Reichsgewalt bedeutet Seegewalt: Die Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Kolonial- und Weltpolitik 1885 bis 1901 9783486854688, 9783486712971

Infolge der deutschen Kolonial- und Weltpolitik kulminierte in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die ü

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Inhalt
Danksagung
I. Einleitung
1. Forschungsstand und Quellenlage zur Rolle der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Außenpolitik in Übersee
2. Untersuchungsgegenstand, Fragestellungen und Quellen
3. Allgemeine Erläuterungen
II. Intervention und Kolonialpolitik (1884-1890)
1. Koloniale Machtpolitik zwischen Konfrontation und Kooperation
a) Entsendung des Westafrikanischen Geschwaders
b) »Einschreiten mit Blut und Eisen«: Kolonialkrieg in Kamerun
c) Bildung des ersten Kreuzergeschwaders
d) Kanonenbootdiplomatie in Sansibar
2. Die »Hetze« über den halben Erdball
a) Bildung des Fliegenden Kreuzergeschwaders
b) Machtdemonstrationen in der Südsee
c) Im Einsatz für den deutschen Waffenhandel mit China
d) Intermezzo in Ostafrika
e) Strafexpedition in Samoa
3. Der »Araberaufstand« in Deutsch-Ostafrika
a) Beginn des Aufstandes und erste Gegenmaßnahmen
b) Internationale Seeblockade der ostafrikanischen Küste
c) Die Niederschlagung des Aufstandes
III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)
1. »Neuer Kurs« ohne klares Ziel
a) Einsatz im Chilenischen Bürgerkrieg
b) Demonstrationen der Schwäche in Ostafrika und Ostasien
c) Auflösung des Fliegenden Kreuzergeschwaders
2. Präludium zur deutschen Weltpolitik
a) Die Bildung der Kreuzerdivision in Ostasien und ihre Funktion während des Chinesisch-Japanischen Krieges
b) Der Einspruch von Shimonoseki
c) »Unter keinen Umständen zu kurz kommen«: Die deutschen Stützpunktpläne an der chinesischen Küste
IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)
1. Vom Primat der Politik zum Primat des Militärs
a) »Eine mannhafte Tat«: Admiral Diederichs besetzt Kiautschou
b) Die »gepanzerte Faust« des Deutschen Reiches: Formierung des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders
c) Prestigepolitischer Hahnenkampf in der Manila-Bucht
2. »Pardon wird nicht gegeben«: Die Niederschlagung der chinesischen Boxerbewegung
a) »The Germans to the front«: Die Seymour-Expedition
b) Die Eroberung der Taku-Forts und die Kämpfe um Tientsin
c) Die Eroberung Pekings und der Einsatz des Ostasiatischen Expeditionskorps
d) Vom deutsch-britischen Yangtse-Abkommen bis zum Friedensschluss in Peking
e) Vorwärts in die Isolation: Die Rückberufung der deutschen Panzerdivision aus Ostasien und ihre Folgen
3. Ausblick: Einsatz und Funktion des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders unter dem Primat des Tirpitz-Plans 1902-1914
V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Anhang: Übersichten zu den Kreuzergeschwadern (1885-1914)
Abkürzungen
Quellen und Literatur
Personenregister
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Reichsgewalt bedeutet Seegewalt: Die Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Kolonial- und Weltpolitik 1885 bis 1901
 9783486854688, 9783486712971

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Heiko Herold • Reichsgewalt bedeutet Seegewalt

Beiträge zur Militärgeschichte Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 74

Oldenbourg Verlag München 2013

Reichsgewalt bedeutet Seegewalt Die Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Kolonial- und Weltpolitik 1885 bis 1901 Von

Heiko Herold

Oldenbourg Verlag München 2013

Umschlagabbildungen: Willy Stöwer (1864-1931): »Fürst Bismarck« unter Volldampf an der chinesischen Küste, aus: Georg Wislicennus, Deutschlands Seemacht sonst und jetzt, 2., neubearb. und stark erw. Aufl., Leipzig 1901 (vorne); Willy Stöwer: Besitznahme von Kiautschou am 14. November 1897 – Ausschiffung der Truppen, Flaggschiff »Kaiser« signalisiert »Artillerie ist gelandet«, aus: Deutschlands Ruhmeshalle. Hrsg. von Hermann Müller-Bohm, 2 Bde, Berlin 1905, hier Bd 2, Bildtafel 82 (hinten)

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.de abrufbar. ©

2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Str. 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier (chlorfrei gebleicht). Redaktion: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Lektorat: Aleksandar-S. Vuletić Umschlaggestaltung: Knud Neuhoff, Berlin Grafiken: Frank Schemmerling Satz: Antje Lorenz Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach ISBN 978-3-486-71297-1

Inhalt Danksagung ......................................................................................................................VII I.

Einleitung...................................................................................................................... 1 1. Forschungsstand und Quellenlage zur Rolle der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Außenpolitik in Übersee................................ 2 2. Untersuchungsgegenstand, Fragestellungen und Quellen..........................10 3. Allgemeine Erläuterungen................................................................................15

II. Intervention und Kolonialpolitik (1884-1890) ....................................................19 1. Koloniale Machtpolitik zwischen Konfrontation und Kooperation ........23 a) Entsendung des Westafrikanischen Geschwaders ..............................23 b) »Einschreiten mit Blut und Eisen«: Kolonialkrieg in Kamerun ........31 c) Bildung des ersten Kreuzergeschwaders ...............................................53 d) Kanonenbootdiplomatie in Sansibar .....................................................59 2. Die »Hetze« über den halben Erdball ............................................................79 a) Bildung des Fliegenden Kreuzergeschwaders ......................................79 b) Machtdemonstrationen in der Südsee ...................................................84 c) Im Einsatz für den deutschen Waffenhandel mit China....................99 d) Intermezzo in Ostafrika.........................................................................105 e) Strafexpedition in Samoa .......................................................................117 3. Der »Araberaufstand« in Deutsch-Ostafrika ..............................................128 a) Beginn des Aufstandes und erste Gegenmaßnahmen ......................128 b) Internationale Seeblockade der ostafrikanischen Küste ...................148 c) Die Niederschlagung des Aufstandes ..................................................168 III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897) ....................................................185 1. »Neuer Kurs« ohne klares Ziel......................................................................188 a) Einsatz im Chilenischen Bürgerkrieg...................................................188 b) Demonstrationen der Schwäche in Ostafrika und Ostasien............206 c) Auflösung des Fliegenden Kreuzergeschwaders................................211 2. Präludium zur deutschen Weltpolitik...........................................................215 a) Die Bildung der Kreuzerdivision in Ostasien und ihre Funktion während des Chinesisch-Japanischen Krieges ..................215 b) Der Einspruch von Shimonoseki.........................................................225 c) »Unter keinen Umständen zu kurz kommen«: Die deutschen Stützpunktpläne an der chinesischen Küste ............236

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Inhalt

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901) .........................................................257 1. Vom Primat der Politik zum Primat des Militärs ......................................263 a) »Eine mannhafte Tat«: Admiral Diederichs besetzt Kiautschou ....263 b) Die »gepanzerte Faust« des Deutschen Reiches: Formierung des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders ......................290 c) Prestigepolitischer Hahnenkampf in der Manila-Bucht ...................302 2. »Pardon wird nicht gegeben«: Die Niederschlagung der chinesischen Boxerbewegung..........................327 a) »The Germans to the front«: Die Seymour-Expedition...................327 b) Die Eroberung der Taku-Forts und die Kämpfe um Tientsin .......337 c) Die Eroberung Pekings und der Einsatz des Ostasiatischen Expeditionskorps ..................................................352 d) Vom deutsch-britischen Yangtse-Abkommen bis zum Friedensschluss in Peking.......................................................367 e) Vorwärts in die Isolation: Die Rückberufung der deutschen Panzerdivision aus Ostasien und ihre Folgen ....................................373 3. Ausblick: Einsatz und Funktion des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders unter dem Primat des Tirpitz-Plans 1902-1914........................................382 V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen.......................................................385 Anhang: Übersichten zu den Kreuzergeschwadern (1885-1914) ...........................393 Abkürzungen ....................................................................................................................402 Quellen und Literatur......................................................................................................403 Personenregister...............................................................................................................467

Danksagung Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Januar 2010 von der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf angenommen wurde. Viele haben mich auf dem Weg zur Promotion begleitet und unterstützt. Ihnen allen gelten meine folgenden Worte. Frei heraus sei gesagt: Für ein solch komplexes Unterfangen wie die Erstellung einer grundlegenden Dissertation musste eine wesentliche Bedingung erfüllt sein, nämlich eine gesicherte materielle Basis. Ich hatte das Glück, fast gleichzeitig mit dem Beginn meiner Studien eine Anstellung als Teilzeitkraft in der Abteilung Corporate und Marketing Communications bei der Miltenyi Biotec GmbH in Bergisch-Gladbach zu finden. Ohne die gut vierjährige Tätigkeit als Publications Editor hätte ich meinen Lebensunterhalt und meine Archivstudien nicht finanzieren können. Darüber hinaus hatte ich das große Glück, mit Professor Dr. Uwe Heinlein einen Vorgesetzten zu haben, der mir viel Verständnis für meine Lebenssituation entgegenbrachte und mich innerhalb der Firma stets gefördert hat. Vor allem hat er es mir erlaubt, meine Arbeit so zu organisieren, dass ich für mein Dissertationsprojekt, besonders für die zeitintensiven Archivstudien, den nötigen Freiraum gewann. Auch meine Kollegen haben mich dabei sehr unterstützt, obwohl Ihnen als Biologen und Grafikern mein Forschungsthema ein wenig exotisch schien. Trotz meiner Tätigkeit bei der Miltenyi Biotec GmbH war meine finanzielle Lage in diesen Jahren durchweg angespannt. Wenn die Geldmittel hin und wieder allzu knapp wurden, haben meine Eltern und ihre neuen Partner – meine Mutter Kerstin Herold und Egon Morawietz sowie mein Vater Thomas Herold und Beate Herold-Hartenstein – mir stets finanziell unter die Arme gegriffen. Sie haben mich auch sonst in jeder Hinsicht unterstützt, weshalb ich Ihnen dieses Buch widme. Erwähnen möchte ich außerdem all jene, die mir während der Archivstudien Unterkunft gewährten. Die meiste Zeit habe ich im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg verbracht. In den ersten Monaten meiner dortigen Studien haben mich Klaus und Stefanie Salzmann in Denzlingen beherbergt. Bei meinen Archivaufenthalten in Berlin boten mir mein langjähriger Freund Dr. Frank Schönfeld, mit dem ich gemeinsam an Bord der Fregatte »Rheinland-Pfalz« zur See gefahren bin, und seine damalige Lebensgefährtin Daniela Beyer stets eine Unterkunft. In Hamburg, wo ich einige Zeit vor allem in der militärhistorischen Abteilung der Hauptbibliothek der Helmut-Schmidt-Universität verbracht habe, hat mich meine Großmutter Gertrud Neumann immer herzlich aufgenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Gerd Krumeich. Den mit ihm geführten Gesprächen und Diskussionen verdanke ich wertvol-

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Danksagung

le Anregungen, die in die Studie eingeflossen sind. Obwohl ich nicht in eines seiner Forschungsprojekte eingebunden war und marinehistorische Themen nicht sein Schwerpunkt sind, hat er sich meines Dissertationsvorhabens von Beginn an intensiv angenommen und meine Forschungen mit großem Interesse und fachlichem Rat begleitet. Danken möchte ich besonders auch meiner langjährigen akademischen Lehrerin Professor Dr. Irmtraud Götz von Olenhusen. Sie hat die Entstehung meiner Dissertation als Zweitgutachterin begleitet und stand mir stets mit ihrem fachlichen und menschlichen Rat zur Seite. Wertvolle Anregungen und Hinweise habe ich in den Fachdiskussionen mit Professor Dr. Michael Epkenhans, Dr. Cord Eberspächer und Privatdozent Dr. Gerhard Wiechmann über die Auslandseinsätze der Kaiserlichen Marine erhalten. Wichtig war für mich auch der stete fachliche Dialog mit meinem langjährigen akademischen Lehrer Professor Dr. Erhard Louven, der mein Interesse für die deutsch-chinesischen Beziehungen im 19. Jahrhundert und die deutsche Marinekolonie Kiautschou vom ersten Semester an intensiv gefördert hat. Wichtige Unterstützung erhielt ich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Archiven und Bibliotheken. Einige möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben: Helga Waibel, Andrea Meier und Carola Aehlich haben mir meine Forschungen im Bundesarchiv-Miltärarchiv in Freiburg durch ihre stets freundliche, hilfsbereite und geduldige Art erheblich erleichtert. Das gilt auch für Franz Göttlicher im Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Annegret Wilke im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes und Monika Kienzle in der Hauptbibliothek der HelmutSchmidt-Universität der Bundeswehr. Danken möchte ich darüber hinaus dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt, dass es diese Studie in seine Reihe »Beiträge zur Militärgeschichte« aufgenommen hat. Dr. Frank Nägler, Fregattenkapitän a.D., und der Leiter der Schriftleitung, Dr. Arnim Lang, haben den Publikationsprozess von Anfang an gefördert. Mit Dr. Aleksandar-Saša Vuletić hatte ich einen sehr gewissenhaften und aufmerksamen Lektor. Die zahlreichen Karten und Illustrationen von Frank Schemmerling haben meine Studie wesentlich bereichert. Antje Lorenz hat in professioneller Weise die Korrekturen umgesetzt und das Layout des Bandes gestaltet, das Cover wurde von Knud Neuhoff entworfen. Ihnen allen fühle ich mich sehr zu Dank verpflichtet. In guter Erinnerung sind mir auch die Gespräche mit einigen Komilitonen und Mitarbeitern des Historischen Seminars der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die am Oberseminar von Professor Dr. Krumeich teilgenommen haben, allen voran apl. Professor Dr. Margrit Schulte Beerbühl, Christoph Roolf, Thomas Oellermann, Dr. des. Nils Loeffelbein, Dr. Susanne Brandt und Dr. Silke Fehlemann. Ihre Kritik und Anregungen habe ich stets als hilfreich empfunden. Das gilt auch für einige Freunde und Wegbegleiter, mit denen ich über meine Forschungen diskutiert habe, namentlich Matthias Heimer, Wolfgang Henrich, Maximilian Klefenz, Martin Krumbe, Rainer Krause, Christian Preis, Dr. Kathrin Quellmalz, Dr. Dschun Song, Dr. Robert Spät und Jürgen Steininger.

I. Einleitung »Zu den Herausforderungen für Deutschland gehört es, sowohl konventionellen als auch asymmetrischen seewärtigen Bedrohungen unserer Sicherheit entgegentreten zu können«, heißt es im aktuellen Weißbuch zur Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland, und weiter: »Dazu entwickelt sich die Marine im Zuge der Transformation der Bundeswehr [von einer sogenannten ›Escort Navy‹] zu einer ›Expeditionary Navy‹1.« Doch was konkret bedeutet das? Letztlich nichts anderes, als dass die deutsche Marine eine Fähigkeit zurückerlangen und in Zukunft vorrangig ausüben soll, die sie infolge von selbst auferlegten Einsatzbeschränkungen und bündnispolitischen Notwendigkeiten in beiden deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren hat, nämlich »in den Randmeeren und Gewässern potentieller Krisenstaaten bzw. Krisengebiete jenseits der klassischen Hochsee-Kriegführung durchsetzungs- und überlebensfähig vorausstationieren und operieren zu können«2. Bislang hat die Fähigkeiten einer »Expeditionary Navy« nur eine deutsche Marine in größerem Maße besessen und ausgeübt: die Kaiserliche Marine. Deren Hauptaufgaben waren, gemäß dem Flottengründungsplan vom April 1873, der Schutz der heimischen Küsten und Gewässer sowie der Schutz und die Vertretung der deutschen Interessen in Übersee, vor allem des deutschen Seehandels und der Auslandsdeutschen3. Inhaltlich knüpfte dieses Konzept an den Flottengründungsplan des Norddeutschen Bundes aus dem Jahre 1867 an4, allerdings gewannen die Einsätze in Übersee im Aufgabenspektrum der Marine nun deutlich mehr an Gewicht. Als Leitmotiv für den Ausbau der Kaiserlichen Marine galt die Entwicklung des eigenen Offensivvermögens, wobei sie anfangs, ganz im Sinne der Bismarckschen Saturiertheitspolitik, nicht dazu befähigt werden sollte, »gegen die großen europäischen Staaten offensiv zu verfahren, sondern dahin unsere Macht 1

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Zitate aus: Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands, S. 131. Siehe dazu u.a.: Chiari, Von der Escort Navy zur Expeditionary Navy; Frank, Von der Landesverteidigung zum Kampf gegen den Terror; Lippke, Die Zukunft der Deutschen Marine, S. 162-228; Pape, German Navy sets course for expeditionary roles; Wollowski, Die Marine nach dem 11. September. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland, S. 290. Zum Konzept der »Expeditionary Navy« allgemein siehe: Till, Seapower, S. 221-252. Denkschrift betreffend die Entwicklung der Kaiserlichen Marine und die sich daraus ergebenden materiellen und finanziellen Forderungen (Flottengründungsplan), zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 29 (1873), S. 236-246, Anlage 50, hier S. 237. Gesetz betreffend den außerordentlichen Geldbedarf des Norddeutschen Bundes zum Zwecke der Erweiterung der Bundes-Kriegsmarine und der Herstellung der Küstenvertheidigung (Flottengründungsplan). In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Bd 4 (1867), S. 176-180, Anlage 106.

