behebung der Schieflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Verstärkung der Schieflage durch die Rechtsprechung des EuGH . . . . 59 (1) Weiter Schutzbereich der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (a) Unmittelbare Anwendbarkeit – Rechtssache LankhorstHohorst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (b) Mittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (aa) Thin Cap Group Litigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (bb) Lammers & Van Cleeff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (2) Weite Auslegung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (a) Entwicklungsprozess der Interpretation der Grundfreiheiten . 63 (b) Unterschiedliche Auswirkungen der Interpretationsansätze . . 66 (c) Streit um die Auslegung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Enge Auslegung von Rechtfertigungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (a) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (b) Missbrauchsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (c) Unterschiedliche Interpretation von Missbrauch . . . . . . . . . . . 74 (d) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (4) Tendenzen zu einem erweiterten Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (a) Erweiterter Katalog geeigneter Rechtfertigungsgründe . . . . . 78 (b) Andeutung einer praktikableren Auslegung der Erforderlichkeit 79 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Ergebnis zum europarechtlichen Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4. „Wettbewerb“ der Steuerrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Steuerpolitischer Rahmen und privatwirtschaftliches Kalkül . . . . . . . . . . . 83 b) Unterschiedliche Ertragsteuerbelastung und staatliches Kalkül . . . . . . . . . 85 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Lageanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Weitgehende Ausweglosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Auswirkungen des Tetralemmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

9

1. Steuerliche Vorteilhaftigkeit europaweiter Konzernfinanzierung . . . . . . . . . . . 91 a) Downstream-Inbound-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Upstream-Inbound-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Outbound-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Europarechtliche Fragwürdigkeit bisher genutzter Abwehrmaßnahmen . . . . . 96 a) Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Einführung einer gesonderten Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Ausweitung der Spezialnorm durch „Lankhorst-Hohorst“ . . . . . . . . . . 98 cc) § 8a KStG i. d. F. des StVergAbG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 dd) Kritik an der Wirksamkeit und europarechtliche Fragwürdigkeit . . . . 100 b) Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG (a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Allgemeiner Regelungsinhalt und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Kritik und europarechtliche Fragwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG (a. F.) . . . . . . 105 aa) Allgemeiner Regelungsinhalt und jüngste Änderungen . . . . . . . . . . . . 105 bb) Europarechtliche Fragwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Einführung der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Offizieller Telos der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Wirtschaftspolitische Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Direkte fiskalpolitische Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Maßgeblicher Gewinn / verrechenbares EBITDA . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 dd) EBITDA-Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Abzugsbeschränkung und Zinsvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Untergang eines nicht verbrauchten Zins- oder EBITDA-Vortrags . . . 124 c) Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Freigrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis bb) Konzern-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Eigenkapital-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Besonderheiten für Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Maßgebliches Einkommen anstatt maßgeblicher Gewinn . . . . . . . . . . 129 bb) Suspendierung der Konzern-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Suspendierung der Eigenkapital-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 dd) Strittige Berechnung der Zehn-v. H.-Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Vereinfachtes Prüfungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG . . . . 135 1. Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Messung steuerlicher Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Diskussion um den Verfassungsrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Notwendigkeit einer Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Gebot der Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Prinzipien- bzw. Systemwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 dd) Objektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Stellenwert in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Notwendigkeit einer Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (a) Inhaltlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (b) Zeitlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Die Zulässigkeit etwaiger Abweichungen vom Gleichheitsmaßstab . . . . . . 148 aa) Rechtfertigungsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Inhalt besonderer sachlicher Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Allgemein fiskalpolitische Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . 151 (3) Steuerliche Missbrauchsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (4) Außersteuerliche Förderungs- und Lenkungszwecke . . . . . . . . . . 153 cc) Verzicht einer freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . 154 2. Vereinbarkeit der Zinsschranke mit den gleichheitsrechtlichen Vorgaben . . . . 155 a) Frage nach der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips . . . . . . . . . . . 155 aa) Zinsschrankenregelung als Prinzipien- bzw. Systemwechsel . . . . . . . . 156

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

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bb) Vereinbarkeit mit dem objektiven Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Rechtfertigung einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips . . . . . . 162 aa) Allgemeine Sicherung des deutschen Steuersubstrats . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Missbrauchsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (1) Grundtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (b) Bezugsgröße verrechenbares EBITDA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (aa) Ungenaue Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (bb) Wirkung einer Sollbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (a) Freigrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (b) Konzern-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (c) Eigenkapital-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (d) Rückausnahme Gesellschafter-Fremdfinanzierung . . . . . . . . 174 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Steigerung der Eigenkapitalquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Eigenkapitalsteigernde Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (a) Zielbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (aa) Persönlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (bb) Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (b) Einschränkung von Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . 183 (c) Kontraproduktive Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Ergebnis zur Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 . . . . . . . 187 1. Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Die Eigentumsgarantie als Maßstab der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Enge Auslegung der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Weite Auslegung der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Rechtfertigung eines Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Keine Verhältnismäßigkeitsprüfung bei reinen Fiskalzwecknormen . . 193 bb) Verhältnismäßigkeitsprüfung bei nicht primären Fiskalzwecknormen . 194 (1) Steuernormen ohne primären Fiskalzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (2) Belastungsgrundentscheidung und deren Durchbrechung . . . . . . . 195 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

12

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 2. Vereinbarkeit der Zinsschranke mit den Vorgaben der Eigentumsgarantie . . . 197 a) Schutzbereichseingriff und Rechtfertigung vor Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG . 197 b) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Allgemeine Sicherung des deutschen Steuersubstrats . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Missbrauchsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (2) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (a) Belastungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (aa) Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (bb) Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (b) Volkswirtschaftlicher Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (aa) Unsicherheit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (bb) Uneinigkeit der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (cc) Aufteilungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (c) Abwägung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Steigerung der Eigenkapitalquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (1) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (2) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (a) Immanente Eigenkapitalvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (b) Volkswirtschaftlicher Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (c) Abwägung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Ergebnis zur Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 226 III. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

E. Gegenbeweismöglichkeit – europäische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 I. Unterschiedliche steuerliche Behandlung von Fremd- und Eigenkapital . . . . . . . 230 II. Die Zinsschranke als Produkt eines legislativen Tetralemmas . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Zusammensetzung des Tetralemmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Tetralemma führt zu Steuersubstratsverlust und legislativer Einengung . . . . . 232 III. Die Zinsschranke ist eine funktionale Antwort auf das Tetralemma . . . . . . . . . . 233 1. Zielbündel der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Breit angelegtes Regelungskonzept der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Anerkennung und Reaktion auf das Tetralemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV. Die Zinsschranke ist nicht verfassungskonform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

13

1. Unvereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Unvereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 V. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1:

Gesamtübersicht über die immanenten Eigenkapitalvorgaben . . . . . . . . . 222

Tabelle 2:

Eigenkapitalvorgaben für die Risikoklassen 8 bis 10 (diverse Branchen) . . 223

* * * Abbildung 1: Downstream-Inbound-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Abbildung 2: Upstream-Inbound-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Abbildung 3: Outbound-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abbildung 4: Vereinfachtes Prüfungsschema der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere(r) Ansicht ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz, Absätze Abs. AdV Aussetzung der Vollziehung AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung(en) AG Aktiengesellschaft al. alii, aliae, alia Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung Art. Artikel Artt. Artikel (Plural) AStG Außensteuergesetz Aufl. Auflage BB Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. BFH Bundesfinanzhof BFH/NV Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BMF Bundesministerium für Finanzen BR-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundesrates BStBl. Bundessteuerblatt BT Deutscher Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestages BT-Drs. BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa CBIT Comprehensive Business Income Tax CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CES Center for Economic Studies CFC Controlled Foreign Company c.p. ceteris paribus CSU Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. Der Betrieb (Zeitschrift) DB DBA Doppelbesteuerungsabkommen ders. Derselbe

16

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

d. h. das heißt dies. dieselbe(n) DJT Deutscher Juristentag DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e. V. DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStZ Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Earnings Before Interest and Taxes EBIT EBITDA Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization EFG Entscheidungen der Finanzgerichte EG Europäische Gemeinschaft EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EGV EK Eigenkapital EStG Einkommensteuergesetz EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuGHE Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofs EUR Euro Europarecht (Zeitschrift) EuR EUV Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) EWS f. folgende(r) F. Fach, Fassung FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei ff. fortfolgende FG Finanzgericht FK Fremdkapital Fn. Fußnote(n) FR Finanzrundschau (Zeitschrift) FS Festschrift GA Generalanwalt, Generalanwältin gem. gemäß GewSt Gewerbesteuer GewStG Gewerbesteuergesetz GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) grds. grundsätzlich GS Gedächtnisschrift GWG geringwertige Wirtschaftsgüter Harv. L. Rev Harvard Law Review (Zeitschrift) HFR höchstrichterliche Finanzrechtsprechung HGB Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

17

h. M. herrschende(r) Meinung Hrsg. Herausgeber HStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland IAS International Accounting Standards ICI Imperial Chemical Industries ICTA Income and Corporation Taxes Act i. d. F. in der Fassung i. d. R. in der Regel i. e. S. im engeren Sinne Ifo Institut für Wirtschaftsforschung IFRS International Financial Reporting Standards in Höhe von i.H.v. Die Information über Steuern und Wirtschaft (Zeitschrift) INF insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung i. S. d. im Sinne der, im Sinne des IStR Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit i. V. m. IW Institut der deutschen Wirtschaft Köln IWB Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) i.w.S. im weiteren Sinne JbFStR Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jg. Jahrgang JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) KoR Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift) KÖSDI Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) KPMG Klynveld Peat Marwick Goerdeler KStÄndGE Entwurf des Körperschaftsteueränderungsgesetzes KStG Körperschaftsteuergesetz lit. litera(e) MA Musterabkommen Mio. Million(en) Mrd. Milliarde(n) M-T-R Mutter-Tochter-Richtlinie m. w. N. mit weitere(m/n) Nachweis(en) n.a. nicht anwendbar n.e. nicht erfasst n. F. neue Fassung(en) NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nr. Nummer(n) NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NWB Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) NYU J. Int’l L. & Pol. New York University Journal of International Law and Politics (Zeitschrift) OECD Organisation of Economy Cooperation and Development OECD-MA OECD-Musterabkommen OECD-MK OECD-Musterkommentar OFD Oberfinanzdirektion o. g. oben genannt(e/r/s)

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Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

PP Prozentpunkt(e) PSP Peters, Schöneberger & Partner GbR RIW Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RL. Richtlinie Rn. Randnummer(n) Rs. Rechtssache RStBl. Reichssteuerblatt RT Reichstag Randziffer(n), Randzeichen Rz. S. Satz, Sätze, Seite(n) s. E. seines Erachtens so genannte(r/s) sog. Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD StandOG Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im europäischen Binnenmarkt StB Der Steuerberater (Zeitschrift) StBJB Steuerberater-Jahresbuch StEntlG Steuerentlastungsgesetz Ständige Rechtsprechung St. Rspr. StuB Steuer und Bilanz (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) StuW SWI Steuern und Wirtschaft International (Zeitschrift) TNI Tax Notes International (Zeitschrift) Tz. Textziffer(n) u. a. und andere, unter anderem UK United Kingdom UN United Nations USA United States of America United States – Generally Accepted Accounting Principles US-GAAP usw. und so weiter v. von/vom vbw Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e. V. Verf. Verfasser vgl. vergleiche VGR Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung v. H. vom Hundert VZ Veranlagungszeitraum WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) WPg Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WRV Weimarer Reichsverfassung z. B. zum Beispiel ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht zit. zitiert Z-L-R Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie * * * Im Übrigen werden die allgemein gebräuchlichen Abkürzungen verwendet. Es sei hierbei verwiesen auf Kirchner/Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl., Berlin 2003.

A. Einleitung Der Volksmund hält das Steuerrecht für eine eher trockene Materie und sieht diejenigen, die sich damit auseinandersetzen, in einem meist nur wenig besseren Licht. Dass an diesem Vorurteil durchaus Zweifel angebracht sind, zeigen u. a. die Fachbeiträge zur Novellierung der steuerlichen Abzugsfähigkeit betrieblicher Zinsaufwendungen durch die sogenannte Zinsschranke. Denn bei der Analyse dieses Kernelements der Unternehmensteuerreform des Jahres 2008 weichen Finanzund Steuer(rechts)experten von ihrem sonst sehr sachlichen Vokabular ab und bedienen sich eines lebendigen und bunten Sprachjargons. Diese meist wohl bewusst versteckt gehaltenen, literarischen und rhetorischen Talente kommen zum Vorschein, wenn sie sich zur Pointierung dieser in § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG geregelten Gewinnermittlungsvorschrift bildhafter Vergleiche aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen bedienen und damit die Leidenschaft für ihr eigenes Fach unterstreichen. So nutzen die Autoren Beispiele aus der Zoologie, indem sie die Regelung – noch harmlos – als „Tiger“1 beschreiben, der mit „Biss“2 oder recht „zahnlos“3 daherkomme. Aus dem Blickwinkel eines Meteorologen sei die Zinsschranke eine „Schönwetterreform“4, da sie „bei schlechtem Wetter“5 zu nichts tauge.6 Etwas düsterer fallen die Beurteilungen mit Bezug zur Pyrotechnik und Medizin aus. Dann nennen sie die Regelung eine „gezündete Lunte“7 oder einen „Brandbeschleuni­ ger“8 und vergleichen deren Wirkung mit der einer „Giftspritze“ 9, die „brutal“10 in den Steuerkreislauf eingedrungen sei und schon „leicht erkältete Unternehmen auf die Intensivstation“11 schicke. Auch um historische Parallelen ist man bemüht. Zur Illustration der Trennschärfe der Zinsschranke sucht man mit dem „Schafott“12 das

1

Jarass, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 49. Freitag, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 57. 3 Freitag, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 57 mit Bezug auf Jarass, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 49. 4 Verweis auf Welling bei Richter/Fischer, Tagungsbericht 23. Berliner Steuergespräch, S. 11. 5 Neumann, Ubg 2009, 461. 6 Ähnlich Eickhorst, BB 2007, 1707 ff. 7 Zitiert bei Neumann, Ubg 2009, 461. 8 Zitiert bei Neumann, Ubg 2009, 461. 9 Haarmann, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 48. 10 Schaumburg, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 51. 11 Schön, FAZ v. 9.10.2009, S. 14. 12 Fahrenschon, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 58. 2

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A. Einleitung

negativste Symbol der Französischen Revolution, welches nur die „Guten“13 oder – im sportlichen Sinne – die „Siegertypen“14 keinen Kopf kürzer mache. Eher geharnischte Kritik wird mithilfe von biblischen Bildern formuliert. Dann wird die Regelung als Verstoß gegen höhere Gebote und daher als eine Art „Todsünde“15 qualifiziert, deren Wirkung dem Vorbild Gottes zuwiderhandle, da sie eine „Stadt mit fünf Sündern und 1000 Gerechten“16 trotzdem vernichten würde. Aber von welcher Regelung ist hier eigentlich die Rede, die den mit der Materie Befassten solche Metaphern entlockt? Botanisch gesprochen „blühen [derartige Regelungen eigentlich] im Verborgenen“17, womit es naheläge, diese Norm der Familie der Schattengewächse zuzuordnen. Doch diesem unbeachteten Topos ist die Zinsschranke längst entwichen und steht mittlerweile im Rampenlicht der aktuellen Steuerdiskussion. So beschäftigen sich bisher über 400 Fachpublikationen mit ihr, von denen sogar fast die Hälfte ihren Namen in der Überschrift trägt.18 Dass dieser Regelung so viel Beachtung geschenkt wird, liegt nicht nur daran, dass sie eine große Angriffsfläche bietet, sondern wohl auch an den großen Zielen, die mit ihr erreicht werden sollen. Generell bezweckt der Gesetzgeber mit dieser Regelung die allgemeine Sicherung des in Deutschland erwirtschafteten Steuersubstrats. Speziell zielt die Zinsschranke auf die Einschränkung der Finanzierungspolitik internationaler Konzerne ab, die als „free rider“ das heimische staatliche Angebot ausnutzen, indem sie über interne Finanzierungsgestaltungen den Ort der tatsächlichen Erwirtschaftung ihrer Gewinne von dem Ort abkoppeln wollen, an dem sie ihre wesentlichen Steuerzahlungen leisten. Zusätzlich soll die Zinsschranke aber auch, so jedenfalls die amtliche Begründung des Gesetzgebers, die im internationalen Vergleich niedrige Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen steigern und damit deren Insolvenzresistenz stärken.19

I. Missbräuchliche Gewinnverlagerung als legislative Herausforderung Die Kapitalausstattung eines Unternehmens bildet eine notwendige Voraussetzung für dessen Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr.20 Für die Beschaffung von Kapital sind grundsätzlich die Eigentümer und damit die Gesell­schafter 13

Fahrenschon, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 58. Schön, FAZ v. 15.3.2007, S. 12. 15 Loritz, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 43. 16 Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 47. Zur Quelle dieses biblischen Zitats, siehe das Alte Testament, Buch Mose 18, 32. 17 Hey, StuW 2008, 167 [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 18 Siehe Datenbank „Beck-Online“ (Stand: 22.12.2012). 19 BT-Drs. 16/4841, S. 31, 35. 20 Lutter/Scheffler/Schneider, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, Rz. 1.46; Pfeifer, Steueroptimale Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft, S. 1. 14

I. Missbräuchliche Gewinnverlagerung als legislative Herausforderung 

21

bzw. Anteilseigner des Unternehmens verantwortlich.21 Da in Deutschland der vom Bundesfinanzhof anerkannte Grundsatz der Finanzierungsfreiheit gilt, ist es den Gesellschaftern regelmäßig freigestellt, wie sie ihr Unternehmen finanzieren.22 Ihnen steht damit auch die Möglichkeit offen, ihrem Unternehmen ihre eigenen Finanzressourcen zur Verfügung zu stellen. Diese können den Unternehmen grundsätzlich als Eigenkapital, z. B. in Form einer Beteiligung, oder als Fremdkapital, z. B. in Form eines Darlehens, zugänglich gemacht werden.23 Bei Körperschaftsteuersubjekten spielt in diesem Zusammenhang das sogenannte Trennungsprinzip eine wesentliche Rolle. Es ermöglicht den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft den (auch) steuerrechtlich anerkannten Abschluss schuldrechtlicher Verträge mit ihrem eigenen Unternehmen.24 Die Betriebswirtschaftslehre kennt hierbei keine allgemeingültigen Vorgaben zum idealen Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital.25 Jedes Unternehmen hat seine Finanzierungsstruktur individuell unter Einbezug verschiedener Parameter wie Branchenzugehörigkeit, Finanzierungskosten oder Risikoeinschätzung selbst zu bestimmen. Nach dem anerkannten Theorem von Modigliani/Miller ist der Wert eines Unternehmens sogar unabhängig davon, ob und wie hoch dieses eigen- oder fremdkapitalfinanziert ist.26 Auch das Gesellschaftsrecht gibt in diesem Zusammenhang nur marginale Leitlinien vor, da es lediglich das Minimum der Eigenkapitalausstattung verschiedener Rechtsformen bestimmt.27 Sind die entsprechenden Mindeststandards erfüllt, bestehen in der Regel keine weiteren ge 21 Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, S. 1; ähnlich M ­ ewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, S. V. 22 BFH, BStBI. II, 1990, 817 (Schuldzinsabzug); BStBl. II 1992, S. 532 (536) (Eigenkapital­ ersatz); BStBl. II 1998, S. 193 (197) (Darlehenszinsen); BStBl. 1999 II, S. 342 (Respektierung Fremdfinanzierungswunsch). Siehe hierzu auch Hey, StuW 2005, 317 (323); Loose/Maier, in: Lüdicke/Sistermann (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht, § 17, Rz. 27; Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, § 8a, Rz. 19. 23 Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 19; Rudolph, in: Lutter/ Scheffler/Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, Rz. 2.10. 24 Vgl. § 1 Abs. 1 KStG. Hierbei stützt sich das Trennungsprinzip auch auf § 1 Abs. 1 AktG bzw. auf § 5 GmbHG, welche Kapitalgesellschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit verleihen. Siehe hierzu auch Teufel, in: Lüdicke/Sistermann (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht, § 2, Rz. 1. Im Gegensatz dazu unterliegen Personengesellschaften dem Transparenzprinzip. Dadurch ist deren Besteuerung im Grundsatz am Einzelunternehmer ausgerichtet und Leistungsvergütungen zwischen den Gesellschaftern und ihren Unternehmen wirken sich steuerlich regelmäßig nicht aus, da sie dem Gesamtgewinn der Personengesellschaft (wieder) hinzugefügt werden; siehe hierzu Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 11, Rz. 1 ff. 25 Homburg, FR 2007, 717 (722). 26 Tirole, The Theory of Corporate Finance, S. 77 ff. 27 Für eine Aktiengesellschaft ist nach § 7 AktG ein Minimalgrundkapital von EUR 50.000 vorgeschrieben. Dieser Betrag gilt nach § 278 Abs. 3 i. V. m. § 7 AktG auch für eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Für eine GmbH ist nach § 5 GmbHG die Hälfte dieses Betrags vorgesehen. Mit § 5a GmbHG ist nun auch die Gründung einer sogenannten „MiniGmbH“ mit einem gesetzlich nicht vorgegebenen, niedrigeren Stammkapital erlaubt.

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A. Einleitung

setzlichen Vorgaben mehr, die eine Unternehmensfinanzierung mit einem festgesetzten qualitativen oder quantitativen Verhältnis unterschiedlicher Kapitalformen vorbestimmen.28 Abweichend von dieser weitgehenden Finanzierungsneutralität kann es im Steuer­recht aufgrund der regelmäßig unterschiedlichen Belastung von Vergütungen für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (Zinsen) und von Eigen­kapital (Dividenden) unter gewissen Umständen zu starken Anreizen kommen, ein Unternehmen mit übermäßig viel Fremdkapital auszustatten.29 Hintergrund hierfür ist, dass das Steuerrecht nicht auf eine objektive Ertragskraft des Unternehmens, sondern auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmensträgers als steuerpflichtiges Subjekt abstellt.30 Während Eigenkapitalfinanzierung die Leistungsfähigkeit des investierenden Unternehmens unangetastet lässt, sorgt die Fremdkapital­ finanzierung regelmäßig für eine Verschiebung der Leistungsfähigkeit, da die Finanzressourcen nicht aus eigenen Quellen und daher gegen die Zahlung von Entgelt von anderen Steuersubjekten beschafft werden. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass beim finanzierten Unternehmen Zinsen regelmäßig als Aufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden können, während Dividenden als Gewinnverwendung die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern dürfen, womit sie in voller Höhe der üblichen Ertragsteuerbelastung unterliegen.31 Kommt es bei einer Finanzierungsstruktur nun dazu, dass beide Vertrags­ parteien demselben Konzern32 angehören, entfällt der sonst übliche Interessengegensatz bei der Gewinnerzielung, da beide Unternehmen sich nun dem Gewinnmaximierungsinteresse ihres Konzerns unterzuordnen und damit auch Entscheidungen zu befolgen haben, die ihrem eigenen Gewinnkalkül entgegen­ stehen.33 Hierdurch können die durch das Trennungsprinzip ermöglichten Vorteile, die sich aus zivilrechtlicher Selbstständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaf 28 Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 21; Herzig, DB 1994, 110. In diesem Zusammenhang seien die branchenspezifisch geforderten Eigen­kapitalhinterlegungspflichten bei Finanzunternehmen nicht näher behandelt; siehe hierzu m. w. N.  Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, S. 2. 29 Dazu ausführlich Striegel, IStR 2008, 530 (531); siehe auch Eichfelder et al., in: ZEW/ Universität Wuppertal/Ebner u. a. (Hrsg.), Auswirkungen von Steuervereinfachungen, S. 19. In diesem Zusammenhang wird nicht gesondert auf außersteuerliche Faktoren als Anreiz zur konzerninternen Fremdkapitalfinanzierung eingegangen; siehe hierzu Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 40 sowie ausführlich Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, S. 16 f. 30 Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 128. 31 Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (304 f.); Schön, World Tax Journal 2010, 65 (75). 32 Im Rahmen dieser Arbeit wird ein „Konzern“ i. S. von § 18 AktG als Zusammenschluss mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen verstanden, die als wirtschaftliche Einheit unter einheitlicher Leitung stehen. 33 Andeutend Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 1.

I. Missbräuchliche Gewinnverlagerung als legislative Herausforderung 

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ten und wirtschaftlicher Einheit des Konzerns, in Kombination mit der steuer­ lichen Vorteilhaftigkeit von Fremdkapitalfinanzierungen ausgenutzt werden.34 Zwar ist festzuhalten, dass bei lediglich inländischen Sachverhalten in der Regel kein wesentlicher Steuervorteil erzielt werden kann und eine Einmalbesteuerung der Finanzierungsentgelte sichergestellt ist.35 Demgegenüber bieten aber gerade konzerninterne Finanzierungsstrukturen grenzüberschreitend tätigen Konzernen die Möglichkeit, den Ort ihres steuerpflichtigen Gewinnausweises weit­gehend selbst zu bestimmen, und können damit für eine Senkung der Steuerbelastung sorgen.36 Als Grundregel gilt hierbei, dass die Allokation des Aufwands für Fremdkapital in hoch besteuernden, Eigenkapitalertrag jedoch in niedrig besteuernden Staaten der Konzerntätigkeit vorzunehmen ist.37 Nach Ansicht des Gesetzgebers findet diese sogenannte Buchgewinnverlagerung38 im Wesentlichen auf zwei Arten statt. Zum einen statten ausländische Unternehmen ihre deutschen Tochter- oder Schwestergesellschaften mit übermäßig viel Fremdkapital aus. Die in Deutschland eigentlich erwirtschafteten Gewinne würden somit in abzugsfähigen Zinsaufwand umqualifiziert und konzernintern ins niedriger besteuernde Ausland transferiert. Zum anderen nutzten internationale Konzerne auch die Möglichkeit, die Auslandsbeteiligungen ihrer deutschen Unternehmen über die Aufnahme externen Fremdkapitals zu refinanzieren. Dadurch werde der in Deutschland entstandene Gewinn durch die Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen gemindert und die im Ausland steuerlich nied-

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Nach Schätzungen der OECD, Globalisation of Industry, S. 29 f. stellen konzerninterne Transaktionen mindestens die Hälfte des Handelsvolumens ihrer Mitgliedsländer dar; dazu auch Schneider, DB 2003, 53; dem folgend Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 550. Andere Quellen sehen sogar 60 v.H. des weltweiten Handels als konzernintern an; siehe dazu Commission of the European Communities (2001), Company Taxation in the Internal Market, COM 582 final. In Deutschland gibt es ca. 300.000 verbundene Unternehmen; diese gliedern sich in 41.000 Personen- und 259.000 Kapitalgesellschaften; dazu Broer, Gewerbesteuerreform 2008: Belastungswirkungen bei Unternehmen und Gemeinden, DIW Berlin, Discussion Papers Nr. 762, 1/2008. 35 Im Ergebnis ähnlich Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 11, Rz. 49; OrtmannBabel/Zipfel, in: Ernst&Young/BDI (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 71 ff. Für die Rechtslage vor der Unternehmensteuerreform 2008 siehe Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, S. 21. Zu Ausführungen über die „Symmetrie“ der rein nationalen Besteuerung von Fremd- und Eigenkapital auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene, welche bei internationalen Finanzierungsgestaltungen durchbrochen werden kann, siehe Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (304 ff.). 36 Zielke, StuW 2009, 63 ff.; für die Rechtslage vor der Unternehmsteuerreform 2008 siehe Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, S. 23. 37 Etwa Menck, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. A 71; Zielke, RIW 2006, 600 (603 f.); Kahle, WPg 2006, 1401 (1403). 38 Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, 37.

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A. Einleitung

riger belasteten Dividenden könnten trotz Berücksichtigung ihrer Finanzierungsaufwendungen weitgehend steuerfrei nach Deutschland repatriiert werden.39 Den durch beide Varianten verursachten Verlust an Besteuerungssubstrat in Deutschland beklagt der Gesetzgeber als missbräuchlich. Hierbei macht er geltend, dass auch internationale Unternehmen aufgrund der Nutzung der steuer­ finanzierten Infrastruktur – wie u. a. des Verkehrsnetzes, der Marktbereitstellung, des Rechtssystems oder der inneren Sicherheit – grundsätzlich verpflichtet seien, auf die in Deutschland entstandenen Gewinne Steuern zu bezahlen.40 Zusätzlich prangert er an, dass durch die übermäßige Fremdkapitalfinanzierung eine im internationalen Vergleich niedrige Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen entstehe, welche deren Insolvenzresistenz schwäche.41

II. Die Zinsschranke als neuartiges Regelungsinstrument Seit vielen Jahren bekämpft der Gesetzgeber diesen Finanzierungsmissbrauch. Gegen die Gestaltungen konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung setzt(e) er die Regelungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG a. F. und die der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG ein. Was die Einschränkung der unternehmensexternen Verschuldung deutscher Konzernunternehmen zur Refinanzierung von Auslandsbeteiligungen betrifft, wirkt die gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG unterstützend. Doch durch die Einführung der Zinsschrankenregelung ordnete der Gesetzgeber den Regelungsbereich missbräuchlicher Konzernfinanzierung in weiten Teilen um. Der neu geschaffene § 4h EStG wirkt nun rechtsformneutral als Gewinnermittlungsvorschrift des Einkommensteuergesetzes. Zugleich änderte der Gesetzgeber § 8a KStG a. F., entzog ihm die Selbstständigkeit und wendet ihn nun als ergänzende Spezifikation der Anwendung der Zinsschrankenregelung für Kapitalgesellschaften an. Auch die Regelungen der §§ 7 ff. AStG und des § 8 Nr. 1 GewStG unterlagen aktuellen Änderungsmaßnahmen.42 Das neue Konzept der Zinsschranke weicht dabei von den bisher genutzten Strukturen ab. Die Schädlichkeit konzerninterner Fremdkapitalfinanzierungen soll nun nicht mehr über das gesellschafterbezogene Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital, sondern betriebsbezogen über das Verhältnis des Netto­ 39

BT-Drs. 16/4841, S. 1, 31, 35. Für eine ausführlichere Darstellung der Funktionsweise dieser Art des Steuersubstratsverlusts siehe Abschn. 1, S. 93. 40 BT-Drs. 16/4841, S. 1; Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 10 f. sowie ders., in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (878 f.); siehe hierzu auch Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europaund verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (265). 41 BT-Drs. 16/4841, S. 31. 42 Siehe dazu Abschn. aa), S. 103, und Abschn. aa), S. 105.

III. Verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit des § 4h EStG

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zinsaufwands zur Ertragskraft des Unternehmens bestimmt werden. Zugleich werden als missbräuchlich erkannte Zinszahlungen nicht mehr in verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) umqualifiziert. Die als schädlich erkannten Teile der Zinsaufwendungen werden ohne Modifikation beim Darlehensgeber nun – zumindest temporär – der steuerlichen Bemessungsgrundlage wieder hinzugefügt und unterliegen der üblichen Ertragsteuerbelastung beim Zinsschuldner. Damit hat der Regelungskomplex missbräuchlicher Konzernfinanzierung eine erhebliche Neugestaltung erfahren.

III. Verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit des § 4h EStG Seit der erstmaligen Anwendung gesonderter Normen zur Regelung der steuerlichen Behandlung missbräuchlicher Konzernfinanzierungen setzen sich Politik, Praxis und Wissenschaft intensiv mit diesem Thema auseinander. Das jüngste Kapitel hierzu wurde mit der Einführung der Zinsschrankenregelung geschrieben. Das Echo der Fachwelt ist groß.43 Es finden sich vermehrt praxisbezogene und insbesondere betriebswirtschaftlich orientierte Aufsätze, die zu einer steuerunschädlichen Umgehung der Neuregelung raten. Auch juristische Dissertationen zur Vereinbarkeit der Zinsschranke mit den Vorgaben des Europa-, Abkommens- und Verfassungsrechts sind erschienen.44 Die Rechtsprechung hat sich bisher zur verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit der Zinsschranke nicht abschießend geäußert. Während der 1. und 7. Senat des FG München mit verfassungrechtlichen Zweifeln begründete AdV-Anträge ablehnte,45 bejahte das FG Berlin-Brandenburg46 erst­ liche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke. Ebenso unentschieden blieben die Äußerungen des Bundesfinanzhofs,47 der in seinem Beschluss vom 13.3.2012 der Beschwerde gegen die Ablehnung eines AdV-Antrags aufgrund verfassungsrechtlicher Zweifel an § 8a Abs. 2 Alt. 3 KStG in großen Teilen stattgab, es aber ausdrücklich offenließ, ob gegen die Zinsschranke grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Über die bereits publizierten Werke und ergangenen Urteile hinaus liegt das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf der Untersuchung der Entstehung der Zinsschranke, auf der Analyse ihres Regelungskonzepts und insbesondere auf der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit den für die Besteuerung zentralen verfassungsrechtli 43

Zur Legion an Aufsätzen siehe statt vieler Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a (URefG 2008), vor Rz. 1, b) Fachzeitschriften. 44 Etwa Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008; München, Die Zinsschranke – eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung; v. Bar, Die Zinsschranke und ihre Vereinbarkeit mit dem Europarecht. 45 FG München, Beschlüsse vom 1.7.2010 (1 V 272/09); 1.6.2011 (7 V 822/11); siehe aber auch FG München, Beschluss vom 14.12.2011 (7 V 2442/11). 46 FG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2011, 12 V 12089/11, EFG 2012, 358. 47 BFH vom 13.3.2012, I B 111/11, DStR 2012, 955.

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A. Einleitung

chen Maßstäben des Art. 3 GG und Art. 14 GG. In diesem Zusammenhang fließen sämtliche vom Gesetzgeber genannten Zielsetzungen und die jüngsten empirischen Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Zinsschranke ein. Beachtung finden dabei nicht nur die aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hervorgehenden Grenzen der Besteuerung im Rahmen einer erdrosselnden Besteuerungswirkung, sondern auch aus dem Blickwinkel der neueren Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit des Steuereingriffs. Mit dieser Untersuchung soll somit ein Beitrag zur dogmatischen Durchdringung der Zinsschrankenregelung geleistet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Arbeit in vier Teile gegliedert. Der erste Teil der Arbeit analysiert die Lage, die der Gesetzgeber bei der Regulierung der europaweiten Konzernfinanzierung vorfand. In einer ersten Betrachtung werden die nationalen, bilateralen und europarechtlichen Vorgaben sowie steuerwett­ bewerbliche Einflüsse beschrieben, die auf den Gesetzgeber einwirken und in direktem Zusammenhang mit der steuerlichen Regulierung grenzüberschreitender Konzernfinanzierung stehen. Daran schließt die Analyse dieser als Tetralemma bezeichneten Lage an, die deren Auswirkungen und Herausforderungen beleuchtet, denen sich der Gesetzgeber zu stellen hat. Die Auseinandersetzung mit der Situation, in der sich der Gesetzgeber befand, soll die Notwendigkeit der Schaffung einer neuen Regelung gegen missbräuchliche Konzernfinanzierung hervorheben und zugleich die Herausforderungen darlegen, die sich bei der Erstellung dieser Regelung ergaben. An die Herleitung und Auswirkungen des Tetralemmas knüpft der zweite Teil der Arbeit unmittelbar an. Dieser betrachtet die Zinsschrankenregelung als Antwort auf die im ersten Teil beschriebenen Sachzusammenhänge, weshalb untersucht wird, ob die Konzeption des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG den hierzu bestehenden direkten Anforderungen gerecht werden kann. Aus diesem Grund folgt auf die Darlegung des Gesetzgebungswegs und der von der Legislative vorgegebenen Zielsetzungen eine Analyse des Regelungskonzepts der Zinsschranke. Mithilfe der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse wird im dritten Teil der Arbeit geprüft, ob die Zinsschranke mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 3 GG und Art. 14 GG vereinbar ist. Aufgrund der multikausalen Begründung der Zinsschranke ist dieser Teil der Analyse anhand der vom Gesetz­geber angeführten Rechtfertigungen zur Einführung der Zinsschranke unterteilt. Flankiert und unterstützt wird die verfassungsrechtliche Analyse durch die ökonomischen Erkenntnisse jüngster empirischer Untersuchungen zur Wirkung der Zinsschranke. Im vierten Teil werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick gegeben. Die gesamte Untersuchung setzt sich schwerpunktmäßig mit der Wirkung der Zinsschranke auf Kapitalgesellschaften auseinander. Dies geschieht deshalb, weil insbesondere die Rechtsform der Kapitalgesellschaft im internationalen Wirtschaftsverkehr genutzt wird und sie aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Struk-

III. Verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit des § 4h EStG

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tur einen wesentlichen Einfluss auf Steuersubstratsverschiebung haben kann.48 Es soll damit aber in keiner Weise bestritten werden, dass eine missbräuchliche Steuer­substratsverschiebung nicht auch durch Personengesellschaften oder Betriebsstätten möglich ist. Doch im Hinblick auf die spezifische Fragestellung dieser Arbeit soll aus Vereinfachungsgründen schwerpunktmäßig auf die Beziehungen zwischen Kapitalgesellschaften eingegangen werden. Wie die Arbeit im Folgenden aufzeigen wird, ist die Zinsschranke insbesondere als Antwort auf die europarechtlichen und europäischen Herausforderungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der Harmonisierung der direkten Steuern zu verstehen. Daher bezieht sich der Betrachtungsbereich dieser Untersuchung auf den Geltungsbereich der Europäischen Union. Kein Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die Angemessenheit des Zinssatzes, da diese in der deutschen Steuerrechtsordnung mit gesonderten Normen geprüft wird.49 Es wird daher angenommen, dass die hier erörterten Strukturen der Fremdkapitalfinanzierung unter einem angemessenen Zinssatz zustande gekommen sind.

48

Siehe dazu BT-Drs. 12/4487, S. 37; Herr, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Europarecht, S. 65; Musil/Leibohm, FR 2008, 807 (808); Spengel, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten G für den 66. Deutschen Juristentag, S. G 17 f. 49 Siehe hierzu etwa § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG oder § 1 AStG.

B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte Der Gesetzgeber nimmt bei der Beschreibung der von ihm als missbräuchlich angeprangerten Finanzierungsstrukturen stets Bezug auf ins Ausland fließende Zinsen und auf ins Inland fließende Dividenden innerhalb von Konzernen. So sorge zum einen die konzerninterne Fremdkapitalvergabe dafür, dass deutsche Konzernunternehmen ihre Gewinne über die Bezahlung von Zinsen mindern und dadurch an ihre ausländischen Gläubiger transferieren.1 Zum anderen refinanzierten deutsche Unternehmen ihre Auslandsbeteiligungen über konzernexternes Fremdkapital, um bei vollständiger Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen die im Ausland entstandenen Gewinne über Dividenden weitgehend steuer­frei zu repatriieren. Aus diesem Grund sollen die nationalen Besteuerungsregelungen sowie ihre internationalen Rahmenbedingungen bei der europaweiten konzerninternen Transaktion von Zinsen und Dividenden untersucht werden. Auf das Untersuchungsergebnis baut eine Analyse der Lage des Gesetzgebers auf. Sie beleuchtet die Auswirkungen des zuvor dargestellten Wechselspiels der nationalen Regelungen und internationalen Rahmenbedingungen auf den Regelungskomplex der Besteuerung europaweiter Konzernfinanzierung.

I. Zusammensetzung des Tetralemmas Bei der Untersuchung der Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte gilt es zunächst, die nationalen Regelungen und internationalen Rahmenbedingungen zu betrachten. Diese vom Gesetzgeber in Rechnung zu stellenden Vorgaben bestehen aus den Belastungsentscheidungen der deutschen Steuergesetze, den steuerrelevanten völkerrechtlichen Vereinbarungen sowie europarechtlichen Einflüssen auf die Harmonisierung der direkten Steuern und dem „Wettbewerb“ der verschiedenen nationalen Steuerrechtsordnungen.

1

BT-Drs. 16/4841, S. 1, 31, 35.

I. Zusammensetzung des Tetralemmas

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1. Nationale Regelungen a) Besteuerung von ins Ausland fließenden Zinsen aa) Allgemein Ein Blick auf die Besteuerung von ausländischen Fremdkapitalinvestitionen lässt den grundsätzlichen Verzicht Deutschlands auf eine Quellenbesteuerung von ins Ausland abfließenden einfachen Darlehenszinsen erkennen. Bezieht eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft Zinsen aus Deutschland, so kann sie nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 lit. c EStG in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die ins Ausland transferierten Darlehenszinsen zählen für den Gläubiger aber regelmäßig nur dann zu den beschränkt einkommensteuerpflichtigen Einkünften in Deutschland, wenn sie – was verhältnismäßig selten vorkommt – grundpfandrechtlich abgesichert sind oder wenn sie gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. c EStG Ausnahmen darstellen. Zugleich sind die jeweiligen Zinsen, sofern Deutschland der Quellenstaat der Zinszahlung ist, regelmäßig beim Schuldner nach den §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 KStG und § 4 Abs. 4 EStG vollständig von der Steuerbemessungsgrundlage abzugsfähig und mindern damit das deutsche Besteuerungssubstrat.2 Auf diese Weise begründen die ins Ausland fließenden einfachen Kreditzinsen, trotz grundsätzlich vollständiger steuerlicher Abzugsfähigkeit beim inländischen Kreditnehmer, beim ausländischen Kreditgeber keine beschränkte Steuerpflicht und führen damit zum Verzicht auf eine Quellenbesteuerung.3 Lediglich § 8 Nr. 1 lit. a GewStG bewirkt beim in Deutschland steuerpflichtigen Schuldner die Hinzurechnung eines Viertels der transferierten Zinsen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb, was sich jedoch in einer nur geringen Steuerbelastung äußert. Das Ergebnis ist eine weitgehende Nichtbesteuerung abfließender Kreditzinsen. bb) Historischer Hintergrund (1) National Der grundsätzliche Verzicht auf eine Besteuerung von ins Ausland flie­ ßenden Zinsen hat in Deutschland Tradition. Dieses Verständnis basiert auf weit zurückliegenden historischen Zusammenhängen4 und ist mittlerweile fester 2 Ähnlich Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (308). 3 Lüdicke, in: Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 289 (293 f.). 4 Siehe hierzu die Ausführungen von Beuchert/Redeker, Eigen- und Fremdkapital im Steuer- und Gesellschaftsrecht Deutschlands, in: Schön (Hrsg.), Eigenkapital und Fremdkapital, S. 347 f.

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Bestandteil zur Sicherung der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland ge­ worden.5 Der Gesetzgeber hatte im EStG des Jahres 1925 die beschränkte Einkommensteuerpflicht auch für Kapitaleinkünfte aufgrund der immensen Reparationszahlungsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag bedeutend ausgeweitet.6 Zur Stabilisierung des deutschen Haushaltes unterlagen nun auch Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren nach § 3 Abs. 2 Nr. 9 EStG 1925 der beschränkten Steuer­pflicht. Auf den vollen Kapitalertrag wurde eine zehnprozentige Quellensteuer ohne Abzugsmöglichkeit erhoben.7 Stimmen aus Wirtschaft,8 Politik9 und Richterschaft10 monierten jedoch die damit einhergehende Erhöhung der Kapitalkosten des finanzbedürftigen Nachkriegsdeutschlands. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Kritik, indem er zunächst bei unverbrieften Darlehen ohne Immobiliar­ besicherung die beschränkte Steuerpflicht abschaffte. Als aufgrund der Weltwirtschaftskrise und insbesondere des hohen Stimmanteils der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei den Reichstagswahlen im Jahr 1930 Auslandkredite in Milliardenhöhe gekündigt bzw. nicht prolongiert wurden,11 sah sich die Reichsregierung zu einer zusätzlichen Investitionserleichterung gezwungen. Um die Attraktivität deutscher Kapital­anlagen für ausländische Investoren weiter zu steigern, schaffte der Gesetzgeber auch die weitreichende beschränkte Steuerpflicht für festverzinsliche Wertpapiere in § 3 Abs. 2 Nr. 9 EStG 1925 ab und unterwarf diese ebenfalls nur noch bei inländischer Immobiliarbesicherung der beschränkten Steuerpflicht.12

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Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 137; BT-Drs. 12/2501, S. 12. Pißel/Koppe, Das Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, Bd. I, S. 19 mit den Worten: „[B]ei der gegenwärtigen Struktur der deutschen Wirtschaft muss […] darauf geachtet werden, dass möglichst alles, was aus dem Inland herausgewirtschaftet, was im Inland verdient wird, auch steuerlich erfasst wird.“ [Einfügungen in eckigen Klammern durch den Verf.]. Siehe in diesem Zusammenhang auch Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), EStG Kommentar, Bd. XVIII, § 49, Rz. H 15 ff. 7 Metzger/Weingarten, Einkommensteuer und Einkommensteuerverwaltung in Deutschland, S. 147 f. 8 Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, Bd. I, § 3, Rz. 2. 9 RT-Drs. III/1229, S. 1 f. 10 Strutz, StuW 1925, 409 (438); ders., Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, § 3, Rz. 2. 11 Beuchert/Redeker, Eigen- und Fremdkapital im Steuer- und Gesellschaftsrecht Deutschlands, in: Schön (Hrsg.), Eigenkapital und Fremdkapital, S. 347 f. mit Verweis auf den Vermerk des Staatssekretärs Pünder über den Empfang des Reichskanzlers beim Reichspräsidenten, 08.10.1930, Akten der Reichskanzlei, R 43 I/678, Bl. 31–32, abrufbar unter http://www. bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/bru/bru1p/kap1_1/para2_4.html. 12 § 2 lit. b), Verordnung über die Aufhebung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag und der beschränkten Steuerpflicht bei festverzinslichen Wert­papieren vom 16.10.1930, RGBl. I 1930, S. 465. 6

I. Zusammensetzung des Tetralemmas

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(2) International Nachdem Deutschland bereits in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts seine innerstaatliche Besteuerung von ins Ausland fließenden Zinszahlungen gelockert hatte, lösten insbesondere die USA mit dem im Jahr 1984 eingeführten innerstaatlichen Verzicht auf die Erhebung von Quellensteuern auf Zinsen aus Portfolioinvestments13 ein weltweites „race to the bottom“ der Industriestaaten um internationales Kapital aus.14 Genährt von der Befürchtung, nun Kapital an die USA zu verlieren, folgten viele Industriestaaten dem US-amerikanischen Vorbild. Dabei war die Einführung dieser sogenannten portfolio interest exemption nicht einmal von langer Hand geplant, sondern gründete auf der zufälligen Kombination von drei Faktoren.15 So bewirkten zum einen die unter dem amerikanischen Präsidenten Reagan durchgeführten starken Steuersenkungen im Jahr 1981 ein hohes Budgetdefizit, zu dessen Deckung vermehrt Kapital aus dem Ausland angelockt werden sollte.16 Zum Zweiten sah das amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Japan eine Quellenbesteuerung von Zinsen vor. Um aus Japan aber einfacher zusätzliches Kapital erhalten zu können, war der innerstaatliche Verzicht auf die Quellenbesteuerung von Zinsen eine der wenigen probaten Lösungen. Drittens wollten die USA den Einfluss bisher genutzter Steuer­transferländer beschneiden, um ggf. entstehende zusätzliche Finanzierungskosten ihrer Unternehmen zu vermeiden. Wie stark sich diese internationale Politik der Zinsbesteuerung auswirkte, musste Deutschland Ende der 1980er Jahre erfahren, als es eine zehnprozentige Quellensteuer auf Bankguthaben einführte.17 Dies bewirkte eine massive Kapitalflucht ins benachbarte Luxemburg und die Rücknahme dieser Regelung innerhalb von sechs Monaten.18 Lediglich verfassungsrechtliche Bedenken sorgten für die Wiedereinführung einer Quellensteuer auf einfache Darlehenszinsen, die der deutsche Steuergesetzgeber allerdings bewusst nur für Steuerinländer erhob. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die Ruding-Kommission im Jahr 1992, wenn sie ausführte, dass jeder Versuch, innereuropäische Zinsströme mit Quellen­steuern zu belegen, zu einer Kapitalflucht in Drittstaaten führen könne.19 13

Section 871 (h) und 881 (c) Internal Revenue Code (USA). Diese Ausnahme gilt für Zinsen aus Bonds der USA sowie von privaten Körperschaften – jedoch nur insoweit, als der Geldgeber weniger als zehn v.H. an der fremdkapitalfinanzierten Gesellschaft beteiligt war – und für Zinsen aus üblichen Bankguthaben. 14 Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1999–2000, 1573 (1581); dem folgend Khoo, 24 Australian Tax Review 2009, 597 (605). 15 Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1999–2000, 1573 (1580). 16 Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1999–2000, 1573 (1580). 17 Mutén, TNI 1994, 743 (745). 18 Siehe hierzu auch die Ausführungen in der BT-Drs. 12/2501, S. 12. 19 Commission of the European Communities, Report of the Committee of Independent Experts on Company Taxation (1992), S. 201. So heißt es dort: „[R]ecent experience suggests that any attempt by the EC to impose withholding taxes on cross-border interest flows could result in a flight of financial capital to non EC-countries.“

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Bis heute hat sich an dieser Situation nur wenig geändert und der Verzicht auf Quellensteuern bei grenzüberschreitenden Zinszahlungen konnte sich damit in Deutschland weiter festigen. b) Besteuerung der Repatriierung von Unternehmensgewinnen über Dividenden aa) Körperschaftsteuerliches Beteiligungsprivileg Nach § 8b Abs. 1 KStG sind Dividenden, die eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft von einer Körperschaft aus dem In- oder Ausland erhält, grundsätzlich vollständig von der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens in Deutschland freizustellen.20 Dieses sogenannte (internationale) körperschaftsteuerliche Beteiligungsprivileg gilt regelmäßig unabhängig von der Haltedauer, der Beteiligungshöhe, einer ggf. im Ausland bestehenden körperschaftsteuerlichen Vorbelastung21 und der Art der Tätigkeit22 der Körperschaft.23 Im Gegenzug zum grundsätzlichen Nichteinbezug in das körperschaftsteuerliche Einkommen regelt § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG, dass fünf v. H. der nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Dividenden als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gelten.24 Diese sogenannte Schachtelstrafe errechnet sich aus fünf v. H. der Bruttodividende, d. h. vor Abzug einer ggf. erhobenen ausländischen Quellensteuer. Dieser Betrag ist sodann pauschal, und damit unabhängig von der tatsächlichen Höhe des angefallenen Beteiligungsaufwands steuerpflichtig und unterliegt, aufgrund außerbilanzieller Erhöhung des Einkommens, der Körperschaft- und Gewerbesteuerbelastung.25 Zusätzlich finden die auf die Dividenden ggf. im Aus 20

Siehe hierzu ausführlicher Henkel, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. E 256; Dötsch/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8b, Rz. 7, 10, sowie Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), KStG/GewStG/UmwStG, Bd. II, § 8b KStG, Rz. 16. 21 Lüdicke, in: Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 289 (299). Ausnahmen hiervon gelten z. B. beim Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. 22 Für passive Einkünfte erzielende Auslandsgesellschaften sind jedoch die Vorgaben der §§ 7 ff. AStG zu beachten; dazu Dötsch/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8b, Rz. 8 sowie Piltz, in: Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 211 (223). 23 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 15.152; Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, S. 170. 24 Am 12.10.2010 hat der Erste Senat des BVerfG diese Pauschalierung als zulässige Typi­ sierung anerkannt und daher die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt. BVerfGE 127, 224 (Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots). 25 Binnewies, in: Streck (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 162; Ortmann-Babel/ Zipfel, in: Ernst&Young/BDI (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 73. Kritisch zur Besteuerung der fünf v.H. der empfangenen Bruttodividende trotz Nichtvorliegens von Beteiligungsaufwand siehe BFH v. 9.8.2006, BFH/NV 2006, 2379.

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land erhobenen Quellensteuern bzw. eine körperschaftsteuerliche Vorbelastung von Dividenden keine steuerliche Berücksichtigung mehr in Deutschland.26 Mit dieser typisierenden Betriebsausgabenberücksichtigung regelt § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG als lex specialis die Nichtanwendung des § 3c Abs. 1 EStG, wodurch zusätzlich zur fast vollständigen Steuerbefreiung die im Zusammenhang mit der Beteiligung entstandenen Betriebsausgaben steuermindernd geltend gemacht werden können.27 Hierbei gilt es aber auch, die Wirkung des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG zu beachten. Dies führt dazu, dass, trotz vollständiger Abzugsfähigkeit, der steuer­ lich nicht berücksichtigungsfähige Teil der Beteiligungsaufwendungen die nach § 8b Abs. 5 KStG festgelegten fünf v. H. der Bruttodividende nicht unterschreiten darf.28 Im Falle höherer oder niedrigerer Beteiligungsaufwendungen sind damit stets fünf v. H. der Bruttodividende mit Abgeltungswirkung als fiktive, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben steuerpflichtig. bb) Internationales gewerbesteuerliches Schachtelprivileg Weil die Gemeinden Steuereinnahmeverluste befürchteten, konnte das Ausmaß der körperschaftsteuerlichen Freistellung von Dividenden im Gewerbesteuergesetz keinen Niederschlag finden.29 So unterbleibt nach den §§ 8 Nr. 5 i. V. m. 9 Nr. 7 GewStG die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei gestellten Dividenden grundsätzlich nur dann, wenn zusätzliche Be­ dingungen erfüllt sind. Dabei soll der Blick auf die steuerliche Behandlung von Auslandsdividenden gerichtet werden, die der im späteren Verlauf dieser Arbeit behandelten Mutter-Tochter-Richtlinie30 unterliegen. Für die Dividendenzahlungen aus derartigen Beteiligungen unterbleibt nach § 9 Nr. 7 Satz 1 a. E. GewStG die gewerbesteuerliche Hinzurechnung, wenn zu Beginn des Erhebungszeitraums eine Mindestbeteiligung am Nennkapital von zehn v. H. vorliegt. Anders als bei den sonstigen Beteiligungen ist in diesem Zusammenhang der Nachweis einer Aktivität der Auslandsgesellschaft nicht zu erbringen.31 Mit diesen Vorgaben sind die Hürden des gewerbesteuerlichen internationalen Schachtelprivilegs höher als die des körperschaftsteuerlichen, womit die Voraussetzungen für das körperschaftsteuerliche Privileg bei Vorliegen des gewer 26 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 395; Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 503; Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 248. 27 BVerfG 127 (224) (Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots). 28 Zur verfassungsrechtlichen Problematik (Art 3 GG) dieser Regelung bei Beteiligungsaufwendungen, die unterhalb der Fünf-v. H.-Grenze liegen siehe auch Dötsch/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8b, Rz. 231; bejahend BVerfG v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393. 29 Lüdicke, in: Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 289 (298). 30 Siehe dazu auch die Ausführungen in Abschn. (2), S. 52. 31 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 15.236.

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besteuerlichen erfüllt sind; dies muss jedoch nicht in jeder Konstellation für den umgekehrten Fall gelten. Trotzdem sind die ausländischen Dividendeneinkünfte deutscher Kapitalgesellschaften aus qualifizierten Beteiligungen bei Vorliegen der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Privilegien unter weitgehender Möglichkeit der Geltendmachung von Beteiligungsaufwendungen regelmäßig zu 95 v. H. steuerbefreit.32 cc) Hintergrund Aufgrund der untereinander bestehenden Beteiligungsverhältnisse in Konzernstrukturen kann es bei der Gewinnausschüttung dazu kommen, dass an Anteilseigner transferierte Dividenden einer steuerlichen Mehrfachbelastung und damit mindestens einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung unterliegen. Dieser Kaskadeneffekt kann gerade bei lediglich durchgeleiteten – d. h. innerhalb einer Beteiligungskette weitergegebenen – Dividenden zu einer erheblichen und damit zu einer besonders hohen Steuerlast führen.33 Durch die stets zu versteuernde Weiterleitung von Dividenden käme es in der Konsequenz zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung, welche sich ökonomisch nachteilig auswirken kann.34 Daher hat sich jeder Steuergesetzgeber, auch vor dem Hintergrund einer zu verhindernden Überschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, zu entscheiden, wie er Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften behandelt.35 Um dem Sorge zu tragen, sah bereits § 9 KStG 1957/1975 die Steuerfreiheit von Dividendenzahlungen zwischen Kapitalgesellschaften vor, wenn ein Betei­ ligungsverhältnis von mindestens 25 v. H. vorlag.36 Das mit dem Körperschaft­ steuergesetz des Jahres 1977 eingeführte Anrechnungsverfahren löste den Konflikt der Mehrfachbelastung, indem es dem Gesellschafter die auf Ebene des Dividendenschuldners erhobene inländische Steuerbelastung anrechnete, was somit zu einem Belastungsausgleich führte. Diese Lösung erwies sich jedoch im Falle des Zuflusses ausländischer Dividenden als nachteilig, da die im Quellenstaat erhobenen Steuerbeiträge in Deutschland regelmäßig nicht anrechnungs­ fähig waren. Zwar waren ausländische Beteiligungserträge im Ergebnis steuerfrei gestellt oder konnten nach dem Anrechnungsverfahren begünstigt von Kapital­ gesellschaften vereinnahmt werden. Eine Weiterausschüttung an deren Anteilseigner unterlag aber aufgrund der Nichtanrechnungsfähigkeit der im Ausland dar 32

Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 493; Ernst, Ubg 2010, 494. Binnewies, in: Streck (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 1. 34 Kröner, in: Ernst&Young (Hrsg.), KStG-Kommentar, § 8b, Rz. 42; analoge Argumentation bei Gröbl/Adrian, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 15. 35 Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), KStG/GewStG/UmwStG, Bd. II, § 8b KStG, Rz. 3 ff.; ähnlich Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 50. 36 Rengers, in: Heuermann (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. IV, § 8b KStG, Rz. 1. 33

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auf entrichteten Abgaben wiederum der vollen Steuerbelastung im Inland.37 Somit kam zu einer bereits ggf. im Ausland bestehenden Steuerbelastung die inländische hinzu, wodurch Auslandsdividenden im internationalen Vergleich besonders stark belastet sein konnten.38 Der hierauf antwortende Ruf der deutschen Wirtschaft nach geringerer Besteuerung ihrer Auslandsgewinne39 und die Sorge des deutschen Gesetzgebers um die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen führten sodann im Jahr 1993 zur Konzeption des § 8b KStG im Rahmen des Standortsicherungsgesetzes (StandOG). Um der wirtschaftlichen Sonderbelastung von Auslands­erträgen entgegenzuwirken, befreite § 8b KStG grundsätzlich die Weiterausschüttung der empfangenen Auslandsdividenden an beteiligte Körperschaften von zusätzlicher Besteuerung (sog. Holding-Lösung).40 Mit diesem Beteiligungsprivileg nahm der Gesetzgeber auf die ausländische steuerliche Vorbelastung der nach Deutschland transferierten Dividenden Rücksicht.41 Durch diese Neuregelung der Behandlung von Auslandsdividenden beabsichtigte der Gesetzgeber, Deutschland als Holdingstandort zu stärken und damit die Auslandsbeziehungen deutscher Unternehmen zu unterstützen.42 Hintergrund der Steuerfreistellung von Auslandsdividenden scheint damit die auch im BMF erkannte förderliche Wirkung des Auslands­ engagements deutscher Unternehmen auf die inländische Geschäftstätigkeit gewesen zu sein.43 Abgesehen von kleineren Änderungen erfuhr § 8b KStG i. d. F. des StandOG mit dem Steuersenkungsgesetz des Jahres 2001 (StSenkG) 44 und der Einführung des bis heute geltenden Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens eine notwendige Ausweitung des Anwendungsbereichs und verhindert nun auch die Kaskadenproblematik, die sich vorher bei der Durchleitung der aus dem Inland stammenden Dividenden 37

Müller-Gatermann, FR 1993, 381 (383 f.). Andeutend Rupp/Eggers, in: Schöberle/Hofmeister (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 3. 39 Müller-Gatermann, FR 1993, 381; Rupp/Eggers, in: Schöberle/Hofmeister (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 1a. 40 Hundt, DB 1993, 2048. 41 Menck, in: Heuermann (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. IV, § 8b KStG a. F., Rz. 1. 42 BT-Drs. 12/4487, S. 38; Menck, in: Heuermann (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. IV, § 8b KStG a. F., Rz. 1. Zur Rechtsentwicklung siehe auch Frotscher, in: Frotscher/ Maas (Hrsg.), KStG/GewStG/UmwStG, Bd. II, § 8b KStG, Rz. 5, sowie Kluge, Das Inter­ nationale Steuerrecht, Rz. N 190, ebenso Rupp/Eggers, in: Schöberle/Hofmeister (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 1a; dazu auch v. Weizsäcker, FAZ v. 4.6.2010, S. 12. 43 Müller-Gatermann, FR 1993, 381 (383); siehe auch Eilers, in: Herzig (Hrsg.), Gesellschafterfremdfinanzierung und Beteiligung an ausländischen Gesellschaften im Körperschaftsteuerrecht, S. 107 (108 f.); Rupp/Eggers, in: Schöberle/Hofmeister (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, § 8b, Rz. 4. 44 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23.10.2000, BStBl. I 2000, S. 1428, BGBl. I 2000, S. 1433. 38

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

ergeben hat.45 § 8b KStG dient somit als Garant für die grundsätzlich nur einmal stattfindende Besteuerung konzerninterner Dividenden aus dem In- und Ausland und ist als ein zentraler und notwendiger Bestandteil des derzeit geltenden Wirtschafts- und Besteuerungssystems zu verstehen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Gosch diese Regelung als ein „Herzstück“ des aktuellen Körperschaft­ steuersystems qualifiziert.46 2. Völkerrechtliche Vereinbarungen Während zwar alleinig die nationalen Steuergesetze Besteuerungsrechte begründen können, setzen Doppelbesteuerungsabkommen diesen in internationalen Zusammenhängen Grenzen, indem sie in gewissem Maße als Besteuerungsschranken für Besteuerungsrechte fungieren können.47 Doppelbesteuerungsabkommen sind das Ergebnis bi- bzw. multilateraler Verhandlungen und dienen als Allokationsvorschriften für die Verteilung des internationalen Steuersubstrats zwischen den Vertragspartnern, indem sie nationale Besteuerungsansprüche aufrechterhalten, einschränken oder ausschließen können.48 Aus supranationaler Perspektive gesehen wird hiermit das Ziel verfolgt, damit einhergehende volkswirtschaftlich negative Einflüsse auf den Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Technologie- und Personenverkehr zu vermeiden, kurzum schädliche Auswirkungen auf sämtliche im Fokus der Besteuerung stehenden grenzüberschreitenden Sachverhalte aus­zuschließen.49 Doch trotz der genannten ökonomischen Vorteile ist keines der beteiligten Länder gewillt, in einer Gesamtbetrachtung der eigenen Interessenlage auf Steuer­ substrat zu verzichten. Gerade die Besteuerung von grenzüberschreitenden Zins- und Dividendeneinkünften ist deshalb seit jeher ein Streitpunkt bei der Formulierung von Doppelbesteuerungsabkommen. Dass dies auch für Deutschland gilt, kann daran gesehen werden, dass die deutschen Doppelbesteuerungsabkom 45 Rengers, in: Heuermann (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. IV, § 8b, Rz. 40; Henkel, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. E 256; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 169; Dötsch/Pung, in: Dötsch et al., Die Körperschaftsteuer (Hrsg.), Bd. II, § 8b, Rz. 1 ff. 46 Gosch, in: ders. (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz – Kommentar, § 8b, Rz. 1. 47 Tillmanns/Mössner, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. B 236. Zum nicht abschließend geklärten Verhältnis der DBA zum nationalen Recht siehe Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 52 ff., oder auch Djanani/Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 86 ff. 48 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 28 ff.; Rohatgi, Basic International Taxation, S. 3; siehe hierzu auch die lange Tradition dieses Grundsatzes in der Rechtsprechung, RFH v. 1.10.1936, RStBl. 1936, S. 1209. Zu einer bildlichen Veranschaulichung des Sachverhalts sei verwiesen auf den Vergleich mit einer „Lochschablone“ von Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/ Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Einleitung, Rz. 90. 49 OECD-MK 2010, Einleitung, Nr. 1; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 1. Zu kritischen Anmerkungen über die allgemeine Funktion von Doppelbesteuerungs­ abkommen siehe Dagan, 32 NYU J. Int’l L. & Pol. 1999–2000, 939 ff.

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men bei der Besteuerung internationaler Finanzierungsentgelte von dem eigentlich für Industriestaaten maßgeblichen Musterabkommen der Organisation for Eco­nomic Co-operation and Development (OECD-MA) abweichen. Doch obwohl ein eigenes deutsches Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bisher fehlt,50 lässt sich gerade bei der grenzüberschreitenden Besteuerung von ins Ausland transferierten Zinszahlungen und von in Deutschland empfangenen Auslandsdividenden erkennen, dass in der deutschen Abkommenspolitik weitgehend klare Leitlinien verfolgt werden. a) Besteuerung von ins Ausland fließenden Zinsen aa) Deutsche Abkommenspolitik Die steuerliche Erfassung grenzüberschreitender Zinszahlungen zwischen Unternehmen steht in einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen der Sicherstellung staatlicher Einnahmen und der Sorge, einen damit einhergehenden Aufbau von Investitionshindernissen zu vermeiden. Zwar sieht Art. 11 Abs. 1 OECD-MA das grundsätzlich unbeschränkte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Darlehensgebers vor. Trotzdem stellen Abs. 2 und 6 derselben Vorschrift es dem Quellenstaat von Zinszahlungen grundsätzlich frei, eine Quellensteuer von maximal zehn v. H. der Bruttozinszahlungen zu erheben. Diesen seit jeher als Kompromiss51 zwischen kapitalexportierenden und kapitalimportierenden Staaten verstandenen Vorschlag der OECD nutzt Deutschland jedoch meist nicht aus. Zwar geht die jüngere deutsche Abkommenspolitik mittlerweile dazu über, gewinnabhängige Vergütungen, die beim Schuldner abzugs­ fähig sind, höher zu besteuern, indem diese entweder unter den Dividendenbegriff fallen oder hierauf die Erhebung einer grundsätzlich unbeschränkten Quellensteuer möglich ist.52 Doch gerade in den wichtigen Abkommen mit Industriestaaten verzichtet Deutschland weiterhin auf eine Quellenbesteuerung von einfachen Darlehenszinsen.53 Aufgrund dieser Vereinbarungen fließen nach den hierzu 50 Zu einem Plädoyer für die Erstellung eines eigenen deutschen DBA-Musterabkommens siehe Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 19 f. 51 Siehe hierzu die Fassungen der jeweiligen Kommentare: OECD-MK 1963, Einleitung Nr. 18, sowie Art. 11, Nr. 4 ff.; OECD-MK 2010, Art. 11, Nr. 3 Satz 2; siehe auch Danon, in: M. Lang et al. (Hrsg.), Source versus Residence, S. 81; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 16.356. 52 Tischbirek, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 10, Rz. 170; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 139; Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, S. 204 ff. 53 Pöllath/Lohbeck, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 11, Rz. 2, 22, 48 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 319 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 16.356. Zur Empfehlung einer zukünftigen Beibehaltung eines Quellensteuerverzichts siehe Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 137.

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einschlägigen Abkommen Kreditzinsen grundsätzlich quellensteuerfrei in den Ansässigkeitsstaat des Darlehensgebers. Regelmäßige Ausnahmen hiervon gelten lediglich in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungsbzw. Schwellenländern.54 Dass mit diesen Ländern Quellensteuern in der Höhe von fünf bis zu 15 v. H. vereinbart werden, ist eher darauf zurückzuführen, dass diese Länder das so verlangen und Deutschland hilfsbereit reagiert. Da sie aber bislang kaum in Deutschland investieren, können solche Vereinbarungen in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden. bb) Hintergrund des Verzichts auf Quellenbesteuerung (1) National Als Begründung für den Verzicht auf die Quellenbesteuerung von Zinsen wird in der Literatur angeführt, dass kapitalexportierende Industriestaaten wie Deutschland stets der Auffassung gewesen seien, dass Zinsen exklusiv im Land des Kreditgebers zu besteuern sind. Das ausgeliehene Kapital sei unter Nutzung der Infrastruktur des Ansässigkeitsstaats des Kreditgebers generiert worden und stehe diesem beim Verleih ins Ausland nun nicht mehr zur Verfügung, so dass als Ausgleich dem Staat des Kreditgebers der exklusive Zugriff auf das Steuer­substrat zu gewähren sei.55 Für die ausschließliche Besteuerung von Zinsen im Kreditgeberland sprächen zudem auch praktische Gründe. So sei nur der Ansässigkeitsstaat des Kreditgläubigers in der Lage, die Besteuerung der Zinsen auf Basis einer der Brutto- vorzuziehenden Nettobesteuerung durchzuführen, da dem Quellenland der Zinsen hierzu schlicht die Informationen fehlten.56 Weiterhin werben die meist kapitalexportierenden Industriestaaten insbesondere mit der Attraktionskraft eines quellensteuerfreien Landes auf ausländisches Kapital.57 Als Hauptargument dient hierbei der allgemeine ökonomische Rat, dass

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Siehe hierzu die Übersicht von Pöllath/Lohbeck, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 11, Rz. 22, 48, sowie Jehlin, Die Quellenbesteuerungspolitik für grenzüberschreitende Zinszahlungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern – mit besonderer Betrachtung der BRIC-Staaten, in Schön (Hrsg.), Eigen- und Fremdkapital, S.  157 ff. 55 Debatin, DB 1980, Beilage Nr. 15/80, S. 14; Mössner, in: Lüdicke (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, S. 37. 56 UN (Hrsg.), Manual for the Negotiation of Bilateral Tax Treaties between Developed and Developing Countries, S. 57. Zur Schwierigkeit einer flächendeckenden Anwendung des Nettoprinzips bei der Quellenbesteuerung siehe Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBAPolitik, S. 136. 57 Vann, in: Thuronyi (Hrsg.), Tax Law Design and Drafting, S. 718 (765); ähnlich Dagan, 32 NYU J. Int’l L. & Pol. 1999–2000, 939 (990 f.); dem folgend Reddy, 36 Intertax 2008, 568 (569); siehe in diesem Zusammenhang auch BT-Drs. 12/2501, S. 12.

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kleine und offene Volkswirtschaften auf die Quellenbesteuerung von mobilem Kapital verzichten sollten.58 Begründet wird dieses Argument mit dem Kalkül von Investoren, die sich für die gewinnmaximierende Alternative entscheiden, und mit der Tatsache, dass die Erhebung von Quellensteuern Wettbewerbsnachteile zur Folge hätte.59 Als Hintergrund der deutschen Abkommenspolitik vermutet Homburg jedoch weniger ein von Praktikabilitätserwägungen oder Gerechtigkeitsidealen geleitetes Besteuerungsbild, sondern vielmehr ein direktes Streben nach zusätzlichen Steuer­einnahmen.60 Dass Deutschland sich so verhält, hat ihm zufolge mit der Stellung als einer der weltweit größten Kapitalexporteure61 zu tun. Gerade kapitalexportierende Länder profitierten nämlich von einem weitgehenden internationalen Quellensteuerverzicht, weil durch die geringere Steuerbelastung mehr Zinsen und somit mehr Besteuerungssubstrat ins Inland zurückfließen.62 Aus diesem Grund sei die deutsche Steuerpolitik ein werbendes Vorbild, um weitere Länder hiervon zu überzeugen. (2) International Der Streitpunkt über die „richtige“ Besteuerung von grenzüberschreitenden Zinszahlungen beschäftigt die internationalen politischen Kräfte schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Umfassende Überlegungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen begannen mit entsprechenden Bemühungen des Völkerbunds in den 1920er Jahren.63 Ein hierzu beauftragtes – jedoch wenig beachtetes64 – Gutachten kam in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass den volkswirtschaftlich schädlichen Auswirkungen von Doppelbesteuerung entgegenzutreten und die

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Beckmann/Lackner, WiSt 1999, 363 ff.; Homburg, 56 Finanzarchiv 1999, 1 ff.; Huizinga/Nielsen, 42 Journal of International Economics 1997, 149 ff. 59 Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1999–2000, 1573 (1641 f.). 60 Ähnlich auch Schön, wenn er in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wort­ protokoll, S. 47, zu einer der Zielsetzungen der Zinsschranke kritisch anmerkt: „Im Inland erwirtschaftete Gewinne sollen im Inland versteuert werden? Das ist im Grundsatz richtig, aber noch lange kein System. Ich frage die Bundesregierung, ob sie auch umgekehrt so handeln würde, ob also der Staat auf die Besteuerung verzichten würde, wenn deutsche Steuerbürger aus dem Ausland Zinsen bezögen, mit der Begründung, das sei im Ausland erwirtschaftet, darauf könne man natürlich nicht zugreifen.“ 61 Siehe z. B. The Economist, 9.10.2010, S. 122. 62 Homburg, FR 2007, 717 (727). 63 Graetz/O’Hear, 46 Duke Law Journal 1997, 1021 (1077); Debatin, DB 1980, Beilage Nr. 15/80, S. 5; Ongwamuhana, The Taxation Of Income From Foreign Investments, S. 26. Siehe hierzu auch die historischen Ausführungen im Vorwort des League of Nations Document G. 216 M. 85 (1927). 64 Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Einleitung, Rz. 34.

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hierfür beste Methode die „exemption for income going abroad“65 sei. Im Ergebnis bedeutete dies die ausschließliche Besteuerung von grenzüberschreitenden Zinszahlungen im Ansässigkeitsstaat des Kreditgebers.66 Begründet wurde der damit einhergehende Verzicht auf das Quellenbesteuerungsrecht damit, dass nur der Ansässigkeitsstaat des Kreditgebers eine zutreffende Besteuerung durchführen könne. Außerdem lenke eine derartige Regelung die internationalen Kapitalströme in kapitalschwache Regionen und trage dort zur wirtschaftlichen Entwicklung bei.67 Mit diesem Vorschlag wuchs nun die Furcht einiger Entwicklungsländer vor einer ungleichen Verteilung von Besteuerungssubstrat zugunsten der Industriestaaten. Daher versammelten sich im Jahr 1943 in Mexiko – aufgrund des Zweiten Weltkriegs – mehrheitlich lateinamerikanische Mitglieder des Völkerbundes und beschlossen den sogenannten Mexiko-Entwurf.68 Dieser Entwurf räumte wiederum dem Quellenlandprinzip den Vorrang ein und überließ daher das Besteuerungsrecht für Zinsen ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Darlehensnehmers.69 Aufgrund der fehlenden Akzeptanz des Mexiko-Entwurfs von Seiten der Industriestaaten beschloss der Völkerbund im Jahr 1946 in London einen weiteren Abkommensentwurf.70 Ein Unterschied zwischen dem Entwurf von Mexiko und dem von London lag in der Regelung, welcher Staat sein Besteuerungsrecht auf Zinsen inwieweit aufrechterhalten dürfe.71 Da an der Erarbeitung des LondonEntwurfs aufgrund des Kriegsendes wieder mehr Industriestaaten mitwirkten, 65 League of Nations Document E. F. S.73.F.19, Report on Double Taxation, S. 42 (4046) i. V. m. S. 51 (4055). 66 League of Nations Document E. F. S.73.F.19, Report on Double Taxation. So heißt es am Schluss des Gutachtens auf S. 51 (4055): „Looking forward to the future, the influence of example by others and the spirit encouraged by the operations of the League of Nations indicate the possibility of a development away from localised ideas and from the earlier stages of economic thought typified by strict adherence the principle of origin. Moreover, as semi-developed countries become more and more industrialised, with the resulting attention of the distinctions between debtor and creditor countries, the principle of personal faculty at the place of residence will become more widely understood and appreciated and the disparity between the two principles will become obvious, so that we may look forward to an ultimate development of national ideas on uniform lines toward method 2 [method of exemption for income going abroad; siehe hierzu S. 42 bzw. 4046 des Gutachtens] if not as more logical and theoretically defensible economic view of the principles of income taxation, at least as the most practicable solution of the difficulties of double taxation.“ [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]; siehe auch Graetz/O’Hear, 46 Duke Law Journal 1997, 1021 (1077). 67 League of Nations Document E. F. S.73.F.19, Report on Double Taxation, S. 42 (4046). 68 Der Mexiko-Entwurf des Völkerbundes ist abrufbar unter: http://faculty.law.wayne. edu/ tad/Documents/Tax_treaties/mexico_draft.pdf; siehe hierzu auch Ongwamuhana, The Taxation Of Income From Foreign Investments, S. 27. 69 Art. IX Mexiko-Entwurf. 70 Der London-Entwurf des Völkerbundes ist abrufbar unter: http://faculty.law.wayne. edu/ tad/Documents/Tax_treaties/london_draft.pdf. 71 UN (Hrsg.), Manual for the Negotiation of Bilateral Tax Treaties between Developed and Developing Countries, S. 28; Rao/Guru, Taxation of foreign income, S. 5.

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wurde wieder das Ansässigkeitsprinzip zum dominanten Besteuerungsprinzip erhoben. Mit der Begründung, dass dadurch der Kapitalexport in Entwicklungsländer belebt würde, überließ der London-Entwurf das unbeschränkte Recht zur Besteuerung von Zinsen allein dem Land des Darlehengebers.72 Dem Quellenland sprach der Entwurf das grundsätzliche Recht zur Besteuerung nicht ab, dieses sollte aber auf einen in bilateralen Verhandlungen zu bestimmenden Höchstsatz begrenzt sein.73 Die nach dem Zweiten Weltkrieg weiter wachsende wirtschaftliche Verflechtung insbesondere zwischen den europäischen Ländern sorgte für neue steuerrechtliche Herausforderungen, die unter dem multinationalen Dach der späteren OECD gelöst werden sollten.74 Da die Abkommensentwürfe des Völkerbunds aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit generell nur wenig anerkannt wurden,75 war ihre Novellierung vonnöten, welche im Jahr 1963 in das OECD-MA mündete. Da die Mitglieder der OECD zumeist Industriestaaten mit hohem Bruttoinlandsprodukt und ausgeglichenem gegenseitigen Wirtschaftsverkehr waren, lag diesen Staaten die Einschränkung einer Quellenbesteuerung nahe, da hierdurch keines der Mitglieder trotz bürokratischer Vereinfachung auf wesentliche Steuereinnahmen verzichten musste.76 So sieht der sich mit der Besteuerung von Zinsen befassende Art. 11 in der Entwurfsversion des Jahres 1963 sowie auch in der aktuellen Fassung des OECD-MA des Jahres 2010 vor, dass das Besteuerungsrecht des Quellenlandes zurückgedrängt wird. cc) Ergebnis Die Quellensteuerbefreiung von ins Ausland fließenden Zinsen hat in Deutschland bereits unilateral eine lange Tradition. Diese setzt der Gesetzgeber systematisch in einem Großteil seiner Doppelbesteuerungsabkommen um.77 Deutschland positioniert sich damit als kapitalexportierender Industriestaat und verfolgt mit der Quellensteuerbefreiung von einfachen Kreditzinsen zum einen das Ziel, dass da 72

Art. IX Nr. 1 London-Entwurf; Goldberg, 15 Law&Policy in International Business 1983, 833 (852, 908); ähnlich auch Reddy, 36 Intertax 2008, 568 (569) und Dagan, 32 NYU J. Int’l L. & Pol. 1999–2000, 939 (990 f.). 73 Art. IX Nr. 2 f. London-Entwurf. Siehe hierzu auch die Ausführungen von Ongwamuhana, The Taxation Of Income From Foreign Investments, S. 28, und Debatin, DB 1980, Beilage Nr. 15/80, S. 5. 74 OECD-MK 2010, Einleitung, Nr. 5; Court, in: IFA (Hrsg.), Double Taxation Treaties Between Industrialised and Developing Countries, S. 15. 75 Goldberg, 15 Law&Policy in International Business 1983, 833 (854); Rao/Guru, Taxation of foreign income, S. 6. 76 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 67; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 16.356. Zusätzlich ist zu bemerken, dass die Erhebung einer Quellensteuer bei einem ähnlich hohen gegenseitigen Kapitalaustausch und bei gleich hohen Quellensteuersätzen im Ergebnis wohl in ein Nullsummenspiel münden würde. 77 Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 47.

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durch ein höheres Besteuerungssubstrat entsteht und der ausländische Kapital­ zufluss belebt wird, beugt sich zum anderen damit aber auch der vorherrschenden globalen Wettbewerbssituation um Kapital.78 Einfache Kreditzinsen fließen damit sowohl in den Abkommens- als auch in anderen Fällen regelmäßig quellensteuerfrei in den Ansässigkeitsstaat des Kreditgebers. b) Besteuerung der Repatriierung von Unternehmensgewinnen über Dividenden aa) Deutsche Abkommenspolitik Als Vorschlag zur internationalen Aufteilung des Besteuerungssubstrats von grenzüberschreitenden Dividenden zwischen Industriestaaten dient in erster Linie Art. 10 OECD-MA. Abs. 1 dieser Regelung teilt das unbeschränkte Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers zu.79 Abs. 2 schränkt dies jedoch ein, indem er dazu anregt, unter gewissen Voraussetzungen auch dem Staat des Dividendenzahlers, also dem Quellenstaat, ein beschränktes Besteuerungsrecht zuzugestehen. Die deutsche Abkommenspolitik weicht von diesem Vorschlag allerdings weitgehend ab, vereinbart sie doch für die praktisch wichtigsten Fälle eine Steuerfreistellung von im Inland empfangenen Auslandsdividenden, womit Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers auf das grundsätzlich unbeschränkte Besteuerungsrecht verzichtet.80 Handelt es sich bei dem inländischen Anteilseigner um eine Kapitalgesellschaft und ist diese an einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft unmittelbar81 beteiligt, so unterscheidet die deutsche Abkommenspolitik zwischen zwei Arten von Beteiligungen, die je nach Doppelbesteuerungsabkommen unterschiedlich besteuert werden. Als Differenzierungsmaßstab dient die Beteiligungsquote, wobei die jüngeren deutschen Abkommen eine Mindestbeteiligung im Zeitpunkt des Bezugs 78

Siehe hierzu auch BT-Drs. 12/2501, S. 12. Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 511. 80 Zur Übersicht über die deutschen DBA siehe Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 16, 90. Zwar sieht der Wortlaut des Dividendenartikels in beinahe sämtlichen der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen eine Besteuerung der Dividenden im Staat des (nutzungsberechtigten) Empfängers vor. Einen eigenen Regelungscharakter besitzt dieser Artikel aber nicht und ist daher im Zusammenhang mit der Anwendung des jeweiligen Methodenartikels zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (entsprechend der Regelung in Art. 23A OECD-MA) zu betrachten. Aus der Formulierung ergibt sich im Ergebnis die grundsätzliche Steuerfreistellung von in Deutschland empfangenen Auslandsdividenden. Vgl. dazu Tischbirek, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 10, Rz. 27. Siehe hierzu auch die tabellarische Übersicht über sämtliche deutsche DBA bei Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 16. 81 Zur genaueren Ausführung über die Unmittelbarkeit der Beteiligung siehe Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 98. 79

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der Dividende82 von zehn v. H.83 vorsehen, während die etwas älteren Abkommen dem Vorbild des OECD-MA folgen und 25 v. H.84 als Mindestbeteiligung vor­ sehen.85 Erreicht die betrachtete Beteiligung nicht die vorgegebene Beteiligungshöhe, so spricht man von einer Portfolio- oder Streubesitz-, ansonsten von einer Schachtelbeteiligung. Während Portfoliobeteiligungen von der Anrechnungsmethode erfasst wer­ den,86 gewähren die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen für Schachtelbeteiligungen das sogenannte abkommensrechtliche Schachtelprivileg, was sich in einer grundsätzlichen Steuerfreistellung der in Deutschland erhaltenen Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften äußert. Lediglich die im Ausland ggf. angefallene Quellensteuer kann in diesem Rahmen nicht zurückerstattet werden und bewirkt dadurch eine – wenn auch meist geringe – steuerliche Definitiv­belastung.87 Die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen knüpfen die Nutzung des steuerlich vorteilhaften Schachtelprivilegs nicht nur an die vorgegebene Beteiligungshöhe, sondern auch an eine weitere Bedingung. Die Voraussetzungen sind im Detail unterschiedlich ausgestaltet.88 Regelmäßig wird aber verlangt, dass die den freizustellenden Einkünften zugrunde liegenden Bruttoeinnahmen fast ausschließlich aktiven Tätigkeiten entstammen.89 Diese sogenannte Aktivitäts-Klausel ist in ca. drei Viertel der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen enthalten. Diese Abkommen beinhalten in vielen Fällen variierende Vorgaben, die aber meist enger als die nationalen Vorschriften, wie etwa § 8 AStG, ausgestaltet sind.90 Mit dieser Nebenbedingung zur Gewährung der Steuerfreistellung verfolgt die deutsche Abkommenspolitik das Ziel, die Vorzüge des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs nicht auf Beteiligungen anzuwenden, die nicht ausreichend im 82

BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, S. 672. Hierbei sei beispielhaft auf Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA-Kanada verwiesen oder auch auf Art. 23 Abs. 3 lit. a DBA-USA. 84 Beispielhaft Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Belgien oder auch Art. XVIII Abs. 2 lit. a DBAGroßbritannien. 85 Für eine tabellarische Übersicht über die in den verschiedenen DBA festgeschriebenen Beteiligungshöhen siehe Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 90. 86 Tischbirek, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 10, Rz. 11. 87 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 395; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 125; Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 503. A. A. Mueller, IStR 2002, 109 (113). 88 Hierbei bezieht sich die Berechnung der Beteiligungshöhe in den DBA uneinheitlich auf die stimmberechtigten Anteile oder auch auf die Kapitalanteile. 89 Siehe hierzu die tabellarische Übersicht bei Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 90. 90 Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 107; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 507. Zu Ausführungen über die Anforderungen nach § 8 AStG siehe auch Rödel, in: Kraft (Hrsg.), Außensteuergesetz Kommentar, § 8, Rz.  70 ff. 83

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Ausland eingebunden bzw. aktiv sind, womit sie den Missbrauch z. B. durch Briefkastenfirmen verhindern möchte.91 Im Ergebnis kann eine inländische Kapitalgesellschaft von ihrer unmittelbaren, im DBA-Ausland ansässigen aktiven Tochterkapitalgesellschaft ohne Nachweis einer Mindesthaltedauer – die Existenz der Beteiligung beim Gewinnverwendungsbeschluss genügt – Dividenden aus dem niedriger besteuernden Ausland weitgehend steuerfrei im Inland vereinnahmen.92 Die abkommensrechtliche Besteuerung von Dividenden zeigt damit weitgehende Einmütigkeit mit der in § 8b KStG bereits national festgelegten Steuerfreistellung ausländischer Beteiligungserträge von Kapitalgesellschaften.93 bb) Hintergrund der abkommensrechtlichen Freistellung Mit dem im Jahr 1954 geschlossenen Abkommen mit den USA begann die deutsche Nachkriegspolitik, Schachteldividenden aus dem Ausland steuerlich zu bevorzugen.94 Gezielter als dies später im OECD-Musterabkommen umgesetzt wurde, entwickelte der deutsche Gesetzgeber die im OECD-Musterabkommen vorgeschlagene steuerliche Präferenz von Schachteldividenden im Quellenland stringent zu einer Freistellung im Ansässigkeitsstaat fort. Auch aktuell ist die Politik der Freistellung von in Deutschland erhaltenen Schachteldividenden ausländischer Kapitalgesellschaften im Rahmen des internationalen Schachtelprivilegs ein fester Bestandteil deutscher Abkommenspolitik.95 Zwar lässt die ausdrückliche Erwähnung dieser Vorgehensweise im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP aus dem Jahr 2009 auf eine zumindest kurzfristige Uneinigkeit in der politischen Debatte schließen. Schlussendlich fand diese Grundsäule deutscher Abkommenspolitik aber erneute Bestätigung, als die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ausdrücklich niederschrieben, dass an dieser Steuerpolitik zukünftig festgehalten werde.96 Die lange Tradition deutscher Freistellungspolitik kann auf zwei wesentliche Hintergründe zurückgeführt werden. Einer davon ist die Entlastung der Dividen 91 Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Recht, S. 59. 92 Ausnahmen hiervon können aber grundsätzlich im Anwendungsbereich einer Rückfallklausel bestehen. Hierbei gilt es u. a. sogenannte subject-to-tax-Klauseln und switch-overKlauseln zu beachten, die einer Freistellung der Auslandsdividenden unter gewissen Umständen entgegenstehen können. 93 Frotscher, Internationales Steuerrecht, S. 82 (dort Fn. 1). 94 Tischbirek, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 10, Rz. 10. 95 Zur Übersicht über die deutschen DBA siehe Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 16, 90. 96 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP v. 26.10.2009 – Wachstum.Bildung.Zusammenhalt, 17. Legislaturperiode, dort Abschn. 1.2, S. 13.