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I. Einleitung

zu tragen, wo wir kleinere Interessen zu vertreten haben und wo wir die eigentliche Macht unseres Staates, die Landmacht, nicht anders hinbringen können«5. Zwar verschob sich diese strategische Grundausrichtung ab Mitte der 1880er Jahre, als das Offensivvermögen der Flotte primär gegen Russland und Frankreich, ab 1897 dann gegen Großbritannien gerichtet wurde, dennoch blieben der Schutz und die Vertretung deutscher Interessen in Übersee bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ein zentrales Wirkungsfeld der Kaiserlichen Marine. 1. Forschungsstand und Quellenlage zur Rolle der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Außenpolitik in Übersee Angesichts der Transformation der Deutschen Marine hin zu einer »Expeditionary Navy« sollte man meinen, dass sich die marinehistorische Forschung in Deutschland spätestens seit der Wiedervereinigung verstärkt mit den Out-of-Area-Einsätzen früherer deutscher Marinen in Friedenszeiten befasst, namentlich der Kaiserlichen Marine. Doch das ist nicht der Fall. Obwohl die Kaiserliche Marine vor allem in den ersten dreißig Jahren ihres Bestehens eine rege Auslandstätigkeit ausübte und die an sie gestellten politisch-militärischen Anforderungen bei Auslandseinsätzen in mancherlei Hinsicht mit den heutigen vergleichbar sind6, ist ihre Rolle als Instrument der deutschen Außenpolitik in Übersee bislang nicht hinreichend untersucht und analysiert worden. Dabei ist die Quellenlage exzellent, denn die Aktenbestände der Kaiserlichen Marine sind relativ geschlossen überliefert. Sie zählen zu den am besten erhaltenen Aktenbeständen aller kaiserlichen Reichsbehörden. Darauf hat bereits Mitte der 1970er Jahre Gert Sandhofer, der damalige Direktor des Bundesarchivs-Militär5

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Denkschrift betreffend die Entwicklung der Kaiserlichen Marine und die sich daraus ergebenden materiellen und finanziellen Forderungen (Flottengründungsplan), zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 29 (1873), S. 236-246, Anlage 50, hier S. 237. Für Stosch war es nicht nur aus politischen, sondern auch aus militärischen Gründen geboten, dass sich die Kaiserliche Marine zumindest in den Anfangsjahren auf die Vertretung deutscher Interessen in Übersee konzentrierte. »Wir brauchen Schiffe, die geeignet sind, die Handelsflotte auch offensiv sichern zu können«, schrieb er Anfang Dezember 1871 an seinen Freund Gustav Freytag, »und die Geschwader, die wir mit Polizeizwecken in fernen Gestaden stationieren, müssen auch solche Schiffe enthalten. Die großen Schlachtschiffe aber halte ich für unsre Verhältnisse noch für fehlerhaft oder überflüssig, denn wir können noch lange nicht berufen sein, eine Seeschlacht zu schlagen.« Zitat aus: Stosch an Freytag, 3.12.1871, zit. in: Stosch, Denkwürdigkeiten, S. 271 f., hier S. 272. Einige Autoren haben bereits konkrete Vergleiche vorgenommen. Der Historiker Thomas Morlang beispielsweise verglich den Einsatz deutscher Kriegsschiffe am Horn von Afrika im Rahmen der NATO-Operation »Enduring Freedom« seit 2002 mit der Tätigkeit deutscher Kriegsschiffe während der Blockade der ostafrikanischen Küste 1888/89, und Heinrich Walle sah gewisse Analogien zwischen dem Ostasiatischen Kreuzergeschwader und dem Ständigen NATO-Verband im Nordatlantik (Standing Naval Force Atlantic, seit Anfang 2005 Standing NATO Response Force Maritime Group 1). Vgl. Thomas Morlang, Ein Schlag ins Wasser. Schon einmal, 1888/89, überwachte Deutschlands Marine im Namen der Freiheit die ostafrikanische Küste. In: Die Zeit, 57 (2002), 4, S. 86; Walle, Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien 1897 bis 1914, S. 54 f.

I. Einleitung

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archivs, hingewiesen: »Seine Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung liegt in der Geschlossenheit des Aktenbestandes über einen Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945«, konstatierte er. »Zu betonen ist, daß die Marine bis 1918 als einzige Streitkraft eine Reichsinstitution war, und die Archivalien daher Einblicke in die Innen- und Außenpolitik des Reiches ermöglichen7.« Sandhofer würdigte auch den hohen Quellenwert der Marineakten für die Imperialismusforschung und die deutsche Überseegeschichte: »Hier wird man zu neuen Erkenntnissen über das Zeitalter des Imperialismus und den Machtbegriff gelangen können. Untersuchungen über Bismarck und den Imperialismus«, prognostizierte er, »werden künftig ohne Benutzung der im Bundesarchiv-Militärarchiv verwahrten Überlieferung der Kaiserlichen Marine kaum noch zu neuen Erkenntnissen führen können8.« Allerdings ist dieses Potenzial in den letzten knapp vierzig Jahren nur rudimentär genutzt worden. Seit der Selbstversenkung der deutschen Hochseeflotte in Scapa Flow am 21. Juni 1919 und der fast gleichzeitigen Memoirenveröffentlichung ihres Schöpfers, Großadmiral Alfred von Tirpitz9, hat sich die historische Forschung über die Kaiserliche Marine vor allem einem Thema gewidmet: dem Schlachtflottenbau ab Ende der 1890er Jahre sowie seinen Ursachen und Folgen10. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Von Anfang an galt der Schlachtflottenbau als eine der Primärursachen für die Herausbildung des deutsch-britischen Gegensatzes. Daraus resultierte ein maritimes Wettrüsten zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich, das als modellhaft für alle modernen Rüstungswettläufe gilt. Zudem bildete der sogenannte Tirpitz-Plan den Kern der von außen unkalkulierbar und chaotisch anmutenden deutschen Weltpolitik, die maßgeblich zu jenen Spannungen beitrug, die zum Ersten Weltkrieg führten. Aus diesen Gründen schien die historische Erforschung des Schlachtflottenbaus in vielerlei Hinsicht als vielversprechend und aufschlussreich, nicht nur im Hinblick auf außen- und militärpolitische Fragestellungen, sondern auch im Hinblick auf Erkenntnisse über allgemeine gesellschaftliche und politische Strukturen im wilhelminischen Deutschland. Bis heute steht die historische Forschung über die Kaiserliche Marine unter dem Primat der Tirpitzschen Flottenrüstung, so dass es außerhalb dieses Themenkreises nur wenige historische Studien gibt.

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Sandhofer, Von der preußisch-deutschen Militärgeschichtsschreibung zur heutigen Militärgeschichte, S. 60. Zur Überlieferungsgeschichte der Marineakten siehe neuerdings: Wiechmann, Die Überlieferungsgeschichte amtlicher Quellen zur deutschen Schifffahrts- und Marinegeschichte ab 1848 in staatlichen Archiven. Sandhofer, Die Überlieferung der Kaiserlichen Marine, S. 308. Tirpitz, Erinnerungen. Über diesen fundamentalen Umschwung in der deutschen Marinepolitik gibt es eine gewaltige Menge Literatur. Hier sei deshalb in erster Linie auf folgende, wichtige Werke verwiesen: Berghahn, Der Tirpitz-Plan; Besteck, Die trügerische »First Line of Defence«; Brézet, Le plan Tirpitz; Deist, Flottenpolitik und Flottenpropaganda; Epkenhans, Die wilhelminische Flottenrüstung 1908-1914; Hobson, Maritimer Imperialismus; Kaulisch, Alfred von Tirpitz und die imperialistische deutsche Flottenrüstung; Kelly, Tirpitz and the Imperial German Navy; Rödel, Krieger, Denker, Amateure; Salewski, Tirpitz; Steinberg, Yesterday’s Deterrent.

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I. Einleitung

Den einzigen Gesamtüberblick über die Auslandstätigkeit der Kaiserlichen Marine bietet bislang die 1981 von Willi Boelcke publizierte Studie »So kam das Meer zu uns. Die preußisch-deutsche Kriegsmarine in Übersee 1822 bis 1914«11. Boelcke verknüpfte seine Darstellung bewusst mit einer umfangreichen Quellendokumentation, um die historische Forschung zu diesem Themenkomplex zu stimulieren. Auch wenn ihm das nicht gelungen ist, so bildet sie doch weiterhin den »starting point for future studies dealing with this period [of the German navy’s overseas activities]«12 – das bleibt sein großes Verdienst. Neben Boelckes Studie gibt es nur zwei prägnante, schlaglichtartige Überblicke zum Thema von Walther Hubatsch und Wilhelm Widenmann aus den 1940er Jahren13. Unter den zahlreichen allgemeinen Darstellungen zur deutschen Marinegeschichte finden sich nur wenige, die sich auch dafür eignen, einen profunderen Eindruck von der Auslandstätigkeit der Kaiserlichen Marine zu gewinnen. Hervorzuheben sind hier vor allem die Abhandlung über »Deutsche Marinegeschichte« von Eberhard von Mantey und der Handbuchbeitrag »Die deutsche Flottenrüstung von Wallenstein bis Tirpitz« von Wolfgang Petter14. Zu nennen sind ferner, trotz einiger inhaltlicher Schwächen, die von Hans Hildebrand, Albert Röhr und Hans-Otto Steinmetz herausgegebenen Biografien deutscher Kriegsschiffe15. Den einzigen fundierten Überblick über die wissenschaftlichen Expeditionen deutscher Kriegsschiffe in überseeische Gewässer vor dem Ersten Weltkrieg bietet derzeit ein Aufsatz von Axel Grießmer16. Relativ gut erforscht ist bislang nur die Auslandstätigkeit der Kaiserlichen Marine von 1872 bis 1883, als sie unter der Führung des Generals Albrecht von Stosch stand. Wolfgang Petter hat sich 1975 als erster umfassend diesem Thema im Rahmen seiner Dissertation über »Die Stützpunktpolitik der preußisch-deutschen Kriegsmarine 1859-1883« gewidmet17. Wenige Jahre später untersuchte Jörg Duppler die deutsch-britischen Marinebeziehungen zwischen 1848 und 1890, wobei er sich in diesem Kontext auch ausführlicher mit den Auslandseinsätzen der Marine unter Stosch und dessen Amtsnachfolger beschäftigte18. Vor Kurzem erst hat Dirk Sieg eine exzellente Studie über die »Ära Stosch« vorgelegt, die sich unter anderem intensiv mit der Rolle der deutschen Seestreitkräfte in dieser Zeit als Instrument der deutschen Außenpolitik befasst19. Anhand von zahlreichen Beispielen vermittelt er ein facettenreiches Bild vom politischen Dienst der deutschen

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Boelcke, So kam das Meer zu uns; siehe auch: Boelcke, Die Marine. Bird, German Naval History, S. 373. Hubatsch, Auslandsflotte und Reichspolitik (1944), S. 130-153; Wilhelm Widenmann, Besondere Missionen der preußisch-deutschen Kriegsmarine bis zum Beginn des Weltkrieges 1914-1918. In: Nauticus, 24 (1941), S. 98-122. Hubatsch publizierte elf Jahre später eine überarbeitete Fassung seines Aufsatzes in einem Sammelband über die Ära Tirpitz. Vgl. Hubatsch, Auslandsflotte und Reichspolitik (1955), S. 25-51. Mantey, Deutsche Marinegeschichte; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 1-262. Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe. Grießmer, Die Kaiserliche Marine entdeckt die Welt. Petter, Die überseeische Stützpunktpolitik. Duppler, Der Juniorpartner. Sieg, Die Ära Stosch.

I. Einleitung

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Kriegsschiffe in ausländischen Gewässern, bei dem repräsentative Aufgaben und Einsätze aus der Kategorie Kanonenbootpolitik überwogen. In der Ära Stosch trugen dauerhaft in Übersee stationierte, meist kleinere Kriegsschiffe die Hauptlast der Auslandseinsätze. Bei der Organisation des Auslandsdienstes orientierte sich Stosch am britischen Konzept der Auslandsstationen20, ebenso wie die meisten anderen Seemächte in dieser Zeit. Auslandsstationen waren »festumrissene außerheimische Seegebiete, in denen das Deutsche Reich (oder eine andere Seemacht) seine Interessen ständig durch Kriegsschiffe ohne feste Stützpunkte vertreten ließ«21. Im Flottengründungsplan von 1873 waren zunächst nur zwei Auslandsstationen definiert, die Ostasiatische und die Westindische Station22. Doch infolge der stetig wachsenden Anforderungen an die Kaiserliche Marine zur Wahrung und Durchsetzung deutscher Interessen in Übersee kamen in den darauf folgenden Jahren mehrere neue Stationsgebiete hinzu. Mitte der 1880er Jahre hatte sich schließlich eine Einteilung herausgebildet, die bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges Bestand haben sollte, auch wenn nicht alle Auslandsstationen tatsächlich jederzeit mit Kriegsschiffen besetzt waren. Insgesamt unterteilte die Admiralität die außereuropäischen Seegebiete in sechs Zonen: Asien, Australien, Westamerika, Ostamerika, Westafrika und Ostafrika23. Es gibt bislang keine Studie über die Organisation des Auslandsdienstes der Kaiserlichen Marine, auch fehlen Gesamtdarstellungen über die Tätigkeit der Kriegsschiffe auf den einzelnen Auslandsstationen. Allerdings sind in den letzten Jahren einige Untersuchungen publiziert worden, die sich Teilaspekten dieses Themenkomplexes widmen. Michael Salewski veröffentlichte 1998 einen Aufsatz über »Die preußische und die Kaiserliche Marine in den ostasiatischen Gewässern«, in dem er das maritim-militärische Interesse sowohl Preußens als auch des Deutschen Reiches an Ostasien unter dem Aspekt der Stützpunktfrage analysiert24. Einige Jahre später legte Cord Eberspächer eine hervorragende Dissertation über »Die deutsche Yangtse-Patrouille«25 vor. Sie ist bis heute die einzige umfassende Studie über die deutsche Kanonenbootpolitik in China vor dem Ersten Weltkrieg. Von den zahlreichen Arbeiten, die sich mit den deutsch-chinesischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigen, enthalten nur wenige substanziellere Informationen über die Tätigkeit der ostasiatischen Stationäre. Hervorzuheben ist hier vor allem die Studie von Udo Ratenhof über »Die Chinapolitik des Deutschen 20

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Auf dieses Konzept hatte auch schon die Norddeutsche Bundesmarine zurückgegriffen. Vgl. Gesetz betreffend den außerordentlichen Geldbedarf des Norddeutschen Bundes zum Zwecke der Erweiterung der Bundes-Kriegsmarine und der Herstellung der Küstenvertheidigung (Flottengründungsplan). In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Bd 4 (1867), S. 176-180, Anlage 106, hier S. 179. Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 37. Denkschrift betreffend die Entwicklung der Kaiserlichen Marine und die sich daraus ergebenden materiellen und finanziellen Forderungen (Flottengründungsplan), zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 29 (1873), S. 236-246, Anlage 50, hier S. 239. Admiralstabs-Karte der Auslandsstationen der Kaiserlichen Marine, o.D. [1901], BArch, RM 5/6079/K. Salewski, Die preußische und die Kaiserliche Marine in den ostasiatischen Gewässern. Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille.

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Reiches 1871 bis 1945«26. Im Jahre 2000 legte Gerhard Wiechmann die erste und bislang einzige Untersuchung zur deutschen Kanonenbootpolitik in Südamerika vor27. Anhand von ausgewählten Einsätzen zwischen 1866 und 1914 beleuchtet er die Rolle der in den südamerikanischen Gewässern stationierten deutschen Kriegsschiffe als Instrument der deutschen Außenpolitik. Interessante Aspekte zur Tätigkeit der Kaiserlichen Marine in Südamerika und der Karibik finden sich zudem in Monografien von Thomas Baecker, Ekkehard Böhm, Ragnhild Fiebig-von Hase und Holger Herwig sowie in zwei Aufsätzen von Göran Henriksson und Bodo Herzog28. Vor Kurzem erst hat Alexander Krug eine umfangreiche Dissertation über »Die deutschen Strafexpeditionen in den Kolonien der Südsee 1872-1914« publiziert. Zwar handelt es sich dabei um eine kolonialhistorische Studie, aber die Sicherung und Durchsetzung der deutschen Kolonialherrschaft in den SüdseeKolonien zählte zu den zentralen Aufgaben der australischen Stationäre. Somit leistet Krug einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Australischen Station. Darüber hinaus gibt es eine kommentierte Quellensammlung von Jürgen Tampke über »›Ruthless Warfare‹: German military planning and surveillance in the Australia-New Zealand region before the Great War«, die unter anderem einige nützliche Informationen über die Aufgaben und Tätigkeit der australischen Stationäre enthält29. Über den Einsatz deutscher Kriegsschiffe auf den Auslandsstationen im afrikanischen Seeraum liegen bislang keine speziellen Studien vor. Mit dem Amtsantritt von Generalleutnant Georg Leo von Caprivi als neuer Chef der Admiralität im März 1883 und dem Erwerb der ersten deutschen Kolonien wenige Monate später veränderten sich die Einsatzschwerpunkte der Marine. Im Auslandsdienst dominierte fortan für einige Jahre die Sicherung der überseeischen Schutzgebiete, wie Otto von Bismarck sie nannte. Ab Anfang der 1890er Jahre wurde die Marine dabei infolge der Aufstellung von Schutztruppen in den afrikanischen Kolonien entlastet, gleichwohl blieben kolonialpolizeiliche Tätigkeiten bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ein fester Bestandteil ihres Aufgabenspektrums. Obwohl Kolonial- und Überseegeschichte derzeit unter dem Etikett der transnationalen Geschichtsschreibung Konjunktur haben30 und in den letzten Jahren zahlreiche Studien zur deutschen Kolonialpolitik erschienen sind, gibt es – abgesehen von der bereits angeführten Dissertation von Alexander Krug – bislang nur 26 27

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Ratenhof, Die Chinapolitik des Deutschen Reiches 1871-1945. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2000). Eine teilweise stark gekürzte Fassung dieser Dissertation erschien zwei Jahre später im Bremer Hauschild-Verlag: Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002). Baecker, Die deutsche Mexikopolitik 1913/14; Böhm, Überseehandel und Flottenbau; Brunn, Deutschland und Brasilien; Hase, Lateinamerika als Konfliktherd; Henriksson, Den tyska marinen och Danska Västindien 1885-1900; Herwig, Germany’s Vision of Empire in Venezuela; Herzog, Die Rolle des Kleinen Kreuzers »Dresden« in den mexikanischen Wirren 1914. ›Ruthless Warfare‹. Einen Überblick über die derzeitigen Themen und Tendenzen der transnationalen Geschichtsforschung bieten: Transnationale Geschichte; Das Kaiserreich transnational. Ergänzend dazu siehe auch: Überseegeschichte; Globalgeschichte; Internationale Geschichte; Osterhammel, Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats.