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denbesteuerungen in internationalen Konzernstrukturen.97 So stellt gerade die Freistellungsmethode ohne großen bürokratischen Aufwand die Einmalbesteuerung von aus dem Ausland erhaltenen Dividenden sicher.98 Aufgrund der ausländischen Vorbelastung können diese, einmal im deutschen Konzernverbund angelangt, auch grundsätzlich steuerfrei innerhalb ggf. bestehender nationaler Beteiligungsketten weitergeleitet werden. Ein zweiter und wesentlich wichtigerer Punkt ist die Stellung Deutschlands als Exportnation und damit die Funktionsfähigkeit des internationalen Warenhandels als zentraler Bestandteil der deutschen Wirtschaft.99 Mit der Freistellung von ausländischen Dividendeneinkünften verfolgt Deutschland nämlich insbesondere die Herstellung der Kapitalimportneutralität, womit für die deutschen Akteure auf dem ausländischen Markt in diesem Zusammenhang steuerliche Wettbewerbsgleichheit hergestellt wird.100 Damit unterstützt die Freistellungsmethode die Betätigung deutscher Konzerne im Ausland, indem eine derartige Politik die Nutzung des ausländischen Steuerniveaus garantiert. Hierdurch wird es deutschen Unternehmen ermöglicht, im Ausland unter weitgehend ähnlichen steuerlichen Bedingungen zu agieren wie ihre dortigen Konkurrenten.101 Diesen Schritt bewertet auch die Volkswirtschaftslehre als positiv und erkennt in der von Deutschland praktizierten Steuerfreistellung von Auslandsdividenden deutliche Vorteile in einer wirtschaftlich globalisierten Welt.102 Zudem verwirklicht die Kapitalimportneutralität den Gedanken der Besteuerung nach der relativen Leistungsfähigkeit. Dieser folgt dem Grundsatz, dass die jeweilige Besteuerung unter Bezug auf das dortige Umfeld vorgenommen werden sollte, und erweitert die nationalen Vorstellungen von „gerechter“ Besteuerung103 um eine internationale Dimension. cc) Ergebnis Vor dem Hintergrund einer Förderung der Auslandsaktivitäten und Verminderung der sich kumulierenden Steuerbelastungen vereinbarte der Gesetzgeber mit dem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg in den wichtigsten deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, den Bezug von qualifizierten Dividenden im Ansässigkeitsstaat der nutzungsberechtigten Kapitalgesellschaft grundsätzlich freizustellen. In Kombination mit den körperschaft- und gewerbesteuerlichen internationalen Privilegien entstehen hierdurch zwar Konflikte, deren Bedeutung 97

Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 120. Fuest, in: Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Festschrift für Herzig, S. 867 (877). 99 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 160; v. Weizsäcker, FAZ v. 4.6.2010, S. 12. 100 Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Recht, S. 56 ff. 101 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 19 f.; Winhard, Die Funktion der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung und ihre Auswirkung auf das deutsche Recht, S. 9. 102 Fuest, in: Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Festschrift für Herzig, S. 867 (877). 103 Siehe Abschn. bb), S. 137. 98

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aber in diesem Zusammenhang nur gering ist, weshalb sie in der vorliegenden Arbeit nicht weiter diskutiert werden.104 Zusätzlich ist zu erkennen, dass das körperschaftsteuerliche Beteiligungs­ privileg mit § 8b KStG bereits den regelmäßigen Verzicht auf die Körperschaftsteuer der nach Deutschland fließenden Dividenden unilateral vereinbart. Zwar knüpft das darauf aufbauende gewerbesteuerliche Privileg die Hinzurechnung an strengere Vorgaben an, was jedoch wenig an der Unilateralität dieser Regelungen ändert. Aufgrund der breiten Wirkung des § 8b KStG ist es deshalb in diesem Zusammenhang auch weitgehend von marginaler Bedeutung, ob zwischen Deutschland und dem Quellenland ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht oder nicht.105 Die deutsche Regelung der grundsätzlich körperschaftsteuerfreien Vereinnahmung ausländischer Dividendeneinkünfte kann damit gegenüber sämtlichen Staaten gelten, selbst dann, wenn in diesen Ländern keine steuerliche Vorbelastung der Dividenden stattgefunden hat.106 Damit laufen die in Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Ausnahmeregelungen regelmäßig dann leer, wenn die begünstigende Wirkung des § 8b KStG weiter reicht.107 3. Europarechtlicher Einfluss Zwar räumt die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, ex-EGV, ex-EWGV) vorgesehene Verteilung der Kompetenzen den Mitgliedstaaten die Freiheit ein, inwieweit sie Steuern erheben und sie berechnen bzw. verwalten wollen.108 Trotzdem ziehen die unionsrechtlichen Zielsetzungen mit ihrem immanenten Regelungsvorrang109 die Außengrenzen mitgliedstaatlicher Be-

104 Siehe hierzu ausführlich Hageböke, IStR 2009, 473 ff.; Dötsch/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8b, Rz. 226; Lorenz, IStR 2009, 437 ff.; Ernst, Ubg 2010, 494 ff.; Gosch, in: Heuermann (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. IV, § 9 GewStG, Rz. 293, 318; Stangl/Hageböke, Ubg 2010, 651 ff. 105 Dötsch/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8b, Rz. 10 ff.; Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 396. 106 Siehe hierzu auch die Ausführungen zum Verhältnis zwischen § 8b KStG und den DBA-Regelungen zur Freistellung von in Deutschland empfangenen Auslandsdividenden in ­Abschn. aa), S. 37. 107 Vogel, in: Lehner (Hrsg.), Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 88. 108 Schön, IStR 2004, 289 mit Verweis auf BFH v. 18.9.2003, X R 2/00, FR 2004, 82 (85 f.); Borgsmidt, IStR 2007, 802 (803) mit Bezug auf das Besteuerungsniveau. 109 Streinz, Europarecht, Rz. 201. Verfassungsrechtlich ist die Einräumung von Zuständigkeiten an die Europäische Gemeinschaft mit Art. 23 Abs. 1 GG abgedeckt. Im Ergebnis hat auch das BVerfG den Vorrang des EG-Rechts anerkannt; siehe hierzu BVerfGE 73, 374 (378) (Solange II). Siehe hierzu auch Thömmes, Steuern und Europa – Binnenmarkt ohne Grenzen oder grenzenloses Chaos, S. 2; Hahn, DStZ 2005, 433 (434); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 53 ff. Zur Beziehung des BVerfG zum EuGH siehe Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, S. 180 ff.

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steuerungsbefugnis vor und prägen dadurch diese ureigenste Quelle nationalstaatlicher Souveränität.110 Auch das deutsche Steuerrecht und seine Systematik zur Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte unterliegen damit dem Einfluss des Europarechts.111 a) Fehlende Kompetenz zur Harmonisierung der direkten Steuern Bei Abschluss der Römischen Verträge bezogen die Gründungsväter der Europäischen Union die Rolle der indirekten Steuern in ihre Überlegungen zum Europäisierungsprozess mit ein. Damit erkannten sie, welche Wichtigkeit der Harmo­nisierung der indirekten Steuern auf dem Weg zum funktionsfähigen Binnenmarkt zukommt, weisen solche Steuern doch einen zollähnlichen Charakter auf und üben einen unmittelbaren Einfluss auf die Preisbildung und den Wett­ bewerb bei grenzüberschreitenden Güter- und Dienstleistungsströmen aus.112 Aus diesem Grund stellten die Gründungsväter der Europäischen Union den indirekten Steuern mit Art. 99 EWGV – nun Art. 113 AEUV – einen speziellen Harmonisierungsauftrag113 zur Seite.114 Der Europäische Rat ist damit befugt, aber auch verpflichtet, die Harmonisierung der indirekten Steuern voranzutreiben.115 Nicht zuletzt ist es dieser Kausalität geschuldet, dass die Umsatz- und auch andere relevante Verbrauchsteuern eine weitgehende Harmonisierung erfahren haben.116

110 Etwa Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (209), oder Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europaund verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (264). 111 Vgl. allgemein EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), EuGHE 1995, S. I-225 ff.; EuGH v. 26.7.1999, Rs. C-294/07 (Eurowings), EuGHE 1999, S. I-7447 ff.; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), EuGHE 2004, S. I-2409 ff.; speziell EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff.; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff. 112 Zum unmittelbaren Einfluss der direkten Steuern als preisbildender Faktor siehe Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 113, Rz. 50 ff. 113 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 3.83. 114 Allgemein Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 113, Rz. 1 ff. 115 Birk, Steuerrecht, Rz. 232; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), EuGHE 2004, S. I-2409 ff. 116 Vgl. z. B. die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates v. 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage, ABl. EG Nr. L 145 v. 13.6.1977; siehe hierzu auch Mitschke, FR 2008, 165 (166); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 5 f.; ausführlich auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 149 ff.; Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 113, Rz. 47.

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Über das Verhältnis zu den direkten Steuern schweigen sich die Verträge der Europäischen Union allerdings aus,117 womit ihre Regelung grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten geblieben ist.118 Daher stellt sich die Frage, weshalb zur Harmonisierung der indirekten Steuern ein spezieller Auftrag kodifiziert wurde, für die direkten Steuern hingegen nicht. Diesbezüglich lassen sich im Schrifttum zwei Standpunkte herausarbeiten:119 Der eine beinhaltet die Ansicht, dass bei der Konzeption der im Jahr 1957 unterzeichneten Römischen Verträge die Wichtigkeit, welche der Harmonisierung der direkten Steuern im Europäisierungsprozess zukommt, wohl schlicht verkannt wurde, indem man in diesem Zusammenhang keinen möglichen Hinderungsgrund bei der Erreichung der unionsrechtlichen Ziele sah.120 Ein zweiter Standpunkt geht davon aus, dass die Gründungsväter auf eine spezielle Harmonisierungsnorm für direkte Steuern bewusst verzichtet hätten.121 Zu stark seien die in die direkten Steuern einfließenden nationalen Vorstellungen und Grundwerte sowie die daraus entstehenden Kompetenzen für die Ausübung staatlicher Macht, als dass man die direkten Steuern einer übergeordneten Autorität zur weitgehenden Disposition überlassen wollte.122 Gegen den ersten und für den zweiten Standpunkt spricht die Publikation des Spaak-Berichts, welcher zur Verwirklichung der europarechtlichen Ziele die Harmonisierung des Systems der direkten Steuern empfahl und aufgrund seines zeitlichen Erscheinens auch den Gründungsnationen bekannt gewesen sein dürfte.123

117 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 95; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 4. 118 Etwa Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (264); Schön, IStR 2004, 289; Seiler, StuW 2005, S. 25 (26); ders., in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (885); Borgsmidt, IStR 2007, 802 (803); Führich, Ubg 2009, 30 (31); Seiler, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 113, Rz. 50 ff. 119 Einen dritten Standpunkt vertritt Mitschke, FR 2008, 165 (166 ff.). Dieser erkennt in der Nichterwähnung eines Harmonisierungsauftrags für direkten Steuern in der Spezialnorm des Art. 113 AEUV (ex-Art. 93 EGV) sogar ein Harmonisierungsverbot. Da dies m. E. aber zu weit geht und sich mit den Kernzielen der Europäischen Union nicht vereinbaren lässt, sei von einer weiteren Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt abgesehen. 120 So schreibt Anschütz, 13 Harv. Int. L. J 1972, 1 (3 f.) „The authors of the treaty of Rome apparently regarded as insignificant the influence exerted on competition by different systems of direct taxes in the Member States.“ Dem folgend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 18 ff., 926; ähnlich Thömmes, Steuern und Europa – Binnenmarkt ohne Grenzen oder grenzenloses Chaos, S. 2. 121 Birk, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 63 (71 f.); Seiler, StuW 2005, 25; siehe in diesem Zusammenhang auch Axer, in: Fuest/ Nettesheim/Scholz (Hrsg.), Lissabon-Vertrag: Sind die Weichen richtig gestellt?, S. 170 (171 ff.). 122 Birk, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 63 (72). 123 Vgl. m. w. N. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 18.

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Weiterhin musste spätestens mit dem Jahr 1967, als sich die Kommission öffentlich für die Harmonisierung der direkten Steuern aussprach, den Mitgliedstaaten die wichtige Rolle der direkten Steuern im Harmonisierungsprozess ersichtlich gewesen sein.124 Vor diesem Hintergrund ist es m. E. überzeugender, dass die direkten ­Steuern ein zu wichtiges Instrument nationalstaatlicher Souveränität sind, als dass sie einem expliziten Harmonisierungsmandat unterworfen werden könnten. Ein durchgängiger Wille der Mitgliedstaaten zur Harmonisierung der direkten Steuern scheint damit schon aufgrund der Abstinenz einer solchen Regelung nicht ersichtlich. b) Einfluss auf die Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte Doch obwohl ein Harmonisierungsauftrag und -wille hinsichtlich der direkten Steuern fehlt, geben die europarechtlichen Grundlagen des Binnenmarkts und die damit zusammenhängenden Wettbewerbsregeln dem nationalen Gesetzgeber Richtpunkte für die Harmonisierung des jeweiligen Steuersystems vor.125 So sind im AEUV für das nationale Steuersystem zu beachtende Rechtspositionen genannt, die das Funktionieren des Binnenmarkts fördern sollen. Im Zentrum stehen dabei neben sekundärem Unionsrecht die als „Grundfreiheiten“ bzw. „Marktfreiheiten“126 bezeichneten europarechtlichen primären Kernrechte der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Artt. 45 ff. AEUV), der Niederlassungsfreiheit (Artt. 49 ff. AEUV), des freien Dienstleistungsverkehrs (Artt. 56 ff. AEUV) und 124 Programm für die Harmonisierung der direkten Steuern, in: Bulletin der EWG, Supplement 8/1967; vgl. auch Seiler, in: Blanke/Scherzberg/Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 393 (398). 125 Etwa Zorn, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 227 (235 f.); J. Lang, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuer­ recht, § 2, Rz. 49; Hahn, DStZ 2005, 433 (434); Klein, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 7; Thömmes, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 81 ff.; Schön, in: Lehner (Hrsg.), Steuer­ recht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 167 ff. Ausführlicher zu den hier nicht näher behandelten Wettbewerbsregeln Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 96 f. 126 Seiler, StuW 2005, S. 25 (26 f.) bevorzugt in diesem Zusammenhang gegenüber dem Begriff der „Grundfreiheiten“ den der „Marktfreiheiten“, weil er hervorheben möchte, dass sich die Marktfreiheiten strukturell von den Grundrechten unterscheiden, die in erster Linie Freiheitsrechte darstellen. Da die Grundfreiheiten auf dem Weg zum „Binnenmarkt“ eine essen­ tielle Rolle spielen, sollen beide Begriffe in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet werden; siehe hierzu auch Reimer, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EUStaaten, S. 39 (40). Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (265), merkt richtigerweise an, dass der Begriff „Grundfreiheiten“ im EGV nicht erwähnt wird.

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der Kapitalverkehrsfreiheit (Artt. 63 ff. AEUV).127 Ziel dieser Rechtspositionen ist nach Art. 26 AEUV die Schaffung des Binnenmarkts.128 Dieser soll durch die Öffnung der mitgliedstaatlichen Märkte entstehen, indem Verhältnisse abgebaut werden, die die Allokation von Ressourcen behindern und die an das Vorhandensein nationaler Grenzen anknüpfen.129 Inmitten des Europäisierungsprozesses befinden sich die direkten Steuern damit in einem Spannungsfeld.130 Dieses ergibt sich daraus, dass der AEUV und seine Vorgänger zwar keine(n) spezielle(n) Harmonisierungsauftrag bzw. Kompetenz zur Harmonisierung direkter Steuern vorsehen und somit prima facie die fiskalische Souveränität der Mitgliedstaaten unangetastet lassen.131 Zugleich verlangen sie aber die Erreichung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts, welcher die Grundfreiheiten respektiert, indem Hindernisse für einen freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft werden, womit eine europaweit optimale Allokation der Ressourcen angestrebt wird.132 Dabei wird aber immer offensichtlicher, dass die Harmoni­ sierung der direkten Steuern über die Vermeidung steuerinduzierter Funktionsstörungen des Binnenmarkts einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der Grundfreiheiten leisten kann und somit zur Erreichung des Binnenmarktziels notwendig ist.133 Auf welche Weise trotz dieser vertraglichen „Geburtsschwäche“134 der Weg der Harmonisierung der Besteuerung europaweiter Konzernfinanzierungsentgelte be-

127 Geiger, EUV/EGV, Art. 39 EGV, Rz. 1. Hinzuzuzählen ist hierzu aber auch das all­ gemeine, jedoch zu den genannten Grundfreiheiten subsidiäre, Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV; siehe auch Streinz, Europarecht, Rz. 794; Reimer, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, S. 39 (41), sowie die europäische Rechtsprechung des EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), EuGHE 1998, S. I-2823 ff., Rz. 37; EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 14. 128 Etwa Englisch, StuW 2003, 88 (89); Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263 (266). 129 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 182; siehe auch Schön, IStR 2011, 777 (778). 130 So auch Schön, IStR 2004, 289; ähnlich auch Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (883). 131 Somit liegt es weiterhin in der Hand der Mitgliedsländer, welche Steuern sie erheben und wie sie die Bemessungsgrundlagen und Steuersätze gestalten. Siehe dazu auch BFH v. 18.9.2003, X R 2/00 (Erhebung der Gewerbesteuer), FR 2004, 82 ff. 132 Vgl. Schön, IStR 2004, 289 (290); dem folgend Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34 (35); so auch Streinz, Europarecht, Rz. 779. 133 Vgl. etwa Oppermann, Europarecht, Rz. 1204; Birk, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 63 (72); ähnlich auch Musil, DB 2009, 1037 (1042) oder Kokott, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, S. 1. Hierzu ausführlich Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S.  18 ff. 134 Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrags, S. 125.

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schritten wird, lässt sich am besten verdeutlichen, wenn man die hierzu korrespondierenden Richtlinien und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beleuchtet. aa) Schieflage durch partielle Harmonisierung Nach dem in Art. 7 AEUV verankerten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung benötigt jede Handlung der unionsrechtlichen Organe eine Kompetenzgrundlage.135 Wie bereits ausgeführt, existiert diese hinsichtlich der Harmonisierung der direkten Steuern jedoch nicht.136 Eine Ausnahme und damit die einzige Möglichkeit zur positiven Integration bildet in diesem Zusammenhang die all­ gemeine Harmonisierungsnorm des Art. 115 AEUV. Diese Norm gesteht dem Rat auch in Bezug auf direkte Steuern zu, auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie des Wirtschafts- und Sozialausschusses tätig zu werden, vorausgesetzt der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.137 In diesem Zusammenhang ist der Erlass von Richtlinien gestattet, wenn dies zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts vonnöten ist.138 Im Zusammenhang mit der Besteuerung konzerninterner Finanzierungs­ entgelte spielen insbesondere die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (Z-L-R) und die Mutter-Tochter-Richtlinie (M-T-R) eine bedeutende Rolle. (1) Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie wurde in den §§ 50g und 50h EStG umgesetzt und besiegelt die grundsätzliche Nichterhebung sämtlicher Quellen­ steuern auf die im europäischen Konzernverbund gezahlten Zinsen139 zwischen nutzungsberechtigten Kapitalgesellschaften bzw. Betriebsstätten. Weiterhin knüpft 135

Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 57; Cloer/Lavrelashvili, Einführung in das Europäische Steuerrecht, S. 26; siehe hierzu ausführlich Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 58 ff., 227 ff. 136 Etwa Zorn, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 227 (231 f.). 137 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 96, m. w. N. In der vorliegenden Arbeit wird auf den Art. 96 EGV nicht eingegangen, der für wettbewerbsverzerrende Vorschriften ein besonderes Angleichungsverfahren vorsieht (qualifizierte Mehrheit). Aufgrund ihres ungeklärten Anwendungsbereichs hat diese Norm bisher keine wesentliche Rolle gespielt; siehe hierzu Zorn, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmens­ besteuerung, DStJG 23 (2000), S. 227 (244), sowie Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (217). 138 Geiger, EUV/EGV, Art. 93 EGV, Rz. 3; Art. 94, Rz. 1 ff. EGV; Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (217); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 96. 139 Zur genauen Definition von Zinsen siehe § 50g Abs. 3 Nr. 4 lit. a EStG.

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der persönliche Anwendungsbereich an eine mittelbare oder unmittelbare Mindestkapitalbeteiligung von 25 v. H. während zweier zusammenhängender Jahre an und schützt neben Mutter-Tochter-Beziehungen auch Zinszahlungen innerhalb Mutter-Enkel- und Schwester- bzw. Enkelverhältnissen.140 § 50g Abs. 1 Satz 1 EStG regelt damit den Verzicht auf eine Erhebung von Kapitalertragsteuer nach § 43 EStG auf Zinszahlungen, die dem Anwendungsbereich der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie zu subsumieren sind.141 Somit können in Deutschland regelmäßig als Betriebsausgaben geltend zu machende Zinszah­ lungen quellensteuerfrei innerhalb von Konzernstrukturen in jeweils von der Richtlinie begünstigte Länder abfließen.142 Im Ergebnis sind derartige Zahlungen lediglich beim nutzungsberechtigten Empfänger der Zahlung und damit grundsätzlich ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Kreditgebers zu besteuern.143 (2) Mutter-Tochter-Richtlinie Diese sekundärrechtliche Vorgabe sorgt im Grundsatz dafür, dass Gewinnausschüttungen einer in einem Mitgliedstaat bzw. im EWR144 ansässigen Tochter­gesellschaft an ihre in Deutschland ansässige Mutterkapitalgesellschaft quellensteuerfrei übertragbar sind und es in Deutschland zu keiner wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der empfangenen Dividenden kommt. Dabei ist nach § 43b Abs. 2 EStG eine Mindestbeteiligungsdauer von zwölf Monaten und eine Mindestbeteiligung am Kapital bzw. an den Stimmrechten der Tochtergesellschaft mit zehn v. H. vorausgesetzt.145 Zur Erreichung dieses Ziels verzichtet der Sitzstaat der Tochtergesellschaft auf die Besteuerung des Dividendenempfängers in Form einer an die Auszahlung gekoppelten Quellensteuer. Im Gegenzug hat der Sitzstaat der Muttergesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 M-T-R die steuerliche Vorbelastung der ausländischen Dividende entweder durch die indirekte Anrechnungs- oder durch die Freistellungs 140

§ 50g Abs. 3 Nr. 5 lit. b EStG; siehe hierzu auch Dörr, IStR 2005, 109 (111 ff.). Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 310; Homburg, FR 2007, 717 (727). 142 Neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (§ 50g Abs. 1 Satz 1 EStG) erstreckt sich die Gültigkeit der Regelung effektiv seit dem 30.6.2005 – im gegenüber dem geltenden DBA günstigeren Falle – nach § 50g Abs. 6 Satz 1 EStG auch auf die Schweiz. Siehe hierzu auch BT-Drs. 16/1545, S. 17, sowie von Beckerath, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 50g, Rz. 21. 143 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 873. 144 Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) setzt sich neben den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus den Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen zusammen; siehe dazu EuGH v. 23.9.2003, Rs. C-452/01 (Opselt), EuGHE 2003, S. I-9743 ff., Rz. 28 ff. 145 Die ursprünglich genutzte Beteiligungsquote am Kapital der Tochtergesellschaft mit 20 v. H. wurde am 1.7.2007 auf 15 v. H. herabgesetzt und mit Wirkung v. 1.1.2009 auf zehn v. H. reduziert; siehe dazu Art. 3 lit. a M-T-R; siehe auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 365 ff. 141

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methode zu berücksichtigen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich hierbei für letztere Möglichkeit entschieden.146 So sind nach § 8b Abs. 1 KStG die über die MutterTochter-Richtlinie erhaltenen Gewinnausschüttungen einer deutschen Mutterkapitalgesellschaft grundsätzlich körperschaftsteuerfrei, wobei trotzdem die oben beschriebene Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG zur Anwendung kommt.147 Über die Kürzungsvorschrift in § 9 Nr. 7 Satz 1 a. E. GewStG sind diese Dividenden auch von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ausgenommen. Die über die Mutter-Tochter-Richtlinie erhaltenen Dividenden einer deutschen Mutterkapitalgesellschaft sind somit regelmäßig zu 95 v. H. steuerbefreit. (3) Telos der Richtlinien Sowohl die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie148 als auch die Mutter-Tochter-Richtlinie149 sind in die Zielsetzungen der Europäischen Union eingebettet und sollen zur Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts beitragen.150 Daher erleichtern sie die vom Rat hierzu als notwendig erachtete Möglichkeit grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse, indem sie zum einen deren konzerninterne Zinszahlungen und zum anderen deren Gewinnausschüttungen an die Mutter­ gesellschaft von Quellensteuern befreien. Durch die Forderung nach Anrechnung oder Freistellung von Dividenden­ einkünften bzw. durch die Zuteilung des alleinigen Besteuerungsrechts für Zinsen an den Ansässigkeitsstaat des Kreditgebers sollen diese beiden sekundärrecht­lichen Maßnahmen eine mögliche (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung unterbinden und die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Finanzierungsentgelten der rein nationalen Behandlung gleichsetzen.151 Ein wichtiger Grund hierfür ist 146 In kritischem Sinne dazu Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 18. Aufl., § 18, Rz. 511, wenn sie davon spricht, dass Deutschland in diesem Zusammenhang über die Anforderungen der M-T-R „deutlich hinausgeht“. 147 Siehe hierzu Abschn. aa), S. 32, sowie Haase, Internationales und Europäisches Steuer­recht, Rz. 860; siehe auch Art. 2 Satz 2 M-T-R, wonach ein Abzug von max. fünf v. H. der Bruttodividende erhoben werden darf. 148 Richtlinie des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (2003/49/EG), ABl. EG Nr. L 157 v. 26.6.2003, S. 49 ff.; dazu erläuternd etwa Führich, Ubg 2009, 30 ff. 149 Richtlinie des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG); ABl. EG Nr. L 225 v. 20.8.1990, S. 6 ff.; geändert durch die Richtlinie 2003/123/EG v. 22.12.2003. 150 M-T-R, Präambel zum Text von 1990, Nr. 1; Z-L-R, Präambel, Rz. 1 ff. 151 M-T-R, Präambel zum Text von 2003, Rz. 1 f. Über die M-T-R erhaltene Dividenden werden sogar gegenüber den innerstaatlichen Konstellationen steuerlich bevorzugt, da das nationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 2a GewStG erst ab einer Mindestbeteiligung von 15 v. H. anwendbar ist; siehe hierzu auch EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), IStR 2003, 666, Rz. 22.

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sicherlich auch der Abbau von bürokratischen Schranken und bestehenden Trans­ aktionskosten, die bei den verschiedenen steuerplanerischen Maßnahmen aufgrund uneinheitlich strukturierter Quellensteuerregelungen der Mitgliedstaaten entstehen können und das Ziel einer weitgehend optimalen Allokation der Ressourcen behindern.152 Grundsätzlicher Telos der Vorschrift ist damit die steuerliche und bürokra­ tische Vereinfachung der konzerninternen Zins- und Dividendenströme innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit dem Ziel, die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts zu unterstützen.153 Durch diese Verminderung der zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Steuerfriktionen ist auch eine Steigerung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt beabsichtigt.154 (4) Kritik Auf den ersten Blick scheint der Gesetzgeber dadurch, dass er der Zinsund Lizenz­gebühren- sowie der Mutter-Tochter-Richtlinie zugestimmt und beide Richtlinien umgesetzt hat, keine wesentliche Neuerung in das deutsche Steuer­ system eingebracht zu haben, sieht er doch bereits uni- bzw. bilateral den Quellensteuerverzicht auf Zinszahlungen und die Steuerfreistellung von Auslandsdividenden vor.155 Nichtsdestoweniger ist an der Einwilligung zu den beiden Richtlinien mit Bezug zu den dadurch ausgelösten Auswirkungen auf die Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte Kritik zu üben. (a) Schwierigkeiten einer Neuverhandlung Mit der Zustimmung zur Zins- und Lizenzgebühren- und zur Mutter-Tochter-Richtlinie erfährt die bisherige deutsche Steuerpolitik eine neue zeitliche Dimension. Deutschland hat sich damit auf europarechtlicher Ebene zumindest zu einem Verzicht der Quellenbesteuerung von Zinsen innerhalb qualifizierter Konzernstrukturen und zu einer Berücksichtigung der ausländischen Vorbelastung von Auslandsdividenden verpflichtet. Dies gilt selbst dann, wenn nationale Regelungen oder Doppelbesteuerungsabkommen (zukünftig) Unterschiedliches vorsehen sollten.156 Denn anders als dies bisher in nationalen und abkommensrecht­ 152

Andeutend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 171. von Beckerath, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 50g, Rz. 1. 154 M-T-R, Präambel zum Text von 1990, Rz. 4. 155 Siehe dazu die Ausführungen in Abschn. 1, S. 29, und Abschn. 2, S. 36. 156 Hierbei sei z. B. auf Art. 11 OECD-MA verwiesen, der nach Abs. 1 zwar dem Ansässigkeitstaat des Darlehensgebers das Besteuerungsrecht auf Zinsen zuspricht, dem Quellenstaat aber nach Abs. 2 ein maximales Besteuerungsrecht i.H.v. zehn v. H. des Bruttozinsbetrags ge 153

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lichen Vorgaben umgesetzt worden ist, können europarechtliche Richtlinien nicht durch eine nationale Gesetzesreform oder durch einseitige Kündigung – wie zuletzt im Fall vom DBA-Brasilien157– geändert werden. Ihre Wirksamkeit kann nach Art. 115 AEUV nämlich nur mit der Einstimmigkeit aller Mitgliedsländer im Rat zurückgenommen werden. Was eine mögliche Modifizierung der Richtlinien betrifft, drängen sich aber erhebliche Zweifel auf, da gerade kleinere und niedriger besteuernde Mitgliedstaaten von der aktuellen Situation profitieren, indem sie durch eine Senkung ihrer Steuersätze überproportional viel Steuersubstrat aus anderen Mitgliedstaaten hinzugewinnen können.158 Die Zustimmung dieser Profiteure zu einer Ab­schaffung oder Neuverhandlung der Richtlinien ist daher eher unwahrscheinlich, womit eine Novellierung wohl nur mit erheblichen Anstrengungen bzw. Zugeständnissen möglich wäre.159 Damit die Richtlinien zurückgenommen werden könnten, müsste die hohe Hürde der Einstimmigkeit im Rat übersprungen werden, was aber wohl eher unwahrscheinlich ist. Deshalb ist der Inhalt dieser Regelungen erst einmal als grundsätzlich unabänderbar anzunehmen.160 (b) Lediglich partielle Harmonisierung Weiterhin ist im Bereich europaweiter Konzernfinanzierung bisher nur eine partielle Harmonisierung festzustellen, die sich aufgrund der für die direkten Steuern unspezifischen Rechtslage, des damit einhergehenden Fehlens eines legislativen Drucks und insbesondere der Einstimmigkeitsvoraussetzung161 ergeben währt. Ebenso seien die Staaten Brasilien, Indien und China angeführt, die auch innerstaatlich eine Quellenbesteuerung auf grenzüberschreitende Zinszahlungen erheben; siehe hierzu Jehlin, Die Quellenbesteuerungspolitik für grenzüberschreitende Zinszahlungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern – mit besonderer Betrachtung der BRIC-Staaten, in Schön (Hrsg.), Eigen- und Fremdkapital, S. 157 ff. 157 BT-Drs. 16/5208; Sheppard, 54 TNI 2009, 1070 (1072); allgemein zur Möglichkeit der Kündigung von DBA siehe Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 16.26 ff. 158 Axer, in: Fuest/Nettesheim/Scholz (Hrsg.), Lissabon-Vertrag: Sind die Weichen richtig gestellt?, S. 170 (171); ähnlich Seiler, in: Blanke/Scherzberg/Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 393 (397). Siehe hierzu auch die Ausführungen zum Steuerwettbewerb auf S. 85 ff. 159 Homburg, FR 2007, 717 (727). 160 Spengel/Finke/Zinn, Die Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 100, sprechen in diesem Zusammenhang von einem „langfristigen Akt der europäischen Steuerharmonisierung“. 161 Etwa Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (885); Kokott, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, S. 1 (3). Führich, Ubg 2009, 30 (31). Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (206, 225 f.) kritisiert in diesem Zusammenhang das – nun auch nach dem Lissabon-Vertrag weiterhin bestehende – Einstimmigkeitsprinzip des Rates vehement, wenn er schreibt: „[So] hat dieses Erfordernis der Einstimmigkeit in den vergangenen Jahrzehnten die Praxis der europäischen Steuerpolitik geprägt,

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hat.162 So glückte im Jahr 1990 die Verabschiedung der bereits erläuterten MutterTochter-Richtlinie sowie im Jahr 2003 die der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie.163 Doch zu den bisher erreichten Schritten einer Harmonisierung der Besteuerung von Konzernfinanzierungsentgelten ist anzuführen, dass sich seit dem Jahr 2004 keine weitere wesentliche Neuerung in diesem Bereich durchgesetzt hat. Insbesondere sind die Richtlinien für ein gemeinsames Körperschaftsteuersystem164 oder zur Gewinnermittlung gescheitert oder noch nicht verwirklicht worden.165 Der Verzicht auf eine Quellenbesteuerung, der eigentlich die Entwicklung von Konzernen erleichtern und beschleunigen sollte, trägt nunmehr auch zur europarechtlichen Absicherung der Verschiebung von Steuersubstrat über konzern­ interne Finanzierungsentgelte bei. Der Gesetzgeber hätte bei seiner Einwilligung zu diesen beiden Richtlinien daher bedenken müssen, dass international tätige Konzerne Anpassungsreaktionen vornehmen, da sich diesen aufgrund des Ein­ bezugs steuerlich aggressiv auftretender Mitgliedstaaten neue Möglichkeiten eröffnen und die europäische Garantie dieser Vorgaben zusätzliche Planungssicherheit verschafft.166 Die Mutter-Tochter-Richtlinie trägt in diesem Zusammenhang zumindest indirekt zur Möglichkeit der Steuersubstratsverschiebung bei. Zum einen schließt sie eine Quellenbesteuerung im Staat des Dividendenschuldners aus und kann damit steuerliche Anreize für missbräuchliche Finanzierungsstrukturen setzen.167 Zum anderen lässt sie dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers zwar Harmonisierung verhindert […].“ [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.]. Aus diesem Grund schlägt Schön vor, dass der Abstimmungsmodus aufgegeben und ein qualifiziertes Mehrheitsprinzip eingeführt wird. 162 Grundlegend Cloer/Lavrelashvili, Einführung in das Europäische Steuerrecht, S. 38; Seiler, StuW 2005, 25 (26); ähnlich Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (206) ebenso Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 510, sowie J. Lang, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 2, Rz. 53. 163 Vgl. Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 762; Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 32; Englisch, StuW 2003, 88 (90); Axer, in: Fuest/ Nettesheim/Scholz (Hrsg.), Lissabon-Vertrag: Sind die Weichen richtig gestellt?, S. 170 (171). 164 Vgl. BT-Drs. 7/3981; BT-Drs. 8/2059, sowie den jüngsten Vorschlag zur sogenannten CCCTB, dazu Fn. 171 auf S. 58. 165 Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 291. 166 Homburg, FR 2007, 717 (727). In diesem Zusammenhang sei z. B. auf die sehr niedrig besteuernden Länder Zypern und Malta verwiesen. Dazu bietet Fn. 325 auf S. 86 einen europaweiten Überblick. Haarmann, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 63, erachtet die Zustimmung zur Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie aufgrund des darin enthaltenen Verzichts auf die Quellensteuer als einen Fehler. Auch Rädler, in: ders. (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 57, ist ähnlicher Ansicht, wenn er den Verzicht Deutschlands auf die Quellen­ besteuerung von Zinsen als seinen „Hauptkritikpunkt“ an der deutschen Steuerpolitik bezeichnet. 167 Siehe Abschn. c), S. 94.

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das Wahlrecht offen, die ausländische Vorbelastung über die Freistellungs- oder die indirekte Anrechnungsmethode zu lindern.168 Dabei bleibt es aber fraglich, ob die Wirkkraft der Grundfreiheiten die Steuerfreistellung von Auslandsdividenden nicht doch erfordert und damit weiter reicht, als es die Mutter-Tochter-Richtlinie vorsieht. Damit würde aus der Freiwilligkeit der aktuell von Deutschland praktizierten Freistellung für die über die Mutter-Tochter-Richtlinie empfangenen Dividenden eine Pflicht. Im Urteil in der Rechtssache Bosal169 wurde dazu nicht direkt Stellung genommen und die Beantwortung dieser Frage offen gelassen. Aus der dortigen Inter­ pretation der Grundfreiheiten könnten aber derartige Schlüsse gezogen werden. Gegen diese Auffassung könnte aber das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in den miteinander verbundenen Rechtssachen Haribo und Salinen170 sprechen. Mit Bezug auf die österreichische Besteuerung von Auslandsdividenden stellte das Gericht eine grundsätzliche Gleichwertigkeit der Anrechnungs- und Freistellungsmethode fest, da beide Methoden eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung mindern. Ob diese Entscheidung für die im Gegensatz zu Österreich großzügigeren deutschen Regelungen der Dividendenbesteuerung ebenso ausgefallen wäre, bleibt trotzdem fraglich. Es ist daher zumindest nicht abschließend geklärt, ob es sich bei der von Deutschland angewandten Freistellungsmethode um die Nutzung eines Wahlrechts oder doch um eine Pflicht handelt. Weiterhin und in besonders hohem Maße kann auch die Zins- und Lizenz­ gebühren-Richtlinie für die Möglichkeit einer Verlagerung deutschen Steuer­ substrats sorgen, indem sie eine Quellenbesteuerung der aus Deutschland abfließenden Zinszahlungen innerhalb eines Konzerns verbietet. Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie ist deshalb als besonders schädlich hervorzuheben, da dieses Verbot bei gleichzeitiger vollumfänglicher Abzugsfähigkeit der transferierten Zinsen im Inland besteht. Im Ergebnis fördern die beiden Richtlinien durch ihre steuerlichen Vergüns­ tigungen eine grenzüberschreitende Transaktion konzerninterner Finanzierungsentgelte. Da mithilfe der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie und der MutterTochter-Richtlinie aber auch Gewinne verlagert werden können, stellt sich die Frage, ob dieser Missbrauchsmöglichkeit eine weitere europäische Richtlinie entgegensteht. Eine derartige Regelung ist bisher aber noch nicht in Kraft, womit der Zustand einer lediglich partiell harmonisierten Besteuerung europaweiter Konzernfinanzierung vorliegt. Wichtige und notwendige Folgeschritte der Harmonisierung der Besteuerung grenzüberschreitender Konzernfinanzierungsentgelte sind nämlich bislang ausgeblieben. Diese Systemschwäche führt m. E. zu einer Schieflage der Harmonisierung der direkten Steuern zuungunsten hoch besteu 168

Art. 4 Abs. 1 M-T-R. EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), IStR 2003, 666 ff. 170 EuGH v. 10.2.2011 in den miteinander verbundenen Rs. C-436/08 (Haribo) und C-437/08 (Österreichische Salinen), IStR 2009, 211 ff. 169

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ernder Staaten wie Deutschland. Besteuerungssubstrat kann daher europarechtlich geschützt – ohne dass systemimmanente Konzerngewinne erfasst würden – in niedriger besteuernde Mitgliedstaaten abfließen. (c) Mögliche Behebung der Schieflage Ein bereits laufendes Großprojekt der EU-Kommission könnte hierbei aber Linderung verschaffen. Sein im Frühjahr des Jahrs 2011 veröffentlichter Entwurf will unter der Abkürzung CCCTB (Common Consolidated Corporate Tax Base) für grenzüberschreitend tätige Konzernunternehmen ein europaweites Quellensteuerprinzip einführen.171 Zur Verteilung des Steuersubstrats aus den europaweit generierten Konzerngewinnen würden sodann die Parameter Umsatz, Lohnsumme, Beschäftigte und Vermögenswerte je Mitgliedstaat herangezogen und damit bei der Besteuerung an reale Produktionskennzahlen und nicht nur an den (mobilen) Ausweis der Gewinne angeknüpft werden.172 Nach der Einschätzung Herzigs wird sich dieses Projekt aufgrund seiner Komplexität, des fehlenden Vertrauens, aber eben auch wegen des fehlenden politischen Willens nicht in die Tat umsetzen lassen.173 Ob es in näherer Zukunft zu einer Umsetzung dieses Projekts kommen wird, kann nicht abschließend beurteilt werden. Förderlich könnte hierbei aber die finanzielle Notlage einiger niedriger besteuernder Mitgliedstaaten sein, die, weil sie auf solidarische Unterstützung durch die EU angewiesen sind, zu Zugeständnissen bewegt werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist damit aber auch weiterhin kein wirklicher Wille zur Harmonisierung der direkten Steuern festzustellen,174 was im Kern auf eine aktuelle Situation schließen lässt, die einzelnen Mitgliedstaaten zum Vorteil gereicht.175 171 Europäische Kommission, KOM(2011) 121/4, Proposal for a Council Directive on a Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB) vom 13.3.2011, abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/company_tax/common_tax_base/index_en.htm; siehe auch Mitteilung der Kommission v. 19.12.2006 KOM (2006) 832 endg.; sowie M. Lang et al. (Hrsg.), Common Consolidated Corporate Tax Base, Wien 2008. 172 Europäische Kommission, KOM(2011) 121/4, Proposal for a Council Directive on a Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB) vom 13.3.2011, Art. 86; siehe hierzu auch Kahle, WPg 2006, 1401; Kußmaul/Pfeifer, Ubg 2010, 266 ff.; Spengel, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten G für den 66. Deutschen Juristentag, S. G 34 ff. Ein wichtiger Einwand, der gegen den Erfolg einer CCCTB spricht, ist nach Parillo, 61 TNI 2011, 471 (472), das Argument, dass dieses Regime zwar zu weniger „fiktiven“ Verlagerungen von Gewinnen führt, dafür aber viel eher zu einer „realen“ Verschiebung der Produktionsfaktoren anreizt. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass weitaus probatere Mittel bestehen, eine Verschie­ bung realer Faktoren zu verhindern, als dies beim hoch mobilen Faktor Kapital der Fall ist. 173 Herzig, FR 2009, 1037 ff.; etwas hoffnungsvoller Kußmaul/Niehren/Pfeifer, StuW 2010, 177 ff.; Parillo, 61 TNI 2011, 471 ff. 174 Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 16. 175 Axer, in: Fuest/Nettesheim/Scholz (Hrsg.), Lissabon-Vertrag: Sind die Weichen richtig gestellt?, S. 170 (171).

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bb) Verstärkung der Schieflage durch die Rechtsprechung des EuGH Dass die Besteuerung konzerninterner Finanzierungsentgelte unter dem Primat des Unionsrechts steht, zeigen nicht nur die beschriebenen sekundärrechtlichen Vorgaben. Als Element negativer Integration greift die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar in nationale Steuersysteme ein176 und gibt deutliche Impulse in Richtung einer europäischen Rechtsangleichung.177 In Ermangelung einer expliziten Kompetenzgrundlage stützt sich der Europäische Gerichtshof hierbei insbesondere auf die Durchsetzungskraft der Grundfreiheiten. Mit seiner Rechtsprechung entfaltet der Europäische Gerichtshof eine breite Wirkung, da der Konflikt zwischen Grundfreiheiten und nationalem Steuerrecht in viele Facetten des wirtschaftlichen Lebens der Mitgliedstaaten ausstrahlt.178 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wirkt dabei auf zwei Ebenen auf die deutsche Gesetzgebung ein. Zum einen ist der Gesetzgeber unmittelbar betroffen und zu Korrekturmaßnahmen gezwungen, wenn es sich um Ent­ scheidungen zu deutschen Steuergesetzen handelt. Zum anderen entfaltet die faktische Breitenwirkung, die in den Urteilen des Gerichtshofs zu ausländischen Vorschriften enthalten ist, einen zumindest mittelbar rechtsangleichenden Einfluss für gleich gelagerte Fälle des deutschen Rechts und kann sich auch einschränkend auf Regelungsüberlegungen auswirken.179

176

Hahn, DStZ 2005, 433. Seiler, StuW 2005, 25 (26), spricht in diesem Zusammenhang von einer durch die Rechtsprechung des EuGH ausgelösten „schleichenden Angleichung“; Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 517, spricht vom Selbstverständnis des EuGH als „Motor der Integration“ und Thömmes, Steuern und Europa – Binnenmarkt ohne Grenzen oder grenzen­loses Chaos, S. 2, merkt an, dass ein „Dauerkonflikt“ zwischen den nationalen Einkommensund Körperschaftsteuerrechten der Mitgliedstaaten und dem EG-Recht bestehe, welcher bis Mitte November 2007 zu mehr als 100 Urteilen geführt habe. Überblicksartig siehe auch die Ausführungen von Rödder, DStR 2004, 1629 ff. Zu den verschiedenen Instrumenten bzw. Verfahrensarten, welche dem EuGH diesbezüglich an die Hand gegeben sind, siehe Vogel, StuW 2005, 373. 178 Menck, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. A 50; Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmens­ besteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (265); ähnlich auch Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (886), der in diesem Zusammenhang sehr anschaulich von „querschnittartig strukturierten Marktfreiheiten“ spricht. 179 Kraft/Müller, RIW 2004, 366 (367). Thömmes, Steuern und Europa – Binnenmarkt ohne Grenzen oder grenzenloses Chaos, S. 4, 31, kritisiert die Haltung des Gesetzgebers, der diese auch mittelbare Bindungswirkung wohl noch nicht in Gänze erkannt habe. Als Indiz dafür zieht er heran, dass lediglich EuGH-Urteile mit Bezug zu deutschen Streitfällen im Bundessteuerblatt veröffentlicht seien. 177

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

(1) Weiter Schutzbereich der Grundfreiheiten (a) Unmittelbare Anwendbarkeit – Rechtssache Lankhorst-Hohorst Als erstes Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu einer Regelung gegen missbräuchliche Konzernfinanzierung ist die Rechtssache Lankhorst-Hohorst zu nennen. Mit dieser Entscheidung vom 12.12.2002 beanstandete der Europäische Gerichtshof den damaligen § 8a KStG als nicht mit der Niederlassungs­ freiheit vereinbar und sorgte für eine nicht unwesentliche Modifizierung der damals geltenden deutschen Regelungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung.180 Ausgangspunkt dieses Verfahrens war die Klage der im Alleineigentum der niederländischen Lankhorst-Taselaar BV stehenden Lankhorst-Hohorst GmbH mit Sitz in Deutschland.181 Im Jahr 1996 hatte die niederländische Muttergesellschaft ihrer überschuldeten deutschen GmbH einen Kredit mit variablem Zinssatz von 4,5 v. H. ohne Sicherheiten und versehen mit einer Patronatserklärung gewährt. Die damalige Fassung des § 8a KStG sah in Abs. 1 für solche Fälle Folgendes vor: „Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund oder Stammkapital beteiligt war, gelten als verdeckte Gewinnausschüttungen […] wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt, es sei denn, die Kapitalgesellschaft hätte dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten können, oder es handelt sich um Mittelaufnahmen zur Finanzierung banküblicher Geschäfte […].“

Das zuständige Finanzamt wertete die in diesem Zusammenhang gezahlten Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8a KStG i. d. F. des StandOG, was im Ergebnis zu einer höheren steuerlichen Belastung auf Seiten des Tochterunternehmens führte. Es argumentierte, dass aufgrund der Überschuldung mit der Darlehensvergabe das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Darlehensgebers überschritten sei und dass die Lankhorst-Hohorst GmbH zu diesem Zeitpunkt von keinem Dritten ein Darlehen zu derart vorteilhaften Bedingungen hätte erhalten können. Das Mutterunternehmen hätte in dieser Situation der Überschuldung Eigenkapital gewähren müssen, und habe dies aus steuerlichen Überlegungen unterlassen, weshalb es missbräuchlich gehandelt habe. Dem entgegnete die

180

EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 4, 28 ff.; siehe dazu auch Abschn. a), S. 97. 181 GA Mischo, Schlussanträge v. 26.9.2002 in der Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11781 ff., Rz. 4 ff.; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-­ ­ Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 5.

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Klägerin, dass die Darlehensvergabe nicht mit einer steuerlichen Missbrauchs­ absicht, sondern schlicht mit der Intention, sich wirtschaftlich zu sanieren, vorgenommen wurde. (b) Mittelbare Anwendbarkeit (aa) Thin Cap Group Litigation Im Anschluss an die oben beschriebene Entscheidung Lankhorst-Hohorst entwickelte sich in der Rechtssache Thin Cap Group Litigation182 ein Sammelverfahren mehrerer Unternehmensgruppen, um die im Vereinigten Königreich vor dem Jahr 2004 genutzten Regelungen zur Bekämpfung missbräuchlicher Konzern­ finanzierung europarechtlich überprüfen zu lassen. Das britischen Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz aus dem Jahr 1988 (ICTA 1988) sah grundsätzlich vor, dass Zinszahlungen von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft an eine gebietsfremde, aber zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaft in steuerpflichtige Gewinnausschüttungen umqualifiziert werden.183 Hierzu musste der Kreditgeber regelmäßig zu mindestens 75 v. H. am Kapital des Kreditnehmers beteiligt sein oder beide Parteien mussten jeweils zu 75 v. H. ebenfalls einer nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft angehören. Dieser Grundsatz galt jedoch nicht, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen dies ausschloss, Zinsaufwendungen blieben dann abzugsfähig. Die Abkommen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sahen in diesem Zusammenhang grundsätzlich zwei Varianten vor, die es dem Steuerpflichtigen ermöglichten, die nicht berücksichtigungsfähigen Zinsaufwendungen abzuziehen. In der ersten Variante hatte der Steuerpflichtige nach­ zuweisen, dass die Höhe des Zinssatzes einem Fremdvergleich standhalten konnte.184 Die zweite Variante sah zuzüglich zum Fremdvergleich des Darlehenszinses eine vom Steuerpflichtigen zu erbringende Fremdvergleichsprüfung des Darlehensbetrags vor.185 Gesetzliche Änderungen im Jahres 1995186 novellierten diese 182 EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 6 ff.; siehe hierzu auch die Schlussanträge des GA Geelhoed v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 7 ff. 183 Section 209 (2) (e) (iv) und (v) des britischen Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes aus dem Jahr 1988 (ICTA). Siehe hierzu auch die Schlussanträge des GA Geelhoed v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 54. 184 EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz.  9 ff. 185 Eine zusätzliche, jedoch weniger beachtliche Fassung der zweiten Variante verschärfte die Nachweispflicht mit weiteren Faktoren. 186 Siehe Section 209 (2) (da) ICTA.

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Regelung. Im Grundsatz waren nun konzerninterne Zinszahlungen, die einem Fremdvergleich des Zinssatzes und der Darlehenshöhe standhielten, nicht in eine verdeckte Gewinnausschüttung umzuqualifizieren.187 Nicht anwendbar war diese Regelung aber, falls Darlehensnehmer und Darlehensgeber im Vereinigten Königreich körperschaftsteuerpflichtig waren. Eine weitere Gesetzesänderung im Jahr 1998 fügte dem ICTA den Anhang 28 AA hinzu. Dadurch unterlagen die sonst von den oben beschriebenen spezialgesetzlichen Regelungen betroffenen konzerninternen Darlehensbeziehungen nun regelmäßig den fremdvergleichsbasierten Verrechnungspreisvorschriften.188 Grundsätzlich ausgenommen von diesen Regelungen waren jedoch Beziehungen zwischen Personen, wenn beide im Vereinigten Königreich einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig waren. Wie die folgenden Ausführungen noch darlegen werden, erkannte der Euro­ päische Gerichtshof in der Rechtssache Thin Cap Group Litigation einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, da die Vorschriften – über das Nichtvorliegen der Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflichtigkeit des Darlehensgebers ­hinaus – indirekt an die Ansässigkeit und damit mittelbar an die Nationalität eines Unternehmens anknüpften.189 (bb) Lammers & Van Cleeff Auch im Fall Lammers & Van Cleeff190 nahm der Europäische Gerichtshof eine Diskriminierung der Staatsangehörigkeit an, da die belgischen Vorschriften direkt am Merkmal der Ansässigkeit anknüpften, womit ausländische Gesellschaften benachteiligt wurden.191 Gegenstand dieses Falls war eine Streitigkeit zwischen einer belgischen Tochter­ gesellschaft der niederländischen Muttergesellschaft Lammers & Van Cleeff BV und dem belgischen Finanzamt.192 Hierbei gehörte die niederländische Gesell 187

In deren Anwendungsbereich fielen wiederum Kreditverbindungen, bei denen der Darlehensgeber zu jeweils mindestens 75 v. H. am Darlehensnehmer beteiligt war. Zusätzlich galt dies ebenso, wenn beide vorgenannten Gesellschaften zu jeweils 75 v. H. Tochtergesellschaft eines Drittunternehmens waren. 188 Schlussanträge des GA Geelhoed v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 34. 189 EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 44. Hierzu sei bemerkt, dass eine Gesellschaft der Steuerpflicht des Vereinigten Königreichs unterliegt, wenn sie dort ansässig ist. 190 EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff. 191 EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz.  16 ff. 192 EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EUGHE 2008, S. I-176 ff., Rz.  7 ff.

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schaft der Geschäftsführung des belgischen Tochterunternehmens an, welches ein Darlehen von der gebietsfremden Muttergesellschaft aufgenommen hatte. Auf diese Forderungen zahlte die Tochtergesellschaft Zinsen. Der steuerlichen Abzugsfähigkeit dieser Entgelte stand jedoch Art. 18 Abs. 1 Nr. 3 des belgischen Einkommensteuergesetzes aus dem Jahr 1992 entgegen. Danach wurde ein Teil dieser Zinsen zu steuerpflichtigen Dividenden umqualifiziert, wenn der Gesamtbetrag der verzinslichen Forderungen höher war „als das eingezahlte Kapital zuzüglich der besteuerten Rücklagen zu Beginn des Besteuerungszeitraums“.193 Gegen diese Veranlagung klagte die belgische Tochtergesellschaft, da nach Art. 18 Abs. 2 Nr. 3 des belgischen Einkommensteuergesetzes a. F. derartige Zinsen nicht in steuerpflichtige Dividenden umzuqualifizieren wären, wenn die kreditgebende Muttergesellschaft in Belgien ansässig sei. (2) Weite Auslegung der Grundfreiheiten (a) Entwicklungsprozess der Interpretation der Grundfreiheiten Der klassische Interpretationsansatz der Grundfreiheiten verbietet die offene Diskriminierung mitgliedstaatlicher Ausländer wegen ihrer Nationalität – wobei für Unternehmen der Gesellschaftssitz die nationale Zugehörigkeit bestimmt194 – und fordert zumindest die Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen.195 Auch in der Rechtssache Lammers & Van Cleeff196 nahm der Europäische Gerichtshof eine offene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit an. Hierbei orientierten sich die belgischen Vorschriften zur Einschränkung missbräuchlicher konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung nämlich direkt am Merkmal der Ansässigkeit und klassifizierten Darlehensbeziehungen eines in Belgien niedergelassenen Tochterunternehmens zu seiner gebietsfremden Muttergesellschaft unter gewissen Umständen als steuerpflichtige Gewinnausschüttungen. Da diese Sonderbelastung für gebietsansässige Muttergesellschaften unterblieb, diskriminierte das belgische Steuerrecht derartige Verbindungen aufgrund der Ansässigkeit und damit offen anhand der Nationalität des Mutterunternehmens.197 193

EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EUGHE 2008, S. I-176 ff., Rz.  3 ff. 194 Vgl. z. B. EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (Imperial Chemical Industries), EuGHE 1998, S. I-4695 ff., Rz. 20 m. w. N.; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 43, Rz. 69 ff. 195 Englisch, StuW 2003, 88; Haase, Internationales und europäisches Steuerrecht, Rz. 816 ff.; Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (265). 196 Dazu Abschn. (bb), S. 62. 197 EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz.  16 ff.

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Nachdem der Gerichtshof erkannte, dass Regelungen auch diskriminierend wirken können, ohne einen direkten Bezug zur Staatszugehörigkeit aufzuweisen, kann im Zeitablauf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Wandel in der Interpretation der Grundfreiheiten ausgemacht werden.198 So erfuhr der eingangs skizzierte klassische Interpretationsansatz eine Ausweitung seiner Tatbestandsmäßigkeit, indem er auch auf mittelbare bzw. verdeckte Benachteiligungen anwendbar wurde. Auch Regelungen, die üblicherweise mitgliedstaatliche Ausländer treffen – sogenannte faktische Diskriminierungen –, sind damit von der Schutzwirkung der Grundfreiheiten erfasst.199 In diesem Sinne klassifizierte der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Lankhorst-Hohorst200 § 8a KStG i. d. F. des StandOG als verdeckte Diskriminierung.201 Hierbei stellte die Vorschrift auf eine steuerliche Sonderbelastung von sogenannten „nichtanrechnungsberechtigten Anteilseignern“ ab. Grundsätzlicher Anknüpfungspunkt war damit nämlich nicht unmittelbar die Staatsangehörigkeit. Gesondert belastet wurden die Fremdkapitalvergütungen einer unbeschränkt steuer­ pflichtigen Kapitalgesellschaft, die an einen wesentlich beteiligten körperschaftsteuerlich „nichtanrechnungsberechtigen Anteilseigner“, an eine diesem nahestehende (nichtanrechnungsberechtige) Person oder an einen rückgriffs­berechtigten Dritten gezahlt wurden. Die Gruppe der Nichtanrechnungsberechtigten setzte sich aber zum größten Teil aus ausländischen Körperschaften zusammen. Darin erkannte der Europäische Gerichtshof eine faktische Benachteiligung aufgrund der Nationalität und ordnete diese Regelung als verdeckt diskriminierend ein.202 Ebenso beurteilte der Europäische Gerichtshof auch die strittigen Regelungen in der Rechtssache Thin Cap Group Litigation.203 Eine verdeckte Diskriminierung aufgrund der Nationalität sah der Gerichtshof als erwiesen an, da die Vorschriften des Vereinigten Königreichs – über das Nichtvorliegen der Einkommen- oder Kör 198

Englisch, StuW 2003, 88; Thömmes, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 81 (83). Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 40, gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass „über die vielfältigen Systematisierungsversuche nicht vergessen werden [darf], dass der EuGH keine Dogmatik, schon gar keine allgemeine Lehren der Grundfreiheiten ent­ wickelt hat, sondern sich nur fallweise vortastet. Jeder Interpret der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten läuft daher auch Gefahr, zu viel zwischen den Zeilen der Urteile zu lesen und aus einzelnen Passagen allgemeingültige Aussagen abzuleiten, die durch ein Folgeurteil dann doch wieder revidiert werden müssen.“ [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.] 199 Vgl. m. w. N. Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (209 f.); Englisch, StuW 2003, 88. Corde­wener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 120, spricht in diesem Zusammenhang von der „Nichtansässigen-Diskriminierung“. 200 Dazu Abschn. (a), S. 60. 201 So auch Führich, Ubg 2009, 30 (39). 202 EuGH v. 12.12.2003, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 4, 28 ff. 203 Dazu Abschn. (aa), S. 61.

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perschaftsteuerpflichtigkeit des Darlehensgebers hinaus – indirekt an die Ansässigkeit und damit mittelbar an die Nationalität eines Unternehmens anknüpften.204 Angetrieben von der Erkenntnis, dass auch nicht diskriminierende Vorschriften insbesondere die Ausübung des Waren- und Personenverkehrs erschweren bzw. verhindern können, entfaltete der Europäische Gerichtshof parallel zum Charakter der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbot die Interpretation der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbot.205 Dies wurde mit dem Vertrag von Amsterdam im Jahr 1997 für die Niederlassungsfreiheit kodifiziert.206 Ein derartiges Verständnis steht Regelungen entgegen, welche die Anwendung der Grundfreiheiten unverhältnismäßig einengen, indem sie, losgelöst von der Staatsangehörigkeit oder einem vergleichbaren Maßstab, gleichsam unterschiedslos wirkend den Markt­zugang in andere Mitgliedsländer erschweren.207 Die Beschreibung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote variiert in der Literatur. Im Zentrum steht aber regelmäßig derselbe Grundgedanke: Es wird nicht mehr vergleichend auf den inländischen Sachverhalt Bezug genommen, sondern auf die Frage, ob nationale Maßnahmen den Zugang zu einem anderen Markt auf nicht diskriminierende Weise behindern oder nicht.208 Die Interpretation der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbot bezieht sich nun im Gegensatz zu de 204

EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 44. 205 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 38 ff.; dem folgend Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (266 f.); Thömmes, Steuern und Europa – Binnenmarkt ohne Grenzen oder grenzenloses Chaos, S. 8; Streinz, Europarecht, Rz. 798. Ähnlich auch Seiler, StuW 2005, 25 (26), wenn er von einer „Aufwertung“ der Diskriminierungsverbote zu Beschränkungsverboten spricht. Ausführlich auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 104 ff., 175 ff.; dem folgend Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, S. 53. Der Wandel zur Interpretation als Beschränkungsverbotkann auch anhand der folgenden Urteile nachvollzogen werden. Für die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit siehe: EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), EuGHE 2002, S. I-10829 ff. Für die anderen Grundfreiheiten praktiziert dies der EuGH schon länger, siehe hierzu EuGH v. 11.7.1974, Rs. C-8/74 (Dassonville), EuGHE 1974, S. I-837 ff.; EuGH v. 3.12.1974, Rs. C-33/74 (von Binsbergen), EuGHE 1974, S. I-1299 ff.; EuGH v. 20.2.1979, Rs. C-120/78 (Rewe-Zentralfinanz), EuGHE 1979, S. I-649 ff.; EuGH v. 4.12.1986, Rs. C-205/84 (Kommission/Deutschland), EuGHE 1986, S. I-3755 ff.; EuGH v. 27.9.1988, Rs. C-81/87 (Daily Mail), EuGHE 1988, S. I-5483; EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), EuGHE 1995, S. I-4165 ff.; EuGH v. 14.10.1999, Rs. C-439/97 (Sandoz), EuGHE 1999, S. I-7041 ff.; EuGH v. 26.1.1999, Rs. C-18/95 (Terhoeve), EuGHE 1999, S. I-345 ff.; EuGH v. 14.12.2000, Rs. C-141/99 (AMID), EuGHE 1998, S.  I-4695 ff. 206 Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 43, Rz. 68; Streinz, Europarecht, Rz. 798 ff. 207 Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (209 f.); Wernsmann, EuR 1999, 754 (756). 208 Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (209 f.); Hahn, DStZ 2005, 433 (440).

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ren Interpretation als Diskriminierungsverbot nicht mehr auf die offene oder verdeckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern, losgelöst davon, schlicht auf die Eigenschaft der Wirtschaftsbeziehung als grenzüberschreitenden Prozess.209 Im Zusammenhang mit direkten Steuern wurde in der Rechtssache Daily Mail210 eine Entscheidung getroffen, in der erstmals auf ein Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten abgestellt wurde.211 So führte das Gericht aus, dass die Grundfreiheiten es auch dem Herkunftsland verbieten, „die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten […] Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern“.212 Weiterhin prüfte der Euro­päische Gerichtshof bei einer nicht diskriminierenden Norm des schwedischen Steuerrechts, ob diese den Steuerpflichtigen bei der Wahrnehmung seines Rechts aus Art. 43 EGV dabei behindere, „über eine Gesellschaft in dem anderen Mitgliedsland geschäftlich tätig zu werden“.213 Hierbei erachtete der Europäische Gerichtshof bereits die Regelungsauswirkung eines Liquiditätsnachteils als Beschränkung des Markzugangs in einen anderen Mitgliedstaat. (b) Unterschiedliche Auswirkungen der Interpretationsansätze Die unterschiedlichen Interpretationsansätze der Grundfreiheiten können nach h. M. – angelehnt an das deutsche Verfassungsrecht – dahingehend voneinander unterschieden werden, ob die Diskriminierungsverbote als gleichheitsrechtliche Komponente oder die Beschränkungsverbote als ergänzend freiheitsrechtliche Komponente betrachtet werden.214 Neben der oben dargestellten unterschiedlichen 209

Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 66. EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), EuGHE 1988, S. I-5483 ff. 211 M.w.N. Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (272). 212 Vgl. EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), EuGHE 1988, S. I-5483 ff., Rz. 16 [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 213 EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), EuGHE 2002, S. I-10829 ff., Rz. 36 f. 214 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 303, 322. Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (266 f.); so auch Mössner, in: ders. et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. B 82. A. A. ist Englisch, StuW 2003, 88 (90), der diese Klassifizierung ablehnt. Er hält die Annahme einer freiheitsrechtlichen Komponente der Grundfreiheiten für unpassend, da sie den Blick auf eine „spezifische Benachteiligung des grenzüberschreitenden im Vergleich zum nationalen Wirtschaftsvorgang“ verstelle. Auch die Erkenntnis, dass eine Norm behindernd wirke, könne durch die, wenn auch schwierige, Vergleichsgruppenbildung mit dem rein nationalen Wirtschaftsvorgang hergestellt werden. Hierzu bedürfe es aber keiner gesonderten freiheitsrechtlichen Interpretation der Grundfreiheiten, da diese doch unter den Begriff eines weit verstandenen Diskriminierungsverbots subsumiert werden könne. Ähnliche Kritik äußert auch Musil, DB 2009, 1037 (1041). 210

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tatbestandsmäßigen Erfassung von gemeinschafts- bzw. richterrechtlichen Vorgaben zeitigen auch die unterschiedlichen Auslegungen der Grundfreiheiten verschiedene Auswirkungen auf die nationale Besteuerungsgewalt.215 So steht der Interpretationsansatz der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbot mit seiner gleichheitsrechtlichen Ausprägung auf dem Standpunkt, dass er mit vergleichbaren Sachverhalten aus der praktizierten Realität ins Verhältnis gesetzt werden kann.216 Diese Betrachtungsweise ist auf den horizontalen Vergleich ausgerichtet und erfasst einen grenzüberschreitenden Sachverhalt dann als tat­ bestandsmäßig, wenn er, bezogen auf einen vergleichbaren Inlandssachverhalt, ungleich behandelnd ist.217 Ein Vergleichspaar ist somit meist zwischen Aus- und Inländern oder, steuerjuristisch gewendet, zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen in deren unmittelbarer Rechtsposition zu suchen. Der freiheitsrechtliche Aspekt fungiert hier anders, da er nicht in einem horizontalen Vergleich abgebildet werden kann, sondern geradezu aus vertikaler Sicht die Belastungsintensität einer staatlichen Regelung auf den einzelnen grenzüberschreitenden Marktzutritt analysiert.218 Bei dieser Beurteilung kann nun nicht mehr an einen parallel behandelten Sachverhalt aus der üblichen Rechtspraxis angeknüpft werden. Vielmehr kann bzw. muss sich der Europäische Gerichtshof aufgrund dieses Mangels219 an einem Idealtypus des grenzüberschreitenden Verkehrs orientieren und lässt sich damit stärker von den Zielvorstellungen des Unionsrechts leiten, womit dieser Interpretationsansatz regelmäßig mit wenig Rücksicht auf das innerstaatliche Steuergefüge angewendet wird.220 Diese verschiedenen Interpretationsansätze der Grundfreiheiten zeitigen unterschiedliche Auswirkungen auf die nationale Besteuerungsgewalt. An dieses Verständnis knüpft die Einschätzung an, dass die klassische Auslegung der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbot aufgrund der Berücksichtigung nationaler Besteuerungseigenheiten eine eher moderate Wirkung auf das Besteuerungs­ system der Mitgliedstaaten mit sich bringt. Dementgegen bewirkt die Entfaltung des freiheitsrechtlichen Charakters aufgrund der besonderen Vergleichsperspek 215 Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (267). 216 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 39. 217 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 303; Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (267). 218 Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263 (269). 219 Wernsmann, EuR 1999, 754 (756), spricht in diesem Zusammenhang von der Wirkung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote, „unabhängig von der Behandlung einer Vergleichsgruppe“. 220 Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (267); Reimer, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, S. 57, spricht hierbei von der Wirkung eines „absoluten Maßstabes“.

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tive eines idealtypischen Maßstabs im Sinne eines Beschränkungsverbots eine weitaus höhere Durchschlagskraft.221 So zeigt die gleichheitsrechtliche Auslegung der Niederlassungsfreiheit in der Rechtssache Avoir Fiscal beispielhaft, wie sich der Gerichtshof eng an die Vorgaben des innerstaatlichen Rechts anlehnt.222 Im Gegensatz hierzu wich der Europäische Gerichtshof in seiner freiheitsrechtlichen Interpretation der Niederlassungsfreiheit in der Rechtssache Imperial Chemical Industries223 von einer tiefer gehenden Analyse des innerstaatlich zusammenhängenden Rechts ab. So wertete er, ohne die spezifischen nationalen Zusammenhänge zu betrachten, die problematisierte Regelung des britischen Steuerrechts zur Berücksichtigung von Auslandsverlusten als einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Ähnliche Tendenzen waren auch in der Entscheidung Futura Singer224 zu beobachten.225 (c) Streit um die Auslegung der Grundfreiheiten Im Schrifttum besteht ein Dissens über die richtige Interpretation der Grundfreiheiten. Im Kern dreht sich der Streit um die Ausweitung des Interpretationsansatzes der Grundfreiheiten vom Diskriminierungs- zum Beschränkungsverbot. Teils wird sie als zu weitgehend abgelehnt,226 teils als richtiger Schritt227 anerkannt. So befürchten einige Stimmen, dass mit der weiten freiheitsrechtlichen Interpretation der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote, eine exzessive, nicht mehr zu überschauende europarechtliche Hinterfragung nationaler Normen stattfinde, 221 Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (266 f.); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 303. Auch Kokott, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, S. 5, erkennt in der Auslegung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote „weitreichende Konsequenzen“ auf die Steuerrechtsordnung der Mitgliedstaaten. 222 Vgl. EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (Avoir Fiscal), EuGHE 1986, S. I-273 ff. Rz. 14 ff. 223 EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (Imperial Chemical Industries), EuGHE 1998, S.  I-4695 ff. 224 EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Singer), EuGHE 1997, S. I-2629 ff. 225 Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (273 f.). 226 Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (887); so auch Kube, IStR 2003, 325 (327). Ähnlich auch Lehner, der einen freiheitsrechtlichen Interpretationsansatz ablehnt, wenn er schreibt: „[D]ie Interpretation [der Marktfreiheiten] als Beschränkungsverbote steht sogar im Widerspruch zu den steuersystematischen Grundwertungen des innerstaatlichen Rechts.“ [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.]. Vgl. hierzu ders., in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (267). Musil, DB 2009, 1037, 1041, nennt die Stellung des EuGH sogar „negativer Ersatzgesetzgeber“; zur ähnlichen Sicht der Bundesregierung siehe BT-Drs. 16/5083, S. 2. 227 Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (209 f.); hierzu auch Wernsmann, EuR 1999, 754 (756) m. w. N.

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welche im Ergebnis den Binnenmarkt negativ beeinträchtigen könnte.228 Vor dem Hintergrund der von den Grundfreiheiten ausgehenden großen Ausstrahlungskraft steht die damit einhergehende weite Tatbestandsinterpretation der Marktfreiheiten als Beschränkungsverbote in der Kritik. Eine derartige Interpretation schränke, ohne Rücksicht auf die Harmonisierungsmängel europäischer Steuerrechtssysteme, die nationale Besteuerungsgewalt in weiten Bereichen ein und mache sie rechtfertigungsbedürftig.229 Daher mahnen Autoren eine kontinuitätswahrende Rückbesinnung bei der Interpretation der Grundfreiheiten auf deren Ursprung als Diskriminierungsverbote an.230 Weitere Stimmen verneinen das Verständnis von Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote und subsumieren es unter das weite Verständnis von Diskriminierung, wozu lediglich eine angepasste Vergleichsgruppenbildung vonnöten sei.231 Andere Ansichten sehen in der Ausweitung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote einen notwendigen Schritt, da durch die ausschließliche Inter­ pretation der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote und die damit einhergehende Gleichbehandlung von beschränkt mit unbeschränkt Steuerpflichtigen lediglich eine „Kästchengleichheit“232 innerhalb der Staaten erreicht werde. Mit einem derartigen Vergleichsmaßstab könne aber schlussendlich keine Unita­rität in ganz Europa hergestellt werden. Daher seien darüber hinausgehende Inter­ pretationsansätze zu begrüßen.233 Bisher ist strittig, ob der Gerichtshof die Anwendung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbot bereits in vollem Maße auf Sachverhalte der direkten Steuern anwendet. Dabei sehen einige Stimmen dies bereits als bestehende Praxis an,234 wohingegen andere keinen wesentlichen235 bzw. gar keinen236 Einfluss erkennen. In der Rechtsprechung zu den bis dato beurteilten Normen zur Einschrän 228 Wernsmann, EuR 1999, 754 (756) mit Verweis auf Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263 (287), sowie auch Everling, in: Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 607 (620 f.). 229 Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (887). 230 Etwa Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 202 ff. 231 Englisch, StuW 2003, 88 (89 f.); Führich, Ubg 2009, 30 (35). A. A. hierzu Wernsmann, EuR 1999, 754 (756), mit Bezug auf den EuGH v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Bosman), ­EuGHE 1995, S. I-4921 ff., Rz. 96, wenn er hiermit zum Ausdruck bringt, dass nicht jede Beschränkung als Ungleichbehandlung interpretiert werden könne. 232 Birk, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 63 (76 ff.). 233 In Anlehnung an Wernsmann, EuR 1999, 754 (757). 234 Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, S. 52 ff.; Musil, DB 2009, 1037 (1041). 235 Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (271); Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 826. 236 Führich, Ubg 2009, 30 (35); Sedemund, Ubg 2009, 560 (563); Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 193 f.

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kung missbräuchlicher konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung lässt sich keine Interpretation der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbot finden. Trotzdem bleibt es zumindest fraglich, wie lange sich diese Regelungen dieser für viele andere Sachverhalte bereits angewandten Interpretationsvariante noch erwehren können. Einer Übertragbarkeit dieses Interpretationsansatzes steht aus rechtlicher Sicht nichts Wesentliches entgegen.237 Doch m. E. ginge dieser Interpretationsansatz zu weit, da der AEUV keine Harmonisierungskompetenz für die direkten Steuern vorsieht und daher eine derart intensive Beförderung der Grundfreiheiten zu Beschränkungsverboten im Bereich der direkten Steuern über den gesetzlich verankerten Auftrag hinausschießt. Ein solcher Interpretationsansatz würde das Kernziel der Grundfreiheiten verfehlen und die nationalen Steuerrechtsordnungen überfordern. Daher ist für den Bereich des Steuerrechts eine Interpretation der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote abzulehnen. (3) Enge Auslegung von Rechtfertigungsgründen Trotz ihrer weiten Anwendung und Interpretation gelten die Grundfreiheiten jedoch nicht schrankenlos.238 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann einer nationalen Regelung, welche die Verfolgung eines mit dem AEUV in Einklang stehenden Ziels bzw. zwingende Gründe des Allgemeinwohls bezweckt, eine Einschränkung der Grundfreiheiten gestattet werden, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.239 So fordert die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Zusammenhang von einer in die Grundfreiheiten eingreifenden Maßnahme, dass sie zur Erreichung des fraglichen Ziels zumindest geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist.240

237 Kritisch zu einer derartigen Ansicht sind die Schlussanträge des GA Geelhoed v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz.  48 ff. 238 Etwa Wernsmann, EuR 1999, 754 (759). 239 EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Singer), EuGHE 1997, S. I-2629 ff., Rz. 26; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 33; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), EuGHE 2004, S. I-2409 ff., Rz. 35; Wernsmann/Nippert, FR 2005, 1123 (1128); Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (216). 240 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 33; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), EuGHE 2004, S. I-2409 ff., Rz. 49; EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 25; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 64. Siehe für diese Vorgehensweise auch die Schlussanträge des GA Geelhoed v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 60. Jarass, EuR 2000, 705 (721), merkt an, dass in den allgemeinen Formulierungen des EuGH meist nur von der Geeignetheit und Erforderlichkeit gesprochen wird. In der Sache sieht er aber als dritten Prüfungsschritt die Angemessenheit als nötig an.

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Hierzu nutzt der Europäische Gerichtshof die von ihm judizierten Rechtfertigungsgründe, welche er seit den Entscheidungen Dassonville241 und Rewe-Zentral-AG242– auch Cassis de Dijon genannt – entwickelt.243 Unter dem Begriff rule of reason bekannt geworden, ist seither klar, dass sich die Mitgliedstaaten insbesondere bei Beschränkungsverboten auf diese ungeschriebenen richterrechtlichen Ausnahmetatbestände berufen können.244 Umstritten ist jedoch weiterhin, ob bzw. inwieweit die Mitgliedstaaten auch bei offen oder verdeckt diskriminierenden Tatbeständen rechtfertigenden Bezug nehmen können.245 Stimmen in der Literatur erkennen die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten zum einen für mittelbare,246 aber auch für offene Diskriminierungen247 an. Diese richterrechtlich geprägten Ausnahmetatbestände stellen jedoch keinen geschlossenen, systematisierten Katalog geeigneter Rechtfertigungsgründe dar. Der Gerichtshof entwickelt diese ständig fort und zeigt sich im Zeitablauf auch unterschiedlich zugänglich für deren inhaltliche Interpretationen.248 Trotzdem geht aus der Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hervor, dass rein fiskalisch orientierte Begründungen nicht dafür geeignet sind, um einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu rechtfertigen.249 Dies gilt ebenso für Argumente, die ein staatliches Vorgehen mit der Verhinderung der Erosion der Steuerbasis begründen.250 Das gleiche Schicksal erleiden Rechtfertigungsversuche, die

241 Siehe EuGH v. 11.7.1974, Rs. 8/74 (Dasonville), EuGHE 1974, 837, 852 Rz. 6, wenn es heißt, dass „angemessene Mittel“ rechtfertigend wirken können. 242 EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Rewe-Zentral-AG), EuGHE 1979, 649 (662), Rz. 8. 243 EuGH v. 23.2.1988, Rs. 216/84 (Kommission/Frankreich), EuGHE 1988, Rz. 7; EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Singer), EuGHE 1997, S. I-2629 ff., Rz. 26; siehe hierzu auch Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rz. 481 ff., und Hahn, DStZ 2005, 507. 244 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 60 ff.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 833 ff. 245 Hahn, DStZ 2005, 507 (508) m. w. N. Siehe zur Beschreibung des Streits auch Corde­ wener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 63 ff. und S. 130 ff. 246 Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263 (267); Wernsmann, EuR 1999, 754 (762); Nowak/ Schnitzler, EuZW 2000, 627 (629); Hahn, DStZ 2005, 507 (509). 247 Andeutend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 150 ff.; klar verneinend Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 834. 248 Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 149; ähnlich auch Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 517. 249 Vgl. hierzu insbesondere die Rechtsprechung des EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), EuGHE 2004, S. I-7477 ff., Rz. 49 m. w. N. aber auch zuvor EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (Imperial Chemical Industries), EuGHE 1998, S. I-4695 ff., Rz. 29; EuGHE v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), EuGHE 1999, S. I-6161 ff., Rz. 51; EuGH v. 6.6.2000; Rs. C-35/98 (Verkooijen), EuGHE 2000, S. I-4071 ff., Rz. 59; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 (Metallgesellschaft), EuGHE 2001, S. I-1727 ff., Rz. 59 m. w. N.; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002 I-11802, Rz. 36; siehe hierzu auch Englisch, StuW 2003, 88 (95). 250 EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), EuGHE 1999, S. I-6166, Rz. 50; EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), EuGHE 2003, S. I-9409 ff., Rz. 20.

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auf eine unvollständige Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Steuersysteme251 oder auf Verwaltungsprobleme252 abstellen. Dementgegen erwiesen sich in den einschlägigen Verfahren zu den Regelungen zur Einschränkung missbräuchlicher Konzernfinanzierung insbesondere die Ausnahmetatbestände der Kohärenz253 des Steuersystems sowie der Missbrauchsvermeidung254 als denkbare Rechtfertigungen. (a) Kohärenz Die Kohärenz des Steuersystems konnte sich aufgrund der sehr engen und auf ein einzelnes Steuersubjekt bezogenen Betrachtung255 des Gerichtshofs im Zusammenhang mit nationalen Regelungen gegen missbräuchliche Konzernfinanzierung bisher nicht durchsetzen. Dies führte dazu, dass der Europäische Gerichtshof in den jeweiligen Regelungen stets keinen unmittelbar korrespondierenden Steuervorteil gegenüber dem zu erleidenden Steuernachteil erkannte.256 Daher konnte dieses Argument unter dem Aspekt der Verhinderung missbräuchlicher Konzernfinanzierung auch keiner tieferen Diskussion zugeführt werden,257 weshalb in diesem Zusammenhang die Absicht der Missbrauchsvermeidung bisher das meiste Gehör fand.258 251 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (Avoir Fiscal), EuGHE 1986, S. I-273 ff., Rz. 24; EuGH v. 13.12.2005, Rs. C-411/03 (Sevic), EuGHE 2005, S. I-10805 ff., Rz. 26. 252 EuGH v. 7.9.2006, Rs. C-470/04, EuGHE 2006, S. I-7409 ff., Rz. 51 ff. 253 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 20 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S.  I-2157 ff. 254 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 34 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 73; EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 27; siehe dazu auch EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (Imperial Che­ mical Industries), EuGHE 1998, S. I-4695 ff., Rz. 26; EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478–98 (Kommission/Belgien), EuGHE 2000, S. I-7587 ff., Rz. 37 ff.; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 (Metallgesellschaft), EuGHE 2001, S. I-1727 ff., Rz. 57. 255 Schön, IStR 2009, 882 (885). 256 Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 18. 257 GA Mischo, Schlussanträge v. 26.9.2002 in der Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), ­EuGHE 2002, S. I-11781 ff., Rz. 18, 86; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 19 ff., 39 ff.; Schlussanträge des GA Geelhoed v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 61, 85 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 66 ff. 258 GA Mischo, Schlussanträge v. 26.9.2002 in der Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), ­EuGHE 2002, S. I-11781 ff., Rz. 59, 91; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 17, 37; GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006, in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 62 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff.,

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(b) Missbrauchsvermeidung In ständiger Rechtsprechung wiederholt der Europäische Gerichtshof seine hohen Anforderungen an eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift, der eine Einschränkung der Grundfreiheiten gewährt werden könne. So verlangt der Gerichtshof für die Konzeption einer derartigen Norm dem nationalen Gesetzgeber eine hohe Treffgenauigkeit ab und zeigt sich somit besonders streng. Zwar betont der Europäische Gerichtshof den Grundsatz, nach dem eine missbräuchliche Ver­ lagerung von Unternehmensgewinnen innerhalb verschiedener Mitgliedstaaten von den Grundfreiheiten nicht gedeckt sei.259 Trotzdem fordert er, dass eine hierzu korrespondierende Gegenmaßnahme nur eine „rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion“260 treffen dürfe, die ausschließlich zum Zweck der Steuerumgehung errichtet worden sei. Zusätzlich habe eine entsprechende Regelung den Betroffenen auch eine Exkulpationsmöglichkeit zu gewähren.261 Diese hohen Anforderungen waren auch in der bisher ergangenen Recht­ sprechung zu nationalen Normen mit dem Ziel der Einschränkung missbräuchlicher konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung ersichtlich. So erkannte der Gerichtshof in der Rechtssache Lammers & Van Cleeff keine ausreichende Zielerfassung, da die belgischen Regelungen bereits aus der Tatsache des bestimmenden Einflusses eines gebietsfremd ansässigen Darlehensgebers und dem Überschreiten einer vordefinierten Grenze Missbrauch annahmen.262 Rz. 71 ff.; EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 1, 26 ff.; zu einer ähnlichen Gewichtung siehe Menck, in: Mössner et al., Steuer­recht international tätiger Unternehmen, Rz. A 50. 259 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-7995 ff., Rz. 35, 51; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 72 ff. 260 So z. B. EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE, S. I-2157 ff., Rz. 74 mit Verweis auf EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 55. 261 Beginnend mit EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (Imperial Chemical Industries), EuGHE 1998, S. I-4695 ff., Rz. 26; EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478–98 (Kommission/Belgien), EuGHE 2000, S. I-7587 ff., Rz. 45; EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2109 ff., Leitsatz Nr. 3, ebenso S. I-2157 ff., Rz. 71 ff.; EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 26. Weiterhin beschreibt der EuGH in Rz. 3 der Rs. Thin Cap Group Litigation, dass die Niederlassungsfreiheit Missbrauchsvermeidungsvorschriften nicht entgegenstehe, „wenn sie eine Prüfung objektiver und nachprüfbarer Umstände vorsehen, die die Feststellung erlaubt, ob eine rein künstliche Konstruktion zu ausschließlich steuerlichen Zwecken vorliegt, und dabei dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bieten – ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen –, ge­ gebenenfalls Beweise für die wirtschaftlichen Gründe für das Geschäft beizubringen“; vgl. in diesem Zusammenhang auch Breinersdorfer, StuW 2009, 212 (218), Kokott, FR 2008, 1041; dem folgend Hey, FR 2008, 1033 (1037). 262 EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 26 ff.; siehe auch Gordon/Montes Manzano, in: dies. (Hrsg.), Tiley & Collision’s UK Tax Guide 2010–11, S. 46.

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Ähnlich erging es der deutschen Regelung. In der Anknüpfung an das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital sah das Gericht keine ausreichende Treffgenauigkeit missbräuchlicher Gestaltungen.263 Selbst der Fremdvergleichsgrundsatz nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 KStG i. d. F. des StandOG war dem Europäischen Gerichtshof nicht ausreichend zielgenau und wurde ohne viel Beachtung abgelehnt.264 Ebenso untauglich war die Missbrauchserfassung der britischen Regelungen. Sie war nach Ansicht des Gerichtshofs zu pauschal, da sie zum einen lediglich auf gebietsfremde Darlehensgeber abstellte und gebietsansässige unangetastet ließ.265 Zum anderen erkannte das Gericht auch den Verweis auf den in der strittigen Regelung genutzten Fremdvergleichsgrundsatz nicht an, da dieser dem Steuer­ pflichtigen keine Exkulpationsmöglichkeit zugestand.266 Aus diesen Gründen qualifizierte der Gerichtshof den Eingriff aller drei genannten nationalen Missbrauchsbekämpfungsnormen in die Grundfreiheiten als ungerechtfertigt und somit europarechtswidrig, da diesen Missbrauchsbekämpfungsnormen lediglich eine zu allgemeine und nicht ausreichend treffgenaue Annahme von Missbrauch zugrunde gelegen habe.267 (c) Unterschiedliche Interpretation von Missbrauch Betrachtet man die oben angeführte Rechtsprechung, mit der der Europäische Gerichtshof nationale Missbrauchsvermeidungsnormen zur Einschränkung der Unterkapitalisierung in Deutschland, Großbritannien und Belgien verworfen hat, lassen sich erhebliche Differenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Vorstellungen von einer funktionierenden Missbrauchsvermeidungsvorschrift und den vom 263

EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002 I-11802 ff., Rz. 37 ff. So heißt es im Urteil des EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff. in Rz. 37: „Was insbesondere die Rechtfertigung mit der Gefahr einer Steuerumgehung betrifft, so ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung des deutschen Steuerrechts zu entgehen, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern generell jede Situation erfassen, in der die Muttergesellschaft – aus welchem Grund auch immer – ihren Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat. Eine solche Situation impliziert aber als solche nicht die Gefahr einer Steuerumgehung, da die betreffende Gesellschaft auf jeden Fall dem Steuerrecht des Staats unterliegt, in dem sie niedergelassen ist.“ 264 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002 I-11802 ff., Rz. 39 ff. 265 EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz.  71 ff. 266 Gordon/Montes Manzano, in: dies. (Hrsg.), Tiley & Collision’s UK Tax Guide 2010–11, S. 46. 267 Ähnlich auch EuGH v. 17.7.1997, Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), EuGHE 1997, S. I-4161 ff., Rz. 44; EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478–98 (Kommission/Belgien), EuGHE 2000, S. I-7587 ff., Rz. 45.

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Europäischen Gerichtshof für europarechtskonform angesehenen Maßnahmen erkennen. Dem mitgliedstaatlichen Unverständnis, welches durch die vom Europäischen Gerichtshof postulierten hohen Anforderungen für Missbrauchsvermeidungsvorschriften hervorgerufen wird, liegt wohl schlicht die Tatsache eines weitgehend unterschiedlichen Verständnisses von Missbrauch zugrunde. So beabsichtigen die Mitgliedstaaten insbesondere die Sicherstellung des von ihnen für inländisch erklärten Steuersubstrats und erkennen Missbrauch regel­ mäßig in grenzüberschreitenden Gestaltungen, die ihnen dieses Steuersubstrat entziehen können. Diese Perspektive nennt der Europäische Gerichtshof nicht sein Eigen. Ganz im Gegenteil ist für ihn die Nutzung des innereuropäischen Steuergefälles gerade Ausdruck eines funktionierenden Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten, welcher bei der Herstellung eines funktionierenden Binnenmarkts als schützenswerte Komponente zu erachten ist.268 Die unterschiedlichen Ansichten beruhen in der unterschiedlichen Zielsetzung und dem unterschiedlichen Blickwinkel beider Parteien. Dies lässt sich am besten veranschaulichen, wenn man die Missbrauchstatbestände in subjektive und objektive Komponenten aufteilt. Der Ansicht der Mitgliedstaaten und der des Europäischen Gerichtshof ist gemein, dass missbräuchliches Handeln ein subjektives Streben nach Steuervorteilen voraussetzt. Was die Beurteilung der objektiven Komponente betrifft, entzweit sich diese Gemeinsamkeit aber bereits. So stellen die Mitgliedstaaten meist höhere Anforderungen an die objektive Komponente eines Missbrauchstatbestands,269 wohingegen der Europäische Gerichtshof das objektive Element eines Missbrauchstatbestands erst dann als erfüllt ansieht, wenn der Ausschluss jeglicher wirtschaftlichen Realität270 vorliegt. Gemeint sind damit z. B. das Nichtvorliegen einer tatsächlichen Ansässigkeit oder das Fehlen irgendeiner wirtschaftlichen Tätigkeit im anderen Mitgliedstaat.271 In dieser Konsequenz umfasst der vom Europäischen Gerichtshof definierte Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit somit auch weite Teile der national bereits als missbräuchlich eingestuften Sachverhalte. Denn entgegen der Ansicht der Mitgliedstaaten nimmt der Europäische Gerichtshof bisher nur lediglich rein künstliche und extrem realitätsferne Konstruktionen wie Briefkasten- oder Strohfirmen von der Schutzwirkung der Niederlassungsfreiheit aus, da diese sowohl subjektiv als auch objektiv lediglich auf Steuerumgehung ausgerichtet seien.272 268 Siehe z. B. EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 53; GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 63; vgl. hierzu auch Kokott, FR 2008, 1041. 269 Siehe dazu die obigen Ausführungen zu den EuGH-Urteilen in den Rechtssachen Lankhorst-Hohorst, Lammers & Van Cleeff sowie Thin Cap Group Litigitation. 270 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 64. 271 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 54. 272 Siehe hierzu Hey, StuW 2008, 167 (178).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

(d) Kritik Diese Rechtsprechungspraxis ist insbesondere für ihre enge Auslegung der Erforderlichkeitsprüfung zu kritisieren. So erkennt sie Maßnahmen der grenzüberschreitenden Missbrauchsbekämpfung weiterhin lediglich nur dann als europarechtskonform an, wenn sie ausschließlich künstliche Gestaltungen betreffen, ihre Existenz nicht mit wichtigen außersteuerlichen Gründen einhergehen und dem Betroffenen eine Exkulpationsmöglichkeit gewähren.273 Die Einwände gegen eine solche enge Auslegung erforderlicher Gegenmaß­ nahmen zielen auf die praktische Umsetzung der vom Gerichtshof formulierten Anforderungen ab. Neben der Schwierigkeit, rein künstliche Gestaltungen offen zu legen, gestaltet es sich auch als höchst kompliziert, die Anforderung einer (absoluten) Treffgenauigkeit missbräuchlicher Gestaltungen herzustellen. Zwar wird dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang von einzelnen Stimmen ein gewisser typisierender Gestaltungsspielraum zuerkannt, solange und soweit (noch) nicht von einer Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Steuersysteme ausgegangen werden kann.274 Andere Stimmen sprechen in diesem Zusammenhang jedoch von einem „Typisierungsverbot“275. Mit diesem Postulat degenerierten üblicherweise allgemein geltende Vorschriften aber zu Einzelfallregelungen, die mit dem ständigen Wechsel missbräuchlicher Gestaltungen ihren Anwendungsbereich verlieren könnten und daher zugleich neu definiert werden müssten. Ein hieran anschließender weiterer Kritikpunkt entspinnt sich aus der Möglichkeit für Unternehmen, sich bereits mit verhältnismäßig wenig Aufwand bzw. mit der Nennung wichtiger außersteuerlicher Gründe einer Missbrauchsvermutung zu entziehen. So bedarf es im Ergebnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lediglich der Nennung eines wichtigen außersteuerlichen Grundes oder des Nachweises einer (bereits geringen) Geschäftstätigkeit im Ausland, um das Vorliegen einer verdächtigen, rein künstlichen Konstellation auszuschließen. Mit einer solch geringen Schwelle enden aber auch treffgenaue Missbrauchsvermeidungsvorschriften im Ergebnis in der Bedeutungslosigkeit, da sie nach Belieben umgangen werden können.276 273 EuGH v. 17.7.1997, Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), EuGHE 1997, S. I-4161 ff., Rz. 44; EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478–98 (Kommission/Belgien), EuGHE 2000, S. I-7587 ff., Rz. 45; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 38; EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 25; Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 559. 274 Etwa Kokott, FR 2008, 1041; ähnlich auch in ihrer Funktion als Generalanwältin in den Schlussanträgen v. 10.9.2009 in der Rs. C-311/08 (Société de Gestion Industrielle), BeckRS 2009, 70977. 275 Musil, DB 2009, 1037; dem folgend Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (216). 276 Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (218), nennt hierzu den geringen Aufwand an Perso­ nal, um z. B. eine wirtschaftliche Tätigkeit zu fingieren; ebenso Waldens/Sedemund, IStR 2007, 450.

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Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts­ hofs in diesem Zusammenhang bisher auch keine klare Vorgehensweise erkennen lässt, die dem nationalen Gesetzgeber verdeutlicht, auf genau welche Gründe er abzustellen habe, um eine Beeinträchtigung der Marktfreiheiten zu rechtfertigen.277 Im Umkehrschluss ist damit zu konstatieren, dass die Europarechtskonformität erst dann hergestellt ist, wenn es sich um einen diesbezüglichen Missbrauch von Stroh- und Briefkastenfirmen278 handelt und ein solcher festgestellt worden ist.279 Ob dies dann auch zur wirksamen Bekämpfung von Missbrauch aus nationaler Sicht beitragen kann, darf bezweifelt werden. (4) Tendenzen zu einem erweiterten Verständnis In der Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist neben der zuvor beschriebenen weiten Auslegung der Grundfreiheiten und engen Zulassung von Rechtfertigungsgründen aktuell aber auch eine Tendenz zur Locke­r ung zu erkennen. Hierzu zählt neben einer Erweiterung von anerkannten Rechtfertigungsgründen insbesondere eine probatere Auslegung des Missbrauchsbegriffs.

277 Vgl. Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 149; Kokott, FR 2008, 1041 (1042). Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (214), führt dieses Problem auf die besondere Urteils­tradition des EuGH zurück. Diese sei von der Gegensätzlichkeit geprägt, dass dessen Judikation eher dem angelsächsischen Case-Law nahestehe und damit eine stark fallbezogene Rechtsprechung vorherrsche. Deshalb bette das Gericht den zu beurteilenden Fall in der Regel nicht in das rechtliche Gesamtgefüge ein. Zugleich sei der Gerichtshof aber nicht in erster Linie der vorherigen Rechtsprechung, sondern dem AEUV als Rechtsquelle verpflichtet. Konsequenz für die Mitgliedstaaten sei, dass EuGH-Urteile einen starken Einzelfall­charakter hätten und sich hierdurch nur schwerlich eine Prognose für die zukünftige Rechtsprechungs­linie ableiten lasse, ggf. könnten sie sogar Widersprüchlichkeiten hervorrufen. Siehe grundsätzlich zu Case- bzw. Common-Law-Strukturen Baker, The Common Law Tradition, S. 107 ff., sowie Baudouin, Das Common-Law System, S. 1 ff. Ähnlich auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 338, wenn er schreibt, dass der EuGH eher „eklek­tisch“ vorgehe als „axiomatisch“. Dem kann entgegengehalten werden, dass wohl auch die im AEUV (schriftlich) recht kurz gehaltenen, nicht subsumptionsfähigen Grundfreiheiten kaum eine klare Linie vorgeben und dadurch eine richterrechtliche Entfaltung geradezu erzwingen. Siehe hierzu analog die Ausführungen von Honsell, ZIP 2009, 1689 (1690 ff.) mit Bezug zur Grundrechtsrechtsprechung des BVerfG, welches sich ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt sieht. 278 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 68; mit Verweis auf EuGH v. 2.5.2006, Rs. C-341/04 (Eurofoods IFSC), EuGHE 2006, S. I-3813 ff., Rz. 34 f. 279 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 68 mit Verweis auf EuGH v. 2.5.2006, Rs. C-341/04 (Eurofoods IFSC), EuGHE 2006, S. I-3813 ff., Rz. 34 f.; siehe hierzu auch Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (216).

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(a) Erweiterter Katalog geeigneter Rechtfertigungsgründe Neben der strikten Auslegung der Grundfreiheiten sind zuletzt aber auch Tenden­zen zu einer Erweiterung bei der Anerkennung von Rechtfertigungsgründen für Grundfreiheitseinschränkungen ersichtlich.280 So erkannte der Europäische Gerichtshof im Urteil Marks & Spencer281 einen weiteren speziellen Rechtfertigungsgrund als geeignet an.282 Bei dieser Rechtssache ging es im Kern um die Ablehnung eines Antrags auf steuerlich entlastende Berücksichtigung von Verlusten einer im mitgliedstaatlichen Ausland ansässigen Tochtergesellschaft bei ihrer im Vereinigten Königreich ansässigen Muttergesellschaft. Nach Ansicht des Klägers führe dies zu einer Ungleichbehandlung, die u. a. mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar sei, da ja für eine gebietsansässige Tochtergesellschaft eine derartige Verlustverrechnung beim Mutterunternehmen erlaubt wäre. Als einen der Gründe für ihr Vorgehen nannte das Vereinigte Königreich die „ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“.283 Dieses Argument, welches auf die grundsätzliche Souveränität der Staaten in Bezug auf die örtliche und per­ sonelle Allokation der Besteuerungshoheit rekurriert, erkannte der Europäische Gerichtshof als möglichen Rechtfertigungsgrund an. Hierbei führte er aus, dass es ansonsten der Muttergesellschaft überlassen sei, in welchem Land der (steuermindernde) Verlust geltend gemacht werde.284 Da hiervon regelmäßig die höher besteuernden Staaten belastet seien, könne eine solche Wahlmöglichkeit zu Verzerrungen in der Aufteilung des Besteuerungssubstrats führen. Für die nicht nur vorübergehende Akzeptanz dieses Rechtfertigungsgrunds spricht auch, dass er im Fall Cadbury Schweppes herangezogen wurde. So beschrieb die Urteilsbegründung „Verhaltensweisen [, die] das Recht der Mitglied­ staaten in Gefahr bringen, ihre Steuerzuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben, und so die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten be­ einträchtigen“,285 als nicht von den Grundfreiheiten geschützt. Die hierauf ant 280 Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 113, Rz. 58; ders., in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (84); M. Lang, EC Tax Review 2009, 98 ff.; dem folgend Schön, IStR 2009, 882 (883); ähnlich auch Musil, DB 2009, 1037 (1041). Siehe hierzu auch allgemein EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 (Lidl/Belgium), EuGHE 2008, S. I-3601 ff., Rz. 40 f.; EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 (Oy AA) EuGHE 2007, S. I-6373, Rz. 60; EuGH v. 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), EuGHE 2005, S. I-10837 ff., Rz. 51. 281 EuGH v. 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), EuGHE 2005, S. I-10837 ff. 282 Hey, FR 2008, 1033 (1037); Musil, DB 2009, 1037. 283 EuGH v. 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), EuGHE 2005, S. I-10837 ff., Rz. 45. 284 EuGH v. 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), EuGHE 2005, S. I-10837 ff., Rz. 46. 285 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 56 [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.].

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wortenden Maßnahmen könnten somit u. U. Eingriffe in die Grundfreiheiten rechtfertigen. Auch bei dem von der deutschen Bundesregierung unterstützten Verfahren in der Rechtssache Thin Cap Group Litigation stellte die Regierung des Vereinigten Königreichs auf die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungshoheit als expliziten Rechtfertigungsgrund ab.286 Schlussanträge und Urteilsbegründung setzten sich daher mit der Frage auseinander, ob die problematisierte Regelung des britischen Unternehmensteuerrechts gegen Unionsrecht verstoßen könne, wenn die Aufteilung der Steuerhoheit doch vom jeweiligen Abkommensrecht gedeckt sei. Einmütig äußerten sich Generalanwalt und Gerichtshof, dass die britischen Regelungen, die eine Umqualifizierung oder die Nichtabzugsfähigkeit von Zinsentgelten hervorriefen, aufgrund ihrer Einseitigkeit eher den Charakter eines unilateralen als den eines bilateralen Abkommens aufwiesen.287 Deshalb waren die britischen Regelungen zur Unterkapitalisierung nicht mit dem Argument der Aufteilung der Besteuerungshoheit zu schützen. Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang daher, inwieweit Unterkapitalisierungsnormen überhaupt einen Beitrag zur Aufteilung der Besteuerungshoheit leisten können, besteht hierin doch viel eher eine inhaltliche Ausgestaltung der bereits bestehenden Steuerhoheit als eine Zuordnung von Besteuerungsrechten.288 In dem später folgenden und bisher jüngsten Urteil zu einer Unterkapitalisierungsregelung, dem Fall Lammers & Van Cleeff, rechtfertigte Belgien seine Missbrauchsvermeidungsregelung lediglich mit dem Argument der Missbrauchsvermeidung. Daher konnte der Europäische Gerichtshof keine weitere Stellungnahme zum Rechtfertigungsgrund der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis abgeben.289 Es ist abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Punkt weiterentwickeln wird. (b) Andeutung einer praktikableren Auslegung der Erforderlichkeit Nachdem der Europäische Gerichtshof den Katalog der für geeignet er­klärten Rechtfertigungsgründe erweitert hatte, legte er auch die Erforderlichkeitsprüfung großzügiger aus und bewirkte damit insgesamt eine Lockerung des strengen Korsetts der bisherigen Rechtsprechung. Dies ist gerade in Bezug auf die Definition 286 EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz.  49 ff. 287 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 52 ff.; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 50 ff. 288 Kritisch hierzu auch Schön, IStR 2009, 882 (886). 289 EuGH v. 17.1.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleeff), EuGHE 2008, S. I-176 ff., Rz. 26.

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von Missbrauch zu erkennen und bisher nur am Urteil Thin Cap Group Litigation festzumachen. Zwar wiederholte der Europäische Gerichtshof hinsichtlich der Rechtssache Lankhorst-Hohorst sein traditionelles Missbrauchsbild mit der Formulierung, dass eine europarechtstaugliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift nur rein künstlich steuerumgehende Konstruktionen erfassen dürfe.290 Aber selbst wenn der Gerichtshof in seinen Urteilsbegründungen zu den bisher entschiedenen Unterkapitalisierungsregelungen stets die gleiche Bezeichnung für die europarechtskonforme zielgerichtete Erfassung eines erforderlichen Eingriffs nutzt, liegt darin doch Unterschiedliches zugrunde. In der Rechtssache Lankhorst-Hohorst begründete bereits die Existenz eines Darlehens zur Sanierung den Ausschluss der Künstlichkeit,291 womit dem Mitgliedstaat noch kein anerkannter Maßstab zur europarechtskonformen Erstellung einer Missbrauchsnorm an die Hand gegeben war. Auch wurde das Argument der deutschen Regierung, dass die damalige Regelung des § 8a KStG a. F. dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz gerecht werde, nur wenig beachtet.292 In der Rechtssache Thin Cap Group Litigation wollen Generalanwalt und Gerichtshof die Trennschärfe zwischen künstlichen und nicht künstlichen Konstruktionen nun erneut über den Fremdvergleichsgrundsatz293 (arm’s lenght principle) herstellen und widmen diesem daher deutlich mehr Beachtung. Der Hintergrund für diese Modifikation kann nach Ansicht des Europäischen Gerichtshof in einer Situation gesehen werden, die von Generalanwalt Geelhoed als „Anathema des Binnenmarktes“294 bezeichnet wurde und um sich greife. Diese Situation zeichne sich dadurch aus, dass bisher vielen Mitgliedstaaten ihre ehemals auf den grenznormen aus überschreitenden Sachverhalt wirkenden Missbrauchsvermeidungs­ Furcht vor einer Europarechtswidrigkeit und mangels eines europarechtskonformen Maßstabs auf eigentlich unproblematische Inlandssachverhalte ausgedehnt haben bzw. ausdehnen.295 Der dadurch entstehenden und von allen Seiten ungewollten Behinderung der optimalen Allokation der Ressourcen im Binnenmarkt soll mit der Heranziehung des Fremdvergleichsgrundsatzes nun Einhalt geboten werden. 290 EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz.  79 ff. 291 GA Mischo, Schlussanträge v. 26.9.2002 in der Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11781 ff., Rz. 92; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 38. 292 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz.  39 ff.; Schön, IStR 2009, 882 (886). 293 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 65; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 80. 294 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 68 ff. 295 Siehe hierzu Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 1, der diese Reaktion als bedauerlichen, aber auch einzigen europarechtskonformen Ausweg aus der engen Rahmensetzung des EuGH erkennt.

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Als neuer Maßstab soll also wohl nun der auch über Art. 9 OECD-MA international anerkannte Fremdvergleichsgrundsatz dienen, der als objektives Vergleichsinstrument hilfreich sein könnte.296 Hierbei wendet der Europäische Gerichtshof sein Verständnis vom Fremdvergleich aber nicht nur – wie üblich – auf den neutralen Dritten an, sondern es gilt, diesen Ansatz zusätzlich zu verfeinern. Denn es darf bezüglich des fraglichen Missbrauchsmoments z. B. nicht nur die Frage gestellt werden, ob ein unabhängiger Dritter Fremdkapital zu Verfügung gestellt hätte oder nicht. Es sollte viel eher gefragt werden, ob Fremd- statt Eigen­kapital auch von einem vernünftig handelnden und steuerunmotivierten Gesellschafter gewährt worden wäre.297 In den Fremdvergleichsgrundsatz würde damit eine situa­tionsbedingte Komponente einziehen, die dem Gesetzgeber, aber auch dem Steuer­pflichtigen als Orientierungspunkt dienen könnte.298 (5) Zwischenergebnis Die vorherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, wie sehr das deutsche Steuerrecht unter dem Einfluss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof steht. Hierbei ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf die direkten Steuern und deren großer Ausstrahlungskraft in alle Bereiche des Binnenmarkts ein breiter Anwendungsbereich, dem sich zu entziehen, für den Gesetzgeber unmöglich ist. Aus der Kombination aus weiter Interpretation der Grundfreiheiten und enger Zulassung von national vorgebrachten Einwänden, die einen Eingriff in die Grundfreiheiten zu rechtfertigen versuchen, ergeben sich starke Auswirkungen auf die Steuerrechtsordnung Deutschlands. Insbesondere bei Normen zur Bekämpfung missbräuchlicher Konzernfinanzierung wendet der Europäische Gerichtshof bisher eine sehr strikte Herangehensweise an und schloss lediglich rein künstliche Konstruktionen, die bar jeder Realität ausnahmslos der Steuerersparnis dienten, vom Schutzbereich der Grundfreiheiten aus. Hierbei erachtete das Gericht bereits geringe Nachteile als tatbestandsmäßig, die aus dem grenzüberschreitenden Wirtschaften zwischen weitgehend nicht harmonisierten Rechtssystemen entstehen. So nahm der Europäische Gerichtshof selbst bei mittelbaren Benachteiligungen einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten an.299

296

Siehe hierzu auch Schön, IStR 2009, 882 (887). Schön, IStR 2009, 882 (888) mit Bezug auf EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2157 ff., Rz. 80 f. 298 Zur weiteren Fruchtbarmachung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH mit Bezug auf Transfer Pricing siehe Schön, IStR 2011, 777 ff. 299 So auch Axer, in: Fuest/Nettesheim/Scholz (Hrsg.), Lissabon-Vertrag: Sind die Weichen richtig gestellt?, S. 170 (172) ebenso Menck, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. A 50. 297

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

In der Folge führt eine allzu extensive Auslegung der Grundfreiheiten gerade bei grenzüberschreitenden Missbrauchsvermeidungsvorschriften dazu, dass international tätigen Unternehmen zu große Gestaltungsspielräume eröffnet worden sind.300 Hintergrund hierfür ist die Schwere der Beweislast, dass von Unternehmen gewählte Strukturen rein künstlicher Natur sind und im Gegenzug mit geringem Aufwand vom Europäischen Gerichtshof anerkannte Ausschlussgründe für Missbrauch geschaffen werden können.301 Um diesen Konflikt zu vermeiden, reagiert die Gesetzgebungsspraxis häufig so, dass sie die bisher grundsätzlich auf grenzüberschreitende Fälle ausgerichteten Missbrauchsvermeidungsvorschriften nun auch auf rein nationale Sachverhalte ausdehnt.302 Dies mindert die Zielgenauigkeit einer derartigen Regelung und führt ungewollt zu einem (zu) weiten Anwendungsbereich, welcher die optimale Allokation der Ressourcen im Binnenmarkt behindert.303 Diese Bedenken scheinen bereits vom Europäischen Gerichtshof vernommen worden zu sein, ist in seiner jüngeren Rechtsprechung doch zu erkennen, dass er in die nationale Besteuerungshoheit etwas vorsichtiger eingreift. M. Lang fragte sogar schon, ob der Motor der Integration ins „Stottern“ geraten sei.304 Mit Bezug auf grenzüberschreitende Missbrauchsvermeidungsvorschriften sind gerade aus der Rechtsprechung im Fall Thin Cap Group Litigation zur britischen Unter­ kapitalisierungsregelung hoffnungsgebende Ansätze zu einer Abkehr von einem sehr engen Verständnis des Missbrauchbegriffs ersichtlich. Das bisher grundverschiedene Verständnis des Europäischen Gerichtshofs und der Mitgliedstaaten bezüglich der Missbrauchserkennung könnte sich hierdurch ein wenig angleichen, da der Gerichtshof unter Einfluss des Generalanwalts Geelhoed bei der Definition von Missbrauch dem Fremdvergleichsgrundsatz mehr Anerkennung gewährt. Ob sich diese neue Interpretation hinsichtlich „künstlicher“ Gestaltungen aber auch in der zukünftigen Rechtsprechung festsetzen können wird, ist noch offen. Etwas getrübt wird diese Entwicklung durch die vom Generalanwalt trotz Nutzung des Fremdvergleichsgrundsatzes angemahnte Zulassung einer Exkulpationsmöglichkeit. Mit dieser soll die Künstlichkeit konzerninterner Fremdkapitalfinanzierungen über die Nennung wichtiger außersteuerlicher Gründe widerlegbar sein.305

300

Ähnlich Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (887). Waldens/Sedemund, IStR 2007, 450; Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (218). 302 Vgl. etwa Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 520; Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 1. 303 Ähnlich auch Axer, in: Fuest/Nettesheim/Scholz (Hrsg.), Lissabon-Vertrag: Sind die Weichen richtig gestellt?, S. 170. 304 M. Lang, SWI 2005, 365. 305 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 67 ff. 301

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c) Ergebnis zum europarechtlichen Einfluss Mit Bezug auf die europaweite Konzernfinanzierung ist, was den aktuellen Stand der europarechtlichen Harmonisierung angeht, festzustellen, dass die Transaktion konzerninterner Finanzierungsentgelte steuerlich erleichtert worden ist. Im Gegenzug gibt es bisher aber keine europarechtliche Maßnahme, die sich gegen die hierdurch mögliche missbräuchliche Buchgewinnverlagerung wendet. Durch die lediglich partielle Harmonisierung der direkten Steuern besteht daher eine Schieflage bei der Besteuerung europaweiter Konzernfinanzierung zuungunsten Deutschlands. Die für die Änderung dieser Situation nötige Hürde der Einstimmigkeit im Rat ist so hoch, dass sie wohl nicht genommen werden kann, womit das Bestehen dieser Schieflage erst einmal als grundsätzlich unveränderbar anzunehmen ist.306 Hier greift die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein. Die weite Auslegung der Grundfreiheiten fördert ein bewusstes Ausnutzen dieser Schieflage, wenn Mitgliedstaaten bei der Konzeption ihrer Vorschriften gegen Buchgewinnverlagerungen über konzerninterne Finanzierungsstrukturen hohen legislativen Hürden unterworfen werden. Vor diesem Hintergrund ist es für die Mitgliedstaaten sehr schwer, europarechtstaugliche und aus ihrer Sicht trotzdem wirksame Missbrauchsnormen zu entwickeln. 4. „Wettbewerb“ der Steuerrechtsordnungen a) Steuerpolitischer Rahmen und privatwirtschaftliches Kalkül In der Konsequenz wirken die mangelnden Harmonisierungsfortschritte der europäischen Steuerrechtsordnungen geradezu belebend auf den europäischen „Wettbewerb“307 um Buchgewinne bzw. Besteuerungssubstrat. Daher ist es nur verständlich, dass die Harmonisierung der nationalen Steuerrechtsordnungen negativ mit dem Wettbewerb der mitgliedstaatlichen Steuersysteme korreliert oder, mit anderen Worten, ein geringer Stand an Harmonisierung einen intensiven Wettbewerb der Steuersysteme hervorruft.308 Zu den oben beschriebenen steuerlichen Erleichterungen des konzerninternen Kapitalverkehrs tritt hinzu, dass in der gegenwärtigen Globalisierung der Wirtschaft Kapital sehr viel mobiler ist als andere Produktionsfaktoren.309 Aufgrund 306

Spengel zitiert von Haarmann, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 63. Zur Kritik an dem Begriff des „Wettbewerbs“ siehe Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 15. Gegen den Gebrauch dieses Begriffs führt er insbesondere ins Feld, dass die Begrifflichkeit „Wettbewerb“ einen „Markt der Staaten“ voraussetze. Da es einen solchen nicht gebe, bevorzuge er in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Anpassungsdruck“. 308 Ähnlich Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (208, 225). 309 Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1999–2000, 1573 (1575). 307

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

technischer Neuerungen und des Abbaus von Kapitalverkehrsbeschränkungen ist Kapital binnen kurzer Zeit weltweit transferierbar. Auf diese steuerpolitischen und technischen Rahmenbedingungen trifft das privatwirtschaftliche Kalkül der Gewinnmaximierung. Hierbei spielt insbesondere die von grenzüberschreitenden Konzernen beabsichtigte optimale örtliche Allokation der Finanzressourcen eine wichtige Rolle.310 Da auch Steuerzahlungen den Charakter von Kosten311 haben, sind sie möglichst zu begrenzen. Dieser Ansatz spiegelt die Unabhängigkeit der Nutzung der steuerfinanzierten In­frastruktur – wie u. a. Verkehrsnetz, Marktbereitstellung, Rechtssystem oder innere Sicherheit – von der Höhe der abgeführten Steuern wider.312 Aufgrund dieses sogenannten Nonaffektationsprinzips haben Konzerne die Bereitstellung des zu ihrer Tätigkeit notwendigen staatlichen Angebots nicht in ihr direktes Kostenkalkül einzubeziehen und können trotz Minimierung ihrer Steuerabgaben das staatliche Angebot als gegeben annehmen.313 Einen großen Beitrag zur Messung der Steuerlast leistet die sogenannte Konzernsteuerquote.314 Diese aus der handelsrechtlichen Datengrundlage errechnete Kennzahl gibt Auskunft über das Verhältnis der (Ertrag-)Steuerbelastung zum Vorsteuergewinn des Gesamtkonzerns.315 Mit dem unternehmerischen Ziel der Gewinnmaximierung geht daher auch das Streben nach einer möglichst geringen Konzernsteuerquote einher.316 Aus diesem Grund versucht der Steuerpflichtige, seinen relativen Steuerbarwert zu minimieren.317

310

Pfeifer, Steueroptimale Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft, S. 1. Engels, WPg 1962, 553 (558); Schwenke, BB 1998, 2604 (2605). 312 So auch Schön, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (201 f., 220). Zur Bedeutung der steuer­ finanzierten Infrastruktur siehe Lehner, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 (265), sowie Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 9; ders., in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (878). 313 Walzer, StuW 1986, 201 ff.; Zielke, DB 2007, 2781 (2785). 314 IAS 12.86 definiert die Konzernsteuerquote als Quotienten aus der Summe aus dem tatsächlichen bzw. latenten Steueraufwand und dem Konzernergebnis vor Ertragsteuern. Zur Wichtigkeit der Konzernsteuerquote siehe Mammen, Die Konzernsteuerquote als Lenkungsinstrument im Rahmen des Risikomanagementsystems börsennotierter Muttergesellschaften, oder Endres, in: PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), 50 Musterfälle zum internationalen Steuer­ recht, S. 11. 315 Hierzu m. w. N.  Zielke, DB 2006, 2585 ff. 316 Siehe hierzu auch die Ausführungen von Di Fabio, JZ 2007, 749 (754), zum Steuerwettbewerb und zur Wichtigkeit der Steuerbelastung im wirtschaftlichen Kalkül. 317 Kessler/Knörzer, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 161 (162). 311

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b) Unterschiedliche Ertragsteuerbelastung und staatliches Kalkül Auf fruchtbaren Boden trifft diese Herangehensweise, weil ein innereuropäischer „Wettbewerb“ bzw. „Anpassungsdruck“ der Steuerrechtsordnungen be­ steht,318 der darauf beruht, dass die Ertragsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften in den europäischen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist. So ist derzeit in 20 der 27 Mitgliedstaaten der EU eine unterschiedliche kombinierte Ertragsteuerbelastung festzustellen.319 Hierbei besteht eine Spanne von ca. fünf v. H. bis 35  v. H.320 Erschwerend kommt hinzu, dass ein großer Teil der Mitgliedstaaten seine Ertragsteuersätze in den letzten Jahren erneut gesenkt und keiner diese erhöht hat.321 Auch Deutschland hat seit dem Jahr 1982 seine nominelle Ertragsteuerbelastung für Kapitalgesellschaften bis heute mehr als halbiert und damit seine tariflichen Steuersätze innerhalb der EU in absoluter Hinsicht am deutlichsten gesenkt.322 In diesen Hintergrund ist daher auch die Unternehmensteuerreform 2008 in Deutschland einzuordnen. Der Gesetzgeber senkte insbesondere mit den vorgenommenen Änderungen am Körperschaftsteuersatz die kombinierte Ertragsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften und setzte damit seine Steuersatzsenkungen konsequent fort. Aber trotz dieser Anstrengungen ist es Deutschland nur schwerlich möglich, in einen ähnlichen steuerlichen Tarifbereich vorzudringen, wie es gerade in den jüngeren Mitgliedsländern der EU der Fall ist. Die in Deutschland vorgenommene Senkung der kombinierten Ertragsteuerbelastung bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage folgt einem unter dem damaligen amerikanischen Präsidenten Reagan im Jahr 1986 eingeführten und mittlerweile weitverbreiteten internationalen Grundsatz der Steuerpolitik.323 Doch auch die jüngsten Anstrengungen zur Steuersatzsenkung seitens des deutschen Steuergesetzgebers führten aus deutscher Sicht bisher nicht dazu, dass eine Steuersubstratsverschiebung in andere Länder uninteressant wäre.324 So hat Deutschland mit 30,9 v. H. die vierthöchste kombinierte Ertragsteuerbelastung 318 Zur Herkunft dieses Begriffpaars siehe Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (884 f.). 319 Zielke, StuW 2009, 63 (68). 320 Zielke, StuW 2009, 63 (68). 321 Zielke, DB 2007, 2781 (2784 f.), nennt elf von 27 EU-Staaten, die die Steuern gesenkt haben. Damit haben ca. 40 v. H. der EU-Mitgliedstaaten zwischen Dezember 2006 und Anfang 2008 eine Senkung der Ertragsteuerbelastung vorgenommen. Hierzu zählen die Länder Estland und Litauen (je -1,0 PP), Dänemark und Slowenien (je -3,0 PP), Griechenland (-4,0 PP), die Niederlande (-4,1 PP), Spanien und Bulgarien (je -5,0 PP), Italien (-5,9 PP), Deutschland (-8,5 PP) und Malta (-30,0 PP bei Ausschüttung). 322 Spengel, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 41 (42). 323 Schwenke, BB 1998, 2604 (2605); J. Lang, StuW 2007, 3 (7); Schön, FAZ v. 15.3.2007, S. 12; siehe auch BT-Drs. 16/4841, S. 51. 324 Im Ergebnis ebenso Schreiber/Overesch, DB 2007, 813 (830), sowie Spengel, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 41 (47).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

innerhalb der Europäischen Union und ist damit weiterhin als Hochsteuerland anzusehen.325 Nominell höher belastet sind Unternehmen lediglich in anderen Gründungsstaaten der EU. Hierzu zählen Frankreich mit einem Satz von 34,4 v. H., Belgien mit 34,0 v. H. und Italien mit einer kombinierten Ertragsteuerbelastung von 31,4 v. H. Im Vergleich zu den meist jüngeren und niedriger besteuernden Mitgliedsländern mit einer Belastung von zehn v. H. wie Bulgarien und Zypern oder Malta mit fünf v. H. (bei Ausschüttung) besteht damit ein deutliches Steuerbelastungsgefälle zuungunsten Deutschlands. Diese großen Belastungsdifferenzen sind aber nicht nur das Ergebnis historisch gewachsener Zusammenhänge oder unterschiedlicher staatlicher Leistungs­ angebote. Ziel einzelner Mitgliedstaaten ist es vielmehr auch, mit einem im internationalen Vergleich niedrigen Steuersatz ausländisches Kapital zu attrahieren326 und bereits im Inland befindliches zu halten.327 Hintergrund dieser Herangehensweise ist neben einer freien Standortwahl der Unternehmen auch die Erkenntnis, dass grenzüberschreitend agierende Konzernunternehmen einen wesentlichen Einfluss auf die örtliche Allokation ihres Steuersubstrats haben können.328 Dies ermöglicht es ihnen, (direkt) mitentscheiden zu können, in welchem Land der steuer­ bare Gewinnausweis stattfindet.329 Die sinkenden steuerlichen Tarifbelastungen zeigen sich damit als Konsequenz eines europäischen „Steuersatzwettbewerbs“ um Besteuerungssubstrat, denn im Gegensatz zu anderen wichtigen Investitionsfaktoren wie Lage, Infrastruktur oder 325 So errechnet Zielke, StuW 2009, 63 (68), kombinierte Ertragsteuersätze für die 27 EULänder im Veranlagungszeitraum 2008: Frankreich 34,4 v. H., Belgien 34,0 v. H., Italien 31,4 v. H., Deutschland 30,9 v. H., Spanien 30 v. H., Luxemburg 29,7 v. H., Großbritannien und Schweden je 28,0 v. H., Finnland 26,0 v. H., Niederlande 25,5 v. H., Österreich, Dänemark, Portugal und Griechenland je 25,0 v. H., Slowenien 22,0 v. H., Estland und Tschechien je 21,0 v. H., Ungarn 20,0 v. H., Polen und Slowakei je 19 v. H., Litauen 18,0 v. H., Rumänien 16,0 v. H., Lettland 15,0 v. H., Irland 12,5 v. H., Zypern und Bulgarien je 10,0 v. H. und Malta 5 v. H. (bei Ausschüttung). Das arithmetische Mittel liegt bei 22,5 v. H. Unter der Annahme eines Hebesatzes von 400 v. H. ergäbe sich für Deutschland eine kombinierte Ertragsteuerbelastung von 29,83 v. H., womit Deutschland in dem erwähnten Vergleich auf Rang 6 von 27 betrachteten EU-Ländern läge. Der Gesetzgeber sieht diesen Vergleich ähnlich, beschreibt er doch im Entwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes v. 27.3.2007, dass Deutschland mit einer Belastung der Unternehmensgewinne von 29,83 v. H. „etwa im Mittelfeld der EU-15“ liege; siehe hierzu BT-Drs. 16/4841, S. 31; ähnlich auch Hoffmann/Rüsch, DStR 2007, 2079. 326 Ruf, Steuerwettbewerb in Europa, S. 15, sowie auch die Ausführungen mit Bezug auf die Staaten Osteuropas von Stütz, Steuerwettbewerb in Europa, S. 18. 327 Schön, World Tax Journal 2009, 67 (70); spezieller Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (884 f.); ders., in: Blanke/Scherzberg/Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 393 (397). Siehe dazu auch die ähnliche Zielsetzung des Gesetzgebers in der Begründung der Unternehmensteuerreform 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 29 f. 328 So auch Menck, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. A 71; Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (889). 329 Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34; Haufler/Runkel, CESifo Working Paper Nr. 2429, S.  21 f.

I. Zusammensetzung des Tetralemmas

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vorhandenem Humankapital, welche von den einzelnen Staaten nur sehr lang­ fristig bzw. gar nicht beeinflussbar sind, können Steuersätze kurzfristig und direkt modifiziert werden. Interessant ist hierbei, dass unterschiedliche internationale Steuersätze zum einen das Produkt des „Wettbewerbs“ der Steuerrechtsordnungen sein können, zum anderen diesen Wettbewerb aber auch selbst erzeugen, satzsenkungen gerade bei kleineren Staaten ein proportional höheda Steuer­ res Steuer­aufkommen versprechen. Dadurch wird eine sich gegenseitig bedingende Abwärtsbewegung330 hervorgerufen, die in zwei möglichen Varianten enden könnte: in einem „race to the bottom“ und damit in immer niedrigeren Steuersätzen oder in einem „race to the average“, womit gemeint ist, dass sich ein europaweit ähnlicher Steuersatz einpendelt. Bezogen auf die kommenden 25 Jahre und unter weitgehender Beibehaltung der bisherigen Tarifpolitik der Mitgliedstaaten, spricht einiges für die zweite Variante. Dieses Problems nahm sich auch die Ruding-Kommission Anfang der 1990er Jahre an und sprach sich für eine kombinierte Mindeststeuerbelastung von 30 v. H. aus.331 Heute ist aber klar, dass dieser Steuersatz zu hoch eingeschätzt wurde, da aktuell nur noch eine Handvoll alter Mitgliedsländer innerhalb der EU-27 mit ihrer kombinierten Ertragsteuerbelastung leicht über dieser Marke liegt.332 Ebenso scheint sich auch die von Spengel noch vor einigen Jahren aufgestellte Vermutung von 20 v. H.333 als zu vorsichtig zu erweisen. Bei Beibehaltung der Steuersatzsenkungsbewegungen der letzten Jahre ist für die 30er-Jahre dieses Jahrhunderts die durchschnittliche Ertragsteuerbelastung der Europäischen Union wohl auf ca. 15 v. H. einzugrenzen.334 5. Ergebnis a) Lageanalyse Die Analyse der Ausgangslage des Gesetzgebers zeigt, dass dieser bei der Beschränkung von abfließendem Besteuerungssubstrat über konzerninterne Finan­zierungsstrukturen vier wesentlichen Problembereichen und damit einem Tetralemma gegenübersteht. Dieses bildet sich aus dem Verzicht der Quellen­ besteuerung von Zinsen und den nationalen Vorgaben zum innerstaatlichen Ver 330

Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (889) spricht hier von „wechselseitig überbietende[r] Entlastung“ als Instrument zur Attraktion bzw. dem Halten von Steuersubstrat [Einfügung in eckiger Klammer durch den Verf.]; siehe auch ders., in: Blanke/Scherzberg/Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 393 (397). 331 Vgl. Commission of the European Communities, Report of the Independent Experts on Company Taxation (Ruding Report), 1992, S. 209 ff. 332 Siehe hierzu die Angaben in Fn. 325 auf S. 86. 333 Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union, S. 355. 334 Spengel, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 41 (43).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

zicht auf die Besteuerung von Auslandsdividenden (1.). Dabei erweist sich die nationale Politik eines unilateralen Quellensteuerverzichts auf einfache Kreditzinsen als historisch gewachsener Eckpunkt deutscher Steuerpolitik. Weiterhin ist festzustellen, dass der grundsätzliche Verzicht auf eine Besteuerung von Auslandsdividenden ein wichtiger Bestandteil deutscher Steuerpolitik ist und eine hohe Bedeutung für die rechtsformneutrale Einmalbesteuerung von körperschaftsteuerlichen Beteiligungsketten hat. Die weitere Analyse beleuchtet die Festigung dieser nationalen Regelungen aus § 49 EStG und § 8b KStG in den Doppelbesteuerungsabkommen Deutschlands mit wichtigen Industrienationen (2.). So ist zu erkennen, dass der bilaterale Verzicht auf die Besteuerung von ins DBA-Ausland fließenden Zinsen ein weiterer traditioneller Bestandteil deutscher Steuerpolitik ist. Dieser Verzicht knüpfte an eine seit Bestehen des Völkerbundes zurückreichende Diskussion über die richtige Besteuerung von ausländischen Zinserträgen an. Hierbei stellte sich Deutschland auf den Standpunkt, dass es ein Nettokapitalexporteur sei. Ebenso ist die deutsche Abkommenspolitik von einem Verzicht der Besteuerung ausländischer Dividenden über das abkommensrechtliche Schachtelprivileg geprägt. Auch die Tradition des Freistellungsverfahrens für internationale Beteiligungserträge soll dabei die Auslandstätigkeiten der deutschen Wirtschaft unterstützen und gleichzeitig die nationale Wirtschaft stärken. Als eine weitere Herausforderung ist die Europäisierung der direkten Steuern zu nennen (3.). Zum einen etablierte sich mit der Zins- und Lizenzgebühren-Richt­ linie ein weiterer Quellensteuerverzicht von konzerninternen Darlehenszinsen auf europarechtlicher Ebene. Zum anderen sorgte die Zustimmung zur Mutter-Tochter-Richtlinie dafür, dass zumindest der quellensteuerfreie Zufluss von Auslandsdividenden europaweit gefestigt worden ist. Weil diese Richtlinien supranationalen Ursprungs sind, binden sie Deutschland wesentlich stärker, als dies die hierzu korrespondierenden nationalen bzw. bilateralen Regelungen zum Quellensteuerverzicht vorsehen. Obendrein ist in der Europäischen Union kein wirklicher Wille zur Harmonisierung der direkten Steuern zu erkennen. Dies führt zu einer aktuellen Schieflage, in der gerade kleinere und niedriger besteuernde Mitgliedstaaten vom auch europarechtlich festgelegten Quellensteuerverzicht profitieren, da wichtige Folgeschritte der Harmonisierung ausgeblieben sind. Verschärfend wirkt dabei die einengende Haltung des Europäischen Gerichtshofs, der durch eine weite Interpretation der Grundfreiheiten nebst einer engen Auslegung der Rechtfertigungsgründe dem Gesetzgeber nur schwerlich die Möglichkeit eröffnet, eine missbräuchliche Konzernfinanzierung europarechtskonform und trotzdem wirksam zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang sind jüngst gewisse Lockerungstendenzen ersichtlich. Deren konkrete Auswirkungen sind bisher aber noch nicht absehbar. Als letzten Problembereich zeigt die Analyse den Anpassungsdruck der Steuerrechtsordnungen als dynamisierendes Element auf, welcher zur Nutzung des

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Zusammenspiels der obigen drei Problembereiche anreizt (4.). Dieser Anpassungsdruck wird zum einen vom privatwirtschaftlichen Kalkül der Gewinn­ maximierung als auch vom staatlichen Kalkül, Kapital zu attrahieren belebt. Weiter befeuert wird dies durch den Mangel an Harmonisierung der direkten Steuern und durch die unterschiedlichen Steuersätze innerhalb Europas. Hierbei zeigt sich das Problem, dass (Binnen-)Markt und (Steuer-)Staat nicht deckungsgleich sind und die Furcht vor abfließendem Steuersubstrat gerade bei traditionellen Hochsteuerländern wie Deutschland besonders stark ist. b) Weitgehende Ausweglosigkeit Unterteilt man dieses legislative Tetralemma nun in interne und externe Faktoren, so ist zu erkennen, dass die Teilbereiche der nationalen Regelungen (1.) und der völkerrechtlichen Vereinbarungen (2.) eher dem ersten, die Europäisierung der direkten Steuern (3.) sowie der Anpassungsdruck der Steuerrechtsordnungen (4.) eher dem zweiten Einflussbereich zuzuordnen sind. Dementsprechend muss auch die Suche nach einem Ausweg aus dem Tetralemma gestaltet werden. Während die durch interne Einflüsse entstandenen Regelungen durch nationale Entscheidungen erreicht werden könnten, bedarf es zur Behebung der externen Einflüsse internationaler Zustimmung. Doch bereits bei der Änderung der nationalen Regelung zur Quellensteuerbefreiung von ins Ausland fließenden Zinszahlungen und der weitgehenden Steuer­ befreiung von ausländischen Beteiligungserträgen zeigt sich die Verwobenheit und die Einbindung dieser Regelungen in das deutsche Steuersystem. Eine Änderung dieser Regelungen würde daher weitere Folgeänderungen mit sich bringen und ein Abrücken von langjährigen Besteuerungstraditionen bedeuten. Ebenso könnten zu beanstandende Doppelbesteuerungsabkommen nicht verlängert bzw. gekündigt werden. Hiermit würde Deutschland aber sein wichtiges Netz internationaler Wirtschaftsbeziehungen einem Risiko aussetzen und müsste aufgrund des weiten Zeithorizonts auf schnelle Neuverhandlungen und aufgrund der damit verbundenen möglichen schwächeren Verhandlungsposition auf die erneute Gewährung von ehemals getroffenen bilateralen Vereinbarungen hoffen. Als schwierigste Aufgabe stellt sich in diesem Zusammenhang der externe Bereich dar. Hierbei ist insbesondere die Reformierung der quellensteuernegierenden Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie hervorzuheben. Diese grundsätzlich gegenüber sämtlichen Ländern der EU geltende Vorschrift macht, im Gegensatz zu den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, keinen Unterschied zwischen befreundeten oder steuerlich aggressiv auftretenden Staaten und könnte nach Art. 115 AEUV nur einstimmig335 im Europäischen Rat zurückgenommen bzw. 335

Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 515; Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (309).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

überarbeitet werden. Weil aber einige Mitgliedstaaten von der aktuellen Schieflage profitieren, dürfte eine dahingehende einstimmige Entscheidung nur sehr schwer bzw. nur unter sehr großen Zugeständnissen zu erreichen sein. Auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Missbrauchsvermeidungsvorschriften gibt wenig Anlass zur Hoffnung, dass der Gesetzgeber eine europarechtskonforme und zugleich wirksame Regelung schaffen kann. Inwieweit die jüngere Lockerung der weiten Auslegung der Grundfreiheiten und die praktikablere Auslegung von Rechtfertigungsgründen dem Gesetzgeber weiterhelfen können, ist bisher noch nicht abzusehen. Ähnlich gestaltet sich auch die Beurteilung des vierten Eckpunkts des Tetralemmas. Der faktische Anpassungsdruck der Steuerrechtsordnungen ist vom Gesetzgeber als Konstante anzusehen, denn solange es keine einheitliche(n) europäische(n) Bemessungsgrundlage bzw. Steuersätze gibt, wird es immer Anreize zur Buchgewinnverlagerung geben. An dieser Situation konnte auch die Senkung der Ertragssteuerbelastung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 nur wenig ändern. Aus diesen Gründen ist das oben beschriebene Tetralemma als im Moment wohl nicht zu ändernde Problemsituation anzusehen, der sich der Gesetzgeber erst einmal nicht entziehen kann.336 Es ist daher Schön zu folgen, wenn er die Situation des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang als „in der Falle sitzen[d]“ beschreibt.337

II. Auswirkungen des Tetralemmas Nachdem die Ausgangslage des Gesetzgebers beleuchtet worden ist, sind nun die direkten Auswirkungen des Tetralemmas aufzuzeigen. Die wesentlichen Folgen dieser vierseitigen Problemlage lassen sich dabei in zwei Gruppen unterteilen. Die erste besteht aus dem steuerlichen Vorteil missbräuchlicher Finanzierungsgestaltungen im europaweiten Konzern. Die zweite Gruppe bildet die vom Europäischen Gerichtshof mit der extensiven Auslegung der Grundfreiheiten bestehende europarechtliche Kritik an den vom Gesetzgeber genutzten Abwehrmaßnahmen.

336

Ähnlich Homburg, FR 2007, 717 (727 f.); zum festgefahrenen Quellensteuerverzicht siehe Lüdicke, in: Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 289 (292 ff.). 337 Schön, in: ders. (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 344 [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.].

II. Auswirkungen des Tetralemmas

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1. Steuerliche Vorteilhaftigkeit europaweiter Konzernfinanzierung Geschützt durch die oben beschriebene nationale, bilaterale und europarechtliche Zuweisung des Besteuerungsrechts von Zinsen an den Ansässigkeitsstaat des Gläubigers und die weitgehende Steuerfreistellung von qualifizierten Dividenden­zahlungen im Ansässigkeitsstaat des Beteiligungsinhabers nebst deren europarechtlichem Verzicht auf eine Quellenbesteuerung, können sich steuer­ lich vorteilhafte Konzernfinanzierungsstrukturen ergeben. Hintergrund dieser Unternehmenssteuersparpolitik ist die schlichte betriebswirtschaftliche Erkenntnis, die steueroptimale Allokation von Zinsaufwand in hoch besteuernden, Eigenkapitalertrag jedoch in niedrig besteuernden Staaten vorzunehmen.338 Gesteigert wird dieses Steuersparpotential durch den „Wettbewerb“ der Steuerrechtsordnungen, welcher zu sinkenden Ertragsteuerbelastungen in den Mitgliedstaaten und zu einem internationalen Steuersatzgefälle führt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, mit konzerninternen Finanzierungsstrukturen die Gesamtsteuerbelastung eines Konzerns zu senken.339 Nach Ansicht des Gesetzgebers findet diese Steuersenkung im Wesentlichen auf zwei Arten statt.340 Zum einen sorgen grenzüberschreitende Fremdkapitalfinanzierungen innerhalb eines Konzerns dafür, dass deutsche von ausländischen Unternehmen mit über­ mäßig viel Fremdkapital ausgestattet werden. Die in Deutschland eigentlich erwirt­schafteten Gewinne würden dadurch gemindert, in abzugsfähigen Zinsaufwand umqualifiziert und konzernintern ins Ausland transferiert. Zum anderen nutzen internationale Konzerne aber auch die Refinanzierung interner Auslands­ beteiligungen ihrer deutschen Unternehmen, indem sie externes Fremdkapital aufnehmen, um bei Abzugsfähigkeit der Finanzierungskosten die aus dem Ausland niedriger belasteten Dividenden weitgehend steuerfrei in Deutschland zu ver­ einnahmen.341 Hinsichtlich dieser beiden grundsätzlichen Vorgehensweisen unterscheidet die Fachliteratur weiterhin drei spezielle Ausprägungen.342 Hierbei handelt es sich um die übermäßige Fremdkapitalfinanzierung einer inländischen Tochterkapitalgesellschaft durch ihre im Ausland ansässige Mutterkapitalgesellschaft – die sogenannte Downstream-Inbound-Finanzierung – und um den umgekehrten

338 Etwa Menck, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. A 71; Zielke, RIW 2006, 600 (603 f.); Kahle, WPg 2006, 1401 (1403); Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, 37 (55 f.). 339 Zielke, StuW 2009, 63. 340 BT-Drs. 16/4841, S. 1, 31, 35. 341 Rödder/Stangl, DB 2007, 479; siehe hierzu auch die Ausführungen in BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007, S. 11. 342 Herzig/Bohn, DB 2007, 1; BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007, S. 10 f.; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, § 8a, Rz. 11 ebenso Rödder/Stangl, DB 2007, 479; Homburg, FR 2007, 717 (721).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Fall einer übermäßigen Fremdkapitalfinanzierung einer inländischen Mutterkapitalgesellschaft durch ihre ausländische Tochterkapitalgesellschaft – die sogenannte Upstream-Inbound-Finanzierung. Ebenso ist die Eigenkapitalfinanzierung einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft durch die inländische Mutter­kapitalgesellschaft von Bedeutung, wenn diese ihr Investment gezielt durch einen Bankkredit refinanziert – was als sogenannte Outbound-Finanzierung bezeichnet wird. a) Downstream-Inbound-Finanzierung Die Downstream-Inbound-Finanzierung stellt den klassischen Fall grenzüberschreitender Gesellschafter-Fremdfinanzierung mit dem Ziel der Steuersubstratsverschiebung dar. In dieser Konstellation stattet eine im Ausland ansässige Mutterkapitalgesellschaft ihre in Deutschland ansässige Tochterkapitalgesellschaft – im Verhältnis zu deren Eigenkapital – mit übermäßig viel Fremdkapital aus.343 Im Gegenzug bezahlt die Tochterkapitalgesellschaft Zinsen, die in der Regel nach den §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 KStG und § 4 Abs. 4 EStG in Deutschland als Quellenstaat der Zinszahlung steuerlich abzugsfähig sind. Wie oben dargelegt, unterliegen diese ins Ausland transferierten Zinsen aufgrund des nationalen, bilateralen und europarechtlichen Verzichts keiner Quellenbesteuerung.344 Lediglich die gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG sorgt für eine geringfügige Steuerbelastung in Deutschland.345 Im Ansässigkeitsstaat des konzernzugehörigen Gläubigers unterliegen die zufließenden Zinsen den im Vergleich zu Deutschland meist geringeren Steuersätzen.346 Aus Sicht des deutschen Fiskus entsteht hierdurch ein hohes Gewinnverlagerungspotential, da mit derartigen Strukturen der eigentlich in Deutschland er­ wirtschaftete Gewinn der Tochterkapitalgesellschaft durch die von der Mutter­ gesellschaft gesteuerte starke Fremdkapitalvergabe künstlich in Zinszahlungen um­qualifiziert wird. Somit kann eigentlich deutsches Besteuerungssubstrat weitgehend steuerfrei ins niedriger belastende Ausland transferiert werden.347 Zur Verdeutlichung der beschriebenen Funktionsweise dient die folgende vereinfachte Abbildung.

343 BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007, S. 10 ebenso Rödder/Stangl, DB 2007, 479. 344 Ebenso Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 273. 345 Der nach § 8 Nr. 1 a. E. GewStG bestehende Freibetrag von EUR 100.000 wird in diesem Zusammenhang als bereits ausgeschöpft angesehen. 346 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Fn. 325, S. 86. 347 BT-Drs. 16/4841, S. 29 ff.

II. Auswirkungen des Tetralemmas

Niedriger besteuerndes Ausland

Mutterkapitalgesellschaft

Besteuerungssubstrat

Deutschland

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1. Darlehen

2. Zinsen

Tochterkapitalgesellschaft

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 1: Downstream-Inbound-Finanzierung

b) Upstream-Inbound-Finanzierung Als zweite wichtige konzerninterne Finanzierungsstruktur zur Steuersubstrats­ verlagerung ins Ausland ist die Upstream-Inbound-Finanzierung zu nennen. Hierbei stattet die in Deutschland ansässige Mutterkapitalgesellschaft eine im Ausland ansässige funktionsschwache Tochterkapitalgesellschaft mit übermäßig viel Eigenkapital aus.348 Aus diesen zur Verfügung gestellten Mitteln gewährt die Tochterkapitalgesellschaft ein Darlehen an ihre Mutterkapitalgesellschaft und fungiert damit als Finanzierungsgesellschaft.349 Die auf das von der Mutterkapitalgesellschaft erhaltene Darlehen gezahlten Zinsen sind zum einen in Deutschland regelmäßig nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 KStG und § 4 Abs. 4 EStG steuermindernd zu berücksichtigen. Diese Zinsen können – wie bereits beschrieben – national, bilateral und supranational geschützt und unter Beachtung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG weitgehend steuerfrei in den Ansässigkeitsstaat der Tochterkapitalgesellschaft transferiert werden.350 Im meist niedriger besteuernden Ansässigkeitsstaat der Tochterkapitalgesellschaft werden die empfangenen Zinsen nach dem dort geltenden Steuersystem belastet. Wenn nun die Tochterkapitalgesellschaft die empfangenen Zinsen als

348

Rödder/Stangl, DB 2007, 479. Siehe hierzu auch die Ausführungen von BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007, S. 11 ebenso Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 5. 350 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschn. a), S. 29. 349

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Bestandteil ihres Einkommens zu Dividendenzahlungen „uminterpretiert“ und an die Mutterkapitalgesellschaft (zurück)transferiert, greift die Mutter-TochterRichtlinie, welche für Unternehmen in deren Ansässigkeitsstaat einen quellensteuerbefreiten Abfluss der Dividenden nach Deutschland garantiert. Zugleich führt die national und bilateral (ggf. auch europarechtlich) vereinbarte Freistellung der empfangenen Dividenden regelmäßig zu einer nur geringen Steuerbelastung in Deutschland. Durch diese Konstellation kann der ursprünglich in Deutschland entstandene Gewinn der ansässigen Mutterkapitalgesellschaft – der in Zinszahlungen „umqualifiziert“ wurde – weitgehend steuerfrei an die Tochterkapitalgesellschaft transferiert werden.351 Zusätzlich sorgt die Uminterpretation der im Ausland erhaltenen Zinszahlungen in Dividenden für eine weitgehend steuerfreie Repatriierung der ursprünglich in Deutschland generierten Gewinne. Mutterkapitalgesellschaft

Deutschland

Besteuerungssubstrat

Niedriger besteuerndes Ausland

1. Darlehen

3. Dividenden

2. Zinsen

Tochterkapitalgesellschaft

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 2: Upstream-Inbound-Finanzierung

c) Outbound-Finanzierung Die dritte vom Gesetzgeber problematisierte Möglichkeit zur Steuersubstrats­ verschiebung ist in diesem Zusammenhang die Outbound-Finanzierung.352 Bei dieser Konstellation refinanziert eine deutsche Mutterkapitalgesellschaft das Eigen­kapitalinvestment in ihre ausländische Tochterkapitalgesellschaft konzern-

351 Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (318). 352 BT-Drs. 16/4841, S. 31.

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II. Auswirkungen des Tetralemmas

extern über einen Bankkredit.353 Die an die Bank gezahlten Zinsen sind in voller Höhe von der körperschaftsteuerlichen und zu 75 v. H. von der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage abzugsfähig. Aus der Zurverfügungstellung von Eigenkapital erhält die Muttergesellschaft von ihrer Tochtergesellschaft Dividendenzahlungen, welche, geschützt durch die Mutter-Tochter-Richtlinie, quellen­ steuerfrei nach Deutschland transferiert werden können. Zugleich sorgt die nationale und bilaterale Freistellung von in Deutschland empfangenen Dividenden regelmäßig für eine nur geringe Steuerbelastung in Deutschland.354 Dadurch ist es der in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft möglich – bei weitgehend voller steuerlicher Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen – lediglich marginal steuerbelastete Dividendeneinnahmen zu empfangen.355 Befindet sich die refinanzierende Bank im Ausland, geht dem deutschen Fiskus auch das Steuersubstrat aus den dort erhaltenen Zinseinnahmen verloren. Mutterkapitalgesellschaft

Deutschland

Besteuerungssubstrat

Niedriger besteuerndes Ausland

4. Dividenden

1. Darlehen 2. Zinsen

Bank

3. Eigenkapital

Tochterkapitalgesellschaft

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 3: Outbound-Finanzierung

353

Siehe hierzu Schwoon, Die Zinsschranke im Konzern, S. 10. Mössner, in: Lüdicke (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, S. 1 (5). 355 Zur Kritik, inwieweit dies überhaupt als missbräuchliche Struktur anzusehen ist, siehe Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, S. 21. 354

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

2. Europarechtliche Fragwürdigkeit bisher genutzter Abwehrmaßnahmen Die fiskalische Schädlichkeit der oben genannten drei grenzüberschreitenden Finanzierungsstrukturen ist dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben. Bisher schränkte er die Darlehensvergabe ausländischer Mutterunternehmen an deren in Deutschland ansässigen Tochterunternehmen (Downstream-Inbound-Finanzierung) mit den Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG a. F. ein.356 Die Darlehensvergabe ausländischer Tochterunternehmen an ihre deutschen Mutterunternehmen (Upstream-Inbound-Finanzierung) unterliegt insbesondere den Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG.357 Keine spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift war der oben beschriebenen Konstellation der Outbound-Finanzierung gewidmet, da diese nicht an eine konzerninterne Fremdkapitalfinanzierung anknüpft. Lediglich die gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG und die nicht vollständige körperschaftsteuerliche Freistellung der empfangenen Dividenden nach § 8b Nr. 5 Satz 1 KStG sorgten regelmäßig für eine zumindest marginale Steuerbelastung derartiger Finanzierungsstrukturen in Deutschland. Doch mit der Wirkungsweise dieser Vorschriften war der Gesetzgeber nicht mehr zufrieden. So waren bereits im Koalitionsvertrag zwischen den Parteien CDU, CSU und SPD vom November des Jahres 2005 erste Unmutsandeutungen zu erkennen.358 Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum Unternehmensteuerreformgesetz des Jahres 2008 wurde der Gesetzgeber sodann deutlicher und beschrieb die damals aktuell bestehenden Abwehrmaßnahmen des Körperschaftund Außensteuergesetzes als unzureichend sowie durch die „Recht­sprechung des Europäischen Gerichtshofs in ihrer Substanz bedroht“359.360 Doch nicht nur diese beiden Normen stehen unter europarechtlicher Kritik. Bereits mit der Einführung der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie mehrten sich die Stimmen, die auch eine Europarechtswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung erkannten. Somit standen – zumindest zum Zeitpunkt der Einführung der Zinsschranke – alle drei vom Gesetzgeber genutzten Vorschriften gegen missbräuchliche Konzern­ finanzierung unter dem Verdacht der Europarechtswidrigkeit.

356 BT-Drs. 16/4841, S. 29; BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007, S. 11. 357 BT-Drs. 16/4841, S. 29; BDI/KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007, S. 11. 358 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 11.11.2005, S. 81 ff. 359 Referentenentwurf zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 5.2.2007, S. 45. 360 Ebenso, jedoch ohne Erwähnung der europarechtlichen Bedenken wurde der später folgende Gesetzentwurf v. 27.3.2007 gestaltet, BT-Drs. 16/4841, S. 29.

II. Auswirkungen des Tetralemmas

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a) Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG a. F. aa) Einführung einer gesonderten Norm Mit der Einführung von § 8a KStG i. d. F. des StandOG361 wurden zum ersten Mal in Deutschland steuerlich nachteilige Auswirkungen für sogenannte über­ mäßige Fremdkapitalfinanzierungen in einer gesonderten Norm beschlossen. Das Ziel dieser neu eingeführten Norm lag darin, ertragsteuerliche Obergrenzen für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung zu schaffen.362 Grundsätzlicher Anknüpfungspunkt waren Fremdkapitalvergütungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, die an einen nach Abs. 3 der Vorschrift als „wesentlich“ beteiligt qualifizierten körperschaftsteuerlich nichtanrechnungsberechtigen Anteilseigner, an eine diesem nahestehende (nichtanrechnungsberechtigte) Person oder an einen rückgriffsberechtigten Dritten (Abs. 1 Satz 2) gezahlt werden. Dem internationalen Trend folgend363 galten derartige Vergütungen (fiktiv) als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), woraus die Verlagerung der wesentlichen Steuerbelastung vom Anteilseigner auf die Gesellschaft folgte. Dies traf zu, wenn eine gewinn- oder umsatzabhängige Vergütung vereinbart worden war und der sogenannte safe haven, also das anteilseignerbezogene Fremdkapital- zu Eigenkapitalverhältnis (in diesem Falle ein Verhältnis von 1:0,5), durch die Zuführung von Fremdkapital oder den Entzug von Eigenkapital überschritten wurde (§ 8a Abs. 1 Nr. 1 KStG i. d. F. des StandOG). Ebenso erfasste die Regelung auch Finanzierungsstrukturen, bei denen die Vergütung in einem Bruchteil des Kapitals bemessen und der anteilseignerbezogene safe haven von 3:1 überschritten worden war (§ 8a Abs. 1 Nr. 2 KStG i. d. F. des StandOG). Entgegen der ersten Variante aus Abs. 1 Nr. 1 gewährte der Gesetzgeber für die von Abs. 1 Nr. 2 erfassten Vergütungen eine Exkulpationsmöglichkeit durch Fremdvergleich oder durch Ein­stufung als bankübliche Geschäfte. Bei Mischformen aus den beiden zuvor genannten Vergütungsalternativen wurde zunächst der erfolgsabhängig entlohnte Teil mit dem möglichen safe haven verrechnet. War dieser noch nicht ausgenutzt, gewährte Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz dem erfolgsunabhängig vergüteten Fremdkapital das Sechsfache des verbleibenden safe haven. Ein höherer safe haven mit 9:1 galt für Holdinggesellschaften, wobei den nachgeordneten Kapitalgesellschaften kein eigenes sicherndes Fremdkapital- zu Eigenkapitalverhältnis mehr eingeräumt wurde. Damit stand diesen Unternehmen bei gewinn- und umsatzunabhängigen Vergütungen lediglich der Fremdvergleich mit Dritten zu (§ 8a Abs. 4 Satz 1 und 2 KStG i. d. F. des StandOG). Abs. 5 der Vor 361 Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz – StandOG) v. 13.9.1993, BStBl. I 1993, S. 774. 362 Für eine detaillierte Kommentierung siehe Prinz, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. XV, § 8a KStG. 363 Menk, IStR 1994, 569 (576).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

schrift sah die Einengung von Umgehungsmöglichkeiten vor, indem dort die Zwischenschaltung von Personengesellschaften oder Betriebsstätten für unbeachtlich erklärt wurde. Mit dem Steuersenkungsgesetz (StSenkG) des Jahres 2001364 änderte der Gesetzgeber § 8a KStG a. F. in einigen Punkten und verschärfte die Regelung.365 Die hierdurch entstandenen Änderungen begründete der Gesetzgeber mit internationalen Entwicklungen und den damit nötigen Anpassungen.366 So wurde die safe havenRegelung für ergebnisabhängige Vergütungen abgeschafft und das anteilseignerbezogene Fremdkapital- zu Eigenkapitalverhältnis für gewinn- und umsatzunabhängige Fremdkapitalvergütungen auf 1,5:1 bzw. auf 3:1 für Holdinggesellschaften herabgesetzt. Der nun geltende § 8a KStG i. d. F. des StSenkG knüpfte aufgrund der Einführung des körperschaftsteuerlichen Halbeinkünfteverfahrens und der damit einhergehenden Abschaffung des Anrechnungsverfahrens nicht mehr an die körperschaftsteuerliche Anrechnungsberechtigung an. Grundsätzlich galt der Anwendungsbereich nun als eröffnet, wenn Vergütungen für das von einem Anteilseigner zur Verfügung gestellte Fremdkapital nicht in Deutschland veranlagt wurden. Mit diesem Anwendungsbereich war § 8a KStG i. d. F. des StSenkG, wie auch schon § 8a KStG i. d. F. des StandOG, eine Spezialnorm für die Fremdkapitalfinanzierung inländischer Kapitalgesellschaften durch Steuerausländer.367 bb) Ausweitung der Spezialnorm durch „Lankhorst-Hohorst“ Als sich in erstinstanzlichen Gerichten keine einheitliche Ansicht über die euro­parechtliche Beurteilung von § 8a KStG i. d. F. des StandOG durchzusetzen vermochte,368 legte das FG Münster369 die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof vor. Am 12.12.2002 befand dieser im Urteil Lankhorst-Hohorst,370 dass § 8a Abs. 1 Nr. 2 KStG i. d. F. des StandOG wegen der Diskriminierung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen gegen die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43 364

Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23.10.2000, BStBl. I 2000, S. 1428. 365 BT-Drs. 14/2683, S. 78; für eine detailliertere Ausführung zu den Änderungen siehe Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur GesellschafterFremdfinanzierung, § 8a, Rz. 16 oder auch Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Euro­ parecht, S. 52. 366 BT-Drs. 14/2683, S. 124. 367 Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 53; Führich, IStR 2007, 341 (343). 368 Gegen die Europarechtswidrigkeit sprach sich aus: FG Sachsen, Beschluss v. 18.5.2001 – 5 V 2302/00, FR 2001, 1176 ff.; FG Berlin, VII. Senat, Beschluss v. 26.1.2001 – 7 B 8348/00, GmbHR 2001, 481 ff. Für die Europarechtswidrigkeit sprach sich aus FG München, Urteil v. 16.10.2000 – 7 K 1181/99, FR 2001, 347 ff.; FG Berlin, III. Senat, Beschluss v. 16.2.2001 – 3 B 3280/00, FR 2001 891 ff. 369 FG Münster, Beschluss v. 21.8.2000, 9 K 1193/00 K, F, FR 2000, 1214 ff. 370 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff.

II. Auswirkungen des Tetralemmas

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Abs. 1 Satz 2 EGV verstoße und mangels zulässiger Rechtfertigung europarechtswidrig sei.371 Den Verstoß gegen das Europarecht hatte der Europäische Gerichtshof zwar für die damals schon außer Kraft gesetzte Fassung des § 8a KStG a. F. bereits festgestellt. Doch auch die damals geltende Nachfolgenorm – § 8a KStG i. d. F. des StSenkG – unterschied sich nicht wesentlich von ihrer Vorgängerregelung372 und war mit dem Anknüpfungspunkt der „Nichtveranlagung“ sogar noch stärker auf Steuerausländer zugeschnitten.373 Aufgrund dieser Verschärfung sah sich der Gesetzgeber daher gezwungen, beide Normen für nicht mehr anwendbar gegenüber EU-Staatsangehörigen zu erklären.374 cc) § 8a KStG i. d. F. des StVergAbG Im Anschluss an diese Entscheidung fand eine rege Diskussion darüber statt, wie eine Regelung gegen übermäßige Gesellschafter-Fremdfinanzierung europarechtskonform ausgestaltet werden kann.375 Dem Gesetzgeber standen mehrere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Aus Furcht vor hohen Steueraufkommensverlusten wurden der Option einer Abschaffung376 sowie dem Vorschlag einer Reduzierung des Anwendungsbereichs auf Tochtergesellschaften mit Gesellschaftern aus Drittstaaten eine Absage erteilt.377 Auch der Überlegung, auf eine harmonisierte Lösung innerhalb der EU oder der OECD zu warten, stand man aufgrund des nicht absehbaren Zeithorizonts negativ gegenüber.378 Mit ähnlichen Argumenten erwies sich auch die Novellierung des § 8a KStG hin zu einer Einzelfallnorm als nicht praktikabel, hatte doch der Europäische Gerichtshof den gezielten Tatbestand der Briefkasten- und Strohfirmen gefordert, so dass die betreffende Novellierung als Lösung ausschied. 371 EuGH-Urteil v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst) EuGHE 2002, S. I-11802 ff. So heißt es in der Rz. 34 des Urteils: „Eine solche, vom Sitz der Muttergesellschaft abhängige unterschiedliche Behandlungsweise von gebietsansässigen Tochtergesellschaften stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, die nach Art. 43 EG grundsätzlich untersagt ist.“ Zur Kommentierung der Entscheidung siehe m. w. N.  Kube, IStR 2003, 325 ff., sowie Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 55 ff.; zum Sachverhalt siehe Abschn. (a), S. 60. 372 BT-Drs. 14/2683, S. 124. 373 Schnitger, IStR 2003, 51 (52); Bartone, Gesellschafterfremdfinanzierung, S. 159; Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (340); Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, § 8a, Rz. 68. 374 Finanzministerium Nordrhein-Westfalen v. 26.5.2003, S. 2742a – 11 – V B 4, GmbHR 2003, 860; Finanzministerium Hamburg v. 27.6.2003, 53 – S 2742a – 06/97, DStR 2003, 1259; OFD München v. 9.7.2003, S 2742a – 2 St 42, StuB 2003, 760. 375 Mewes, Die Finanzierung von Kapitalgesellschaften im steuerrechtlichen Kontext, S. 44. 376 Blumenberg, RIW 2003, 154 (155); Weßling/Romswinkel, GmbHR 2003, 925 (926); Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (334). 377 Weßling/Romswinkel, GmbHR 2003, 925 (927). 378 Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (345); Weßling/Romswinkel, GmbHR 2003, 925 (927).

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Das Steuervergünstigungsabbaugesetz379 vom 22.12.2003 (StVergAbG) regelte die Gesellschafter-Fremdfinanzierung sodann neu.380 Aufgrund von Befürchtungen um Steueraufkommensverluste sowie der ungenauen Rechtslage zur europarechtlichen Zulässigkeit von Beschränkungen der Unterkapitalisierungsregeln381 und der damit einhergehenden Umsetzungsschwierigkeiten sah sich der Gesetzeber zu einer „einfachen“ Lösung gezwungen. Daher wirkte er der vom Europäischen Gerichtshof festgestellten Europarechtswidrigkeit mit der Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs auch auf Steuerinländer entgegen.382 Im Ergebnis behandelte er damit in- und ausländische Gesellschafter-Fremdfinanzierungen diskriminierungsfrei.383 Diese Lösung bezeichnet Schön als „Flucht nach vorne“384, Generalanwalt Geelhoed spricht dagegen von „auf Nummer sicher gehen“385. Beiden Meinungen ist jedoch gemeinsam, dass sie in weiten Teilen die damalige Ausweglosigkeit des deutschen Gesetzgebers reflektieren, dessen wesentliche Lösungsoptionen sich auf die Ausweitung auf Inlandssachverhalte minimierten. Dies zeigt sich auch darin, dass es anderen Ländern nach dem Urteil in der Rechtssache LankhorstHohorst ähnlich erging. Aus Furcht vor der Europarechtsuntauglichkeit modifizierten bzw. konstruierten z. B. Dänemark, Großbritannien, die Niederlande und Italien über die nationale Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Inlandssachverhalte ihre Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung.386 dd) Kritik an der Wirksamkeit und europarechtliche Fragwürdigkeit Die Neufassung des § 8a KStG i. d. F. des StVergAbG löste erhebliche Kritik an dessen Anwendbarkeit aus.387 Denn trotz der Änderungen mangelte es der Vor 379 Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (kurz: Korb II Gesetz), BStBl. I 2004, S. 14. 380 Für eine ausführliche Kommentierung der Norm siehe Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 62–184; Prinz, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. XV, § 8a KStG. 381 Siehe hierzu die Äußerungen des GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff. 382 Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, S. 17; Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, S. 71 ff. 383 BT-Drs. 15/1518, S. 14; Schön, IStR 2009, 882. 384 Schön, IStR 2009, 882. 385 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 68. 386 Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, S. 17; Maier, Die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im internationalen Vergleich, S. 71 ff. 387 U. a.  Mensching/Bauer, BB 2003, 2429 (2430); Golücke/Franz, GmbHR 2003, 1093 (1094); Wassermeyer, DStR 2003, 2056; Wiese/Klass, GmbHR 2003, 1029; Rödder/Schu­ macher, DStR 2003, 1725; Frotscher, DStR 2004, 377 (385); Grotherr, WPg 2004, 404 (405 ff.); Thiel, FR 2007, 729.