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zwei Arbeiten, die sich mit der Rolle der Kaiserlichen Marine bei der Gründung und Sicherung des deutschen Kolonialreiches befassen. Im Jahre 1972 legte Albert Ganz an der Ohio State University seine Disseration über »The Role of the Imperial German Navy in Colonial Affairs« vor31. Er gibt darin einen Überblick über die Kolonialeinsätze der Kaiserlichen Marine, allerdings konzentriert sich seine Darstellung, anders als der Titel zunächst vermuten lässt, hauptsächlich auf die Besitzergreifung und Verwaltung Kiautschous. Dreißig Jahre nach Albert Ganz veröffentlichte Walter Nuhn eine Abhandlung über »Kolonialpolitik und Marine«32. Trotz seiner stellenweise fehlerhaften Darstellung bietet Nuhns Publikation einen guten Einstieg in die Thematik, zumal sie, ähnlich wie Boelckes Studie, eine umfangreiche Quellendokumentation enthält. Um sich einen ersten Überblick über das Thema zu verschaffen, eignen sich darüber hinaus auch die prägnante zeitgenössische Abhandlung von Paul Koch über »Die Marine und die Kolonien« sowie die entsprechenden Ausführungen in zwei jüngeren Arbeiten über die Kaiserliche Marine von Holger Herwig und Lawrence Sondhaus33. In den meisten kolonialhistorischen Studien wird die Rolle der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Kolonialpolitik kaum beleuchtet. Sie bleibt eher eine Randerscheinung, was primär daran liegen dürfte, dass es zu diesem Themenkomplex bislang kaum wissenschaftlich fundierte Untersuchungen gibt. Angesichts der rasch wachsenden Anforderungen an die Marine im Zuge der Kolonialpolitik war Caprivi gezwungen, mehr Kriegsschiffe als bisher nach Übersee zu entsenden. Anfangs behalf er sich mit ad hoc zusammengestellten Eingreifverbänden wie dem Westafrikanischen Geschwader (1884/85) und dem Ostafrikanischen Kreuzergeschwader34 (1885/86). Doch diese Vorgehensweise schwächte spürbar die Schlagkraft der Heimatflotte. Deshalb entschloss sich Caprivi schließlich, einen mobilen Eingreifverband unter der Führung eines Admirals aufzustellen, der in möglichst regelmäßigem Turnus die deutschen Schutzgebiete und alle anderen überseeischen Gewässer anlaufen sollte, wo deutsche Interessen zu vertreten waren: das Fliegende Kreuzergeschwader. Dieser Verband, der durchweg aus drei bis vier Kreuzerfregatten und Kreuzerkorvetten bestand, war von Januar 1886 bis April 1893 permanent als »Kolonialpolizei« und »Überseefeuerwehr« im Einsatz an den Küsten Afrikas, Asiens, Südamerikas, Australiens und der Südsee. Nach seiner Auflösung wurde nur wenige Monate später, Ende November 1894, im Zuge des Chinesisch-Japanischen Krieges ein ähnlich strukturierter Nachfolgeverband aufgestellt: die Kreuzerdivision in Ostasien, die infolge der Besetzung 31 32 33 34

Ganz, The Role of the Imperial German Navy in Colonial Affairs; siehe auch: Ganz, Colonial Policy and the Imperial German Navy. Nuhn, Kolonialpolitik und Marine. Koch, Die Marine und die Kolonien; Herwig, »Luxury« Fleet, S. 95-110; Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 153-158, 202-207. Die amtliche Bezeichnung dieses Verbandes lautete »Kreuzergeschwader«. Zur besseren Abgrenzung von den amtlich gleichnamigen Nachfolgeverbänden wird hier der Zusatz »ostafrikanisch« verwendet, da dieses Kreuzergeschwader ausschließlich in den ostafrikanischen Gewässern eingesetzt wurde. Dieses Prinzip gilt analog für die Zusätze »fliegend« und »ostasiatisch« bei dessen Nachfolgeverbänden.

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Kiautschous im Dezember 1897 zum sogenannten Ostasiatischen Kreuzergeschwader verstärkt wurde und bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges in den ostasiatischen Gewässern stationiert blieb, um die dortigen deutschen Interessen zu vertreten. Obwohl die Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine35 neben den Stationären die Hauptlast der Auslandseinsätze trugen und die schlagkräftigsten Verbände darstellten, die das Deutsche Reich dauerhaft in außereuropäischen Gewässern unterhielt, hat ihnen die historische Forschung bislang nur wenig Beachtung geschenkt. Einen knappen Überlick über ihre Aufgaben und Tätigkeit vermittelt ein 1981 von Heinrich Walle veröffentlichter Aufsatz über »Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien«36. Walle behandelt darin vor allem die Einsätze der Kreuzerdivision beziehungsweise des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders im Rahmen der Besitzergreifung Kiautschous 1897/98, des Spanisch-Amerikanischen Krieges 1898 und des Boxerkrieges 1900/01, skizziert aber auch kurz die Geschichte des Vorläuferverbandes. Eine inhaltlich ähnliche Darstellung enthält das erste Kapitel einer Publikation von Carl Dick über die Kämpfe und den Untergang des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders im Ersten Weltkrieg aus dem Jahre 191737. Über das Fliegende Kreuzergeschwader gibt es kaum wissenschaftliche Literatur. Zwar findet es in vielen kolonial- und regionalhistorischen Studien Erwähnung, doch meistens nur am Rande und ohne vertiefende Hintergrundinformationen. Allerdings werden einige seiner Auslandseinsätze in den bereits angeführten Studien von Willi Boelcke, Alexander Krug und Walther Nuhn behandelt38. Gerhard Wiechmann analysiert in seiner Dissertation den Einsatz des Verbandes im chilenischen Bürgerkrieg 189139. David Olivier skizziert in seiner Studie über »Staatskaperei: The German Navy and Commerce Warfare, 1856-1888« auf wenigen Seiten die Entscheidungshintergründe für die Aufstellung des Fliegenden Kreuzergeschwaders, geht jedoch auf dessen Einsatz in Übersee nicht weiter ein40. Etwas besser ist die Forschungslage hinsichtlich der Kreuzerdivision in Ostasien und des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. Zwar fehlt auch hier eine zusammenhängende Analyse und Darstellung über deren Rolle als Instrument der deutschen Außenpolitik, aber einige ihrer Einsätze sind bereits ausführlicher behandelt worden. Am besten untersucht ist sicherlich die Rolle der Kreuzerdivision 35

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Wenn im Verlauf der Untersuchung der Begriff »Kreuzergeschwader«, wie hier, im Plural verwendet wird, bezieht sich dieser, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer sowohl auf das Ostafrikanische, das Fliegende und das Ostasiatische Kreuzergeschwader als auch die Kreuzerdivision in Ostasien. Davon ausgenommen ist die sogenannte Ostamerikanische Kreuzerdivision (1902-1905), da diese ein ad hoc zusammengestellter Verband für eine lokal begrenzte Intervention in Venezuela war und in keinerlei Kontinuität zu den vorgenannten Verbänden stand; sie ist deshalb auch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Walle, Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien 1897 bis 1914, S. 32-60. Dick, Das Kreuzergeschwader, S. 1-22. Boelcke, So kam das Meer zu uns, passim; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«; Nuhn, Kolonialpolitik und Marine, passim. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 127-136. Olivier, Staatskaperei, S. 257-262. Oliviers Dissertation wurde 2004 unter anderem Titel vom Londoner Verlag Frank Cass publiziert. Vgl. Olivier, German Naval Strategy 1856-1888.

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bei der Besitzergreifung der Kiautschou-Bucht um die Jahreswende 1897/98. Hervorzuheben ist hier, neben der schon angeführten Dissertation von Albert Ganz41, vor allem die 2003 von Terrell Gottschall publizierte Biografie über den damaligen Chef der Kreuzerdivision, Admiral Otto von Diederichs. Er schildert darin die Besetzung Kiautschous auf der Grundlage von Diederichs’ Memoiren, Briefen und amtlichen Berichten42. Nennenswert ist zudem die Dissertation von Sang Su Jung über »Deutschland und das Gelbe Meer«, in der dieser prägnant die Entstehungsgeschichte des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders skizziert und dabei auch näher auf die Kiautschou-Aktion eingeht43. Relativ gut erforscht ist auch die Rolle des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders im spanisch-amerikanischen Krieg. Terell Gottschall hat sich damit ausführlich sowohl in seiner Dissertation als auch in seiner Diederichs-Biografie befasst44. Weniger gut untersucht worden ist hingegen der vom Chef des Kreuzergeschwaders koordinierte Einsatz der deutschen Seestreitkräfte während des Boxerkrieges. Das wichtigste Werk zu diesem Thema ist bis heute die im Jahre 1903 veröffentlichte, gründlich aufgearbeitete Darstellung des Admiralstabes über »Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901«45. Cord Eberspächer untersucht sowohl in einem Teilabschnitt seiner Dissertation als auch in einem Sammelbandbeitrag die deutschen Marineoperationen im Yangtse-Gebiet während der Intervention in China 1900/0146. Wolfgang Petter und Sang Su Jung haben sich mit dem Einsatz der Panzerdivision im Rahmen des Boxerkrieges auseinandergesetzt47. Unter dem Primat des Tirpitz-Plans fungierte das Kreuzergeschwader primär als »fleet-in-being«, das heißt es wirkte allein durch seine Präsenz und nicht durch Aktionen48. Zwischen 1901 und 1914 absolvierte es nur einen größeren Einsatz: die Niederschlagung eines Kolonialaufstandes auf der Karolinen-Insel Ponape 1910/11. Alexander Krug, Helmut Christmann und Thomas Morlang haben sich ausführlich mit diesem Thema beschäftigt49. Über die allgemeine Funktion des Kreuzergeschwaders im Rahmen der deutschen Weltpolitik von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges gibt es eine hervorragende

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Siehe Anm. 31 in diesem Kapitel; siehe außerdem: Ganz, The German Navy in the Far East and Pacific. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 131-180; siehe auch: Gottschall, ›Go for Them with a Mailed Fist‹. Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 128-143. Gottschall, Germany and the Spanish-American War; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 181-222. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901. Eberspächer, Die Operationen der Kaiserlichen Marine im Yangzigebiet; Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 103-132. Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 160-164; Petter, Die deutsche Marine auf dem Weg nach China. Zum Begriff und Konzept »fleet-in-being« siehe u.a.: Ruge, Seemacht und Sicherheit, S. 27 ff.; Till, Seapower, S. 173-177; Wallach, Kriegstheorien, S. 325 f. Christmann, Der Aufstand auf der Südseeinsel Ponape; Christmann, Der Aufstand auf Ponape (1910/11); Christmann, Zur Rolle der kaiserlichen Marine; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 313-347; Morlang, Rebellion in der Südsee.

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Dissertation und mehrere Aufsätze von Peter Overlack50. Dessen Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf einer Analyse der Operationspläne der Kaiserlichen Marine im pazifischen Raum. Im Vergleich zur Tätigkeit der Kreuzergeschwader in Friedenszeiten hat der Einsatz des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders im Ersten Weltkrieg größere Beachtung unter Historikern gefunden. Allerdings basieren die meisten Studien zum Thema großenteils auf dem amtlichen Werk über den Kreuzerkrieg, das der damalige Kapitän zur See Erich Raeder Anfang der 1920er Jahre als Mitarbeiter des Marine-Archivs verfasste51, so dass Gerhard Wiechmann mit Recht konstatiert, dass »die Forschung zur Kriegstätigkeit des Kreuzergeschwaders in den 1920er Jahren stehen geblieben [ist]«52. Zu nennen sind hier vor allem die Studien von Geoffrey Bennett, Robin Bromby, Paul Halpern und Keith Yates53. Auch François-Emmanuel Brézet, Diether Hülsemann und Peter Overlack greifen in ihrer Darstellung großenteils auf Raeders Werk zurück, berücksichtigen aber auch Quellenmaterial aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv wie etwa das offizielle Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders54. Bald jedoch könnte dieses Desiderat der Forschung behoben sein. Für den Herbst 2012 ist die Publikation von Andreas Leipolds Dissertation über »Die deutsche Seekriegsführung im Pazifik im Ersten Weltkrieg 1914-1915« angekündigt55. Etwas fragwürdig ist allerdings Leipolds Motivation für seine historische Forschung, denn er möchte durch diese Arbeit erklärtermaßen »auch in Deutschland das Bewusstsein für den Kampf in Übersee während des Ersten Weltkrieges wieder herstellen«56. 2. Untersuchungsgegenstand, Fragestellungen und Quellen Bei Beschäftigung mit der Auslandstätigkeit der Kaiserlichen Marine fällt rasch auf, dass ab Mitte der 1880er Jahre neben den Stationären das neugeschaffene Fliegende Kreuzergeschwader und dessen Nachfolgeverbände die Hauptlast der Auslandseinsätze trugen. Zwischen 1885 und 1914 waren sie das wichtigste und schlagkräftigste Instrument der Reichsleitung zur Wahrung und Durchsetzung deutscher Interessen in Übersee. Umso erstaunlicher ist, dass es bis heute keine einzige Arbeit gibt, in der ihre Rolle als Instrument der deutschen Außenpolitik untersucht und analysiert 50

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Overlack, Asia in German Naval Planning; Overlack, Australian Defence Awareness; Overlack, German Commerce Warfare Planning; Overlack, German Interest in Australian Defence 1900-1914; Overlack, German War Plans in the Pacific; Overlack, The Imperial German Navy in the Pacific 1900-1914; siehe auch: Overlack, Australian Reactions. Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern, Bd 1: Das Kreuzergeschwader. Wiechmann, Einleitung, S. 18 f. Bennett, Die Seeschlachten von Coronel und Falkland; Bromby, German Raiders of the South Sea; Halpern, A Naval History of World War I, S. 65-100; Yates, Graf Spee’s Raiders. Brézet, La Bataille du cap Coronel et des Falklands; Hülsemann, Die Versorgung des deutschen Kreuzergeschwaders 1914; Overlack, The Imperial German Navy in the Pacific 1900-1914, S. 230-249; Overlack, The Force of Circumstance. Leipold, Die deutsche Seekriegsführung im Pazifik in den Jahren 1914 und 1915 (2012). Leipold, Die deutsche Seekriegsführung im Pazifik in den Jahren 1914 und 1915 (2009), S. 14 f.

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wird. Die vorliegende Studie soll dazu beitragen, dieses Desiderat der Forschung zu beheben. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Auslandseinsätze der Kreuzergeschwader und der Kreuzerdivision zwischen 1885 und 1901. In dieser Zeit kulminierte die überseeische Tätigkeit der Kaiserlichen Marine infolge der deutschen Kolonialund Weltpolitik, wobei diese Verbände eine Schlüsselrolle spielten. Die Begrenzung des Untersuchungszeitraumes resultiert aus dem fundamentalen Funktionswandel des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders nach dem Ende des Boxerkrieges im September 1901. Von da an stand sein Einsatz gänzlich unter dem Primat des Tirpitz-Plans. Um den Schlachtflottenbau nicht zu gefährden, sollten Konflikte mit Großbritannien soweit wie möglich verhindert werden, deshalb fungierte der Verband fortan bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges überwiegend als »fleet-inbeing«. Ziel der Studie ist es, am Beispiel der Einsätze der Kreuzergeschwader die politisch-militärischen Praktiken zur Wahrung und Durchsetzung der deutschen Interessen in Übersee in der Phase des Hochimperialismus herauszuarbeiten und die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Gründe für diese Einsätze sowie deren militärische und politische Wirkung aufzuzeigen. In diesem Rahmen wird auch die Genesis und Praxis der großmannssüchtigen Erpressungspolitik des wilhelminischen Deutschlands gegen Großbritannien untersucht, die eng mit der Kolonialexpansion und der späteren Weltpolitik und somit teilweise auch dem Einsatz der Kreuzergeschwader verknüpft ist. Primär sollen folgende Fragen geklärt werden: 1. Welche Rolle spielten die Kreuzergeschwader im Rahmen der deutschen Kolonial- und Weltpolitik und konnten sie dieser gerecht werden? 2. Was waren die konkreten Auslöser ihrer überseeischen Einsätze? 3. Welche konkreten militärischen, politischen und wirtschaftlichen Ziele wurden mit den Einsätzen der Kreuzergeschwader in Übersee verfolgt? 4. Was waren die konkreten militärischen und politischen Ergebnisse dieser Einsätze? 5. Wie groß war der politisch-militärische Handlungsspielraum, den die Chefs der Kreuzergeschwader während der Einsätze besaßen? 6. Welchen Einfluss hatten und nahmen der Kaiser, der Reichskanzler, das Auswärtige Amt und die Marinebehörden auf die Einsatzplanung und laufende Einsätze? 7. Welchen Einfluss hatten und nahmen die lokalen (diplomatischen) Vertreter des Deutschen Reiches in überseeischen Staaten und Schutzgebieten auf den Einsatz der Kreuzergeschwader in ihrem Zuständigkeitsbereich? 8. Waren die Kreuzergeschwader primär ein militärisches oder ein politisches Instrument? 9. Welche Auswirkungen hatten die Erfolge und Misserfolge vor allem des Fliegenden Kreuzergeschwaders (1886-1893) im Rahmen überseeischer Einsätze auf den Wandel von der Caprivischen Gesamtstrategie über Hollmanns KreuzerkriegPläne bis hin zum Tirpitz-Plan?

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10. Lassen sich anhand der politisch-militärischen Praktiken, die beim Einsatz der Kreuzergeschwader angewendet wurden, Interventionsmuster und Eskalationsstufen bei der Durchsetzung der deutschen Interessen sowohl gegenüber den anderen Großmächten als auch gegen die Herrscher und Völker in Übersee nachweisen und wenn ja, welche? In den letzten Jahren ist in der Militärgeschichte mehrfach ein Theoriedefizit beklagt worden. Besonders deutlich artikulierte sich dies in dem 2000 publizierten, von Thomas Kühne und Benjamin Ziemann herausgegebenem Sammelband »Was ist Militärgeschichte?«, der sich zum Ziel gesetzt hat, der militärhistorischen Forschung in Deutschland »neue Impulse zur methodischen und konzeptionellen Standortbestimmung zu geben« und sie »auf diese Weise noch enger als bisher an die Fragestellungen, Theorien und Debatten in anderen Zweigen der Geschichtswissenschaften heranzuführen«57. Zwar zeigen die dort versammelten Beiträge einige interessante Gesichtspunkte für die zukünftige militärhistorische Forschung auf, aber es ist auffällig und symptomatisch, dass darin Militärgeschichte weitgehend auf die Erforschung der europäischen Landstreitkräfte in Kriegszeiten und im Rahmen der Kriegsvorbereitung reduziert wird. Zu Recht hat Cord Eberspächer bemängelt, dass »die Frage der Ausübung militärischer Macht durch die Marine in Übersee, dazu noch in Friedenszeiten ohne jede Komponente der Vorbereitung auf den Krieg, [...] nicht ins Blickfeld [kommt]«58. Dieser Befund gilt nicht nur für den besagten Sammelband, sondern letztlich für die deutsche Militärgeschichtsschreibung insgesamt59. Mit einem Theoriedefizit in der Militärgeschichte, das Sönke Neitzel zu Recht bezweifelt60, hat das jedoch nichts tun. Vielmehr leidet die Marinegeschichte in Deutschland immer noch daran, dass sie »ein inhaltliches und institutionelles Schattendasien«61 führt.