II. Auswirkungen des Tetralemmas

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schrift weiterhin an einer klaren Trennung zwischen einer Fremdkapitalfinanzierung durch Gesellschafter und einer durch einen fremden Dritten.388 Auch hier fand der Gesetzgeber weiterhin keine bessere Lösung, und insbesondere die Bestimmungen zu Rückgriffsfällen erwiesen sich sowohl für die betroffenen Unternehmen als auch für die Steuerverwaltung als eingeschränkt verständlich bzw. anwendbar.389 Neben der Kritik an der praktischen Umsetzung kam ein vermuteter Steueraufkommensverlust durch die vorangeschrittenen Anpassungsstrategien der Unternehmen hinzu.390 Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die Bundesregierung zu dem Schluss kommt, dass sich § 8a KStG i. d. F. des StVergAbG als „wenig praxistauglich erwiesen“391 habe. Zusätzlich zu den Anwendungsproblematiken gab es vermehrt Stimmen, welche die Vereinbarkeit der Norm mit verfassungs-,392 abkommens- und insbesondere – was für die spätere Abschaffung wohl maßgeblich war – europarech­lichen Vorgaben bezweifelten.393 Hintergrund der europarechtlichen Kritik war die ungleiche Rechtsfolge der Norm mit der Umqualifizierung der Fremdkapital­vergütungen in eine verdeckte Gewinnausschüttung für rein inländische und für grenzüberschreitende Sachverhalte. Diese Umqualifizierung verschob die Steuer­belastung im Ergebnis vom Entgeltempfänger auf den Fremdkapitalschuldner. Bei rein inländischen Sachverhalten konnte die Umqualifizierung von Fremdkapitalvergütungen in eine verdeckte Gewinnausschüttung parallel beim Zahler und beim Empfänger der Vergütungen vorgenommen werden.394 Damit erhöhte sich die Steuerbemes 388 Herzig/Bohn, DB 2007, 1; ähnlich Stiftung Marktwirtschaft, Kommission Steuergesetzbuch, Entwurf Allgemeines Unternehmensteuergesetz S. 37. 389 Statt vieler Herzig/Bohn, DB 2007, 1; Eilers, FR 2007, 733 (734); Kröner/Esterer, DB 2006, 2084 (2085). 390 Zu den Umgehungsmöglichkeiten siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 926; Herzig, in: Peemöller/Uecker (Hrsg.), Festschrift für Heigl, S. 205 ff.; Prinz, in: Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Unternehmensfinanzierung, S. 21 (29, 44 f.). A. A. Overesch/Wamser, German Inbound Investment, S. 21, wenn sie den alten Fassungen des § 8a KStG eine wirksame Einschränkung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung zuschreiben; ebenso Schwarz, IStR 2008, 11 (13); ähnlich auch Weichenrieder/Windischbauer, Thin Capitalization Rules and Company Responses, S. 29. 391 BT-Drs. 16/4835, S. 1. 392 Schmitt, DStZ 2004, 600 ff. 393 Spengel/Golücke, RIW 2003, 333 (345); Benecke/Schnitger, IStR 2004, 44; Frotscher, DStR 2004, 377 (385); Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, § 8a, Rz. 87. Siehe auch zur verfassungsrecht­ lichen Kritik die Ausführungen bei Herr, Gesellschafterfremdfinanzierung und Europarecht, S. 183 f., in denen die Vereinbarkeit mit Art. 3 GG kritisch gesehen wird. Ebenso bestehen auch Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Abkommensrecht (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA). Diese beiden Unterpunkte sollen im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht gesondert betrachtet werden. 394 Die von § 8a KStG a. F. erfassten Vergütungen waren beim Schuldner des Fremdkapitals nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nun nicht mehr abzugsfähig, sondern mussten dem Gewinn als verdeckte Gewinnausschüttung wieder hinzugefügt werden und unterlagen damit der vollen Besteuerung der Kapitalgesellschaft. Mit dieser Steuermehrbelastung beim Fremd-

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

sungsgrundlage aufgrund der nur partiellen steuerlichen Belastung von Dividendeneinkünften bei körperschaftlichen Anteilseignern nach § 8b Abs. 1 KStG um lediglich fünf v. H.395 Sobald aber ein ausländischer Sachverhalt mit einzubeziehen war, wurden die Vergütungen regelmäßig nur im Inland umqualifiziert, was zu einer deutlich höheren Gesamtbelastung führen konnte.396 Hintergrund war, dass der ausländische Staat, bei Anerkenntnis der in Deutschland vorgenommenen Umqualifizierung, einseitig auf Steuereinnahmen hätte verzichten müssen, um die Gleichbehandlung von In- und Auslandssachverhalten sicherzustellen.397 Auf der Seite des ausländischen Empfängers ergab sich damit meist keine Entlastung für die im Inland entstandene höhere Besteuerung beim Zahler der Vergütungen. Somit war die Steuerbemessungsgrundlage auf den gesamten Teil des umqualifizierten Betrags bezogen und in der Summe wesentlich höher als der Betrag eines vergleichbaren rein inländischen Sachverhalts.398 In ähnlichem Zusammenhang merkte die Generalanwaltschaft in Übereinstimmung mit der Kommission an, dass, um die Verhältnismäßigkeit einer Unterkapitalisierungsnorm zu wahren, auf eine hervorgerufene Umqualifizierung eine „spiegelbildliche Entsprechung“399 auch auf der Gegenseite des Geschäftsvorgangs folgen müsse. Ansonsten führe die damit einhergehende Doppelbesteuerung ebenfalls zu einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.

kapitalschuldner ging aber gleichzeitig auch eine Steuererleichterung beim Empfänger der vermeintlichen Zinsen einher. Während diese als Zinsen in voller Höhe in die Steuerbemessungsgrundlage des inländischen Zinsempfängers eingeflossen waren, sorgte nun das Institut der vGA für die steuerliche Behandlung als Dividendeneinkünfte. Handelte es sich beim Empfänger um eine inländische natürliche Person, bestand nach § 3 Nr. 40e EStG a. F. eine Steuerbefreiung für die Hälfte des empfangenen Entgelts. War der Anteilseigner eine inländische Körperschaft, war der Ertrag nach § 8b Abs. 1 KStG a. F. sogar zu 95 v. H. steuerbefreit. 395 Frotscher, DStR 2004, 377 (379). 396 Zusammenfassend Schön, IStR 2009, 882 (884), wenn er davon ausgeht, dass eine Umqualifizierung im grenzüberschreitenden Falle regelmäßig zu einer steuerlichen Sonderbelastung führt. 397 Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, § 8a, Rz. 368 f. Trotzdem ist in diesem Zusammenhang eine Einzelfallanalyse vonnöten, in der die ausländischen Steuerregelungen und die jeweiligen DBA zu konsultieren sind; siehe hierzu auch Prinz, in: Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Unternehmensfinanzierung, S. 21 (28). 398 Frotscher, DStR 2004, 377 (379 f.); dem folgend Holzaepfel/Köplin, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, § 8a, Rz. 84 ff. Siehe dazu auch die Kritik an der Verhältnismäßigkeit der ähnlich wirkenden Vorgängerfassung des StandOG EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), EuGHE 2002, S. I-11802 ff., Rz. 35. 399 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 29.6.2006 in der Rs. C-524/04 (Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, S. I-2112 ff., Rz. 69 f.

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b) Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG (a. F.) aa) Allgemeiner Regelungsinhalt und Rechtsfolge Nach dem Vorbild der in den USA praktizierten Subpart F Legislation führte der Gesetzgeber die in den §§ 7 ff. AStG geregelte Hinzurechnungsbesteuerung ein.400 Mit ihr werden zumeist kapitalgesellschaftlich organisierte wesentliche Auslandsbeteiligungen deutscher Unternehmen in niedrig besteuernden Ländern als schädliche Zwischengesellschaften definiert, wenn diese lediglich passive Einkünfte erwirtschaften.401 Die Zwischenschaltung derartiger funktionsschwacher Gesellschaften sieht der Gesetzgeber typisierend als unerwünschte Steuerumgehung an. Als Rechtsfolge blendet er daher bei der Besteuerung der in Deutschland ansässigen Gesellschaft die Existenz einer derartigen Zwischengesellschaft aus, rechnet die bereits stattgefundenen Leistungsbeziehungen dem inländischen Gesellschafter fiktiv wieder hinzu und stellt damit eine Besteuerung in Deutschland sicher.402 Gehören die Anteile der ausländischen Gesellschaft zum Betriebsvermögen, entstehen durch die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit.403 In der Konsequenz führt dies regelmäßig zu einer Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte, wenn die im niedriger besteuernden Ausland ansässige Gesellschaft der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt.404 bb) Kritik und europarechtliche Fragwürdigkeit Nach dem Urteil zur britischen Hinzurechnungsbesteuerung in der Rechtssache Cadbury Schweppes405 ist anzunehmen, dass die Regelungen der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung europarechtswidrig sind bzw. waren.406 Das FG Düsseldorf ging bereits von einer Europarechtswidrigkeit der §§ 7 ff. AStG a. F. aus.407 400

Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (317). 401 Haase, in: ders. (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AStG – DBA, Einleitung I, Rz.  18 ff. 402 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 680 ff.; J.  Lang, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuer­recht, § 2, Rz. 38. 403 Henkel, in: Mössner et al., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. E 298. 404 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rz. 683. 405 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-7795 ff. 406 Axer, IStR 2007, 162 (168); Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 519, kritisiert die Entscheidung des EuGH. Sie sieht in ihr einen Widerspruch verankert, der darin bestehe, dass der EuGH zum einen die Hinzurechnungsbesteuerung als „legitimes Instrument zur Herstellung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten anerkennt, andererseits diese Wertung jedoch im konkreten Ergebnis nicht vollzieht“. 407 FG Düsseldorf v. 28.9.2004, EFG 2005, 335, IStR 2005, 128.

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Hintergrund der Zweifel an der Europarechtskonformität ist, dass Unternehmen mit reinen Inlandsbeteiligungen und Unternehmen mit Auslandsbeteiligungen unterschiedlich behandelt werden, denn lediglich für Auslandsbeziehungen besteht die (stets steuernachteilige) Anwendbarkeit des Außensteuergesetzes. In seiner Begründung zum oben genannten Urteil formulierte der Europäische Gerichtshof eine sehr enge Interpretation von Rechtfertigungsgründen für eine Ungleichbehandlung. Hierbei führte er die Bekämpfung „künstlicher Gestaltungen“ von wirtschaftlich inaktiven Unternehmenseinheiten an. Nach Auslegung des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich hierbei aber wohl lediglich um Briefkastenoder Strohfirmen.408 Von diesem Anknüpfungspunkt waren die §§ 7 ff. AStG a. F. jedoch weit entfernt, da sie missbräuchliche Konstruktionen allgemein typisierend annahmen und daher keinen Motivtest vorsahen, der als Gegenbeweis außer­ steuerliche Gründe für das Vorliegen von Auslandsbeteiligung zuließ.409 Als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs formulierte die Steuer­verwaltung zu Beginn des Jahres 2007 ein mittlerweile (formal) bedeutungslos gewordenes, jedoch weiterhin als Auslegungshilfe genutztes BMF-Schreiben, welches die Nichtanwendung der Hinzurechnungsbesteuerung an den Nachweis einer „wirklich wirtschaftlichen Tätigkeit“ der vermeintlichen Zwischengesellschaft knüpft.410 Im Anschluss novellierte der Gesetzgeber § 8 Abs. 2 AStG n. F. mit Wirkung zum 1.1.2008, indem er – auf Basis des zuvor genannten BMF-Schreibens – eine Ausnahmeregelung für Auslandsbeteiligungen im EUbzw. EWR-Ausland einführte.411 Als Zwischengesellschaft kann eine Auslandsbeteiligung nun nicht mehr qualifiziert werden, wenn die in § 8 Abs. 2 AStG n. F. genannten Voraussetzungen für eine tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeit nachgewiesen werden können. Hierzu zählt im Wesentlichen die aktive, ständige und nachhaltige Teilnahme am Geschäftsverkehr, die Beschäftigung von leitendem und qualifiziertem Personal, die Ursächlichkeit der Erwirtschaftung der Einkünfte aus eigener Aktivität und die im Verhältnis zur Geschäftstätigkeit angemessene finanzielle Ausstattung.412 Der deutsche Gesetzgeber gibt damit dem betroffenen Steuerpflichtigen nun eine selbst zu erbringende Exkulpationsmöglichkeit an die Hand, welche für Zwischeneinkünfte ohne Kapitalanlagecharakter gilt.413 Ob diese gesetzlichen Änderungen für die Herstellung der Europarechts 408 EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, S. I-799 ff., Rz. 68; mit Verweis auf EuGH v. 2.5.2006, Rs. C-341/04 (Eurofoods IFSC), EuGHE 2006, S. I-3813 ff., Rz. 34 f.; siehe hierzu auch J.  Lang, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 2, Rz. 65; Axer, IStR 2007, 162 (168). 409 Reiche, in: Haase (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AStG – DBA, § 8 AStG, Rz.  129 ff.; Kraft, in: ders. (Hrsg.), Außensteuergesetz Kommentar, § 8, Rz. 732. 410 BMF-Schreiben v. 8.1.2007 – IV B 4-S1351–1/07; BStBl. I 2007, S. 99; Reiche, in: Haase (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AStG – DBA, § 8 AStG, Rz. 126. 411 Reiche, in: Haase (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AStG – DBA, § 8 AStG, Rz. 126; Kraft, in: ders. (Hrsg.), Außensteuergesetz Kommentar, § 8, Rz. 732. 412 BMF-Schreiben v. 8.1.2007 – IV B 4-S1351–1/07; BStBl. I 2007, S. 99, Nr. 2. 413 Kraft, in: ders. (Hrsg.), Außensteuergesetz Kommentar, § 8, Rz. 731, 740.

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konformität ausreichen, bleibt abzuwarten. Es ist aber in der Rechtsprechungspraxis bereits sehr deutlich geworden, dass die im Gesetzestext genannten Tat­ bestände höhere Anforderungen an einen Gegenbeweis bzw. Motivtest vorsehen, als dies aus der auf „rein künstliche“ Gestaltung abstellenden Urteilsbegründung des Europäischen Gerichtshofs hervorgeht. Daher sind weitere europarechtliche Konsequenzen zu erwarten.414 Abschließend ist festzuhalten, dass wegen europarechtlicher Vorgaben und der daraus entstandenen Änderungen in § 8 Abs. 2 AStG die Hinzurechnungsbesteuerung im EU- bzw. EWR-Raum nun nicht mehr eingreift, wenn für die vermeint­ liche Zwischengesellschaft eine tatsächlich stattfindende wirtschaftliche Betätigung nachgewiesen wird. Mit dieser Ausnahmeregelung und der damit einhergehenden Lockerung der bisherigen Vorschrift gestaltet es sich für deutsche Steuerpflichtige daher nun sichtlich einfacher, eine Kapitalgesellschaft zu schaffen, deren Tätigkeit als ausreichend wirtschaftlich begründet anerkannt wird.415 Das steuer­liche „Schwert“ der Hinzurechnungsbesteuerung verliert damit nicht unwesentlich an Schärfe und steht zusätzlich weiterhin unter europarechtlicher Unsicherheit.416 c) Gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG (a. F.) aa) Allgemeiner Regelungsinhalt und jüngste Änderungen Vor der Einführung des Unternehmensteuerreformgesetz 2008 sorgte die gewerbesteuerliche Hinzurechnung mit § 8 Nr. 1 GewStG a. F. für den Wiedereinbezug der Hälfte der Dauerschuldzinsen in den Gewerbeertrag. Als solche waren diejenigen Zinsaufwendungen eines jeden Gewerbebetriebs regelmäßig steuerlich zusätzlich belastet, die auf Kredite mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr entfielen.417 Kurzfristige Verbindlichkeiten waren daher nicht belastet. Mit dieser Regelung erfasste das Steuergesetz im Grundsatz auch die von § 8a KStG a. F. und den §§ 7 ff. AStG nicht betroffenen konzernexternen Fremdkapitalfinanzierungsentgelte aus Dauerschulden. Damit entfaltete die gewerbesteuerliche Hinzurechnung in begrenztem Maße auch eine steuerlich hindernde Wirkung auf missbräuchliche Gestaltungen der Outbound-Finanzierung.418 414

Reiche, in: Haase (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AStG – DBA, § 8 AStG, Rz.  134 ff.; Kraft, in: ders. (Hrsg.), Außensteuergesetz Kommentar, § 8, Rz. 790 ff. 415 Im Ergebnis so auch Axer, IStR 2007, 162 (168), wenn er schreibt, dass das Urteil „den Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung auf den Extremfall der Briefkastenfirma beschränkt“. 416 Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 519; Haase, Internationales und europäisches Steuerrecht, Rz. 548. 417 Zur alten Rechtslage siehe Scheffler, Besteuerung von Unternehmen I, S. 255 ff. 418 So führt BT-Drs. 16/4841, S. 1, aus: „Die […] Modifikation der Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer soll […] ebenfalls die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland erschweren.“ [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.]

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Diese Regelung änderte der Gesetzgeber. Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 senkte er in § 8 Nr. 1 GewStG n. F. den Hinzurechnungssatz von 50 v. H. auf 25 v. H. und führte einen Anrechnungsfreibetrag von EUR 100.000 ein. Im Gegenzug erstreckte er die Wirkung von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG auf sämtliche Fremdkapitalzinsen sowie auf deren Substitute.419 Durch die Senkung des Hinzurechnungssatzes bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage folgte der Gesetzgeber wiederum dem oben beschriebenen internationalen Trend und dem Druck des „Steuerwettbewerbs“. Insgesamt unterschreitet die Neuregelung nach den Annahmen der Gesetzesbegründung nun die Steuereinnahmen der Vorgängerregelung von ca. EUR 1 Mrd. um ungefähr EUR 30 Mio.420 Doch trotz dieses Aufkommensverlustes erwartet der Gesetzgeber, dass eine zusätzliche Verminderung des fiskalischen Vorteils von fremdkapitalbasierten Gewinnverlagerungen ins Ausland eintritt.421 Zur genauen Entfaltung der verschärften Wirkung auf missbräuchliche Gestaltungen schweigt die Gesetzesbegründung aber. Es darf daher dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber gerade in der Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Zinsen aus kurzfristigen Darlehen und in dem Einbezug von Zinssubstituten die genauere Erfassung missbräuchlicher Finanzierungsentgelte erkennt. bb) Europarechtliche Fragwürdigkeit Neben der alten Fassung der §§ 7 ff. AStG und § 8a KStG stand aber auch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung im Fokus des Europäischen Gerichtshofs. Bereits kurz nach der Einführung der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie im Jahr 2003 wurden erste Stimmen laut, die von einer Unvereinbarkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung mit der Richtlinie sprachen.422 Der Kernpunkt dieser Diskussion bestand darin, ob die allgemeine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen gegen die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie verstoße, die in Art. 1 Abs. 1 regelt, dass „in einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen […] von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern – unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden – befreit“ werden müssen.423 Nachdem das FG Münster in seinem Urteil vom 22.2.2008 festgestellt hatte, dass es aus Gründen des Nichtvorliegens der Mindesthaltedauer von zwei Jahren 419

Siehe hierzu auch die Erklärung in BT-Drs. 16/4841, S. 31. BT-Drs. 16/4841, S. 42. 421 BT-Drs. 16/4841, S. 1, 31. 422 Dautzenberg, BB 2004, 17 (19); Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, 678 ff.; Köhler, DStR 2005, 227 (231); Hidien, DStZ 2008, 131; Rainer, IStR 2008, 375 ff.; Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 ff.; a. A. Kempf/Straubinger, IStR 2005, 773 ff.; Schön, in: AG-FAStR (Hrsg.), 61. Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung – Unternehmen, Arbeitsbuch 2010, S. 19 (25); Führich, Ubg 2009, 30 ff.; Hahn, IStR 2009, 346. 423 Art. 1 Abs. 1 Z-L-R [Einfügung in eckiger Klammer durch den Verf.]. 420

III. Ergebnis

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dahingestellt bleiben könne, ob § 8 Nr. 1 GewStG (a. F.) gegen Art. 1 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie verstoße,424 führte das Revisionsverfahren am Bundesfinanzhof vom 27.5.2009425 dazu, dass diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt wurde. Daher bestand zum Zeitpunkt der Konzeption der Zinsschranke die Gefahr, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 GewStG (a. F.) vom Europäischen Gerichtshof für europarechtswidrig befunden und damit auch die aktuell geltende Neuregelung aufgrund ihrer Systemgleichheit dasselbe Schicksal erleiden würde.426 Mittlerweile liegt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vor.427 Im Juni des Jahres 2011 löste der Europäische Gerichtshof die Streitfrage im Sinne der deutschen Finanzverwaltung, indem er dahingehend argumentierte, dass die Zinsund Lizenzgebühren-Richtlinie lediglich den Empfänger der Zinszahlungen und damit den Gläubiger, nicht aber den Zinsschuldner schütze.428 Insoweit kollidiere die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinszahlungen auf der Ebene des Schuldners nicht mit dem Schutzbereich der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie.

III. Ergebnis Der Gesetzgeber befindet sich in einem Tetralemma, welches zum Teil auf selbst geschaffene Regelungen, aber eben auch auf externe Einflüsse zurück­ zuführen ist. Diesem Tetralemma zu entkommen, ist insbesondere aufgrund euro­ parechtlicher Vorgaben kurz- bis mittelfristig nicht möglich, so dass diese Lage erst einmal als unveränderbar zu bezeichnen ist. Der steuerliche Anreiz gewinnverlagernder Strukturen wird in Kombination mit dem europäischen „Wettbewerb“ der Steuersysteme verstärkt, der zu einer Senkung der Ertragsteuerlast innerhalb der Europäischen Union geführt hat bzw. führt. Als direkte Auswirkung des Tetralemmas zeigt sich, dass durch die Anwendung der nationalen, bilateralen und insbesondere europarechtlichen Bestimmungen für grenzüberschreitend wirtschaftende Unternehmen Möglichkeiten bestehen, Steuersubstrat ins europäische Ausland zu verlagern. Dafür sorgen die mehrfach verankerten Regelungen einer weitgehenden Steuerfreistellung des Abflusses einfacher Kreditzinsen und der Repatriierung ausländischer Gewinne über Dividendenzahlungen. Da Deutschland auch nach der Unternehmensteuerreform 2008 innerhalb der Europäischen Union zu den Hochsteuerländern gehört, besteht weiterhin die steuerliche Vorteilhaftigkeit konzerninterner Steuersubstratsverlagerung ins meist niedriger besteuernde Ausland. Durch diesen „Mechanismus“ wird 424

FG Münster, Urteil v. 22.2.2008 – 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 372 ff. BFH, Beschluss v. 27.5.2009 – I R 30/08, DStRE 2009, 228 ff. 426 Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87 ff. 427 EuGH v. 21.6.2011, Rs. C-397/09 (Scheuten Solar Technology GmbH). 428 EuGH v. 21.6.2011, Rs. C-397/09 (Scheuten Solar Technology GmbH), Rz. 28 ff. 425

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B. Das legislative Tetralemma bei der Besteuerung 

Deutschland, obwohl dessen Marktplatz von Konzernunternehmen genutzt wird, entstandenes Steuersubstrat entzogen.429 Gegen diese missbräuchlichen Gestaltungen hat der Gesetzgeber bereits Gegenmaßnahmen ergriffen. Doch durch die vom Europäischen Gerichtshof betriebene weite Interpretation der Marktfreiheiten und die enge Zulassung von Rechtfertigungsgründen entwickelten sich in dessen Rechtsprechung hohe Anforderungen an die europarechtskonforme Ausgestaltung nationaler Missbrauchsvermeidungsnormen. Dies führt zur Unsicherheit hinsichtlich der Europarechtskonformität der bisher genutzten Gegenmaßnahmen und stellt(e) den Gesetzgeber vor die Entscheidung, die von ihm als missbräuchlich bezeichneten Finanzierungsgestaltungen zuzulassen oder sie mit einem neuen Instrument zu bekämpfen.

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U. a. Ramb/Weichenrieder, Taxes and the financial structure of German Inward FDI, CESifo Working Paper Nr. 1355, S. 20; Weichenrieder, Profit Shifting in the EU: Evidence from Germany, passim; Huizinga/Laeven, 92 Journal of Public Economics 2008, 1164 ff.; Schwarz, IStR 2008, 11 (13).

C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma I. Einführung der Zinsschranke 1. Vorgeschichte Bereits im Sommer des Jahres 2005 veröffentlichte die Stiftung Marktwirtschaft ihre Gedanken zu einer möglichen Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland. Hierbei kritisierte sie die damals bestehende Regelung zur Beschränkung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung stark, indem sie § 8a KStG a. F. als „völlig verunglückt“ beschrieb.1 Was die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen betrifft, schlug sie daher – angelehnt an die in den USA praktizierten earning stripping rules2 – einen Kurswechsel vor. Hierzu brachte sie eine allgemeine Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen ins Gespräch. Zinsaufwendungen sollten jeweils nur noch zu einem angemessenen Teil zum sofortigen Steuerabzug zugelassen werden. Hierbei nicht berücksichtigte Anteile sollten in Folgeperioden vorgetragen werden und ggf. dann Berücksichtigung finden. 2. Gesetzgebungsverfahren Zu Beginn der 16. Legislaturperiode zeigten sich unter der Führung der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD Indizien dafür, dass eine Modernisierung der Regelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung angestrebt wird. Bereits im Koalitionsvertrag vom 11.11.2005 finden sich Forderungen nach einer besseren Einschränkung steuermindernder Gestaltungsmöglichkeiten und nach zusätzlichen Maßnahmen zur Sicherung des deutschen Steuersubstrats.3 In einem weiteren Schritt konkretisierte eine unter der Führung des damaligen Bundesfinanzministers Steinbrück und des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Koch stehende Arbeitsgruppe mit dem Titel „Reform der Unternehmenssteuern in Deutschland“ den Willen der neuen Bundesregierung zur Novellierung 1 Stiftung Marktwirtschaft, Kommission Steuergesetzbuch, Entwurf Allgemeines Unternehmensteuergesetz, § 10, S. 9. 2 Für weitere Ausführungen zu den earning stripping rules siehe Ernst, GesellschafterFremdfinanzierung im deutschen und US-amerikanischen Steuerrecht, S. 77 ff. 3 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 11.11.2005, S. 81 ff.

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

der Regelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Bei der Bekanntgabe der nun auch bereits vom Kabinett beschlossenen Eckpunkte der Unternehmensteuerreform 2008 sprach die Arbeitsgruppe am 12.7.2006 von einer neuen Vorgehensweise gegen den Missstand, dass deutsche Konzernunternehmen sich mit übermäßig viel Fremdkapital asymmetrisch so finanzierten, dass der sich im niedriger besteuernden Ausland befindliche Darlehensgeber die Zinseinnahmen versteuere, während die Zinszahlungen im Inland steuerlich mindernd geltend gemacht würden.4 Um diesem Steuersubstratsverlust entgegenzuwirken, diskutierte man mehrere Lösungsmöglichkeiten.5 Nachdem die Überlegungen zur Novellierung des § 8a KStG a. F. mit dem Ersatz der Rechtsfolge der Umqualifizierung durch eine Nichtabzugsfähigkeit nicht mehr weiterverfolgt worden waren, galt das sogenannte Hinzurechnungsmodell zunächst als Favorit des damaligen Bundesfinanzministers.6 Dieses sah die unwiderlegbare und sofortige Nichtabzugsfähigkeit eines bestimmten Teils der Zinsaufwendungen von der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage vor.7 Aufgrund seiner Endgültigkeit führt ein derartiges System aber zu einem direkten Anstieg der kombinierten Ertragsteuerbelastung von Unternehmen und lief damit dem offiziellen Reformziel einer nominellen Steuersenkung entgegen.8 Zu diesem Streitpunkt kam die heftige Kritik der deutschen Wirtschaft an einer derart pauschalen Regelung hinzu, was schlussendlich eine Weiterentwicklung dieser Überlegungen verhinderte.9 Am 2.11.2006 stellte die Arbeitsgruppe einen umfangreichen Maßnahmenkatalog für die Unternehmensteuerreform 2008 vor.10 Als Ziel formulierte sie neben der Abschaffung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG (a. F.) die Einführung eines – nun favorisierten – sogenannten Zinsschrankenmodells. Dieses sollte betriebliche Zinsaufwendungen lediglich in Höhe eines gesetzlich vor­ geschriebenen Prozentsatzes vom Gewinn vor Steuern, Zinsaufwand und Zins­ ertrag, dem sogenannten steuerlichen EBIT (Earnings before Interest and Tax), zum Abzug zulassen.11 Dabei nicht berücksichtigungsfähiger Zinsaufwand sollte in kommende Wirtschaftsjahre vorgetragen und dann bei Eintritt gewisser Umstände steuermindernd geltend gemacht werden können. 4 Bundesregierung, Pressemitteilung 88/2006 v. 12.7.2006; siehe hierzu kritisch Kröner/ Esterer, DB 2006, 2084. 5 Zu den verschiedenen Modellen siehe die Ausführungen von Rödder, DB 2006, 2028 (2029). 6 Höreth/Stelzer/Welter, BB 2006, 2665 (2670); Kröner/Esterer, DB 2006, 2084 (2085); Spohn/Peter, FAZ-online v. 13.2.2007. 7 Rödder, DB 2006, 2028 (2029); Kröner/Esterer, DB 2006, 2084 (2085). 8 Kröner/Esterer, DB 2006, 2084 (2085). 9 Höreth/Stelzer/Welter, BB 2006, 2665 (2670 ff.). 10 BMF, Pressemitteilung Nr. 133/2006 v. 2.11.2006; siehe hierzu auch die Artikel im Handelsblatt v. 3.11.2006, S. 1; 4.11.2006, S. 4 und 5.11.2006, S. 10. 11 Kröner/Esterer, DB 2006, 2084 (2085).

I. Einführung der Zinsschranke

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Doch bereits die ersten Verlautbarungen und vor allem der darauf aufbauende Referentenentwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 5.2.2007 mit der in § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG vorgesehenen Zinsschranke zogen kritische Stimmen auf sich.12 Insbesondere deren Komplexität und die vielen nicht ausreichend präzisierten Begrifflichkeiten und Anwendungsproblematiken stellten Angriffspunkte dar. Trotz nur geringfügiger Änderungen billigte das Bundeskabinett den Gesetzentwurf am 14.3.2007.13 Dies führte aber nicht dazu, dass die Kritik verstummte. Auf Drängen der Vertreter der deutschen Wirtschaft und auf Vorschlag des Finanzausschusses wurde der Kabinettsbeschluss zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag noch einmal geändert.14 Dadurch wurde die bis dato maßgebliche Bemessungsgrundlage zur Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands mit dem Posten der Abschreibungen von EBIT auf EBITDA (Earnings before Interest, Tax, Depreciation and ­Amortization) erweitert.15 Nach Angaben des Finanzausschusses sollte damit erreicht werden, dass Investitionen über Abschreibungen keine nachteilige Wirkung auf die Abzugs­ fähigkeit von Zinsaufwendungen entfalten.16 Dieser Fassung stimmte der Bundestag am 25.5.2007 zu.17 Am 6.7.2007 billigte auch der Bundesrat den Gesetzentwurf,18 bemerkte jedoch in seiner Entschlussbegründung kritisch an, dass die Zinsschranke zielgenau auf missbräuchliche Steuergestaltungen ausgerichtet werden müsse.19 Am 17.8.2007 wurde das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 im Bundesgesetzblatt verkündet.20 3. Offizieller Telos der Regelung „Hauptziel der Unternehmensteuerreform ist […] neben der Erhöhung der Standortattraktivität die langfristige Sicherung des deutschen Steuersubstrats. Durch positive und negative Anreize soll die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland, vor allem durch Unternehmen […] gebremst werden.“21

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Lüdicke, in: Schön (Hrsg.), Einkommen aus Kapital, DStJG 30 (2007), S. 289 (317); BDI/ KPMG, Die Behandlung von Finanzierungsaufwendungen 2007; Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2007, 636 ff.; BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, passim; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419) m. w. N. 13 BMF-Pressemitteilung 26/2007. 14 Siehe hierzu BT-Drs. 16/5452, S. 3, 10. Diese Änderung wurde zwischen der 1. und 2./3. Lesung im Bundestag vorgenommen, siehe hierzu auch Welling, FR 2007, 735 (739). 15 BT-Drs. 16/5452, S. 3. 16 BT-Drs. 16/5452, S. 2. 17 BR-Drs. 384/07. 18 BR-Drs. 384/07, S. 1. 19 BR-Drs. 384/07, S. 2. 20 BGBl. I 2008, S. 1912. 21 BT-Drs. 16/4841, S. 1 [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.].

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

Mit diesen Worten formuliert der Gesetzgeber gleich zu Beginn des Entwurfs des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 27.3.2007 seine Erwartungs­ haltung. Zum Erreichen der übergeordneten Ziele nennt er im ersten Punkt seiner Lösungsansätze auch die Einführung der Zinsschrankenregelung.22 a) Wirtschaftspolitische Zielsetzungen Die Gesetzesbegründung zur Zinsschranke nennt mehrere Absichten, die mit der Einführung der Zinsschranke verfolgt werden. Diese sind nicht immer klar formuliert und bereits innerhalb der Gesetzesbegründung verkürzt wiedergegeben oder unterschiedlich beschrieben. Nichtsdestoweniger lassen sich der Einführung der Zinsschranke – neben deren Einbettung in die oben genannten übergeordneten Ziele der Unternehmensteuerreform – drei wesentliche Zwecke zuordnen. Als ersten Zweck nennt der Gesetzgeber die allgemeine Sicherung des ­deutschen Steuersubstrats. Der Gesetzesbegründung ist hierzu Folgendes zu entnehmen: „Die Einführung einer Zinsschranke [soll] die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland erschweren. […] Mit der Zinsschranke wird das inländische Steuersubstrat gesichert. […] Mit den Regelungen zur Zinsschranke wird die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur Sicherung inländischen Steuersubstrats […] beschränkt.“23

Als zweiten wesentlichen Zweck der Zinsschranke nennt die Gesetzesbegründung die spezielle Bekämpfung missbräuchlicher Unternehmensfinanzierungs­ politik international agierender Konzerne. Dieser Missbrauch trete dann ein, wenn deutsche Konzerneinheiten sich durch die übermäßige Aufnahme von konzerninternem, aber auch konzernexternem Fremdkapital hoch verschulden, um ihre eigentlich in Deutschland entstehenden Gewinne über die Geltendmachung von Zinszahlungen künstlich zu vermindern und ins Ausland zu transferieren.24 Dem solle die Zinsschranke entgegentreten, indem sie einen Anreiz setze, Gewinne in Deutschland zu versteuern, bereits ins Ausland transferiertes Steuersubstrat zurückzuholen und einen Export von Erträgen über Fremdkapitalfinanzierungen zu verhindern.25 Die Gesetzesbegründung hierzu lautet: „Mit den Regelungen zur Zinsschranke wird die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur […] Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen beschränkt. […] Sie soll insbesondere verhindern, dass Konzerne mittels grenzüberschreitender konzerninterner Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland erwirtschaftete Erträge ins Ausland transferieren. Weiterhin soll die Zinsschranke verhindern, dass 22

BT-Drs. 16/4841, S. 1 f. BT-Drs. 16/4841, S. 1, 31, 35 und 48 [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.]. 24 BT-Drs. 16/4841, S. 31. Zur genauen Wirkungsweise dieses „Exports“ an Steuersubstrat siehe Abschn. 1, S. 91. 25 BT-Drs. 16/4841, S. 31 und 35. 23

I. Einführung der Zinsschranke

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Konzerne sich gezielt über ihre deutschen Töchter auf dem Kapitalmarkt verschulden und über die gezahlten Zinsen vor allem in Deutschland die Steuerbemessungsgrundlage verringern.“26

Neben der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats und der spe­ ziellen Missbrauchsvermeidung führt der Gesetzgeber als drittes Ziel die Stärkung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen ins Feld.27 Hierbei moniert er die im internationalen Vergleich geringe Eigenkapitalausstattung der deutschen Wirtschaft.28 Mit der Zinsschranke verfolge er daher auch das Ziel, die hohe Fremd­ kapitalquote deutscher Unternehmen einzuschränken und somit die Insolvenz­ resistenz der deutschen Wirtschaft zu stärken. Der Gesetzesbegründung ist hierzu u. a. Folgendes zu entnehmen: „Deutsche Unternehmen weisen im internationalen Vergleich eine hohe Fremdkapitalquote auf. Dies ist problematisch, da Eigenkapital ein wichtiger Schutz vor Insolvenz ist. Die sog. Zinsschranke bei der Körperschaftsteuer ist deshalb grundsätzlich gegen eine übermäßige Fremdfinanzierung der Unternehmen gerichtet und soll verhindern, dass allein aus Gründen der Steueroptimierung eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt wird.“29

b) Direkte fiskalpolitische Zielsetzungen Zusätzlich zu diesen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen ist die Zinsschrankenregelung aber auch in die Gegenfinanzierungspläne der Unternehmensteuer­ reform 2008 eingebettet.30 Die Reform sollte für die deutsche Wirtschaft lediglich steuerliche Entlastungen von insgesamt EUR 5 Mrd. mit sich bringen.31 Der von der Zinsschranke vorgesehene Beitrag zur Gegenfinanzierung war ursprünglich mit EUR „1.475 Mrd.“32 veranschlagt. Dem stand jedoch noch vor 26 BT-Drs. 16/4841, S. 31 und 35 [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.]. 27 In diesem Sinne auch Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 3 f. Hierbei ist aber zu bemerken, dass verschiedene Autoren diese Zielsetzung der Zinsschranke nicht gesondert wahrnehmen, da sie diese entweder nicht für relevant erachten oder sie wohl dem Aspekt der Missbrauchsvermeidung subsumieren; siehe dazu u. a. Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (556) oder auch Hey, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 109 (122 f.). Ebenso wenig wurde der eigenkapitalfördernde Zweck der Zinsschranke in der Öffentlichen Anhörung der Unternehmensteuerreform 2008 diskutiert; siehe hierzu BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll 16/56. 28 Siehe hierzu auch die dem zustimmende Abbildung in: Ernst&Young/BDI (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 122. 29 BT-Drs. 16/4841, S. 31. 30 Middendorf/Stegemann, INF 2007, 305. 31 BT-Drs. 16/4841, S. 30; Pressemitteilung des BMF Nr. 88/2006; siehe hierzu auch Hey, FR 2008, 1033 (1035); kritisch Drüen, StuW 2008, 3 (12). 32 BT-Drs. 16/4841, S. 42. Hierbei ist die Wirkung des novellierten § 8a KStG n. F. bereits einkalkuliert.

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

Einführung der Zinsschranke die Erweiterung der Abzugsbemessungsgrundlage EBIT auf EBITDA und ein damit einhergehender Aufkommensverlust von EUR 400 Mio. entgegen, womit sich das zu erwartende Gegenfinanzierungs­ volumen auf EUR 1.075 Mrd. reduzierte.33 Weiterhin bedeuteten die in den Jahren 2009 und 2010 stattfindenden Änderungen der Zinsschranke eine weitere Verringerung der erwarteten jährlichen Steuereinnahmen um EUR 360 Mio.34 Die direkten finanziellen Erwartungen der Zinsschranke summieren sich damit auf eine volle Jahreswirkung von EUR 715 Mio. Dieser Summe steht aber noch die durch die Einführung der Zinsschranke hervorgerufene Abschaffung des § 8a KStG a. F. und der damit einhergehende Steuerausfall von EUR 475 Mio. entgegen.35 Die durchschnittlich direkte Mehreinnahmeerwartung der Zinsschranke ist damit gegenüber der vorherigen Regelung von ursprünglichen EUR 1 Mrd. auf EUR 240 Mio. gesunken. Zu den sicherlich noch einzubeziehenden Bürokratiekosten der Finanzverwaltung – die etwa durch die gesonderte Feststellung des Zinsvortrags oder die zusätzlichen Prüfungspflichten entstehen – schweigt die Gesetzesbegründung.36 Daher ist der Betrag der aufgrund der Zinsschranke zu erwarteten Steuereinnahmen von EUR 715 Mio. als nicht vollständige Schätzung zu verstehen. Trotzdem ist nur schwer zu beziffern, welche direkten Steuereinnahmen mit der Zinsschranke eingebracht werden. Dies liegt daran, dass das fiskalpolitische Ziel dieser Regelung insbesondere die Vermeidung von Steuersubstratsverschiebung ins niedriger besteuernde Ausland ist. Das Ausmaß dieses Unterlassens kann aber nur durch das Ansteigen anderer Steuerquellen berechnet werden, da sich hierdurch – ohne direkten Bezug zur Zinsschranke – andere Steuerbemessungsgrundlagen erhöhen.37 Dass die Beweisführung hier jedoch nur sehr schwer möglich ist, zeigten bereits die Versuche der Bundesregierung, den Schaden der aktuell angenommenen Steuersubstratsverschiebung einzuordnen. Aufgrund der schwierigen Datenlage und Informationsasymmetrien ist eine valide Schadensbezifferung derzeit wohl nicht möglich.38 33 Homburg, FR 2007, 717 (728) sowie Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 5; Thiel, FR 2007, 729 (730). 34 BT-Drs. 17/15, S. 12 f. In den Berechnungen wirkte sich die Erweiterung der Toleranzgrenze der Eigenkapital-Klausel von einem auf zwei Prozentpunkte mit EUR 100 Mio., die Erhöhung der Freigrenze von einer auf drei Millionen Euro mit EUR 60 Mio. und die Einführung der EBITDA-Vortragsmöglichkeit mit EUR 200 Mio. negativ auf die jährlichen Mehreinnahmeerwartungen aus. 35 BT-Drs. 16/4841, S. 43. 36 Siehe hierzu BT-Drs. 16/4841, S. 36, lfd. Nr. 3 „gesonderte Feststellung des Zinsvortrags durch das Finanzamt (Verwaltung)“. 37 Vgl. hierzu auch BT-Drs. 16/4841, S. 31. 38 Siehe hierzu die kritischen Bemerkungen über die möglichen Berechnungen derartiger Schadensstrukturen in Abschn. (aa), S. 206 und Abschn. (bb), S. 209; ähnlich auch Neumann, Ubg 2009, 461 (462).

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke Als eines der Kernelemente der Unternehmensteuerreform 2008 regelt § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG die Abzugsfähigkeit von betrieblichen Zinsaufwendungen neu.39 Während betriebliche Zinsaufwendungen bisher grundsätzlich steuerlich abzugsfähig waren, gilt dies nun nur noch ausnahmsweise. Zugleich novellierte der Gesetzgeber die bisherige Norm zur Bekämpfung der Gesellschafter-Fremd­ finanzierung, indem er § 8a KStG a. F. umformulierte, ihm die Selbstständigkeit entzog und ihn nun als Spezifikation der Anwendung der Zinsschranke auf Kapitalgesellschaften definierte. Nach § 52 Abs. 12d EStG bzw. § 34 Abs. 6a Satz 3 KStG war § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG erstmals auf Wirtschaftsjahre anwendbar, die nach dem 25.5.2007 begonnen und nicht vor dem 1.1.2008 geendet haben.40 Eine Übergangs- oder Bestandsschutzregelung für damals bereits existierende Finanzierungsverhältnisse ist aus dem Gesetzeswortlaut nicht ersichtlich.41 Seit ihrer Einführung unterlag die Zinsschrankenregelung bereits drei Änderungsmaßnahmen.42 Mit dem JStG 200943 erweiterte der Gesetzgeber § 4h Abs. 5 EStG und schloss damit eine als steuerschädlich erkannte Gestaltungslücke.44 Und obwohl das BMF zum Ende des Jahres 2008 noch von einer hinreichend krisenfesten Ausgestaltung der Zinsschranke sprach,45 beschloss noch dieselbe (Große) Koalition aus CDU, CSU und SPD, die für die Einführung der Zinsschranke verantwortlich zeichnete, mit dem „Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung“46 zur Jahresmitte 2009 bereits eine zweite Änderung. Mit dieser beugte sich der Gesetzgeber insbesondere der in Deutschland im Jahr 2008 und 2009 herrschen 39 BGBl. I 2007, S. 1912. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Folgende keine vollständige Erläuterung bzw. Kommentierung der Regelungen des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG beabsichtigt. Es soll lediglich das Regelungskonzept dargestellt werden. Für eine detailliertere Kommentierung siehe etwa Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 1 ff.; Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 1 ff.; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 1 ff. und § 8a, Rz. 1 ff.; Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 1 ff. 40 Siehe BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 1. 41 So auch Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 3. 42 In diesem Zusammenhang soll nicht auf die Ergänzungen des § 4h EStG durch die Modifikationen in § 42 AO sowie die Änderungen im AStG im JStG 2008 eingegangen werden, da diese Änderungen die Zinsschranke nur indirekt betreffen. 43 Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2764, BStBl. I 2009, S. 74; siehe erläuternd auch die BT-Drs. 16/11055 und 16/11108. 44 Siehe hierzu ausführlich Beinert/Benecke, Ubg 2009, 169 (172); BT-Drs. 16/11108, S. 15, 37; Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 117. 45 BMF, Ubg 2009, 71. 46 BGBl I 2009, S. 1959; BR-Drs. 567/09.

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

den Finanz- und Wirtschaftskrise und „entschärfte“ die Zinsschranke, indem er die Freigrenze von EUR 1 Mio. auf EUR 3 Mio. anhob.47 Aufgrund seiner überwiegend optimistischen Haltung in Bezug auf ein baldiges Abklingen der Wirtschaftskrise befristete der Gesetzgeber die Lockerung der Freigrenze nach § 52 Abs. 12d Satz 3 EStG i. d. F. des Bürgerentlastungsgesetzes zeitlich.48 Rück­ wirkend galt die Änderung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der Zinsschranke und durfte letztmalig für Wirtschaftsjahre in Anspruch genommen werden, die zum 31.12.2009 endeten.49 In der 17. Legislaturperiode ergab sich eine neue politische Mehrheit. Vor allem die neu in die Regierungsverantwortung gekommene FDP hatte sich bereits vor den Bundestagswahlen als ein starker Kritiker der Zinsschrankenregelung hervorgetan. So forderte sie u. a. in einem eigenen Gesetzentwurf vom 27.3.2009 weitgehende Änderungen des § 4h EStG.50 In eine ähnliche Richtung zielende Empfehlungen waren bereits vom Finanzausschuss zu vernehmen gewesen.51 Unverkennbar ist der Einfluss dieser Vorschläge daher im Koalitionsvertrag der neuen Regierungsparteien vom 26.10.2009. In diesem Zusammenhang bekundeten die Unterzeichner die Absicht, weitere Änderungen an der Zinsschranke vorzunehmen.52 Mit Beginn der Regierungsarbeiten führten diese Ansichten und die anhaltende wirtschaftlich schwierige Lage der deutschen Unternehmen zum Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (WaBeschG)53 und damit zur bisher dritten und jüngsten Gesetzesänderung. Diese enthielt die Abschaffung der temporären Begrenzung der Erhöhung der Freigrenze und die Einführung der auch rückwirkend geltenden Möglichkeit eines EBITDA-Vortrags. Zusätzlich

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Kritik aufgrund der krisenverschärfenden Wirkung der Zinsschranke übten bereits im Jahr 2007 Schön, FAZ v. 15.3.2007, S. 12 und Eickhorst, BB 2007, 1707 ff.; weiterhin Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4; dem folgend Blaufuß/Lorenz, StuW 2009, 323 ff.; Rödding, DStR 2009, 2649; Eilers/Bühring, DStR 2009, 137 ff. m. w. N. Siehe in diesem Zusammenhang auch die empirischen Untersuchungen bei Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 ff. Die damalige wirtschaftliche Lage wurde von der Bundesregierung als „schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“ beschrieben, siehe hierzu BT-Drs. 17/15, S. 10. Relativierende Ansichten zur krisenverschärfenden Wirkung der Zinsschranke finden sich bei Neumann, Ubg 2009, 461 ff. 48 BR-Drs. 168/09, S. 2; BT-Drs. 16/13429, S. 43 ff.; zur optimistischen Haltung des Gesetzgebers siehe Rödding, DStR 2009, 2649 (2659). 49 BT-Drs. 16/13429, S. 49. 50 BT-Drs. 16/12525, S. 2. Zu diesen Forderungen gehörte insbesondere eine Vortragsmöglichkeit für nicht genutzte EBITDA-Abzugspotentiale, die Erweiterung des Toleranzrahmens beim Eigenkapitalvergleich auf fünf Prozentpunkte und die Abschaffung der Buchwertkürzungen bei Holdinggesellschaften. 51 BR-Drs. 545/1/08, S. 3 ff. 52 Wachstum. Bildung. Zusammenhalt – Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP v. 26.10.2009, 17. Legislaturperiode, S. 11. 53 BGBl. I 2009 S. 3950; BT-Drs. 17/15; BT-Drs. 17/138; BT-Drs. 17/147. Die Zustimmung des Bundesrats erfolgte am 18.12.2009.

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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wurde der Toleranzrahmen beim Eigenkapitalvergleich im Rahmen der Eigen­ kapital-Klausel von einem auf zwei Prozentpunkte erweitert.54 1. Inhalt der Vorschrift Im Grundsatz begrenzt § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG als einkommensteuerliche Gewinnermittlungsvorschrift die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen eines Betriebs in vier Teilschritten. Unbeschränkt und sofort abzugsfähig sind Zinsaufwendungen nach § 4h Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz EStG zunächst bis zur Höhe des Zinsertrags. Darüber hinausgehende Zinsaufwendungen – der so­genannte Nettozinsaufwand – finden nach § 4h Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA ebenfalls sofortige steuermindernde Berücksichtigung. Diese zweite Abzugsgrenze ist nach Satz 2 derselben Vorschrift als 30 v. H. des steuerlichen EBITDA definiert. Diese Begrenzung kann laut § 4h Abs. 1 Satz 4 EStG durch ggf. aus Vorjahren bestehende sogenannte EBITDA-Vorträge55 erhöht werden und stellt damit als dritter Teilschritt die Obergrenze sofortiger Abzugsmöglichkeit dar. Sollte der Nettozinsaufwand auch diese Schranke überschreiten, so ist der Überhang in einem vierten Schritt nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG als sogenannter Zinsvortrag in die nachfolgenden Wirtschaftsjahre unbeschränkt übertragbar. Dieser Teil der Zinsaufwendungen erfährt also keine sofortige Abzugsfähigkeit, kann aber bei Eintritt verschiedener Bedingungen zukünftig gewinnmindernd berücksichtigt werden. In drei Ausnahmefällen ist dieser Grundsatz jedoch nicht anwendbar und sämtliche Zinsaufwendungen bleiben in voller Höhe abzugsfähig. Dies tritt ein, wenn (1) der Nettozinsaufwand geringer ist als die Freigrenze von EUR 3 Mio. (§ 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG) oder (2) der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört (sogenannte Konzern- oder Stand Alone-Klausel nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG) oder (3) der Betrieb zwar konzernzugehörig ist, seine Eigenkapitalquote aber über oder maximal um zwei Prozentpunkte unter der Eigenkapitalquote des Gesamt­ konzerns liegt (sogenannte(r) Eigenkapital-, Escape- bzw. Öffnungs-Klausel oder Eigenkapital(quoten)vergleich nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG). Zusätzlich verschärft der novellierte § 8a KStG insbesondere mit den Absätzen 2 und 3 die Zinsschranke für Körperschaften. Diese Absätze knüpfen die Nutzung der Ausnahmefälle der Konzern- und Eigenkapital-Klausel an die Bedingung, dass das Nichtvorliegen einer schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung nachgewiesen wird. 54

Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 121. Siehe dazu Abschn. dd), S. 122.

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a) Tatbestandsvoraussetzungen aa) Persönlicher Anwendungsbereich Als im Einkommensteuergesetz kodifizierte Gewinnermittlungsvorschrift entfaltet § 4h EStG grundsätzlich Wirkung für fremdkapitalfinanzierte natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und über § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 8a KStG auch für Körperschaften, soweit diese einen inländischen Betrieb mit gewerb­ lichen und im Inland steuerpflichtigen Einnahmen unterhalten.56 Die Zinsschrankenregelung wirkt entgegen ihrer Vorgängerregelung nicht nur für Körperschaften, sondern für Schuldner aller Rechtsformen und umfasst hierdurch sämtliche in Konzerne einbindungsfähige Betriebe.57 Trotz der üblicherweise personalen Struktur des Einkommensteuergesetzes knüpft der Gesetzeswortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG aber nicht an den Steuer­ pflichtigen selbst an, sondern orientiert sich sachlich an den Zinsaufwendungen eines „Betriebs“. Doch weder im Einkommen- noch im Körperschaftsteuer­ gesetz existiert eine allgemeine Definition des Begriffs „Betrieb“.58 Auch in der Ge­setzesbegründung zur Unternehmensteuerreform sucht man vergebens nach einer näheren Eingrenzung.59 Daher band die FDP die Klärung dieses Sachverhalts in ihre „Kleine Anfrage“ an die Bundesregierung vom 7.3.2007 ein.60 Die Regierungsparteien antworteten, dass in diesem Zusammenhang der allgemeine, einkommensteuerlich und im Rahmen der Gewinnermittlung genutzte Betriebsbegriff heranzuziehen sei.61 Trotzdem bestand aufgrund der Mehrdeutigkeit dieser im Einkommensteuergesetz genutzten Begrifflichkeit weiterer Klärungsbedarf.62 Mit dem BMF-Schreiben vom 4.7.2008 legte die Finanzverwaltung – wenn auch wiederum ohne ihren speziellen Betriebsbegriff im Kontext der Zinsschranke zu definieren – zumindest ihr Verständnis fest, dass die Voraussetzung für das Vorliegen eines Betriebs in diesem Zusammenhang in der Erzielung von Gewinn­einkünften zu sehen sei.63 Dem Betriebsbegriff der Zinsschrankenregelung zu subsumieren sind demnach land- und forstwirtschaftliche Betriebe nach 56 Zur Diskussion bzgl. der atypisch stillen Gesellschaft siehe ausführlich Kraft/MeyerTheobald, DB 2008, 2325 ff. 57 Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 1. 58 Köster-Böckenförde/Clauss, DB 2008, 2213; ähnlich auch Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (114). 59 BT-Drs. 16/4841. 60 BT-Drs. 16/4640. 61 BT-Drs. 16/4835, S. 1 f. Für eine ausführliche Darlegung des Betriebsbegriffs im Rahmen der Zinsschranke siehe u. a. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KStG-Kommentar, § 8a, Rz.  45 ff.; Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz.  28 ff.; Loschelder, in: Drenseck (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 4h, Rz. 28 f. 62 Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (114). Zu den verschiedenen steuerlichen Bedeutungen des Betriebsbegriffs siehe auch Köster-Böckenförde/Clauss, DB 2008, 2213 ff. 63 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 2 ff.

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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§ 13 EStG, Gewerbebetriebe nach § 15 EStG, selbständig Tätige nach § 18 EStG und Betriebe gewerblicher Art nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG (i. V. m. § 4 KStG). Eine Bilanzierungspflicht ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, es genügt eine Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG.64 Aus der vom BMF zur Definition eines Betriebs geforderten Erzielung von Gewinneinkünften lässt sich aber auch schließen, dass Überschusseinkunftsarten von § 4h EStG regelmäßig nicht erfasst werden. Lediglich die Überschusseinkünfte von beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften (isolierende Betrachtung gem. § 49 Abs. 2 EStG) sind nach § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Zinsschranke einzuordnen.65 Was das Verständnis eines Betriebs nach § 16 EStG (Veräußerung des Betriebs) und § 20 UmwStG (Einbringung von Unternehmensanteilen in eine Kapital­ gesellschaft oder Genossenschaft) betrifft, geht neben dem BMF auch das Schrifttum davon aus, dass in diesem Zusammenhang Einzelunternehmer mehrere Betriebe, Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften aber nur einen Betrieb unterhalten können.66 Im Falle von Mitunternehmerschaften ist (ggf. neben Ergänzungsbilanzen) auch das Sonderbetriebsvermögen zum Betrieb zu zählen. Ausnahmsweise werden auch mehrere Kapitalgesellschaften und ggf. eine Personengesellschaft im Rahmen der Zinsschranke fiktiv zu einem Betrieb zusammengefasst. So gelten bei Vorliegen der Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG Organträger und Organgesellschaft als ein Betrieb, wenn deren Konzern (§ 4h Abs. 3 Satz 5 und 6 EStG) mit dem Organkreis deckungsgleich ist.67 Keinen Betrieb stellen hingegen Betriebsstätten oder nicht gewerblich geprägte Personenunternehmen dar.68 bb) Sachlicher Anwendungsbereich In sachlicher Hinsicht knüpft die Zinsschrankenregelung in § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG an die „Zinsaufwendungen“ eines Betriebs an und definiert diese in Abs. 3 Satz 2 derselben Norm als „Vergütungen für Fremdkapital, die den maß 64 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 4; Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 7. 65 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 7. 66 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 3, 7; Kaligin, in: Lademann, EStG Kommentar, Bd. II, § 4h, Rz. 50. 67 Loschelder, in: Drenseck (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 4h, Rz. 27; BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 10. 68 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 5, 9; BT-Drs. 16/4841, S. 77; Tschesche, in: Bordewin/Brandt (Hrsg.), Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Bd. II, § 4h, Rz. 72. Für Betriebsstätten gelten weiterhin die Regelungen zur Dotation mit Eigenkapital, niedergelegt in dem BMF-Schreiben zum Betriebstättenerlass v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, S. 1076, Rz. 2.1; siehe hierzu Korn, KÖSDI 2008, 15866 (15867).

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geblichen Gewinn gemindert haben“.69 Hierbei differenziert die Zinsschrankenregelung nicht zwischen Dauer, Höhe, Angemessenheit oder Struktur der Zinszahlung und erfasst mit ihrem breiten Ansatz ebenso Zinsen aus Konzern- und Gesellschafterbeziehungen wie auch aus Verhältnissen mit Dritten. Spiegelbildlich zum Begriff der Zinsaufwendungen definiert § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG Zinserträge als „Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art, die den maßgeblichen Gewinn erhöht haben“.70 Die Gesetzesbegründung schränkt diese weiten Definitionen etwas ein. Zum einen bindet sie derartige Zinsaufwendungen bzw. -erträge an ihr Entstehen in der inländischen Gewinnermittlung und zum anderen daran, ob die Rückzahlung des Fremdkapitals bzw. der Kapitalforderung oder ein Entgelt für dessen Überlassung zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist. Zusätzlich konkretisiert das BMFSchreiben zur Zinsschranke Zinsentgelte als Aufwendungen bzw. Erträge aus der Überlassung von jeglichem Geldkapital, welches nach steuerlichen Kriterien nicht dem Eigenkapital zuzuordnen ist, und schließt damit Entgelte für die Überlassung von Sachkapital aus.71 Zur Verdeutlichung nennt die Steuer­verwaltung insbesondere Aufwendungen und Erträge für bzw. aus fest und variabel verzinsliche(n) Darlehen, typisch stille(n) Beteiligungen, partiarische(n) Dar­lehen, Gewinnschuld­ verschreibungen oder fremdkapitalähnliche(n) Genussrechtskapitalien.72 Zum Zinsaufwand bzw. -ertrag im Sinne der Zinsschranke zählt das BMF auch Vergütungen mit zinsähnlichem Vergütungscharakter. Hierzu gehören z. B. Damna, Disagien, Vorfälligkeitsentschädigungen, Provisionen und Gebühren zugunsten des Fremdkapitalgebers.73 Ebenso sind nach § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG die Auf- und Abzinsung von unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Verbindlichkeiten oder Kapitalforderungen als Zinserträge bzw. Zinsaufwendungen im Sinne der Zinsschranke anzusehen.74 Ausdrücklich ausgenommen aus der Definition von Zinserträgen und Zinsaufwendungen sind Skonti und Boni sowie Dividenden und Zinsen aus einem Steuerschuldverhältnis nach § 233 AO.75 Grundsätzlich außer Ansatz bleiben auch Ent 69

Ausführlich zu Zinsaufwendungen und Zinserträgen im Rahmen der Zinsschranke siehe Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 27 ff. 70 Siehe hierzu auch das BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 15. 71 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 11; Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 35. 72 Zur zivil-, handels- und steuerrechtlichen Behandlung von Genussrechten und deren Qualifikation als eigen- oder fremdkapitalähnlich siehe u. a. Jehlin, Die steuerliche Behandlung von Genussrechten bei Kapitalgesellschaften, S. 2 ff. 73 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 15. 74 Siehe hierzu die ausführlichen Erläuterungen mit Beispielrechnungen im BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 27; Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 37. 75 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 16.

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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gelte aus Sachdarlehen wie z. B. Miet- und Pachtzinsen, Lizenzgebühren oder bestimmte Leasingvergütungen.76 Aufgrund der Anknüpfung des Zinsbegriffs an den maßgeblichen Gewinn, werden solche Zinsaufwendungen nicht in die Zinsschrankenregelung einbezogen, die nach den sonstigen einkommensteuer­ lichen Vorschriften nicht steuermindernd berücksichtigt werden dürfen.77 Gleiches wider­fährt Zinserträgen, die zwar im Inland entstehen, aber bei der inländischen Gewinnermittlung außer Ansatz bleiben.78 cc) Maßgeblicher Gewinn / verrechenbares EBITDA Der maßgebliche Gewinn ist in § 4h Abs. 3 Satz 1 EStG als der nach einkommensteuerlichen Vorschriften, aber ohne Beachtung der Zinsschrankenregelung ermittelte steuerpflichtige Gewinn eines Betriebs definiert. Die Ermittlung des Gewinns ist in den §§ 4 ff. EStG geregelt und kann je nach Gewinnermittlungsart – Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 5 EStG, Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder nach den Sonderregelungen des § 13a EStG im Bereich der Land- und Forstwirtschaft – unterschiedlich sein.79 Zur Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit nutzt die Zinsschranken­ regelung neben der Höhe der Zinserträge das verrechenbare EBITDA,80 das so viel bedeutet wie: Ertrag vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Gegenstände.81 Legal definiert ist diese – aus der betriebswirtschaftlichen Bilanzanalyse stammende und im Rahmen der Zinsschranke betriebsbedingt zu ermittelnde – Größe in § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG. Dort beschreibt der Gesetzgeber das verrechenbare EBITDA als „30 Prozent des 76

BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 23 ff., 88. Zinsanteile in Leasingraten führen aber grundsätzlich zu Zinsaufwendungen oder -­erträgen, wenn das wirtschaftliche Eigentum am Leasinggegenstand (Sachkapital) auf den Leasing­nehmer übergeht, der Leasinggeber also eine Darlehensforderung und der Leasingnehmer eine Darlehensverbindlichkeit auszuweisen hat. 77 Hierzu zählen z. B. Zinsaufwendungen nach § 3c Abs. 1 und 2 EStG (Ausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen/Ressourcenabflüssen i. V. m. § 3 Nr. 40 EStG), § 4 Abs. 4a EStG (Schuldzinsen bei Überentnahmen) und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8a EStG (Zinsen auf hinterzogene Steuern). 78 In diesem Zusammenhang ist z. B. die ausländische „Freistellungsbetriebsstätte“ zu nennen, die nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA ausschließlich im Ausland besteuert wird; BT-Drs. 16/4841, S. 48. 79 Zu den verschiedenen Gewinnermittlungsarten siehe z. B. Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 13 ff. 80 BR-Drs. 384/07. Hierbei darf das (steuerliche) EBITDA nicht mit dem üblicherweise zur Bilanzanalyse genutzten (betriebswirtschaftlichen) EBITDA verwechselt werden, da diesen unterschiedliche Teilgrößen zugrunde liegen und sich beide daher voneinander unterscheiden können. Für einen Vergleich siehe Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (480). 81 Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz.  38 ff.

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um die Zinsaufwendungen und um die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 abzuziehenden, nach § 6 Abs. 2a Satz 2 gewinnmindernd aufzulösenden und nach § 7 abgesetzten Beträge erhöhten und um die Zinserträge verminderten maßgeblichen Gewinns“. Bei der Berechnung des verrechenbaren EBITDA ist damit der jeweils ermittelte maßgebliche Gewinn eines Betriebs um die Erfolgswirkungen von Zinsaufwendungen und Zinserträgen i. S. d. § 4h Abs. 3 Satz 2–4 EStG zu bereinigen. Zu erhöhen ist das EBITDA um die Absetzungen für Abnutzungen bzw. Substanzverringerungen nach § 7 EStG. Hierzu zählen ebenso Sofortabschreibungen auf geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG sowie die Auflösungsbeträge des Sammelpostens für GWG nach § 6 Abs. 2a Satz 2 EStG.82 dd) EBITDA-Vortrag Mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (WaBeschG) 83 erfolgte die Einführung eines EBITDA-Vortrags. Die bisherige Vorgabe, wonach ein nicht genutztes EBITDA-Abzugspotential verfiel, wenn der vorliegende Nettozinsaufwand geringer war als 30 v. H. des steuerlichen EBITDA, wurde ersetzt. Nun können diese bisher leer laufenden Abzugspotentiale maximal fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden. Dieser EBITDA-Vortrag ist gesondert fest­ zustellen und erhöht die Abzugsmöglichkeiten zukünftiger Wirtschaftsjahre. Hintergrund und Telos dieser Neuregelung ist die Aktivierung von bisher ungenutzten Abzugspotentialen und die Erreichung einer „Glättung des Abzugsvolumens“84 bisher vergangener Wirtschaftsjahre seit dem Veranlagungszeitraum 2007. Nicht eindeutig geregelt ist, wie mit Wirtschaftsjahren zu verfahren ist, in denen die Zinsschranke keine Anwendung findet. So sieht § 4h Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG vor, dass in einem Wirtschaftsjahr, in dem die Zinsschrankenregelung aufgrund der Einschlägigkeit einer der in § 4h Abs. 2 EStG genannten Ausnahmeregelungen nicht zur Anwendung kommt, kein EBITDA-Vortrag gebildet werden kann.85 Nach Ansicht des Schrifttums soll ein bereits gebildeter EBITDAVortrag in derartigen Wirtschaftsjahren aber auch nicht verfallen.86 Strittig ist aber, wie Veranlagungszeiträume zu behandeln sind, in denen die Zinsschranken 82 Zu den Änderungen in § 6 Abs. 2 und 2a EStG durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz siehe Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1 (2). Als Konsequenz ergibt sich, dass der Sofortabzug von Anschaffungs- und Herstellungskosten bis EUR 410 für geringwertige Güter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG bei der Ermittlung der verrechenbaren EBITDA mit einbezogen wird. 83 BGBl. I 2009, S. 3950; BT-Drs. 17/15; BT-Drs. 17/138; BT-Drs. 17/147. Die Zustimmung des Bundesrats erfolgte am 18.12.2009. 84 BT-Drs. 17/15, S. 18. 85 Siehe hierzu auch Kessler/Lindemer, DB 2010, 472. 86 Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1 (4). Für Überlegungen zur Beweislastumkehr bei der Vorlage der Konzern- bzw. Eigenkapital-Klausel siehe Gemmel/Loose, NWB 2010, 262 (266).

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regelung auch ohne Anwendbarkeit einer Ausnahmeregelung nicht zur Anwendung kommt.87 Dies ist z. B. der Fall, wenn in einem Jahr schlicht keine Zinsaufwendungen anfallen oder sogar ein Zinsertragsüberhang besteht und daher bereits mangels eines sachlichen Anknüpfungspunkts der Anwendungsbereich der Zinsschranke nicht eröffnet ist. Bisher ist weder im Schrifttum noch von Seiten der Finanzverwaltung hierzu ausführlich Stellung genommen worden. Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG und den Telos der Zinsschrankenregelung bejahen aber einzelne Stimmen aus dem Schrifttum bei Vorliegen eines Zinsertragsüberhangs die Bildung eines EBITDA-Vortrags.88 Die Finanzverwaltung scheint gegen diese Sicht bisher eine ablehnende Haltung einzunehmen.89 b) Rechtsfolgen aa) Abzugsbeschränkung und Zinsvortrag Die grundsätzliche Rechtsfolge der Zinsschrankenregelung ist nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG die aktuelle steuerliche Nichtabzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen, welche die Summe aus Zinserträgen, verrechenbarem EBITDA und ggf. bestehenden EBITDA-Vorträgen übersteigen.90 Die Zinsschranke führt in diesen Fällen zu einer Gewinnkorrektur außerhalb der Steuerbilanz und erhöht den Gesamtbetrag der Einkünfte des betroffenen Betriebs um den nicht abzugsfähigen Betrag, was direkt zu einer höheren Steuerzahlung führt.91 Die nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen können nach § 4h Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG in einen – vom zuständigen Finanzamt gesondert festzustellenden – Zinsvortrag eingestellt werden und sind in die folgenden Wirtschaftsjahre unbegrenzt übertragbar. Dort erhöhen sie deren Zinsaufwendungen, nicht jedoch deren maßgeblichen Gewinn. Die Auflösung bzw. steuerliche Berücksichtigung dieses Zinsvortrags tritt aber nur insofern ein, als der laufende Nettozinsaufwand der folgenden Wirtschafts 87

Rödding, DStR 2009, 2649 (2651). Siehe hierzu Rödder, DStR 2010, 529 (530); dem Ergebnis folgend Herzig/Liekenbrock, DB 2010, 690; Bohn/Loose, DStR 2011. S. 241 (246); a. A. Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 44 ff. 89 Siehe hierzu die Ausführungen von Möhlenbrock, in: Drüen (Hrsg.) JbFStR 2010/2011, S. 129; andeutend Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 102 (108). 90 § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG. Zu den Wirkungen der Zinsschranke auf andere steuerliche Vorschriften, mit denen es zu Anwendungskonflikten kommen kann, wie z. B. § 42 AO (Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten), § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8b KStG (Beteiligungen an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen), oder zum Außensteuerrecht siehe u. a. Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 16 ff. 91 Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 41; Lenz/Dörfler/Adrian, Ubg 2010, 1; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (553). 88

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jahre geringer ist als das dort geltende verrechenbare EBITDA. Zur sofortigen und unbeschränkten Auflösung des Zinsvortrags kommt es, wenn die Zinsschranke in einer der folgenden Wirtschaftsperioden keine Anwendung findet. Im Ergebnis führt § 4h EStG i.V.m § 8a KStG bei Auflösung des Zinsvortrags durch die damit bewirkte zeitlich verzögerte Berücksichtigung der Zinsaufwendungen lediglich zu einem Zins- und Liquidationsnachteil beim Schuldner­betrieb92 und wirkt wie ein zinsloses Darlehen an den Staat. Löst sich der Zinsvortrag aber nicht auf, so besteht in der Höhe des nicht aufgelösten Betrags eine endgültige Besteuerung der betroffenen Zinsaufwendungen. Beim Empfänger der als nicht abzugsfähig qualifizierten Zinsen führt § 4h EStG zu keinerlei Änderung und damit zu einer steuerlichen Gleichbehandlung mit nicht von § 4h EStG erfassten Zinsentgelten.93 Die Wirkung der Zinsschranke führt also zwar nicht zu einer juristischen, aber zumindest zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, wenn Zinsentgelte nicht nur vom Empfänger, sondern auch vom betroffenen Schuldnerbetrieb zu versteuern sind.94 bb) Untergang eines nicht verbrauchten Zins- oder EBITDA-Vortrags § 4h Abs. 5 EStG regelt den partiellen bis vollständigen Untergang eines nicht verbrauchten Zins- bzw. EBITDA-Vortrags. § 4h Abs. 5 Satz 1 EStG bestimmt, dass bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebs die nicht verbrauchten Zinsund EBITDA-Vorträge vollständig untergehen. Nach Ansicht des Schrifttums geschieht dies auch dann, wenn der Betrieb unentgeltlich und zu Buchwerten nach § 6 Abs. 3 EStG übertragen wird.95 Das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer Gesellschaft führt nach § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG zum anteiligen Untergang. Hierbei richtet sich der betroffene Anteil nach der Quote, mit welcher der Aus­ geschiedene an der Gesellschaft beteiligt war.96 Speziell für Körperschaften gilt nach § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG die analoge Anwendung des § 8c KStG auf bestehende Zinsvorträge.97 Ein solcher Vortrag geht 92

Loschelder, in: Drenseck (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 4h, Rz. 1 ff. Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 8; Hierstetter, DB 2009, 79. 94 Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 43; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (553). 95 Schwoon, Die Zinsschranke im Konzern, S. 51; Kaligin, in: Lademann, EStG Kommen­ tar, Bd. II, § 4h, Rz. 78 ebenso Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (121); dem folgend Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 112. 96 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 52; für weitere Ausführungen siehe Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 115 ff. 97 Beußer, FR 2009, 49 (51); siehe hierzu auch Schmidt-Fehrenbacher, Ubg 2008, 469 ff. 93

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somit bei einem binnen fünf Jahren stattfindenden, mindestens mittelbaren Anteilseignerwechsel von mehr als 25 v. H. anteilig, bei einem Wechsel von mehr als 50 v. H. sogar vollständig unter.98 In diesem Zusammenhang wurden die Regelungen zum Zinsvortag nach § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG und § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG nicht auf den EBITDA-Vortrag ausgeweitet.99 Auch die Regelungen des UmwStG beeinflussen die Behandlung eines bestehenden Zins- bzw. EBITDA-Vortrags. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG sieht vor, dass Vorträge im Falle einer Verschmelzung oder eines Formwechsels nicht übergehen. Dies geschieht nach § 15 Abs. 3 UmwStG ebenso bei einer Abspaltung, wobei sich hier der Wert des Zinsvortrags quotal in Höhe des übergehenden gemeinen Werts mindert. Weiterhin verbietet § 20 Abs. 9 UmwStG den Transfer eines Zins- bzw. EBITDA-Vortrags bei Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. § 24 Abs. 6 UmwStG weitet dieses Verbot auch auf die Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft aus. § 52 Abs. 12d Satz 5 EStG regelt die unterschiedlichen Erstanwendungen der jeweiligen Vorschriften.100 c) Ausnahmeregelungen aa) Freigrenze Der Grundsatz der Zinsschranke findet bei Erfüllung der in § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG genannten Voraussetzungen keine Anwendung und sämtliche Zinsaufwendungen bleiben abzugsfähig. Dies ist der Fall, soweit der Betrag des betriebsbezogen zu ermittelnden Nettozinsaufwands weniger als EUR 3 Mio. beträgt.101 Aus dem vom Gesetzgeber genutzten Wort „soweit“ lässt sich erkennen, dass es sich hierbei um eine Freigrenze handelt. Dies hat zur Konsequenz, dass ein Nettozinsaufwand von gleich oder mehr als EUR 3 Mio. für den gesamten Zinsaufwand zur sofortigen Nichtanwendbarkeit dieser Ausnahmeregelung führt. Diese Regelung beinhaltet bereits eine der ersten Änderungen der Zinsschranke. Bei Einführung der Unternehmensteuerreform 2008 sah die Regelung der Freigrenze noch einen Betrag von EUR 1 Mio. vor. Diese Freigrenze wurde durch das 98 Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 53 f. 99 Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 243. 100 Zu bemerken bleibt, dass nach § 52 Abs. 12d Satz 5 EStG i. d. F. des WaBeschG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2006 begannen und vor dem 1.1.2010 endeten, auf Antrag ein sogenannter fiktiver EBITDA-Vortrag errechnet werden konnte. Dieser ist dem verrechenbaren EBITDA der Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2009 endeten, hinzuzufügen; siehe hierzu Kessler/Lindemer, DB 2010, 472 (473). 101 Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 28 f.; Loschelder, in: Drenseck (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 4h, Rz. 15.

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Bürgerentlastungsgesetz zunächst temporär und durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auch rückwirkend bis zur Erstanwendung der Zinsschranke dauerhaft auf EUR 3 Mio. angehoben.102 Damit kam es de facto zu keiner wirksamen Anwendung der ursprünglich vorgesehenen Höhe der Freigrenze. Der Nettozinsaufwand ist aus dem Vergleich der Zinsaufwendungen und Zinserträge der betrachteten Periode zu errechnen. Umstritten ist hierbei allerdings, ob in diese Berechnung – neben den in dem betrachteten Jahr entstandenen Zinsaufwendungen und Zinserträgen – zusätzlich auch ggf. ein noch aus den Vorjahren stammender Zinsvortrag mit einzubeziehen ist. Befürworter stützen sich auf den Wortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 6 EStG, in dem es heißt, dass ein Zinsvortrag die Zinsaufwendungen der Folgejahre erhöht.103 Gegner dieser Ansicht verneinen den Einbezug mit der teleologischen Auslegung der Vorschrift. Hierzu führen sie – unter Hinweis auf den vom Gesetzgeber beabsichtigten Entlastungseffekt – die Möglichkeit einer damit unvereinbaren Belastung durch den Einbezug des Zinsvortrags in den Freigrenzentest ins Feld.104 Mittlerweile hat auch die Finanz­ verwaltung Stellung zu dieser Frage genommen und Partei für die Befürworter eines Einbezugs des Zinsvortrags in die Berechnung ergriffen.105 bb) Konzern-Klausel § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG, der als Konzern- oder auch Stand Alone-Klausel bezeichnet wird, nimmt Betriebe von dem Anwendungsbereich der Zinsschrankenregelung aus, wenn jene den Nachweis erbringen, am vorangegangenen Abschlussstichtag nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört zu haben.106 Ergänzt wird diese Ausnahmeregelung durch Satz 5 und 6 des Absatzes 3 derselben Vorschrift, welche die Konzernzugehörigkeit anhand einer erweiterten Konzerndefinition abgrenzen.107 Hierdurch zählen sie neben den Betrieben, die 102

Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. IV, § 4h EStG, Rz. 41. 103 Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 49 ebenso Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 73; Tschesche, in: Bordewin/Brandt (Hrsg.), Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Bd. II, § 4h, Rz. 62. 104 So z. B. Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 33; Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 41; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (133 f.); kritisch Prinz, FR 2008, 441 (442). 105 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 46. 106 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 68; siehe hierzu z. B. Schwedhelm/Finke, GmbHR 2009, 281 (284 f.) oder, etwas anwendungs­ orientierter, Weber-Grellet, DStR 2009, 557 ff. 107 Erker, Kompensation für Steuern – Steuerrecht und gesellschaftsrechtliche Treuebindung, S. 23.

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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nach dem jeweilig angewandten Rechnungslegungsstandard vollständig in einen Konzernabschluss einzubeziehen sind, auch diejenigen Betriebe zu einem Konzern im Sinne der Zinsschrankenregelung, die vollkonsolidiert werden könnten. Im Rahmen der Zinsschranke sind damit auch Betriebe konzernzugehörig, die z. B. aus Wesentlichkeits- oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nach § 246 HGB oder IAS 27.10 üblicherweise nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden.108 Ebenso als konzernzugehörig gelten Betriebe, die ihre Finanzund Geschäftspolitik gemeinsam bestimmen (sogenanntes control-Konzept nach IAS 27). Eine solche Beziehung ist bei einer mittelbaren oder unmittelbaren absoluten Mehrheitsbeteiligung eines einzelnen Anteilseigners anzunehmen.109 Was den maßgeblichen Rechnungslegungsstandard betrifft, gibt § 4h Abs. 3 Satz 5 i. V. m. Abs. 2 lit. c Satz 8 ff. EStG eine Reihenfolge vor. Vorrangig sind die Abschlüsse einheitlich nach den IAS/IFRS (International Accounting Standards/ International Financial Reporting Standards) zu erstellen. Sollte in den letzten fünf Wirtschaftsjahren kein Konzernabschluss nach den IAS/IFRS offen gelegt worden sein, kann das deutsche HGB oder ein vergleichbares Handelsrecht eines europäischen Mitgliedstaats genutzt werden. Sollte weder nach IAS/IFRS noch nach einem anderen mitgliedstaatlichen Rechnungslegungsstandard ein Konzernabschluss erstellt worden sein, können auch die US-GAAP (United States – Generally Accepted Accounting Principles) herangezogen werden.110 Das bedeutet: Wenn ein Betrieb zu einem Konzern gehört, der die IAS/IFRS als Grundlage für seinen Konzernabschluss nutzt, so wird die tatsächliche oder potentielle Konzernzugehörigkeit über die Vorgaben dieses Rechnungslegungsstandards beurteilt. Nutzte ein Konzern in den letzten fünf Jahren keine IAS/IFRS, sind ersatzweise zuerst die handelsrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats heranzuziehen, bevor auf die US-GAAP zurückgegriffen werden darf. Stellt ein Konzern seinen Abschluss nach mehreren Rechnungslegungsstandards auf, ist ebenfalls die oben erwähnte Rangfolge zu beachten. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses besteht.111 Als klassische Beispiele für Betriebe, die nicht zu einem Konzern gehören, nennt die Gesetzesbegründung Einzelunternehmer und Kapitalgesellschaften im 108 Zu Ausführungen zum Konsolidierungskreis des Mutterunternehmens nach IAS/IFRS siehe Waschbusch/Steiner, StB 2008, 73 ff. 109 BT-Drs. 16/4841, S. 50; BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 60. 110 Die US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften finden nur dann Anwendung, wenn die Erstellung und Offenlegung verpflichtend ist und der so erstellte Konzernabschluss nach der Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 über den konsolidierten Abschluss in der jeweils geltenden Fassung erstellt worden ist und nach den §§ 292 i. V. m. 291 HGB be­ freiend wirkt bzw. wirken könnte. Siehe hierzu auch BT-Drs. 16/4841, S. 48 f. 111 Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (135); vertiefend zum Bereich der Rechnungslegungspflichten nach IAS/IFRS/USGAAP Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, 1261 ff.

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

Streubesitz ohne weitere Beteiligungen.112 Deren Status ändert sich auch nicht, wenn sie ein oder mehrere Betriebsstätten im Ausland haben.113 Gleiches gilt für einen Organkreis, falls er im Rahmen der Zinsschranke als ein Betrieb gilt, was dann der Fall ist, wenn neben diesem keine weiteren Konzerngesellschaften vorhanden sind.114 Ebenso nicht konzernangehörig sind Gemeinschaftsunternehmen, die im Rahmen der quotalen Konsolidierung in den Konzernabschluss Eingang finden, wenn sie nicht von einem einzelnen Rechtsträger beherrscht werden.115 cc) Eigenkapital-Klausel Die Eigenkapital-Klausel bildet die dritte Ausnahme vom Grundsatz der Zinsschranke. Diese in § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG festgelegte Bestimmung suspendiert die Anwendung der Zinsschrankenregelung, wenn ein Betrieb zwar konzernzugehörig ist, dessen Eigenkapitalquote grundsätzlich aber nicht unter der des Konzerns liegt.116 Zur Vermeidung von Härtefällen bestimmt § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c Satz 2 EStG eine Toleranzgrenze, wonach die Voraussetzung der Eigen­kapital-Klausel auch noch als erfüllt anzusehen ist, wenn die Eigenkapitalquote des Betriebs die des Konzerns um maximal zwei Prozentpunkte unterschreitet. Diese Zwei-Prozent-Grenze gilt jedoch erst seit dem Veranlagungszeitraum 2010. Zuvor bestand eine Toleranzgrenze von einem Prozentpunkt, welche dann durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz dauerhaft angehoben wurde.117 § 4h Abs. 2 Satz 3 EStG beschreibt die Eigenkapitalquote als das Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme, die für jeden einzelnen Betrieb im Rahmen des Konzernabschlusses auf Grundlage seines Jahres- oder Einzelabschlusses zu ermitteln ist. Die zu vergleichende Eigenkapitalquote des Konzerns und des von der Zinsschranke betroffenen Betriebs sind einheitlich mit dem Rechnungslegungsstandard zu ermitteln, nach dem der Konzernabschluss erstellt ist. Für den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Rechnungslegungsstandard sind die zuvor gemachten Aussagen zur Konzern-Klausel analog anzuwenden.118 Zu den Kor 112

BT-Drs. 16/4841, S. 48. BT-Drs. 16/4841, S. 50; BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 64. 114 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 10, 65; Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 42; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 124. 115 BT-Drs. 16/4841, S. 50. 116 Für eine ausführlichere Kommentierung siehe Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 45 ff.; Tschesche, in: Bordewin/Brandt (Hrsg.), Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Bd. II, § 4h, Rz.  91 ff.; Heuermann, in: ders. (Hrsg.), Blümich – EStG/KStG/GewStG, Bd. I, § 4h EStG, Rz. 70 ff. 117 Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 121. 118 Dazu Abschn. bb), S. 126. 113

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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rekturen des zu errechnenden betrieblichen Eigenkapitals und der Bilanzsumme sei auf das BMF-Schreiben zur Zinsschranke verwiesen.119 Als zeitlicher Bezugspunkt der Berechnungen dient die Bilanz am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtags. Neugründungen nutzen die Eröffnungsbilanz.120 d) Besonderheiten für Körperschaften aa) Maßgebliches Einkommen anstatt maßgeblicher Gewinn Was die analoge Anwendung der Zinsschrankenregelung auf Körperschaften angeht, bezieht sich § 8a Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz KStG i. V. m. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Berechnung des steuerlichen EBITDA nicht auf den maßgeblichen Gewinn, sondern auf das maßgebliche Einkommen. Hintergrund dieser Änderung der Begrifflichkeiten ist, dass das Körperschaftsteuergesetz nicht an dem im Einkommensteuergesetz im Rahmen der Zinsschranke genutzten Gewinnbezug anknüpft, sondern generell nach § 7 Abs. 1 KStG an den Begriff des Einkommens. Daher sind Bestandteile des maßgeblichen Einkommens neben den einkommensteuerlich nicht abziehbaren Aufwendungen auch die speziell körperschaftsteuerlich nicht abziehbaren Betriebsausgaben wie z. B. verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 KStG, nach den §§ 9 und 10 KStG steuerlich nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen sowie Teile der Aufsichtsratsvergütungen oder auch Hinzurechnungsbeträge aus dem Außensteuergesetz. Gleichzeitig sind im maßgeblichen Einkommen damit aber z. B. keine Dividenden und Veräuße­ rungsgewinne enthalten, soweit sie nach § 8b KStG steuerfrei sind. Um zum verrechenbaren EBITDA für Körperschaften nach § 8a Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG i. V. m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG zu gelangen, ist daher das ermittelte körperschaftsteuerliche Einkommen zusätzlich zu den in § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG beschriebenen Korrekturposten zu berechnen. Die Berechnung des körperschaftsteuerlichen Einkommens findet ohne Berücksichtigung der Zinsschrankenregelung, des Verlustabzugs nach § 10d EStG sowie der Abzüge i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG statt.121

119 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 75 ff.; hierzu auch Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 24 f. 120 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 70. 121 Siehe auch BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 41, sowie die tabellarische Übersicht zur Errechnung des steuerlichen EBITDA für Körperschaften bei Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 50.

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

bb) Suspendierung der Konzern-Klausel Nach § 8a Abs. 2 KStG ist die Konzern-Klausel nach § 4h Abs. 2 lit. b EStG lediglich dann für nicht konzernzugehörige Körperschaften nutzbar, wenn die Körperschaft nachweist, dass keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt. Dies ist nach § 8a Abs. 2 KStG dann anzunehmen, wenn die Fremd­ kapitalvergütungen, die an einen mindestens mittelbar beteiligten, wesentlichen Gesellschafter (Beteiligung >25 v. H.), an eine diesem nahestehende Person oder an einen auf die zuvor genannten Parteien rückgriffsberechtigten Dritten gezahlt worden sind, nicht mehr als zehn v. H. des betrieblichen Nettozinsaufwands betragen. cc) Suspendierung der Eigenkapital-Klausel Für konzernzugehörige Körperschaften und solchen nachgeordneten Mitunter­ nehmerschaften knüpft § 8a Abs. 3 KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 a. E. EStG die Nutzung der Eigenkapital-Klausel nach § 4h Abs. 2 lit. c EStG daran, dass der Steuer­ pflichtige ein Nichtvorliegen schädlicher Gesellschafter-Fremdfinanzierung nachweist.122 In diesem Zusammenhang verwendet § 8a Abs. 3 KStG zwar eine ähnliche Definition für Gesellschafter-Fremdfinanzierung, wie sie auch für die Rückausnahme zur oben beschriebenen Konzern-Klausel herangezogen wird. Doch entgegen dem in § 8a Abs. 2 KStG genutzten direkten Bezug auf den von der Zinsschranke betroffenen Konzern fordert § 8a Abs. 3 KStG das Nichtvor­liegen von Gesellschafter-Fremdfinanzierung zwischen jeglichen konzernzugehörigen Gesellschaften und nicht konzernzugehörigen wesentlichen Anteilseignern, nahestehenden Personen oder Dritten, die auf die zuvor genannten Parteien rückgriffsberechtigt sind.123 Bestandteile bei der Überprüfung schädlicher Gesellschafter-Fremdfinanzierung i. S. d. § 8a Abs. 3 KStG sind damit die Verbindlichkeiten an den zuvor genannten Personenkreis, die im Konzernabschluss auszuweisen sind und sich demnach nicht im Rahmen der Schuldenkonsolidierung auflösen.124 Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber verhindern, dass durch die Fremdfinanzierung konzernzugehöriger Gesellschaften über konzernexterne Gesellschafter oder gleichgestellte Dritte die Eigenkapitalquote des Konzerns manipuliert wird, um dem

122

Siehe auch die allgemeinen Ausführungen von Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 515 ff. BT-Drs. 16/4841, S. 75; BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 80. Zum Streit, ob rein ausländische Sachverhalte in diese Prüfung mit einzubeziehen sind, siehe Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz.  57 ff. 124 Ganzauge/Mattern, DStR 2008, 213 (214). 123

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

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von der Zinsschranke betroffenen Betrieb die Nutzung der Eigenkapital-Klausel zu ermöglichen.125 dd) Strittige Berechnung der Zehn-v. H.-Grenze Strittig und mittlerweile auch Gegenstand eines Verfahrens vor dem Niedersächsischen Finanzgericht126 ist die Weise, wie die Finanzverwaltung die Berechnung des Vergleichs der Fremdkapitalentgelte auslegt. Wortwörtlich spricht die Formulierung der Definition von Gesellschafter-Fremdfinanzierung in § 8a KStG sowohl in Abs. 2 als auch in Abs. 3 von Vergütungen für Fremdkapital, die „an einen“ zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligten Anteilseigner, an eine diesem nahestehende Person oder an einen auf beide erstgenannten Personen rückgriffsberechtigten Dritten gezahlt werden. Das BMF legt im Schreiben vom 4.7.2008 seine Interpretation dieser Definition dar und kommt zu dem Schluss, dass die Vergütungen für Fremdkapital aller betroffenen Personen zusammenzurechnen sind, bevor sie mit der Schädlichkeitsgrenze von zehn v. H. des Nettozinsaufwands zu vergleichen sind.127 Stimmen im Schrifttum lehnen diese Interpretation jedoch ab, indem sie sich auf den Wortlaut berufen und aus ihm ableiten, dass für jeden der wesentlich beteiligten Anteilseigner ein isolierter Vergleich mit der Schädlichkeitsgrenze zu erstellen sei.128 Auch das Niedersächsische Finanzgericht sieht die Auslegung des BMF kritisch und erachtet sie als „ernstlich zweifelhaft“.129 Eine Lösung dieses Konflikts bleibt daher dem Rechtsweg überlassen. 2. Vereinfachtes Prüfungsschema Die nachfolgende Abbildung gibt die wesentlichen Prüfungsschritte des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG vereinfacht wieder:130

125

Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 160. 126 Niedersächsisches FG, Beschluss v. 18.2.2010, 6 V 21/10, DStR 2010, 597. 127 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 82 ebenso Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (171), die jedoch auch die Gegenmeinung für durchaus vertretbar halten. 128 Schaden/Käshammer, BB 2007, 2259 (2260); Korn, KÖSDI 2008, 15866 (15876); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, S. 448 (499); a. A. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuer­ reform 2008, S. 107 (111). 129 Niedersächsisches FG, Beschluss v. 18.2.2010, 6 V 21/10, DStR 2010, 597. 130 Für weitere, meist komplexere Prüfungsschemata siehe u. a. Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (482); Korn, KÖSDI 2008, 15866 (15868 f.); Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 107 (111).

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C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

Liegt ein Betrieb im Sinne der Zinsschranke vor?

Nein

Ja

Nettozinsaufwand > 0?

Nein

Ja

Nettozinsaufwand > = Freigrenze von EUR 3 Mio.?

Nein

Ja

Nettozinsaufwand > verrechen­ bares EBITDA?

Sofortiger Zinsabzug in voller Höhe und ggf. Bildung eines EBITDAVortrags

Nein

Ja

EBITDA-Vortrag < verbleibender Betrag des Nettozinsaufwands?

Nein

Ja Nein

Konzern-Klausel erfüllt?

Ja

Nein

Eigenkapital-Klausel erfüllt?

Ja

Gilt Rückausnahme GesellschafterFremdfinanzierung? (nur für Körperschaften)

Ja

Zinsabzug nur in Höhe der Summe aus Zinserträgen, verrechenbarem EBITDA und bestehenden EBITDAVorträgen: Rest ist in Zinsvortrag einzustellen

Nein

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 4: Vereinfachtes Prüfungsschema der Zinsschranke

3. Ergebnis Die obigen Ausführungen zum Regelungskonzept der Zinsschranke machen deutlich, dass diese die Funktion der bisher genutzten Missbrauchsvermeidungsnormen übernehmen soll, womit sie auf die direkten Auswirkungen des oben beschriebenen Tetralemmas reagiert. Mit dem Konzept der Zinsschranke erkennt der Gesetzgeber an, dass das Tetralemma momentan unveränderbar ist. Durch die Rechtsfolge der Nichtabzugsfähigkeit der als schädlich qualifizierten Zinsaufwendungen unternimmt es der Gesetzgeber nämlich nicht, die steuerliche Vorteilhaftigkeit europaweiter Kon-

II. Das Regelungskonzept der Zinsschranke

133

zernfinanzierung dadurch zu bekämpfen, dass er eine Modifikation der nationalen, bilateralen oder europarechtlichen Vorgaben herbeiführt. Zugleich passt sich die Zinsschranke mit ihrer Rechtsfolge auch an die Herausforderungen des vierten Eckpunkts des Tetralemmas, dem in einer Steuersatzsenkung resultierenden „Wettbewerb“ der Steuerrechtsordnungen, an. Hierfür sorgt die Möglichkeit, dass ein Zinsvortrag für die von der sofortigen steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossenen Zinsaufwendungen gebildet werden kann. Im Rahmen der für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland geltenden Rechnungsstandards IAS/IFRS131 bzw. US-GAAP führt die Möglichkeit der Bildung eines Zinsvortrags – bei Annahme von dessen zukünftiger Auflösung132 – über die Pflicht zur Bildung aktiver latenter Steuern (deferred tax asset) zu keinem Anstieg der im internationalen Geschäftsverkehr wichtigen Konzernsteuerquote.133 Gerade wegen der Anerkennung des Tetralemmas reagiert die Zinsschranke auch auf dessen direkte Auswirkungen. Dank ihres weiten persönlichen Anwendungsbereichs kann die Zinsschranke die Abzugsfähigkeit sämtlicher Zinsaufwendungen von in Deutschland steuerpflichtigen Konzernunternehmen einschränken. Dafür sorgt die Rechtsformneutralität dieser Regelung, die unter Bezugnahme auf die Betriebsdefinition jegliche in Konzernstrukturen einbindungsfähige Unternehmen erfasst und damit die Berücksichtigung von deren Zinsaufwendungen auf den vom Gesetzgeber für angemessen gehaltenen Betrag limitieren kann. Die Zinsschranke zeichnet sich nicht nur durch einen weiten persönlichen, sondern auch durch einen ausgedehnten sachlichen Anwendungsbereich aus. Gegen eine missbräuchliche Downstream-Inbound-Finanzierung134 als klassische Form der Gesellschafter-Fremdfinanzierung interveniert die Zinsschranke, indem sie sämtliche konzerninterne Fremdkapitalfinanzierungsentgelte erfasst. Davon sind (auch) jegliche Zinszahlungen an andere Konzernunternehmen betroffen. Zusätzlich verschärft § 4h EStG i. V. m. § 8a Abs. 2 und 3 die Anforderungen zur Nutzung der Eigenkapital- und Konzern-Klausel für Kapitalgesellschaften 131

Siehe hierzu erläuternd Waschbusch/Steiner, StB 2008, 19 ff. Für die nötigen prognostizierbaren Größen zur Belegung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Auflösung des Zinsvortrags siehe Kirsch, DStR 2007, 1268. Für den Fall, dass ein Zinsvortrag nicht aufgelöst werden kann bzw. untergeht, siehe Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 110. 133 Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al. (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 51; Hick, in: Raupach (Hrsg.), Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Bd. II, § 4h EStG, Rz. 110. Für den allgemeinen Einfluss aktiv latenter Steuern auf die Berechnung der Konzernsteuerquote siehe Schmundt, Die Prognose von Ertragsteuern im Discounted Cash Flow-Verfahren, S. 47 ff. und auch Kirsch, DStR 2007, 1268. Im deutschen Handelsrecht ist nach § 274 Abs. 2 HGB die Bildung von aktiven latenten Steuern als Wahlrecht ausgestaltet. Zum Begriff der Konzernsteuerquote siehe Abschn. a), S. 83 und zu deren Wichtigkeit Mammen, Die Konzernsteuerquote als Lenkungsinstrument, passim. 134 Siehe Abschn. a), S. 92. 132

134

C. Die Zinsschranke als funktionale Antwort auf das Tetralemma 

um die Auflage einer nun neu definierten Form der Gesellschafter-Fremdfinanzierung durch wesentlich beteiligte Anteilseigner, ihnen nahestehende Personen und rückgriff­berechtigte Dritte. Da es bei der Anwendung der Zinsschranke auch unerheblich ist, auf welcher Stufe des Konzerns sich das fremdkapitalfinanzierte Unternehmen befindet, sind von diesen Regelungen auch Upstream-InboundFinanzierungen135 betroffen.136 Weiterhin erfasst die Zinsschranke mit ihrem breiten Zinsbegriff auch konzernexterne bzw. Zinszahlungen an Dritte. Da damit ebenso Zinsentgelte für die gezielte Refinanzierung von konzerninternen Auslandsbeteiligungen erfasst sind, trägt § 4h EStG auch dafür Sorge, dass OutboundFinanzierungen137 eingeschränkt werden. Mit diesen drei grundsätzlichen Regelungsinhalten kann § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG die steuerlichen Vorteile der Downstream- und Upstream-InboundFinanzierungen bekämpfen, welche bisher durch § 8a KStG a. F. eingeschränkt waren bzw. bislang durch die europarechtlich fragwürdigen §§ 7 ff. AStG geregelt sind. Dies gilt ebenso für die bisher zumindest von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG erfasste Outbound-Finanzierung. Damit kann § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG als eine funktionale Antwort auf die Herausforderungen des Tetralemmas angesehen werden.

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Siehe Abschn. b), S. 93. Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (318). 137 Siehe Abschn. c), S. 94. 136

D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung Die vorherigen Ausführungen zeigen, dass die Funktionsweise der Zinsschranke es ermöglicht, den Auswirkungen des Tetralemmas entgegenzutreten. Von diesen Voraussetzungen ausgehend gilt es daher, in einem nächsten Schritt zu über­prüfen, ob es dem Gesetzgeber mit § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG gelungen ist, neben einer funktionalen auch eine rechtskonforme Antwort auf die dargestellten Herausforderungen zu geben. Der dritte Teil dieser Arbeit beinhaltet deshalb die Prüfung der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit der Zinsschrankenregelung mit den steuerrechtlich zentralen Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG und der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. Im Mittelpunkt steht die Zinsschranke als solche und damit die Vereinbarkeit ihres Grundkonzepts mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Deshalb sollen im Folgenden auch keine verfassungsrechtlichen Kritikpunkte an der konkreten Ausgestaltung der Zinsschranke besprochen werden. Nicht Bestandteil dieser Analyse sind demzufolge das Verhältnis des allgemeinen Gleichheitssatzes zur Freigrenze, die unterschiedliche Anwendung von Rechnungslegungsstandards oder auch die variierende Behandlung von Körperschaften und Personengesellschaften.1

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG Die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes verlangt die rechtlich und tatsächlich gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen durch Steuergesetz­ gebung, Finanzgerichtsbarkeit und Finanzbehörden.2 Aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht hervor, dass wesentlich Gleiches seinem Wesen nach gleich und wesentlich Ungleiches seinem Charakter entsprechend ungleich zu behandeln sei.3 Fraglich ist aber, was Gleiches und was Unglei 1 Vgl. bspw. Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, S. 75 ff.; München, Die Zinsschranke – eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung. 2 Spindler, in: Drüen (Hrsg.), JbFStR 2009/2010, S. 21 (28). 3 BVerfGE 110, 412 (431) (Teilkindergeld); BVerfGE 116, 164 (180) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 122, 210 (230) (Neuregelung Pendlerpauschale); BVerfGE 123, 111 (119) (Jubiläumsrückstellungen); BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 35 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer).

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

ches ist und woran Gleich- und Ungleichbehandlung zu erkennen sind. Um nicht zu einer Worthülse zu verkommen, benötigt der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als systemtragendes Prinzip materieller Rechtsstaatlichkeit daher einen Maßstab, anhand dessen überprüft werden kann, ob die Forderung nach Gleichbehandlung erfüllt wird oder nicht. 1. Maßstäbe a) Messung steuerlicher Gleichbehandlung aa) Historischer Hintergrund Was die Lösung dieses Kernproblems materieller Steuergerechtigkeit betrifft, fand das Leistungsfähigkeitsprinzip Akzeptanz in Deutschland. Verfassungsrechtlich schlug sich diese Belastungsidee bereits in Art. 134 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) nieder.4 So heißt es dort, dass die Staatsbürger „im Verhältnis ihrer Mittel“ der Steuergesetzgebung nachzukommen haben. Das deutsche Grundgesetz enthält zwar keine solche Vorschrift. Doch auf der Grundlage dieser Tradition knüpft das Bundesverfassungsgericht bei der steuerspezifischen Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG an Art. 134 WRV an.5 So gilt auch heute das Prinzip der Leistungsfähigkeit als Ausfluss der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes. Art. 3 Abs. 1 GG ist damit die grundlegende Gerechtigkeitsvorstellung des Grundgesetzes und bildet bei der Gesetzesanwendung den Ausgangspunkt für Steuer­ gerechtigkeit, indem es die Steuerlast in Relation zur individuellen wirtschaft­ lichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen aufteilt.6 Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip auseinandergesetzt und geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Steuerbelastung mit Ertragsteuern von Verfassungs wegen durch die Leistungsfähigkeit eines jeden Steuerpflichtigen bestimmt sein muss. Hierzu und damit als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes diene das Leistungsfähigkeitsprinzip. Es erschaffe einen Maßstab, anhand dessen die gleichmäßige Steuerbelastung von Steuerpflichtigen zu beurteilen sei.7 4

P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (323). Birk, Steuerrecht, Rz. 188; kritisierend Kruse, StuW 1990, 322 (328). 6 Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 11, 24 f. 7 Beispielsweise BVerfGE 6, 55 (67) (Steuersplitting); BVerfGE 8, 51 (68 f.) (1. Partei­ spenden-Urteil); BVerfGE 9, 237 (243) (Ehegatten-Mitwirkungsverträge); BVerfGE 13, 290 (297) (Ehegatten-Arbeitsverhältnisse); BVerfGE 14, 34 (41) (Veranlagung unverheirateter Personen); BVerfGE 27, 58 (64) (Kilometerpauschale); BVerfGE 32, 333 (339) (Ergänzungsabgabe); BVerfGE 36, 66 (72) (Stabilitätszuschlag); BVerfGE 43, 108 (118 ff.) (Kinderfreibetrag); BVerfGE 47, 1 (29) (Hausgehilfin); BVerfGE 55, 274 (302) (Berufsausbildungsabgabe); 5

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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bb) Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes (1) Diskussion um den Verfassungsrang Einige Autoren sprechen dem Leistungsfähigkeitsprinzip jegliche verfassungsrechtliche Relevanz ab und fordern aufgrund seiner Unbestimmtheit, auf dessen Anwendung zu verzichten.8 Dieser Mindermeinung steht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs9 und des Bundesverfassungsgerichts10 entgegen, die insbesondere die Einkommensteuer als auf die Erfassung der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet beschreibt und damit die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit unterstreicht. Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts geht seit dem Jahr 1957 sogar davon aus, dass der Gleichheitssatz seine Ausprägung im Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit findet.11 Dementsprechend legt sich auch die h. L. auf die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips fest. Lediglich in der Umschreibung unterscheiden sich die Äußerungen. So erachtet Spindler das Leistungsfähigkeitsprinzip als eines der „systemtragenden Prinzipien“ des Steuerrechts.12 Tipke erhebt es zum sachgerechten Fundamentalprinzip der Besteuerung bzw. zum ethischen Axiom; er beschreibt außerdem BVerfGE 61, 319 (343 ff.) (Ehegattensplitting); BVerfGE 66, 214 (223) (Zwangsläufige Unterhaltsaufwendungen); BVerfGE 68, 143 (152 f.) (Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG); BVerfGE 82, 60 (86 f.) (Steuerfreies Existenzminimum); BVerfGE 122, 210 (242) (Neuregelung Pendlerpauschale). 8 So sieht Kruse, StuW 1990, 322 (330), das Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich als eine von vielen Differenzierungsmöglichkeiten an, die dem Gesetzgeber bei Umsetzung des Gleichheitssatzes zur Verfügung stünden. Ohne einen anderen Maßstab vorzuschlagen (er spricht hier lediglich davon, dass die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit mit „anderen Differenzierungsgründen“ konkurriert), moniert er die Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzips und sieht in ihm keine exklusive Ableitung aus dem allgemeinen Gleichheitssatz. Dieses sei lediglich finanzwissenschaftliches Postulat, aber kein normativer Rechtssatz. Zu weiteren Mindermeinungen siehe Gassner/M. Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Gutachten 14. ÖJT, Bd. III/1, 2000, S. 72, 118; hiergegen Birk, StuW 2000, 328 ff. Siehe auch Martens, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 1987, 39 ff.; hiergegen Tipke, StuW 1988, 262 (270). 9 BFH, BStBl. II 2003, S. 403; BFH, BStBl. II 2003, S. 407; BFH, BStBl. II 2007, S. 167; BFH-Beschluss v. 10.1.2008 – VI R 17/07, DB 2008, 206. 10 Beispielhaft BVerfGE 82, 60 (87 f.) (Steuerfreies Existenzminimum); BVerfGE 105, 73 (126 f.) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 107, 27 (47) (Doppelte Haushaltsführung). 11 BVerfGE 6, 55 (67 ff.) (Steuersplittung); BVerfGE 8, 51 (68 f.) (1. Parteispenden-Urteil); BVerfGE 61, 319 (343, 344) (Ehegattensplitting); BVerfGE 43, 108 (120) (Kinderfreibetrag); BVerfGE 13, 290 (297) (Ehegatten-Arbeitsverhältnisse); BVerfGE 29, 402 (412) (Konjunkturzuschlag); BVerfGE 32, 333 (339) (Ergänzungsabgabe); BVerfGE 26, 66 (72) (Zulassung der Nebenklage); siehe hierzu auch J. Lang, StuW 2007, 3 (4). 12 Spindler, in: Drüen (Hrsg.), JbFStR 2009/2010, S. 21 (23, 28).

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die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als verfassungsrechtlichen Auftrag des Gesetzgebers, welcher diesen anleite, die Gesetzesauslegung bestimme und die individuelle Varianz der Steuerrechtsfolgen eingrenze.13 Mellinghoff und Papier klassifizieren die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Verlangen des Gleichheitssatzes in seiner steuerspezifischen Anwendung.14 Ebenso ist auch J. Lang zu verstehen, wenn er das Leistungsfähigkeitsprinzip zum „dominieren­ de[n] Maßstab“ der Steuergerechtigkeit erklärt.15 (2) Notwendigkeit einer Konkretisierung Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt somit zum einen, dass der Gesetzgeber – im Interesse einer verfassungsrechtlich geforderten gleichmäßigen Verteilung der Steuerlasten – Steuerpflichtige bei gleich hoher Leistungsfähigkeit folglich auch steuerlich gleich hoch belastet (horizontale Richtung).16 Für die Besteuerung von unterschiedlich hohen Einkommen gilt daher zum anderen eine angemessene unterschiedliche Besteuerung (vertikale Richtung).17 Allzu offensichtlich ist, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip damit nur vage Leitlinien vorgibt, inwieweit eine Besteuerung dem Gleichheitssatz entspricht. Grund dafür ist der hohe Abstraktionsgrad und Rang des Leistungsfähigkeitsprinzips, welches durch weitere Unterprinzipien darum so lange konkretisiert werden muss, bis es sich auf jegliche wesentlich unterschiedliche Leistungsfähigkeiten differenzierend auswirken kann. Daher bedarf auch das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die gleichmäßige Besteuerung unterschiedlich leistungsfähiger Steuerpflichtiger der Konkretisierung.18 Um dieses Ziel zu erreichen, muss von der Tatsache ausgegangen werden, dass sich die Steuerlast aus der multiplikatorischen Kombination von Bemessungsgrundlage und Steuersatz ergibt. Einerseits bestimmt das Einkommen als Bemessungsgrundlage der Ertragsteuern die zu belastende Größe und bildet damit die unterschiedliche Leistungsfähigkeit ab. Andererseits führt der Steuertarif – in der konkreten Form des Steuersatzes – die so ermittelte Leistungsfähigkeit einer Steuerbelastung zu. Daher unterstehen sowohl diese beiden Faktoren als auch deren Ergebnis in Form der tatsächlichen Steuerbelastung dem Primat der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Form des Leistungsfähigkeitsprinzips. Steuertarif 13

Resümierend bei P. Kirchhof, StuW 1985, 319 ff.; dazu auch Tipke, StuW 1994, 58. Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3 zu Heft 20–21, 3 (8); Papier, DStR 2007, 973 (975). 15 J. Lang, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 4, Rz. 88 [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 16 Z. B. BVerfGE 107, 27 (46 f.) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 112, 268 (279) (Kinderbetreuungskosten); Jochum, DStZ 2010, 309 (310); Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (879). 17 Z. B. BVerfGE 82, 60 (89) (Steuerfreies Existenzminimum); BVerfGE 99, 246 (260) (Kinderexistenzminimum I); BVerfGE 123, 111 (120) (Jubiläumsrückstellungen). 18 P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (327); Bach, StuW 1991, 116 (119). 14

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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und Steuerbemessungsgrundlage dürfen also nicht isoliert voneinander betrachtet werden.19 Für die Bestimmung des Steuertarifs ergeben sich aus dem Postulat der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit jedoch lediglich marginale Konkretisierungsvorgaben, auf die in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden soll.20 Wesentlicher wird es aber, wenn man die Auswirkungen des Gleichheitssatzes auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und, infolgedessen, auf die Steuerbemessungsgrundlage betrachtet. In den vorherigen Ausführungen wurde bereits ein dementsprechendes Vorgehen des Gesetzgebers dargestellt. Weil jenes aber auf Kosten einer stetigen nominalen Steuersatzsenkung die Bemessungsgrundlage strapaziert, muss hier nach den Grenzen eines derartigen Vorgehens gefragt werden. Zudem erweckt die ständige Ausweitung der Bemessungsgrundlage21 durch den Gesetzgeber den Eindruck, diese stünde zur seiner freien Disposition. Diesbezüglich hat jedoch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur Erbschaftsteuer durchaus deutlich gemacht, dass eine nicht im Einklang mit dem Gleichheitssatz konzipierte Bemessungsgrundlage zur Verfassungswidrigkeit führt.22 Diese Ansicht lässt sich auch auf andere Ertragsteuern übertragen.23 Daher ist es insbesondere Aufgabe der Zusammensetzung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, Ausgangpunkt für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit und, daran unmittelbar anknüpfend, für die Bestimmung der individuellen, aber gleichmäßig verteilten Steuerlast zu sein. In diesem Zusammenhang erfordert der hohe Abstraktionsgrad des Leistungsfähigkeitsprinzips jedoch weitere Konkretisierungen. Im Rahmen der steuerlichen Bemessungsgrundlage erzeugt das Leistungsfähigkeitsprinzip seine Wirkungskraft insbesondere durch seine mit einander verbundenen Aus­prägungen des Gebots der Folgerichtigkeit und des objektiven Nettoprinzips.24 19

BVerfG, NJW 2006, 1191 (1194 dort Rz. 47). BVerfGE 99, 246 (260) (Kinderexistenzminimum I); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale); BVerfGE 82, 60 (89) (Steuerfreies Existenzminimum); BVerfGE 99, 246 (260) (Kinderexistenzminimum I); BVerfGE 107, 27 (46 f.) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 116, 164 (180) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale). P. Kirchhof, StuW 2000, 316 (323); P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 273. 21 Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (86). 22 BVerfGE 117, 1 ff. (Erbschaftsteuer). 23 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 267. 24 Diese Wirkkraft ist auch daran zu erkennen, wenn nach P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (321), das Leistungsfähigkeitsprinzip auf mehreren Ebenen auf die Steuergesetzgebung und die Steueranwendung Einfluss nimmt. Dazu zählt Kirchhof die Anknüpfung der Besteuerung an zahlungsfähigkeitsgenerierende Quellen wie Einkommen und Vermögen, welche insbesondere unter Rücksicht auf die erwerbssichernden Ausgaben zu belasten seien. Weiterhin fordere das Leistungsfähigkeitsprinzip den Gesetzgeber auf, auch das Zusammenwirken verschiedener Steuern zu beachten und damit auch die steuerliche Gesamtwirkung der verschiedenen dem Steuerpflichtigen auferlegten Steuerbelastungen am Anspruch der Leistungs­ fähigkeit zu messen. Als weiteren Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips beschreibt er die grundsätzlich konstante Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung. Dieses Gebot der Folgerichtigkeit müsse insbesondere Auswirkungen auf die Steuerbemessungsgrundlage haben und sich bei der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Einkommensteuer 20

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

cc) Gebot der Folgerichtigkeit (1) Allgemein Bei der Auswahl von Steuergegenständen ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei25 und kann sich bei der steuerlichen Erfassung mit der Einkommensentstehung (Einkommen), dem Vermögen oder der Einkommensverwendung (Konsum) 26 an verschiedenen Leistungsfähigkeitsindikatoren orientieren.27 Hierbei ist es ihm – mit Ausnahme eines willkürlichen Vorgehens28 und von Beschränkungen mit Bezug zum Vermögen29 – grundsätzlich überlassen, wie er diese Leistungsfähigkeitsindikatoren einsetzt. Damit eine einmal getroffene Belastungsgrundentscheidung beibehalten wird, leitet das Bundesverfassungsgericht – gemeinsam mit den Stimmen der Wissenschaft30 – das Gebot der Folgerichtigkeit als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes her und beschreibt es zusammen mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip als „eng miteinander verbundene Leitlinie“.31 Zur Sicherstellung einer inneren Stringenz des Steuerrechts verlangt das Gebot der Folgerichtigkeit damit die konsequente Weiterführung einer einmal getroffenen Belastungsentscheidung.32 Beispielhaft ausgedrückt bedeutet dies: Wenn der Gesetzgeber u. a. im Grundsatz einer konsequenten Umsetzung des Netto- und Periodizitätsprinzips widerspiegeln. 25 Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit, S. 57 ff.; siehe hierzu auch J. Lang in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 9, Rz. 801; Hey, DStR 2009, 2561 (2562); in diesem Sinne ebenso BFH v. 25.2.2010, BStBl. II, S. 784 ff., Rz. 19; BVerfGE 123, 111 (Jubiläumsrückstellungen). 26 Zur Befürwortung einer konsumorientierten Besteuerung durch die Volkswirtschaftslehre siehe beispielsweise Petersen, StuW 2006, 266 ff. 27 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 15. 28 Hey, DStR 2009, 2561 (2562). 29 BVerfGE 93, 121 (Einheitswerte II). 30 Beginnend P. Kirchhof z. B. in StuW 1985, 319 (321); Schneider, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 87; Spindler, in: Drüen (Hrsg.), JbFStR 2009/2010, S. 21 (23 f.); Hey, DStR 2009, 2561. 31 BVerfGE 84, 239 (271) (Zinsbesteuerung); BVerfGE 105, 73 (125) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 107, 27 (46 f.) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 112, 268 (279) (Kinderbetreuungskosten); BVerfGE 116, 164 (180) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (30) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale); BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 35 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). A. A. Lepsius, JZ 2009, 260 (263), wenn er das Gebot der Folgerichtigkeit als „richterrechtlich erfunden[es] Prinzip“ und seine verfassungsrechtliche Ableitung als „richterrechtliche[n] Irrtum“ bezeichnet [Einfügungen in den Zitaten in eckigen Klammern durch den Verf.]. 32 BVerfGE 123, 111 (120) (Jubiläumsrückstellungen); P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 43; Drüen, StuW 2008, 3 (9). A. A. Lepsius, JZ 2009, 260 (262), der hinsichtlich der Verpflichtung des Gesetzgebers auf die Weiterführung seiner einmal getroffenen Belastungsgrundentscheidung moniert, dass damit die Stufen der Normhierarchie ausgetauscht würden, da neue Gesetze nicht an der Verfassung selbst, sondern an anderen Gesetzen gemessen würden. Dem ist entgegenzubringen, dass diese Meinung freilich nur dann akzeptiert werden kann, wenn man das Gebot der Folgerichtigkeit nicht als verfassungsrechtliche Verpflichtung anerkennt.

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sich für die Besteuerung des Einkommens im Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit von betrieblichem Aufwand einmal entschieden hat, so darf er von dieser Grundentscheidung nicht ohne weiteres abrücken.33 Das Gebot der Folgerichtigkeit bindet den Gesetzgeber an seine selbst getroffene Belastungsentscheidung.34 Di Fabio verwendet in diesem Zusammenhang das plastische Bild des „Gefangene[n] der eigenen Entscheidung“.35 Ohne eine derartige Bindung könnte der Gesetz­geber die Forderung nach gleichmäßiger Besteuerung im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips einfachgesetzlich überspringen, indem er schlicht verschiedene Steuertatbestände bestimmt und diesen jeweils die gleiche Leistungsfähigkeit zuordnet. Gerade bei Fragen der Folgerichtigkeit legt das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit eine sehr enge Auslegung der Abweichungsmöglichkeiten an den Tag und zollt diesem Gebot damit hohe Beachtung.36 Wichtige Schritte stellen hierbei die Beschlüsse zur Erbschaftsteuer37 und zur Neuregelung der Pendlerpauschale38 dar. In der ersten Entscheidung betonte das Gericht in aller Deutlichkeit die Ausflüsse der gleichheitsrechtlichen Vorgaben und erkannte in der vom Gesetzgeber definierten Bemessungsgrundlage keine folgerichtige Ableitung der Belastungsentscheidung, die dieser zuvor getroffen hatte. In der Entscheidung zur Neuregelung der Pendlerpauschale durchkreuzte das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer festgestellten Verletzung des Gebots der Folgerichtigkeit die unter dem Stichwort „Werkstorprinzip“ ins deutsche Steuerrecht eingeführte Neuregelung zur steuerlichen Berücksichtigung der Fahrtkosten von Berufspendlern. Mit der Begründung einer ungerechtfertigten Durchbrechung der folgerichtig umzusetzenden Belastungsgrundentscheidung stoppte das Bundesverfassungsgericht auch hier die Pläne des Steuergesetzgebers. (2) Prinzipien- bzw. Systemwechsel Fraglich ist in diesem Zusammenhang, inwieweit der Gesetzgeber durch einen Prinzipien- bzw. Systemwechsel den Vorgaben des Gebots der Folgerichtigkeit entgehen kann und somit nicht mehr an bereits getroffene Grundentscheidungen gebunden ist. Insbesondere Politiker beklagen nämlich, dass der Gesetzgeber wegen der Anforderungen der Folgerichtigkeit an einmal gefällte Grundentscheidungen gebunden ist. Im Kern dreht sich die Argumentation darum, inwieweit eine gesetzliche Regelung dem Gebot der Folgerichtigkeit überhaupt unterliegt, wenn 33

Siehe dazu etwa BVerfGE 126, 268 (279 f.) (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). Hey, DStR 2009, 2561 (2563) spricht in diesem Zusammenhang von einer „empfind­ lichen Beschränkung“ des Gesetzgebers. 35 Di Fabio, JZ 2007, 749 (754) [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 36 P. Kirchhof, StuW 2000, 316; ebenso Hey, DStR 2009, 2561. 37 BVerfGE 117, 1 ff. (Erbschaftsteuer). 38 BVerfGE 122, 210 (Neuregelung Pendlerpauschale). 34

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sie sich auf eine neue Grundentscheidung bzw. auf einen Systemwechsel stützt und sich damit nicht mehr von älteren Belastungsentscheidungen ableiten lässt. Logischerweise (und auch folgerichtig) dürfte eine derartige Regelung nicht den Ausflüssen anderer, bereits bestehender Grundentscheidungen unterliegen.39 Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund anzuerkennen, dass es dem Gesetzgeber zugestanden sein muss, einen steuerlichen Systemwechsel herbeizuführen, ohne durch das Gebot der Folgerichtigkeit und die daraus hervorgehende Beachtung bereits bestehender Grundentscheidungen seinen legislativen Freiraum zu verlieren.40 Mit dieser Argumentation beabsichtigte der Gesetzgeber bei der verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzung zur Neuregelung der Pendlerpauschale Ende des Jahres 2008 die Verteidigung seiner Gesetzesmodifikation.41 Die Abkehr von der (weitgehend) steuerlich unbeschränkten Berücksichtigung der beruflich bedingten Fahrten vom Wohnort zum Arbeitsplatz (§§ 9 Abs. 2, 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG a. F.) 42 rechtfertigte er mit dem sogenannten Werkstorprinzip, welches er als gleichrangige Grundentscheidung seiner ursprünglichen Belastungsentscheidung präsentierte.43 Mit dem Werktorprinzip versuchte der Gesetzgeber zu begründen, dass der im Jahr 2007 noch geltenden Regelung nicht zu folgen sei, da diese sich auf das objektive Nettoprinzip und eben nicht auf das Werktorprinzip stütze. Daher sei das Folgerichtigkeitsgebot nicht anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht nahm diese Argumentation auf und bezog speziell zur Pendlerpauschale, aber auch darüber hinaus Stellung.44 So führte der Zweite Senat aus, dass zwar die grundsätzliche Möglichkeit bestehe, den Gesetzgeber vom Gebot der Folgerichtigkeit zu entbinden. Dies setze aber voraus, „dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen“ und dieses „nach Ziel und Wirkung ein Mindestmaß an neuer (Prinzipien- oder) Systemorientierung“ nicht vermissen lasse.45 Insbesondere für den Fall einer Änderung von Teilbereichen einer bereits bestehenden Grundentscheidung forderte das Bundesverfassungsgericht greifbare Anhaltspunkte, die ein sukzessives Verwirklichen des Grundkonzepts er­kennen ließen.46

39

Hey, DStR 2009, 2561 (2564); ähnlich P. Kirchhof, StuW 2000, 316 (324). BVerfGE 122, 210 (242) (Neuregelung Pendlerpauschale); Lepsius, JZ 2009, 260 (262). 41 Siehe hierzu auch die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Bundesregierung im Fall der Neuregelung der Pendlerpauschale Wernsmann, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 37 (39 ff.). 42 BGBl. I 2006, S. 1652. 43 BVerfGE 122, 210 (224, 242) (Neuregelung Pendlerpauschale); siehe hierzu auch Hey, FR 2008, 1033 (1038). 44 BVerfGE 122, 210 ff. (Neuregelung Pendlerpauschale); siehe hierzu auch Drüen, Ubg 2009, 23 (27). 45 BVerfGE 122, 210 (242) (Neuregelung Pendlerpauschale). 46 Hey, DStR 2009, 2561 (2564). 40

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dd) Objektives Nettoprinzip Diese vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 EStG verankerte Belastungsentscheidung47 schreibt in ihrer Grundform bei der steuerlichen Gewinnermittlung von Gewerbebetrieben die mindernde Berücksichtigung von Betriebsausgaben als Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG) 48 vor und entfaltet über § 8 Abs. 1 KStG auch Wirkung für die Körperschaftsteuer.49 Demzufolge darf eine Steuer, welche z. B. das Einkommen belastet, lediglich auf das Einkommen als positiver Unterschiedsbetrag zwischen Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen zugreifen.50 Dies entspricht auch dem in Art. 106 Abs. 3 GG festgeschriebenen Begriff der „Einkommensteuer“, die, wie der Name schon sagt, das Einkommen belastet. Erwerbsaufwendungen haben damit eine steuermindernde Berücksichtigung zu erfahren, handelte es sich doch sonst um eine Belastung der Einnahmen und damit um eine Einnahmensteuer. Einer derartigen Steuer würde damit aber eine entsprechende verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage fehlen.51 Daher beruht das objektive Nettoprinzip in seinem dogmatischen Hintergrund auf der Prämisse, dass es als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips dafür sorgt, dass die Steuerbelastung auf den tatsächlich zur Verfügung stehenden Teil der Erwerbsaufwendungen zugreift.52 (1) Stellenwert in Rechtsprechung und Schrifttum Die Haltung des Bundesverfassungsgerichts zum objektiven Nettoprinzip ist von einer unterschiedlichen, im Ergebnis aber wachsenden Wertschätzung gekennzeichnet. So gestand das Gericht z. B. im Jahr 1969 in der Entscheidung zur Kilometerpauschale53 dem objektiven Nettoprinzip noch nicht einmal klar eine Sachgesetzlichkeit zu. Ebenso schenkte es ihm in den Entscheidungen zu den Aufsichtsratsvergütungen54 nur wenig Beachtung und ordnete es in den folgenden Jahren sogar als lediglich einfachgesetzliches Prinzip der Einkommensteuer ein. Erst mit der Entscheidung zur doppelten Haushaltsführung55 stieg die Beachtung des objektiven Nettoprinzips in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 47 Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101; BVerfGE 122, 210 (234) (Neuregelung Pendlerpauschale). 48 Statt vieler siehe J. Lang, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 9, Rz. 54 ff. sowie Birk, Steuerrecht, Rz. 615 f.; BFH v. 10.2.2008, VI R 17/07, BStBl. II 2008, S. 234 (246). 49 Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (6). Zur Geltung des objektiven Nettoprinzips für die Ertragsteuern siehe Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (67). 50 Wagner, StuW 2010, 24. 51 Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101. 52 Ähnlich Birk, StuW 1989, 212 (216). 53 BVerfGE 27, 58 (64 f.) (Kilometerpauschale). 54 BVerfGE 34, 103 (115 f.) (Aufsichtsratsvergütungen). 55 BVerfGE 107, 27 (47 f.) (Doppelte Haushaltsführung).

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

In diesem Urteil findet sodann auch die bis heute geltende verfassungsgerichtliche Ansicht zum objektiven Nettoprinzip seinen Ursprung. So führte das Gericht aus, dass das objektive Nettoprinzip die verfassungsrechtlich geforderte, gleichmäßige Verteilung der Steuerlast über das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiere.56 Weiterhin hielt das Bundesverfassungsgericht fest, dass im Rahmen der Einkommensteuer lediglich die Nettogröße und damit der Saldo aus Erwerbseinnahmen und Erwerbsausgaben dem steuerlichen Belastungszugriff unterliegen dürfe.57 Doch trotz all dieser expliziten Darlegungen hat das Bundesverfassungsgericht es bis heute offen gelassen,58 ob das objektive Nettoprinzip Verfassungsrang besitzt, indem es in den zugehörigen Judikaten – wohl mit Bedacht59 – einer klaren Positionierung ausweicht.60 Auch in seiner Entscheidung zur Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung des häuslichen Arbeitszimmers61 hat es diese Frage nicht beantwortet.62 Trotz alledem erkannte es das objektive Nettoprinzip aber erneut als eine grundsätzliche Belastungsentscheidung des Einkommensteuergesetzgebers an, welche dieser folgerichtig umzusetzen habe.63 Das objektive Nettoprinzip entfaltet damit (zumindest) mittelbar verfassungsrechtliche Wirkkraft.64 Die verfassungsrechtliche Wertschätzung des objektiven Nettoprinzips in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aber auch an den Hürden zu erkennen, die bei einer verfassungsgemäßen Durchbrechung einzuhalten sind.

56 So auch bspw. BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 39 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 57 So auch bspw. BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 39 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 58 Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (63); siehe etwa BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 40 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 59 Verweis auf Mellinghoff bei Paetsch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 78 (82), der in der vorsichtigen Formulierung des BVerfG einen Vorteil für die Anwendung des objektiven Nettoprinzips sieht. So könne das objektive Nettoprinzip, weil ihm kein ausdrück­ licher Verfassungsrang zugesprochen werde, insbesondere bei den zeitlichen und unterscheidungsrelevanten Veranlassungskriterien einfacher eingeordnet und daher flexibler eingesetzt werden. Andererseits könnte durch die Handhabung des BVerfG aber auch der Eindruck entstehen, dass das Gericht sich nur deshalb vor der offiziellen Zuerkennung des Verfassungsrangs scheut, um sich selbst sowie den Gesetzgeber nicht noch weiter zu binden. Eine offizielle Anerkenntnis des objektiven Nettoprinzips als Verfassungsprinzip würde schlussendlich nämlich sowohl den richterrechtlichen Spielraum als auch die Handlungsfähigkeit des Gesetz­gebers im Bereich der Bemessungsgrundlage einengen; siehe hierzu ähnlich Drüen, StuW 2008, 3 (5) m. w. N. 60 Siehe z. B. BVerfGE 81, 228 (237) (Geldbuße); BVerfGE 101, 297 (310) (Häusliches Arbeitszimmer); BVerfGE 107, 27 (48) (Doppelte Haushaltsführung). 61 BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 40 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 62 Siehe auch BVerfGE 122, 210 (234) (Neuregelung Pendlerpausschale). 63 BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 40 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 64 Ähnlich auch Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (63 f.).

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

145

Während das Bundesverfassungsgericht es in der Entscheidung zur Kilometerpauschale65 noch offen ließ, ob der Einkommensteuer eine Sachgesetzlichkeit der Nettobesteuerung innewohnt, verlangt die neuere Rechtsprechung zur Rechtfertigung von Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips einen „besonderen sachlichen Grund“66. Weiterhin entwickelt das Bundesverfassungsgericht unter Nutzung des Gebots der Folgerichtigkeit einen besonderen Schutz für das objektive Nettoprinzip, wonach der Gesetzgeber seine einmal getroffene Belastungsentscheidung auch konsequent umzusetzen habe.67 Die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer gehört zu den Grundentscheidungen des Einkommensteuerrechts, so dass Ausnahmen unabhängig von der Kontroverse um den Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips der sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Ebenso wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fand auch die des Bundesfinanzhofs erst recht spät Eingang in die Dogmatik des objektiven Nettoprinzips.68 Zwar ordnete auch der Bundesfinanzhof das objektive Nettoprinzip nicht als Verfassungsprinzip ein, doch merkte er an, dass dieses über den Gedanken der Folgerichtigkeit im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Bedeutung erlange. Dadurch wirke sich das objektive Nettoprinzip trotz einfachgesetzlicher Verankerung auf den verfassungsrechtlichen Prüfungs­ maßstab aus.69 Das Schrifttum ist sich zwar nicht ganz einig, ob nun das objektive Netto­prinzip aus dem Gebot der Folgerichtigkeit,70 dem Leistungsfähigkeitsprinzip71 oder direkt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz72 abzuleiten ist. Im Kern anerkennt es aber

65

BVerfGE 27, 58 (64 f.) (Kilometerpauschale). BVerfGE 99, 88 (95) (Verlustabzug); BVerfGE 99, 280 (290) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (126) (Pensionsbesteuerung), BVerfGE 107, 27 (48) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 116, 164 (180 f.) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (31) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale); siehe u. a. Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (96); Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101. 67 BVerfGE 105, 73 (125) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 107, 27 (46) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 110, 412 (433) (Teilkindergeld); BVerfGE 122, 210 (234) (Neuregelung Pendlerpausschale). 68 Bergkemper, StuW 2006, 311. 69 BFH v. 10.1.2008 – VI 17/07, DB 2008, 206 (207) (Neuregelung Pendlerpauschale). 70 Jachmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 129; so auch Schneider, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 87, welcher dem objektiven Nettoprinzip trotz dieser Ableitung aber keinen Verfassungsrang zugesteht. 71 Spindler, in: Drüen (Hrsg.), JbFStR 2009/2010, S. 21 (23 f.); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92; Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4. 72 Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (110). 66

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

die verfassungsrechtliche Wirkkraft des objektiven Nettoprinzips, welches im Steuerrecht keine Variable, sondern eine Konstante sei.73 (2) Notwendigkeit einer Konkretisierung Mit seiner Grundforderung nach mindernder Berücksichtigung von Erwerbs­ aufwendungen verhält sich das objektive Nettoprinzip aber ebenso unbestimmt wie der allgemeine Gleichheitssatz oder das Leistungsfähigkeitsprinzip, sagt es doch über das weitere Vorgehen nur wenig aus. Daher bedarf es auch hier der Verdeutlichung durch konkretisierende Ausprägungen, um einen Beitrag zur Beantwortung der Frage nach der gleichmäßigen Besteuerung geben zu können. Um die Funktionsweise der Zinsschranke mit ihrer Vortragsfähigkeit verfassungs­ rechtlich beurteilen zu können, ist dabei sowohl auf die inhaltliche als auch auf die zeitliche Komponente einzugehen. (a) Inhaltlich Auf die Frage, ob und inwieweit Aufwendungen der Erwerbssphäre zuzuordnen sind und somit nach dem objektiven Nettoprinzip steuermindernd berücksichtigt werden, gibt das sogenannte Veranlassungsprinzip eine Antwort.74 Demnach sollen grundsätzlich alle durch die Erwerbstätigkeit hervorgerufenen Aufwendun 73 Spindler, in: Drüen (Hrsg.), JbFStR 2009/2010, S. 21 (23 f.) bezeichnet es als ein „verfassungskräftiges Subprinzip“, welches nach Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 zwingend aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abzuleiten und in seiner Ausprägung damit konkurrenzlos sei. Jachmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 129, und Reimer, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 122, sehen im objektiven Nettoprinzip ein „tragendes Element“ des deutschen Steuerrechtssystems, Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4, ein „Teilprinzip“ des Leistungsfähigkeitsprinzips und Isensee (zitiert bei Bergkemper, StuW 2006, 311) erkennt in ihm eine Grundvoraussetzung des Steuerzugriffs, welche nicht zur „Disposition“ des Gesetzgebers stehe. Zu einem ähnlichen Grundverständnis des objektiven Nettoprinzips siehe J. Lang, StuW 2007, 3 (15); ebenso Richter/Söhn, StuW 2008, 117 (118). Eher den dogmatischen Charakter des objektiven Nettoprinzips betonen Schön in: Herzig/Günkel/Niemann (Hrsg.), Steuerberater-Jahrbuch 1998/99, S. 57 (65), und Söhn, in: ders. (Hrsg), Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, DStJG 3 (1980), S. 13 (17 f.), wenn ersterer das objektive Nettoprinzip als „Verfassungsprinzip“ beschreibt und letzterer es ein „verfassungsrechtlich verankertes – rechtliches – Besteuerungsprinzip“ nennt. Wie breit die Anerkennung des objektiven Nettoprinzips ist, zeigt auch der Beschluss des Deutschen Juristentages, DJT (Hrsg.), Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentages, Sitzungsbericht N, München 1988, S. 214, wenn dieser im Jahr 1988 zu dem Ergebnis kommt, dass das objektive Nettoprinzip zu den „identitätsstiftenden Merkmalen“ des Einkommensteuerrechts gehöre und daher vor dem Zugriff des Gesetzgebers zu schützen sei. A. A. Kruse, in: Wendt et al. (Hrsg.), Festschrift für Friauf, S. 793 ff.; ebenso Gassner/M. Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Gutachten 14. ÖJT, Bd. III/1, 2000, S. 118 ff. 74 J. Lang, StuW 2007, 3 (9); BFH v. 10.1.2008 – VI 17/07, BStBl. II, S. 234 (245).

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

147

gen abziehbar sein. Der Bundesfinanzhof nutzt hierfür im Bereich der Betriebsausgaben die Formulierung, dass Aufwendungen durch den Betrieb ausgelöst sind, wenn „sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind“.75 Parallel zur Frage nach der Exklusivität des Leistungsfähigkeitsprinzips oder des objektiven Nettoprinzips stellt sich auch hier die Frage, wie das Veranlassungsprinzip eingeordnet werden soll. Muss es als einzig folgerichtige Weiterführung des objektiven Nettoprinzips gesehen werden oder könnte es ggf. durch ein anderes Prinzip ersetzt werden? Denkbar wäre z. B., die Aufwendungen über einen Drittvergleich zu bestimmen und nur diejenigen Ausgaben zum Abzug zuzulassen, deren Kaufpreis und Nutzung einem brancheninternen Drittvergleich standhalten und damit als erwerbsnotwenig klassifiziert werden können. Derartigen Überlegungen erteilt der Bundesfinanzhof aber eine Absage, wenn er ausführt, dass es grundsätzlich dem Steuerpflichtigen überlassen sei, über die „Geeignetheit, Notwendigkeit, Vernünftigkeit und Angemessenheit einer Erwerbshandlung zu entscheiden“.76 Ebenso steht es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, welchen finanziellen Ressourcenaufwand dieser hierfür in Kauf nimmt, da der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang „keine Obliegenheit, sparsam zu sein“, vorschreibt.77 Hintergrund dieser großzügigen Herangehensweise ist wohl die Prämisse, dass bereits aus der dem Steuerpflichtigen unterstellten Gewinnerzielungsabsicht ein ökonomisch rationales Verhalten bei der Allokation der Erwerbsausgaben zu antizipieren ist. Dem hingegen würde eine Kontrolle der für die Erwerbsaufwendungen genutzten finanziellen Ressourcen auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zu einer abzulehnenden Zensur der Erwerbsaufwendungen führen.78 (b) Zeitlich Bezüglich der zeitlichen Dimension des objektiven Nettoprinzips stehen sich zwei Auffassungen gegenüber.79 Die Vertreter des sogenannten Abschnitts- oder Periodizitätsprinzips erkennen in Art. 3 Abs. 1 GG eine Verpflichtung zur Belastungsgleichheit in der Zeit.80 Eine gleichmäßige Belastung durch Besteuerung sei nur in einer zeitnahen Ermittlung der individuellen Leistungsfähigkeit mög 75

BFH, BStBl. II 1982, S. 467; BStBl. II 1984, S. 163. BFH v. 10.1.2008 – VI 17/07, BStBl. II, S. 234 (246). 77 BFH v. 10.1.2008 – VI 17/07, BStBl. II, S. 234 (246). 78 BVerfGE 115, 97 (103) (Halbteilungsgrundsatz). In diesem Zusammenhang spricht das BVerfG von einer nicht praktikablen „Betriebsausgabennotwendigkeitszensur“. 79 Zum Versuch eines Kompromisses zwischen beiden Standpunkten siehe Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 235 ff. 80 P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (329); ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 41; ders., StuW 2002, 9; Müller-Franken, StuW 2004, 109 (122); Schick, Der Verlustrücktrag, S. 13; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 90. 76

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

lich. Dies bedeute zwar nicht den ausschließlichen Bezug auf die vom Gesetz­ geber gewählte Besteuerungsperiode von einem Jahr. Trotzdem soll die Ermittlung der Leistungsfähigkeit aber möglichst zeitnah erfolgen.81 Die Vertreter des Abschnitts- bzw. Periodizitätsprinzips erkennen damit in der Periodität weniger ein technisches als vielmehr ein „materielles Prinzip“.82 Gegen diesen Standpunkt argumentieren die Anhänger des Totalitätsprinzips. Nach ihrer Ansicht hat der Gesetzgeber die Leistungsfähigkeit lediglich über die Totalperiode zu bestimmen; eine Belastungsgleichheit ist daher nur aus der Betrachtung des Lebenseinkommens zu erreichen.83 Das Abschnittsprinzip sei lediglich ein technisches Vorgehen ohne verfassungsrechtlichen Hintergrund. Daraus ergibt sich für die Frage, ob Aufwendungen steuerlich berücksichtigungsfähig sind, dass die Anhänger des Abschnitts- bzw. Periodizitätsprinzips eine möglichst zeitnahe Verrechnung von Aufwendungen fordern und Ausnahmen hiervon besonders begründet sehen wollen. Nach dem Totalitätsprinzip ist eine zeitliche Streckung der Aufwandsberücksichtigung hingegen kein Problem, solange die Aufwendungen in der Totalperiode der Besteuerungen (irgendwann) einmal Berücksichtigung finden. b) Die Zulässigkeit etwaiger Abweichungen vom Gleichheitsmaßstab Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt dem Gesetzgeber zur Einhaltung des allgemeinen Gleichheitssatzes je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Leitlinien vor.84 Hierbei variieren die angewandten Maßstäbe vom weit zu interpretierenden Willkürverbot bis zum eng anzuwendenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.85 In diesem Zu­ sammenhang ist es jedoch schwierig zu erkennen, was das Bundesverfassungsgericht mit diesem breit beschriebenen Kontrollmechanismus genau meint und wann ein bestimmter Prüfungsmaßstab anzuwenden ist. Die Voraussetzungen zur möglichen Durchbrechung des Gleichheitssatzes sind damit jeweils speziell an die betroffenen (unterschiedlichen) Sach- und Regelungsbereiche anzupassen.86 Auch die Rechtsprechungsanalyse vermag keinen einheitlichen Weg zu entdecken, den 81

Schick, Der Verlustrücktrag, S. 16. P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), EStG Kommentar, Bd. II, § 2, Rz. A 136. 83 Insbesondere J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 187; Karrenbrock, DB 2004, 559 (560); Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101 (103). 84 BVerfGE 122, 210 (230) (Neuregelung Pendlerpauschale); BVerfGE 110, 274 (291) (Ökosteuer); BVerfGE 112, 164 (174) (Einbezug von Sozialversicherungsbeiträgen); BVerfGE 116, 164 (180) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte). 85 BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 35 m. w. N. (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 86 BVerfGE 105, 73 (111) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 107, 27 (45 f.) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 112, 268 (279) (Kinderbetreuungskosten). 82

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die Judikative bei der Anknüpfung an persönliche oder sachliche Unterschiede anzuwenden pflegt.87 Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts kommt es hinsichtlich der Anforderungen an derartige Rechtfertigungsgründe aber im Wesentlichen darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. aa) Rechtfertigungsanforderung Da das objektive Nettoprinzip nach h. L. und Rechtsprechung als Grundentscheidung des steuerlichen Zugriffs gilt, bedürfen Ausnahmen von seiner folgerichtigen Umsetzung einer Begründung. In diesem Zusammenhang hat sich, was die mit der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips einhergehende Ungleichbehandlung betrifft, eine eigene Rechtfertigungsdogmatik entwickelt. Diese bestimmt, wann eine Abweichung vor dem Hintergrund der gleichmäßigen Verteilung der Besteuerungslast nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform oder -widrig ist. Da dem Gesetzgeber die Auswahl des zu belastenden Steuergegenstands weitgehend überlassen ist, kann er sein Vorgehen zur Belastung des Steuergegenstands auch grundsätzlich frei wählen.88 Knüpft der Gesetzgeber seine Belastungsentscheidung aber einmal an einen Leistungsfähigkeitsindikator an, so hat er die damit gewählte Belastung des Steuergegenstands folgerichtig im Sinne der Be­lastungsgleichheit vorzunehmen. Die Folgerichtigkeit beinhaltet hierbei sowohl die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips als auch die Berücksichtigung des damit einhergehenden objektiven Nettoprinzips. Sollte der Gesetzgeber die Folgerichtigkeit seiner Belastungsentscheidung durchbrechen, so hat er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sein Handeln mit einem „besonderen sachlichen Grund“89 zu rechtfertigen. Mit diesem Vorgehen zollt das Bundesverfassungsgericht der besonderen Belastung der Bürger durch Steuern hohe Beachtung, und indem das Gericht „besondere“ sachliche Argumente verlangt, belegt es, dass die Besteuerung grundsätzlich als ein schwerer Eingriff zu erachten ist.

87

BVerfGE 105; 73 (111) (Pensionsrückstellungen); Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 134. 88 Dazu Abschn. cc), S. 140. 89 BVerfGE 99, 88 (95) (Verlustabzug); BVerfGE 99, 280 (290) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (126) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 107, 27 (48) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 116, 164 (180 f.) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (31) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale). Siehe in diesem Zusammenhang u. a. auch Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (96) und Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101.

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bb) Inhalt besonderer sachlicher Rechtfertigung In seiner bisherigen Rechtsprechung verlangt das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Verfolgung legitimer Zielsetzungen besondere sachliche Gründe, die auf das Gemeinwohl abstellen, wenn Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung der steuergesetzlichen Belastungsentscheidung zulässig sein sollen. Verfassungsgerichtliche Anerkenntnis fanden hierbei bisher vor allem Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse, Absichten der Missbrauchsabwehr sowie außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke. Betrachtet man sich die bisher hierzu entwickelte Dogmatik, dann wird jedoch ersichtlich, dass nur schwer eine Trennschärfe zwischen den genannten Gründen herzustellen ist. Diese können im Einzelfall miteinander vermengt sein bzw. auch additiv vom Gesetzgeber vorgebracht werden. (1) Allgemein fiskalpolitische Zwecke Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG, die aufgrund einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und damit des Leistungsfähigkeitsprinzips entsteht, ist nach h. M.90 nicht mit rein fiskalisch orientierten Motivationen des Gesetzgebers verfassungskonform begründbar.91 Dies hat das Bundesverfassungsgericht auch kürzlich in zwei Entscheidungen zur Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen deutlich gemacht, indem es dem „rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmeerhöhung“92 die Berechtigung als verfassungskonforme Rechtfertigung von Verstößen gegen das objektive Nettoprinzip von vornherein abgesprochen hat. Das Vorgehen, eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips mit der reinen Notwendigkeit von Steuereinnahmen für zulässig zu erklären, würde auch geradezu das Leerlaufen dieses Prinzips bewirken, da es als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips für eine gleichmäßige Verteilung der Steuerlast im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG sorgen soll. In diese Prinzipienstruktur aus rein fiskalischen Beweggründen einzugreifen, führte den Zweck des objektiven Nettoprinzips ad absurdum und überließe dieses der Disposition des Gesetzgebers. Die Zulassung von rein fiskalischen Motivationen zur Rechtfertigung von Eingriffen in das objektive Nettoprinzip würde dazu führen, dass dieses den Steuerpflichtigen schüt 90

Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 329 f.; ders., BB 2007, 1525 (1528); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (97); Görke, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 106 (109). A. A. Leisner-Egensperger, BB 2007, 639 (644), wonach der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch die Haushaltslage in seinen Gestaltungsspielraum einbeziehen könne. 91 Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (70 f.) sowie Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 329 ff. 92 BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale) ebenso BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 37 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer).

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zende Prinzip geradezu dem (ungeschützten) Eingriff des Steuergesetzgebers ausgesetzt wäre, vor dem es schützen soll.93 Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Steuergesetzgeber eine lediglich auf Einnahmeerzielung gerichtete Steuerpolitik nicht über die Sonderbelastung einzelner Steuerpflichtiger und damit zu Lasten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durchführen darf. Die Haltung der h. L. und Rechtsprechung macht damit auch klar, dass die Zusammenstellung der Bemessungsgrundlage nicht in der schrankenlosen Hoheit des Steuergesetzgebers steht.94 (2) Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse Unabhängig davon, ob ein Steuergesetz insbesondere fiskalische oder außerfiskalische Absichten für sich beansprucht, ist anzuerkennen, dass die Verwirklichung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in seiner Konkretisierung über das Leistungsfähigkeitsprinzip und das objektive Nettoprinzip in reiner Form schlicht nicht praktikabel ist. Dies verlangte nämlich eine Abstufung und Prüfung sämtlicher zu beurteilender Einzelsachverhalte, was aber bereits in der praktischen Umsetzung an der Breitenwirkung des deutschen Steuerrechts scheitern würde. Daher erkennt das Bundesverfassungsgericht die Schwierigkeit der administrativen Implementierung derartiger Massenregelungen an und judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung seiner Normen „generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen“ nutzen kann, ohne hierdurch bereits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.95 Hintergrund dieser Suche nach einem tragfähigen Kompromiss ist, dass materielles Recht und Steuervollzug untrennbar zusammengehören.96 Laufen diese beiden Bestandteile

93 Ähnlich auch Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (97), wenn er schreibt: „Denn der staatliche Finanzbedarf ist gerade Bezugspunkt gleichheitsrechtlicher Vorgaben zur sachgerechten und gleichmäßigen Lastenverteilung und taugt damit nicht als Rechtfertigungsgrund für ihre Missachtung.“ 94 Dies bedeutet jedoch nicht, dass rein fiskalische Motivationen des Gesetzgebers generell konträr zu den Vorgaben des Verfassungsrechts stehen. So ist ja bereits nach § 3 Abs. 1 AO der grundsätzliche Steuerbegriff eng mit der Einnahmeerzielung verbunden und wohl nicht jede Steuerart verfassungswidrig. Doch der „fiskalische Appetit“ des Gesetzgebers ist durch eine gleichmäßige Erhöhung des Steuertarifs, die Erfassung von neuen Steuerquellen oder den Abbau von leistunsgfähigkeitsverzerrenden Ausnahmetatbeständen zu stillen und nicht durch rein fiskalisch begründete Ungleichbehandlungen. 95 St. Rspr. BVerfGE 81, 228 (237) (Geldbuße); BVerfGE 96, 1 (6) (Weihnachtsfreibetrag) m. w. N.; BVerfGE 107, 27 (48) (Doppelte Haushaltsführung) m. w. N.; BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 37, 40 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). Dogmatisch siehe z. B. J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 328 ff.; P. Kirchhof, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 97. 96 BverfGE 84, 239 ff. (Kapitalertragsteuer); BVerfGE 110, 94 ff. (Spekulationssteuer); siehe hierzu auch die Ausführungen von Birk, StuW 2004, 277 ff. und Pezzer, StuW 2007, 101 ff.

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aufgrund zwar genauer, aber nicht praktikabler Regelungen auseinander, so besteht die Gefahr, dass der Belastungseingriff seine Legitimität verliert.97 In diesem Zusammenhang bedeutet „typisieren“ die vereinheitlichte Regelung wesentlicher Elemente gleichgearteter Lebenssachverhalte.98 Hierbei lässt das Bundesverfassungsgericht auch die Vernachlässigung von bekannten Besonderheiten auf generalisierende Weise zu. Der Gesetzgeber kann sich hierdurch bei der Konzeption seiner Normen auf den Regelfall konzentrieren und ist nicht verpflichtet, bekannten Besonderheiten durch Ausnahmeregelungen Rechnung zu tragen, solange es sich hierbei um Einzelfälle handelt.99 Doch trotz dieses zugestandenen Freiraums setzt die Rechtsprechung hier aber auch Grenzen. So verlangt das Bundesverfassungsgericht bei der Konzeption einer verallgemeinernden Norm, dass sie aus möglichst breiten, empirisch gefestigten Erkenntnissen gewonnen wird.100 Bei der Formulierung darf die Legislative daher vor allem keinen atypischen Sachverhalt als Zielmotiv wählen, sondern hat als Leitbild für ihre Norm den realitätsgerechten Regel- bzw. Normalfall heranzuziehen.101 Trotzdem hat der Gesetzgeber bei der Formulierung einer typisierenden Vorschrift aber stets den Regelfall als Leitmotiv im Auge zu behalten. Kann eine Regelung dies nicht sicherstellen, so verstößt der Gesetzgeber gegen den ihm zugestandenen Typisierungsspielraum.102 (3) Steuerliche Missbrauchsabwehr Im deutschen Verfassungsrecht kann das Ziel der steuerlichen Missbrauchs­ abwehr Einschränkungen von verfassungsrechtlichen Vorgaben in legitimer Weise rechtfertigen.103 Hierbei können derartige Regelungen dafür sorgen, dass leistungsfähigkeitsverzerrende und in diesem Zusammenhang missbräuchliche Sach 97

Ähnlich Drüen, StuW 2008, 3 (13). BVerfGE 122, 210 (232) (Neuregelung Pendlerpauschale). 99 BVerfGE 82, 159 (185) (Absatzfonds); BVerfGE 96, 1 (6) (Weihnachtsfreibetrag); Hey, StuW 2008, 167 (176). 100 St. Rspr. BVerfGE 84, 348 (359) (Zweifamilienhaus); BVerfGE 87, 234 (255) (Arbeitsförderungsgesetz); BVerfGE 96, 1 (6) (Weihnachtsfreibetrag); BVerfGE 122, 210 (233) (Neuregelung Pendlerpauschale). 101 St. Rspr. BVerfGE 87, 153 (172) (Grundfreibetrag); BVerfGE 116, 164 (182 f.) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 122, 210 (233) (Neuregelung Pendlerpauschale); siehe hierzu auch J. Lang, StuW 2007, 3 (11); Birk, Steuerrecht, Rz. 218; Seiler, in: DJT (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, S. F 29. 102 J. Lang, StuW 2007, 3 (11). 103 BVerfGE 8, 391 (Verlustausgleich für § 15a EStG); Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfte­ ermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (70 f.); Drüen, StuW 2008, 3 (13). 98

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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verhalte nicht stattfinden bzw. so korrigiert werden,104 dass eine gleichmäßige Besteuerung sichergestellt ist. Missbrauchsvermeidungsnormen verfolgen damit das Ziel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, indem sie rechtlich unterschiedliche Sachverhalte im Ergebnis gleichstellen, da diese bei wirtschaftlicher Betrachtung – bzw. nicht missbräuchlichem Vorgehen – auch gleiche Leistungsfähigkeiten repräsentieren. Drüen spricht in diesem Zusammenhang daher von einer gewissen Schutzpflicht zur Herstellung einer gleichmäßigen Besteuerung.105 Doch trotz dieser sinnvollen Schutzfunktion hat der Gesetzgeber auch hier gewisse Bedingungen zu erfüllen, die ihm eine derartige Konzeption von Steuernormen gestatten. Zuvörderst hat er klarzustellen, welche Form von Missbrauch er zu treffen beabsichtigt.106 Des Weiteren ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Vorschrift am Regelfall des Missbrauchs zu orientieren.107 Steuerlicher Missbrauch existiert aber zumeist im Graubereich einer unklaren Gemengelage. Daher steht es dem Gesetzgeber in der Formulierung der Missbrauchsvermeidungsnorm und insbesondere von dessen Anknüpfungstatbeständen frei, zu typisieren.108 Hierbei darf er aber nicht weiter gehen, als es für die Missbrauchsidentifikation nötig ist.109 Trotzdem ist eine typisierte Missbrauchserfassung nicht bereits dann schon als realitätsfern anzusehen, wenn die Erfassung von Sachverhalten ohne Missbrauchshintergrund ergibt, dass diese als Einzelfälle einzustufen sind. Diese Herangehensweise ist insbesondere der Problematik des Gesetzesvollzugs geschuldet, da Ausprägungen von Missbrauch häufig höchst unterschiedlich sowie sehr anpassungsfähig und daher nur schwerlich mit einer Einzelfallnorm zu bekämpfen sind. (4) Außersteuerliche Förderungs- und Lenkungszwecke Aus Gründen des Gemeinwohls ist es dem Gesetzgeber gestattet, mit Steuergesetzen auch außersteuerliche Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen.110 Derartige Normen sollen hierbei nicht (lediglich) den Zweck der Einnahme­erzielung verfolgen, sondern sollen primär das Tun und Unterlassen von Steuerpflichtigen in eine gewünschte Richtung beeinflussen.111 Diese Einflussnahme entfaltet Wir 104

Hey, StuW 2008, 167 (172). Drüen, StuW 2008, 154 (157 f.). 106 Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (112). 107 Hey, StuW 2008, 167 (176). 108 Siehe hierzu Abschn. (2), S. 151. 109 Thiel, FR 2007, 729 (730). 110 St. Rspr. BVerfGE 93, 121 (147) (Einheitswerte II); BVerfGE 99, 280 (296) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (112) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 110, 274 (292) (Ökosteuer); BVerfGE 116, 164 (182) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (31) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale); siehe auch Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (70 f.), sowie Birk, Steuerrecht, Rz. 209. 111 Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 34. 105

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

kung, indem sie die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durchbricht und vom Gesetzgeber unerwünschtes Verhalten stärker oder erwünschtes Verhalten steuerlich schwächer belastet.112 Hierbei darf der Gesetzgeber insbesondere in den Bereichen der Verkehrs- und Umwelt-113 sowie der Wirtschaftspolitik tätig werden.114 Aufgrund der weiten Ausstrahlkraft von Steuern, die in fast alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche hineinwirken, bietet das Steuerrecht große Möglichkeiten, aber auch Begehrlichkeiten, womit der Gesetzgeber über steuerliche Motivation Anreize zu einem beabsichtigen Verhalten setzen kann. Deshalb verlangt das Bundesverfassungsgericht die Kenntlichmachung der Förderungs- und Lenkungs­ zwecke im Rahmen der Ausgestaltung des Steuergesetzes, die auf einer gesetzgeberischen Entscheidung zu beruhen haben und die gleichheitsgerecht115 umzusetzen sind. Nur wenn ein hinreichender Zusammenhang zur beabsichtigten Regelung besteht, können Förderungs- und Lenkungszwecke geeignete Gründe für steuerlich stärkere Be- oder Entlastungen darstellen.116 cc) Verzicht einer freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung Die in dieser Arbeit praktizierte gleichheitsrechtliche Analyse verzichtet darauf, potentielle Verstöße gegen das objektive Nettoprinzip einer freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zu unterziehen. Gegen eine derartige Vorgehensweise ist nämlich ins Feld zu führen, dass die Gesamtkonzeption des freiheitsrechtlichen Ansatzes nur schwerlich auf gleichheitsrechtliche Sachverhalte übertragen werden kann.117 Dies hat insbesondere mit der unterschiedlichen Fragestellungen zu tun, welche diesen beiden Herangehensweisen zugrunde liegen. Da die freiheitsrechtliche Fragestellung das Subordinationssystem zwischen Staat und Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs analysiert,118 weicht die gleichheitsrechtliche Herangehensweise hiervon wesentlich ab. Diese widmet sich der Frage nach einer möglichen Ungleichbehandlung gegenüber gleichgestellten Dritten. Weiterhin verlangt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung als Voraussetzung eine

112 Zu den vier verschiedenen Meinungen, wie Lenkungsnormen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durchbrechen, siehe Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 336 ff. 113 Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (99). 114 Ähnlich Drüen, StuW 2008, 3 (12). 115 BVerfGE 93, 121 (147 f.) (Einheitswerte II); BVerfGE 99, 280 (296) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 110, 274 (293) (Ökosteuer); BVerfGE 116, 164 (182) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (33) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (232) (Neuregelung Pendlerpauschale). 116 P. Kirchhof, StuW 2006, 3 (17). 117 Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 144. 118 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 80 ff.

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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Zweck-Mittel-Beziehung, welche nicht auf sämtliche Steuernormen Anwendung finden kann. Diese Auffassung führt nun aber nicht dazu, dass bereits die Nennung eines vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Rechtfertigungsgrundes einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform begründen könnte. Denn in ständiger Rechtsprechung betont das Gericht, dass ein solcher Grund nur dann akzeptabel sei, wenn er von einer deutlichen Entscheidung des Gesetzgebers geprägt ist.119 Der Gesetzgeber ist dadurch angehalten, Zweck und Zielbereich des Rechtfertigungsgrundes ausreichend bestimmt in seiner gesetzgeberischen Entscheidung umzusetzen.120 Die Rechtfertigung der Durchbrechung der Belastungsgrundentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber auch nur dann anerkannt, wenn der Tatbestand und damit die Ausgestaltung der zu rechtfertigenden Regelung sich als ausreichend zweckgerichtet erweist.121 Steuerregelungen unterliegen damit der Anforderung, dass ihre Ausgestaltung einen deutlichen Bezug zu den mit ihr in Verbindung stehenden Rechtfertigungsgründen aufweist. 2. Vereinbarkeit der Zinsschranke mit den gleichheitsrechtlichen Vorgaben Nach der oben beschriebenen Darlegung der verfassungsrechtlichen ­Vorgaben der bereichsspezifischen Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG ist nun zu prüfen, in welchem Verhältnis die Zinsschranke hierzu steht. a) Frage nach der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips Die Zinsschrankenregelung engt die mehrstufig geregelte steuerliche Berücksichtigung von Zinszahlungen eines Betriebs auf zwei zeitlichen Ebenen ein.122 Zum einen verwehrt sie den sofortigen Abzug des Teils der Zinsaufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage, der die Zinserträge und das verrechenbare EBITDA nebst ggf. bestehenden EBITDA-Vorträgen übersteigt. Dieser überschießende Teilbetrag ist sodann nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG als sogenannter Zinsvortrag in folgende Wirtschaftsjahre vorzutragen. Zum anderen sieht die Zinsschran 119 BVerfGE 93, 121 (148) (Einheitswerte II); BVerfGE 99, 280 (296) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (112) (Pensionsrückstellung); BVerfGE 117, 1 (32) (Erbschaftsteuer). 120 Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 202 mit Verweis auf BVerfGE 99, 280 (296) (Aufwandsentschädigung Ost). 121 BVerfGE 117, 1 (32) (Erbschaftsteuer). 122 Siehe dazu Abschn. 1., S. 117.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

kenregelung den Untergang und damit die endgültige Nichtberücksichtigung eines unverbrauchten Zinsvortrags bei Eintritt gewisser Umstände vor. Da es sich nach dem Gesetzeswortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG um Zinsaufwendungen eines „Betriebs“ handelt, könnte somit das objektive Nettoprinzip verletzt sein, da dieses die steuerliche Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen gebietet.123 Daher stellt sich vor dem Hintergrund der im Regelungskonzept der Zinsschranke vorgesehenen Nichtabzugsfähigkeit von betrieblichen Zinsaufwendungen die Frage, ob diese Nichtabzugsfähigkeit gegen das objektive Nettoprinzip verstößt und damit womöglich mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG kollidiert. aa) Zinsschrankenregelung als Prinzipien- bzw. Systemwechsel Aus einem etwas anderen Blickwinkel ist zunächst aber der Frage nachzugehen, ob das objektive Nettoprinzip bei der Beurteilung der Zinsschrankenregelung überhaupt als grundsätzliche Vorgabe geboten ist. So könnte die Entscheidung, betriebliche Zinsaufwendungen mit einer Abzugsbeschränkung zu belegen, auch als eine neue Grundentscheidung des Gesetzgebers anzusehen sein, die einen Prinzipien- bzw. Systemwechsel darstellt. Die Zinsschranke könnte damit als neue, dem objektiven Nettoprinzip mindestens gleichrangige Entscheidung zu verstehen sein.124 Wäre dies positiv zu beantworten, so hätte der Gesetzgeber sich nicht mehr an die Folgerichtigkeit der einmal getroffenen Belastungsentscheidung zu halten und könnte durch diesen Systemwechsel die Zinsschrankenregelung ohne Beachtung des objektiven Nettoprinzips entwickeln.125 Doch wie bereits zuvor ausgeführt, unterliegt die Legislative bei einem derartigen Prinzipien- bzw. Systemwechsel den vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Anforderungen.126 Daher ist nun zu prüfen, ob der Gesetzgeber diesen verfassungsrechtlichen An­ sprüchen in der Ausgestaltung der Zinsschranke Genüge getan hat. Hierzu ist zunächst hervorzuheben, dass der Gesetzgeber in der offiziellen Begründung der Zinsschranke127 keinerlei Angaben dazu macht, ob er mit § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG überhaupt einen Systemwechsel in der steuerlichen Berücksichtigung von Zinsaufwendungen oder in der Abziehbarkeit von Betriebsausgaben herbeiführen will. Vielmehr handelt es sich nach dem Wortlaut der Gesetzes­begründung bei der Zinsschranke um eine Norm, die das Besteuerungs 123

Siehe dazu Abschn. dd), S. 143. Analog zum Vorgehen des Gesetzgebers bei der verfassungsrechtlichen Verfechtung der Neuregelung der Pendlerpauschale, siehe BMF-Schreiben v. 4.5.2007, BStBl. I 2007, S. 472. 125 Ähnlich Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101. 126 Siehe hierzu die Ausführungen zur Möglichkeit des Gesetzgebers zur Schaffung einer neuen Grundentscheidung in Abschn. (2), S. 141. 127 BT-Drs. 16/4841. 124

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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substrat sichern, missbräuchliche Konstruktionen der Fremdkapitalfinanzierung be­kämpfen und die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen stärken soll.128 § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG fügt sich damit eher als Nachfolgenorm des § 8a KStG a. F. in das bestehende System der Besteuerung ein, als eine neue Grundentscheidung zu definieren. Weiterhin verlangt das Bundesverfassungsgericht von einem verfassungs­ konformen Prinzipien- oder Systemwechsel, „dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen“ werde und dieses „nach Ziel und Wirkung ein Mindestmaß an neuer (Prinzipien- oder) Systemorientierung“ nicht vermissen lasse.129 Ein solcher Systemwechsel wäre beispielsweise die Einführung einer Besteuerung nach der Comprehensive Business Income Tax (CBIT). Da ein derartiges Steuersystem einen Steuerabzug von betrieblichen Zinsaufwendungen generell ausschließt, würde dies eine komplette Abkehr von der bisher in Deutschland praktizierten Steuer­ politik bedeuten.130 Doch auch vor diesem Hintergrund erweist sich die Zinsschranke nicht als neue Grundentscheidung, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Erwerbs- oder Zinsaufwendungen generell neu zu regeln. Durch die in § 4h Abs. 2 EStG i. V. m. § 8a KStG genannten Ausnahmen und Rückausnahmen von der Grundregel der Zinsschranke handelt es sich nämlich lediglich um eine Neuregelung eines Teil­ bereichs einer bereits bestehenden Grundentscheidung zur Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben im Unternehmensteuerrecht.131 Zwar lässt das Bundesverfassungsgericht auch ausschnittartige Prinzipienwechsel zu, verlangt dafür aber greifbare Anhaltspunkte, die ein nach und nach verwirklichtes Grundkonzept erkennen lassen. In der Regelung des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG ist aber eher eine abschließende Modifikation der Grundentscheidung zur Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen zu sehen. So lassen sich aus dem Grundkonzept der Zinsschranke und dessen Gesetzesbegründung nämlich keine Anhaltspunkte finden, die den Beginn einer sukzessiven Änderung der Zins- oder Betriebsausgabenabzugsbesteuerung ankündigen. Zusätzlich sind bisher auch weitere Folgeänderungen ausgeblieben, was wiederum eher auf eine Einzelregelung als einen wirklichen Systemwechsel hindeutet. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass die Einführung der Zinsschrankenregelung keinen Prinzipienwechsel bedeutet, womit zu summieren ist, dass § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG vor dem Gebot der Folgerichtigkeit den Ansprüchen des objektiven Nettoprinzips zu genügen hat. 128 Siehe hierzu die Ausführungen zu den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Zinsschranke in Abschn. a), S. 112. Zusätzlich sei auf BT-Drs. 16/4841, S. 31 verwiesen. 129 BVerfGE 122, 210 (242) (Neuregelung Pendlerpauschale). 130 Dazu de Mooij/Devereux, Alternative Systems of Business Tax in Europe: An applied analysis of ACE and CBIT Reforms. 131 Ähnlich Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (86 f.).