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Kühne/Ziemann, Militärgeschichte in der Erweiterung, S. 10. Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 29. Das gilt nicht nur für die aktuelle, sondern tatsächlich auch für die gesamte militärhistorische Forschung in Deutschland seit ihren Anfängen. Zur Geschichte der deutschen Militärgeschichtsschreibung siehe u.a.: Forschungen zur Militärgeschichte; Brühl, Militärgeschichte und Kriegspolitik; Geschichte und Militärgeschichte; Krumeich, Militärgeschichte für eine zivile Gesellschaft; Militärgeschichte in Deutschland und Österreich vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart; Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung; Perspektiven der Militärgeschichte. Speziell zur Geschichte der deutschen Marinegeschichtsschreibung siehe u.a.: Bird, German Naval History, S. 3-56; Epkenhans, »Clio« und die Marine; Rahn, Germany. Neitzel, Militärgeschichte ohne Krieg?, S. 295. Barth, Internationale Geschichte, S. 312. Boris Barth bezog diesen Befund auf die Überseegeschichte in Deutschland um die letzte Jahrhundertwende. Er gilt aber gleichermaßen für die heutige Marinegeschichte in Deutschland, was sich besonders deutlich anhand der vernachlässigten historischen Aufarbeitung der Tätigkeit deutscher Marinen in Übersee manifestiert. Ähnliches lässt sich zudem für die Schifffahrtsgeschichte beziehungsweise »Maritime History« in Deutschland konstatieren, wie jüngst Ingo Heidbrink dargelegt hat. Vgl. Heidbrink, Maritime History/ Schifffahrtsgeschichte.

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Anders als beispielsweise in Großbritannien und in den USA62 gibt es in Deutschland bis heute keine universitäre Institution, die sich schwerpunktmäßig mit Marinegeschichte beschäftigt63. Im Militärgeschichtlichen Forschungsamt hat sie zwar einen festen Platz, was nicht zuletzt durch die Berufung des Marinehistorikers Michael Epkenhans zum Leiter der Abteilung Forschung im Februar 2009 unterstrichen wurde, aber die Einsätze deutscher Seestreitkräfte in Übersee werden auch dort noch nicht systematisch aufgearbeitet64. Allerdings gibt es Ansätze, dies zu ändern, zumindest hinsichtlich der Deutschen Marine seit 1990, und zwar im Rahmen des im Sommer 2010 unter der Leitung von Bernhard Chiari begonnenen Forschungsprojekts »Einsatzarmee Bundeswehr«. Auch die diversen Vereine und privaten Organisationen, die sich marinehistorischen Themen widmen65, beschäftigen sich nur selten mit den Einsätzen deutscher Kriegsschiffe in Übersee66. Lediglich auf der Historisch-Taktischen Tagung der Flotte, die jährlich von der Flottenführung organisiert und durchgeführt wird, werden hin und wieder überseeische Einsätze deutscher und anderer Marinen analysiert, allerdings ausschließlich unter applikatorischen Aspekten67. So beschäftigte sich beispielsweise die Tagung im Januar 2009, die unter dem Leitgedanken »Bedeutung der Sicherheit zur See für 62

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Zu nennen sind hier vor allem die »Naval History Unit« des »Department of War Studies« am King’s College in London und das »Centre for Maritime Historical Studies« an der Universität Exeter, das unter anderem einen Masterstudiengang in »Naval History« anbietet. Außerdem verfügt die Universität Cambridge über eine Professur für »Imperial and Naval History«. In den USA konzentriert sich die marinehistorische Forschung zwar am »Center for Naval Warfare Studies« des »United States Naval War College« und am »Naval History and Heritage Command«, beides Einrichtungen der US-Marine, aber darüber hinaus gibt es auch einen Lehrstuhl für »Military and Naval History« an der Historischen Fakultät der Universität Yale. Es ist bezeichnend, dass der einzige Lehrstuhl für Militärgeschichte in Deutschland am Historischen Institut der Universität Potsdam derzeit (Sommersemester 2012) nicht einmal einen Mitarbeiter hat, der sich schwerpunkmäßig mit Marinegeschichte beschäftigt, und dort aktuell nur ein marinehistorisches Dissertationsprojekt angesiedelt ist über »Deutsche Flottenpolitik im Ersten Weltkrieg«. Vgl. dazu die Website des Lehrstuhls für Militärgeschichte am Historischen Institut der Universität Potsdam unter: http://www.uni-potsdam.de/db/geschichte/ index.php?ID_seite=12&ID_professur=6 [6.5.2012]. Die jüngsten marinehistorischen Studien des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes befassen sich fast ausnahmslos mit den Themen Seestrategie, Seemacht und Seekrieg sowie Entwicklungsgeschichte der deutschen Marine, wobei die überseeische Dimension fast vollständig ausgeblendet wird. Vgl. u.a. Besteck, Die trügerische »First Line of Defence«; Seemacht und Seestrategie im 19. und 20. Jahrhundert; Skagerrakschlacht; Hobson, Maritimer Imperialismus; Deutsche Marinen im Wandel; Sander-Nagashima, Die Bundesmarine 1950 bis 1972; Wolz, Das lange Warten. Zu nennen sind hier vor allem das Deutsche Marine-Institut e.V., die Deutsche Gesellschaft für Schifffahrts- und Marinegeschichte e.V. (DGSM), der Deutsche Marinebund e.V. und Wissenschaftliches Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte GmbH von Professor Peter Tamm. Eine nennenswerte Ausnahme ist das im November 2001 von der DGSM-Regionalgruppe Wilhelmshaven veranstaltete »3. Forum Wilhelmshaven zur Marine- und Schifffahrtsgeschichte« mit dem thematischen Schwerpunkt »Auslandseinsätze deutscher Kriegsschiffe im Frieden«, an dem auch einige Marinehistoriker, darunter Cord Eberspächer, Gerhard Wiechmann und Wolfgang Petter, teilgenommen haben. Die Beiträge dieser Tagung wurden zwei Jahre später in einem Sammelband publiziert. Vgl. Auslandseinsätze. Siehe u.a. folgende Tagungsbände: Asymmetrien in der Seekriegsführung; Der Einsatz von Seestreitkräften im Dienst der Auswärtigen Politik; Die Flotte im Einsatz; Der Prozess der Globalisierung. Eine Übersicht zu den ersten 50 HiTaTa bietet: Von den Historikern für die Flotte, bes. S. 89-110 und S. 139-198.

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freien Handel und politische Handlungsfähigkeit« stand, primär mit der Bekämpfung von Piraterie in Geschichte und Gegenwart68. Infolge des institutionellen Defizits gibt es bis heute nicht einmal ansatzweise eine systematische Aufarbeitung der deutschen Marinegeschichte der Kaiserzeit, so dass Marinehistoriker hier in vielen Themenbereichen, sofern sie sich nicht mit dem Tirpitzschen Schlachtflottenbau beschäftigen, oftmals noch Grundlagenforschung leisten müssen. Auch die vorliegende Studie leistet in vielerlei Hinsicht Grundlagenforschung, weil, wie bereits dargelegt, die historische Forschung über die Rolle der Kaiserlichen Marine als Instrument der deutschen Außenpolitik in Übersee noch ganz am Anfang steht und die Geschichte der Kreuzergeschwader bislang nur sehr bruchstückhaft aufgearbeitet und erforscht worden ist. Methodisch-theoretisch ist die Untersuchung im Bereich politische Militärgeschichte zu verorten, wobei primär ein klassischer, »auf die Akteure und ihre Interaktion zentrierter Ansatz«69 verfolgt wird. Im Fokus stehen neben den Protagonisten der Reichsleitung, hier namentlich vor allem der Kaiser, der Reichskanzler, der Staatssekretär des Äußeren und die Leiter der Marinebehörden, in erster Linie die Chefs der Kreuzergeschwader und die deutschen diplomatischen Vertreter vor Ort, das heißt die »men on the spot«, deren Bedeutung man »für die europäische Expansion ohnehin oft höher einschätzen muss als die Rolle der mutterländischen politischen Zentrale«70. Die Analyse der zahlreichen überseeischen Flottendemonstrationen und Kampfeinsätze, welche die Kreuzergeschwader während des Untersuchungszeitraumes absolviert haben, sowie der Blockade der ostafrikanischen Küste 1888/89 erfolgt primär unter operationsgeschichtlichen und machtsoziologischen Aspekten. Ansatzpunkte bieten hier vor allem Michael Mann mit seiner These von der »Autonomie militärischer Macht« und Heinrich Popitz mit seiner Phänomenologie der Macht sowie Trutz von Trotha mit seiner Typologie der Kolonialkriege71. Die Untersuchung basiert großenteils auf Beständen im BundesarchivMilitärarchiv in Freiburg. Benutzt wurden vor allem die fast vollständig überlieferten Bordakten des Kreuzergeschwaders, die fragmentarisch erhaltenen Akten der Auslandsstationen72 und Akten der obersten Marinebehörden, das heißt der Admiralität, des Marinekabinetts, des Reichsmarineamts, des Oberkommandos der Marine und des Admiralstabes. Von besonderem Interesse waren die amtlichen Berichte der Geschwaderchefs mit den dazugehörigen Anlagen, die regelmäßig an die Kommandobehörde in der Heimat übermittelt werden mussten. Sie enthalten detaillierte Informationen über sämtliche Aspekte der Geschwadertätigkeit und des 68 69 70 71 72

Die Beiträge sind abgedruckt in: Sicherheit zur See. Dülffer, Militärgeschichte als politische Geschichte, S. 135. Reinhard, Kleine Geschichte des Kolonialismus, S. 4. Mann, Geschichte der Macht, Bd 3/1, S. 249-294; Popitz, Phänomene der Macht; Trotha, Formen des Krieges, S. 79-93. Dabei handelt es sich nicht um die Stationsakten selbst, die im Ersten Weltkrieg verloren gingen, sondern um Akten zu den Auslandsstationen, die von den Heimatbehörden geführt wurden. Im Jahre 1919 sonderte die Marineleitung einen Großteil dieser Akten aus und ließ sie vernichten. Die entstandenen Verluste können jedoch, wie schon Walther Hubatsch Ende der 1950er Jahre zu Recht konstatierte, problemlos durch andere Bestände kompensiert werden. Vgl. Granier/Henke/ Oldenhage, Das Bundesarchiv und seine Bestände, S. 289; Hubatsch, Der Admiralstab, S. 9.

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Dienstbetriebes an Bord der Kriegsschiffe sowie politische, militärische und wirtschaftliche, aber auch geografische, hydrografische und meteorologische Informationen über die Einsatzregionen. Als sehr ergiebig erwiesen sich zudem diverse Nachlässe von hochrangigen Marineoffizieren, vor allem von den Admiralen Eduard von Knorr, Otto von Diederichs und Gustav Freiherr von Senden-Bibran. Darüber hinaus wurden Bestände aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes und aus dem Bundesarchiv in Berlin herangezogen. Im Bundesarchiv lag hierbei das Hauptaugenmerk auf Akten der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, die dem Bestand des Reichskolonialamtes zugeordnet sind. Von besonderem Interesse war die amtliche Korrespondenz der Konsuln und Gesandten, in deren Zuständigkeitsbereich die Kreuzergeschwader operierten. Zusätzlich zu den archivalischen Quellen wurden auch umfassend zeitgenössische Zeitschriften, Presseberichte und Memoiren sowie Reichstagsprotokolle ausgewertet. Die Studie ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird die Rolle des Fliegenden Kreuzergeschwaders und seiner unmittelbaren Vorläuferverbände, des Westafrikanischen Geschwaders und des Ostafrikanischen Kreuzergeschwaders, im Rahmen der Bismarckschen Außenpolitik zwischen 1884 und 1890 analysiert. Alle drei Verbände fungierten primär als Instrument zur militärischen Sicherung der deutschen Schutzgebiete. Nach Bismarcks Entlassung verfolgte die Reichsleitung einen »Neuen Kurs« in der deutschen Außenpolitik, was sich auch auf den Einsatz des Fliegenden Kreuzergeschwaders auswirkte. Nach dessen Auflösung im April 1893 stellte sie nur wenige Monate später mit der Kreuzerdivision einen neuen Verband in Übersee auf, der allerdings fest in Ostasien stationiert wurde. Im zweiten Teil der Studie wird die Rolle dieser beiden Verbände im Rahmen der Außenpolitik des »Neuen Kurses« zwischen 1890 und 1897 untersucht. Die Besetzung Kiautschous im November 1897 durch die Kreuzerdivision, die anschließend zum Ostasiatischen Kreuzergeschwader verstärkt wurde, markiert den Beginn der deutschen Weltpolitik. In deren Sturm-und-Drang-Periode, die bis Ende 1901 andauerte, spielte der Verband eine Schlüsselrolle. Diese wird im dritten und letzten Teil der Studie analysiert. 3. Allgemeine Erläuterungen Zwar verwenden Historiker, Politikwissenschaftler und Journalisten bis heute häufig den Begriff Kanonenbootpolitik respektive Kanonenbootdiplomatie, doch erstaunlicherweise ist er noch nicht allgemeingültig definiert worden73. In dieser Studie wird er gemäß der wohl griffigsten Definition von James Cable benutzt: »Gunboat diplomacy is the use or threat of limited naval force, otherwise than as an act of war, in order to secure advantages, or to avert loss, either in the furtherance of an international dispute or else against foreign nationals within the territory or jurisdiction of 73

Siehe dazu die entsprechenden Ausführungen in: Cable, Gunboat Diplomacy 1919-1991, S. 7-14; Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 18-22; Wiechmann, Die preußischdeutsche Marine in Lateinamerika (2000), S. 3-8.

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their own state74.« Folglich handelt es sich nicht um einen assoziativen Begriff, der an den Schiffstyp Kanonenboot gebunden ist und damit historisch wäre, sondern um einen universalen Begriff für begrenzte Aktionen maritimer Machtpolitik. Der Begriff Kolonialkrieg umfasst nach einer prägnanten Definition von Dierk Walter jede »an der kolonialen Peripherie in der Regel in den Formen des kleinen oder asymmetrischen Krieges ausgeübte Gewalt [...], die darauf zielt, neue Gebiete in ein expandierendes Wirtschaftssystem einzugliedern beziehungsweise diesen Zustand aufrechtzuerhalten«75. Dabei sind nach Trutz von Trotha zwei Arten von Kolonialkriegen zu unterscheiden: der begrenzte und der unbegrenzte oder genozidale Pazifizierungskrieg76. Zwar entsprechen sie in ihrer Ausformung meist den sogenannten Small Wars beziehungsweise Kleinen Kriegen77, sind aber mit solchen nicht gleichzusetzen. Die häufigste Art der Kolonialkriegführung in der Phase des Hochimperialismus war die zeitlich und räumlich begrenzte »Strafexpedition«78. Was den Begriff Intervention betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene Bedeutungen des Begriffes kursieren, sowohl für den eigenständigen Terminus als auch für den Ausdruck in Verbindung mit attributiven Adjektiven wie etwa humanitär, militärisch, politisch79. Im Rahmen dieser Studie bezeichnet der Begriff Intervention ausschließlich die imperiale Intervention, das heißt »die Aktionsform eines imperialen Zentrums gegenüber einer machtpolitischen Peripherie, die zumeist auch wirtschaftlich dem Zentrum unterge-

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Cable, Gunboat Diplomacy 1919-1991, S. 14. Walter, Warum Kolonialkrieg?, S. 20. Dierk Walter subsumiert den Begriff »Kolonialkrieg« wegen »der instinktiven und naheliegenden Bindung an das Phänomen und die Epoche formaler europäischer Kolonialherrschaft« richtigerweise unter dem Oberbegriff »Imperialkrieg«, den er definiert als den »Einsatz physischer Gewalt zur Durchsetzung der Eingliederung oder der Aufrechterhaltung der Einbindung peripherer Gebiete in das westlich geprägte Weltsystem, in der Regel repräsentiert durch ein europäisches oder europäisiertes Imperium«. Da die vorliegende Studie ein Thema aus der Phase des Hochimperialismus behandelt, wird im weiteren Verlauf nicht der extensive Begriff »Imperialkrieg«, sondern konsequent der in diesem Bezugsrahmen besser geeignete, weil spezifischere Begriff »Kolonialkrieg« benutzt. Zitate aus: Walter, Asymmetrien in Imperialkriegen, S. 17, 19. Vgl. ebd., S. 14-19; siehe auch: Walter, Imperialkrieg, S. 26 f.; Walter, Imperialkriege, S. 1-8; siehe außerdem: Kuß, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen, S. 14-19. Zu den Begriffen »begrenzter« und »unbegrenzter oder genozidaler Pazifizierungskrieg« siehe: Trotha, Formen des Krieges, S. 79-87; Trotha, Forms of Martial Power; Trotha, »The Fellows Can Just Starve«; Trotha, Genozidaler Pazifizierungskrieg. Zum Begriff des Kleinen Krieges, auch synonym bezeichnet als low-intensity conflict, asymmetrischer Krieg, Partisanen- oder Guerillakrieg, neuerdings zudem als postnationaler respektive neohobbesscher Krieg, siehe u.a.: Callwell, Small Wars, S. 21 f.; Creveld, Die Zukunft des Krieges, S. 45-55, 88-105; Etzersdorfer, Krieg, S. 105-113; Freudenberg, Theorie des Irregulären, S. 155-178; Hoch, Krieg und Politik im 21. Jahrhundert, S. 17-20; Trotha, Formen des Krieges, S. 87-93. Zum Themenkomplex Kleiner Krieg im Kontext der deutschen Kolonialkriegsführung siehe neuerdings: Wiechmann, Der Kleine oder »Asymmetrische« Krieg in deutschen militärischen und polizeilichen Konzepten von 1884 bis 1935. Trotha, Formen des Krieges, S. 79; siehe auch: Kuß, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen, S. 243-251. Siehe u.a.: Intervention in World Politics; Gerlach, Die Intervention; Hirschmann, Intervention, S. 259-266.

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ordnet ist«80. Bei imperialen Interventionen handelt es sich in der Regel um begrenzte (militärische) Aktionen einschließlich bestimmter Arten der Kolonialkriegführung, namentlich vor allem der Strafexpedition. Zur Klassifizierung von Kriegsschiffen, besonders Kreuzern, ist zunächst festzustellen, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Kriegsschiffbau die hölzernen Segelschiffe zunehmend durch Panzerschiffe mit Dampfantrieb ersetzt wurden. Dies hatte einen häufigen Wechsel bei der Klassifizierung von Kriegsschiffen zur Folge. Im Deutschen Reich kam noch hinzu, dass einige Schiffe aus marinepolitischen Gründen innerhalb einer bestehenden Klassifizierung teils mehrfach umklassifiziert wurden. Schon für die Zeitgenossen war es schwierig, hier stets den Überblick zu behalten, so dass in zeitgenössischen Publikationen nicht immer stringent die amtlichen Begriffe verwendet werden, was bisweilen zu Missverständnissen und Irritationen führen kann. Das gilt teilweise auch für die historische Fachliteratur. In der vorliegenden Untersuchung werden konsequent die amtlichen Begriffe für die Klassifizierung von Kriegsschiffen verwendet, die den Rang- und Quartierlisten der Kaiserlichen Marine zu entnehmen sind. Neben dem Kanonenboot81 und dem Aviso war der Kreuzer der am häufigsten in Übersee eingesetzte Kriegsschiffstyp, der auch Namensgeber der Kreuzergeschwader wurde. In Friedenszeiten bestand die Aufgabe von Kreuzern darin, »in den ihnen zugewiesenen Seegebieten die Macht- und Sicherheitsinteressen ihrer Herkunftsländer wahrzunehmen«, während sie im Krieg »vor allem zur Aufklärung, im Blockadedienst, zu Angriffen auf gegnerische Handelsschiffe und zum Schutz der eigenen Seeverbindungen eingesetzt [wurden]«82. Bei den Kreuzern, ebenso wie bei den anderen Kriegsschiffsgattungen, erfolgten in der Kaiserzeit mehrere Neuklassifizierungen. Anfangs gab es nur zwei Kreuzertypen: die Gedeckten und die Glattdeckskorvetten. Aus den Gedeckten Korvetten gingen 1884 die Kreuzerfregatten hervor. Dabei handelte es sich um ungepanzerte Vollschiffe aus Eisen oder Holz und Eisen mit zusätzlichem Dampfantrieb und geschlossenem Batteriedeck, die seit den 1850er Jahren bei verschiedenen Marinen eingesetzt wurden. Aus diesen entwickelten sich in den 1890er Jahren zunächst die Kreuzer I. und II. Klasse, um die Jahrhundertwende dann die Großen (Geschützten) Kreuzer beziehungsweise Panzerkreuzer mit einem Deplacement von mindestens 5500 Tonnen, die ebenso wie die Schlachtschiffe einen Vertikalpanzer (Panzergürtel) besaßen. Aus den Glattdeckskorvetten gingen 1884 die Kreuzerkorvetten hervor. Dabei handelte es sich um ungepanzerte Dreimastbarks oder -vollschiffe aus Holz oder Eisen oder aus Holz, Eisen und Stahl mit zusätzlichem Dampfantrieb, bei denen die gesamte Bewaffnung frei an Oberdeck stand. In den 1890er Jahren entwickelten sich aus den Kreuzerkorvetten und den Avisos die Kreuzer III. und IV. Klasse, um die Jahrhundertwende dann die Kleinen (Geschützten) Kreuzer

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Osterhammel, Krieg im Frieden, S. 293. Kanonenboote wurden bisweilen auch der Kriegsschiffsgattung Kreuzer zugerechnet. Vgl. Foß, Marine-Kunde, S. 185. Zitate aus: Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd 1, S. 396.

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und die Ungeschützten (Kleinen) Kreuzer mit einem Deplacement von maximal 5500 Tonnen, die einen Horizontalpanzer (Panzerdeck) besaßen83. Da es für die Klassifizierung von Kriegsschiffen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine internationalen Standards gab und de facto jede Kriegsmarine ihren eigenen »Standard« besaß, fiel es schon den Zeitgenossen schwer, den Gefechtswert einzelner Kriegsschiffe, Geschwader oder ganzer Flotten unterschiedlicher Nationen miteinander zu vergleichen84. Meist verglichen sie deshalb – ebenso wie manche Historiker – diejenigen Werte miteinander, die dem erwünschten Zweck am besten entsprachen: Besatzungsstärke, Anzahl der Schiffe, Armierung, Deplacement, Maschinenkraft, Baujahr etc. Im Verlauf dieser Studie wird sich zeigen, dass es zur Beurteilung des Gefechtswertes der Kreuzergeschwader im Vergleich zu den Seestreitkräften anderer Seemächte in dessen Operationsgebiet ein Schlüsselkriterium gibt: die Anzahl und Qualität der Panzerschiffe. Bis 1893 setzten die Deutschen ausschließlich veraltete, ungepanzerte Segelschiffe mit Dampfantrieb in Übersee ein, während die Briten und Franzosen ihre überseeischen Stationsgeschwader schon in den 1880er Jahren teilweise mit modernen Panzerschiffen ausrüsteten, denen jedes ungepanzerte Kriegsschiff im Gefecht hoffnungslos unterlegen war. Erst ab 1894, mit der Aufstellung der Kreuzerdivision in Ostasien, begann auch das Deutsche Reich sukzessiv Panzerschiffe in Übersee einzusetzen, doch war deren Anzahl bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges meist zu gering, um im Kriegsfall den Seestreitkräften anderer Seemächte in ihrem Operationsgebiet ernsthaft etwas entgegensetzen zu können. Zur Transkription nicht-lateinischer Namen und Ortsbezeichnungen ist Folgendes anzumerken: Die Schreibweise russischer Namen orientiert sich an der wissenschaftlichen Transliteratur, von Zitaten aus Quellen abgesehen. Die Transkription arabischer, japanischer, koreanischer, indigen-afrikanischer und indigen-pazifischer Ausdrücke, Ortsbezeichnungen und Personennamen erfolgt analog zu der in den Quellen und der zeitgenössischen Literatur am häufigsten verwendeten Umschrift, sofern es keine gültige deutsche Schreibweise gibt. Die Transkription chinesischer Ausdrücke, Ortsbezeichnungen und Personennamen entspricht der in den Quellen und der zeitgenössischen Literatur weit verbreiteten Umschrift nach dem WadeGiles-System. Ausgenommen sind einige Ortsnamen wie Kanton, Peking und Tsingtau, für die es eine bis heute gültige und oft verwendete deutsche Schreibweise gibt. Innerhalb der Zitate wurde die ursprüngliche Schreibweise beibehalten.

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Krieger, Das Kriegsschiff, S. 2-5; Olivier, Staatskaperei, S. 306 f.; Röhr, Handbuch der deutschen Marinegeschichte, S. 168 f. Siehe u.a.: Kretschmer, Bestimmung des Gefechtswerthes der Kriegsschiffe; Kretschmer, Zur Bestimmung des militärischen Werthes der Kriegsschiffe; Probst, Ein neues Verfahren zur Berechnung des Gefechtwertes von Kriegsschiffen.

II. Intervention und Kolonialpolitik (1884-1890) »Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik«1, konstatierte Otto von Bismarck Anfang 1881 und beschrieb damit eine wichtige Leitlinie seiner Außenpolitik, die seit der Reichsgründung ganz auf dem Prinzip der territorialen Saturiertheit des Deutschen Reiches basierte. Kolonien waren für ihn lediglich kostspielige Prestigeobjekte, »genau so wie der seidne Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben«2. Ihr Besitz würde das Deutsche Reich in Übersee angreifbar und somit zum Risiko für dessen europäische Sicherheit machen: »Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann, und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Weltteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, sobald es losgeht3.« Seine Strategie beim »Spiel mit den fünf Kugeln«, die Spannungen zwischen den Großmächten von der Mitte Europas an die koloniale Peripherie abzuleiten, so dass diese dort miteinander konfligieren und von einer Koalitionsbildung gegen das Deutsche Reich abgehalten würden, bedingte deutsche Zurückhaltung in überseeischen und kolonialen Fragen. Weshalb Bismarck dennoch am 24. April 1884 mit der Schutzerklärung für Angra Pequeña4 die deutsche Kolonialpolitik inaugurierte und innerhalb weniger Monate in Afrika und im Pazifik den Großteil des deutschen Kolonialreiches erwarb, war schon den verblüfften Zeitgenossen ein Rätsel und ist in der historischen Forschung bis heute umstritten. Unbestritten ist hingegen Bismarcks entschieden anti-koloniale Einstellung bis 18835, auch dass er nur wenige Monate nach dem Erwerb der ersten afrikanischen und pazifischen »Schutzgebiete« – ein eigens von ihm geschaffener Begriff, um die überseeischen Erwerbungen nicht als Kolonien bezeichnen zu müssen – kolonialmüde und schließlich sogar kolonialfeindlich wurde. Dafür gibt es zahlreiche Quellenbelege. Ungleich schwieriger nachzuweisen ist dagegen sein Hauptmotiv für den Eintritt in die Kolonialpolitik. Die einen vermuteten nationale Prestigegründe, andere verwiesen auf den zunehmenden Druck der erstarkenden Kolonialbewegung und der von ihr beeinflussten öffentlichen Meinung, dem Bismarck nachgegeben 1 2 3 4

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Zit. nach: Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 87. Zit. nach: Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 22. Zit. nach: Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 87. Angra Pequeña, später umbenannt in Lüderitzbucht, ist eine Hafenbucht im südwestlichen Afrika, die der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz Anfang Mai 1883 den dort ansässigen Einheimischen abgekauft hatte. Sie war die Keimzelle der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Die Schutzerklärung ist abgedruckt in: Quellen zu den deutsch-britischen Beziehungen 1815-1914, S. 58, Nr. 29. Hermann Hiery hat vor Kurzem versucht, diesen Befund zu relativieren. Vgl. Hiery, Der Kaiser, das Reich und der Kolonialismus, S. 165 f.

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habe, um den Ausgang der Reichstagswahlen 1884 in seinem Sinne zu beeinflussen. Eine dritte These besagt, die Kolonialpolitik sei in erster Linie auf erfolgreiche Lobbyarbeit von Bismarck nahestehenden Vertretern der deutschen Überseewirtschaft zurückzuführen. Aufgrund ihrer deutlich anti-britischen Ausrichtung meinten wieder andere, der Reichskanzler habe mit der Kolonialpolitik vor allem die »englische Partei« des liberalen Kronprinzenpaares politisch ausschalten wollen, um auch über den in Bälde erwarteten Tod des greisen Kaisers Wilhelm I. hinaus seine eigene Position wahren und eine Parlamentarisierung des Reiches verhindern zu können. Hans-Ulrich Wehler bündelte all diese innenpolitischen Nebenmotive und konstruierte daraus einen Primat der Innenpolitik, von dem er sich später jedoch distanzierte6. Als die wesentlichen Triebkräfte für Bismarcks Kolonialpolitik identifizierte Wehler wirtschaftspolitische und herrschaftssichernde Motive, aus denen er schließlich seine umstrittene Sozialimperialismus-Theorie7 ableitete8. Ohne Zweifel haben all diese Motive Bismarcks Entscheidung für den Eintritt in die Kolonialpolitik, infolgedessen auch den Einsatz der deutschen Seestreitkräfte in Übersee, mehr oder weniger stark beeinflusst, aber ausschlaggebend waren sie nicht. Aufgrund des episodenhaften Charakters der Kolonialpolitik ist, wie Klaus Hildebrand in seinem Standardwerk über die Außenpolitik des Deutschen Reiches ausführlich darlegt9, das maßgebliche Motiv (zunächst) auf einem anderen Feld zu suchen, das Bismarck in seinem Denken und Handeln immer bevorzugte: der Außenpolitik. Diese war stringent darauf ausgerichtet, die gerade erst errungene machtvolle Stellung des Reiches auf dem europäischen Kontinent zu bewahren und zu festigen. Beständige Gefahren dafür waren der französische Revanchismus und, seit Anfang der 1880er Jahre, der zunehmende relative Machtverlust im Verhältnis zu den anderen, global expandierenden Großmächten. Als im Februar 1883 mit Jules Ferry ein Verfechter französischer Weltpolitik die Regierung in Paris übernahm, sah Bismarck darin eine Chance, seinen außenpolitischen Handlungsspielraum wieder zu vergrößern: Er unterstützte Ferrys weltpolitische Ambitionen in der Hoffnung, dass »Siege in Tonkin und Madagaskar«10 den Franzosen die schmachvolle Niederlage von Sedan und den Verlust von Elsass-Lothringen erträglich machen würden. Gleichzeitig versuchte er mit den Franzosen, eine gegen Großbritannien gerichtete Kolonialentente zu bilden, um so das europäische durch 6 7

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Wehler, Geschichtswissenschaft heute, S. 735 f. Auf Wehlers Sozialimperialismus-Theorie und die darauffolgenden kontroversen Reaktionen kann im Rahmen dieser Studie nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu u.a.: Frie, Das Deutsche Kaiserreich, S. 43-56; Gutsche, Zur Imperialismus-Apologie in der BRD, S. 45-56; Hildebrand, Deutsche Außenpolitik 1871-1918, S. 87-98; Mommsen, Imperialismustheorien, S. 76-80; Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 29-46. Siehe u.a.: Baumgart, Bismarcks Kolonialpolitik; Baumgart, Einleitung; Baumgart, Warum erwarb Bismarck 1883/85 Kolonien für Deutschland?; Canis, Bismarcks Außenpolitik, S. 209-229; Conrad, Deutsche Kolonialgeschichte, S. 22-27; Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 51-62; Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 86-90; Kennedy, The Rise of the AngloGerman Antagonism 1860-1914, S. 167-178; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 56-77; Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 21-53; Strandmann/Smith, The German Empire in Africa, S. 709-722; Turner, Bismarck’s Imperialist Venture. Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 89 f. Zit. nach: Gall, Bismarck, S. 620.

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ein globales Gleichgewicht der Mächte zu ersetzen. In diesem Rahmen schien ihm das Ausgreifen nach überseeischem Territorialbesitz als das geeignetste, ja notwendige Mittel, um »der Mechanik des europäischen Staatensystems eine grundlegend neue Disposition zu geben«11. Der Zeitpunkt für die außenpolitische Initiative war gut gewählt: Die diplomatische Stellung des Reiches in Europa war durch das Dreikaiserbündnis und den Dreibund gesichert und Großbritanniens außenpolitischer Handlungsspielraum aufgrund erheblicher Spannungen mit Frankreich und Russland in Afrika und Zentralasien stark eingeschränkt. Hildebrands Erklärungsansatz, der in seiner Substanz auf Alan Taylors Studie »Germany’s First Bid for Colonies« aus dem Jahre 1938 zurückgeht12, ist plausibel, greift für sich allein genommen aber zu kurz. Bei dem Versuch, aus dem »Geflecht sich überschneidender Motive und Interessen«13 das Hauptmotiv der Bismarckschen Kolonialpolitik zu bestimmen, ist in der bisherigen Historiografie zumeist exklusiv argumentiert worden, was auch bei Hildebrand der Fall ist. Tatsächlich sind für Bismarck nicht nur die vorgenannten außenpolitischen, sondern auch gleichgewichtig ökonomische Motive ausschlaggebend gewesen. Insofern ist Volker Ullrichs Urteil zuzustimmen, dass es in der Frage der Kolonialpolitik »weder einen eindeutigen Primat der Innenpolitik noch eine klare Priorität der Außenpolitik«14 gab. Volkswirtschaftlich hoffte Bismarck, durch den Erwerb von Kolonien der »Großen Depression« Herr zu werden, die seit 1873 das Deutsche Reich stark belastete. Dabei setzte er – wie schon bei der gescheiterten Samoa-Vorlage im Jahre 1880 – ganz auf das Prinzip informeller Kolonialherrschaft, um das Reich nicht mit den Nachteilen eines formalen Kolonialismus zu belasten, wie ihn etwa die Franzosen betrieben, zumal Kolonialverwaltungen aus seiner Sicht »nur Vergrößerung des parlamentarischen Exerzierplatzes«15 bedeuteten. Sein ausdrückliches Ziel war »die Regierung kaufmännischer Gesellschaften, über denen nur die Aufsicht und der Schutz des Reiches und des Kaisers zu schweben hat«16. Demgemäß behandelte das Deutsche Reich seine eigenen Kolonien anfangs als Ausland17. Dieses Ideal jedoch war eine »Fata Morgana«, die ihn »Schritt für Schritt 11 12 13 14 15 16

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Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 91. Taylor, Germany’s First Bid for Colonies 1884-1885. Ullrich, Die nervöse Großmacht, S. 95. Ebd. Zit. nach: Mommsen, Das Ringen um den nationalen Staat, S. 514. Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd 13, S. 96 (Rede vom 28.11.1885). Etwas ausführlicher umriss Bismarck dieses Konzept in einer Reichstagsrede Ende Juni 1884, in der er unter anderem konstatierte: »Unsere Absicht ist, nicht Provinzen zu gründen, sondern kaufmännische Unternehmungen, aber in der höchsten Entwickelung, auch solche, die sich eine Souveränität, eine schließlich dem Deutschen Reich lehnbar bleibende, unter seiner Protektion stehende kaufmännische Souveränität erwerben, zu schützen in ihrer freien Entwickelung sowohl gegen die Angriffe aus der unmittelbaren Nachbarschaft als auch gegen Bedrückung und Schädigung von seiten anderer europäischer Mächte«. Zit. in: ebd., Bd 12, S. 481 (Rede vom 26.6.1884). Zimmermann, Kolonialpolitik, S. 44. Zur Problematik der staats- und völkerrechtlichen Stellung der deutschen Kolonien im Allgemeinen siehe: Grohmann, Exotische Verfassung, S. 92-95, 257 f.; Wagner, Die deutschen Schutzgebiete, S. 11-495. Zur Statusproblematik der überseeischen Gebiete im Rahmen der europäischen Expansion im Allgemeinen siehe: Fisch, Die europäische Expansion und das Völkerrecht.