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

bb) Vereinbarkeit mit dem objektiven Nettoprinzip Nach § 4h Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG finden Zinsaufwendungen eines Betriebs, welche die Zinserträge nebst dem verrechenbaren EBITDA und ggf. bestehender EBITDA-Vorträge übersteigen, in dem laufenden Wirtschaftsjahr grundsätzlich keinen steuermindernde Berücksichtigung. Auf den ersten Blick scheint damit klar zu sein, dass ein derartiges Abzugsverbot gegen die Vorgabe des objektiven Nettoprinzips verstößt. Doch der diese Schranken übersteigende Betrag ist nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen und kann bei Eintritt verschiedener Voraussetzungen steuerliche Berücksichtigung finden. Im Ergebnis ist der Zinsaufwand daher im Wirtschaftsjahr seiner Entstehung zwar von der steuerlichen Geltendmachung ausgeschlossen, in den Folgeperioden könnte der Steuerpflichtige diese Abzugsbeschränkung aber unter gewissen Umständen lösen. In diesem Fall bewirkt die Zinsschranke einen zwar temporär begrenzten, jedoch periodenübergreifend vollständigen Betriebsausgabenabzug. Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage, ob die Zinsschranke aufgrund der von ihr gewährten Vortragsfähigkeit im Falle der nicht sofort berücksichtigten Zinsaufwendungen überhaupt gegen das objektive Nettoprinzip verstößt. Neben der ehemaligen Bundesregierung132 positioniert sich insbesondere Neumann als ausdrücklicher Verfechter der Vereinbarkeit der Zinsschranke mit dem objektiven Nettoprinzip.133 Seiner Meinung nach sei aufgrund der Vortragsmöglichkeit von nicht sofort abziehbaren Zinsaufwendungen aus der Zinsschrankenregelung kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip zu erkennen. Der im jeweiligen Wirtschaftsjahr nicht berücksichtigungsfähige Teil der Zinsaufwendungen könne nämlich in zukünftigen Perioden steuerlich geltend gemacht werden. Den Einwand, dass gerade in Krisenzeiten eine Nutzung der Zinsvorträge sehr unwahrscheinlich sei, erkennt er nicht an, indem er anmerkt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, „stets eine den Gesamtgewinn immer zutreffend abbildende Gesamtperiode des Steuerpflichtigen zu gewährleisten“.134 Hierzu führt er weiter aus, dass eine umfängliche Abbildung der Leistungsfähigkeit eines Betriebs für jede Besteuerungsperiode nicht möglich und daher derartige Inkonsistenzen in Kauf zu nehmen seien. Da es zu der Problematik des Betriebsausgabenabzugsverbots mit zeitlicher Vortragsmöglichkeit noch keine Rechtsprechung gibt, könnten auch die Judikate des Bundesfinanzhofs zur sachverwandten Verlustverrechnung analog zur Beurteilung des Zinsvortrags herangezogen werden. So könnte die Ansicht, die Zinsschranke verletze aufgrund ihrer Vortragsfähigkeit das objektive Nettoprinzip nicht, auch von den Beschlüssen des 11. Senats des Bundesfinanzhofs zur Mindestbesteuerung gestützt sein. Im Zusammenhang mit Verlusten nahm der Bun 132

Ausdrücklich BT-Drs. 16/4835, S. 1. Neumann, Ubg 2009, 461 ff. 134 Neumann, Ubg 2009, 461 (462). 133

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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desfinanzhof eine Einhaltung des objektiven Nettoprinzips selbst dann an, wenn die Verluste nicht stets in demselben Veranlagungszeitraum ihres Entstehens steuer­liche Berücksichtigung fanden.135 Entgegen der Meinung, die Zinsschranke halte das objektive Nettoprinzip ein, ist nach den obigen Ausführungen der verschiedenen Ansichten zum Verständnis der zeitlichen Einhaltung des objektiven Nettoprinzips136 folgendermaßen Stellung zu nehmen. Die Anhänger des Abschnittsprinzips würden bereits in der sofortigen Nichtberücksichtigung von betrieblichen Zinsaufwendungen einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip erkennen. Da sie eine intraperiodische Besteuerung als Gebot materieller Gerechtigkeit erachten und erzieltes Einkommen aus gegen­ wärtiger Marktnutzung entstehe, verlangen sie nämlich, dass Aufwendungen auch sofortige steuermindernde Berücksichtigung erfahren.137 Doch auch die Vertreter des Totalitätsprinzips würden die Zinsschranke als Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip werten, wenn es zu einem endgültigen Untergang eines ungenutzten Zinsvortrags käme. Hierfür sprechen zwei gewichtige Argumente: Zum einen ist anzuführen, dass die Zinsvorträge sich im wirtschaftlichen Regelfall nicht auflösen. Dies gelingt nämlich nur dann, wenn das betroffene Unternehmen seine Finanz- und Ertragslage wesentlich ändert oder eine Ausnahmeregelung nutzen kann. Bei unveränderten Finanzierungsverhältnissen oder dem Ausbleiben sprunghafter Gewinnsteigerungen bzw. massiven Senkungen des Zinsaufwandes tritt dies aber nicht ein.138 In diesen Fällen erfahren vorgetragene Zinsen keine steuerlich mindernde Beachtung und die Zinsschranke entfaltet so die Wirkung eines permanenten Abzugsverbots.139 Zu diesem Ergebnis kommen auch empirische Untersuchungen. Hierbei wurden durch Mittelwertbetrachtungen der Bilanzdaten mehrerer Hundert potentiell von der Zinsschranke betroffener Unternehmen nachgewiesen, dass es bereits unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen nicht nur zu keiner Auflösung, sondern sogar zu einem stetigen Anwachsen des Zinsvortrags kommt.140 135 BFH, BStBl. II 2001, S. 552 (554) (Verlustverrechnung); BStBl. II 2003, S. 523 (524 ff.) (Begrenzter Verlustausgleich). 136 Dazu Abschn. (b), S. 147. 137 Vgl. P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), EStG Kommentar, Bd. II, § 2, Rz. D 252; ähnlich auch Schick, Der Verlustrücktrag, S. 12 ff. 138 Köhler, DStR 2007, 597 (603); Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 28. 139 Hey, BB 2007, 1303 (1305 f.); Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2007, 421 (423); Spengel/Finke/Zinn, Die Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 27. 140 Siehe hierzu Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 ff., dort auch Tabelle 2) mit einem fünfjährigen Betrachtungszeitraum; Blaufus/Lorenz, Wem droht die Zinsschranke? Eine empirische Untersuchung zur Identifikation der Einflussfaktoren, S. 22, errechnete, dass es lediglich bei 17 v. H. der von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen binnen eines dreijährigen Betrachtungszeitraums zu einer zumindest teilweisen Auflösung des Zinsvortrags kam. Auch die über einen zehnjährigen Untersuchungszeitraum durchgeführte Analyse von

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Als zweites Argument gegen die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit dem objektiven Nettoprinzip ist ins Feld zu führen, dass die aufgebauten Zinsvorträge durch den Eintritt verschiedener Umstände wie Aufgabe oder Übertragung des Betriebs nach § 4h Abs. 5 EStG untergehen und damit vollständig ungenutzt bleiben können.141 Mit dieser Wirkung kann sich selbst innerhalb des Zeitraums des Totaleinkommens kein Ausgleich angesammelter, bisher nicht berücksichtigter Zinsaufwendungen einstellen.142 Durch diese Konsequenz stellt die Zinsschranke in ihrem Grundkonzept aber gerade nicht sicher, dass die Betrachtung „über die Perioden hinweg […] wieder ein zutreffender Spiegel der Gesamtleistungsfähigkeit“143 ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der geringen Wahrscheinlichkeit der Nutzung des Zinsvortrags in zukünftigen Perioden könnten damit auch die Verfechter des Totalitätsprinzips eine Einhaltung des objektiven Nettoprinzips nur schwerlich bejahen.144 Vor diesem Hintergrund kann auch die Wertung des Elften Senats des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung zu § 2 Abs. 3 a. F. EStG, wonach eine zeitliche Streckung der Verlustvorträge nicht gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen, nicht auf die Zinsschranke übertragen werden. So bezog der Elfte Senat seine damaligen Äußerungen zum einen alleine auf die Verlustverrechnung.145 Zum anderen beschränkt sich die Zinsschranke im Regelfall nicht auf eine Streckung der Zinsaufwandsberücksichtigung. Weiterhin stellt das Gericht darauf ab, dass es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt nicht unbedingt um einen tatsächlichen Mittelabfluss handele, wenn es z. B. zu unechten Verlusten aus liquiditätsunwirksamen Abschreibungen komme.146 Da dies bei Zinsaufwendungen aber regel­mäßig nicht der Fall ist und hiervon auch stets die Liquidität des Unternehmens direkt betroffen ist, können diese Judikate zur verfassungsrechtlichen Einschätzung der Zinsschrankenregelung nur wenig beisteuern.147

Brähler et al., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf unterschiedliche Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen, S. 19, kommt zum Ergebnis, dass § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG im Regelfall wie ein permanentes Abzugsverbot wirkt. 141 Dazu ausführlicher Abschn. bb), S. 124. 142 So auch Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2007, 421 (423). 143 Neumann, Ubg 2009, 461 (462) [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 144 Siehe hierzu die Ausführungen zur zeitlichen Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips in Abschn. (b), S. 147. 145 Kritisch zur Rechtsprechung des Elften Senats des Bundesfinanzuhofs zur Verlustverrechnung Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 234 ff. 146 Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (555). Zur Problematik von sogenannten „unechten“ Verlusten ausführlich Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S.  8 ff. 147 Hey, BB 2007, 1303 (1305).

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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cc) Zwischenergebnis Den Überlegungen, bei der Zinsschrankenregelung handele es sich um einen System- bzw. Prinzipienwechsel des Gesetzgebers, womit § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG nicht dem Gebot der Folgerichtigkeit und damit auch nicht den Anforderungen des objektiven Nettoprinzips unterliegen würde, ist eine Absage zu erteilen. Die Zinsschranke zeigt sich aufgrund ihrer Ausnahmeregelungen als lediglich punktuelle Modifikation der gesetzgeberischen Grundentscheidung, welche Zinsaufwendungen regelmäßig als abzugsfähige Betriebsausgaben begreift. Die Regelungswirkung der Zinsschranke erweist sich damit als zu unwesentlich, um einen Prinzipienwechsel erkennen zu lassen. Auch hieran anknüpfende Folge­ änderungen sind bisher ausgeblieben und auch zukünftig nicht zu erkennen, so dass die Einführung der Zinsschranke auch nicht als ein erster Schritt innerhalb eines Systemwechsels bezeichnet werden kann. Aus diesen Gründen untersteht § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG den Anforderungen des Folgerichtigkeitsprinzips und hat in dieser Konsequenz den Anforderungen des objektiven Nettoprinzips zu entsprechen. Weiterhin lässt die Untersuchung, ob die Zinsschranke mit dem objektiven Nettoprinzip vereinbar ist, einen Verstoß erkennen.148 Selbst die Vortragsfähigkeit kann hier auch bei weiter Auslegung des Totalitätsprinzips keine Argumentationshilfe liefern, da sich der Zinsvortrag bereits im wirtschaftlichen Regelfall in ein permanentes Abzugsverbot wandelt. Dieses Verständnis ist auch als schlüssig anzusehen, wäre es ansonsten dem Gesetzgeber doch stets gestattet, jegliche Betriebsausgaben zur kurzfristigen Einnahmeerhöhung vom Abzug auszusetzen und sie erst zu einer ihm passenden Zeit zum Abzug zuzulassen. Der Charakter der Einkommensteuer als Belastung des disponiblen Bestandteils der Erwerbseinnahmen wäre hierdurch in Gefahr. In Verbindung mit dem Untergang des Zinsvortrags im Falle der Betriebsaufgabe nach § 4h Abs. 5 EStG konnte sich dieses Ergebnis zusätzlich festigen.

148 Im Ergebnis ebenso Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2007, 421 (423); P. Kirchhof, in: ders. (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, Vorwort zur 8. Aufl.; Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4; Schön, Homburg, Loritz, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 7 f., 43; Hey, BB 2007, 1303 (1305); Gosch, DStR 2007, 1553 ff.; Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (315). In seiner Haltung neutral, aber m. w. N. siehe Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 22.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

b) Rechtfertigung einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips Weil die Zinsschranke mit der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführt wurde, ist sie auch in ein Geflecht aus verschiedenen Begründungen eingebunden.149 Zudem versucht der Gesetzgeber die Zinsschrankenregelung multikausal abzusichern, um damit auf ggf. bestehende verfassungsrechtliche Kritik bereits im Vorhinein zu reagieren.150 Es könnte daher als Reaktion auf die vom Bundes­ verfassungsgericht vorgenommene Handhabung von Rechtfertigungsgründen151 anzusehen sein, dass der Gesetzgeber die Zinsschranke mit möglichst vielen Zielsetzungen der Unternehmensteuerreform in Verbindung bringt. Wie aus den vorherigen Ausführungen hervorgeht,152 sind die drei wesentlichen Zwecke der Zinsschranke zum Teil deckungsgleich. Doch zur genaueren Analyse trennt die in dieser Arbeit vertretene Ansicht die drei Zielsetzungen strikt voneinander und erkennt in der Absicht des Gesetzgebers Folgendes: Zum Ersten soll die Zinsschrankenregelung als allgemeine Fiskalzwecknorm den Verlust deutschen Steuersubstrats verhindern und damit die deutsche Steuerbasis sichern. Zum Zweiten bedient sich der Gesetzgeber der Zinsschranke als spezieller Missbrauchsbekämpfungsnorm, wenn sie der Umqualifizierung von in Deutschland entstandenen Gewinnen in abzugsfähige und anschließend ins Ausland trans­ferierte Zinszahlungen über konzerninterne Finanzierungsstrukturen entgegentreten soll. Zum Dritten soll die Zinsschranke als Lenkungsnorm die Fremdkapitalquoten deutscher Unternehmen senken und damit deren Eigenkapitalquoten und Insolvenzresistenz stärken. Um zu verhindern, dass der Gesetzgeber Rechtfertigungsgründe als Deck­ mantel um den Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip hüllt, ist daher nun zum einen zu überprüfen, ob die mit der Zinsschrankenregelung einhergehenden Zielsetzungen zum Katalog der legitimen Begründungen gehören und zum anderen, ob die Zinsschranke diese Argumente auch ausreichend zweckgerichtet umsetzt.153 aa) Allgemeine Sicherung des deutschen Steuersubstrats Als erstes der mit der Zinsschrankenregelung verfolgten wesentlichen Ziele nennt die Legislative die allgemeine Sicherung des deutschen Steuersubstrats.154 Eingebettet in die Budgetvorgabe der Unternehmensteuerreform 2008 soll die 149 Siehe hierzu auch die Ausführungen zu der vom Gesetzgeber vorgesehenen allgemeinen Zielsetzung der Unternehmensteuerreform in Abschn. 3., S. 111. 150 Analog Drüen, Ubg 2009, 23 (26). 151 Lepsius, JZ 2009, 260 (261). 152 Siehe Abschnitt a), S. 119. 153 Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Reichweite der Typisierung in Abschn. (2), S. 151, sowie Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 203 f. 154 Siehe Abschnitt a), S. 119.

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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Zinsschrankenregelung deutsches Steuersubstrat im Inland halten und mit einem erhofften Steuermehraufkommen von rund EUR 1 Mrd. als Gegenfinanzierungsmaßnahme dazu beitragen, dass die in der Reform gewährten Steuererleichterungen per Saldo den Betrag von EUR 5 Mrd. nicht überschreiten.155 Doch mit dem Argument, die Zinsschranke solle allgemein davor schützen, deutsches Steuersubstrat an ausländische Staaten zu verlieren,156 und gleichzeitig zur Einhaltung der Budgetvorgaben beitragen, begibt sich der Gesetzgeber auf den Weg, eine von der Belastungsgrundentscheidung abweichende Steuerwirkung mit allgemein fiskalisch motivierten Ansichten zu begründen. Derartige Motivationen ohne Missbrauchsvermeidungs- oder Lenkungsabsicht zählen aber nicht zum Kreis der verfassungskonformen Begründungen für die Durchbrechung einer gesetzgeberischen Grundentscheidung.157 Daher ist das mit der Zinsschranke verfolgte Ziel der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats keine verfassungskonforme Rechtfertigung für die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips.158 bb) Missbrauchsabwehr Nach den Ausführungen des Gesetzgebers bekämpft die Zinsschranke die Finanzierungspolitik international agierender Konzerne, wenn diese ihre deutschen Konzerneinheiten durch die gezielte übermäßige Aufnahme von konzerninternem, aber auch konzernexternem Fremdkapital hoch verschulden. Dies geschehe mit dem Ziel, deren eigentlich in Deutschland entstehenden Gewinne über die Geltendmachung von Zinsaufwendungen künstlich zu vermindern und ins Ausland zu transferieren.159 Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Einschätzung des Gesetzgebers geben verschiedene empirische Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass Deutschland als im internationalen Vergleich hoch besteuerndes Land160 einer steuerindizierten Motivation zur übermäßigen Fremdkapitalausstattung von Konzernunternehmen unterliegt.161 Da diese Analysen auf das internationale Steuer­ 155

BT-Drs. 16/4841, S. 30 f.; Pressemitteilung des BMF Nr. 88/2006; siehe hierzu auch Hey, FR 2008, 1033 (1035), sowie Drüen, Ubg 2009, 23 (26); kritisch ders., StuW 2008, 3 (12); zur fiskalpolitischen Zielsetzung der Zinsschranke siehe Abschn. b), S. 113. 156 BT-Drs. 16/4841, S. 1. 157 Etwa BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale); BVerfG, 2 BvL 13/09 v. 6.7.2010, Rz. 37 (Neuregelung häusliches Arbeitszimmer). 158 Für weitere Ausführungen zu dieser vom BVerfG nicht als legitimer Rechtfertigungsgrund eingestuften Zielsetzung sei auf Abschn. (1), S. 150 verwiesen. 159 BT-Drs. 16/4841, S. 31. Zur genauen Wirkungsweise dieses „Exports“ an Steuersubstrat siehe Abschn. 1., S. 91. 160 Siehe hierzu auch die Ausführungen zum Vergleich zwischen den einzelnen kombinierten Ertragsteuersätzen in Europa auf S. 86, Fn. 325. 161 Ramb/Weichenrieder, Taxes and the financial structure of German Inward FDI, CESifo Working Paper Nr. 1355, S. 20; Weichenrieder, Profit Shifting in the EU: Evidence from Germany, passim; Huizinga/Laeven, 92 Journal of Public Economics 2008, 1164 ff.

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satzgefälle abstellen und Deutschland auch nach der Unternehmen­steuerreform 2008 noch immer zu den Hochsteuerländern gehört,162 ist Deutschland damit wohl auch weiterhin der Gefahr ausgesetzt, von international operierenden Konzernen lediglich als Bereitsteller seines staatlichen Angebots ausgenutzt zu werden, ohne im Gegenzug dafür entsprechende Steuereinnahmen zu erhalten. Da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ausdrücklich zugesteht, missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken, handelt es sich bei der mit der Zinsschranke verfolgten Zielsetzung, die durch missbräuchliche Finanzierungsstrukturen hervorgerufenen Steuersubstratsverschiebungen zu bekämpfen, grundsätzlich um einen legitimen Zweck, von der Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers abzuweichen.163 (1) Grundtatbestand (a) Allgemein Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, gehen die angeprangerten missbräuchlichen Gestaltungen stets mit konzernintern, aber auch konzernextern abgeschlossenen Fremdkapitalbeziehungen deutscher Unternehmen grenzüberschreitend tätiger Konzerne einher.164 Daher weitet der Gesetzgeber die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG über den Begriff des „Betriebs“ in persönlicher Hinsicht regelmäßig auf sämtliche Rechtsformen aus. Damit erfasst seine Regelung jegliche in Konzernstrukturen einbindungsfähige inländische Unternehmen, die gewerblich tätig sind und steuerpflichtige Einnahmen erzielen.165 In sachlicher Hinsicht erstreckt die Zinsschranke ihren grundsätzlichen Anwendungsbereich nach § 4h Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG auf Zinsaufwendungen der betroffenen Betriebe, die höher sind als der Betrag der Zinserträge nebst dem verrechenbaren EBITDA und einem ggf. bestehenden EBITDA-Vortrag.166 Daher kann die Zinsschranke sämtliche missbräuchlich handelnde Unternehmen und deren Fremd­ kapitalfinanzierungsentgelte erfassen. Der Gesetzgeber scheint damit bei einer Überschreitung dieser vorgegebenen Grenzen grundsätzlich eine missbräuchliche Gestaltung anzunehmen, da die dar 162

Ebenso Hey, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 109 (126). Dazu Abschn. (3), S. 152; BVerfGE 34, 103 (118) (Aufsichtsratvergütungen); BVerfGE 8, 391 (Verlustausgleich für § 15a EStG); Drenseck, in: ders. (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 9, Rz. 1; dem folgend Drüen, StuW 2008, 3 (13). 164 BT-Drs. 16/4841, S. 31; siehe dazu auch die Darstellung der Grundformen missbräuchlicher Fremdkapitalgestaltungen in Abschn. 1., S. 91. 165 Zur Analyse des persönlichen Anwendungsbereichs der Zinsschranke sei auf Abschn. aa), S. 118, verwiesen. 166 Zur Analyse des sachlichen Anwendungsbereichs der Zinsschranke siehe Abschn. bb), S. 119. 163

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über hinausgehenden Teile des Zinsaufwands regelmäßig vom sofortigen steuerlichen Abzug ausgeschlossen sind und damit einer steuerlichen Sonderbelastung unterliegen. Hierbei können sich die dadurch ausgelösten, steuerlich negativen Auswirkungen im Ergebnis in einer Bandbreite befinden, die sich von einem Zins- bzw. Liquidationsnachteil bis hin zur vollständigen Nichtabzugsfähigkeit und dem damit einhergehenden Einbezug der betroffenen Zinsaufwendungen in die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage des betroffenen Betriebs erstreckt.167 Da die Zinsschranke im Gegenzug aber auch keine Vorgaben für die steuerliche Würdigung der Eigenkapitalfinanzierung enthält, sorgt der Grundtatbestand des § 4h EStG für eine einseitige steuerliche Schlechterstellung der Fremd- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung und macht dadurch auch die übermäßige Fremd­ kapitalfinanzierung deutscher Konzerneinheiten steuerlich weniger attraktiv. (b) Bezugsgröße verrechenbares EBITDA Als zentrale Bezugsgröße im Grundtatbestand der Zinsschrankenregelung fungiert das verrechenbare EBITDA. Man könnte meinen, dass der Gesetzgeber mit der Herstellung einer Verbindung zwischen der gewinnabhängigen Größe EBITDA und dem Nettozinsaufwand ein probates Mittel gefunden hat, gewinnstarken Unternehmen einen weitreichenden Zinsabzug zuzugestehen, während er den Zinsabzug z. B. den stark fremdkapitalfinanzierten und gewinnschwachen Unternehmen verwehrt. (aa) Ungenaue Erfassung Doch es ist im Regelfall nicht nachvollziehbar, wie der Vergleich zwischen Nettozinsaufwand und verrechenbarem EBITDA einen ausreichend typisierenden Rückschluss auf missbräuchliche Handlungen eines Betriebs geben soll. Betrachtet man nämlich eine Unternehmensentwicklung im Zeitablauf, so ist das ertragsabhängige und damit eher als volatil einzustufende EBITDA ins Verhältnis mit der eher stabilen Nettozinsbelastung zu setzen.168 Diese Abhängigkeit wäre zur Missbrauchserfassung aber nur dann stets sinnvoll, wenn z. B. eine Senkung des EBITDA bei gleichbleibendem Nettozinsaufwand auf missbräuchliche Praktiken zurückzuführen wäre. Dem widerspricht aber, dass ein Ungleichgewicht zwischen EBITDA und Nettozinsaufwand in vielen Fällen eher auf die jeweilige wirtschaftliche Situation des Unternehmens zurückzuführen ist als auf steuerplanerische Vorgänge. Der Grundtatbestand der Zinsschranke ignoriert durch diese Herangehensweise nämlich die Phasen gesteigerten Finanzbedarfs z. B. bei der Grün-

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Siehe dazu Abschn. b), S. 123. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, 36 Intertax 2008, 577 (578).

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dung eines Unternehmens oder in wirtschaftlichen Krisenzeiten.169 Gerade vor dem Hintergrund eines in der globalisierten Wirtschaftswelt zumeist sehr kurzfristigen Planungshorizonts mit wechselnden Rahmenbedingungen, variierenden Produktzyklen und unterschiedlichen Erfolgsentwicklungen kann ein Typisierungsmerkmal anhand der Ertragskraft eines Unternehmens nur unwesentlich zur aus­reichend zielgenauen Missbrauchserfassung beitragen. Weiterhin zeichnet sich die Wahl dieses Anknüpfungsmerkmals auch aus wirtschaftsstrukturellen Gründen als problematisch ab, da ein gewisser branchenspezifischer Zusammenhang zwischen Nettozinsaufwand und EBITDA besteht.170 So geht aus empirischen Untersuchungen hervor, dass Wirtschaftszweige wie z. B. Energie, Handel oder Grundstücks- und Wohnungswesen aufgrund ihrer Branchenstruktur von der Zinsschranke von vornherein stärker betroffen sind als andere.171 Hierbei macht der Gesetzgeber aber nicht deutlich, dass er mit § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG spezielle Branchen besonders belasten wollte.172 Diese Ungleichbehandlung ist aber zum einen bereits durch die Zusammensetzung der Größe EBITDA veranlasst. Aufgrund des Einbezugs von Abschreibungen und Gewinnen ist anlagenintensiveren und gewinnstärkeren Branchen ein großzügigerer Zins­ abzug gestattet. Zum anderen weisen die oben genannten Branchen meist eine geringe Eigenkapitalquote auf, da Vorleistungen durch Betriebsmittelkredite getragen werden173 oder werthaltige Sicherheitsleistungen in Form von Immobilien eine hohe Eigenkapitalfinanzierung nicht notwendig machen.174 Dabei ist aber offensichtlich, dass der Missbrauch, den der Gesetzgeber zu treffen beabsichtigte, nicht an spezielle Branchen zu koppeln ist, da ein Missbrauch gemeint ist, der viel eher mit der gesellschaftsrechtlichen Struktur grenzüberschreitender Konzerne zusammenhängt. Die vom Gesetzgeber gewählte Art der Typisierung trifft somit eher die Unternehmen in abschreibungs- und gewinn-

169 Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4; ähnlich Schön, FAZ v. 9.10.2009, S. 14; siehe hierzu auch die empirischen Untersuchungen von Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (331). 170 Siehe hierzu die Ausführungen von Herzig/Bohn, DB 2007, 1 (4 f.); Kußmaul/Ruiner/ Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 82 f. 171 Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (267); Blaufus/Lorenz, Wem droht die Zinsschranke? Eine empirische Untersuchung zur Identifikation der Einflussfaktoren, S. 22; speziell zur Betroffenheit der Branche Handel Brähler et al., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf unterschiedliche Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen, S. 13. 172 Z. B. zur besonderen Belastung von Unternehmen mit hohen (gezwungenermaßen) fremdkapitalfinanzierten Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) siehe z. B. Lehmann, DStR 2010, 1459. Hierbei erkennt Lehmann in den Änderungen von § 4h EStG durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auch nur eine marginale Abschwächung dieser hemmenden Wirkung auf die F&E-Vorhaben deutscher Betriebe. 173 Brähler et al., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf unterschiedliche Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen, S. 13. 174 Ähnlich Homburg, FR 2007, 717 (722).

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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schwachen Wirtschaftszweigen und knüpft damit lediglich an ein mögliches, aber nicht hinreichendes Missbrauchskriterium an. Bei allen Schwierigkeiten dieser weiten Missbrauchserfassung bleibt anzumerken, dass der Gesetzgeber auch eine Erklärung des Grenzwertes 30 v. H. schuldig bleibt. In der Gesetzesbegründung hat dieser noch nicht einmal versucht, diesen Prozentsatz zu erläutern. Wieso missbräuchliche Gestaltungen grundsätzlich ab einem Verhältnis von mehr als 30 v. H. des steuerlichen EBITDA zum Nettozinsaufwand beginnen, ist damit nicht nachvollziehbar. Weiterhin trifft auch der Umkehrschluss der Regelung wohl nicht zu, dass alle Betriebe, deren Zinsaufwand unter 30 v. H. ihres EBITDA liegt, in der Regel nicht steuermissbräuchlich handeln. Ob der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang seinen Typisierungsspielraum ausnutzt, kann daher nicht nachvollzogen werden. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Stimmen aus der Wissenschaft diese Größe als unsachgemäß einstufen.175 Trotz dieser weiten Missbrauchsdefinition ist aber auch anzuführen, dass die Anknüpfung an die Ertragskraft des Unternehmens im Umkehrschluss nicht sicherstellt, dass kein weiterer Missbrauch betrieben wird. Gerade hoch profitablen Unternehmen steht aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolgs bei einem entsprechend hohen EBITDA weiterhin die Möglichkeit offen, aus rein steuerinduzierten Gründen Steuersubstrat ins Ausland zu verschieben.176 Damit setzt die Zinsschrankenregelung derartigen Konzerneinheiten nur unwesentliche Grenzen, wenn diese ihre Finanzierung missbräuchlich gestalten.177 Inwieweit sich auch die Legislative über die genaue Missbrauchserfassung dieser Abzugsgrenze unsicher ist, lassen folgende Aspekte erkennen. So ist zum einen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Modifikation der Bemessungsgrundlage von EBIT über EBITDA178 zum aktuell genutzten verrechenbaren EBITDA179 zu bemerken, dass hierbei trotz erheblicher Erweiterungen für die Bemessung des gestatteten Abzugsvolumens stets die 30-v. H.-Grenze beibehalten wurde. In diesem Zusammenhang erfolgte auch keine missbrauchsbezogene Begründung. Der Fiskalgesetzgeber sprach in diesem Zusammenhang auch nicht davon, dass die Vorschrift damit z. B. an sich ändernde Missbrauchsszenarien angepasst würde. Es war viel eher von einer investitionspolitischen180 und systemrelevanten „Glättung des Abzugsvolumens“181 die Rede. Dabei mutet es aber seltsam an, dass in diesem 175

Z. B. Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 47. Schwarz, IStR 2008, 11 (13). 177 Schön, FAZ v. 15.3.2007, S. 12. 178 Dazu Abschn. 2., S. 109. 179 Dazu Abschn. dd), S. 122. 180 BT-Drs. 16/5452, S. 2. Nach Angaben des Finanzausschusses sollte damit erreicht werden, dass Investitionen über Abschreibungen keine nachteiligen Wirkungen auf die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen entfalten. 181 BT-Drs. 17/15, S. 18. 176

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

zentralen Tatbestandsmerkmal der Zinsschranke derart viel Spielraum bestehen sollte, missbräuchliche Gestaltungen zu erfassen. Zum anderen ist auf die Reaktion der damaligen Bundesregierung im Rahmen einer Anfrage der FDP-Fraktion hinzuweisen. Auf die Frage, weshalb die Bundesregierung der Erweiterung – der damals noch geplanten – Bemessungsgrundlage von EBIT auf EBITDA kritisch gegenüberstehe, antwortete sie ebenfalls nicht mit missbrauchsrelevanten, sondern mit rein fiskalischen Argumenten. So beruhte ihre ablehnende Haltung nämlich schlicht darauf, dass mit der vorgeschlagenen Erweiterung der eingeplante Beitrag der Zinsschrankenregelung zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform 2008 nicht erreicht werden könne.182 (bb) Wirkung einer Sollbesteuerung Die Beschränkung der Abzugsfähigkeit jenseits der 30-v. H.-Grenze des steuerlichen EBITDA entfaltet in gewisser Weise den Charakter einer Sollbesteuerung. Dies gründet darin, dass Unternehmen der Zinsabzug so lange gewährt bleibt, wie die Höhe ihres Nettozinsaufwands unter dem vorgegebenen Verhältnis ihres verrechenbaren EBITDA liegt. Der Gesetzgeber akzeptiert also eine (auch missbräuchliche) Gewinnverlagerung ins Ausland, solange das verrechenbare EBITDA nicht überschritten wird. Ist dies aber der Fall, untersagt er jedoch eine Gewinnminderung und ordnet damit eine der Mindestbesteuerung ähnliche Rechtsfolge an. Im umgekehrten Fall dürfte der Gesetzgeber darauf abzielen, dass Unternehmen, denen der vollständige Zinsabzug verwehrt bleibt, so lange Gewinne steigern bzw. ins Inland verlagern, bis ihre Zinszahlungen das anteilige verrechenbare EBITDA unterschreiten. Eine Angleichung der Konzernfinanzierungspolitik ist dergestalt zu erwarten, dass die relativ EBITDA-starken Unternehmen ihre überschüssigen Gewinne ungestraft ins Ausland verlagern und die im Verhältnis zu ihrem Zinsaufwand relativ ertragsschwachen Unternehmen ihre inländischen Gewinne zu steigern versuchen. Dass diese Wirkung eher zur allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats als zur Erfassung von missbräuchlichen Transaktionen führt, liegt auf der Hand. (c) Zwischenergebnis Der Grundtatbestand der Zinsschranke wirkt zum einen sehr weit, indem er regelmäßig sämtliche Zinsaufwendungen und jegliche Unternehmensformen erfasst. 182

So führt die BT-Drs. 16/4835, S. 3 aus: „Das Abstellen auf das EBITDA für den Abzug der Zinsaufwendungen würde zu einem vollständigen Wegfall des für die Maßnahme ‚Zinsschranke‘ angesetzten Mehraufkommens im Rahmen der Unternehmensteuerreform in Höhe vom 1,5 Mrd. Euro führen.“

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Zugleich sorgt die Grenzziehung bei der Erfassung von grundsätzlich missbräuchlichen Strukturen über die 30-v. H.-Grenze des verrechenbaren EBITDA für einen unsachgemäßen Ausschluss von ausreichend ertragsstarken Unternehmen aus dem Missbrauchsverdacht.183 Da die Zinsschranke lediglich die im Verhältnis zu ihrem Nettozinsaufwand relativ ertragsschwachen Unternehmen erfasst und somit eher die Wirkung einer Sollbesteuerung, als die einer Norm zur typisierenden Missbrauchsvermeidung entfaltet, wirkt bereits der Grundtatbestand der Zinsschranke trotz seiner eigentlich sehr breiten Formulierung lückenhaft bzw. ungenau.184 Aus diesen Gründen gilt es in einem folgenden Schritt zu untersuchen, ob der Grundtatbestand der Zinsschranke im Zusammenspiel mit ihren Ausnahme- und Rückausnahmeregelungen doch noch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen kann, wonach eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift durch typisierende Eingrenzungen den Regelfall realitätsgerecht zu erfassen hat.185 (2) Ausnahmeregelungen (a) Freigrenze Als erste Ausnahme regelt § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a EStG, dass die Zinsschranke bei einem Nettozinsaufwand von weniger als EUR 3 Mio. keine Anwendung findet.186 Der Gesetzgeber begründete seine Wahl dieser – in seinen Worten als „Bagatell­grenze“ beschriebenen – Größe mit der Entlastung der kleinen und mittelständischen Unternehmen.187 Hierbei stellt sich nun die Frage, inwieweit dies zur Erfassung des typischen Missbrauchsfalls beiträgt. Da der vom Gesetzgeber monierte steuerliche Missbrauch stets mit grenzüberschreitenden Konzernstrukturen einhergeht, könnte der Gesetzgeber mit dieser Bagatellgrenze auch darauf abzielen, dass eher große als kleine und mittlere Unternehmen grenzüberschreitend tätig sind. Da große Unternehmen eher einen hohen Nettozinsaufwand aufweisen als kleinere und mittlere Betriebe, könnte er damit auf indirektem Wege die grenzüberschreitend tätigen Unternehmen treffen, also die Unternehmen, die des angeprangerten Missbrauchs 183 Schön, FAZ v. 15.3.2007, S. 12, spricht im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform 2008 von einer Reform für „Siegertypen“. 184 Zu dieser legislativen Unbedachtheit siehe Töben/Fischer, GmbHR 2007, 532; dem folgend Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (315). 185 BVerfGE 96, 1 (6 f.) (Weihnachtsfreibetrag) ebenso BVerfGE, 122, 210 (Neuregelung Pendlerpauschale); siehe hierzu auch die Ausführungen zur Missbrauchstypisierung in Abschn. (3), S. 152. 186 Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Kommentierung der Freigrenze in Abschn. aa), S. 125. 187 BT-Drs. 16/4841, S. 48.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

grundsätzlich fähig sind. Diese Überlegungen stehen auch im Einklang mit den Ergebnissen empirischer Studien, die insbesondere Großunternehmen als von der Zinsschranke betroffen sehen.188 Aus Sicht des Gesetzgebers könnte es daher durchaus einen Sinn ergeben, über eine Bagatellgrenze die weniger großen und damit zumeist lediglich inländisch tätigen Unternehmen von der Wirkung der Zinsschranke auszunehmen.189 In diesem Zusammenhang dürfte die Freigrenzenregelung somit ein durchaus sinnvolles Typisierungsmerkmal darstellen, das zur Erfassung des Missbrauchs zweckmäßig sein könnte. Trotzdem bleibt einzuwenden, dass gerade die voranschreitende Globalisierung auch kleinen und insbesondere mittleren Unternehmen eine immer stärkere internationale Verflechtung abverlangt, so dass ein Typisierungsversuch über die Größenkriterien ggf. ungenau wirken könnte. Weiterhin ist es auch nicht vollends überzeugend, weshalb der Gesetzgeber dieses Typisierungsmerkmal als „Freigrenze“ gewählt hat. Bleiben die Nettozinsaufwendungen unter diesem Betrag, unterliegt der jeweilige Betrieb nicht der Zinsschrankenregelung und deren Sonderbelastungen. Beträgt der Nettozinsaufwand jedoch EUR 3 Mio. oder mehr, kann die Zinsschrankenregelung den gesamten Betrag mit ihren steuerlichen Einschränkungen belegen. Dem Steuerpflichtigen erschließt es sich damit nicht, dass ein Betrieb mit einem Nettozinsaufwand in Höhe von EUR 2,99 Mio. vom Verdacht des Missbrauchs freigestellt ist, während ein Betrieb – unter sonst unveränderten Umständen – mit einem Nettozinsaufwand von exakt EUR 3 Mio. ggf. dem Anwendungsbereich der Zinsschranke unterliegt. In diesem Zusammenhang erscheint es daher unzweckmäßig, dass der Gesetzgeber gegen die schwer und wohl nur ungenau zu definierende Materie des Gestaltungsmissbrauchs mit derart exakten und polarisierenden Kriterien vorgeht. Die Wahl eines Freibetrags wäre hier wohl zweckmäßiger gewesen. Ebenfalls kritisch zu beleuchten ist die mittlerweile dauerhaft und rück­wirkend geltende Erhöhung der Freigrenze von EUR 1 Mio. auf EUR 3 Mio. Weniger beachtlich ist hierbei die Ausweitung dieses Betrags. Vielmehr zu bemängeln ist die Argumentation des Gesetzgebers, die dieser bei der Erhöhung vorbrachte. Die Legislative führte hierzu nämlich – ähnlich wie bei der Erweiterung der EBIT(DA)Bemessungsgrundlage – keine missbrauchsrelevanten Gründe an. So hätte man bei einer Verdreifachung eines damals wohl für notwendig erachteten Betrags zur Missbrauchserfassung doch gesetzgeberische Bedenken erwartet, die ggf. zu der wohl nun ebenfalls ausreichenden Missbrauchserfassung Stellung neh 188

So ergibt sich aus der Untersuchung von Bach/Buslei, Empirische Analyse zur Zinsschranke auf Grundlage von Handelsbilanzdaten, dort Tabelle 4, S. 24, 33 f., dass in den Anwendungsbereich der Zinsschranke neben wenigen kleinen und mittelständischen Unternehmen insbesondere Großunternehmen fallen; siehe dazu auch dies., Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 17/2009, S. 283 ff. 189 Andeutend Schwarz, IStR 2008, 11 (14).

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men würden. Wie sonst könnte der Gesetzgeber im Rahmen einer Missbrauchsbekämpfungsnorm diese wichtige Ausnahmegröße einfach verdreifachen, ohne dies beispielsweise zumindest mit einer veränderten Missbrauchslage zu begründen. Dem war aber nicht so, rechtfertigte der Gesetzgeber diese Ausweitung doch mit der wiederholten Begründung einer Entlastung für „kleinere und mittlere Unternehmen“;190 erneut ohne einen Bezug zu missbräuchlichen Gestaltungen herzustellen. Dem Betrachter stellt sich damit die bisher unbeantwortet gebliebene Frage, ob diese fallbeilartig wirkende Grenze einfach so verschoben werden kann oder ob sich dahinter doch ein tieferer Missbrauchserfassungszweck verbirgt. (b) Konzern-Klausel In der durch § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG bestehenden Ausnahme von der Anwendung der Zinsschrankenregelung für nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehörende Betriebe könnte eine weitere Missbrauchstypisierung liegen. Im Umkehrschluss sind damit von der Zinsschranke nämlich regelmäßig nur vollständig zu einem Konzern gehörende Betriebe erfasst.191 Diese Eingrenzung liegt nahe, da die im Missbrauchsfokus des Gesetzgebers stehenden, international asymmetrischen Finanzierungsstrukturen insbesondere durch Konzernstrukturen entwickelt und genutzt werden können. Hierbei spielt der regelmäßig fehlende Interessengegensatz einzelner Konzernunternehmen eine wichtige Rolle, da diese sich dem Gewinnmaximierungsinteresse des Konzerns unterzuordnen und damit auch Entscheidungen zu befolgen haben, die ihrem eigenen Gewinnkalkül entgegenstehen.192 Im Zusammenspiel mit dem Betriebsbegriff verfeinert der Gesetzgeber seine in der Konzern-Klausel begonnene Typisierung. Weniger steht hierbei die konkrete Definition eines Betriebs im steuerrechtlichen Sinne im Zentrum als vielmehr, wie ein Betrieb zinsschrankenspezifisch auszulegen ist.193 So sieht § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 und 2 KStG vor, Organschaften wie einzelne Betriebe zu betrachten und damit als konzernfrei von der Zinsschrankenregelung auszunehmen, wenn Konzern- und Organkreis deckungsgleich sind.194 Da aber nach § 14 Abs. 1 Satz 1 190

Vgl. BT-Drs. 17/15, S. 10. Siehe hierzu auch die weiteren Ausführungen in Abschn. bb), S. 126. Nach Stangl/ Hageböck, in: Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, S. 448 (450), stehen mehr als die Hälfte der deutschen Personenunternehmen und ca. 40 v. H. der Unternehmen in der Rechtsform der GmbH in konzern- bzw. konzernähnlichen Verbindungen. In diesem Zusammenhang wird von der Rückausnahmeregelung des § 8a Abs. 2 KStG abgesehen. 192 Andeutend Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 1. 193 Siehe hierzu die Ausführungen zum Betriebsbegriff des § 4h EStG in Abschn. aa), S. 118. 194 Loschelder, in: Drenseck (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 4h, Rz. 27. 191

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG der gesamte Organkreis lediglich aus in Deutschland ansässigen Unternehmen bestehen darf, ist eine solche Voraussetzung nur von rein nationalen Konzernkreisen zu erfüllen. Als Auswirkung dieser Regelung zeigt sich, dass – aufgrund des Vorbehalts der Deckungsgleichheit von Organ- und Konzernkreis für rein nationale Unternehmensverflechtungen – der Gesetzgeber wohl auf den Anwendungsausschluss von rein nationalen Konzernen abzielt, womit er die Erfassung grenzüberschreitender Konzernstrukturen bezweckt. Dieser Ansatz ist bei der Bewertung der Zielgenauigkeit der Zinsschranke zu begrüßen, ergibt doch der Vergleich zwischen rein innerdeutschen und grenzüberschreitenden Konzernfinanzierungsstrukturen, dass das wesentlich höhere Missbrauchs­ potential bei Letzteren liegt.195 Kritik ist aber an der Trennschärfe dieser Typisierung zu äußern. Zwar ist es richtig, dass gerade die grenzüberschreitenden Konzernstrukturen die Möglichkeit bieten, aufgrund des Fehlens eines Interessengegensatzes Steuersubstrat aus Deutschland über Strukturen der Fremdkapitalfinanzierung ins Ausland zu verlagern.196 Doch hiermit werden grenzüberschreitend tätige Unternehmen pauschal dem Verdacht der missbräuchlichen Ausgestaltung ihrer Finanzierungsstrukturen ausgesetzt. Zusätzlich ist die Bildung einer Organschaft Kapitalgesellschaften vorbehalten, wohingegen Personengesellschaften lediglich als Organträger Einbezug in diese Konstruktion finden können.197 In nicht nachvollziehbarer Weise unterstellt eine derartige Typisierung, dass eine höhere Missbrauchsgefahr bei Konzerngestaltungen mit Personengesellschaften vorliegt. Hierbei handelt es sich aber auch nicht um eine kleine Gruppe von Betroffenen. Nach Schätzungen lassen sich mehr als die Hälfte der deutschen Personengesellschaften in die Kategorie der Konzerne bzw. konzernähnlichen Verbindungen einordnen.198 Derartigen Konzernstrukturen steht es aufgrund des Betriebsbegriffs demnach nicht offen, die Zinsschrankenregelung nicht anzuwenden, wodurch solche Unternehmen trotz rein inländischer und damit missbrauchsunfähiger Konzernstruktur der typisierenden Missbrauchsvermutung des § 4h EStG unterliegen können.199

195 Siehe hierzu die Ausführungen zu den schädlichen konzerninternen Finanzierungen in Abschn. 1., S. 91. Hierbei wurde aufgezeigt, dass gerade bei grenzüberschreitenden Finanzierungsstrukturen eine Besteuerung in Deutschland nicht sichergestellt werden kann. 196 Dazu Fn. 195, S. 172. 197 Scheffler, Besteuerung von Unternehmen I, S. 220 ff. 198 Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, S. 448 (450). 199 Zum Ausschluss des Missbrauchs durch rein nationale Fremdkapitalfinanzierungsgestaltungen siehe Hey, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 11, Rz. 49; Ortmann-Babel/Zipfel, in: Ernst&Young/BDI (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 71 ff. Für die Rechtslage vor der Unternehmensteuerreform 2008 siehe Maier, Die Regelungen zur GesellschafterFremdfinanzierung im internationalen Vergleich, S. 21.

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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(c) Eigenkapital-Klausel Als vom Gesetzgeber ausdrücklich in der Gesetzesbegründung genanntes Typisierungsmerkmal zur Missbrauchserfassung ist als dritte Ausnahme von der Anwendung der Zinsschranke die Eigenkapital-Klausel in § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c EStG zu betrachten. Diese ermöglicht es konzernzugehörigen Betrieben, der Zinsschrankenregelung zu entgehen, wenn ihre Eigenkapitalquote größer oder maximal zwei Prozentpunkte kleiner ist als die des Gesamtkonzerns. Laut Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, dass Konzernunternehmen, die unter Berücksichtigung der oben genannten Toleranzgrenze mindestens eine ebenso hohe Eigenkapitalquote aufweisen wie die des Gesamtkonzerns, ohne steuerlichen Hintergrund fremdkapitalfinanziert sind und damit, obwohl sie vom Grundtatbestand der Zinsschrankenregelung erfasst sind, nicht missbräuchlich handeln.200 Der Gesetzgeber nimmt damit aber im Umkehrschluss missbräuch­ liche Handlungen typisierend an, wenn die Eigenkapitalquote des betroffenen Betriebs um mehr als zwei Prozentpunkte kleiner ist als die des Konzerns. Anders gesagt sollen diejenigen Konzernbetriebe von der Zinsschranke erfasst bleiben, die im konzerninternen Vergleich mit überdurchschnittlich viel Fremdkapital ausgestattet sind und daher im Verhältnis höhere Fremdkapitalvergütungen in Deutschland geltend machen als in anderen Ländern. Auf den ersten Blick scheint der Gesetzgeber mit dieser Missbrauchstypisierung an ein durchaus probates Merkmal für Missbrauch anzuknüpfen. Hintergrund dieser Herangehensweise bildet wohl das vom Gesetzgeber angenommene Missbrauchsbild eines hoch fremdkapitalfinanzierten deutschen Konzernunternehmens, welches aufgrund der übermäßigen Zuführung an Fremdkapital aus dem Ausland eine den Konzerndurchschnitt weit unterschreitende Eigenkapitalquote aufweist. Doch diese Regelung ist aufgrund ihrer starken Verallgemeinerung zu kritisieren, da sie eine gegenüber dem Konzerndurchschnitt bereits leicht geringere Eigenkapitalausstattung eines Konzernbetriebs als Missbrauchsmerkmal heranzieht. Zwar ist es richtig, dass ein derartiges Merkmal auch bei missbräuchlichen Strukturen auftreten kann. Trotzdem ist die mangelnde Aussagekraft einer derartigen Missbrauchstypisierung zu monieren, welche z. B. die Lage eines Mischkonzerns verkennt.201 In den entsprechenden Fällen muss eine geringere Eigen­ kapitalquote auf Betriebs- gegenüber der auf Konzernbasis aber nicht unbedingt auf eine missbräuchliche Finanzierungsgestaltung hinweisen, sondern könnte insbesondere den branchenspezifischen Unterschieden der jeweiligen Konzernsparten geschuldet sein. Das belegen auch empirische Untersuchungen, wenn sie unterschiedliche Eigenkapitalquoten nicht auf missbräuchliche Finanzierungs­ gestaltungen zurückführen, sondern auf unterschiedliche branchentypische An 200 201

BT-Drs. 16/4841, S. 31. Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4.

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forderungen. So stellte auch die Deutsche Bundesbank bei der Analyse von Daten aus dem Jahr 2005 große Unterschiede bei den durchschnittlichen Eigenkapitalquoten verschiedener Wirtschaftszweige fest. Die konstatierten Unterschiede waren größer, als es der Toleranzrahmen in § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG vorsieht. So wiesen die Wirtschaftsbereiche verarbeitendes Gewerbe 27,43 v. H., Großhandel 23,61 v. H., unternehmensnahe Dienstleistungen 20,31 v. H., Einzelhandel 18,29 v. H., Handel und Reparatur von Kraftfahrzeugen 12,21 v. H. und das Baugewerbe eine Eigenkapitalquote von 8,43 v. H. auf.202 Weiterhin ignoriert die dritte Ausnahmeregelung von der Zinsschranke nicht nur Branchenanforderungen, sondern auch die nationalstaatlichen Vorgaben eines Rechtssystems für die jeweilige Finanzierungsstruktur. In diesem Zusammenhang haben nämlich gerade die grenzüberschreitend tätigen Konzerne bei der Finanzierung ihrer Konzerneinheiten insbesondere den nationalstaatlichen Rechtsrahmen zu beachten, welcher z. B. auch bei Unternehmen aus gleichen Branchen zu unterschiedlichen Eigenkapitalquoten führen kann. Dieses Argument untermauert auch eine im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durchgeführte Untersuchung zur Unterschiedlichkeit der Eigenkapitalquoten in Frankreich und Deutschland.203 Hierbei führte die Analyse die zum Teil erheblichen Differenzen der Eigenkapitalquoten nicht auf rein steuerinduzierte Faktoren zurück, sondern sah sie im Wesentlichen in einer Mischung aus Parametern des Insolvenzrechts sowie des Banken- und Steuersystems begründet. In eine ähnliche Richtung zielt auch das Argument, dass der vom Gesetzgeber mit der Eigenkapital-Klausel vorgebrachte Typisierungsversuch von der fälschlichen Annahme ausgeht, neben Eigenkapital bestünden nur verzinsliche Verbindlichkeiten. Dabei kann eine in einem Nicht-Mischkonzern bestehende unterschiedliche Eigenkapitalquote auch auf landesspezifisch unterschiedliche Rechtsvorschriften zurückzuführen sein. So sorgen z. B. gerade in Deutschland die Verbindlichkeiten gegenüber den Arbeitnehmern für eine Senkung der Eigenkapitalquote und erschweren somit, ohne dass eine Missbrauchsabsicht vorliegt, die Nutzung der Ausnahmeregelung zur Zinsschranke. (d) Rückausnahme Gesellschafter-Fremdfinanzierung Als eine weitere Missbrauchstypisierung nutzt der Gesetzgeber wohl auch das Zusammenspiel der in § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b und c EStG kodifizierten Ausnahmeregelungen mit dem Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen des § 8a Abs. 2 202 Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zins­ abzugs, S. 181, mit Bezug auf die Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank. 203 Friderichs, KfW-Research, Ausgabe 23, Juni 2001, Ergebnisse vergleichender Bilanzanalysen für französische und deutsche Unternehmen, S. 45 ff.; zu einem Vergleich der Eigenkapitalquoten der beiden Länder siehe Abschn. cc), S. 179.

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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und 3 KStG. Hierbei bleibt es Körperschaften oder nachgeordneten Mitunternehmerschaften gestattet, die Konzern- bzw. Eigenkapital-Klausel nur dann zu nutzen, wenn sie das Nichtvorliegen einer schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung nachweisen.204 Die Konzern-Klausel nach § 8a Abs. 2 KStG kann von einer nicht oder nur anteilsmäßig konzernzugehörigen Körperschaft nur dann genutzt werden, wenn sie belegt, dass sie nicht mehr als zehn v. H. ihres Nettozinsaufwands an Zinsen an einen mindestens mittelbar beteiligten, wesentlichen Gesellschafter (Beteiligung > 25 v. H.), an eine diesem nahestehende Person oder an einen auf die zuvor genannten Parteien rückgriffsberechtigten Dritten bezahlt.205 Die Rückausnahme zur Eigenkapital-Klausel ist komplexer und verlangt für die Nutzung dieser Ausnahmeregelung durch eine konzernzugehörige Körperschaft einen sehr umfangreichen Nachweis. So gilt es, für alle dem Konzern ggf. weltweit angehörenden Gesellschaften zu belegen, dass lediglich maximal zehn v. H. des Nettozinsaufwands an einen konzernexternen wesentlich beteiligten Ge­ sellschafter jeder Konzerngesellschaft oder gleichgestellte Dritte transferiert worden sind. Hiermit knüpft der Gesetzgeber in verschärfender Weise an die GesellschafterFremdfinanzierungsregelungen des § 8a KStG a. F. an. Doch neben diesen wiederum sehr weitgehenden Typisierungsansätzen ist die Verschärfung der Missbrauchsvermutung für Kapitalgesellschaften über § 8a KStG zumindest grundsätzlich nachzuvollziehen. Der Gesetzgeber will mit diesen Rückausnahmeregelungen insbesondere die zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Anteilseignern bestehenden Möglichkeiten von Gestaltungen der Fremdkapitalfinanzierung zusätzlich einschränken.206 Ansonsten wäre die Gesellschafter-Fremdfinanzierung nicht konzernzugehörigen Betrieben bzw. Konzernunternehmen mit den gleichen Eigen­kapitalquoten völlig freigegeben. Zudem sind hierdurch verschiedene Manipulationsmechanismen der konzernexternen Konzernfinanzierung zur Senkung der Eigenkapitalquote des Konzerns weitgehend eingeschränkt.207 Trotzdem ist einzuwenden, dass – entgegen den früheren Fassungen des § 8a KStG – nun aber in keinem der möglichen Anwendungsbereiche der Zinsschrankenregelung eine Gegenbeweismöglichkeit besteht.208 Die Regelung zeigt sich damit als trennunscharf und geht weit über den Bereich missbräuchlicher Gestaltungen hinaus, da sie z. B. weder auf kapitalbedürftige Unternehmenskrisen noch auf die verschiedenen Entwicklungsphasen eines Unternehmens eingeht, die ggf. nur von den Gesellschaftern gelöst bzw. begleitet werden können. Zusätzlich 204

Dazu genauer Abschn. d), S. 129. Für eine detailliertere Ausführung zum anhängigen Verfahren zur strittigen Auslegung dieser Vorschrift siehe Fn. 126, S. 131. 206 BT-Drs. 16/4841, S. 74 f. 207 Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al. (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Bd. II, § 8a, Rz. 160. 208 Dazu Abschn. a), S. 97. 205

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stellt sich die Frage, weshalb die Missbrauchsvermutung bereits ab einem Betrag von zehn v. H. des Nettozinsaufwands beginnt. Dafür, warum diese wohl typisierende Größenordnung gewählt wurde, gibt es aber keine empirischen Anhaltspunkte, ebenso schweigt sich die Gesetzesbegründung hierzu aus. Vor allem zu bemängeln ist aber die Schwierigkeit, die in § 8a Abs. 3 KStG genannten Voraussetzungen zu erfüllen.209 Zwar verwendet § 8a Abs. 3 KStG eine ähnliche Definition für Gesellschafter-Fremdfinanzierung, wie sie für die Rückausnahme in Abs. 2 derselben Vorschrift geregelt ist. Doch entgegen dem direkten Bezug auf den von der Zinsschranke betroffenen Konzern verlangt § 8a Abs. 3 KStG den Nachweis des Nichtvorliegens einer Gesellschafter-Fremd­ finanzierung zwischen jeglichen konzernzugehörigen Gesellschaften mit nicht konzernzugehörigen wesentlichen Anteilseignern, nahestehenden Personen oder auf die zuvor genannten Parteien rückgriffsberechtigte Dritte.210 Im Zweifel ist dieser Ansatz auf den weltweiten Konzernkreis des von der Zinsschranke betroffenen Betriebs auszudehnen und kann damit ggf. bereits aus Gründen der Praktikabilität nicht genutzt werden. Nur schwer wird es für einen deutschen Betrieb nachzuweisen sein, dass kein anderes ausländische konzernzugehöriges Unternehmen von einem konzernexternen wesentlichen Anteilseigner oder diesen gleichgestellten Personen in der vorgesehenen Höhe fremdfinanziert worden ist. Hierbei könnte neben der Praktikabilität insbesondere der ggf. bestehende Beweis- und Verwaltungsaufwand211 für die Erbringung eines derartigen Nachweises bereits eine Anwendung der Rückausnahmeregelung im Ansatz ausschließen und damit den Gedanken der Missbrauchsvermeidung konterkarieren. Durch diese komplex geregelte und schwer zu erbringende Anforderung kommt es nach verschiedenen Einschätzungen dazu, dass dem überwiegenden Teil der in Frage kommenden Unternehmen die Nutzung der Eigenkapital-Klausel verwehrt bleibt.212 Besonders problematisch ist dies, da § 4h Abs. 2 lit. c EStG für große Konzernunternehmen meist die einzige Möglichkeit ist, sich der Zinsschranke zu entziehen. Derartige Nachweishürden sind schädlich und dienen nicht der sach­ gerechten Missbrauchserfassung. Wie groß der legislative Missstand ist, lässt sich auch daran erkennen, dass bereits der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundes­

209

Thiel, FR 2007, 729 (731 f.); Köhler, DStR 2007, 597 (599 f.). BT-Drs. 16/4841, S. 75; BMF-Schreiben v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/1001, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 80. Zum Streit, ob rein ausländische Sachverhalte in diese Prüfung mit einzubeziehen sind, siehe Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz.  57 ff. 211 Die Klage der Wirtschaft über den hohen Verwaltungsaufwand, der für die Nutzung der Eigenkapital-Klausel notwendig ist, ist in der Unternehmensbefragung von Ortmann-Babel/ Bolik/Fuest, DStR 2010, 1865 (1869 ff.) deutlich zu erkennen. 212 Herzig/Lochmann/Liekenbrock DB 2008, 593 (596); Eichfelder et al., in: ZEW/Universität Wuppertal/Ebner u. a. (Hrsg.), Auswirkungen von Steuervereinfachungen, S. 52; Hier­ stetter, DB 2009, 79. 210

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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regierung einen Passus enthält, der die „Escape-Klausel überarbeiten [will, um sie] für deutsche Konzerne anwendbar [zu] machen“.213 Bis heute sind hierzu allerdings noch keine Ergebnisse bekannt. (3) Zwischenergebnis Der Grundtatbestand der Zinsschranke macht deutlich, dass von ihr lediglich im Vergleich zu ihrem Nettozinsaufwand relativ ertragsschwache Unternehmen erfasst sein sollen. Damit beginnt bereits in § 4h Abs. 1 EStG die ungenaue Missbrauchstypisierung der Zinsschranke, da von vornherein die in Relation zu ihrem Zinsaufwand ausreichend ertragsstarken Unternehmen bis zur Grenze des verrechenbaren EBITDA Missbrauch betreiben können. Hochprofitablen Unternehmen steht damit aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolgs bei einem entsprechend relativ hohen EBITDA weiterhin die Möglichkeit offen, aus rein steuerinduzierten Gründen Steuersubstrat ins Ausland zu verschieben.214 Der Grundtatbestand der Zinsschranke sorgt damit auf der einen Seite für einen Anreiz, Gewinne so lange ins Ausland zu verlagern, bis die EBITDA-Grenze erreicht ist. Auf der anderen Seite motiviert sie die im Vergleich zu ihrem Nettozinsaufwand relativ ertragsschwachen Unternehmen dazu, mehr Gewinn zu erwirtschaften bzw. Gewinne aus dem Ausland ins Inland zu verlagern, um in den Genuss der vollständigen sofortigen Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen zu kommen. Aus diesen Gründen wird der Anschein erweckt, die Zinsschranke sorge für eine Sollbesteuerung der von ihr betroffenen Unternehmen. Eine derartige Wirkung trägt aber eher zur allgemeinen Sicherung des Steuersubstrats bei,215 als dass sie einer ausreichend zielgenauen Missbrauchstypisierung förderlich ist.216 Die Verengung des Anwendungsbereichs durch die Ausnahmeregelungen schafft es nicht, eine ausreichend treffgenaue Missbrauchserfassung herzustellen. Zwar ist anzuerkennen, dass der Gesetzgeber mit den unterschiedlichen Ausnahmen versucht, in die richtige Richtung zu zielen. Eine ausreichende Reduktion des ungenauen Grundtatbestands ist darin aber nicht ersichtlich.217 Dies gründet zum einen darin, dass der Gesetzgeber auf einen eigentlich zielgenauer wirkenden Gesetzesaufbau verzichtet. Entgegen der Möglichkeit, im ersten Schritt rein missbräuchliche Gestaltungen zu definieren und sie im zweiten Schritt auf weitere Tat 213

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP v. 26.10.2009 – Wachstum. Bildung. Zusammenhalt, 17. Legislaturperiode, S. 11 [Einfügungen in eckigen Klammern durch den Verf.]. 214 Schwarz, IStR 2008, 11 (13). 215 Vgl. Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418. 216 Haarmann, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 48; Hölzer/ Nießner, FR 2008, 845. 217 Siehe dazu auch Eichfelder et al., in: ZEW/Universität Wuppertal/Ebner u. a. (Hrsg.), Auswirkungen von Steuervereinfachungen, S. 51.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

bestände zu erweitern, macht die Zinsschranke Finanzierungsmissbrauch zum Regelfall und erklärt nicht missbräuchliche Konstellationen über die Regelungen des § 4h Abs. 2 lit. a bis c EStG zum Ausnahmefall.218 Zum anderen lässt sich der Gesetzgeber zu stark von dem in der Gesetzesbegründung umschriebenen, massiv vereinfachten Missbrauchsszenario leiten. Dabei ist es zwar richtig, dass manche Konzernsteuerpolitik deutschen Konzerneinheiten vorschreibt, sich konzernintern bzw. konzernextern übermäßig zu verschulden, damit diese ihre Gewinne über die Geltendmachung von Zinszahlungen vermindern und über die daran anknüpfenden Finanzierungsstrukturen in ein niedriger besteuerndes Land der Konzerntätigkeit verlagern. Daraus aber den Regelfall abzuleiten, dass die im Verhältnis zum Gewinn zu hohen Zinsaufwendungen deutscher Konzernunternehmen regelmäßig das Ergebnis manipulativer Handlungen sind, ist unsachgemäß.219 Auch die Regelungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG können nur wenig zur zielgenaueren Missbrauchserfassung beitragen. Dies liegt zum einen daran, dass sie als Rückausnahmeregelungen zur Verbesserung der Lage des Steuerpflichtigen nicht beitragen können und zum anderen gerade wegen der in § 8a Abs. 3 KStG enthaltenen hohen Hürden der aktiven Nach­weispflicht ggf. sogar in der Lage sind, von der Nutzung der Eigenkapital-Klausel abzuschrecken. Im Ergebnis weitet § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG seine Missbrauchsvermutung damit so sehr und zugleich ungenau aus, dass er zum einen nicht unbedingt und zum anderen auch offensichtlich nicht missbräuchliche Gestaltungen wie z. B. reine Inlandsachverhalte (ohne Organschaft) oder branchenspezifisch gerecht­ fertigte Unterschiede als schädlich erfasst.220 Aufgrund der breiten Missbrauchserfassung sowie des Fehlens eines Motivtests oder einer Exkulpationsmöglichkeit durch Drittvergleich bietet die Konzeption der Zinsschranke dem Steuerpflich­ tigen auch keine Gelegenheit, nachzuweisen, dass ein erfasstes und damit als missbräuchlich einzustufendes Finanzierungsverhältnis nicht steuermotiviert und lediglich aufgrund betriebswirtschaftlicher Umstände gewählt wurde. Besonders fraglich ist es daher, ob gewisse Finanzierungsarten als missbräuchlich anzusehen sind, die aufgrund von Alternativlosigkeit, wie z. B. in Gründungsphasen oder Sanierungsfällen, gewählt wurden. Gerade vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht geforderten gesteigerten Treffsicherheit einer Steuernorm, die den Steuerpflichtigen belastet,221 schießt die Typisierung der Zinsschrankenregelung im Ergebnis massiv über die gesetzgeberische Zielsetzung der Missbrauchsvermeidung hinaus und bleibt im 218 Siehe hierzu auch Gabel, StuW 2011, 3 (12) mit Verweis auf Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (313 f.) und Hallerbach, StuB 2007, 487. 219 Ähnlich Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 46 f. 220 Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (85); Gabel, StuW 2011, 3 (4). 221 BVerfGE 19, 101 (116) (Zweigstellensteuer); BVerfGE 103, 310 (319) (DDR-Dienstzeiten).

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Bereich der ausreichend ertragsstarken Unternehmen doch lückenhaft. Hierbei lässt sie die durch das Bundesverfassungsgericht222 von Typisierungsnormen geforderte Orientierung am Regelfall vermissen. Eine sinnvolle Differenzierung zwischen berechtigt und unverschuldet getroffenen Betrieben ist mit dem Grundtatbestand und den Ausnahmeregelungen der Zinsschranke demnach nicht ausreichend treffgenau und zweckgerichtet möglich. cc) Steigerung der Eigenkapitalquote Neben der Zielsetzung der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuer­ substrats und der Missbrauchsvermeidung gibt der Fiskalgesetzgeber der Zinsschranke auch den Auftrag, die im internationalen Vergleich geringe Eigenkapitalquote „deutsche[r] Unternehmen“223 zu steigern und somit deren Insolvenzschutz zu stärken.224 Hiermit scheint der Gesetzgeber auch tatsächlich einen Schwachpunkt der deutschen Wirtschaft aufgegriffen zu haben. So lag Deutschland nach einer internationalen Studie, die für den Zeitraum der Jahre 1991 bis 1998 durchgeführt wurde, mit einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote seiner börsennotierten Gesellschaften von 18 v. H. hinter anderen Industrienationen wie den Niederlanden (26 v. H.), den USA (33 v. H.), Frankreich (34 v. H.), Kanada und Japan (je 37 v. H.) sowie Italien (39 v. H.) zurück.225 In jüngerer Zeit waren zwar leichte Steigerungen, aber keine wesentlichen Änderungen festzustellen. So betrug in einer aktuelleren Studie der KfW die durchschnittliche Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen im Zeitraum der Jahre 2001 bis 2003 27 v. H. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Deutsche Bundesbank. Für die Jahre 2003 und 2004 berechnet sie eine Eigenkapitalquote der deutschen Unternehmen von 22 v. H. bzw. 23 v. H. und für das Jahr 2006 eine Eigenkapitalspanne von 20 bis 25 v. H.226 Mit dem Phänomen einer niedrigen Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft verknüpft der Gesetzgeber im Ergebnis die grundsätzlich berechtigte Annahme, dass mit ihm eine höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit einhergehe.227 Über die Steigerung der Eigenkapitalquote verfolgt der Gesetzgeber also die Stärkung 222 BVerfGE 13, 331 (334) (Personenbezogene Kapitalgesellschaft); BVerfGE 96, 1 (6) (Weihnachtsfreibetrag). 223 BT-Drs. 16/4841, S. 31 [Einfügung in eckiger Klammer durch den Verf.]. 224 Siehe dazu Abschn. a), S. 112; ebenso BT-Drs. 16/4841, S. 31. 225 Diese und die nachfolgende Studie sind zitiert bei Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 4. 226 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 55 (76). Hierzu sei auch auf ähn­liche Ergebnisse verwiesen bei Ismer et al., Unternehmensfinanzierung und internationale Unternehmensbesteuerung, S. 27. 227 Dazu ausführlicher Abschn. a), S. 112. Zur Sicherung des Unternehmensbestands durch hohe Eigenkapitalquoten siehe Musil/Leibohm, FR 2008, 807 (808).

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der Insolvenzresistenz deutscher Unternehmen und damit einen außersteuerlichen Lenkungszweck des Gemeinwohls. In diesem Zusammenhang ist die Stärkung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen daher als legitimer Rechtfertigungsgrund für eine Abweichung von der gesetzgeberischen Belastungsgrundentscheidung einzustufen.228 (1) Eigenkapitalsteigernde Wirkung Da § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG die Zinsaufwendungen der betroffenen Betriebe regelmäßig mit einer steuerlichen Sonderlast belegt, ist die Zinsschranke als Norm anzusehen, aus der fremdkapitalfinanzierten Unternehmen eine zusätzliche Finanzlast erwachsen kann.229 Diese Belastung kann sich von einem – bei voll­ständiger Auflösung des Zinsvortrags entstehenden – Zins- bzw. Liquidationsnachteil bis hin zu einer – aus dem Untergang oder der Nichtauflösung des Zinsvortags resultierenden – Nichtabzugsfähigkeit, welche den endgültigen Einbezug der jeweiligen Zinsaufwendungen in die Ertragsteuerbelastung des Schuldnerbetriebs bedeutet, erstrecken.230 Da die Zinsschranke im Gegenzug aber keine Vorgaben für die steuerliche Würdigung der Eigenkapitalfinanzierung enthält und einem Unternehmen bei seiner Finanzierung grundsätzlich nur die Wahl zwischen Eigenund Fremdkapitalfinanzierung zur Verfügung steht,231 sorgt § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG damit regelmäßig für eine relative Schlechterstellung der Fremd- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung. Oder anders gewendet, macht die Zinsschrankenregelung die Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen gegenüber der Möglichkeit der Fremdkapitalfinanzierung steuerlich relativ vorteilhafter. Hierdurch ver­ändert sich die Bewertungsgrundlage für Investitionen zuungunsten der Fremdkapitalfinanzierung. Die Zinsschranke steigert damit bei einem von ihr betroffenen

228 Zur Möglichkeit des Gesetzgebers, mit außerfiskalischen Lenkungszwecken aus Gründen des Gemeinwohls von der Belastungsgrundentscheidung abzuweichen, siehe BVerfGE 93, 121 (147) (Einheitswerte II); BVerfGE 99, 280 (296) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (112) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 110, 274 (292) (Ökosteuer); BVerfGE 116, 164 (182) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (31) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale) sowie Abschn. (4), S. 153. 229 Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550 (551), sprechen in diesem Zusammenhang vom „nega­tiven Anreiz“, der von der Zinsschranke ausgeht. Hierbei sei von Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Zinsschranke bei einer Kombination von Zinsvorträgen und Verlusten eine steuerlich positive Wirkung aufweist; siehe hierzu ausführlich Pummerer, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 505 ff.; ebenso Pasedag, Paradoxe Wirkungen der Zinsschranke, S. 18 ff. und Brähler et al., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf unterschiedliche Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen, S. 14. 230 Grundsätzlich zu Abzugsbeschränkung und Zinsvortrag Abschn. aa), S. 123. Dazu sei auch auf den rechnerischen Beleg der Sonderbelastung durch die Zinsschranke bei Watrin/ Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 ff.) verwiesen. 231 Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 19; Rudolph, in: Lutter/ Scheffler/Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, Rz. 2.10.

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Betrieb – unter Beibehaltung sämtlicher anderer Umstände – regelmäßig dessen Präferenz, den Anteil an Eigenkapital im eigenen Finanzierungsportfolio zu erhöhen, und ist daher im Grundsatz als eigenkapitalsteigernde Norm anzuerkennen. (2) Ausgestaltung Nachdem festgestellt worden ist, dass der Zinsschranke eine grundsätzlich eigen­kapitalsteigernde Wirkungsweise zu Eigen ist, ist nun zu untersuchen, in­ wiefern sie zweckgerichtet umgesetzt worden ist, um das Ziel der Eigenkapitalsteigerung deutscher Unternehmen zu erreichen. (a) Zielbereich (aa) Persönlich Zu Beginn ist die vom Gesetzgeber formulierte Zielvorgabe, die Zinsschranke solle die im internationalen Vergleich geringe Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen verbessern, zu hinterfragen. Denn dem damit formulierten – die deutsche Wirtschaft umfassenden – Einwirkungsbereich kann die Zinsschranke durch ihre Einschränkungen des persönlichen Anwendungsbereichs aufgrund der Ausnahmeregelungen in § 4h Abs. 2 EStG aber von vornherein nicht gerecht werden. Dies entspricht auch den Ergebnissen empirischer Untersuchungen. Nach deren Berechnungen sind hiervon – mit konjunktureller Verschlechterung ansteigend232 – ungefähr 500 bis 1.500 Unternehmen betroffen.233 Durch die Erhöhung der Freigrenze auf EUR 3 Mio. halbiert sich diese Schätzgröße sogar.234 Vor dem 232

Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (327). Bach/Buslei, Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 17/2009, S. 283 ff., stützen sich auf die handelsbilanzielle Unternehmensdatenbank „Dafne“. Hierbei wurde aus einer Grund­ gesamtheit von 72.000 Unternehmen eine Anzahl von 1.135 Unternehmen errechnet, die von der Zinsschranke betroffen sind. Für einen detaillierteren Überblick über diese Untersuchung sei verwiesen auf Bach/Buslei, Empirische Analyse zur Zinsschranke auf Grundlage von Handelsbilanzdaten, dort Tabelle 4, S. 24. Unter Nutzung derselben Datengrundlage kommen auch PSP/vbw, Unternehmensteuerreform: Zinsschranke und Hinzurechnung schaffen Überlast, S. 1, mit einer Anzahl von 1.454 von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen zu einem ähnlichen Ergebnis. Blaufus/Lorenz, Wem droht die Zinsschranke? Eine empirische Untersuchung zur Identifikation der Einflussfaktoren, S. 19, kommt zu einer Anzahl von 561 bis 1.511 betroffenen Kapitalgesellschaften. 234 Bach/Buslei, Empirische Analyse zur Zinsschranke auf Grundlage von Handelsbilanz­ daten, S. 33; dem folgend Kessler/Lindemer, DB 2010, 472 ff.; ebenso Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (330). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Untersuchung von Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (259 f.), als sie für das Jahr 2002 vergleichend untersuchten, wie viele Kapitalgesellschaften von der Zinsschranke erfasst gewesen wären. Hierbei halbierte sich ebenfalls die Anzahl der betroffenen Unternehmen bei Berücksichtigung der Erhöhung der Freigrenze. 233

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Hintergrund der in Deutschland in der Gewerbesteuerstatistik erfassten Unternehmensanzahl von über einer Million Personen- und Kapitalgesellschaften235 ist daher anzunehmen, dass von der Wirkung der Zinsschrankenregelung bereits aufgrund der gegenüber dem Gesamtbestand deutscher Unternehmen geringen Anzahl der Anwendungsfälle nur ein äußerst begrenzter Impuls auf die Steigerung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen ausgehen kann.236 Da die Zinsschranke aus diesem Blickwinkel nur einen kleinen Bereich der deutschen Wirtschaft erfasst, ist es infolgedessen wohl als eher unwahrscheinlich einzu­stufen, dass dieses Instrument einen wesentlichen Einfluss auf die Stärkung der Insolvenzresistenz deutscher Unternehmen ausüben kann. Ebenso ist neben der geringen Anzahl der von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen und dem dadurch marginalen Impuls auf die Eigenkapitalsteigerung deutscher Unternehmen auch die Auswahl der von ihr erfassten Unternehmen zu kritisieren. Nach empirischen Untersuchungen sind von der Zinsschranke nämlich insbesondere Konzerngroßunternehmen betroffen.237 Hierbei gibt es in den Analysen zur Eigenkapitalstruktur der deutschen Wirtschaft aber keine Anhaltspunkte dafür, weshalb genau solche Unternehmen der Regelfall für eigenkapitalschwache Unternehmen bzw. die Hauptverursacher der internationalen Eigen­kapitalschwäche der deutschen Wirtschaft sein sollen. Viel eher ist nämlich zu konstatieren, dass mit einem Umsatzanstieg grundsätzlich auch die Eigenkapitalquote der Unternehmen wächst.238 Dies lässt sich sogar durch vom Bundes­ finanzministerium selbst zur Verfügung gestellte Untersuchungen belegen, welche die eklatantesten Eigenkapitalschwächen der deutschen Wirtschaft bei Einzelunternehmen sowie bei kleinen und mittelgroßen Betrieben erkennen.239 Doch aufgrund der inhaltlichen Gestaltung der Zinsschranke sind die tatsächlich eigen­ kapitalschwächsten Unternehmen in Deutschland erst gar nicht von ihr erfasst. Für deren – in diesem Rahmen – unsachgemäßen Ausschluss sorgen nämlich regelmäßig die Freigrenze von EUR 3 Mio. nach § 4h Abs. 2 lit. a EStG bzw. die KonzernKlausel nach § 4h Abs. 2 lit. b EStG. Doch selbst innerhalb der Zielgruppe Konzerngroßunternehmen stellen sich Fragen, wie die, weshalb z. B. hoch fremdkapitalfinanzierte Konzernunternehmen, welche aber die Ausnahmeregelungen der Eigenkapital-Klausel nach § 4h Abs. 2 lit. c EStG erfüllen oder eine körperschaftsteuerliche Organschaft bilden können, von der Zinsschranke nicht erfasst sind und demnach wohl keiner eigenkapitalstärkenden Wirkung bedürfen. Dabei deutet aber nichts darauf hin, dass in diesem Zusammenhang eigenkapitalschwache Unternehmen trotz Erfüllung der Ausnahmeregelungen unterschiedlich zu behandeln seien. 235

Broer, Gewerbesteuerreform 2008: Belastungswirkungen bei Unternehmen und Gemein­ den, DIW Berlin, Discussion Papers Nr. 762, 1/2008, S. 16 f. 236 Im Ergebnis so auch Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, 593 (602). 237 Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (327). 238 BMF, Monatsbericht 08.2004, S. 74. 239 BMF, Monatsbericht 08.2004, S. 68.

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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Vor dem Hintergrund des tatsächlichen persönlichen Anwendungsbereichs liefe aber zusätzlich auch das Argument der mit der Erhöhung der Eigenkapitalquote bezweckten Stärkung der Insolvenzresistenz deutscher Unternehmen ins Leere. Denn die von der Zinsschranke im Regelfall erfassten Konzerngroßbetriebe sind doch aufgrund ihrer Einbindung in einen Unternehmensverbund und der damit bestehenden Risikostreuung und gebündelter Finanzressourcen regelmäßig vor einer Insolvenz eher geschützt als auf sich allein gestellte Unternehmen. Daher konterkariert bereits der persönliche Anwendungsbereich die Eigenkapitalsteigerungsabsichten des Gesetzgebers zur Stärkung der Insolvenzresistenz und lässt damit ein Mindestmaß zweckgerichteter Ausgestaltung vermissen. (bb) Sachlich Als weiteres Indiz für den in diesem Zusammenhang ungenauen Zielbereich der Zinsschrankenregelung ist vorzubringen, dass diese nicht direkt an die Eigen­ kapitalhöhe als Tatbestandsmerkmal anknüpft. So steht im Zentrum der Systematik des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG die gewinnabhängige Größe des ver­ rechenbaren EBITDA und nicht die Eigenkapitalquote des von der Zinsschranke betroffenen Unternehmens. Hierbei gestattet die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG einen Abzug der Nettozinsaufwendungen bis zu 30 v. H. des steuerlichen EBITDA nebst ggf. bestehenden EBITDA-Vorträgen. Doch diese Größe, welche sich aus dem steuerpflichtigen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter definiert,240 hängt nur indirekt mit der Höhe der Eigenkapitalquote der Unternehmen zusammen. Daraus kann sich beispielsweise die Konstellation ergeben, dass die Zinsschrankenregelung zum einen Unternehmen mit jeweils gleich hoher Eigenkapitalquote aufgrund ihres verschiedenen EBITDA unterschiedlich behandelt. Zum anderen kann sich auch die paradoxe Situation ergeben, dass ein eigenkapitalstarkes, aber EBITDAschwaches Unternehmen von der Zinsschranke erfasst wird, während ein eigenkapitalschwaches, aber EBITDA-starkes Unternehmen von § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG erst gar nicht tangiert wird. (b) Einschränkung von Umgehungsmöglichkeiten Weiterhin ist zu beleuchten, inwieweit die Zinsschranke bei den von ihr betroffenen Unternehmen eine Steigerung des Eigenkapitals in der Praxis erreichen kann. Denn zusätzlich zu dem sehr begrenzten Anwendungsbereich und

240 Loschelder, in: Drenseck (Hrsg.), Schmidt-EStG, § 4h, Rz. 11; siehe dazu auch die Ausführungen zur Zusammensetzung der Abzugsgrenze EBITDA in Abschn. cc), S. 121 und zur Funktionsweise des EBITDA-Vortrags in Abschn. dd), S. 122.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

dem unzweckmäßigen Kreis der von ihr erfassten Unternehmen, wird der eigenkapitalsteigernde Ansatz durch die fehlende Einschränkung von Umgehungsmöglichkeiten geschwächt. So geht als Resultat einer repräsentativen Unternehmensbefragung hervor, dass von der Zinsschranke betroffene Unternehmen auf deren Belastungswirkung nicht in erster Linie mit dem Anstieg ihrer Eigenkapitalquote antworten.241 Die befragten Entscheidungsträger nannten als häufigste Reaktion auf die Zinsschranke nämlich die Nutzung von Ausweichmöglichkeiten. Hierzu gehören die Gründung oder Aufhebung einer Organschaft, die Reduzierung von Zinsaufwand über Substitute der Fremdkapitalfinanzierung – wie Factoring, Leasing, Kredite in Niedrigzinswährung oder Aktivierung der Zinsen als Herstellungskosten –, Verlagerung von Zinsaufwand ins Ausland, Steigerung des Zinsertrags oder die Nutzung der Ausnahmeregelungen.242 Dass sämtliche Reaktionen auf die Belastungswirkung der Zinsschranke aber nur einen marginalen Einfluss auf die Eigenkapitalquote haben, sieht man auch daran, dass lediglich ca. 19 v. H. der befragten Unternehmen mit einem durch die Zinsschranke bedingten Anstieg der Eigenkapitalquote rechnen. Dahingegen gab mit über 64 v. H. die große Mehrheit der Befragten an, ohne eigenkapitalstärkende Maßnahmen auf die Belastungswirkung der Zinsschrankenregelung zu reagieren.243 (c) Kontraproduktive Wirkungsweise Neben der zu Beginn der Untersuchung aufgezeigten, grundsätzlich eigen­ kapitalsteigernden Wirkung der Zinsschranke ist auch deren nicht durchgängige Konsistenz hervorzuheben. Zwar belegt der Grundtatbestand der Zinsschranke die Fremdkapitalfinanzierung eines Betriebs mit einer steuerlichen Sonderlast, von welcher die Steigerung der Präferenz zur Eigenkapitalfinanzierung der Unternehmen ausgehen kann. Diese Wirkung kann sich aber unter gewissen Umständen umkehren, wodurch die Zinsschranke in Ausnahmefällen eine eigenkapitalsenkende Tendenz entfaltet. Dies ist zum einen der Fall, wenn beispielsweise zur Erfüllung der Eigenkapital-Klausel nach § 4h Abs. 2 lit. c EStG das Eigenkapital des Mutterunternehmens in Deutschland gesenkt wird, um einer ebenfalls deutschen Konzerntochter die Nutzung dieser Ausnahmeregelung zu ermöglichen.244 Zum anderen ist nachgewiesen, dass die Zinsschranke in bestimmten Fällen zu einer beschleunigten Verrechnung von Verlusten führen kann und ihre Anwendung damit für verlustreiche

241

In dieser von Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, 593 ff. durchgeführten Analyse wurden die Entscheidungsträger von insgesamt 70 großen bzw. börsennotierten deutschen Kapitalgesellschaften befragt. 242 Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, 593 (597 f.). 243 Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, 593 (601). 244 Krüger/Thiere, KoR 2007, 470 (473 ff.).

I. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 

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Unter­nehmen entlastend wirkt.245 Diese Konstellation liegt vor, wenn im Verlustfall Zins­aufwendungen nicht in den Verlust-, sondern in den Zinsvortrag eingehen, letzterer aufgrund der hindernden Wirkung der Mindestbesteuerung nach § 10d EStG aber ggf. schneller verrechnet werden kann als der Verlustvortrag. Gerade vor dem Hintergrund der bereits in Deutschland bestehenden Verlustvorträge von rund EUR 500 Mrd.246 ist es daher nicht auszuschließen, dass für gewisse Unternehmen von der Zinsschranke eine Entlastungswirkung ausgehen kann. Übertragen auf die Frage der eigenkapitalfördernden Wirkung der Zinsschranke könnte dies bedeuten, dass verlustreiche Unternehmen auf die positive Wirkung der Zinsschranke abzielen könnten, indem sie zur Sicherstellung der Anwendung der Zinsschranke ihre Zinsaufwendungen steigern und damit die Eigenkapitalquote senken. In der Konsequenz kann dies gerade in gesamtwirtschaftlichen Krisen­ situationen zu einer Steigerung der Insolvenzwahrscheinlichkeit führen.247 Zum gleichen Ergebnis kann die konkrete Belastungswirkung der Zinsschrankenregel führen, wenn bereits vor Anwendung der Zinsschranke kein steuer­ bilanzieller Gewinn mehr auszuweisen ist und die außerbilanzielle Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Zinsaufwendungen die Versteuerung eines „fiktiven“ Gewinns bewirkt.248 Zur Anzahl derartiger Ausnahmefälle gibt es noch keine genauen Daten. Bisher analysierte lediglich eine empirische Untersuchung die Frage, ob die durch die Zinsschranke ausgelöste Zahllast von den betroffenen Unternehmen aus den eigenen Finanzreserven bedient werden kann. Als Ergebnis zeigte sich aber, dass ca. 13 v. H. der von der Zinsschranke belasteten Unternehmen hierzu nicht in der Lage gewesen wären. Dieses Ergebnis änderte sich auch nicht mit der Erhöhung der Freigrenze auf EUR 3 Mio. und erwies sich auch als relativ krisenfest.249 Falls es diesen Unternehmen nun aber nicht gelingt, zusätzliche Eigenkapitalgeber zu gewinnen, wären sie zur Begleichung der durch § 4h EStG ausgelösten Zahllast ggf. auch auf weitere Optionen der Fremdkapitalfinanzierung angewiesen. Die Zinsschranke könnte in derartigen Fällen den Verschuldungsgrad dieser Unternehmen zusätzlich steigern.250

245

Pummerer, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 505 (528 ff.); Pasedag, Paradoxe Wirkungen der Zinsschranke, S. 18 ff.; Brähler et al., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf unterschiedliche Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen, S. 14. 246 Statistisches Bundesamt, Körperschaftsteuerstatistik 2004. Nach Auskunft des Finanzministeriums ist diese Schätzgröße von EUR 500 Mrd. auch zum Ende des Jahres 2010 noch aktuell; siehe dazu Handelsblatt v. 29.12.2010, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/ politik/deutschland/haushalt-drohen-milliardenausfaelle-beifirmensteuer/3750852.html. 247 So auch BFH vom 13.3.2012, I B 111/11, DStR 2012, 955, Rz. 36. 248 Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 5. 249 Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (326 ff.). 250 Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (326).

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

(3) Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Ausführungen ist die Wirkung der Zinsschranke aufgrund der durch sie bewirkten relativen Schlechterstellung von Fremd- gegenüber Eigenkapitalfinanzierung als grundsätzlich eigenkapitalstärkend anzuerkennen. Doch im Rahmen der Analyse dessen, wie sie ausgestaltet ist, erweist sich insbesondere der persönliche Zielbereich der Zinsschranke für die beabsichtige Steigerung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen als unsachgemäß. Er ist zu eng gefasst und die hiervon Betroffenen wurden weitgehend unzweckmäßig ausgewählt. Unterstützung findet diese Feststellung in der Analyse des sachlichen Anwendungsbereichs, der Beleuchtung von Umgehungs­ möglichkeiten und der bestehenden kontraproduktiven Wirkungen. § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG lässt damit ein Mindestmaß an Zweckgerichtetheit vermissen. Somit ist festzuhalten, dass die Zinsschranke das vom Gesetzgeber ins Feld geführte Ziel der Eigenkapitalsteigerung deutscher Unternehmen und der Stärkung von deren Insolvenzresistenz nicht ausreichend zweckgerichtet und treffgenau umgesetzt hat. Aus diesen Gründen kann die Intention der Eigenkapitalsteigerung einen Verstoß der Zinsschrankenregelung gegen das objektive Nettoprinzip nicht rechtfertigen. c) Ergebnis zur Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG Als Ergebnis lässt sich zusammenfassen, dass die Zinsschranke das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt, da sie gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner konkreten Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips verstößt, weil § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht folgerichtig umsetzt.251 Hierbei kann der Gesetzgeber seinen Verstoß auch nicht mit dem Rechtfertigungsargument der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats verteidigen, da h. L. und Rechtsprechung diesen Beweggrund als unzulässig ansehen. Ebenso scheidet das Argument der speziellen Missbrauchsbekämpfung aus, da der Gesetzgeber über den Rahmen seiner Typisierungsbefugnis massiv hinausschießt und damit den missbrauchserfassenden Charakter der Zinsschranke nur ungenügend erkennen lässt. Auch der lenkungspolitische Ansatz zur Steigerung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen kann den Verstoß der Zinsschranke gegen das objektive Nettoprinzip nicht

251 Im Ergebnis ebenso etwa Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4; Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 7; Thiel, FR 2007, 729 (730); Hey, BB 2007, 1303 (1306); Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 84. Ortmann-Babel/Bolik/Fuest, DStR 2010, 1865 (1867); a. A. Neumann, Ubg 2009, 461 (462).

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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rechtfertigen. Dies gründet darin, dass die Zinsschranke einen weitgehend verfehlten Versuch darstellt, die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen zu erhöhen, womit das Rechtfertigungsargument nicht ausreichend zweckgerichtet umsetzt wird.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 Der Fiskus greift vorrangig auf das Einkommen zurück. Jedoch kann es in Sonderkonstellationen zur Substanzbesteuerung kommen, wenn nicht das Hinzugewonnene und damit der Ertrag, sondern der Vermögensbestand, also die Substanz besteuert wird. Die dogmatische Einordnung und verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Substanzbesteuerung ist noch nicht abschließend geklärt.252 In Bezug auf die Substanzbesteuerung erlebt das deutsche Steuerrecht in den letzten Jahren eine gegenläufige Entwicklung. Zwar unternahm der Gesetzgeber in den 1990er Jahren wichtige Schritte gegen die direkte Substanzbesteuerung, indem er die damals geltende Vermögensteuer im Ergebnis nun nicht mehr erhebt253 und die Gewerbesteuer auf Kapital254 abschaffte.255 Zugleich ist aber vor dem Hintergrund der Politik der Steuersatzsenkung bei Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu beobachten, dass die indirekte Substanzbesteuerung ausgedehnt worden ist.256 Eine solche Ausdehnung ist anzunehmen, wenn der steuerliche Abzug erwerbsbedingter Aufwendungen unangemessen rigide beschränkt

252 BVerfGE 30, 250 (272) (Absicherungsgesetz); BVerfGE 38, 61 (Leberpfennig); BVerfGE 63, 343 (368) (Rechtshilfevertrag); BVerfGE 67, 70 (88) (Erbschaftssteuer); BVerfGE 87, 153 (169) (Grundfreibetrag); siehe auch Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 40; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 419; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 118; dagegen aber BVerfGE 115, 97 ff. (Halbteilungsgrundsatz); historisch: Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben. 253 BVerfGE 93, 121 ff. (Einheitswerte II). In dieser Entscheidung urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern nur dann hinzutreten dürfe, „soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt“. Zugleich dürfe die Vermögensteuer nicht die Substanz des Vermögens berühren. Da sich die Gesamtsteuerbelastung einiger Steuerpflichtiger unter Einbezug der Vermögensteuer weit über 50 v. H. befand, verzichtete der Gesetzgeber auf die Erhebung dieser Steuer. Daran hat sich bis heute – trotz der Rücknahme dieses sogenannten Halbteilungsgrundsatzes durch BVerfGE 115, 97 ff. (Halbteilungsgrundsatz) – noch nichts geändert. 254 BGBl. I 1997, S. 2590. 255 Damit ist mit der Grundsteuer im deutschen Steuersystem derzeit nur noch eine Substanzsteuer von Bedeutung; siehe hierzu auch Spengel/Finke/Zinn, Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 28 sowie Seiler, in: Hey (Hrsg.), Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011), S. 61 (68). 256 Spengel/Finke/Zinn, Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 16.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

wird, so dass die Steuer im wirtschaftlichen Ergebnis auch bei Fehlen eines Markt­erfolges, d. h. aus der Vermögenssubstanz zu leisten ist.257 Mit Bezug auf den Ertrag zeigt sich die Konsequenz dieser Steuerpolitik darin, dass die betroffenen Unternehmen im Regelfall gegenüber dem gesetzlich vorgesehenen Steuertarif einer höheren effektiven Steuerbelastung ausgesetzt sind. Dies führt zumindest zu einer Verlangsamung von deren wirtschaftlicher Entwicklung. Zusätzlich kann sich dadurch auch eine Hemmung von Investitionstätigkeiten ergeben, indem der Staat aufgrund der Entkopplung von Ertragslage und Steuerbemessungsgrundlage seine Risikobeteiligung an privatwirtschaftlichen Investitionen einschränkt.258 In Ausnahmefällen entwickelt die indirekte Substanzbesteuerung auch ein krisenverschärfendes Aufzehren der betrieblichen (Finanz-)Grundlagen, wenn sie beispielsweise trotz eigentlich negativer Ertragslage die Entstehung einer Steuer­ forderung bewirkt. Vor dem Hintergrund der hohen Steuerquote in Deutschland259 hat daher die Frage im Mittelpunkt zu stehen, welche Besteuerung bzw. Steuerbelastung eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt.260 In Verbindung mit der Zinsschrankenregelung ist daher zu untersuchen, inwieweit § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG mit seiner Einschränkung der steuerlichen Berücksichtigung von betrieblichen Zins­ aufwendungen eine indirekt substanzbesteuernde Wirkung entfaltet und ob dies mit der Eigentumsgarantie vereinbar ist. 1. Maßstäbe a) Die Eigentumsgarantie als Maßstab der Besteuerung Der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG weist die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Auftrag zu, dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und damit die Grundlage für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen.261 Während Art. 3 GG die Gleichmäßigkeit der Besteuerung einfordert, grenzt Art. 14 GG ein Übermaß ein,

257

Spengel/Finke/Zinn, Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 15. Ähnlich Pummerer, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 505 (507). 259 Siehe hierzu Fn. 325, S. 86. 260 P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 4. 261 Siehe beispielsweise BVerfGE 24, 300 (349) (Wahlkampfkostenpauschale); BVerfGE 52, 1 (30 f.) (Kleingarten); BVerfGE 79, 292 (304) (Eigenbedarf II); BVerfGE 83, 201 (208) (Bundesberggesetz); BVerfGE 97, 350 (371) (Eurobeschluss); BVerfGE 102, 1 (15) (Altlasten); BVerfGE 115, 97 (110) (Halbteilungsgrundsatz); Lehner, DStR 2009, 185 (190); kommentierend Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 14, Rz. 1; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 117. 258

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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selbst dann, wenn es alle gleichmäßig trifft, und zielt bei der Übermaßbekämpfung grundsätzlich auf die Belastungswirkung der Steuer ab.262 aa) Enge Auslegung der Eigentumsgarantie Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG entfaltete lange Zeit keinen Einfluss bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Steuernormen, da sowohl der Erste als auch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den sachlichen Schutz­ bereich der Eigentumsgarantie aufgrund des allgemeinen Zugriffs der Steuerforderung regelmäßig als nicht eröffnet betrachtete.263 Als Argument führte die Rechtsprechung ins Feld, dass Art. 14 GG zwar konkrete Vermögenspositionen schütze, nicht aber das Vermögen als Ganzes.264 Steuerabgaben könnten das Eigentum nicht beeinträchtigen, da ihre Last aus dem fluktuierenden Vermögen des Steuerpflichtigen und nicht mit bzw. aus einem vorherbestimmten Vermögensgegenstand zu leisten sei. Ausnahmen von dieser Grundhaltung galten lediglich für solche Steuern, welche eine „erdrosselnde“ oder „konfiskatorische“ Wirkung verursachten.265 Eine solche Wirkung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige durch die Steuer übermäßig belastet und in seinen Vermögensverhältnissen grundlegend beeinträchtigt wird, die Steuerquelle also einer vernichtenden Belastung ausgesetzt ist.266 Da das Bundesverfassungsgericht bisher jedoch noch keine Steuernorm aufgrund einer solchen Wirkung für verfassungsrechtswidrig erklärt hat,267 entfaltet Art. 14 GG für den Steuergesetzgeber in dieser Auslegung nur eine untergeordnete Bedeutung.268 Aus diesem Grund konnte auch die Entwicklung einer hierzu gehörigen Dogmatik nicht voranschreiten.

262 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 31. In diesem Zusammenhang soll daher nicht auf Steuernormen eingegangen werden, die regelmäßig zu einer Steuerentlastung führen. 263 Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 11; Loritz, BB 1993, 225 (228); Seer, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 87 (96); Papier, in: Herzog et al. (Hrsg.), Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 14, Rz. 165. 264 BVerfGE 4, 7 (17) (Investitionshilfe); BVerfGE70, 219 (230) (Art. 100 Abs. 1 GG); BVerfGE 78, 232 (243) (Landwirtschaftliche Altershilfe); BVerfGE 105, 17 (32) (Sozialpfandbriefe); erläuternd Birk, Steuerrecht, Rz. 200. 265 BVerfGE 30, 250 (272) (Absicherungsgesetz); BVerfGE 38 (61) (Leberpfennig); BVerfGE 63, 343 (368) (Rechtshilfevertrag); BVerfGE 67, 70 (88) (Erbschaftssteuer); BVerfGE 87, 153 (169) (Grundfreibetrag); siehe auch Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 40; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 419; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 118. 266 BVerfGE 115, 97 (115) (Halbteilungsgrundsatz). 267 Wieland, Stbg 2006, 573 (574). 268 Loritz, BB 1993, 225 (228); Seer, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 87 (96).

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

bb) Weite Auslegung der Eigentumsgarantie Erste Risse in diesem Rechtsverständnis bewirkten die Judikate des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in den 1990er Jahren.269 Neben dem Beschluss zum Grundfreibetrag270 und zum Euro271 sorgte hierfür insbesondere die Entscheidung zur Vermögensteuer272 vom 22.6.1995. In dieser Entscheidung erkannte das Gericht an, dass auch nicht erdrosselnd wirkende Steuergesetze Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegen.273 Der in der Entscheidung formulierte sogenannte Halbteilungsgrundsatz274 zeigte den Einfluss der (Vermögen-)Steuer auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auf. Diese Wirkung entstehe, da die Steuerbelastung „in die in der Verfügungs­gewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich [Einfluss nehme] (Art. 14 GG)“.275 Nachdem die Ausführungen im Judikat zur Vermögensteuer lange beachtet worden waren, wandte sich derselbe Senat mit der Entscheidung zu den Sozialpfandbriefen276 jedoch zunächst wieder dem Grundverständnis der Erdrosselungsdogmatik zu. Doch in seinem Beschluss zum Halbteilungsgrundsatz vom 18.1.2006 stellte der Zweite Senat in Bezug auf die Einkommensteuer explizit fest, dass Art. 14 GG auch vor einer übermäßigen Besteuerung schütze, welche noch nicht erdrosselnd wirke.277 Damit vollzog er wieder eine differenzierte steuerlastbezogene Inter­ pretation der Eigentumsgarantie. Zusätzlich betonte er, dass Art. 14 GG die Angemessenheit und Zumutbarkeit der Steuerbelastung sicherstelle. Gleichwohl ließe sich aber keine absolute und bezifferbare steuerliche Belastungsobergrenze aus Art. 14 GG herleiten.278 Trotz der damit verbundenen Absage an den Halbteilungsgrundsatz darf nach Auffassung des Gerichts die Belastung höherer Einkommen regelmäßig nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grund-

269 Grundlegend bereits im Jahr 1973 P.Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S.  10 ff., 20 ff. 270 BVerfGE 87, 153 ff. (Grundfreibetrag). 271 BVerfGE 97, 350 ff. (Eurobeschluss). 272 BVerfGE 93, 121 ff. (Einheitswerte II). 273 Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 16. 274 BVerfGE 93, 121 ff. (Einheitswerte II). 275 BVerfGE 93, 121 (137) (Einheitswerte II) [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 276 BVerfGE 105, 17 (32) (Sozialpfandbriefe); ebenso relativierend – außerhalb des engeren Bereichs spezifisch steuerrechtlicher Fragen – die Beschlüsse BVerfGE 93, 319 ff. (Wasserpfennig); BVerfGE 98, 83 ff. (Landesrechtliche Abfallabgabe); BVerfGE 98, 106 ff. (Kommunale Verpackungssteuer). 277 BVerfGE 115, 97 (111 ff.) (Halbteilungsgrundsatz); Di Fabio, JZ 2007, 749 (752). 278 BVerfGE 115, 97 (115 ff.) (Halbteilungsgrundsatz); hierzu Birk, Steuerrecht, Rz. 200 f.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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legend beeinträchtigt werde und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck komme.279 Dem Steuerpflichtigen müsse ein Kernbestand des Erfolgs eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleiben.280 Dieser neuen Interpretation liegt ein Wechsel des Blickwinkels zugrunde.281 Während die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher die Steuerschuld als zentral betrachtete, liegt der Fokus des Bundesverfassungsgerichts nun auf dem Steuergegenstand, dem Bestand des Hinzuerworbenen.282 Beim Einkommen handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um das, „was der Steuerpflichtige im Laufe eines Jahres erworben hat“.283 Argumentativ hinterlegt das Gericht seinen Standpunkt, indem es die Überlegung weiterführt, dass sich das Erworbene aus bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgütern zusammensetzt und diese einzelnen Güter ebenfalls von Art. 14 GG geschützt seien. Aus diesem Grund müsse in toto auch das (Hinzu-)Erworbene unter dem Schutz von Art. 14 GG stehen. Die Ertragsteuern belasten damit das Einkommen des Steuerpflichtigen, greifen also in dessen Eigentum i. S. d. Art. 14 GG ein.284 Die „Wegnahme“ dieses Eigen­tums durch Besteuerung verlange daher nach verfassungsrechtlicher Rechtfertigung.285 Der Zweite Senat dehnt damit den Schutz der Eigentumsgarantie im Bereich des Steuerrechts auf das Hinzuerworbene aus. Somit stehen Einwirkungen auf das Einkommen – wie der Steuerzugriff – unter dem Vorbehalt von Art. 14 GG, der diese vermögenswerte Rechtsposition schützt, die der Steuerpflichtige durch Leistung erworben hat und eigenverantwortlich zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.286 Speziell für die Einkommensteuer nimmt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts damit in seiner neueren Rechtsprechung einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG an, wenn der Steuerzugriff tatbestandlich am Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen an-

279

BVerfGE 115, 97 (117) (Halbteilungsgrundsatz). P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 129. 281 Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 150. 282 BVerfGE 115, 97 (111) (Halbteilungsgrundsatz). 283 BVerfGE 115, 97 (112) (Halbteilungsgrundsatz). 284 Ähnlich Lehner, DStR 2009, 185 (189); Di Fabio, JZ 2007, 749 (752). 285 So auch bereits Loritz, BB 1993, 225 (228). 286 So führt BVerfGE 115, 97 (111) (Halbteilungsgrundsatz) aus: „Ist es der Sinn der Eigentumsgarantie, das private Innehaben und Nutzen vermögenswerter Rechtspositionen zu schützen, greift auch ein Steuergesetz als rechtfertigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie ein, wenn der Steuerzugriff tatbestandlich an das Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen anknüpft und so den privaten Nutzen der erworbenen Rechtsposition zugunsten der Allgemeinheit einschränkt.“ Kritisch Lepsius, JZ 2002, 313 (315 ff.); ders., JZ 2009, 260, sowie Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 14, Rz. 32a. 280

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

knüpft (Bestand des Hinzuerworbenen). Daraufhin prüft das Gericht sodann die Rechtfertigung des Eingriffs anhand der allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit nach Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.287 Bisher unbeantwortet ist die Frage geblieben, welche Stellung der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zu der zuvor aufgezeigten Rechtsprechung des Zweiten Senats beziehen wird.288 Bis dato ist die Judikation des Ersten Senats davon geprägt, den Anwendungsbereich des Art. 14 GG erst dann als eröffnet zu betrachten, wenn eine erdrosselnde Wirkung des Steuerzugriffs vorliegt.289 Damit ist der Erste Senat (noch) der engen Auslegung der Eigentumsgarantie verhaftet, gemäß der die Eigentumsgarantie bereichsspezifisch auf das Steuerrecht angewendet wird. Da dem Senat aber bisher keine Frage zur Entscheidung vorlag, welche geeignet gewesen wäre, sein diesbezügliches Rechtsverständnis abschließend zu bewerten, steht diese Feststellung unter einem Vorbehalt. In der Literatur finden sich zu den oben dargelegten Ausführungen des Zweiten Senats zustimmende, aber auch ablehnende Haltungen.290 b) Rechtfertigung eines Eingriffs Nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats ist bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Steuergesetzen die Eigentumsbeeinträchtigung durch die Ertrag­ steuerbelastung zu beurteilen. Hierbei geht es um die Frage der Begrenzung der dem Einzelnen auferlegten Steuerlast, mit der dieser zur Finanzierung des Gemeinwesens beizutragen hat; oder, anders gewendet, was der Staat dem Steuerpflichtigen aufgrund des Gemeinwohlinteresses nehmen darf und was ihm von seinem Einkommen verbleiben muss. Damit hat dieser Eingriff den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu genügen.

287

Di Fabio, JZ 2007, 749 (752); Wieland, Stbg 2006, 573 (574). Wieland, Stbg 2006, 573 (574). 289 BVerfGE 78, 232 (243) (Landwirtschaftliche Unternehmer); BVerfGE 95, 267 (300) (Altschulden); BVerfGK 11, 445 (Biokraftstoffe). 290 Zustimmend Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 240 ff., Wieland, Stbg 2006, 573 (574); Weber-Grellet, DStR 2009, 349 (350); Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 151 ff.; bejahend wohl auch Seer, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 87 (96 ff.) und Möstl, DStR 2003, 720 (725 ff). Ablehnend Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1170 ff.), und Lepsius, JZ 2009, 260 (261), die das Hinzuerworbene nicht durch Art. 14 GG geschützt sehen und in der nicht erdrosselnd wirkenden Besteuerung demnach auch keinen Eigentumseingriff erkennen. 288

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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aa) Keine Verhältnismäßigkeitsprüfung bei reinen Fiskalzwecknormen Die h. M. vertritt den Standpunkt eines nicht sehr ausgeprägten Einflusses des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf Steuernormen. Als Hauptargument führt sie ins Feld, dass die fiskalischen Interessen des Staats und die daraus entstehenden Belastungen des Steuerpflichtigen zueinander nicht ins Verhältnis zu setzen und daher nicht abwägbar seien.291 Zusätzlich sei der Ausschluss einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Steuerbelastung bereits aus der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für einen Steuerstaat292 vorgegeben.293 Bei der Begründung der Steuerbelastung sei daher die Absicht der Einnahmeerzielung ein legitimer Zweck, da das Funktionieren des Staats als (Solidar-)Gemeinschaft auf die Deckung des hierzu notwendigen Finanzbedarfs angewiesen sei. Grundsätzlich rechtfertige der Fiskalzweck damit die Steuerbelastungen vor Art. 14 GG und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung laufe ins Leere, denn die mit der Steuerbelastung einhergehende Steuererhebung sei auch stets geeignet, um den damit beabsichtigten Zweck der Aufkommenserzielung zu erreichen. Lediglich Steuern, die ihre Quelle einer vernichtenden Belastung aussetzen, könnte die Geeignetheit wohl abgesprochen werden. Auch die Anforderung der Erforderlichkeit sei nur bei stark ungleicher Verteilung der Steuerlast in Frage zu stellen.294 Ebenso sei mit Ausnahme der Erdrosselungswirkung stets von einer Angemessenheit der Steuerbelastung auszugehen.295 Aus diesen Gründen und angesichts der regelmäßig primären Einnahme­ erzielungsabsicht von Steuern liefere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur wenige Erkenntnisse, die für die Beurteilung der Wirkung von Steuern relevant wären. In diesem Zusammenhang beschreibt Papier daher die Wirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu Recht als „indolent und ineffizient“296. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung scheitert damit am grundsätzlich primären Fiskalzweck von Steuernormen.

291

BVerfGE 115, 97 (115) (Halbteilungsgrundsatz); Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 42; Di Fabio, JZ 2007, 749 (752); ähnlich Lepsius, JZ 2009, 260; a. A. P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, § 118, Bd. V, Rz. 131. 292 Isensee, in: Stödter/Thieme (Hrsg.), Festschrift für Ipsen, S. 409. 293 Papier, in: Herzog et al. (Hrsg.), Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 14, Rz.  176 ff.; ders., Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 76 ff. 294 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 193. 295 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 78. 296 Papier, in: Herzog et al. (Hrsg.), Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 14, Rz. 177.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

bb) Verhältnismäßigkeitsprüfung bei nicht primären Fiskalzwecknormen (1) Steuernormen ohne primären Fiskalzweck Anschließend stellt sich daher die Frage, ob die gewonnene Erkenntnis, dass im Falle von Fiskalzwecknormen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht anzuwenden ist, auch für Steuernormen gilt, deren Belastungswirkung nicht in erster Linie auf die reine Einnahmeerzielung ausgerichtet ist. Zwar ist es offensichtlich, dass die Erhebung von Steuern stets auch der Steueraufkommenserzielung geschuldet ist. Doch gerade Normen, die von einer gesetzgeberischen Grundentscheidung abweichen, da sie beispielsweise gegen Missbrauch oder auf die außersteuerliche Lenkung ausgerichtet sind, unterscheiden sich hiervon, indem sie nicht in erster Linie der Einnahmeerzielung dienen dürfen. Ein solches Ausbrechen aus der „Normalbelastung“ hat der Gesetzgeber nämlich mit der Verfolgung besonderer sachlicher Gründe des Gemeinwohls zu rechtfertigen.297 Da diese Gründe nach h. L. und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts298 aber nicht all­gemeiner fiskalpolitischer Herkunft sein dürfen, kann der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang Normen nicht mit Fiskalzwecken belegen,299 sondern muss in diesem Zusammenhang andere Ziele ins Feld führen. Aufgrund dieser Anforderung liefen die verschiedenen Ebenen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nun aber nicht mehr ins Leere. Hiermit gemeint sind Steuern oder einzelne Bestimmungen, die steuerverschärfend aus der Belastungsgrundentscheidung ausbrechen und dadurch ein gewisses Verhalten des Steuerpflichtigen motivieren. In dieser Konsequenz könnten steuerverschärfend eingreifende Regelungen bezüglich der Anwendung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterschiedlich zu beurteilen sein.

297 BVerfGE 99, 88 (95) (Verlustabzug); BVerfGE 99, 280 (290) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (126) (Pensionsbesteuerung); BVerfGE 107, 27 (48) (Doppelte Haushaltsführung); BVerfGE 116, 164 (180 f.) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (31) (Erbschaftsteuer); BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendler­ pauschale); siehe u. a. auch P. Kirchhof, StuW 2006, 3 (17); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (96); Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101; dazu auch Abschn. b), S. 148. 298 BVerfGE 122, 210 (231) (Neuregelung Pendlerpauschale); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 329 f.; ders., BB 2007, 1525 (1528); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (97); Görke, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 106 (109). A. A. Leisner-Egensperger, BB 2007, 639 (644), wonach der Gesetzgeber auch die Haushaltslage in seinen Gestaltungsspielraum einbeziehen könne. Ebenso Lepsius, JZ 2009, 260 (262), der Steuern lediglich auf den Fiskalzweck ausgerichtet sieht und demnach einen fiskalischen Beweggrund auch als gerechtfertigte Begründung für die Abweichung von einer steuerlichen Grundentscheidung anerkennt. 299 Siehe hierzu die Ausführungen zu den möglichen Rechtfertigungsgründen einer Abweichung der Belastungsgrundentscheidung in Abschn. bb), S. 150.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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Auch in der Literatur werden Stimmen laut, die eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf zusätzlich belastend wirkende Steuernormen befürworten, welche gerade nicht hauptsächlich dem Fiskalzweck dienen.300 Setzt der Gesetzgeber Steuerbelastungen zur Verhaltenslenkung ein, so entfernt sich das Steuerrecht nämlich von der Belastungsgrundentscheidung und verliert damit seine Neutralität.301 Gleichzeitig büßt aber auch der Fiskalzweck der Steuerbelastung seine primäre Stellung ein und hat sich den vom Gesetzgeber beabsichtigten Verhaltensänderungen unterzuordnen. Aus diesem Grund können derartige Normen anhand ihrer über den Fiskalzweck hinausgehenden Zielsetzungen im Rahmen von Art. 14 GG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden.302 (2) Belastungsgrundentscheidung und deren Durchbrechung Um darüber entscheiden zu können, welche Steuernormen gegen die Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers verstoßen, ist zunächst zu definieren, was die Belastungsgrundentscheidung ist. Anhand dieses Maßstabs kann sodann zwischen Normen unterschieden werden, die hiervon abweichen, weil sie eine gesonderte steuerliche Belastung nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang sei auf die obigen Ausführungen zu Art. 3 GG verwiesen.303 Mit dieser Überlegung konkretisiert das objektive Nettoprinzip nicht nur das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aus Art. 3 Abs. 1 GG, sondern auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Insoweit besteht im Ergebnis eine Übereinstimmung mit jenen Stimmen in der Wissenschaft, welche eine Verankerung des objektiven Nettoprinzips nicht nur in dessen gleichheitsrechtlicher Absicherung, sondern auch in der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG304 erkennen. Daraus leiten sie die Verbürgung des Hinzuerworbenen für erwerbswirtschaftliche ­Zwecke ab.305 300 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 31; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 131; Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 241; Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S.  277 ff. 301 Beyer, Die Freiheitsrechte, S. 241. 302 Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 214. 303 Dazu Abschn. cc), S. 161. 304 Lehner, DStR 2009, 185 (190); Jachmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 129 (131); Mellinghoff, Stbg 2005, 1 (3). Ähnlich auch Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 109 (110). In DStR 2009, 2561 (2562) weicht sie jedoch von ihrer obigen Meinung etwas ab, wenn sie von der „Abwehrschwäche der Freiheitsrechte gegenüber dem Steuerzugriff“ ausgeht und davon spricht, dass eine „wirksame Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit für das Unternehmensteuerrecht letztlich nur aus Art. 3 Abs. 1 GG gewonnen werden [könne]“ [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]. 305 Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (94).

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Zusätzliche Unterstützung erfährt dieser Ansatz aber auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, indem das Gericht die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG an die Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG koppelt.306 Das objektive Nettoprinzip erhält damit einen freiheitsrechtlichen Charakter und so eine noch tiefere Verankerung in den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Eine steuerverschärfende Durchbrechung der Belastungsgrundentscheidung ergibt sich daher durch eine Missachtung des objektiven Nettoprinzips und zieht damit nicht nur Fragen zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach sich, sondern auch zur Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die hier vertretene Auffassung verbindet damit gleichheitsrechtliche Vorgaben mit freiheitsrechtlichen Maßstäben.307 Zur Rechtfertigung dieses Verstoßes kann der Gesetzgeber im Grunde jegliche Zielsetzungen mit Gemeinwohlbelang anführen. Für das Steuerrecht kristallisierten sich aber insbesondere die in Zusammenhang mit Art. 3 GG angeführten Rechtfertigungsgründe der Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse, der Missbrauchsbekämpfung sowie der außersteuerlichen Lenkung heraus.308 Jenseits des Fiskalzwecks muss sich der Gesetzgeber daher an den vom ihm zur Begründung der Abweichung von der Belastungsgrundentscheidung angeführten außerfiskalischen Zielsetzungen messen lassen.309 Die hierdurch entstehende Sonderbelastung unterliegt somit als Grundrechtseingriff einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. c) Zwischenergebnis Das Grundgesetz definiert den Staat als Steuerstaat.310 Die Belastung von Steuer­subjekten mit Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer ist damit ein grundsätzlich notwendiger Eingriff zur staatlichen Existenzsicherung.311 Diesen Zugriff stellt Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG daher auch nicht in Frage.312 Was Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG aber hinterfragt, ist die Intensität dieses Eingriffs. Diese Position stützt sich auf die Ausführungen des oben dargelegten Beschlusses zum Halbteilungsgrundsatz des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts313 aus dem Jahr 2006. Nach dessen Auffassung umfasst der von ihm weit interpretierte Schutzbereich der Eigentumsgarantie auch das Hinzuerworbene. Damit fällt das in der Besteuerungsperiode im Rahmen der Einkommenserzielung Erwirtschaftete 306

BVerfGE 100, 226 (241) (Denkmalschutz). Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 165. 308 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschn. bb), S. 150. 309 Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 157. 310 Isensee, in: Stödter/Thieme (Hrsg.), Festschrift für Ipsen, S. 409; dem folgend Seiler, in: Depenheuer et al. (Hrsg.), Festschrift für Isensee, S. 875 (879). 311 Jochum, DStZ 2010, 309 (310). 312 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118, Rz. 124. 313 BVerfGE 115, 97 ff. (Halbteilungsgrundsatz). 307

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zu dem durch Art. 14 GG vor der Steuerbelastung Geschützten. Hierbei bedarf die Höhe der Steuerbelastung der Rechtfertigung, insbesondere dann, wenn eine Steuernorm von der Belastungsgrundentscheidung abweicht und damit den Betroffenen eine steuerliche Sonderlast aufzwingt. Die sich daraus ergebende zusätzliche Steuerbelastung stellt somit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Derartige Steuergesetze bedürfen, damit sie verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können, eines besonderen sachlichen Grundes. Da dieser Grund aber nicht rein fiskalisch orientiert sein darf, eröffnet die vom Gesetzgeber hierzu angeführte Rechtfertigung sodann einen Zugang, die dahinterstehende Gesetzesnorm anhand ihrer außerfiskalischen Begründung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Derartige Eingriffe und die daraus entstehenden Steuermehrbelastungen unterliegen damit dem Vorbehalt, einem legitimen Zweck zu dienen, geeignet, erforderlich und angemessen zu sein. 2. Vereinbarkeit der Zinsschranke mit den Vorgaben der Eigentumsgarantie Im Folgenden ist zu prüfen, inwieweit sich aus der Eigentumsgarantie Einschränkungen für den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von betrieblichen Zinsaufwendungen ergeben. Konkret ist dabei zu fragen, ob die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG mit der weiten Auslegung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren und im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu rechtfertigen ist. a) Schutzbereichseingriff und Rechtfertigung vor Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Was die Zinsschrankenregelung betrifft, ist der zuvor dargestellten gleichheitsrechtlichen Untersuchung zu entnehmen, dass § 4h i. V. m. § 8a KStG die Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers verletzt, indem sie gegen das objektive Nettoprinzip verstößt.314 Da die Neuregelung des betrieblichen Zinsabzugs als Sonderlast regelmäßig steuerverschärfend wirkt und damit in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eingreift, hat sie aufgrund ihrer steuerlichen Sonderbelastung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu genügen. Mit der Verletzung des Gebots steuerlicher Gleichbelastung nach Art. 3 Abs. 1 GG besteht somit bei der Beurteilung von Steuernormen im Rahmen des Art. 14 GG ein gleichheitsrechtlicher Einfluss. Gerade deshalb darf der Gesetzgeber eine derartige steuerliche Sonderbelastung für einzelne Steuerpflichtige auch unter freiheitsrechtlichen Aspekten nicht lediglich mit fiskalischen Begründungen rechtfertigen, sondern muss hierzu primär einen besonderen sachlichen Grund vorbringen. 314

Siehe dazu Abschn. bb), S. 150.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

b) Verhältnismäßigkeitsprüfung Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bindet alle Staatsgewalt und ist eine der wichtigsten Schranken bei einem Grundrechtseingriff.315 Ihm zugrunde liegt die Ansicht, dass der Freiheitsanspruch des Bürgers jeweils nur so weit eingeschränkt werden darf, „als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist“.316 Damit hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine die Freiheitssphäre verteidigende Funktion. aa) Allgemeine Sicherung des deutschen Steuersubstrats Als erstes der mit der Zinsschrankenregelung verfolgten wesentlichen Ziele nennt die Legislative allgemein die Sicherung des deutschen Steuersubstrats.317 Doch wie bereits in der gleichheitsrechtlichen Untersuchung ausgeführt wurde,318 rechtfertigt der Gesetzgeber auf diese Weise eine Durchbrechung der Belastungsgrundentscheidung über ein rein fiskalisches Motiv. Da der Gesetzgeber jegliche Verstöße gegen die Belastungsgrundentscheidung mit der unspezifischen Absicht nach Steuereinnahmen rechtfertigen könnte, ist dies aber nicht als legitimer Grund anzusehen. Eine Sonderbelastung von Steuerpflichtigen aus allgemeinen Gründen der Sicherung der staatlichen Einnahmen scheidet somit aus und kann nicht als geeignete Begründung für eine von der gesetzgeberischen Grundentscheidung abweichenden Sonderbelastung herangezogen werden.319 bb) Missbrauchsabwehr Nachdem die Zinsschranke rein fiskalisch begründet worden ist, ist die Zinsschranke nun als spezielle Norm zur steuerlichen Missbrauchsbekämpfung zu beurteilen.320 Die grundsätzliche Legitimität einer derartigen Zielsetzung wurde bereits im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Untersuchung bejaht.321

315 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 81; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuer­ system, S. 228. 316 BVerfGE 19, 342 (348 f.) (Wencker); BVerfGE 61, 126 (134) (Eidesstattliche Versicherung); BVerfGE 76, 1 (50 f.) (Familiennachzug); BVerfGE 77, 308 (334) (Arbeitnehmer­ weiterbildung). 317 Dazu ausführlicher Abschn. a), S. 112. 318 Siehe hierzu die Ausführungen zur gleichheitsrechtlichen Prüfung in Abschn. (1), S. 150 und in Abschn. aa), S. 162. 319 Siehe dazu Abschn. (1), S. 150. 320 Dazu ausführlicher Abschn. a), S. 112. 321 Siehe dazu Abschn. (3), S. 177; hierzu auch Gabel, StuW 2011, 3 (7) m. w. N.

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(1) Geeignetheit Um im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als geeignetes Mittel an­ erkannt zu sein, genügt es bereits, wenn die Zinsschranke einen Beitrag zur Er­ reichung des Ziels der Missbrauchsvermeidung leistet.322 So verlangt das Bundesverfassungsgericht in diesem Stadium der Verhältnismäßigkeitsprüfung lediglich den Einsatz von Maßnahmen, mit deren Hilfe „der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“.323 Die Zinsschrankenregelung wäre somit lediglich dann als ungeeignet einzustufen, wenn sie offensichtlich oder schlechthin als ungeeignet zu qualifizieren wäre.324 In diesen zurückhaltenden Ansprüchen gelangt der hohe Stellenwert der Einschätzungsprärogative seitens des Gesetzgebers zum Ausdruck, welche diesem bei der Beurteilung der Geeignetheit eines Gesetzes ein weites Feld einräumen und zugleich einen großen Ermessensspielraum zugestehen.325 In diesem Zusammenhang sei auf die bereits in der gleichheitsrechtlichen Untersuchung gewonnenen Ergebnisse verwiesen.326 Wie die dortige Analyse zeigt, ist die Zinsschranke trotz ihres problematischen Anwendungsbereichs durchaus in der Lage, die steuerliche Abziehbarkeit von übermäßigen Zinsaufwendungen eines grenzüberschreitenden Konzerns einzuschränken, und ist somit fähig, dem vom Gesetzgeber beanstandeten Missbrauch entgegenzutreten. Zwar erweist sich der Anwendungsbereich des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG als zu ungenau und nicht gemäß der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsbefugnis. Doch damit ergibt sich eine eher überschießende Wirkung der Zinsschranke, die in diesem Zu­sammenhang nicht zu beanstanden ist. Vor diesem Hintergrund ist die Zinsschrankenregelung daher zumindest so einzustufen, dass sie ihrem missbrauchsbekämpfenden Zweck förderlich ist. (2) Erforderlichkeit Das Gebot der Erforderlichkeit verbietet den Einsatz von Maßnahmen, die über das mit ihnen verfolgte Ziel hinausgehen.327 Es wäre dann als verletzt anzusehen, 322 Siehe hierzu die allgemeinen Ausführungen von Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 84; Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314. 323 BVerfGE 96, 10 (23) (Räumliche Aufenthaltsbeschränkung); BVerfGE 30, 292 (316) (Erdölbevorratung); BVerfGE 33, 171 (187) (Honorarverteilung); BVerfGE 67, 157 (173) (G 10); Hofmann, in: Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rz. 73. 324 BVerfGE 47, 109 (117) (Bestimmtheitsgebot); BVerfGE 65, 116 (126) (Residenzpflicht). 325 BVerfGE 102, 197 (218) (Spielbankengesetz Baden-Württemberg); BVerfGE 104, 337 (347 f.) (Schächten). 326 Dazu Abschn. (2), S. 181. 327 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 85.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

wenn die Abwehr des hier beklagten Missbrauchs auch mit anderen, mindestens gleich geeigneten Mitteln zu erreichen wäre, diese die Betroffenen und die All­ gemeinheit aber deutlich geringer einschränkten und damit milder wirkten.328 Daher gilt es, Alternativvorschläge nachzuweisen, die einerseits in jeder Hinsicht eine sachliche Gleichwertigkeit der Zielerreichung eindeutig sicherstellen und andererseits einen geringeren Grundrechtseingriff mit sich bringen.329 Diese zurückhaltenden Anforderungen an den Gesetzgeber sind wiederum dem hohen Stellenwert der Einschätzungsprärogative geschuldet, welche dem Gesetzgeber, wenn er die Erforderlichkeit einer Steuernorm zu beurteilen hat, einen großen Spielraum zugesteht.330 Als unmittelbare Alternativvorschläge zur Vermeidung von Missbrauch durch Gestaltungen der Fremdkapitalfinanzierung lassen sich im internationalen Steuerrecht noch zwei weitere Grundmodelle ausmachen, welche sich anhand ihrer Tatbestandsvoraussetzungen differenzieren lassen.331 Dabei handelt es sich neben dem von der Zinsschrankenregelung genutzten Modell der Ergebnisgrenze332 um die Modelle der Aktivagrenze und des Verschuldungsgrads. Die verschiedenen Modelle geben anhand ihrer Anknüpfungsmerkmale eine Grenze vor, welche zwischen missbräuchlichen und legitimen Finanzierungsstrukturen unterscheidet. Die Modelle der Aktivagrenze nutzen als Kriterium das Verhältnis des (Gesellschafter-)Fremdkapitals zum Aktivvermögen.333 Die Modelle des Verschuldungsgrads knüpfen dahingegen an die Relation von (Gesellschafter-)Fremdkapital zum Eigenkapital des Unternehmens an. Als Rechtsfolge können die drei Modelle entweder – wie die Zinsschranke – ein Betriebsausgabenabzugsverbot vorsehen oder aber die als schädlich erkannten Fremdkapitalentgelte in eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifizieren. Beide Rechtsfolgen führen dazu, dass sie die als schädlich erkannten Entgelte der Fremdkapitalfinanzierung auf Schuldnerebene einer höheren steuerlichen Be­ lastung unterwerfen.

328 BVerfGE 53, 135 (145 f.) (Schokoladenosterhase); BVerfGE 67, 157 (177) (G 10); BVerfGE 68, 193 (219) (Zahntechniker-Innungen); BVerfGE 92, 262 (273) (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Gesamtvollstreckungsverordnung); siehe hierzu auch Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 84 sowie Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rz. 17. 329 Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314. 330 BVerfGE 102, 197 (218) (Spielbankengesetz Baden-Württemberg); BVerfGE 104, 337 (347 f.) (Schächten); Hofmann, in: Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rz. 73. 331 Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 ff. 332 Bei der Zinsschranke handelt es sich um ein Modell der Ergebnisgrenze, da der Zinsabzug nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG auf die steuerliche Ergebnisgrenze des verrechenbaren EBITDA beschränkt ist. 333 Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

201

Wie eine Analyse der genannten drei Herangehensweisen zeigt, stellt sich jedoch keine als Königsweg heraus.334 Während die Zinsschranke aufgrund ihres allgemeinen Einbezugs jeglicher Zinsaufwendungen sehr breit wirkt und dadurch Stärken im Bereich der Zurückdrängung der Verlagerung von Steuersubstrat aufweist, beinhaltet sie die oben beschriebenen systembedingten Schwächen im Bereich der zielgenauen Missbrauchserfassung.335 Das Modell der Aktivagrenze wendet den Blick auf die Aktivseite der Bilanz. Über das Aktivvermögen wird eine Maximalgrenze errechnet, bis zu der ein Unter­nehmen Fremdkapital aufnehmen darf. Hierbei können die verschiedenen Aktivposten mit unterschiedlichen Werten bzw. Gewichtungen in die Berechnung der Maximalgrenze eingehen.336 Damit kann das Modell der Aktivagrenze aufgrund seiner Anknüpfung an das vorhandene Aktivvermögen auf branchenspezifische Besonderheiten Rücksicht nehmen. Demgegenüber eröffnet es aber auch Umgehungsmöglichkeiten, welche sich aus der Zusammensetzung der Aktivseite ergeben. Da deren Bestand von den Entscheidungen des Unternehmens abhängt, ergeben sich den Unternehmen Spielräume, die sie zur Erweiterung des Rahmens für eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung nutzen können. Diese Schwäche sorgt dafür, dass derartige Modelle nicht stets die Verlagerung von Steuersubstrat verhindern können. Deshalb wirken Instrumente mit Aktivagrenze durch ihre Branchenanpassung zwar deutlich milder als die Zinsschranke, hemmen dafür aber den missbräuchlichen Abfluss an Steuersubstrat nicht ebenso effektiv. Ähnlich ist das Verhältnis der Modelle mit Verschuldungsgrad zur Zinsschranke einzuschätzen. Ein Instrument mit Anknüpfung an den Verschuldungsgrad gibt Unternehmen eine quotal berechnete Verschuldungsobergrenze in Relation zu dessen Eigenkapital vor. Hierbei gibt es vielerlei Möglichkeiten, diese Grenze zu berechnen. So kann z. B. das gesamte Fremdkapital des Unternehmens ins Verhältnis zum gesamten Eigenkapital gesetzt werden (Gesellschaftsbezug). Ebenso ist es möglich, das Gesellschafter-Fremdkapital mit dem GesellschafterEigenkapital zu vergleichen (Gesellschafterbezug) oder dies mit der ersten Variante zu kombinieren.337 Zwar sorgen diese Modelle für eine für die Unternehmen planbare Eindämmung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, doch die gemeinsame Schwäche dieser Herangehensweisen bleibt, dass sie nicht auf die speziellen Fremdkapitalanforderungen verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen eingehen. Deshalb können sie in vielen Fällen auch deutliche Anwendungshärten und Ungleichheiten auslösen.338

334

Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (68). Dazu auch Abschn. (3), S. 177. 336 Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (65 ff.). 337 Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (62 f.). 338 Herzig/Bohn/Fritz, DStR 2009, Beihefter zu Heft 29, 61 (62 f.). 335

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Zu den Modellen mit Verschuldungsgrad zählen auch die früheren Fassungen des § 8a KStG, welche über einen gesellschafterbezogenen Verschuldungsgrad im Zeitraum der Jahre 1994 bis 2007 die Gesellschafter-Fremdfinanzierung regelten.339 Während die alten Fassungen in manchen Bereichen zwar zielgenauer und dadurch milder als die Zinsschranke wirkten, erfassten sie jedoch im Gegensatz zur Zinsschranke regelmäßig nur missbräuchliche Downstream-Inbound-Finanzierungen und damit lediglich die übermäßige Fremdfinanzierung einer deutschen Tochtergesellschaft durch ihr ausländisches Mutterunternehmen.340 Dementgegen wirkt § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG deutlich weiter, erstreckt er seinen Anwendungsbereich doch zusätzlich auch auf die als missbräuchlich erachteten Upstream-Inbound- und Outbound-Finanzierungen. Dadurch sind auch die missbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer inländischen Muttergesellschaft durch ihr ausländisches Tochterunternehmen und die Refinanzierung steuergünstiger Eigenkapitaltransaktionen durch konzernexterne Institutionen erfasst. Diese breite Wirkung verdankt die Zinsschranke ihrer allgemeinen Anknüpfung an die Summe des in Deutschland steuerlich geltend gemachten Nettozinsaufwands, womit sie nicht nur die an die Gesellschafter gezahlten Zinsen, sondern auch die an Dritte erfasst. Aufgrund des geringeren Anwendungsbereichs können die früheren Fassungen des § 8a KStG bereits daher nicht ebenso geeignet sein, die als missbräuchlich eingestuften Finanzierungsgestaltungen einzuschränken. Deshalb muss auch der Ruf nach der Wiedereinführung einer modifizierten Fassung der außer Kraft gesetzten Regelungen des § 8a KStG a. F.341 an dieser Stelle zurücktreten. Als weitere Alternative ist das sogenannte Hinzurechnungsmodell zu nennen, welches der damalige Finanzminister Steinbrück im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens der Unternehmensteuerreform 2008 gegenüber der Zinsschranke zeitweise präferierte.342 Dieses Modell dürfte jedoch als eine sehr strikte Modell­ alternative gelten, da es im Grundsatz ohne jegliche Missbrauchstypisierung die Nichtabzugsfähigkeit eines gewissen Prozentsatzes der betrieblichen Zinsaufwendungen anordnet. Da hierbei aber keinerlei Ausnahmeregelungen vorgesehen sind und die Wirkung stets in der vollständigen Nichtabzugsfähigkeit der betroffenen Zinsaufwendungen endet, ist dieses Modell zur Missbrauchsvermeidung zwar zumindest ebenso geeignet, aber als weniger mild wirkend einzustufen. Ein ähn­ liches Urteil wäre in diesem Stadium der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch zu den Überlegungen zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapital zu fällen, wenn das Ergebnis die vollumfängliche Nichtabzugsfähigkeit von betrieblichen Zinsaufwendungen ist.

339 Siehe dazu auch die Darstellung der verschiedenen Fassungen des § 8a KStG im Zeitraum der Jahre 1994 bis 2007 in Abschn. a), S. 97. 340 Siehe dazu näher Abschn. a), S. 92. 341 U. a. Schwarz, IStR 2008, 11 (14); Schön, IStR 2009, 882 (888). 342 Siehe hierzu Abschn. 2, S. 109.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

203

Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen der praktizierten verschiedenen Modellalternativen ist somit aktuell keines auszumachen, welches bei mindestens gleicher Geeignetheit eine mildere Wirkung entfaltet. Damit ist es § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG in diesem Zusammenhang nicht abzusprechen, ein erforderliches Mittel zur Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen zu sein. (3) Angemessenheit Als letzter Prüfungsschritt der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) ist nun die An­ gemessenheit der Zinsschranke zu beurteilen. Nachzuweisen ist, dass die Belastungswirkung der Zinsschranke nicht außer Verhältnis zum erstrebten Gemeinwohlbelang steht.343 So muss das „Maß der den einzelnen […] treffenden Belas­tung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu dem der Allgemeinheit erwachsenden Vorteil stehen“.344 In diesem Zusammenhang ist daher abzuwägen, ob der mit der Zinsschranke einhergehende Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in einem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Vorteil der Bekämpfung missbräuchlicher Finanzierungsgestaltung steht. Wäre der Beitrag der Zinsschranke zur Eindämmung der missbräuchlichen Gestaltungen eher gering und die Belastung für die Betroffenen sehr hoch, so könnte nicht von einer angemessenen Regelung gesprochen werden.345 (a) Belastungswirkung (aa) Regelfall Die Analyse der Belastungswirkung der Zinsschranke kann sich auf empirische Untersuchungen stützen, in denen der Wirkung des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG auf handelsrechtliche Unternehmensdaten nachgegangen wurde. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist, dass es sich bei den von der Zinsschranke Betroffenen ursprünglich um ungefähr 550 bis 1.500 Unternehmen handelte und sich diese Schätzgröße durch die Erhöhung der Freigrenze nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a 343 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 86; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rz. 17; Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 124, Rz. 163. 344 BVerfGE 76, 1 (51) (Familiennachzug) [Einfügung im Zitat in eckiger Klammer durch den Verf.]; siehe hierzu auch Hofmann, in: Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rz. 73. 345 Siehe hierzu allgemein Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundes­ republik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 84; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 184; Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314.

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EStG halbiert hat.346 Zusätzlich ist aufgrund der bereits in der gleichheitsrechtlichen Prüfung festgestellten ungenauen Missbrauchserfassung der Zinsschranke im Regelfall keine sinnvolle Auswahl missbräuchlicher Gestaltungen gewährleistet.347 Unternehmen können damit nicht nur in Einzelfällen unverschuldet von der Zinsschranke erfasst werden. Eine ausreichend treffsichere Differenzierung zwischen missbräuchlich agierenden und ohne primäre Steuersparabsicht handelnden Betrieben stellt das Regelungskonzept der Zinsschranke demnach nicht sicher. Hinsichtlich der konkreten Auswirkung der Zinsschranke ist neben Anzahl und Herkunft der von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen vor allem das Schicksal des Zinsvortrags bedeutsam. Nur aus ihm lässt sich erkennen, ob es sich bei der Belastungswirkung der Zinsschranke lediglich um einen Zins- bzw. temporären Liquidationsnachteil oder nicht doch um eine dauerhafte Zusatzbelastung des jeweils betroffenen Unternehmens handelt. Ersteres wäre durch ein zeit­nahes und vollständiges Auflösen des Zinsvortrags realisiert, von letzterer Wirkung wäre bei einer gänzlichen Nichtauflösung des Zinsvortrags zu sprechen. In diesem Zusammenhang kommen empirische Untersuchungen einmütig zu dem Ergebnis, dass die von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen zu ertragsschwach sind und sich ihre nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG gebildeten Zins­ vorträge daher im Regelfall nicht auflösen.348 Zwar konnte bei diesen Berechnungen die spätere Gesetzesänderung mit Einführung des EBITDA-Vortrags noch keine Berücksichtigung finden. Dies würde aber nur wenig am Ergebnis ändern, da die durch den Zinsvortrag resultierende Entlastungswirkung nur dann zum Tragen kommt, wenn die 30-v. H.-EBITDA-Grenze höher ist als die Summe aus dem Nettozinsaufwand und den bereits bestehenden Zinsvorträgen. Da die Unternehmen aber zu ertragsschwach sind, als dass ihr Nettozinsaufwand unterhalb des verrechenbaren EBITDA bleibt, kommt es zu einer stetigen Vergrößerung des nicht nutzbaren Zinsvortrags. Anfallende Zinsaufwendungen bleiben somit weiterhin nur beschränkt abzugsfähig. Ein Abbau des Zinsvortrags tritt im Regelfall nicht ein. Durch die Nichtauflösung des Zinsvortrags führt die Zinsschranke damit regelmäßig zu einem dauerhaften Abzugsverbot. Weiterhin ist aus den Mittelwerten der Datengrundlage der Untersuchung von Watrin/Pott/Richter zu erkennen, dass in dem fünfjährigen Betrachtungszeitraum die steuerliche Bemessungsgrundlage wegen der Wirkung der Zinsschranke in der Summe um rund 50 v. H. höher ist, als wenn zu ihrer Berechnung die Zins-

346

Siehe dazu die Fn. 233 und 234 auf S. 181. Dazu Abschn. (3), S. 177. 348 Siehe hierzu Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 ff., dort auch Tabelle 2), mit einem fünfjährigen Betrachtungszeitraum; Blaufus/Lorenz, Wem droht die Zinsschranke? Eine empirische Untersuchung zur Identifikation der Einflussfaktoren, S. 22, errechnete, dass es lediglich bei 17 v. H. der betroffenen Unternehmen binnen eines dreijährigen Betrachtungszeitraums zu einer mindestens teilweisen Auflösung des Zinsvortrags kam. 347

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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schranke stets unbeachtlich geblieben wäre.349 Die Zinsschranke entfaltet dadurch die Wirkung einer indirekten Substanzbesteuerung350 und bedeutet für die betroffenen Unternehmen eine Verlangsamung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und Hemmung ihrer Investitionstätigkeit.351 Für das von ihr betroffene Unternehmen zeitigt die Zinsschranke damit eine ähnliche, jedoch weitaus negativere Wirkung als eine allgemeine Steuersatzerhöhung.352 (bb) Ausnahmefälle Die konkrete Belastungswirkung der Zinsschrankenregel kann in Ausnahmefällen und damit in einem im Rahmen der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis noch zu akzeptierendem Ausmaß auch in eine direkte Substanzbesteuerung münden. Hierzu kommt es, wenn bereits vor Anwendung der Zinsschranke kein steuer­bilanzieller Gewinn mehr auszuweisen ist und die durch die Zinsschranke ausgelöste außerbilanzielle Hinzurechnung der nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen bewirkt, dass ein „fiktiver“ Gewinn versteuert werden muss. Darüber, inwiefern sich die Zinsschranke in dieser Hinsicht quantitativ auswirkt, gibt es aber noch keine genauen Daten. Bisher analysiert lediglich eine empirische Unter­ suchung, ob die durch die Zinsschranke ausgelöste Zahllast von den betroffenen Unternehmen aus dem Volumen ihrer eigenen Finanzressourcen bedient werden kann. Als Ergebnis zeigt sich, dass ca. 13 v. H. der von der Zinsschranke belasteten Unternehmen im Betrachtungszeitraum hierzu wohl nicht in der Lage gewesen wären.353 Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht mit der Erhöhung der Freigrenze auf EUR 3 Mio. und erwies sich als relativ krisenfest. Diese Indizien bestätigten sich auch in der von Watrin/Pott/Richter durchgeführten Simulation mit empirischen Unternehmensdaten. Bei einem angenommenen Gewinnrückgang um 100 v. H. errechneten die Autoren aus der außerbilanziellen Hinzurechnung der Zinsschranke eine jährlich schwankende Steuerbelastung von bis zu 2.500 v. H., die sich über vier Jahre hinweg gemessen am „tatsächlichen“ Gewinn in einem durchschnittlichen effektiven Steuersatz von rund 1.850 v. H. äußert.354 Falls es diesen Unternehmen nun aber nicht gelingt, der Wirkung der Zinsschranke zu entkommen oder zusätzliche Eigenkapitalgeber zu gewinnen, sind sie zur Begleichung der durch § 4h EStG ausgelösten Zahllast auf weitere Fremd­ kapitalfinanzierungsoptionen angewiesen. Die Zinsschranke kann damit in Aus-

349

Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (261). Dazu Abschnitt II., S. 187. 351 Siehe auch BFH vom 13.3.2012, I B 111/11, DStR 2012, 955, Rz. 41. 352 Siehe hierzu die analoge Argumentation zur Wirkung der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage in BVerfGE 115, 97 (116) (Halbteilungsgrundsatz). 353 Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (326 ff.). 354 Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (263; dort Tabelle 5). 350

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nahmefällen den Verschuldungsgrad und die Insolvenzwahrscheinlichkeit dieser Unternehmen zusätzlich steigern und auf längere Sicht eine erdrosselnde Wirkung entfalten.355 (b) Volkswirtschaftlicher Nutzen Eine Einschätzung des durch die Bekämpfung missbräuchlicher Finanzierungsgestaltungen zu erwartenden volkswirtschaftlichen Nutzens gestaltet sich als deutlich schwieriger, als der Gesetzgeber glauben machen will. So ist es zwar in der politischen Debatte und wissenschaftlichen Diskussion allgemein bekannt, dass Deutschland Opfer übermäßiger steuerinduzierter Fremdkapitalzuführung aus dem Ausland ist.356 Doch noch immer ist es nicht gesichert, wie hoch der Verlust an deutschem Besteuerungssubstrat tatsächlich ist und zu welchem Anteil die verschiedenen Instrumente der Gewinnverlagerung dafür verantwortlich sind. Auch die mit der Zinsschranke erhofften direkten Steuereinnahmen von mittlerweile rund EUR 715 Mio. liefern kein belastbares Indiz, da die Zinsschrankenregelung als Vermeidungsvorschrift auf das Unterlassen von missbräuchlichen Handlungen abzielt.357 Der tatsächliche Erfolg dieser Regelung ist daher auf direktem Wege nicht messbar und auch auf indirektem Wege – z. B. über die Steigerung der Bemessungsgrundlage anderer Steuerarten – nur schwer abzuschätzen. (aa) Unsicherheit des Gesetzgebers Die Unsicherheit des Gesetzgebers bezüglich der Quantität des durch Gewinnverlagerung verlorenen Besteuerungssubstrats ist bereits daran ersichtlich, dass dieser sich immer wieder mit unterschiedlichen Angaben an die Öffentlichkeit wendet. Im Vorfeld der Unternehmensteuerreform 2008 kursierten unterschiedliche Befunde zum Verlust an deutschem Steuersubstrat. So bezifferte das Bundesfinanzministerium das ans Ausland durch die Gewinnverlagerung deutscher Kapitalgesellschaften verlorene Besteuerungspotential für das Jahr 2005 auf ca. EUR 65 Mrd.358 Die daraufhin vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln vorgetragene Kritik warf dem Bundesfinanzministerium eine fehlerhafte

355

Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (326); ähnlich auch Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 5.  356 Z. B. BT-Drs. 16/4841, S. 1, 29; Ramb/Weichenrieder, Taxes and the financial structure of German Inward FDI, CESifo Working Paper Nr. 1355, S. 20; Weichenrieder, Profit Shifting in the EU: Evidence from Germany, passim; Huizinga/Laeven, 92 Journal of Public Economics 2008, 1164 ff.; Schwarz, IStR 2008, 11 (13). 357 Dazu Abschn. b), S. 113. 358 IW (Hrsg.), iwd-Informationsdienst der deutschen Wirtschaft Köln 2006 (24.8.2006), Jg. 32, Nr. 34, S. 2.

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Ermittlung der Gewinne und Steuerzahlungen vor und nannte die präsentierte Schätzgröße „reichlich politisch motiviert“. Das IW kam dabei zwar nicht zu einer eigenständigen Schadensermittlung, merkte aber in seinen Ausführungen an, dass die Analyse des BMF um mindestens EUR 30 Mrd. zu hoch sei.359 Diese Rüge schien den damaligen Finanzminister Steinbrück aber wenig zu beeindrucken, sprach dieser doch einige Tage später von steuerlichen „Verschiebebahnhöfen [, durch die] Deutschland jährliche Steuerzahlungen von 60 bis 80 Milliarden Euro [verloren gingen]“.360 Bei Annahme einer damaligen Steuerquote von ca. 40 v. H. beziffert diese Aussage – aufgrund ihres Bezugs zu den Steuerzahlungen – den Verlust an Steuersubstrat damit sogar auf EUR 150 bis 200 Mrd. Einen weiteren Höhepunkt dieser Diskussion bildete die in der Gesetzes­ begründung der Unternehmensteuerreform 2008 genutzte empirische Unter­ suchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).361 Diese Untersuchung wurde vom Gesetzgeber als gewichtiges Argument für die Einführung der Zinsschrankenregelung instrumentalisiert. Mit direktem Verweis auf eine „aktu­elle Studie“ des DIW beziffert der Gesetzgeber den jährlichen Verlust an deutschem Steuersubstrat aus Steuervergünstigungen und konzerninternen Gewinnverlagerungstransaktionen auf eine Größenordnung von EUR 100 Mrd. Damit betonte er, wie dringlich eine Überarbeitung bisheriger Abwehrmaßnahmen und die Einführung sowie die Ausgestaltung der Zinsschranke seien.362 Doch auch diese Studie ist nicht ohne Einwände hinzunehmen. Denn bei näherer Analyse der Datengrundlage ist zum einen zu monieren, dass diese zwar Anfang des Jahres 2007 veröffentlicht wurde, sich aber auf keine damals aktuellen Informationen, sondern auf die Steuerstatistiken des Statistischen Bundesamtes der Jahre 1992, 1995, 1998 und 2001 stützt.363 Es mutet daher seltsam an, dass die Bundesregierung sich zur aktuellen Lagebeurteilung der steuerschädlichen Gewinnverlagerungsaktivitäten der deutschen Wirtschaft im Jahr 2007 auf Daten des Zeitraums der Jahre 1992 bis 2001 bezieht. Doch nicht nur die fehlende Aktu­ alität der Daten gibt Anlass zu Kritik. Besonders vor dem Hintergrund der bewegten Geschichte des § 8a KStG ist eine derart veraltete Datengrundlage zu rügen. So konnten in dem vom DIW betrachteten Zeitraum gerade die wichtigen gesetzlichen Verschärfungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierungsregelungen durch

359 IW (Hrsg.), iwd-Informationsdienst der deutschen Wirtschaft Köln 2006 (24.8.2006), Jg. 32, Nr. 34, S. 2; siehe dazu auch Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, 37 (39). 360 Handelsblatt-online v. 12.9.2006 „Hinzurechnungsmodell bei Zinsbesteuerung vom Tisch“, abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/Hinzurechnungsmodell-bei-Zinsbesteuerung-vom-Tisch;1134354.html; siehe hierzu auch Höreth/Stelzer/Welter, BB 2006, 2665 (2670 ff.) [Einfügungen im Zitat in eckigen Klammern durch den Verf.]. 361 DIW (Hrsg.), DIW-Wochenbericht 5/2007, S. 63 ff. 362 BT-Drs. 16/4841, S. 29. 363 DIW (Hrsg.), DIW-Wochenbericht 5/2007, S. 63 f.

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das StSenkG und das StVergAbG der Jahre 2001 und 2004 nicht in vollem Maße bzw. gar nicht berücksichtigt werden.364 Unterstützung findet diese Argumentation auch durch Overesch/Wamser, wenn deren empirische Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass die oben genannten gesetzlichen Änderungen des § 8a KStG a. F. zu weiteren wichtigen und wirksamen Beschränkungen der steuerinduzierten Fremdkapitalfinanzierung durch Anteilseigner geführt haben.365 Und selbst das DIW schränkte die Allgemeingültigkeit seiner Ergebnisse ein. So relativierte sein Vertreter Bach den errechneten Betrag von EUR 100 Mrd. in der Öffentlichen Anhörung zur Unternehmensteuerreform. Er erklärte, dass es bei der empirischen Datenbasis „große Probleme“366 gebe und dies auf dem Umstand eines fehlenden Zugangs der Wissenschaft zu den Steuerdaten der Unternehmen beruhe. Daher habe man für diese Untersuchung auf weit weniger genaue Daten handelsrechtlicher Abschlüsse zurückgreifen müssen. Diese zeigten zwar bei „theoretischen Überlegungen eine gewisse Evidenz, dass hinsichtlich Profitverlagerung oder auch Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland in der Tat einiges [geschehe]“.367 Es könne hierbei aber auch nicht unterschieden werden, in welcher genauen Größenordnung eine Gewinnverlagerung z. B. über Fremdkapitalfinanzierung ins Ausland stattfinde. Weniger verwunderlich ist daher auch die etwas vorsichtigere Verwendung derselben DIW-Studie durch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die „Kleine Anfrage“ von Bundestagsabgeordneten. Als diese nach der geschätzten Höhe der bundesweiten Steuerausfälle durch Gewinnverlagerung ins Ausland fragten, scheint auch die Bundesregierung die Kritik an ihrer bisherigen Auslegung bereits erreicht zu haben. So interpretiert sie die DIW-Studie etwas vorsichtiger, indem sie nun davon spricht, dass es keine genauen Daten für den Verlust an Steuersubstrat aufgrund gewinnverlagernder Finanzierungsgestaltungen gebe.368 Daher könne man die Daten des DIW lediglich als Indiz für steuerschädliche Buchgewinnverlagerungen werten. Gleichzeitig quantifizierte die Bundesregierung die Größenordnung des potentiellen Schadens sodann auch nicht mehr auf EUR 100 Mrd., sondern, ohne Nennung einer Zahl, lediglich als einen nicht genauer zu spezifizierenden „zweistelligen Milliardenbetrag“.369 Neben der Kritik an der Aktualität und Interpretation der DIW-Studie wurden aber auch Stimmen in der Wissenschaft laut, die die Berechnungsgrundlage der Studie direkt angreifen. So halten Heckemeyer/Spengel den vom DIW errechneten Betrag der jährlichen Verluste an Steuersubstrat von EUR 100 Mrd. für über-

364

Zur Geschichte des § 8a KStG a. F. siehe Abschn. a), S. 97. Overesch/Wamser, German Inbound Investment, S. 21. 366 Bach, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 6. 367 Bach, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 6. 368 BT-Drs. 16/5083, S. 8. 369 BT-Drs. 16/5083, S. 8. 365

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höht und beklagen, dass die genutzte Datengrundlage unpassend sei.370 Nach ihrer Meinung könne der vom DIW herangezogene Vergleich zwischen den Gewinnen aus den Datengrundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und den Steuerstatistiken des Statistischen Bundesamtes nicht als Beleg für Steuervergünstigungen und Gewinnverlagerungsaktivitäten genutzt werden.371 Ihre Ansicht begründen sie mit der Zirkularität der hierbei genutzten Vorgehensweise. Da die Steuersubstratsverschiebung über grenzüberschreitende Fremdkapitalfinanzierungen sowohl die Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als auch die der Steuerstatistik senke, können die Differenz zwischen diesen beiden Größen nicht als Maßstab für eine Gewinnverlagerung genutzt werden.372 Zusätzlich könnten kompensatorische Wirkungen zwischen Inbound- und OutboundGestaltungen auftreten, die zu einer weiteren Verzerrung der Differenzbetrachtung führten. Die vom DIW errechnete Differenz sei damit nicht als valides Schadenspotential zu betrachten. (bb) Uneinigkeit der Wissenschaft Zusätzlich zu den Schwächen der vom Gesetzgeber vorgebrachten Analysen besteht aber auch in den übrigen Teilen der Wissenschaft keine Einigkeit darüber, wie hoch der durch Gewinnverlagerungsaktivitäten ausgelöste Steuersubstrats­ verlust ist. Neben der oben angeführten Studie des DIW gibt es weitere Untersuchungen zu Gewinnverlagerungsaktivitäten deutscher Unternehmen. Diese analysieren das Phänomen Buchgewinnverlagerung jedoch meist nicht in Gänze, sondern unterteilen es in Inbound- und Outbound-Gestaltungen.373 Dabei untersucht erstere Variante die Gewinnverlagerung durch Fremdkapitalgabe ausländischer an inländische Konzerngesellschaften. Outbound-Gestaltungen legen den Fokus auf die Eigenkapitalfinanzierung ausländischer durch inländische Konzerneinheiten. Weiterhin nutzen die bisher vorliegenden Analysen unterschiedliche Zeiträume und verschiedene analytische Vorgehensweisen. Manche quantifizieren dabei einen geschätzten Schaden, andere belassen ihre Ergebnisse auf der Ebene von Korrelationen. Im Ergebnis erweist es sich daher als sehr schwierig, die vor­ liegenden Ergebnisse miteinander zu vergleichen. So gelangt eine von Ramb/Weichenrieder durchgeführte Untersuchung von Paneldaten für die Jahre 1996 bis 2001, ebenso wie die Berechnungen des DIW, zur 370 Spengel, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 41 (44) spricht in diesem Zusammenhang „von methodisch unhaltbaren Schätzergebnissen“; siehe auch ausführlich Heckemeyer/ Spengel, DB 2009, 133 f. 371 Heckemeyer/Spengel, DB 2009, 133 f. 372 Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, 37 (44 ff.). 373 Siehe dazu die Übersicht bei Schwarz, IStR 2008, 11 (13).

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Erkenntnis, dass Deutschland durch das Steuersatzgefälle zu anderen europäischen Ländern von einer exzessiven Fremdkapitalfinanzierung inländischer Tochtergesellschaften bedroht sei.374 Ohne den Verlust an deutschem Steuer­substrat zu quantifizieren, führt diese Analyse zu dem Ergebnis, dass die steuerinduzierte Gewinnverlagerung, die durch die Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland gelegener Tochtergesellschaften ausgelöst wird, nur noch unwesentlich sei. Dieses Ergebnis wurde auch auf die seit dem Jahr 1994 geltenden Regelungen des § 8a KStG a. F. zurückgeführt.375 Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Huizinga/Laeven, die mit der Datenbank Amadeus für das Jahr 1999 einen Steuersubstratsverlust durch Buchgewinnverlagerung ins Ausland von lediglich ca. EUR 2 Mrd. feststellten.376 Unterstützung finden diese Ausführungen auch durch eine von Schwarz durchgeführte Schätzung.377 Hierbei untersuchte dieser für die Jahre 1993 und 2003 die Beziehung zwischen dem Nominalsteuersatz verschiedener Länder und deren Fremdkapitalzuführung nach Deutschland. Während für das Jahr 1993 – und damit vor Einführung der ersten Fassung des § 8a KStG – noch die Senkung der ausländischen Steuerbelastung mit einer erhöhten Fremdkapitalzufuhr nach Deutschland einherging, konnte Schwarz diese Korrelation für das Jahr 2003 bereits nicht mehr nachweisen. Als Möglichkeit für das Ausbleiben dieses Effekts nennt er die Einführung der gesonderten Regelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung im Jahr 1994 und deren späteren Verschärfungen.378 Unter Nutzung der Bundesbankdaten zu den Direktinvestitionen der Jahre 1996 bis 2004 und ebenfalls ohne den Verlust an Steuersubstrat genau zu quantifizieren, errechnen Overesch/Wamser ein ähnliches Schätzergebnis. So zeigt sich auch in ihrer Datengrundlage, dass der hoch besteuernde Wirtschaftsstandort Deutschland durch Buchgewinnverlagerungen bedroht ist.379 Nachdem die beiden Autoren in ihrer Untersuchung die Änderungen der alten Regelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG a. F. der Jahre 2001 und 2004 analysierten, kommen sie ebenfalls zu dem Schluss, dass die damit einhergehende Verschärfung der safe haven-Regelungen für Kapital- und Holdinggesellschaf-

374

Ramb/Weichenrieder, 141 (4) Review of World Economics 2005, 670 ff. So auch Schwarz, IStR 2008, 11 (12). 376 Huizinga/Laeven, 92 Journal of Public Economics 2008, 1164 (1180; dort Tabelle 8). Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass diese Daten auf den gesetzlichen Gegebenheiten des Jahres 1999 fußen und von einer kombinierten deutschen Ertragsteuerbelastung von 53,76 v. H. für Unternehmen ausgehen. Da diese Untersuchung auf die Wirkung des Steuersatzgefälles zwischen den europäischen Ländern abstellte, dürfte aus der jüngsten starken Senkung der kombinierten Ertragsteuerquote in Deutschland auf ca. 30 v. H. auch eine Minderung der von den beiden Autoren erkannten Motivation zur Steuersubstratsverschiebung hervorgehen. 377 Schwarz, Anti-Tax Avoidance Legislation and Profit-Shifting: The Case of Germany. 378 Schwarz, IStR 2008, 11 (12). 379 Overesch/Wamser, German Inbound Investment, S. 2, 21 f. 375

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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ten die effektive Eingrenzung von Gewinnverlagerungsaktivitäten sicherstellte.380 Eine rein steuerinduzierte Gewinnverlagerungsaktivität sei damit kaum noch nachweisbar. Auch Spengel führt die missliche Lage Deutschlands ins Feld, als Bereitsteller eines weitreichenden staatlichen Angebots von internationalen Konzernen ausgenutzt zu werden. Als Indiz hierfür wertet er, dass in den Jahren 1994 bis 2004 die Eigenkapitalquote deutscher Auslandsbeteiligungen um etwa 30 Prozentpunkte höher lag als die der ausländischen Inlandsbeteiligungen.381 Trotzdem kommt auch er zu dem Ergebnis, dass § 8a KStG a. F. wirksam war, wenn er den Anstieg der Eigenkapitalquote der ausländischen Inlandsbeteiligungen seit Ende der 1990er Jahre auch auf die Abwehrmaßnahmen des deutschen Gesetzgebers in Form der Gesellschafter-Fremdfinanzierung zurückführt. Nachdem Heckemeyer/Spengel bereits die Berechnungsmethode der DIWStudie kritisiert haben, nehmen sie auch eigene Berechnungen vor. Die von den Autoren durchgeführte Alternativberechnung auf Grundlage von Daten der Zahlungsbilanzstatistiken der Deutschen Bundesbank zeigte, dass bis zum Jahr 2007 keine jährliche Gewinnverlagerung von mehr als EUR 30 Mrd. stattgefunden habe.382 Allerdings ist die betreffende Studie auf Outbound-Fälle beschränkt, so dass sie wiederum kein vollumfängliches Bild von den Gewinnverlagerungs­aktivitäten gibt. Abschließend ist damit festzuhalten, dass einige Untersuchungen zum Steuersubstratsverlust durch Gewinnverlagerung in Deutschland vorliegen. Die Mehrheit der Beiträge beschäftigt sich mit der Analyse von Inbound-Gestaltungen und kommt dabei zu einer nur noch unwesentlichen Aktivität der Buchgewinnverlagerung. Da sämtliche Untersuchungen aber von renommierten Wissenschaftlern bzw. Instituten stammen und deren quantifizierte Ergebnisse eine Schadensspanne von EUR 2 Mrd. bis EUR 100 Mrd. aufweisen, ist die Beurteilung eines tatsäch­ lichen Verlusts an Steuersubstrat nur schwer möglich.383

380

Overesch/Wamser, German Inbound Investment, siehe im Abstract: „The results suggest that the German thin-capitalization rule induces significantly lower intra-firm debt-levels of inbound investment. Hence, tax planning via intra-firm finance is effectively limited.“ 381 Spengel, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 41 (47). 382 Heckemeyer/Spengel, DB 2009, 133 (135). 383 Im Ergebnis ebenso Neumann, Ubg 2009, 461 (462); ähnlich (mittlerweile) auch die zusammenfassende Beurteilung der Bundesregierung, siehe BT-Drs. 16/5083, S. 8; siehe in diesem Zusammenhang auch Bach, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S.  5 f.

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(cc) Aufteilungsschwierigkeiten Zusätzlich zur schwierigen Ermittlung der Schadenshöhe lassen sich die Analysen über diesen Graubereich der Unternehmenspolitik mit dem Ziel der missbräuchlichen Gewinnverlagerung aber auch nicht konkret in die hierfür verantwortlichen Instrumente aufteilen. Aufgrund der Datenbasis beschäftigen sie sich insbesondere mit dem Überbegriff Buchgewinnverlagerung.384 Dieser beinhaltet aber neben dem Instrument der konzerngesteuerten Finanzierungsstrukturen insbesondere die davon zu trennende konzerninterne Verrechnungspreispolitik. Daher besteht weder eine valide Einschätzung zur Höhe des durch Buchgewinnverlagerung verlorenen Besteuerungssubstrats noch zu dem Teil, für den die mit der Zinsschranke bekämpften Strukturen verantwortlich sind. Diese Problematik ist wohl auch dem Gesetzgeber bewusst, da er neben der Möglichkeit, über grenzüberschreitende Finanzierungsstrukturen Gewinne zu verlagern, auch die missbräuchliche Verrechnungspreispolitik als einen weiteren wichtigen Faktor nennt, den es zu bekämpfen gelte.385 Zugleich kann er aber auch bereits in der Gesetzesbegründung zur Zinsschranke – in der es sich ausweislich lediglich um die durch Fremdkapitalfinanzierungsgestaltungen ausgelöste Gewinnverlagerung handelt – den Gesamtbetrag des Verlustes an Steuersubstrat nicht genau den hierfür verantwortlichen Faktoren zuteilen. Hierbei nennt die Legislative den angeprangerten Missbrauchssachverhalt lediglich „eine Möglichkeit“, die zu den vom Gesetzgeber angeführten Steuersubstratsverlusten von insgesamt EUR 100 Mrd. beiträgt.386 Aus diesen Gründen ist zu konstatieren, dass bis heute wohl keine einheitlichen Erkenntnisse zu den Gewinnverlagerungsaktivitäten im Allgemeinen und insbesondere keine zu den volkswirtschaftlichen Schäden der Missbrauchsstrukturen im Speziellen bestehen, deren Bekämpfung die Zinsschrankenregelung beabsichtigt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien sind somit höchstens als Indizien für die tatsächliche Aktivität steuerlicher Missbrauchshandlungen heranzuziehen.387

384 Huizinga/Laeven, 92 Journal of Public Economics 2008, 1164 (1165); DIW (Hrsg.), DIW-Wochenbericht 5/2007, S. 63 ff.; Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschafts­ politik 2008, 37 (59). 385 BT-Drs. 16/4841, S. 30. 386 BT-Drs. 16/4841, S. 30. 387 So auch Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2008, 37 (59); Neumann, Ubg 2009, 461 (462). Mittlerweile ist dies ebenso die Meinung des Gesetzgebers, siehe BT-Drs. 16/5083, S. 8.

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(c) Abwägung und Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen stellt sich nun aber die Frage, wie das Verhältnis zwischen der Belastungswirkung der Zinsschranke und der damit bezweckten Verhinderung volkswirtschaftlicher Schäden gestaltet ist.388 Aus den obigen Ausführungen zur Belastungswirkung ist zu erkennen, dass § 4h EStG die von ihm erfassten Zinsaufwendungen im wirtschaftlichen Regelfall mit einem dauerhaften Abzugsverbot belegt und damit den betroffenen Unternehmen eine nicht unwesentliche steuerliche Sonderlast zuweist. Diese Zusatzbelastung führt zu einer Erhöhung der effektiven Steuerquote, die in der Konsequenz eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung und Hemmung der Inves­ titionstätigkeit nach sich zieht. In wirtschaftlichen Ausnahmesituationen wie z. B. bei einem unternehmensspezifischen Gewinneinbruch oder einer Konjunkturschwäche können sich diese negativen Auswirkungen deutlich steigern und Unternehmenskrisen fördern bzw. Insolvenzen auslösen. Hierdurch beeinflusst die Belastungswirkung der Zinsschranke dauerhaft unternehmerische Entscheidungen und verletzt damit das allgemein anerkannte Produktionseffizienztheorem von Diamond/Mirrlees.389 Diese aus juristischer Sicht zwar weniger beachtliche, aber volkswirtschaftlich sehr wichtige Klugheitsregel verlangt zur Herstellung der optimalen Allokation die Nichtbesteuerung von Zwischenprodukten. Da hierzu auch die Finanzierungsentscheidung gehört,390 verursacht die Zinsschranke eine zusätzliche Verzerrung und damit einen suboptimalen Einsatz von Fremd- bzw. Eigenkapital innerhalb der unternehmerischen Produktionsentscheidung.391 Verknüpft man diese Erkenntnisse mit den Resultaten aus der gleichheitsrecht­ lichen Untersuchung,392 wonach die Zielgenauigkeit der Zinsschranke ungenügend ist, eröffnet sich ein kritisches Bild. Da es dem Gesetzgeber nicht gelungen ist, eine ausreichend zuverlässige Missbrauchstypisierung zu entwickeln, lässt § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG eine Orientierung am Regelfall des Missbrauchs vermissen. Eine sinnvolle Differenzierung zwischen missbräuchlich handelnden Unternehmen und solchen, die als „Kollateral­schaden“ getroffen werden ist mit dem Regelungskonzept der Zinsschranke demnach nicht möglich. Unternehmen können daher unverschuldet vom Anwendungsbereich der Zinsschranke erfasst werden und dadurch erheblichen 388

Analog BVerfGE 35, 324 (341) (Lastenausgleichsgesetz). Diamond/Mirrlees, The American Economic Review 1971, S. 8 ff.; hierzu auch allgemein Beckmann/Lackner, WiSt 1999, 363 ff. sowie Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S.  162 ff. 390 Homburg, FR 2007, 717 (722). 391 Blaufus/Lorenz, Wem droht die Zinsschranke? Eine empirische Untersuchung zur Identifikation der Einflussfaktoren, S. 22. 392 Dazu Abschn. (3), S. 177. 389

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Sonderbelastungen ausgesetzt sein. Da die Höhe der Zinsaufwendungen dieser Unternehmen aber nicht auf international abgestimmten Steuersparplänen beruhen, sondern sich viel eher aus der schlichten wirtschaftlichen Realität ergeben, können diese Unternehmen der durch die Zinsschranke hervorgerufenen Steuerbelastung nicht durch eine kurzfristige Anpassung der Konzernfinanzierungspolitik entgehen. Doch ohne Nutzung der Ausnahmeregelungen aus § 4h Abs. 2 EStG ist eine Nichtbelastung von derartigen Unternehmen im Zusammenhang mit der Zinsschranke wohl nur möglich, wenn jene eine langfristige finanzielle Umstrukturierung vornehmen oder starke und sprunghafte Gewinnzuwächse aufweisen.393 Dies erfordert aber entweder eine Änderung der wirtschaftlichen Umstände oder aber tiefe Einschnitte in die wirtschaftliche Struktur der betreffenden Betriebe. Im Regelfall wird ein solcher Betrieb diese Bedingungen aber nicht erfüllen können, denn nur schwerlich ist es den von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen möglich, entweder die Zinsaufwendungen zu senken oder die Ertragssituation sprunghaft ansteigen zu lassen. Daraus ist für die betroffenen Unternehmen zu folgern, dass ihre sowieso schon hohen Zinsaufwendungen nun nur noch zu einem geringeren Teil steuerlich geltend gemacht werden können. Die Zuweisung einer derartigen steuerlichen Sonderlast trägt damit wohl weniger dazu bei, dass der Missbrauch in diesen Unternehmen vermieden wird. Viel eher führt dies dazu, dass deren wirtschaftliche Entwicklung und Investitionstätigkeit gehemmt und im Ausnahmefall die Krisen- und Insolvenzwahrscheinlichkeit erhöht werden. Vergleicht man dieses Belastungsszenario nun mit der durch die Zinsschranke beabsichtigten Bekämpfung von Gewinnverlagerung, so resultiert ein Missverhältnis. Auf der einen Seite zeitigt die Zinsschranke eine Sonderbelastung für meist ertragsschwache Großunternehmen, die aufgrund der Einschränkung der Abzugsfähigkeit ihrer Zinsaufwendungen erheblichen, wirtschaftlich negativen Konsequenzen ausgesetzt sind. Zugleich sorgt die nicht zielgenaue und unzweckmäßige Missbrauchstypisierung für den Einbezug von Unternehmen ohne Missbrauchsabsicht sowie für die nicht vollständige Missbrauchseinschränkung bei Unternehmen, die ausreichend profitabel sind. Auf der anderen Seite kann sich der Gesetzgeber nicht auf einmütig anerkannte Erkenntnisse zum volkswirtschaft­ lichen Schaden missbräuchlicher Fremdfinanzierungsstrukturen berufen. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber mit der auf einer ungenauen Grundlage konstruierten Zinsschrankenregelung und der dadurch hervorgerufenen rigiden und umfassenden Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen eine Missbrauchssituation bekämpft, die er selbst nicht einmal genau kennt bzw. näher definitorisch bzw. betragsmäßig eingrenzen kann. Dadurch kann sich durchaus eine Situation ergeben, in der § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG bei den betroffenen Un 393 Aus der Untersuchung von Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 ff., geht hervor, dass sich ein Zinsvortrag im wirtschaftlichen Regelfall nicht auflöst. Aus diesem Grund kommt es im Normalfall auch nicht zu einer Bildung eines EBITDA-Vortrags.