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immer tiefer in den kolonialen Sumpf hineinlockte«18, aus dem er sich schließlich nicht mehr befreien konnte19. Zwischen dem 24. April 1884 und dem 27. Februar 1885 gewährte Bismarck mehreren privaten Unternehmen »Reichsschutz« für die von ihnen erworbenen Gebiete in Afrika und der Südsee. Grundsätzlich galt dabei, mit Einschränkungen auch für das ostafrikanische Schutzgebiet: Die Flagge folgt dem Handel, nicht umgekehrt. Zur Sicherung der Kolonien im westlichen Afrika ensandte Bismarck eigens einen Reichskommissar, den Afrikaforscher und bisherigen Generalkonsul in Tunis, Gustav Nachtigal, der im Mai 1884 mit dem Kanonenboot »Möwe« von Lissabon aus ins Zielgebiet aufbrach. Sein Auftrag lautete, im Togogebiet und in Kamerun Freundschafts-, Handels- und Protektoratsverträge abzuschließen, »durch welche die zur Ausübung wirksamen Schutzes deutscher Unterthanen erforderlichen Rechte erworben werden«20 sollten, und die bereits bestehenden Verträge zwischen deutschen Kaufleuten und Einheimischen zu bestätigen. Bismarck stellte ihm gegenüber ausdrücklich klar: »Die Einrichtung eines Verwaltungsapparats, der die Entsendung einer größeren Anzahl deutscher Beamten bedingen würde, die Errichtung ständiger Garnisonen mit deutschen Truppen und die Übernahme einer Verpflichtung des Reichs, den in solchen Gebieten sich ansiedelnden Deutschen und ihren Faktoreien und Unternehmungen auch während etwaiger Kriege mit größeren Seemächten Schutz zu gewähren, wird dabei nicht beabsichtigt21.« Nachtigal hisste am 5. Juli im Togogebiet und am 14. Juli in Kamerun die Flagge, wo er nur fünf Tage vor dem britischen Konsul Edward Hewett eintraf, der in gleicher Mission dorthin entsandt worden war. Hewett wurde deshalb von der britischen Presse fortan als »too late consul« verspottet. Am 7. August erfolgte die Flaggenhissung in Angra Pequeña, das Nachtigal erst zwei Monate später persönlich besuchen sollte, durch die Schiffskommandos der Kreuzerfregatten »Leipzig« und »Elisabeth«. Letztere segelte anschließend weiter in die Südsee und stellte die dortigen Schutzgebiete im November 1884 formal unter das Protektorat des Deutschen Reiches22. 18

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Zitate aus: Pflanze, Bismarck, Bd 2, S. 377. Dieses Bild ist einer Rede des Reichstagsabgeordneten Wilhelm Liebknecht (SPD) vom 4. März 1885 entlehnt, die Otto Pflanze allerdings nicht anführt. Darin heißt es, direkt an Bismarck gerichtet: »Sie zaubern vor die Augen des Volks eine Art Fata Morgana auf dem Sande und den Sümpfen Afrikas«. Zitat aus: Liebknecht, 4.3.1885. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 81, S. 1540 (Hervorhebung im Original). Engelbrecht, Bismarck, S. 300-313; Gall, Bismarck, S. 619-625; Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 86-94; Mommsen, Bismarck, das Europäische Konzert und die Zukunft Westafrikas; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 56-77; Pflanze, Bismarck, Bd 2, S. 370-396; Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit, S. 258-273; Taylor, Germany’s First Bid for Colonies 1884-1885, S. 1-15; siehe auch: Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 412-502. Bismarck an Nachtigal, 19.5.1884, zit. in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender, Bd 25 (1884), S. 423 ff., hier S. 423. Ebd. Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 79-94; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 36-43; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 273 f., 309-314.

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1. Koloniale Machtpolitik zwischen Konfrontation und Kooperation a) Entsendung des Westafrikanischen Geschwaders

Nachtigal hatte nach der Flaggenhissung in Kamerun seinen Begleiter Max Buchner als Interimsgouverneur dort zurückgelassen. Dieser quartierte sich in der Woermannschen Faktorei ein. Buchner befand sich in einer denkbar schwachen Position. Er verfügte über keinerlei effektive Machtmittel, um die deutsche Herrschaft durchzusetzen, und somit auch über keinerlei Autorität. Bei seinem Amtsantritt standen ihm lediglich »zwei Revolver, ein Drilling, ein Repetiergewehr und eine Kriegsflagge«23 zur Verfügung. Es dauerte nicht lange, bis es zu Übergriffen einiger indigener Stämme – motiviert durch britische Kaufleute und Diplomaten – auf ihn und die deutschen Händler kam. Unterdessen setzte Bismarck im Oktober 1884 die Gründung des Syndikats für Westafrika durch, ein Zusammenschluss der in Kamerun tätigen Unternehmen unter dem Vorsitz von Adolph Woermann, das nach seinem Willen die Verwaltung des westafrikanischen Schutzgebietes übernehmen sollte24. Als im Spätsommer 1884 die ersten Meldungen aus Kamerun über Angriffe und Überfälle auf deutsche Reichsangehörige im Auswärtigen Amt eintrafen, war Bismarck sofort klar, welche außen- und innenpolitische Brisanz darin lag. Deshalb entschloss er sich, rasch zu handeln. Mitte September fragte er den Chef der Admiralität, Georg Leo von Caprivi, »wie den unabweislichen Bedürfnissen der Situation genügt werden könnte«. Dieser teilte ihm mit, dass für einen Einsatz in Westafrika nur die Kreuzerfregatte »Bismarck« zur Verfügung stünde, vorausgesetzt diese würde von ihrem Auftrag entbunden, in Kürze nach Sansibar zu gehen und dort Vertrags- und Handelsverbindungen anzuknüpfen25. Angesichts ihrer »Dringlichkeit« räumte Bismarck den Aufgaben in Westafrika Priorität ein, aber nur, falls es tatsächlich nicht möglich sein sollte, ein anderes Kriegsschiff als die »Bismarck« dorthin zu entsenden und »in Zansibar und der Westküste von Afrika gleichzeitig die Flagge zu zeigen«. Dabei informierte er Caprivi, dass zukünftig auch in der Südsee dauerhaft ein Kriegsschiff stationiert werden müsse. Deutschlands Interessen seien dort »nicht minder bedeutend, wie in Westafrika«. Caprivi sagte zu, dass er in Kürze ein in Peru stationiertes Kriegsschiff, die Kreuzerkorvette »Marie«, abziehen und nach Samoa schicken werde; das Schiff verließ die Reede von Callao am 17. September26. Da zunächst kein Ersatz bereitgestellt werden 23 24 25 26

Buchner, Aurora colonialis, S. 84. Ebd., S. 104-185; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 178 f.; Steltzer, Die Deutschen und ihr Kolonialreich, S. 47-50; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 320 ff. Siehe dazu u.a.: Hatzfeldt an Caprivi (mit Anlage), 19.8.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 115-119; Caprivi an Hatzfeldt, 21.8.1885, ebd., Bl. 121 ff. Caprivi an den Kommandanten der »Marie«, 5.9.1884, BArch, R 1001/7121, Bl. 39 f.; Caprivi an den Kommandanten der »Marie«, 6.9.1884, BArch, RM 1/2715, Bl. 123; Kommandant der »Marie« an Caprivi, 3.11.1884, ebd., Bl. 148 f. Caprivi schrieb irrtümlich, dass die »Marie« von der Westafrikanischen zur Australischen Station abberufen sei – die »Marie« befand sich jedoch auf der Westamerikanischen Station, zudem wurde die Westafrikanische Station erst am 21. Januar

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konnte, musste Bismarck »vor der Hand und bis zur Ankunft eines anderen Schiffes« die amerikanische und die französische Regierung bitten, vorläufig auch die Deutschen in Peru, das infolge des verlorenen Salpeterkrieges gegen Chile (1879-1883) von innenpolitischen Unruhen erschüttert wurde, unter ihren Schutz zu stellen27. Die Wahrung der deutschen Kolonialinteressen in der Südsee28 hatte Vorrang29. Am 14. September 1884 bat Bismarck im Rahmen eines Immediatvortrages den Kaiser, anzuordnen, »daß ohne Verzug die nöthigen Ausrüstungen stattfinden«, damit in Peru und im Südsee-Archipel »je ein größeres Schiff dauernd Station nehmen« könne. Außerdem bat er ihn, die Stationierung von mindestens drei Kriegsschiffen – zwei Korvetten und ein Aviso – in Westafrika »auf unbestimmte Dauer« zu genehmigen. Mit dieser Maßnahme sollte das gesichert werden, was die deutschen Kaufleute und Nachtigal in Kamerun und Togo erreicht hatten. Trotz einiger Grenzkonflikte, die Bismarck »im Wege freundschaftlicher Verhandlung« lösen wollte, befürchtete er keine ernsthaften Konflikte mit Frankreich und Großbritannien. Als »Hauptgefahr« für die jungen deutschen Schutzgebiete an der westafrikanischen Küste bezeichnte er mögliche Angriffe und Überfälle »der zum Theil durch englische Agenten aufgeregten einheimischen Bevölkerung auf die deutschen Ansiedler«. Gegen solche Übergriffe könne »in diesem Augenblick« nur die Marine den nötigen Schutz bieten. Wenn dieser nicht »so schnell und so unnachgiebig wie möglich gewährt« und »durch nachdrückliches Auftreten« der Kriegsschiffe sichergestellt werde, dann »laufen wir Gefahr, daß unmittelbar vor den bevorstehenden Reichstagswahlen [am 28. Oktober] der bisher über Erwarten günstige Eindruck unserer Colonial-Politik in das Gegenteil umschlägt, sobald Berichte über Vergewaltigung der Deutschen ohne Möglichkeit der Abwehr und des Schutzes aus Afrika einlaufen«30. Wilhelm I. gab dem Anliegen nicht sofort statt, sondern leitete es zunächst mit einer entsprechenden Anfrage an den Chef der Admiralität weiter, ob diese Anzahl Schiffe nach Beendigung der Herbstmanöver am 22. September für die Aufgaben in Übersee abkommandiert werden könnte. Caprivi bejahte dies, stellte aber gleichzeitig klar, dass er die dadurch bedingte Schwächung der Heimatflotte problematisch fand31. Für den Einsatz in Westafrika empfahl er die Bildung eines Geschwa-

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1885 gegründet. Vgl. Caprivi an den Kommandanten der »Marie«, 6.9.1884, BArch, RM 1/2715, Bl. 123; Caprivi an Knorr, 21.1.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 129 ff. Als Ersatz für die »Marie« wurde Ende September 1884 die Kreuzerfregatte »Prinz Adalbert« von der Ostasiatischen Station abgezogen und nach der Westamerikanischen Station beordert, wo sie etwa zwei Monate später eintraf. Vgl. Caprivi an Hatzfeldt, BArch, R 1001/7121, Bl. 38; Caprivi an Hatzfeldt, 24.9.1884, ebd., Bl. 43; Caprivi an den Kommandanten der »Prinz Adalbert« (Segelordre), ebd., Bl. 63 f. Zu den Hintergründen der innenpolitischen Unruhen in Peru siehe u.a.: Janssen, Ursachen und Folgen des Salpeterkrieges, S. 109-112. Siehe dazu u.a.: Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 90-94; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 391-398. Zitate aus: Bismarck an Wilhelm I., 14.9.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 163-167, hier Bl. 165 f. (Hervorhebung im Original). Vgl. ebd., Bl. 163-167. Zitate aus: Bismarck an Wilhelm I., 14.9.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 163-167 (Hervorhebung im Original). Vgl. ebd. Caprivi an Wilhelm I., 16.9.1884, ebd., Bl. 168-171.

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ders32, bestehend aus den Kreuzerfregatten »Bismarck« (Flaggschiff) und »Gneisenau« sowie den Kreuzerkorvetten »Olga« und »Ariadne«33. Hinzu kam noch der Tender »Adler«, ein angemieteter Dampfer des Norddeutschen Lloyd34, der »den verschiedenartigsten Zwecken zu dienen hatte, nämlich als Kohlen-, Proviant-, Lazarett-Schiff und schließlich als Aviso, um Post und Depeschen zu befördern«35. Bei der »Olga« und der »Adriane« handelte es sich um Schulschiffe, die zwar wegen ihrer beschränkten militärischen Leistungsfähigkeit für den politischen Dienst »unwillkommen« waren, zu deren Einsatz sich die Admiralität aber in Ermangelung anderer verfügbarer Schiffe »genöthigt«36 sah. Nur wenige Tage später, am 30. September 1884, befahl Kaiser Wilhelm I. die Bildung eines Westafrikanischen Geschwaders, das sich aus den oben genannten Schiffen zusammensetzte37. Zu dessen Befehlshaber wurde Konteradmiral Eduard Knorr bestimmt, der bis dahin als Chef des Stabes in der Admiralität gedient hatte38. Knorr war persönlich von Caprivi für diese neue Aufgabe vorgeschlagen worden. Das Verhältnis zwischen den beiden Offizieren war vollkommen zerrüttet 32

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Gemäß dem ersten Exerzier-Reglement für die Kaiserliche Marine vom 12. Januar 1886 wurde als Geschwader ein Verband bezeichnet, der aus zwei oder mehreren Schiffen bestand. Sobald einem Geschwader mehr als vier Schiffe angehörten, wurde es in Divisionen zu vier oder weniger Schiffen geteilt. Diese begriffliche Definition änderte sich infolge einer Neufassung des ExerzierReglements für die Kaiserliche Marine vom 16. Januar 1893: Als Geschwader wurde demnach fortan bis 1914 nur noch ein Verband bezeichnet, der aus zwei oder drei Divisionen zu insgesamt mindestens sechs Schiffen bestand, wobei eine Division mindestens zwei und höchstens fünf Schiffe umfasste. Vgl. Exercier-Reglement für die Flotte, Teil I, Kapitel 1, § 1, Absatz 2, 4 (enthalten in: BArch, RM 3/4022, 72-136); Entwurf zum Exerzier-Reglement für die Flotte vom 16. Januar 1893, Abschnitt 1, Kapitel 1, § 1, Absatz 1, 3, S. 2; Entwurf zum Exerzier-Reglement für die Flotte (1914), Abschnitt I A, S. 5; Maltzahn, Geschichte unserer taktischen Entwickelung, Bd 1, S. 162. Caprivi an die Geheime Kanzlei der Kaiserlichen Admiralität, 27.9.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 134; Caprivi an Albedyll, 22.9.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 189; Caprivi an Bismarck, 27.9.1884, ebd., Bl. 191. Harry Rudin irrt mit der Aussage, dass Knorr mit Kanonenbooten (»gunboats«) nach Westafrika geschickt wurde. Vgl. Rudin, Germans in the Cameroons, S. 121. Caprivi an Leutnant zur See Walther II, 24.10.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 221-224; Caprivi an das Kommando der Marinestation der Nordsee, 24.10.1884, ebd., Bl. 225. Boelcke irrt mit seiner Aussage, dass die »Adler« von der Reederei Woermann gechartert war. Vgl. Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 170, Anm. 6; siehe dazu u.a.: Zusammenstellung der Termine der In- und Außerdienststellung S.M. Schiffe für das Etatsjahr 1885/86 nebst Nachweis der von den Schiffen im Auslande zugebrachten Zeit, 9.6.1886, BArch, RM 1/1716, Bl. 21 f., hier 21; Buchner, Aurora colonialis, S. 207. Walther, Meine Erlebnisse auf dem Tender Adler, S. 127 f. Zitate aus: Erklärung des Chefs der Admiralität in der Sitzung der Budget-Kommission vom 10. Januar 1885, zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 83, S. 347 ff., Nr. 93, hier S. 348. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 30.9.1884, BArch, RM 1/2844, Bl. 150; siehe auch: Wilhelm I. an Caprivi, 30.9.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 154. Walter Nuhn irrt, wenn er angibt, dass auch die Kreuzerkorvette »Sophie« zum Geschwader gehörte. Vgl. Nuhn, Kamerun unter dem Kaiseradler, S. 71. Hans Hildebrand schreibt in seinem Handbuch über die organisatorische Entwicklung der Kaiserlichen Marine, dass im Oktober 1884 ein Westafrikanisches Kreuzergeschwader formiert worden sei. Die offizielle Bezeichnung jedoch lautete Westafrikanisches Geschwader. Vgl. Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine, Bd 1, S. 325; Wilhelm I. an Knorr, 30.9.1884, BArch, N 578/3, Bl. 15. Wilhelm I. an Knorr, 30.9.1884, BArch, N 578/3, Bl. 15.

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und von tiefer gegenseitiger Abneigung geprägt. Beide waren starke, eigenwillige Persönlichkeiten, die sehr unterschiedliche Vorstellungen von der weiteren allgemeinen Entwicklung der Marine hatten. Knorr war ein überzeugter Anhänger sowohl der Kolonialpolitik als auch des strategischen Konzepts der Jeune École39. Caprivi hingegen galt als erklärter Kolonialgegner und sah die primäre Aufgabe der Flotte nicht im überseeischen Kreuzerkrieg, sondern im heimischen Küstenschutz. Diese politischen Gegensätze führten des Öfteren zu scharfen Auseinandersetzungen, die Knorr teilweise bis an sein Lebensende beschäftigten. Noch in seinen Memoiren40, die er kurz nach dem Ersten Weltkrieg verfasste, schleuderte er zahlreiche Hasstiraden gegen Caprivi und denunzierte ihn als »rabiate[n] Marinefeind«41. Im Zusammenhang mit seiner Ernennung zum Chef des Kreuzergeschwaders unterstellte Knorr ihm sogar die latente Absicht, ihn töten haben zu wollen: »So war Caprivi auch mich auf eine gute Weise los«, grollte er, »und vielleicht erhoffte er von dem Schwarzwasser-Fieber [mit dem sich Knorr in Kamerun vermutlich infizierte – H.H.] den Rest. Mir aber war es ganz lieb«, resümierte Knorr, »die peinliche Stellung eines Chefs des Stabes bei einem Vorgesetzten, dessen Pläne und Anschauungen in diametralen Gegensatz zu den eigenen standen, mit dem Kommando eines Geschwader-Chefs zu vertauschen42.« Zudem sollte der Einsatz nur wenige Monate dauern, was Knorr den Abschied von seiner Familie erleichterte43. 39

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Zum strategischen Konzept der Jeune École allgemein siehe u.a.: Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 103-118; Ropp, The Development of a Modern Navy, S. 155-180; Motte, Une éducation géostratégique, S. 159-210; Røksund, The Jeune École. Im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg befinden sich fünf maschinengeschriebene Memoirenbände von Knorr über die Jahre 1840 bis 1890, die er nach dem Ersten Weltkrieg in seinen letzten beiden Lebensjahren verfasste. Sie basieren in weiten Teilen auf den amtlichen Berichten, die er während seiner Dienstzeit abfasste. Der fünfte Band schließt mit einigen kritischen Bemerkungen über Tirpitz und dessen Tätigkeit als Chef des Stabes im OKM sowie – völlig zusammenhanglos – über den Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals (Bd 5, S. 135-138). Wahrscheinlich gibt es weitere Bände seiner »Erinnerungen«, namentlich über den kritischen Zeitraum zwischen 1895 und 1899, in denen Knorr als Kommandierender Admiral tätig war und teils heftige Auseinandersetzungen mit Tirpitz hatte, die sich noch irgendwo in Privatbesitz befinden, wenn sie nicht, etwa durch Kriegseinwirkung oder gezielte Vernichtung, verloren gegangen sind. Darauf jedenfalls lässt zum einen das offene, etwas diffuse Ende des fünften Bandes schließen und zum anderen, dass die Bände vier und fünf nicht in der Originalbindung erhalten sind, sondern irgendwann aus dieser herausgelöst und neu zusammengeheftet wurden. Vgl. Eduard von Knorr: Meine Erinnerungen, 5 Bde, BArch, N 578/7-11 (fortan: Knorr, Meine Erinnerungen). Bislang fehlt eine Biografie des Admirals, der zu den bedeutendsten und einflussreichsten hochrangigen Marineoffizieren im Kaiserreich zählte. Derzeit gibt es nur folgende biografische Überblicksdarstellungen: Eberspächer/Wiechmann, Admiral Eduard von Knorr (1840-1920); Hildebrand/Henriot, Deutschlands Admirale, Bd 2, S. 262 ff. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 127. Ebd., S. 138. Ebd. Caprivi informierte das Kommando der Marinestation der Ostsee, dass die »Gneisenau« und die »Olga« voraussichtlich für ein Jahr in Übersee bleiben würden. An das Kommando der Marinestation der Nordsee übermittelte er, die »Bismarck« werde für etwa neun Monate ins Ausland detachiert; diese Zeitangabe findet sich auch in den Memoiren von Admiral Reinhard Scheer, der seinerzeit als Unterleutnant auf der »Bismarck« diente. Vgl. Caprivi an den Chef der Marine-Station der Nordsee, 22.8.1885, BArch, RM 1/329, Bl. 37; Caprivi an den Chef der Marine-Station der Ostsee, 30.9.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 141; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 61.