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ternehmen mehr Schaden verursacht, als er durch die Bekämpfung der Gewinnverlagerung mindern kann. In der Konsequenz bedeutet dies, dass diese Vorschrift in der Lage ist, die wirtschaftliche Entwicklung unverschuldet erfasster Unternehmen zu hemmen und Investitionen in sanierungsfähige Betriebe zu unterbinden.394 Zusätzlich könnte diese Sonderbelastung die Wettbewerbsfähigkeit der von ihr zu Unrecht betroffenen Unternehmen im internationalen Wirtschaftsverkehr verschlechtern und dadurch dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden.395 Weitere volkswirtschaftliche Schäden könnten aufgrund der ungenauen Missbrauchserfassung aber auch als zusätzlicher Risikoaspekt wirken und damit ausländische Konzerne abschrecken, die ohne Missbrauchsabsichten wirtschaften. Die Zinsschranke könnte sich damit negativ auf die Entscheidung von Unternehmen auswirken, sich in Deutschland (weiterhin) niederzulassen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Beurteilung der Angemessenheit der Zinsschranke als problematisch dar. Auf der einen Seite ist bisher nicht bekannt und auch nur sehr grob abzuschätzen, welche Wohlfahrtsgewinne die Zinsschranke durch das durch sie bewirkte Unterlassen missbräuchlicher Steuersubstratsverschiebung generiert. Auf der anderen Seite weisen die Erkenntnisse der nicht ausreichend treffgenauen Missbrauchserfassung auf ein hohes Maß an zu Unrecht getroffenen Unternehmen hin. Der durch die Zinsschranke verursachte Schaden reicht im Regelfall von einer Verlangsamung der wirtschaft­lichen Entwicklung mit sämtlichen Konsequenzen bis hin zu den Ausnahmen der Bedrohung der Unternehmensexistenz durch Krisenverschärfung und Insolvenz­ beschleunigung. Diese Arbeit vertritt daher die Ansicht, dass die Belastungswirkung der Zinsschranke nur schwerlich als angemessen gelten kann. Die durch § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG ausgelösten Kollateralschäden stehen damit eher nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den hierdurch erzielten Wohlfahrtsgewinnen.396 Damit ist die Zinsschrankenregelung, wenn sie als Missbrauchsvermeidungsvorschrift interpretiert wird, als ein unangemessener und somit unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsgarantie zu werten. cc) Steigerung der Eigenkapitalquote Neben der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats und dem Zweck der Missbrauchsvermeidung führt die Legislative als dritte wesentliche Zielsetzung der Zinsschranke die Stärkung der im internationalen Vergleich 394

Eickhorst, BB 2007, 1707 ff. Siehe dazu auch die von Ortmann-Babel/Bolik/Fuest, DStR 2010, 1865 (1868) durchgeführte Unternehmensbefragung, die ungefähr bei der Hälfte der von ihnen befragten „97 sachkundigen Unternehmensvertretern“ diese Befürchtungen vorfanden. 396 So auch Schwarz, IStR 2008, 11 (14); ebenso Heckemeyer/Spengel, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2009, 37 (59) und Marquart, MaxPlanckForschung 2/2010, 10 (14). 395

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

schwachen Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft ins Feld.397 Da die Legitimität dieses Rechtfertigungsgrundes als außersteuerlicher Lenkungszweck bereits in der gleichheitsrechtlichen Untersuchung anerkannt ist, sei auf die dortigen Ausführungen verwiesen.398 (1) Geeignetheit Da eine ähnliche Prüfung bereits in der gleichheitsrechtlichen Untersuchung vorgenommen worden ist, sei in diesem Zusammenhang auf die obigen Ausführungen verwiesen.399 Zur Erfüllung der Geeignetheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung genügt es aber bereits, wenn das betrachtete Mittel lediglich einen Beitrag zur Erreichung des Ziels leistet.400 Es reicht daher aus, wenn mit dem zu beurteilenden Mittel der „gewünschte Erfolg gefördert werden kann“.401 In diesen zurückhaltenden Ansprüchen kommt der hohe Stellenwert der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zum Ausdruck, welche diesem bei der Beurteilung, ob ein Gesetz geeignet ist oder nicht, ein weites Feld eröffnet und zugleich einen großen Ermessensspielraum zugesteht.402 Die Zinsschrankenregelung wäre somit lediglich dann als ungeeignet einzustufen, wenn sie offensichtlich oder schlechthin ungeeignet wäre, das verfolgte Ziel zu erreichen.403 Wie die Ausführungen gezeigt haben, ist die Zinsschranke trotz der Ausgestaltung ihres

397

Dazu ausführlicher Abschn. a), S. 112. Dazu Abschn. cc), S. 179. 399 Dazu ausführlich Abschn. (2), S. 181. Dort war zu erkennen, dass die grundsätz­liche Wirkung der Zinsschranke aufgrund der durch sie bewirkten relativen Schlechterstellung von Fremd- gegenüber Eigenkapitalfinanzierung als grundsätzlich eigenkapitalstärkend anzuerkennen ist. Trotzdem zeigen sich im Rahmen der Analyse der Ausgestaltung der tatsächlichen Regelungsinhalte die weitgehend unzweckmäßigen Wirkungen der Zinsschranke. Der persönliche Anwendungsbereich erweist sich in diesem Zusammenhang als zu eng und die hiervon Betroffenen als zumeist unpassend ausgewählt. Ebenso knüpft der sachliche Anwendungsbereich nur indirekt an die Eigenkapitalquote an und gibt damit nur eine ungenaue Zielrichtung vor. Weiterhin belässt § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG neben der Eigenkapitalsteigerung breite Umgehungsmöglichkeiten als Reaktion auf die Zinsschranke, die nicht eigenkapitalfördernd wirken. Zusätzlich können die in einigen Fällen auftretenden paradoxen Wirkungen der Zinsschranke eher für eine Fremd- als eine Eigenkapitalsteigerung sorgen. 400 Siehe hierzu allgemein Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundes­ republik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 84; Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314. 401 BVerfGE 70, 278 (286) (Lohnsteuer-Jahresausgleich); BVerfGE 96, 10 (23) (Räum­liche Aufenthaltsbeschränkung); BVerfGE 30, 292 (316) (Erdölbevorratung); BVerfGE 33, 171 (187) (Honorarverteilung); BVerfGE 67, 157 (173) (G 10); Hofmann, in: Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rz. 73. 402 BVerfGE 102, 197 (218) (Spielbankengesetz Baden-Württemberg); BVerfGE 104, 337 (347 f.) (Schächten). 403 BVerfGE 47, 109 (117) (Bestimmtheitsgebot); BVerfGE 65, 116 (126) (Residenzpflicht); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 182. 398

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Anwendungsbereichs, der bestehenden Umgehungsmöglichkeiten und der in Ausnahmefällen sogar kontraproduktiven Impulse grundsätzlich aber in der Lage, allgemeine Anreize für eine stärkere Präferenz zur Eigenkapitalfinanzierung zu setzen. Vor diesem Hintergrund ist die Zinsschrankenregelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts404 jedenfalls nicht als zur Förderung ihres Zwecks ungeeignet zu beurteilen. (2) Erforderlichkeit Dieses Gebot wäre dann als verletzt anzusehen, wenn die Stärkung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen auch mit einem anderen, gleich geeigneten Mittel zu erreichen wäre, dieses die Betroffenen und die Allgemeinheit aber deutlich geringer einschränkte und damit milder wirkte.405 Was Alternativvorschläge betrifft, gilt es daher nachzuweisen, dass sie zum einen in jeder Hinsicht eine sachliche Gleichwertigkeit der Zielerreichung eindeutig sicherstellen und zum anderen einen geringeren Grundrechtseingriff mit sich bringen.406 Diese zurückhaltenden Anforderungen an den Gesetzgeber sind wiederum dem hohen Stellenwert seiner Einschätzungsprärogative geschuldet, welche ihm bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Steuernorm einen großen Ermessensspielraum zugestehen.407 Als ein Alternativvorschlag zur eigenkapitalsteigernden Funktion der Zinsschranke ist die Erweiterung der bereits bestehenden Mindestkapitalvorschriften zu nennen.408 Diese könnten für Kapitalgesellschaften deutlich erhöht und auch auf Personengesellschaften und Einzelunternehmer ausgeweitet werden. Hierfür wäre z. B. die Einführung einer Vorschrift denkbar, die sämtliche Unternehmen verpflichtet, einen in Abhängigkeit von ihren größen-, rechtsform- bzw. branchenspezifischen Kriterien absoluten oder zum Gesamtkapital relativen Mindest­

404

BVerfGE 93, 121 (147 f.) (Einheitswerte II); BVerfGE 99, 280 (296) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 110, 274 (293) (Ökosteuer); BVerfGE 116, 164 (182) (Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte); BVerfGE 117, 1 (33) (Erbschaftsteuer); 122, 210 (232) (Neuregelung Pendlerpauschale). 405 BVerfGE 53, 135 (145 f.) (Schokoladenosterhase); BVerfGE 67, 157 (177) (G 10); BVerfGE 68, 193 (219) (Zahntechniker-Innungen); BVerfGE 92, 262 (273) (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Gesamtvollstreckungsverordnung); siehe hierzu auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rz. 17. 406 Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 183. 407 BVerfGE 102, 197 (218) (Spielbankengesetz Baden-Württemberg); BVerfGE 104, 337 (347 f.) (Schächten); Hofmann, in: Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rz. 73. 408 Zu den bereits bestehenden Vorschriften für Kapitalgesellschaften siehe die Ausführungen in Fn. 27, S. 21.

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

betrag an Eigenkapital zu hinterlegen. Als eine weitere Alternative ist die komplette Abschaffung der steuermindernden Berücksichtigung von betrieblichen Zins­aufwendungen anzuführen. Ein solcher Systemwechsel wäre die Einführung einer Besteuerung nach der in der gleichheitsrechtlichen Analyse bereits erwähnten Comprehensive Business Income Tax (CBIT).409 Die unterschiedliche Besteuerung von Fremd- und Eigenkapital fände damit ein Ende. Gleichzeitig würde die Finanzierungsentscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital zugunsten des erstgenannten beeinflusst und damit die Präferenz der Unternehmen zur Eigen­ kapitalfinanzierung deutlich gesteigert. Diesen beiden Alternativen ist jedoch entgegenzuhalten, dass die gezielte Einführung bzw. Erhöhung von Eigenkapitalvorschriften oder die gänzliche Ver­ sagung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwendungen zwar sicherlich mindestens ebenso gut wie § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG geeignet wären, das Ziel der Steigerung der Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft zu fördern. Dass mit einer direkten Eigenkapitalvorschrift oder einem strikten Abzugsverbot aber weniger starke Eingriffe in die geschützten Rechtspositionen der betroffenen Unternehmen einhergehen, ist abzulehnen. Dabei gilt es nämlich zu beachten, dass die Zinsschranke es den von ihr betroffenen Betrieben grundsätzlich offen lässt, die Eigenkapitalstruktur zu ändern. Kommt das Unternehmen den Anforderungen nicht nach, so reichen die steuerlichen Folgen der Zinsschranke von einem bloßen Zins- bzw. Liquidationsnachteil bis hin zur vollständigen Nichtabzugs­ fähigkeit und damit dem Einbezug der jeweiligen Zinsaufwendungen in die Steuer­ bemessungsgrundlage des betroffenen Betriebs.410 Im Gegensatz hierzu bewirkte eine genau normierte Eigenkapitalvorschrift wohl einen deutlich schwereren Grundrechtseingriff, da sie im Detail vorgibt, wie der Steuerpflichtige mit seinem Kapital umzugehen hat und diesem damit keine Ausweichmöglichkeit überlässt. Gerade kleinere Unternehmen wären aufgrund ihrer geringen Finanzmacht in ihrer Existenz bedroht, während gerade Großunternehmen flexibel auf derartige Vorgaben reagieren könnten. Auch würde die gänzliche Abschaffung der steuerlichen Berücksichtigung von betrieblichen Zinsaufwendungen zu einer erheblich stärkeren Sonderbelastung des Steuerpflichtigen führen, da hier stets ein permanentes und eben nicht ein partielles bzw. ggf. temporäres Abzugsverbot wie bei der Zinsschranke der Fall wäre. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass mit einer Eigenkapitalhinterlegungspflicht oder einem kompletten Betriebsausgabenabzugsverbot für Zinsen ein grundsätzlich stärkerer Eingriff in die Eigentumsgarantie der betroffenen Unternehmen einhergeht und diese Alternativen gegenüber der Zinsschranke damit nicht milder wirkten. Zusammenfassend ist es daher nicht abzulehnen, dass die

409 Dazu de Mooij/Devereux, Alternative Systems of Business Tax in Europe: An applied analysis of ACE and CBIT Reforms. 410 Siehe dazu Abschn. b), S. 123.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

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Zinsschrankenregelung ein erforderliches Mittel zur Stärkung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen darstellt. (3) Angemessenheit In diesem Zusammenhang ist abzuwägen, ob das Verhältnis des mit der Zinsschranke einhergehenden Eingriffs in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG in angemessenem Verhältnis zu dem durch die Steigerung der Eigenkapitalquote erstrebten Vorteil der Stärkung der Insolvenzresistenz steht.411 Wäre der Beitrag der Zinsschranke zur Zielerreichung einer Steigerung der Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft eher gering und die Belastung für die Betroffenen sehr hoch, so dürfte demnach nicht von einer angemessenen Regelung zu sprechen sein.412 (a) Immanente Eigenkapitalvorgaben Aus den Regelungsinhalten der Zinsschranke lässt sich indirekt die immanente Vorgabe einer Eigenkapitalquote ableiten, über welche ein Unternehmen bei sonst gleichbleibenden wirtschaftlichen Umständen, einem gewissen Fremdkapital­ zinssatz und der Annahme des dauerhaften Ausschlusses der Nutzung der Ausnahmeregelungen413 des § 4h Abs. 2 EStG mindestens verfügen müsste, damit sein Nettozinsaufwand die 30-v. H.-EBITDA-Grenze des § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG nicht überschreitet. Mit Erfüllung dieser immanenten Eigenkapitalquote ist ein Unter 411

Siehe hierzu analog die Einführung in Abschn. (3), S. 203. Siehe hierzu allgemein Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundes­ republik Deutschland, Kommentar, Art. 20, Rz. 84; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 184; Sommermann, in: Starck (Hrsg.), v. Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. II, Art. 20, Rz. 314. 413 Hierbei ist der dauerhafte Ausschluss der Nutzung der Ausnahmeregelungen für Konzerngroßunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft kein unwahrscheinlicher Fall. Während die Freigrenze bei einem angenommenen Zinssatz von 5 v. H. bei Ver­ bindlichkeiten von mehr als EUR 60 Mio. bereits ausgeschlossen ist, steht bei vollständiger Einbindung in einen Konzern auch die Nutzung der Konzern-Klausel nicht mehr zur Verfügung (§ 8a Abs. 2 KStG). Weil der Nachweis für das Nichtvorliegen einer konzern(welt)weiten konzernexternen Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a Abs. 3 KStG komplex geregelt und schwer zu erbringen ist (siehe dazu auch Abschnitt cc), S. 130), kommt es nach den Einschätzungen von Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, 593 (596) dazu, dass mehr als drei Viertel der in Frage kommenden Unternehmen die Eigenkapital-Klausel nicht nutzen können. Eichfelder et al., in: ZEW/Universität Wuppertal/Ebner u. a. (Hrsg.), Auswirkungen von Steuervereinfachungen, S. 52, sprechen davon, dass die Anforderungen von § 8a Abs. 3 EStG „nicht selten sogar unmöglich“ zu erfüllen seien; siehe hierzu auch Hierstetter, DB 2009, 79. Zur Problematik der Buchwertkürzung bei Holdinggesellschaften, die bei einer international agierenden Konzernmuttergesellschaft ebenfalls die Nutzung der Escape-Klausel ausschließen kann; siehe dazu Dorenkamp, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, S. 301 (319 ff.). 412

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D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

nehmen somit bereits im Grundsatz nicht von der Zinsschranke erfasst.414 Hinter dieser Vorgehensweise steht die Prämisse, dass mit einer steigenden Eigenkapitalquote sinkende Zinsaufwendungen einhergehen und diese so stark gesenkt werden, dass das in § 4h Abs. 1 EStG vorgesehene Verhältnis zwischen Nettozinsaufwand und verrechenbarem EBITDA eingehalten wird. Das Ergebnis zeigt dem Steuerpflichtigen damit auch auf, welche Eigenkapitalquote der Gesetzgeber für das betreffende Unternehmen als grundsätzlich ausreichend erachtet, um dessen angeprangerte Eigenkapitalschwäche zu beheben. Zur näheren Bestimmung dieser Quote finden sich in der aktuellen Literatur bisher zwei Herangehensweisen. Die eine unterstellt ein Unternehmen, welches gleichen Entgelten für Fremd- und Eigenkapital unterliegt und ohne wesentliche Abschreibungsvolumina wirtschaftet. Unter diesen Voraussetzungen kommt dieser Ansatz zu dem Ergebnis, dass ein Unternehmen mit einem Anteil von 70 v. H. eigenkapitalfinanziert sein müsste, um der Zinsschranke zu entgehen.415 Diese Überlegungen wurden aufgrund ihrer stark vereinfachten Ausgestaltung, der unrealistischen Modellannahmen der Gleichheit der Kapitalpreise sowie der Nichtbeachtung von Abschreibungen fortentwickelt. Eine zweite Herangehensweise ist wesentlich realitätsnäher, da sie sich empirischer Größen aus einer umfassenden handelsrechtlichen Bilanzdatenbank bedient.416 Sie unterteilt die Kapitalgesellschaften der deutschen Wirtschaft in 47 Wirtschaftszweige und jeden dieser Wirtschaftszweige nach Bonitätsgesichtspunkten in zehn nach der Unternehmensanzahl gleich große Risikoklassen.417 Unter Nutzung der darin enthaltenen Unternehmensdaten modelliert sie sodann auf Grundlage der praxisnahen Annahmen eines positiven EBITDA, eines konstanten 414

Siehe Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, S. 216. In diesem Zusammenhang wird die Möglichkeit eines Vortrags nicht genutzter EBITDA-Abzugspotentiale nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG nicht gesondert beachtet. Dies hat den Hintergrund, dass empirische Untersuchungen die nur marginale Bedeutung dieser Möglichkeit feststellten. Ein von der Zinsschranke betroffener Betrieb kann hiervon üb­ licherweise keinen Gebrauch machen, da sich schon der Zinsvortrag im Regelfall nicht auflöst. Siehe hierzu Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 ff., dort auch Tabelle 2). 415 Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 (419); Hallerbach, StuB 2007, 289 (293); ­Rödder/Stangl, DB 2007, 479 (483). 416 Siehe hierzu Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuer­ lichen Zinsabzugs, S. 185, wonach die vom ihm genutzte Datengrundlage „DATEV-Branchenrating“ auf einer Auswertung des kapitalgesellschaftlich orientierten Bilanzdatenpools der Creditreform Rating AG beruht, welche die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse von ca. 105.000 Unternehmen 47 verschiedener Branchenzweige aus dem Jahr 2004 und in Teilen auch aus 2003 umfasst. 417 Dabei unterteilt dieses Rating die Unternehmen nach Anzahl und aufsteigender Bonität in zehn gleich große Gruppen. Damit repräsentiert die Ratingklasse 10 die bonitätsschwächsten zehn v. H. der Unternehmen des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Hierbei orientiert sich die Datengrundlage an Medianwerten. Damit bedeutet eine Eigenkapitalquote von 3,5 v. H. in der Risikoklasse 10, dass die zehn v. H. bonitätsschwächsten Unternehmen dieser Branche im Median und – damit im Regelfall – eine Eigenkapitalquote von 3,5 v. H. aufweisen.

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

221

Gesamtkapitals und des Nichtvorliegens von Zinserträgen die zum Anwendungsausschluss der Zinsschranke mindestens notwendige Eigenkapitalquote in Abhängigkeit von empirischen Medianwerten418 der Gesamtkapital- und Umsatz­rendite sowie der Anlagenintensität und der Abschreibungsrate.419 Im Anschluss gibt Tabelle 1 eine Übersicht über die Ergebnisse dieser Berechnungen. Es sind die aus dem Modell resultierenden, immanenten Eigenkapitalmindestvorgaben der Zinsschranke den jeweils empirisch festgestellten Medianwerten der Eigenkapitalquoten der deutschen Kapitalgesellschaften gegenübergestellt. Lässt man zunächst die Branchenzughörigkeit unbeachtet, so zeigt sich als Ergebnis, dass unter Beibehaltung sämtlicher unternehmerischer Gegebenheiten und bei Annahme eines Zinssatzes von drei v. H. im Regelfall 30 v. H. der deutschen Kapitalgesellschaften (Risikoklassen 10 bis 8) eine so geringe Eigen­ kapitalquote aufweisen würden, dass ihre Nettozinsaufwendungen nicht unter der 30-v. H.-EBITDA-Grenze blieben.420 Die Legislative erachtet damit wohl mindestens 30 v. H. der deutschen Kapitalgesellschaften als zu gering eigenkapitalfinanziert, da die restlichen (bonitätsstärkeren) 70 v. H. nicht von der Zinsschranke erfasst (n.e.) werden. Als weiteres Resultat sind die hohen Differenzen zwischen den tatsächlich vorhandenen Eigenkapitalquoten und den immanenten Vorgaben der Zinsschrankenregelung zu erkennen. So verlangte die Zinsschranke branchenübergreifend von den bonitätsschwächsten 30 v. H. eine Steigerung des im Regelfall bestehenden Eigenkapitals um ein Vielfaches. Hierbei ist stets die Prämisse dieses Modells zu bedenken, dass aus einer steigenden Eigenkapitalquote sinkende Zinsaufwendungen resultieren. Für die Risikoklasse 8 bedeutete dies eine Steigerung um 5,2 Prozentpunkte auf eine Eigenkapitalquote von 13,8 v. H., was einer Vervielfachung des vorhandenen Eigenkapitals um den Faktor 1,6 entspricht. Wesentlich härter träfe es die bonitätsschwächsten 20 v. H. der Unternehmen. So wäre für die Risikoklasse 9 die Nutzung der EBITDA-Grenze nur unter einer Vervielfältigung des vorhandenen 418 Der Median (oder Zentralwert) bezeichnet eine Grenze zwischen zwei Hälften. In der Statistik halbiert der Median eine Verteilung. Gegenüber dem arithmetischen Mittel, auch Durchschnitt genannt, hat der Median den Vorteil, robuster gegenüber extrem abweichenden Werten zu sein und auch auf ordinal skalierte Variablen anwendbar zu sein. Als Beispiel sei angeführt, dass, wenn von zehn Unternehmen neun eine Eigenkapitalquote von fünf v. H. aufweisen und eines eine von 20 v. H., der Durchschnitt bei 6,5 v. H. läge, der Median aber weiterhin bei 5 v. H. Die Heranziehung des Medians ist daher bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Regelfalls besonders aussagekräftig. 419 Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zins­ abzugs, S. 214 ff. 420 Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Erkenntnissen anderer empirischer Studien überein, die zu dem Schluss kommen, dass gerade die wirtschaftlich schwachen Unternehmen von der Zinsschranke betroffen sind. Siehe hierzu Blaufus/Lorenz, StuW 2009, 323 (330 f.) und PSP/vbw, Unternehmensteuerreform: Zinsschranke und Hinzurechnung schaffen Überlast, S. 5.

222

D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Eigenkapitals um den Faktor 2,9 möglich. Für die Risikoklasse 10 resultierte die EBITDA-Grenze sogar in dem Vervielfältigungsfaktor 12,9. Tabelle 1 Gesamtübersicht über die immanenten Eigenkapitalvorgaben421 Risikoklasse

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

5,9

3,5

16,9

45,2

EK- Daten Vorhandene EK-Quote in v. H.

45,0 38,1 30,1 23,5 18,1 14,7 11,5 8,6

Mind. notwendige EK-Quote in v. H.

n.e.

Differenz in Prozentpunkten

45,0 38,1 30,1 23,5 18,1

Geforderter Verviel­ fältigungsfaktor der vorhandenen EKQuote (mind.)

n.e.

n.e.

n.e.

n.e.

n.e.

n.e.

n.e.

n.e.

n.e.

4,8 11,4 13,8 9,9

n.e.

0,1 −5,2 −11,0 −41,7

n.e.

1,6

2,9

12,9

Die folgende Tabelle 2 weist nun auch die Branchenzugehörigkeit aus und fokussiert auf die besonders betroffenen schwächsten 30 v. H. (Risikoklassen 10 bis 8) der deutschen Kapitalgesellschaften ausgewählter Wirtschaftszweige. So setzt die Zinsschranke gerade für diese Gruppe eine hohe systemimmanente Eigenkapitalquotenvorgabe voraus. Geht man von ansonsten unveränderten Umständen aus, so lägen diese Eigenkapitalvorgaben für die betroffenen Unternehmen regelmäßig weit außer Reichweite. Dabei zeigte sich bereits für die Risikoklasse 8, dass die immanenten Mindesteigenkapitalvorgaben auch hier starke Abweichungen von den im Regelfall vorliegenden Werten aufweisen können. So verlangte die Zinsschranke für diese Risikogruppe im Wirtschaftszweig Dienstleistungen eine Vervielfältigung des im Median vorhandenen Eigenkapitals um den Faktor 1,3, im Bereich Grundstückswirtschaft, Einzelhandel und Großhandel ungefähr eine Verdopplung und für das Baugewerbe eine Steigerung um das Fünffache. Weiterhin bedürften die Unternehmen der Branche Grundstückswirtschaft und Großhandel der Risikoklasse 9 etwas mehr als einer Verdopplung ihrer Eigenkapitalbestände, die der Dienstleistungs- und Einzelhandelsbranche ungefähr einer Vervierfachung und die des Baugewerbes einer mehr als Verzehnfachung. In der bonitätsschwächsten Risiko­ klasse 10 ergäbe sich für die Unternehmen in der Dienstleistungsbranche mehr 421 In Anlehnung an Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, S. 218.

223

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

als eine Verdopplung des vorhandenen Eigenkapitals, für die in der Grundstückswirtschaft beinahe eine Verachtfachung und für den Großhandel sogar eine mehr als Verzwölffachung. Für den Einzelhandel ist das Eigenkapital von -13,3 v. H. sogar auf 45,7 v. H. zu steigern, was einem Zuwachs von beinahe 60 Prozentpunkten entspricht. Diese gewaltige Zuwachsforderung wäre ebenso vom Baugewerbe zu erbringen. Tabelle 2 Eigenkapitalvorgaben für die Risikoklassen 8 bis 10 (diverse Branchen)422 Branche

Dienstleistungen

Grundstückswirtschaft

Einzelhandel

EK-Daten Risikoklasse

8

9

10

8

9

10

8

9

10

Vorhandene EKQuote in v. H.

11,3

10,6

22,0

18,4

18,4

7,0

6,2

3,7

−13,3

Mind. notwendige EK-Quote in v. H.

14,3

45,9

50,0

36,7

41,1

54,2

11,8

14,9

45,7

Differenz in Prozentpunkten

−3,0

−35,3 −28,0 −18,3 −22,7 −47,2 −5,6

Geforderter Vervielfältigungsfaktor der vorhandenen EK-Quote (mind.)

1,3

Branche

4,3

2,3

2,0

Großhandel

2,2

7,7

1,9

−11,2 −59,0 3,9



Baugewerbe

EK-Daten Risikoklasse

8

9

10

8

9

10

Vorhandene EKQuote in v. H.

8,5

6,9

3,0

5,1

2,8

−4,5

Mind. notwendige EK-Quote in v. H.

15,5

16,4

37,5

30,8

29,5

55,4

Differenz in Prozentpunkten

−7,0

−9,5

−34,5 −25,7 −26,7 −59,9

Geforderter Vervielfältigungsfaktor der vorhandenen EK-Quote (mind.)

1,8

2,34 12,5

6,0

10,5



422 In Anlehnung an Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, S. 218.

224

D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

Die immanente Eigenkapitalvorgabe der Zinsschranke verlangt damit von den 30 v. H. schwächsten Kapitalgesellschaften der deutschen Wirtschaft eine Vervielfachung ihres im Regelfall vorhandenen Eigenkapitals. Hierbei lägen die Forderungen nach einer Steigerung der Eigenkapitalquote in einem Bereich, der sich von einer Erhöhung um 30 v. H. bis hin zu einer Verdreizehnfachung bzw. einer Er­ höhung um 60 Prozentpunkte erstreckt. (b) Volkswirtschaftlicher Nutzen Die Steigerung der Eigenkapitalquoten der deutschen Unternehmen ist grundsätzlich ein legitimes Ziel des Gemeinwohls, da aus volkswirtschaftlicher Sicht auf diese Weise die Insolvenzresistenz von Unternehmen gestärkt und deren Bestand geschützt werden kann.423 Dem ist aber entgegenzuhalten, dass ein solcher Effekt nicht bei jedem einzelnen Unternehmen als förderlich anzusehen ist, kann damit doch auch die Fehlallokation von Ressourcen einhergehen. So kann gerade eine Erhöhung der Eigenkapitalquoten bei sehr ertragsschwachen Unternehmen dazu führen, dass der Ausleseprozess im wettbewerblichen Wirtschaftsverkehr verzerrt wird. Daraus ergäbe sich eine längere Aufrechterhaltung von meist unwirtschaftlich handelnden Unternehmen.424 Doch die Zinsschranke motiviert insbesondere bonitätsschwache Unternehmen, ihre Eigenkapitalquote zu steigern, und lässt wirtschaftlich besser agierende Unternehmen im Regelfall von dieser Wirkung unbehelligt.425 Damit ergibt sich ein Ungleichgewicht, da die Zinsschranke dazu anreizt, auch die Eigenkapitalquoten von ertragsschwachen und meist unwirtschaftlich agierenden Unternehmen nicht aus betriebswirtschaftlichen, sondern aus rein steuerlichen Überlegungen heraus zu stärken. Die Zinsschranke kann damit einen künstlichen und ggf. verfehlten Anreiz erzeugen, Kapital, das besser eingesetzt werden könnte, an unwirtschaft­ liche Unternehmen zu vergeben. Insofern kann die Zinsschranke mit ihrer hohen immanenten Eigenkapital­ vorgabe zur Fehlallokation knapper Finanzressourcen führen. (c) Abwägung und Zwischenergebnis In Anbetracht der oben dargelegten Ausführungen gilt es nun, den durch die Zinsschranke entstehenden belastenden Eigentumseingriff zu dem tatsächlichen

423

Musil/Leibohm, FR 2008, 807 (808). Musil/Leibohm, FR 2008, 807 (808). 425 Siehe Tabelle 1 auf S. 222. 424

II. Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 Satz 2 

225

volkswirtschaftlichen Nutzen einer derartigen Erhöhung der Eigenkapitalquote ins Verhältnis zu setzen.426 Die Erkenntnisse aus empirischen Studien ergeben, dass die Zinsschranke – betrachtet man sie aus dem Blickwinkel einer beabsichtigten Steigerung der Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft – eine nur sehr geringe Anzahl an Unternehmen erfasst und diese verstärkt als wirtschaftlich schwach einzuordnen sind. Weiterhin zeigt die Heranziehung eines Berechnungsmodells die unrealistischen und wohl nicht zu erfüllenden Eigenkapitalforderungen der Zinsschranke für die schwächsten 30 v. H. der deutschen Kapitalgesellschaften. Es stellt sich daher die Frage, weshalb die Zinsschranke die bonitätsschwachen Unternehmen mit derart hohen Eigenkapitalvorgaben ad hoc überfordert. Zwar ist es richtig, dass gerade diese Unternehmen auch die geringsten Eigenkapitalquoten aufweisen. Doch ohne Nutzung der Ausnahmeregelungen aus § 4h Abs. 2 EStG ist eine Nichtbelastung von derartigen Unternehmen im Zusammenhang mit der Zinsschranke wohl nur möglich, wenn jene eine langfristige finanzielle Umstrukturierung vornehmen oder starke und sprunghafte Gewinnzuwächse aufweisen. Dies erfordert aber tiefe Einschnitte in deren wirtschaftliches Geflecht und greift massiv in die unternehmerische Finanzierungsfreiheit ein. Im Regelfall wird ein Betrieb diese Bedingungen aber nicht erfüllen können, denn nur schwerlich ist es für bonitätsschwache Unternehmen möglich, von Eigenkapitalgebern eine Finanzierung zu erhalten, geschweige denn die Eigenkapitalquote über selbst erzielte Gewinne derart zu stärken. Ebenso wenig dürfte nämlich ein sprunghafter Anstieg der Gewinnsituation der Fall sein. Daraus ist für die betroffenen Unternehmen zu folgern, dass ihre sowieso schon hohen Zinsaufwendungen nun auch nur noch zu einem geringeren Teil steuerlich geltend gemacht werden können. Somit bewirkt die Zinsschranke gerade bei finanzschwachen Unternehmen erhebliche Eingriffe und unterwirft diese einschneidenden Belastungen.427 Hierbei kann die Belastungswirkung in gewissen Konstellationen sogar so weit gehen, dass Steuern abzuführen sind, obwohl kein handelsrechtlicher Gewinn vorliegt.428 Die Zuweisung einer derartigen steuerlichen Sonderlast trägt damit wohl nur in sehr begrenztem Maße zur Steigerung der Eigenkapitalquote der betroffenen Unternehmen bei. Weiterhin weist in Lehre und Praxis nichts darauf hin, dass es eine allgemeingültige Eigenkapitalquote geben könnte.429 Diese ist vielmehr eine Mischung aus den verschiedensten Parametern eines komplexen unternehmerischen Kalküls.430 Jedes Unternehmen, jede Branche und unterschiedliche Unternehmenssituationen

426

Analog BVerfGE 35, 324 (341) (Lastenausgleichsgesetz). Siehe hierzu auch Schön, FAZ v. 15.3.2007, S. 12. 428 So u. a. Becker/Fuest, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, 76 (2007), Heft 2, 39 (45); siehe hierzu auch Watrin/Pott/Richter, StuW 2009, 256 (260 ff., dort auch Tabelle 2). 429 Homburg, FR 2007, 717 (722). 430 Friderichs, KfW-Research, Ausgabe 23, Juni 2001, Ergebnisse vergleichender Bilanzanalysen für französische und deutsche Unternehmen, S. 45 ff. 427

226

D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

erfordern ein ständiges Anpassen an externe Einflüsse. Dementsprechend kann sich auch die Höhe der „optimalen“ Eigenkapitalquote ständig ändern. Zugleich ist aus volkswirtschaftlicher Sicht auch nicht in jedem Fall von einer positiven Auswirkung einer Eigenkapitalquotensteigerung zu sprechen. Denn gerade das Zusammenspiel aus Grundtatbestand und Ausnahmeregelungen der Zinsschranke kann hierbei zu einer kontraproduktiven Selektion führen, da meist hoch verschuldete und gewinnschwache Unternehmen von einer steuerlich induzierten Steigerung der Eigenkapitalquote betroffen sind. Dies führt aber zu einer Fehlallokation von Finanzressourcen, da derartige Unternehmen meist unwirtschaftlich handeln und mit einer gezielten Eigenkapitalsteigerung eine Verzerrung des marktwirtschaftlichen Selektionsmechanismus eintritt. Einem erwartungsgemäß äußerst geringen Impuls auf die volkswirtschaftlich sinnvolle Steigerung der Eigenkapitalquote der Unternehmen in Deutschland stehen damit aber die oben gezeigten, schweren Zusatzbelastungen für die von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen sowie eine Setzung von volkswirtschaftlichen Fehlanreizen entgegen. Aus diesen Gründen kann eine Regelung schwerlich als angemessen gelten, wenn sie bei anzunehmend sehr geringem volkswirtschaftlichen Nutzenzugewinn Betriebe derart belastenden Maßnahmen aussetzt, dass sie im Regelfall deren effektive Steuerbelastung und in Ausnahmesituationen ihr Krisen- und Insolvenzrisiko ansteigen lässt.431 Zusammenfassend ist die Belastungswirkung der Zinsschranke, die das Ziel der Steigerung der Eigenkapitalquote verfolgt, daher als nicht angemessener und somit unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsgarantie einzustufen. c) Ergebnis zur Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Die durch die Zinsschranke ausgelöste und von der gesetzgeberischen Grundentscheidung abweichende Sonderbelastung stellt einen zu begründenden Eingriff in die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Hierbei kann der Gesetzgeber seinen Eingriff nicht mit dem Argument der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats verteidigen, da die h. L. und Rechtsprechung einen rein fiskalisch orientierten Beweggrund als nicht legitim erachten. Ebenso scheidet das Argument der speziellen Missbrauchsbekämpfung aus, da der Gesetzgeber diese aufgrund seiner ungenauen Typisierung und der dadurch entstehenden Wohlfahrtsverluste unverhältnismäßig umsetzt. Auch die Steigerung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen als außersteuerlicher Lenkungszweck kann den Eingriff in die Eigentumsgarantie nicht rechtfertigen. Dies gründet darin, dass die Zinsschranke gegenüber den mit ihr erreichten volkswirtschaftlichen Vorteilen eine unverhältnismäßige Belastung mit sich bringt. 431 Im Ergebnis ebenso IW (Hrsg.), iwd-Informationsdienst der deutschen Wirtschaft Köln 2009, Jg. 35, Nr. 34, S. 7, indem es davon ausgeht, dass die Abschaffung der Zinsschranke einen Beitrag zu weniger Insolvenzen in Deutschland leisten würde.

III. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Untersuchung

227

III. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Untersuchung Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Grundkonzepts der Zinsschranken­ regelung zeigt die Unvereinbarkeit des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG mit den Vorgaben der Art. 3 GG und Art. 14 GG. Aufgrund der mit der Zinsschranke bewirkten Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips hat der Gesetzgeber sein Handeln gesondert zu rechtfertigen. Zu den vom Gesetzgeber genannten Gründen kommen hierfür die Absicht der Missbrauchsvermeidung und Steigerung der Eigenkapitalquote in Betracht. Aus der Beurteilung ersterer resultiert eine ungenügende Zweckgerichtetheit, da der Gesetzgeber über den Rahmen seiner Typisierungsbefugnis massiv hinausschießt und damit den missbrauchserfassenden Charakter der Zinsschranke nur schemenhaft erkennen lässt.432 Ebenso lässt die Zinsschranke kein angemessenes Verhältnis zwischen den mit ihr erreichten volkswirtschaftlichen Vorteilen und verursachten Wohlfahrtsverlusten erkennen. Nun könnte vorgebracht werden, dass die ungenaue Missbrauchstypisierung der Zinsschrankenregelung und die daraus entstehende unangemessene Belastungswirkung den europarechtlichen Vorgaben des Primärrechts und dessen weiter Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof geschuldet und diese Anforderungen daher bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen seien.433 So verlange das Europarecht aus dem Verbot der Diskriminierung geradezu notwendigerweise eine Zusatzbelastung rein inländischer Sachverhalte, wodurch die eigentlich nur auf den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr auszurichtende Missbrauchsvermeidungsvorschrift auch auf Steuerinländer auszudehnen sei. In der Konsequenz führe dies zwangsläufig zu einer ungenügenden Missbrauchs­ typisierung der Zinsschranke, da zur Einhaltung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote auch inländische und damit offensichtlich nicht missbräuchliche Tatbestände vom Anwendungsbereich des § 4h EStG zu erfassen seien. Hiergegen sind insbesondere zwei Argumente ins Feld zu führen. Zum einen impliziert dieses Verständnis eine nicht vorhandene Subordination des deutschen Verfassungsrechts unter das Europarecht.434 Zwar besteht ein Anwendungsvorrang

432 Im Ergebnis so auch Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4; Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 7, 49 f.; Thiel, FR 2007, 729 (730); Hey, BB 2007, 1303 (1306); Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 84; Brähler et al., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf unterschiedliche Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen, S. 21. A. A. Neumann, Ubg 2009, 461 (462). Homburg, FR 2007, 717 (726), sieht mit der Zinsschranke den allgemeinen Gleichheitssatz zwar als verletzt an, hält aber – mit Verweis auf die s.E. schwankende Haltung des BVerfG in Bezug auf das Nettoprinzip – den Ausgang einer Verfassungsbeschwerde für fraglich. 433 Andeutend Neumann, Ubg 2009, 461 (462 ff.). 434 Hey, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 109 (126).

228

D. Die Verfassungskonformität der Zinsschrankenregelung 

des Europarechts gegenüber dem deutschen Verfassungsrecht.435 Dieser Vorrang ist m. E. aber nicht zwingend so auszulegen, dass man die verfassungsrechtlichen Vorgaben – sozusagen als Kollateralschaden des Europarechts – zurücksetzt und damit zu einer europarechtlichen Interpretation verfassungsrechtlicher Prinzipien kommt. Dass dies von den Mitgliedstaaten nicht gewollt ist, zeigt bereits, dass es hinsichtlich der direkten Steuern keinen Harmonisierungsauftrag gibt.436 Nicht zuletzt würde man mit dieser Interpretation dem Steuerpflichtigen auch eine der wenigen Möglichkeiten nehmen, sich auf verfassungsrechtlichem Wege einer ungerechtfertigten Zusatzbelastung der Zinsschranke zu erwehren, und würde damit die von § 4h EStG erfassten Unternehmen in der Konsequenz einem nicht vorhandenen europäischen Steuersystem unterwerfen. Zum anderen wäre einer Auslegung der verfassungsrechtlichen Vorgaben mit Rücksicht auf die europarechtlichen Anforderungen nur dann zuzustimmen, wenn es sich hierbei tatsächlich um eine Alternativlosigkeit der Zinsschrankenregelung handelte. Eine derartige Ausweglosigkeit liegt bei der Regelung der Konzern­ finanzierung allgemein und bei der Zinsschranke im Speziellen aber nicht vor. So eröffnet die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in einem gewissen Rahmen Möglichkeiten, auch gezielt auf missbräuchliche Sachverhalte einwirken zu können.437 Weil an die Ausgestaltung einer Missbrauchsvermeidungsvorschrift hohe Anforderungen gestellt werden, muss zwar in diesem Zusammenhang ggf. auf Steueraufkommen verzichtet werden, doch sollte dies nicht dazu führen, verfassungsrechtlich verankerte systemtragende Prinzipien des Ertragsteuerrechts neu zu interpretieren. Der von Schön438 gemachte Vorschlag zum europarechtskonformen Ersatz des § 4h EStG stellt eine mögliche Lösung dar, beiden Rechtssystemen gerecht zu werden. Dieser Vorschlag basiert auf einer Weiterentwicklung des § 8a KStG i. d. F. des StandOG, welcher durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Fall Lankhorst-Hohorst für europarechtswidrig erklärt worden war.439 Nach der Einschätzung von Schön sei das damalige Verdikt des Europäischen Gerichtshofs aktuell nicht mehr aufrechtzuerhalten, da derzeit eine größere Akzeptanz des Fremdvergleichsgrundsatzes vorherrsche. Daher stattet er seinen Regelungsvorschlag mit einer großzügigeren Möglichkeit zur Exkulpation durch einen Fremdvergleich aus.440 Ob Deutschland eine derartige Regelung aus finanzpolitischer Sicht akzeptieren würde, darf dahingestellt bleiben. Aus diesen Gründen ist eine Zurücksetzung der verfassungsrechtlichen Anforderungen für den speziellen Fall der Zinsschranke meiner Ansicht nach nicht un 435

Gosch, DStR 2007, 1553 (1554). Siehe dazu Abschn. a), S. 47. 437 Dazu Abschn. (4), S. 77; siehe auch Schön, IStR 2009, 882 ff. 438 Schön, IStR 2009, 882 ff. 439 Dazu Abschn. (a), S. 60. 440 Schön, IStR 2009, 882 (888 f.). So lautet Abs. 2 seines Regelungsvorschlags: „Weist der Steuerpflichtige beachtliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Form der Finanzierung nach, findet Absatz 1 keine Anwendung.“ 436

III. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Untersuchung

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ausweichlich geboten, wodurch diese weiterhin losgelöst von europarechtlichen Anforderungen zu beurteilen ist. Neben dem missbrauchsbekämpfenden kann aber auch der lenkungspolitische Ansatz zur Steigerung der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen den Verstoß der Zinsschranke gegen das objektive Nettoprinzip nicht rechtfertigen. Dies ist darin begründet, dass die Zinsschranke diesbezüglich ein Mindestmaß an Zweckgerichtetheit vermissen lässt und ihre Belastungswirkung im Verhältnis zu den mit ihr generierten Wohlfahrtsgewinnen unverhältnismäßig ist.

E. Gegenbeweismöglichkeit – europäische Lösung I. Unterschiedliche steuerliche Behandlung von Fremd- und Eigenkapital Während bei rein inländischen Finanzierungsstrukturen die Entscheidung, ob ein Unternehmen fremd- oder eigenkapitalfinanziert wird, nicht zu Missbrauchszwecken genutzt werden kann, verhält sich dies im internationalen Verkehr anders. Insbesondere bei grenzüberschreitend agierenden Konzernen kann die unterschiedliche steuerliche Belastung von Finanzierungsentgelten für Eigenund Fremdkapital dazu führen, dass Konzernunternehmen in hoch besteuernden Staaten mit übermäßig viel Fremdkapital ausgestattet werden, um bei steuer­ licher Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen das dort entstandene Be­steuerungssubstrat zu mindern und in niedriger besteuernde Staaten abfließen zu lassen. Ebenso beklagt der Gesetzgeber die Aufnahme von konzernexternem Fremdkapital zum Erwerb von Auslandsbeteiligungen, um trotz Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen steuerfrei gestellte Dividendeneinnahmen zu erzielen. Damit ist eine Einmalbesteuerung des in Deutschland erwirtschafteten Besteuerungssubstrats im Inland nicht vollumfänglich sichergestellt. Eine derartige Konzernfinanzierungspolitik führt nach der Ansicht des Gesetzgebers zu zweierlei Problemen: zum einen zu einem missbräuchlichen Abfluss an deutschem Steuersubstrat und zum anderen zu einer niedrigen Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen.

II. Die Zinsschranke als Produkt eines legislativen Tetralemmas Eine Analyse der Besteuerung von ins Ausland fließenden Zinsen und Auslandsdividenden zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Beschränkung von abfließendem Besteuerungssubstrat über konzerninterne Finanzierungsstrukturen vier wesentlichen Problembereichen und damit einem Tetralemma gegenübersteht.

1. Zusammensetzung des Tetralemmas Als Erstes sind die nationalen Vorgaben zum innerstaatlichen Verzicht der Quellenbesteuerung von Zinsen und der Verzicht auf die Besteuerung von Dividenden zu nennen. Dabei erweist sich die nationale Politik eines unilateralen Quellensteuerverzichts auf einfache Kreditzinsen als historisch gewachsener Eck-

II. Die Zinsschranke als Produkt eines legislativen Tetralemmas

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punkt deutscher Steuerpolitik. Diese Nichterhebung kann dabei zum einen auf die Finanzbedürfnisse Deutschlands zurückgeführt werden, welche durch die wirtschaftlichen Folgeerscheinungen des Ersten Weltkriegs entstanden waren. Zum anderen sorgt der internationale Trend hin zum Quellensteuerverzicht dafür, dass sich ihm aktuell wohl keine moderne Volkswirtschaft im Alleingang entziehen kann. Ebenso ist festzustellen, dass die nationale Freistellung von Dividenden ein wichtiger Bestandteil der deutschen Steuerpolitik ist, welche eine hohe Bedeutung bei der rechtsformneutralen Einmalbesteuerung von körperschaftsteuer­ lichen Beteiligungsketten einnimmt und auch aus Sicht der Volkswirtschaftslehre zur Attrak­tivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland beiträgt. Als zweiter Bestandteil des Tetralemmas ist die deutsche Abkommenspolitik hervorzuheben, die zum Verzicht der Quellenbesteuerung auf internationale Zinszahlungen und zu einer internationalen Verankerung der bereits national geregelten Freistellung von Dividenden führt. Der bilaterale Verzicht auf die Besteuerung von ins DBA-Ausland fließenden Zinsen ist ein traditioneller Bestandteil deutscher Abkommenspolitik. Dieser Umstand knüpft an eine seit Bestehen des Völkerbundes zurückreichende Diskussion über die richtige Besteuerung von ausländischen Zinserträgen an. Hierbei stellte sich Deutschland auf den Standpunkt, es sei ein Nettokapitalexporteur. Die Tradition des Freistellungsverfahrens für internationale Beteiligungserträge soll die Auslandstätigkeiten der deutschen Wirtschaft unterstützen und gleichzeitig die nationale Wirtschaft stärken. Als dritte Herausforderung ist die Europäisierung der direkten Steuern hervorzuheben. Mit der Zustimmung zur Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie konnte sich der Quellensteuerverzicht auf konzerninterne Darlehenszinsen auf europarechtlicher Ebene etablieren. Zusätzlich festigte die Mutter-Tochter-Richtlinie zumindest den europaweiten quellensteuerfreien Zufluss qualifizierter Auslandsdividenden. Aufgrund ihres supranationalen Ursprungs und der Notwendigkeit, dass alle Mitgliedsländer zustimmen müssen, wenn die eine oder andere Richtlinie geändert werden soll, binden diese beiden Richtlinien Deutschland wesentlich stärker, als es die nationalen bzw. bilateralen Regelungen zum Quellensteuerverzicht vorsehen. Zudem ist innerhalb der Europäischen Union kein wirklicher Wille zur Harmonisierung der direkten Steuern zu erkennen. Dies führt zu einer aktuellen Schieflage, in der gerade kleinere und niedriger besteuernde Mitgliedstaaten vom auch europarechtlich festgelegten Quellensteuerverzicht finanziell profitieren. Zusätzlich ist eine weitgehend starre Haltung des Europäischen Gerichtshofs zu erkennen, die, hervorgerufen durch eine weite Interpretation der Grundfreiheiten nebst einer engen Auslegung der Rechtfertigungsgründe, dem Gesetzgeber nur schwerlich die Möglichkeit eröffnet, missbräuchliche Konzernfinanzierungen europarechtskonform und trotzdem wirksam zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang zeigen sich aber jüngst gewisse Lockerungstendenzen. Als vierten Problembereich identifiziert die Analyse den Anpassungsdruck der Steuerrechtsordnungen als dynamisierendes Element, welcher dazu anreizt, das

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E. Gegenbeweismöglichkeit – europäische Lösung

Zusammenspiel der obigen drei Problembereiche zu nutzen. Dieser Problembereich lebt zum einen vom privatwirtschaftlichen Kalkül der Gewinnmaximierung und zum anderen vom staatlichen Kalkül, Kapital zu attrahieren. Befeuert wird dies durch den Mangel an Harmonisierung der direkten Steuern und durch die unterschiedlichen Steuersätze innerhalb Europas. Hierbei zeigt sich das Problem, dass (Binnen-)Markt und (Steuer-)Staat nicht deckungsgleich sind und die Furcht vor abfließendem Steuersubstrat gerade bei traditionellen Hochsteuerländern wie Deutschland besonders stark ist. Weiterhin ist festzustellen, dass die vier Eckpunkte dieser Problemsituation nur schwerlich zu ändern sind. Hierfür sorgen insbesondere die europarechtlichen Einflüsse auf die direkten Steuern sowie der internationale Steuerwettbewerb, die sich beide der alleinigen Modifikationsmöglichkeit des Gesetzebers entziehen. Daher ist die vierseitige Problemlage des Gesetzgebers erst einmal als unver­ änderbar anzusehen. 2. Tetralemma führt zu Steuersubstratsverlust und legislativer Einengung Als Ergebnis des Tetralemmas erweist sich, dass wegen der Anwendung der nationalen, bilateralen und insbesondere europarechtlichen Bestimmungen für grenzüberschreitend wirtschaftende Konzerne Möglichkeiten bestehen, Steuersubstrat missbräuchlich ins europäische Ausland zu verlagern. Dafür sind die mehrfach verankerten Regelungen einer weitgehenden Steuerfreistellung des Abflusses einfacher Kreditzinsen und der Repatriierung ausländischer Gewinne über Dividendenzahlungen verantwortlich. Unter Nutzung dieser Regelungen wird Deutschland national entstandenes Besteuerungssubstrat entzogen. Hierfür werden insbesondere drei schädliche Finanzierungsstrukturen gebraucht: die sogenannte Downstream- und Upstream-Inbound-Finanzierung sowie die OutboundFinanzierung. Da Deutschland auch nach der Unternehmensteuerreform 2008 innerhalb der Europäischen Union noch immer zu den Hochsteuerländern gehört, besteht weiterhin die steuerliche Vorteilhaftigkeit konzerninterner Steuersubstratsverlagerung ins meist niedriger besteuernde Ausland. Um diesen Missbrauch zu bekämpfen hat der Gesetzgeber bereits Maßnahmen ergriffen. Doch durch die vom Europäischen Gerichtshof betriebene exten­sive Interpretation der Marktfreiheiten und die enge Zulassung von Rechtfertigungsgründen entwickelten sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu nationalen Missbrauchsvermeidungsnormen hohe Anforderungen an deren Europarechtstauglichkeit. Dies führte zur europarechtlichen Fragwürdigkeit der bisher vom Gesetzgeber genutzten Gegenmaßnahmen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG a. F., der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG (a. F.) sowie der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG (a. F.).

III. Die Zinsschranke ist eine funktionale Antwort auf das Tetralemma 

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Vor dem Hintergrund der weitgehenden Unveränderlichkeit des Tetralemmas war der Gesetzgeber daher vor die Entscheidung gestellt, die von ihm als missbräuchlich erkannten Finanzierungsgestaltungen zuzulassen oder sie mit einem neuen Instrument auch in Zukunft zu bekämpfen.

III. Die Zinsschranke ist eine funktionale Antwort auf das Tetralemma 1. Zielbündel der Zinsschranke Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde die Zinsschrankenregelung eingeführt. In der Gesetzesbegründung sollte sie einen Beitrag zur Gegen­ finanzierung der Reformvorhaben leisten und wurde insbesondere mit drei Hauptzielen beauftragt. Zum Ersten soll die Zinsschrankenregelung als allgemeine Fiskalzwecknorm den Verlust an deutschem Steuersubstrat verhindern und damit die deutsche Steuerbasis sichern. Zum Zweiten bedient sich der Gesetzgeber der Zinsschranke als spezieller Missbrauchsbekämpfungsnorm, wenn diese der Umqualifizierung von in Deutschland entstandenen Gewinnen in abzugsfähige und anschließend ins Ausland transferierte Zinszahlungen über konzerninterne Finanzierungsstrukturen entgegentreten soll. Zum Dritten soll die Zinsschranke als Lenkungsnorm die Fremdkapitalquoten der deutschen Unternehmen senken und damit deren Eigenkapitalquoten und Insolvenzresistenz stärken.

2. Breit angelegtes Regelungskonzept der Zinsschranke § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG begrenzt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen eines Betriebs in vier Teilschritten. Unbeschränkt und sofort abzugsfähig sind Zinsaufwendungen bis zur Höhe des Zinsertrags. Der darüber hinausgehende Nettozinsaufwand findet bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA ebenfalls sofortige steuermindernde Berücksichtigung. Diese zweite Abzugsgrenze ist als 30 v. H. des steuerlichen EBITDA definiert, welche durch ggf. aus Vorjahren bestehende sogenannte EBITDA-Vorträge erhöht werden kann und damit als dritter Teilschritt die Obergrenze sofortiger Abzugsmöglichkeit darstellt. Sollte der Nettozinsaufwand auch diese Schranke überschreiten, so ist der Überhang in einem vierten Schritt als sogenannter Zinsvortrag in die nachfolgenden Wirtschaftsjahre unbeschränkt übertragbar. Dieser Teil der Zinsaufwendungen erfährt damit keine sofortige steuerliche Abzugsfähigkeit, kann aber bei Eintritt verschiedener Bedingungen zukünftig gewinnmindernd berücksichtigt werden. In drei Ausnahmefällen ist dieser Grundsatz jedoch nicht anwendbar und sämtliche Zinsaufwendungen bleiben in voller Höhe abzugsfähig. Dies ist der Fall, wenn der Nettozinsaufwand geringer ist als die Freigrenze von EUR 3 Mio. oder

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E. Gegenbeweismöglichkeit – europäische Lösung

der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört (Konzern-Klausel) oder der Betrieb zwar konzernzugehörig ist, seine Eigenkapitalquote aber über oder maximal um zwei Prozentpunkte unter der des Gesamtkonzerns liegt (Eigenkapital-Klausel). Zusätzlich verschärft der novellierte § 8a KStG mit den Absätzen 2 und 3 die Anwendung der Zinsschranke für Körperschaften, indem er die Nutzung der Ausnahmefälle der Konzern- und Eigenkapital-Klausel an das Nichtvorliegen von schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierungen knüpft. 3. Anerkennung und Reaktion auf das Tetralemma Die Konzeption der Zinsschranke legt dar, dass der Gesetzgeber die momentane Unveränderlichkeit des Tetralemmas anerkennt. Durch die Rechtsfolge der Nichtabzugsfähigkeit der als schädlich qualifizierten Zinsaufwendungen unternimmt es der Gesetzgeber nämlich nicht, die ursächliche steuerliche Vorteilhaftigkeit europaweiter Konzernfinanzierung durch die Modifikation der nationalen, bilateralen oder europarechtlichen Vorgaben zu bekämpfen. Zugleich passt sich die Zinsschranke mit ihrer grundsätzlichen Rechtsfolge auch an die Herausforderungen des Steuerwettbewerbs an, die den vierten Eckpunkt des Tetralemmas bilden. Hierfür sorgt die Möglichkeit, dass ein Zinsvortrag für die von der sofortigen steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossenen Zinsaufwendungen gebildet und handelsbilanziell als aktive latente Steuern behandelt werden kann. Bei Annahme der Auflösung des Zinsvortrags führt dies trotz aktueller Nichtabzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen zu keiner Erhöhung der Konzernsteuerquote, welche gerade bei der unternehmerischen Beurteilung der Steuerbelastung eines Landes eine wichtige Rolle spielt. Weil die Zinsschranke das Tetralemmas anerkennt, reagiert sie auf dessen direkte Auswirkungen. Dank ihres weiten persönlichen Anwendungsbereichs kann die Zinsschranke die Abzugsfähigkeit weiter Teile der Zinsaufwendungen von in Deutschland steuerpflichtigen Konzernunternehmen einschränken. Dafür sorgt die Rechtsformneutralität dieser Regelung, die mit dem Bezug zum „Betrieb“ jegliche in Konzernstrukturen einbindungsfähige Unternehmen erfasst und damit die Berücksichtigung ihrer Zinsaufwendungen auf den vom Gesetzgeber für angemessen gehaltenen Betrag limitieren kann. Neben dem weiten persönlichen beinhaltet die Zinsschranke auch einen aus­ gedehnten sachlichen Anwendungsbereich. Gegen eine missbräuchliche Down­ stream-Inbound-Finanzierung als klassische Form der Gesellschafter-Fremd­ finanzierung interveniert die Zinsschranke, indem sie sämtliche konzerninternen Fremdkapitalfinanzierungsentgelte erfasst. Davon sind (auch) jegliche Zinszahlungen an andere Konzernunternehmen betroffen. Zusätzlich verschärft § 4h EStG i. V. m. § 8a Abs. 2 und 3 KStG die Anforderungen an die Nutzung der Eigen­ kapital- und Konzern-Klausel für die hiervon besonders gefährdeten Kapitalgesellschaften, um die Auflage einer nun neu definierten Form der Gesellschafter-

IV. Die Zinsschranke ist nicht verfassungskonform

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Fremd­finanzierung durch wesentlich beteiligte Personen, solchen nahestehende Personen und rückgriffberechtigte Dritte. Da es bei der Anwendung der Zinsschranke auch unerheblich ist, auf welcher Stufe des Konzerns sich das fremdkapitalfinanzierte Unternehmen befindet, sind von diesen Regelungen auch UpstreamInbound-Finanzierungen betroffen. Weiterhin erfasst die Zinsschranke auch konzernexterne Zinsaufwendungen. Hierdurch trägt sie zur Einschränkung der Outbound-Finanzierungen bei. Mit diesen drei grundsätzlichen Regelungsinhalten kann § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG in Einem die Aufgabe der Bekämpfung der steuerlichen Vorteilhaftigkeit der Downstream- und Upstream-Inbound-Finanzierungen übernehmen, welche bisher durch § 8a KStG a. F. eingeschränkt waren bzw. durch die europarechtlich fragwürdigen §§ 7 ff. AStG geregelt sind. Dies gilt ebenso für die bisher zumindest von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG erfassten Outbound-Finanzierungen. Damit kann die Zinsschrankenregelung als funktionale Antwort auf die Herausforderungen des Tetralemmas gesehen werden.

IV. Die Zinsschranke ist nicht verfassungskonform Als Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Zinsschranke ist festzuhalten, dass sie mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 GG sowie mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG kollidiert und mangels zulässiger Rechtfertigung als Verfassungsverstoß einzuordnen ist. 1. Unvereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz Die Zinsschranke verletzt das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da sie gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner konkreten Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips verstößt.1 Hierbei kann der Gesetzgeber seinen Verstoß auch nicht mit dem Argument der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats rechtfertigen, da die h. L. und Rechtsprechung diesen Beweggrund als unzulässig ansehen. Ebenso scheidet das vom Gesetz­geber vorgebrachte Argument der Missbrauchsbekämpfung aus, da der Gesetzgeber über den Rahmen seiner Typisierungsbefugnis massiv hinausschießt und damit den missbrauchserfassenden Charakter der Zinsschranke nur ungenügend erkennen lässt und nicht ausreichend zweckgerichtet umsetzt. Ebenso wenig kann der lenkungspolitische Ansatz zur Steigerung der Eigenkapitalquote deutscher Unter 1 So auch Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, § 4h, Rz. 4; Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 7; Thiel, FR 2007, 729 (730); Hey, BB 2007, 1303 (1306); Kußmaul/Ruiner/Schappe, in: Kußmaul (Hrsg.), Die Einführung einer Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008, S. 84. A. A. Neumann, Ubg 2009, 461 (462).

236

E. Gegenbeweismöglichkeit – europäische Lösung

nehmen den Verstoß der Zinsschranke gegen das objektive Nettoprinzip rechtfertigen. Dies gründet darin, dass die Zinsschranke hierzu einen weitgehend verfehlten Versuch darstellt und damit das Rechtfertigungsargument nicht ausreichend zweckgerichtet umsetzt. 2. Unvereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie Die Wirkung der Zinsschranke löst eine Sonderbelastung des Steuerpflichtigen aus, die von der gesetzgeberischen Grundentscheidung abweicht. Sonderbelastungen stellen nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht einen zu begründenden und verhältnismäßig auszugestaltenden Eingriff in die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Diesen Eingriff kann der Gesetzgeber aber nicht mit dem Argument der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats rechtfertigen, da die h. L. und Rechtsprechung einen solchen Beweggrund als nicht legitim erachten. Ebenso wenig kann der Gesetzgeber die Argumente der speziellen Missbrauchsbekämpfung oder den lenkungspolitischen Ansatz zur Steigerung der Eigenkapitalquote nutzen, da der Gesetzgeber diese Rechtfertigungsgründe aufgrund seiner ungenauen Typisierung und der dadurch entstehenden Wohlfahrtsverluste unverhältnismäßig umsetzt.

V. Ausblick Spätestens seit der Einführung der Zinsschrankenregelung zeigen sich die negativen Seiten eines national, bilateral und insbesondere europarechtlich verankerten Verzichts auf die Quellenbesteuerung von Zinszahlungen zwischen Konzernunternehmen deutlich. Vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber beklagten Verlusts an deutschem Steuersubstrat sind daher die Stimmen derer laut zu vernehmen, die eine Wiedereinführung einer Quellenbesteuerung auf ins Ausland abfließende Zinsen verlangen.2 Doch eine derartige Änderung ist zum einen europarechtlich kurzfristig nicht herbeizuführen3 und bedarf zum anderen interna 2 Bereits zu Beginn der Einführung der ersten gesonderten Regelung zur GesellschafterFremdfinanzierung mit § 8a KStG i. d. F. des StandOG wurde die Wiedereinführung einer Quellenbesteuerung auf internationale Zinsabflüsse allgemein als durchaus positiv betrachtet. Siehe dazu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 612; mit Bezug zur Unternehmensteuerreform 2008 Schön, in: BT, Protokoll Nr. 16/56, Finanzausschuss Wortprotokoll, S. 47; Mössner, in: Lüdicke (Hrsg.) Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, S. 1 (5); Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, S. 194 f.; Spengel/ Finke/Zinn, Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 99 f. Ähnlich auch Rädler, in: ders. (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 57, Di Fabio, JZ 2007, 749 (753); Hey, in: Tipke/ Lang (Hrsg.), Steuerrecht, § 18, Rz. 515 oder Avi Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1999–2000, 1573 (1583). 3 Spengel/Finke/Zinn, Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 99 f.

V. Ausblick

237

tionaler Koordination,4 da sich ein Alleingang Deutschlands schnell in der Isolation verlieren könnte. Aus diesem Grund bleibt dem Gesetzgeber erst einmal nur die Möglichkeit, weiterhin mit einer gesonderten Missbrauchsvermeidungsvorschrift gegen den Steuer­substratsverlust vorzugehen. Doch wie die vorliegende Arbeit zeigt, ist ihm dies aktuell mit der Einführung der Zinsschranke zwar technisch wirksam, jedoch nicht rechtskonform gelungen. Daher ist zu überlegen, wie der Gesetzgeber agieren sollte, um neben einer funktionalen auch eine verfassungskonforme Lösung zu finden. Die Ideen zur Reform der Zinsschranke sind breit gestreut. Sie reichen von der bloßen Erhöhung der EBITDA-Grenze oder der Verbreiterung der EBITDA-Bemessungsgrundlage5 bis hin zu ihrer Abschaffung und der Forderung nach einer Rückkehr zu einer modifizierten Regelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG a. F.6 Diesen Auffassungen soll nicht widersprochen werden, doch ist zu bedenken, dass auch § 8a KStG a. F. noch immer unter europarecht­licher Kritik steht.7 Daher scheint es m. E. angebracht, eine Doppelstrategie zu verfolgen, die sowohl aus einem kurzfristigen als auch aus einem langfristigen Ansatz besteht. Kurzfristig sollte zumindest am Konzept der Zinsschranke festgehalten werden, jedoch müssten ihre Hauptprobleme direkt angegangen werden. Nach den Erkenntnissen dieser Arbeit liegen die Hauptprobleme der Zinsschranke insbesondere in der Fülle der mit ihr verfolgten Zwecke und in den nicht ausreichend zielgenauen Typisierungsversuchen. Dies führt zu einer mangelnden Zweckgerichtetheit und einer unverhältnismäßigen Eingriffswirkung der Zinsschranke. Um kurzfristig eine rasche und unkomplizierte Reform herbeizuführen, wären daher folgende Verbesserungen vorzunehmen: In einem ersten Schritt wäre die Zinsschranke von den Begründungen der allgemeinen Sicherung des deutschen Steuersubstrats und der Steigerung der Eigenkapitalquote zu befreien und auf den Auftrag der Missbrauchsbekämpfung zu reduzieren. Weiterhin wäre es vonnöten, das Ziel der Missbrauchsvermeidung auf die konzerninterne Fremdfinanzierung zu reduzieren, da sich hierdurch der sach­liche Anwendungsbereich gezielter und systematischer auf missbräuchliche Gestaltungen fokussieren ließe. Deshalb wäre es angebracht, den Bereich der konzernexternen Fremdkapitalaufnahme im Rahmen der Outbound-Finanzierung8 aus dem

4

Hey, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Festschrift für Djanani, S. 109 (126). Spengel/Finke/Zinn, Bedeutung der Substanzbesteuerung in Deutschland, S. 99 f. 6 Schwarz, IStR 2008, 11 (14); Schön, IStR 2009, 882 (888 f.); Eichfelder et al., in: ZEW/ Universität Wuppertal/Ebner u. a. (Hrsg.), Auswirkungen von Steuervereinfachungen, S. 53. 7 Dazu Abschn. dd), S. 100. 8 Siehe Abschn. c), S. 94. 5

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E. Gegenbeweismöglichkeit – europäische Lösung

Regelungsbereich der Zinsschranke auszuklammern und ggf. mit einer gesonderten Norm zu verfolgen.9 Da die Zinsschranke aufgrund ihrer ungenauen Wirkung wohl die richterrechtliche Kompetenz im Sinne einer teleologischen Reduktion zur reinen Missbrauchsvermeidungsnorm überstrapazieren würde, wäre in einem darauf folgenden Schritt den Ausnahmeregelungen in § 4h Abs. 2 EStG eine vierte Alternative hinzuzufügen. Diese sollte dem Steuerpflichtigen eine uneingeschränkte Nichtanwendbarkeit der Zinsschranke sichern, wenn dieser mit beachtlichen außersteuerlichen Gründen i. S. von § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nachweist, dass seine konzerninternen Finanzierungsverhältnisse fremdüblich sind.10 Bei deren Beurteilung hat sich der enge Fokus des Vergleichsmaßstabs dergestalt zu weiten, dass nicht nur ein fremder Dritter, sondern auch ein vergleichbares Konzernunternehmen in vergleichbarer Situation zu betrachten wäre. Auf diese Weise könnte die Zinsschrankenregelung widerlegt und damit sichergestellt werden, dass der spezielle Fall der konzerninternen Fremdfinanzierung ausreichend Berücksichtigung erfährt und der Missbrauchsfokus der Zinsschrankenregelung ausreichend zielgenau typisiert. Da das Problem missbräuchlicher Konzernfinanzierung aber insbesondere durch europarechtliche Vorgaben11 und den internationalen Steuerwettbewerb hervorgerufen wird, gilt es, langfristig auf eine Lösung auf europäischer Ebene zu drängen. Nur ein europaweit koordiniertes Vorgehen könnte die aktuell bestehende Schieflage der Harmonisierung der direkten Steuern am wirksamsten beheben. Daher soll noch einmal das von der EU geplante Modell einer europaweiten gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, die sogenannte Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB),12 Erwähnung finden. Dieses Modell könnte als gesamteuropäische Lösung wohl sämtlichen der oben aufgezeigten Vorgehensweisen überlegen sein, wenn es der europaweiten Steuersubstratsverschiebung von Konzernergebnissen anhand einer sinnvollen Abwägung der Kriterien Umsatz, Lohnsumme, Beschäftigte und Betriebsvermögen je Mitgliedsland Einhalt gebietet. In solcher Ausgestaltung könnte das Modell der CCCTB dem hier angeprangerten Missbrauch sehr effektiv entgegenwirken. Dies gründet darin, dass bei der CCCTB die von grenzüberschreitend tätigen Konzernunternehmen an die Mitgliedsländer fließenden Steuerzahlungen an typisierende Kriterien der staatlichen Ressourcennutzung gekoppelt sind und nicht an die Alloka 9

Siehe hierzu auch den Vorschlag von Schön, IStR 2009, 882 ff. Schön, IStR 2009, 882 (888). 11 Dazu ausführlich Abschn. 3., S. 46. 12 Europäische Kommission, KOM(2011) 121/4, Proposal for a Council Directive on a Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB) vom 13.3.2011, abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/company_tax/common_tax_ base/com_2011_121_en.pdf; siehe auch Mitteilung der Kommission v. 19.12.2006, KOM (2006) 832 endg.; sowie M. Lang et al. (Hrsg.), Common Consolidated Corporate Tax Base, Wien 2008. 10

V. Ausblick

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tion von Buchgewinnen.13 Die kürzlich erfolgte Veröffentlichung14 eines Entwurfs der CCCTB gibt Anlass zu der Hoffnung, dass eine ggf. sogar unter Einbezug aller Mitgliedsländer koordinierte europaweite Lösung der Gewinnverlagerung herbeigeführt wird. Da jedoch der Wille der Mitgliedsländer hierzu noch nicht ausreichend stark genug zu sein scheint, sollte Deutschland sein politisches Gewicht nutzen und vehement für eine Einführung werben.15 Förderlich könnte sich hierbei die aktuelle finanzielle Notlage einiger niedriger besteuernder Mitgliedstaaten auswirken, die zwar bisher von dieser europarechtlichen Schieflage im Rahmen der Konzernfinanzierung profitierten, nun aber in Zeiten der Finanzkrise auf die solidarische Unterstützung durch die Europäische Union angewiesen sind. Diese Doppelstrategie könnte sich auch vor dem Hintergrund der europarechtlichen Herausforderungen bezahlt machen. So könnte durch die Widerlegbarkeit der Missbrauchsvermutung der Zinsschranke nicht nur auf die verfassungsrechtliche, sondern auch auf die europarechtliche Kritik16 reagiert werden. Nichts­ destoweniger bleibt dies aber nur eine vorübergehende Lösung, da der Fremdvergleichsgrundsatz auch bei internationalen Finanzierungsverhältnissen Schwächen aufweist und mit hohen Transaktions- und Dokumentationskosten für Unternehmen und Steuerverwaltung verbunden ist.17 Daher ist auf lange Sicht zwingend eine europaweit koordinierte Lösung herbeizuführen.

13

So auch Spengel, in: Rädler (Hrsg.), Tax Science Fiction, S. 41 (52 ff.). Europäische Kommission, KOM(2011) 121/4, Proposal for a Council Directive on a Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB) vom 13.3.2011, abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/company_tax/common_tax_ base/com_2011_121_en.pdf. 15 Parillo, 61 TNI 2011, 471 ff. 16 Siehe etwa Shou, Die Zinsschranke im Unternehmsteuerreformgesetz 2008, S. 190. 17 Borkowski, 32 (2) The International Journal of Accounting 1997, 321 ff.; Benshalom, 28 Virginia Tax Review 2009, 619 (631, 670). 14

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Sachverzeichnis § 8a SKStG a.F.  24 AEUV 46 aktiv latente Steuern  133 Aktivitäts-Klausel 43 Allokationsvorschrift 36 Änderungsmaßnahmen 115 Anrechnungsverfahren 34 arm’s lenght principle 80 Art. 10 OECD-MA  42 Art. 115 AEUV  51 Attraktionskraft 38 Auslandsdividenden 33 Ausnahmeregelungen 125 Avoir Fiscal 68 Bagatellgrenze  169, 170 beschränkte Steuerpflicht  29 Beschränkungsverbote 69 Beteiligungsprivileg 32 Betrieb 118 Bosal 57 Buchgewinnverlagerung 23 Cadbury Schweppes  78, 103 Cassis de Dijon  71 CBIT  157, 218 CCCTB  58, 238 Daily Mail  66 Dassonville 71 DBA-USA 31 deutsche Abkommenspolitik  37 direkte Steuern  48 Diskriminierungsverbote 69 Downstream-Inbound-Finanzierung 92, 96, 133, 202 earning stripping rules 109 EBIT  110, 167 EBITDA  111, 167, 177

EBITDA-Vortrag  122, 158, 164 –– Untergang 124 Eigenkapital-Klausel  128, 173, 175, 184 –– Suspendierung 130 Eigenkapitalquote –– immanente Vorgabe  219 –– Steigerung 179 Eigentumsgarantie  187, 188, 189 Entwicklungs- bzw. Schwellenländern  38 Erdrosselungsdogmatik 190 Ertragskraft 25 Escape- bzw. Öffnungs-Klausel  117 Escape-Klausel 177 EStG 1925  30 exemption for income going abroad 40 Exkulpationsmöglichkeit 178 Exportnation 45 Finanzierungsaufwendungen 23 Finanzierungsneutralität 22 Finanzierungsstruktur 21 Finanzplatz Deutschland  30 Finanzressourcen 21 fiskalpolitische Zwecke  150 Förderungs- und Lenkungszwecke  153 free rider 20 Freigrenze  125, 169 Freistellungsmethode 45 Freistellungspolitik 44 Futura Singer  68 Gebot der Folgerichtigkeit  140 Gegenfinanzierungspläne 113 Gesellschafter-Fremdfinanzierung  174, 176 gewerbesteuerliche Hinzurechnung  33, 105 Gewinnkalkül 22 Gewinnmaximierungsinteresse 22 Gleichheitssatz  135, 136, 137 grundpfandrechtliche Absicherung  29 Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren  35

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Sachverzeichnis Sachverzeichnis

Haribo und Salinen  57 Harmonisierung der direkten Steuern  28 Harmonisierungsauftrag 47 Hinzurechnungsbesteuerung  24, 103 Hinzurechnungsmodell  110, 202

–– Durchbrechung 155 –– Stellenwert 143 –– Vereinbarkeit 158 OECD-MA  37, 41 Outbound-Finanzierung  94, 96, 134, 202

Immobiliarbesicherung 30 Imperial Chemical Industries  68 Industriestaaten 38 Infrastruktur 24 Insolvenzbeschleunigung 215 Insolvenzschutz 179 Interessengegensatz 22

Pendlerpauschale 142 portfolio interest exemption 31 Portfoliobeteiligung 43 Prinzipien- bzw. Systemwechsel  141, 156 Produktionseffizienztheorem 213 Prüfungsschema 131

Kapitalexporteur 39 Kapitalimportneutralität 45 Kaskadenproblematik 35 Kohärenz 72 Konzern-Klausel  126, 171, 175 –– Suspendierung 130 Konzernsteuerquote 84 Krisenverschärfung 215 Lammers & Van Cleeff  62, 63, 73, 79 Lankhorst-Hohorst  60, 64, 80, 98 legislatives Tetralemma  28 Leistungsfähigkeit  22, 136, 138 Leistungsfähigkeitsprinzip 136 –– Konkretisierung 138 –– Verfassungsrang 137 London-Entwurf 40 Marks & Spencer  78 maßgeblicher Gewinn  121 maßgebliches Einkommen  129 Mexiko-Entwurf 40 Missbrauchsabwehr  152, 163 Missbrauchsbekämpfung 112 Modigliani/Miller 21 Motivtest 178 Mutter-Tochter-Richtlinie  33, 52, 53, 54, 56, 57, 88

Quellenbesteuerung 29 Quellenlandprinzip 40 Quellensteuer 31 Quellensteuerverzicht 39 race to the average 87 race to the bottom  31, 87 Regelungskonzept 115 Rewe-Zentral-AG 71 Rückausnahme  174, 175, 176 Ruding-Kommission  31, 87 rule of reason 71 Sachlicher Anwendungsbereich  119 Schachtelbeteiligung 43 Schachtelstrafe 32 Schönwetterreform 19 Sicherung Steuersubstrat  111, 112, 162 Sollbesteuerung  168, 177 Stand Alone-Klausel 117 Stärkung der Eigenkapitalquote  113 Steuertarif 139 Substanzbesteuerung  187, 205 Telos Zinsschranke  111 Thin Cap Group Litigation 61, 62, 64, 79, 80, 82 Totalitätsprinzip  159, 161 Trennungsprinzip  21, 22

Nettobesteuerung 38 Nettozinsaufwand 25 NSDAP 30

Unternehmenszusammenschlüsse 53 Upstream-Inbound-Finanzierung  93, 96, 134, 202

objektives Nettoprinzip  143, 147 –– BFH 145

Verfassungskonformität 135 Verhältnismäßigkeitsprüfung 154

Sachverzeichnis Sachverzeichnis verrechenbares EBITDA  121, 165, 167, 168, 177 Versailler Vertrag  30 vGA 25 Völkerbund 39 Werkstorprinzip 141

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Wettbewerb 28 Wirtschaftsverkehr 20 Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie  51, 53, 56, 57, 89, 106, 107 Zinsvortrag 123 –– Untergang 124

SUMMARY The general public thinks of tax law as a rather dry subject and the people concerned with it generally do not appear in a better light. There are reasons for justifiable doubts regarding this prejudice as shown by specialist articles on the actual amendment of the deductibility of interest for tax purposes, the so called Interest Barrier (Zinsschranke). When analyzing this core element of the corporate tax reform from 2008, finance and tax experts do not make use of their general objective vocabulary but rather use a lively and colorful wording to describe the provision regulated in Secs. 4h German Income Tax Act and 8a German Corporate Tax Act. They draw examples from such areas as zoology, meteorology, pyrotechnics, medicine, history and religion, calling the Interest Barrier “biting tiger”, “nice weather reform”, “loaded fuse”, “fire accelerant”, “lethal injection”, “guillotine” or even “mortal sin”. Further to the published articles, this dissertation focusses on the formation of the Interest Barrier, the analysis of its concept and especially on the examination of its compatibility with the constitutional standards in art. 3 and 14 of the German Constitution, central for taxation. In this regard, all objectives of the legislator as well as current empirical and economical results with respect to the effects of the Interest Barrier are taken into account. Not only the limits on taxation because of “choking” taxation affects under art. 14 of the German Constitution are considered but also current rulings of the second senate of the German Federal Constitutional Court on the proportionality of taxation. This dissertation aims to make a contribution towards the dogmatic understanding of the Interest Barrier.

RÉSUMÉ La croyance populaire veut que le droit fiscal soit une matière aride et voit d’un œil à peine meilleur ceux qui le pratiquent. La connaissance des débats doctrinaux liés à la réforme du plafonnement de la déductibilité des intérêts met à mal ces préjugés. L’analyse de cet élément central de la réforme de 2008 sur la fiscalité des entreprises fait apparaître une toute autre réalité. En effet, les experts des finances et de la fiscalité ont délaissé leur vocabulaire savant au profit d’un jargon bien plus vivant et coloré pour décrire les effets de la règle issue du paragraphe 4h de la loi sur l’impôt sur le revenu des personnes physiques, lu conjointement avec le paragraphe 8a de la loi relative à l’impôt sur les sociétés. Ainsi sont utilisés des mots tirés de domaines aussi variés que la zoologie, la météorologie, la pyrotechnie, la médecine, l’histoire ou encore la religion. Le plafonnement des intérêts est qualifié de «tigre», de «réforme de beau temps», de «mèche en feu», de «produit inflammable», d’ «injection létale», d’ «échafaud» et même de «péché capital». Au delà des contributions déjà publiées, ce travail se focalise sur la genèse de la réforme du plafonnement de la déductibilité des intérêts. Il analyse pour cela les concepts de la régulation de la déductibilité des intérêts, et tout particulièrement son adéquation avec les textes fondamentaux en la matière que sont les articles 3 et 14 de la loi fondamentale. Dans ce contexte, pour mesurer les conséquences du plafonnement de la déductibilité des intérêts, on a tenu compte des objectifs donnés par le législateur comme des récentes études empiriques et des connaissances économiques. L’attention n’est donc pas seulement portée sur l’interdiction de l’impôt confiscatoire découlant de l’article 14 alinéa 1 de la loi fondamentale, mais le problème est aussi traité à la lumière de la récente jurisprudence de la cour constitutionnelle sur l’adéquation de la mesure fiscale. Ce travail a ainsi pour objectif d’enrichir la doctrine relative à l’étude du plafonnement de la déductibilité des intérêts.