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Anfang Oktober, drei Wochen vor dem Auslaufen des Verbandes nach Westafrika, erhielt Knorr von Caprivi die Segelordre, in der seine kommenden Aufgaben als Geschwaderchef festgelegt waren44:

»Es ist zunächst ihre Aufgabe durch das Erscheinen des Geschwaders an der westafrikanischen Küste den Eindruck zu verstärken, daß Seine Majestät der Kaiser gewillt seien, den zum Schutz deutscher Interessen daselbst gethanen Schritten erforderlichen Falls den nötigen Nachdruck zu geben. Sie werden insbesondere danach zu trachten haben, daß die Eingeborenen Eindrücke von der Macht Deutschlands und Respekt vor der deutschen Flagge bekommen. Sollten Verletzungen deutscher Rechte oder deutscher Personen durch Eingeborene45 in den unter das Protektorat Seiner Majestät gestellten Küstenstreifen zu Ihrer Kenntniß kommen, so haben Sie – sofern Ihnen andere Wege zur Erledigung des Falles nicht möglich oder nicht rätlich erscheinen – mit Waffengewalt einzuschreiten. [...] Konflikten irgendwelcher Art mit Angehörigen oder Kriegsschiffen anderer Europäischer Nationen haben Sie mit Sorgfalt aus dem Wege zu gehen. Sollte es dennoch zu solchen kommen, so werden Sie es als Ihre Aufgabe betrachten, dieselben durch eine durchaus friedliche Haltung beizulegen. Unter allen Umständen werden Frankreich in erster und England in zweiter Linie zu schonen und Flaggen sowie Zollposten beider Mächte zu respektieren sein46.«

Die Aufgaben des Westafrikanischen Geschwaders mussten mit der Instruktion für Nachtigal abgestimmt werden, weshalb in der Segelordre auch das Verhältnis zwischen dem Generalkonsul und dem Geschwaderchef definiert wurde:

»Sie haben Ihre Thätigkeit soviel als möglich mit den in der vorerwähnten Instruktion [für Nachtigal47] enthaltenen Gesichtspunkten in Einklang zu bringen. In denjenigen Fällen, in welchen Sie sich nicht mit Dr. Nachtigal an demselben Ort befinden, sollen Sie berechtigt sein, auch politische Handlungen nach eigenem Ermessen vorzunehmen. Sollten Ihnen amtliche Requisitionen des Kaiserlichen Kommissarius zugehen, so haben Sie denselben Folge zu geben, sofern sich nicht militärische oder nautische Bedenken der Ausführung entgegenstellen48.«

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Die nachfolgend aufgeführten, wichtigsten Aufgaben des Geschwaders sind der achtseitigen, handschriftlichen Segelordre entnommen, deren Inhalt großenteils vom Auswärtigen Amt bestimmt wurde. Nachtigal wurde eine Kopie derselben übermittelt. Vgl. Caprivi an Knorr (Segelordre), 9.10.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 4-7; Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 167-170, Nr. 24; siehe außerdem: Aktennotiz vom 15.10.1884, BArch, R 1001/7121, Bl. 71; AA an Caprivi, 29.9.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 143 ff.; AA an Caprivi, 3.10.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 212 f.; Caprivi an Knorr, 13.10.1884, ebd., Bl. 216 f.; Albedyll an Caprivi, 7.10.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 1. Ergänzend dazu formulierte Caprivi ausführliche Bestimmungen über Ausrüstung und Verpflegung des Geschwaders, die auf Vorschlägen von Knorr beruhten. Vgl. Entwurf der entsprechenden Anweisung von Caprivi, 27.09.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 137 f.; Vorschläge über Aufgabe, Segelordre und Ausrüstung des aufzustellenden Geschwaders von Admiral Knorr, 24.9.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 146 ff. Diese Einschränkung in der Segelordre wurde von Bismarck persönlich verfügt. Vgl. AA an Caprivi, 3.10.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 212 f., hier Bl. 212; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 322. Caprivi an Knorr (Segelordre), 9.10.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 4-7, hier Bl. 4 f. Siehe: Hatzfeldt an Nachtigal, 16.4.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 9-15. Caprivi an Knorr (Segelordre), 9.10.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 4-7, hier Bl. 4 f.

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Außerdem sollte sich Knorr über die Verhältnisse an der westafrikanischen Küste vom Togogebiet bis zum Oranje-Fluss49 erkundigen »im Hinblick auf die künftige Organisation der deutschen Niederlassungen und Besitzungen daselbst, insbesondere aber mit Bezug auf die Mitwirkung der Kaiserlichen Marine hierbei«50. Dieser Auftrag wurde Ende Oktober, kurz vor dem Auslaufen des Geschwaders, infolge eines Zwischenfalls an der togoischen Westgrenze erweitert. Der interimistische Konsul in Togo, Heinrich Randad, hatte im Zuge der deutschen Besitzergreifung Anfang Juli – nach britischer Auffassung – unrechtmäßig einen Grenzpfahl auf britischem Gebiet aufstellen lassen, weshalb sein Amtskollege in der Goldküste diesen wieder entfernen ließ. Knorr sollte sich nun mit den britischen Kolonialbehörden vor Ort abstimmen »behufs Feststellung der genaueren Grenzen des deutschen Schutzgebietes nach der Seite der Goldküste hin«51. Wenig später jedoch wurde dieser Auftrag zugunsten eines raschen Eingreifens in Kamerun zurückgestellt und schließlich erst im Frühjahr 1885 von der »Olga« ausgeführt52. Mit der Entsendung des Westafrikanischen Geschwaders begann die militärische Sicherung der jungen deutschen Schutzgebiete und damit – aus Sicht der Marineleitung – »für die Marine eine schöne Zeit, in welcher es ihr wiederholt vergönnt war, mit ihrem Blute für die Ehre unserer Flagge einzustehen«53. Bismarck und Caprivi waren sich im Klaren darüber, dass die deutschen Herrschaftsansprüche in den überseeischen Kolonialgebieten mit Kriegsschiffen und Landungstruppen zwar relativ einfach gegen die Einheimischen, nicht aber gegen die anderen europäischen Großmächte, namentlich Großbritannien und Frankreich, durchgesetzt werden könnten. In einem europäischen Krieg, so Bismarck, könnten die Kolonien nur vor den Toren von Metz verteidigt werden54. Am Grundpfeiler dieser Verteidigungsstrategie rüttelten auch ihre Amtsnachfolger Bernhard von Bülow und Alfred von Tirpitz nicht, als sie mit ihrer politischen Entscheidung, den Schlachtflottenbau gegen Großbritannien zu richten, »die große Revolution des Jahres 1897«55 einläuteten. Denn im Kriegsfall, argumentierten sie, würde die Entscheidung über das Schicksal der Schutzgebiete in der Nordsee liegen56. Tat49 50 51

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Der Oranje-Fluss markierte später die Grenze zwischen der Kapkolonie und Deutsch-Südwestafrika. Caprivi an Knorr (Segelordre), 9.10.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 4-7, hier Bl. 5. Caprivi an Knorr, 30.10.1884, ebd., Bl. 8; siehe dazu auch die folgenden Dokumente: Hatzfeldt an Caprivi (mit Anlagen), 27.10.1884, BArch, RM 1/2436, Bl. 227-236; Caprivi an Knorr, ebd., Bl. 237 f.; Hoffmann an Caprivi, 9. 7.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 137-140. Bendemann an Knorr (mit Anlagen), 17.3.1885, BArch, RM 1/2871, Bl. 200-227; H.v. Bismarck an Caprivi (mit Anlage), 22.6.1885, BArch, RM 1/2886, Bl. 2 f.; Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 20 f.; Knorr an Bendemann, 19.2.1885, ebd., Bl. 118 f.; Knorr an Caprivi, 9.3.1885, ebd., Bl. 120-126, hier Bl. 124; Knorr an Caprivi, 7.4.1885, ebd., Bl. 162-177, hier Bl. 169; siehe auch: Sebald, Togo 1884-1914, S. 57 ff. Marinegeschichte zu Unterrichtszwecken für die Mannschaften der Kaiserlichen Marine, S. 24. Siehe dazu u.a.: Hubtasch, Der Admiralstab, S. 33 f.; Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd 2, S. 335. Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 252. Siehe dazu u.a.: Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 151; Rödel, Krieger, Denker, Amateure, S. 82-96; Tirpitz, Politische Dokumente, Bd 1, S. 346; siehe auch: Aufgaben der deutschen Flotte im Kriege. In: Nauticus, 1 (1899), S. 29-42, hier S. 42; Flotte und Kolonien. In: Nauticus, 2 (1900), S. 65-73, hier S. 70-73; Valois, Deutschland als Seemacht, S. 33-36. Schon Mitte 1890 äußerte

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sächlich erwog die Reichsleitung bis zum Ersten Weltkrieg zu keiner Zeit ernsthaft und war auch die Marine zu keiner Zeit wirklich in der Lage – nicht einmal im Verein mit den späteren Schutztruppen –, die Kolonien in einem europäischen Krieg durch Auslandskreuzer zu verteidigen57. Ein Konzept zur Imperial Defence, wie es die Briten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierten58, hat die Reichsleitung nie entwickelt. Obwohl »alles schnell gehen [sollte], da für die neue Kolonie [Kamerun] Gefahr im Verzuge war«59, verzögerte sich das Auslaufen des Westafrikanischen Geschwaders um etwa zwei Wochen, zum einen wegen stürmischen Wetters, zum anderen wegen Reparaturarbeiten am Loskiel und den Schraubenflügeln der »Gneisenau«, die im Sturm von Kiel kommend bei Laaland auf Grund gelaufen war. Deshalb konnte der Verband erst am 30. Oktober 1884 aus Wilhelmshaven auslaufen und sich gemäß der Segelordre »in möglichster kurzer Zeit«60 über Plymouth und Madeira, wo die Schiffe ihre Kohlenbestände auffüllten, sowie die Kapverdischen Inseln an die westafrikanische Küste begeben. Noch am Abend desselben Tages war der erste Tote zu beklagen: der Matrose Ceynowa stürzte beim Ausbringen der Positionslaternen an Bord der »Gneisenau« ins Meer und ertrank61. Auf dem Transit ins Zielgebiet erreichten Knorr Ende November auf der Reede von Porto Grande, dem Hafen der kapverdischen Insel St. Vincent, neue Anweisungen aus Berlin: Caprivi befahl, den zum Generalkonsul in Sansibar ernannten Gerhard Rohlfs mit der »Gneisenau« von Madeira – tatsächlich jedoch, wie sich später klärte, von Kapstadt – unverzüglich an dessen Dienstort bringen zu lassen62.

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sich Eduard von Liebert, der spätere Gouverneur von Deutsch-Ostafrika (1897-1901), in ähnlicher Weise, als ihm der Reichskanzler explizit die Frage stellte, wie er das ostafrikanische Schutzgebiet in einem Krieg gegen Großbritannien verteidigen wolle. Mit dieser Frage war Liebert nie zuvor konfrontiert worden. Nach einigem Überlegen antwortete er schließlich: »Dann müssen wir an der Themsemündung landen und dort Ostafrika verteidigen« – seinerzeit eine als vollkommen absurd erachtete Vorstellung. Zitat aus: Liebert, Aus einem bewegten Leben, S. 135. In den entsprechenden Operationsbefehlen für die Auslandskreuzer war ausdrücklich festgelegt, dass »der unmittelbare Schutz der deutschen überseeischen Besitzungen nicht Aufgabe der schwimmenden Streitkräfte [ist]. Diese können nur durch Aufsichziehen der feindlichen Streitkräfte und durch Bedrohung der Verbindungen des Feindes mittelbar zum Schutze der Kolonien und s.w. beitragen«. Zitat aus: Erläuterungen und Ausführungsbestimmungen zu den Allerhöchst genehmigten Operationsbefehlen vom 1. Februar 1900, 1.2.1900, BArch, RM 38/125, Bl. 66-74, hier Bl. 73. Siehe dazu u.a.: McDermott, British Strategic Planning and the Committee of Imperial Defence; Imperial Defence; Killingray, Imperial Defence; May, Principles and Problems of Imperial Defence; Far Flung Lines. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 138. Caprivi an Knorr (Segelordre), 9.10.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 4. Valois an Caprivi, 22.10.1884, BArch, RM 1/2700, Bl. 92-94; Knorr an Caprivi, 15.10.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 7; Knorr an Caprivi, 23.10.1884, ebd., Bl. 11; Knorr an Caprivi, 26.10.1884, ebd., Bl. 33 f.; Caprivi an Wilhelm I., Kronprinz Wilhelm und Bismarck, 30.10.1884, ebd., Bl. 35; Knorr an Caprivi, 28.10.1884, ebd., Bl. 36 f.; Valois an Caprivi, 27.10.1884, ebd., Bl. 38; Valois an Caprivi, 28.10.1884, ebd., Bl. 39 f.; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 3.11.1884, ebd., Bl. 65-69; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 2, S. 116. Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 17, 20 f.; Caprivi an Knorr, 2.12.1884, ebd., Bl. 88 f.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 2, S. 117. Rohlfs war mit

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Rohlfs war ein renommierter Afrikaforscher und mit Bismarck persönlich bekannt. Sein Auftrag lautete, mit dem Sultan von Sansibar einen neuen Handelsvertrag abzuschließen und dadurch die starke Stellung der lokal tätigen deutschen Unternehmen sicherzustellen63. Gemäß Caprivis neuen Befehlen mussten neben der »Gneisenau« auch die »Ariadne« und der »Adler« den Geschwaderverbund verlassen. Diese sollten gemeinsam nach Monrovia vorausgehen, um dort Post und neue Befehle entgegenzunehmen64. Knorr erteilte den Schiffen die entsprechenden Segelordres, »nicht ohne Bitterkeit über die«, wie er in seinen Memoiren spekulierte, »von General von Caprivi gewiss längst geplante[n] und mit Eifer herbeigeführten und benutzten Gelegenheiten zur Zerpflückung des ihm verhassten westafrikanischen Geschwaders«65. Unterdessen nahmen die »Bismarck« und die »Olga« direkten Kurs auf Kamerun, um gemäß den neuen Befehlen Vertragsabschlüsse der dort etablierten deutschen Firmen »zur Erwerbung des Hinterlandes dieses Gebietes wirksam zu fördern und event[uel]l durch Besitzergreifung zu confirmiren«66 sowie eine Proklamation zu erlassen, in der den britischen »Friedensstörern« vor Ort, welche die deutschen Interessen unterliefen, mit Ausweisung gedroht werden sollte67; der

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der »Bismarck« bis Madeira mitgesegelt, hatte sich dort ausgeschifft und war inzwischen bereits mit einem britischen Postdampfer nach Kapstadt weitergefahren. Daher erhielt die »Gneisenau« den Auftrag, Rohlfs in Kapstadt aufzunehmen und anschließend an seinen Zielort zu bringen. Vgl. Caprivi an Valois, 1./2.12.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 241 f.; Guenther, Gerhard Rohlfs, S. 219-223, siehe auch, allerdings ungenau: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 143 f. Zur Rohlfsschen Mission siehe u.a.: Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 661-665; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 335 f. Knorr und Rohlfs hatten erhebliche persönliche Differenzen. In seinen Memoiren äußerte sich der Geschwaderchef sehr abfällig über den Afrikaforscher, er sei ein »eitler Prahler, ohne inneren Wert und Wahrhaftigkeit«. Rohlfs wiederum bemerkte in einem amtlichen Bericht, dass er mit Knorr nicht habe zusammenleben können und von ihm wenig liebenswürdig behandelt worden sei. Zitat aus: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 139 ff. Vgl. ebd., S. 140; Rohlfs an Bismarck, 21.9.1885, BArch, R 1001/8902, 119-124, hier 123 f.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 2, S. 117. Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 16. In Monrovia waren wenige Wochen zuvor zwei deutsche Kaufleute der Firma Woermann von Einheimischen getötet worden, weshalb der deutsche Konsul vor Ort, Rudolf Schmidt, um die Entsendung eines Kriegsschiffes gebeten hatte. Ende November wurde ihm angezeigt, dass demnächst ein Kriegsschiff – die »Ariadne« – nach Monrovia kommen werde. Vgl. AA an Caprivi, 29.11.1884, BArch, RM 1/2403, Bl. 122; Caprivi an Chüden, 29.11.1884, ebd.; Schmidt an Bismarck, 5.11.1884, ebd., Bl. 123 f.; AA an Schmidt, 29.11.1884, ebd. Bl. 125. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 144. Knorr irrte hier, denn die Anweisungen kamen ursprünglich vom Auswärtigen Amt. Vgl. AA an Caprivi, 26.11.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 218. Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 20 f. Diese Maßnahme geht auf eine Beschwerde des Syndikats für Westafrika von Ende November 1884 zurück, in der Woermann die Reichsleitung – mit dem Hinweis auf die britische Praxis in solchen Fällen – unter anderem darum gebeten hatte, dass vom Interims-Gouverneur oder vom Geschwaderchef eine entsprechende Proklamation erlassen und der britische Vizekonsul Frederic Buchan aus Kamerun ausgewiesen werde. Während an Knorr die o.g. Anweisung erging, forderte die Reichsleitung gleichzeitig die britische Regierung auf, sich in dieser Angelegenheit kooperativ zu verhalten. Lord George Granville ließ darauf Hatzfeldt über die deutsche Botschaft in London mitteilen, er habe »schon früher Instruktionen ertheilt, nach denen von englischer Seite Alles ge-

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Erfüllung dieser neuen Aufgaben räumte Caprivi unbedingte Priorität ein68. Anschließend sollten sich die »Olga« nach St. Vincent und die »Bismarck« nach Kapstadt begeben, um dort neue Befehle zu empfangen69. b) »Einschreiten mit Blut und Eisen«: Kolonialkrieg in Kamerun

Auf dem weiteren Transit nach Kamerun machten die »Olga« und die »Bismarck« zunächst in Sierra Leone Station, wo Knorr Anfang Dezember »für jedes Schiff 12 Neger als Heizer und 10 Neger zur Bemannung der Brandungsboote«70 anheuern ließ. Diese erhielten allesamt Matrosen-Uniformen und »tragen Mützen mit der Aufschrift ›Kaiserlich deutsche Marine‹ und ihr Hauptmann besitzt das Abzeichen eines Bootsmannsmaats«71. Außerdem wurde noch ein einheimischer Lotse angeheuert72. Bis zum Ersten Weltkrieg traten zahlreiche Farbige in den Dienst der Kaiserlichen Marine. Sie wurden hauptsächlich aus den Kolonien rekrutiert und meist als Heizer und Kohlentrimmer eingesetzt. In der historischen Forschung ist diese Thematik bislang nicht grundlegend aufgearbeitet worden, obwohl Sibylle Küttner bereits vor einigen Jahren eine hervorragende Studie über farbige Seeleute im Dienst der Handelsmarine des Kaiserreiches veröffentlicht hat73.

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schehen solle, um ein gutes Einvernehmen zwischen Deutschen und Engländern zu erhalten«, und er hoffe, »daß die Besprechungen des Geschwader-Kommandeurs mit den englischen Behörden alle Differenzen für die Zukunft beseitigen würden«. Anfang Januar 1885 wurden die Differenzen tatsächlich in Verhandlungen zwischen Admiral Knorr und Konsul Hewett weitestgehend beigelegt. Buchan wurde im Februar seines Postens als britischer Vizekonsul in Kamerun enthoben. Zitate aus: Münster an Bismarck, 3.12.1884, BArch, R 1001/4206, Bl. 94. Vgl. Hatzfeldt an Bismarck, 24.11.1884, BArch, R 1001/4204, Bl. 29 f.; AA an Münster, 27.11.1884, ebd., Bl. 31 f.; Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 78 ff.; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 52-59. Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 20 f.; Bismarck an Caprivi, 26.11.1884, ebd., Bl. 22 f. Ein weiterer Auftrag Caprivis an Knorr vom selben Tag, sich nach der Sangareah-Bucht an der senegambischen Küste zu begeben und über die dortigen Besitzverhältnisse zu informieren, wurde durch den oben genannten, kurz darauf erteilten Befehl ebenfalls zurückgestellt und einige Wochen später dann von der »Ariadne« übernommen. Vgl. Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 222 ff.; Knorr an Caprivi, 29.11.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 190-193, hier 193; Caprivi an Knorr, 21.1.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 129 ff., hier Bl. 129; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 330-333. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 138-144; Caprivi an Knorr, 28.11.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 20 f. Knorr an Caprivi, 7.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 78; siehe auch: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 144. Hugo Zöller, Aus der deutschen Colonie Kamerun. II. In: Kölnische Zeitung, 1885, 81 (Bericht vom 8. Februar). Der Rang des Bootsmannsmaates zählte zu den niederen Unteroffiziersrängen ohne Portepee. Vgl. Bütow, Kaiserlich Deutsche Marine, Teil II, Abt. 3, S. 3. Die Bekleidungsfrage für Farbige, die auf in afrikanischen Gewässern stationierten deutschen Kriegsschiffen dienten, wurde erst ab September 1886 durch eine Marineverordnung geregelt. Vgl. Marineverordnungsblatt, 17 (1886), 18, Verordnung Nr. 176, S. 196. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 64. Küttner, Farbige Seeleute im Kaiserreich. Im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg sind zahlreiche Dokumente über »das Engagement von Eingeborenen sowie deren Verpflegung« auf deutschen Kriegsschiffen von 1884 bis 1927 archiviert, die eine erste Orientierung über dieses Thema ermöglichen. Vgl. BArch, RM 23/1406.

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Aus Sierra Leone berichtete Knorr erstmals über Kranke an Bord seiner Schiffe: Einige Besatzungsmitglieder hatten sich noch in Porto Grande heftige MagenDarm-Erkrankungen zugezogen, die, so der Schiffsarzt, »theils auf Erkältung, theils auf übermäßigen Genuß von Trinkwasser in der Hitze«74 zurückzuführen waren. Während ihrer Einsätze in Übersee hatte die Kaiserliche Marine permanent teils erhebliche Ausfälle bei den Besatzungen der Kriegsschiffe aufgrund von Krankheiten, vor allem Tropen- und Geschlechtskrankheiten75. Einen letzten Zwischenstopp legten die »Bismarck« und die »Olga« kurz darauf in Monrovia ein, wo sie mit den vorausgegangenen Schiffen des Geschwaders zusammentrafen und wo Schlachtvieh eingekauft wurde76. Am späten Abend des 18. Dezember gingen die beiden Schiffe schließlich nahe der Mündung des Kamerunflusses vor Anker77. Es war Knorr zu riskant, noch in der Nacht ein Vorauskommando an Land zu schicken, weil er nur über veraltetes britisches Kartenmaterial verfügte. Bei Tagesanbruch schickte er dann seinen Flaggleutnant Henning von Holtzendorff78 als Vorauskommando an Land, wo dieser Kontakt mit Max Buchner und den deutschen Kaufleuten aufnehmen sollte. Holtzendorff kehrte nachmittags mit Eduard Schmidt, dem lokalen Hauptagenten der Firma C. Woermann, und anderen deutschen Kaufleuten sowie dem renommierten Korrespondenten der Kölnischen Zeitung, Hugo Zöller, an Bord zurück, die den Geschwaderchef über die aktuelle Lage unterrichteten79. Hugo Zöller ist eine interessante Figur der deutschen Kolonialgeschichte, die eine nähere Betrachtung lohnt. Zöller unternahm 1884/85 mit Unterstützung der Reichsleitung als Redakteur der Kölnischen Zeitung, die als führendes nationalli74 75

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Knorr an Caprivi, 7.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 78. Zu den häufigsten Erkrankungen von Marinesoldaten, die sich an Bord von Kriegsschiffen im Ausland befanden, zählten nach Deutschlands Eintritt in die Kolonialpolitik bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges Malaria, Ruhr, Typhus und Geschlechtskrankheiten. Vgl. Bentmann, Allgemeines über Krankheiten, S. 47; Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 300 f. Zur spezifischen Problematik der Geschlechtskrankheiten bei Angehörigen der Kaiserlichen Marine siehe neuerdings: Bennink, Verbreitung und Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Zu dieser Zeit war es noch üblich, auf Kriegsschiffen lebendes Schlachtvieh einzulagern, auch wenn sie bereits, so wie die Schiffe des Westafrikanischen Geschwaders, zur Konservierung von frischem Fleisch und Gemüse über Ammoniak-Eismaschinen an Bord verfügten. Neben solchen Eismaschinen waren die Schiffe des Westafrikanischen Geschwaders zudem mit modernen Destillierapparaten zur Herstellung von Trinkwasser ausgerüstet, die aus dem Seewasser das Salz durch Verdampfung herausfilterten, und diese somit hinsichtlich der Trinkwasserversorgung ihrer Besatzungen vollkommen autark machten. Vgl. Das westafrikanische Geschwader. In: Illustrirte Zeitung, 42 (1884), S. 2157. In seinen Memoiren nennt Knorr den 17. Dezember als Ankunftstag, was jedoch die Berichte in den Akten widerlegen. Vgl. u.a. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 146; Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 109. Holtzendorff stieg später bis zum Chef der Hochseeflotte auf. Im Ersten Weltkrieg wurde er reaktiviert, als Chef des Admiralstabes eingesetzt und kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst im August 1918 zum Großadmiral ernannt. Vgl. Hubatsch, Kaiserliche Marine, S. 297 f. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 109; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 146 f.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 64 ff.; Buchner, Aurora colonialis, S. 189 f.; Die Kämpfe in Kamerun. In: Deutsche Kolonialzeitung, 2 (1885), 4, S. 97-100, 5, S. 123-128, hier 4, S. 98; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 171.

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beral gerichtetes Blatt in enger Beziehung zu Bismarck stand und aus dessen Sicht die »gegenwärtige Vertreterin« der »gebildete[n] öffentliche[n] Meinung in Deutschland« war, eine mehrmonatige Forschungsreise nach Westafrika, insbesondere Togo und Kamerun, über die er insgesamt 96 Artikel, vier Bücher und mehrere Aufsätze in Fachzeitschriften sowie einige Karten publizierte. In Kamerun beteiligte sich der langjährige Kolonialpropagandist als »eingebetteter Journalist« aktiv an der Strafexpedition des Westafrikanischen Geschwaders und schloss als Bevollmächtigter des Generalkonsuls Nachtigal einige Schutzverträge mit lokalen Häuptlingen. Einige Jahre später wurde Zöller während des »Araberaufstandes« in Deutsch-Ostafrika erneut in die Marinestreitkräfte eingebettet: »Nicht allein den aus Berlin eingetroffenen Weisungen, sondern vor allem auch der persönlichen Liebenswürdigkeit des Admirals Deinhard«, berichtete er stolz in seinen Memoiren, »verdankte ich ein Entgegenkommen, wie ich es mir als Berufsjournalist gar nicht großzügiger hätte wünschen können. Sofort wurde die Ermächtigung ausgefertigt, mir auf allen Schiffen, Fahrzeugen und Booten des deutschen Geschwaders Passage und Unterkunft zu gewähren. Auch dürfe ich und zwar bewaffnet, an allen kriegerischen Unternehmungen teilnehmen« – was er dann auch tat. Diese Liaison zwischen Politik und Presse im Kaiserreich, für die der Name Hugo Zöller exemplarisch steht, war nach Jörg Requate, der in einer hervorragenden Studie die Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufes im 19. Jahrhundert analysiert hat, »bezeichnend für den deutschen Journalismus«80. Als das Geschwader in der Mündung des Kamerunflusses eintraf, hielt Buchner sich gerade in Bimbia auf, um Verträge auszuhandeln, »kam aber gerade zufällig gleichzeitig auf Reede und an Bord«, wie Knorr sich in seinen Memoiren erinnerte, »sodass er gleich an der bereits begonnenen Sitzung, in welcher mir die Vorgenannten ihre Mitteilungen machten, teilnehmen konnte«81. Den Berichten zufolge hatten sich vor dem Eintreffen des Geschwaders die »anarchischen Zustände« im Kamerun-Gebiet »so sehr verschlimmert«82, dass mittlerweile die dort lebenden Europäer um ihr Leben und Eigentum fürchteten. Gründe dafür seien vor allem das Fehlen »einer die Ordnung schützenden Gewalt« und »die zunehmende Frechheit der Neger«83. Nur wenige Tage vor dem Eintreffen des Geschwaders in Kamerun hatte das rebellische »Negerpack«84 vom Stamm der Joss die Ortschaft Belltown, den Hauptsitz des deutschen Verbündeten King Bell, den Buchner als »erste[n] und beste[n] Neger von ganz Kamerun«85 pries, nieder80

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Zitate aus: Bismarck an Münster, 3.2.1885. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 759, S. 99; Requate, Journalismus als Beruf, S. 177; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 301. Vgl. Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste. Eine Auflistung von Zöllers Zeitungsartikeln und anderen Veröffentlichungen über Westafrika enthält: Krieger, Hugo Zöller, S. 53 ff., 165 ff. Siehe außerdem seine sehr lesenswerte Autobiografie: Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 128-219, 294-318. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 147. Zitate aus: Buchner an Knorr, 19.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 122 f., hier Bl. 122. Zitate aus: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 148 f. Buchner, Aurora colonialis, S. 226. Buchner, Kamerun, S. 47.

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Die Strafexpedition des Westafrikanischen Geschwaders auf der Duala-Halbinsel im Dezember 1884 Kreuzerkorvette SMS Olga Kleiner Zivildampfer Dampfpinasse mit 3,7-cm-Revolverkanone Barkasse mit 8-cm-Bootskanone Marinekutter Weg der Olga-Landungstruppen Weg der Bismarck-Landungstruppen Weg der SMS Olga am 21.12.

Sorokau K

B ing

ells

Au

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llun

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Von King Bell besetzt

Sibarst (Fischerdorf) Bona Ngang

King Old Bell

Englische Mission Kirche

Bona Musadi John Aquas Stadt

Hickory Stadt

Didostadt

Vom Landungskorps niedergebrannt

King Aquas Stadt

22.12. SMS Olga beschießt Hickory Stadt

Manga Aquas Haus (aufständisch) Englische Mission

21.12. Eintreffen der SMS Olga

King Bells Stadt

20.12. 18.00 Uhr

Joss Stadt

(aufständisch)

Von Aufständischen niedergebrannt

20.12. 18.00 Uhr Die Aufständischen verlassen den Schützengraben und flüchten in den Urwald

Takada Stadt

Position des Landungskorps am 20.12. 8.00 Uhr

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Vom Landungskorps niedergebrannt

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Ruderboote im Schlepp durch den zivilen Dampfer »Dualla« (Faktorei Janßen & Thormälen)

** Ruderboote im Schlepp durch den zivilen Dampfer »Fan« (Faktorei Janßen & Thormälen)

Quellen: Plehn, Die Kamerun-Küste; Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste.

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gebrannt und gleich darauf die deutschen Siedler bedroht und ihnen höhnend zugerufen: »Da brennt Eure deutsche Stadt, warum kommt ihr nicht zu helfen«86, und dergleichen mehr. Buchner berichtete ferner über »grobe Misshandlungen von Europäern«, die Besudelung des deutschen Flaggenmastes und die »Ermordung von Faktorei-Negern«87, die ungesühnt geblieben waren. Aus Prestigegründen hatte er Mitte November das Hilfsangebot eines britischen Kanonenboot-Kommandanten abgelehnt, einen der rebellischen Duala-Stämme88 »zur Räson zu bringen«89. Britische Einmischung wollte Buchner unbedingt verhindern90. Nun bat er Knorr, »gegen die Feinde unserer deutschen Sache einzuschreiten«, und forderte »eine möglichst strenge und harte Bestrafung« der Einheimischen, um »den Hochmut der Kamerun-Neger zu beugen«91. »Mit der sogenannten Humanität«, so sein Fazit, »lassen sich Kolonien eine gewisse Zeit lang halten, aber nicht schaffen92.« Knorr handelte unverzüglich: Noch am selben Abend befahl er den Angriff »gegen die aufrührerischen Neger-Parteien«93, um »die deutsche Macht zu zeigen und die Ruhe wieder herzustellen«94. Den Kommandeur des Landungskorps, Kapitän zur See Guido Karcher95, wies er an, am nächsten Morgen um 6 Uhr das Landungskorps mit bewaffneten Booten nach Hickory Town und Joss Town zu führen, »beide Plätze mit Waffengewalt zu nehmen und Hickory Town niederzubrennen«96. Außerdem sollte er die Häuptlinge der rebellischen indigenen Stämme in seine Gewalt bringen, »egal ob lebend oder todt«97, und an Bord des Flaggschiffs bringen, während die anderen Gefangenen in den dafür zur Verfügung gestellten Gebäuden der Woermannschen Faktorei in Aqua Town und Bell Town 86 87 88

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Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 110. Zitate aus: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 148 f. Zu den Duala-Stämmen zählten die vier Gruppen der Bell, Aqua, Dido und Lock Priso, die insgesamt 15 000 bis 20 000 Menschen umfassten und im Mündungsgebiet des Kamerunflusses lebten. Bis 1814 wurden die vier Stämme einheitlich vom Häuptling beziehungsweise King der Bell-Gruppe angeführt, danach spaltete sich der Stamm zunächst in zwei, später dann in die o.g. vier Gruppen. Vgl. Gouellain, Douala, S. 69-80; Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 37. Zit. nach: Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 322. Gemeint ist das britische Kanonenboot »Frolic«, das die deutsche Kolonie vom 17. bis 21. November 1884 besuchte. Siehe dazu: Buchner, Aurora colonialis, S. 149 ff., 157. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 148 f.; Woermann an Bismarck (mit Anlage), 12.1.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 2 ff.; Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 109 f.; Buchner an Knorr, 19.12.1884, ebd., Bl. 122 f.; Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 25-31; Buchner, Aurora colonialis, S. 104-188. Zu den verschiedenen indigenen Stämmen siehe u.a.: Buchner, Kamerun, S. 14-72; Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd 3, S. 50-64. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 148 ff. Buchner, Kamerun, S. X. Ebd., S. 164. Maywald, Die Eroberer von Kamerun, S. 23. Karcher war der Kommandant des Flaggschiffes »Bismarck« und deshalb auch Kommandeur des Landungskorps des Kreuzergeschwaders. Er verfügte über einschlägige Erfahrungen, denn er hatte bereits 1882 eine blutige Strafexpedition auf den neuguineischen Hermit-Inseln geleitet. Siehe dazu: Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 35-43. Knorr an Karcher, 19.12.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 33. Ebd.

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untergebracht und bewacht werden sollten. Reinhard Scheer, der an der Strafexpedition als junger Offizier teilnahm, sah bei den Angehörigen des Landungskorps »überall freudig erregte Gesichter« und »Enttäuschung nur bei denen, die zum Verbleiben an Bord verurteilt waren«98. In seinem amtlichen Bericht über die Kämpfe und in seinen Memoiren begründete Knorr die drastischen Befehle mit machtpolitischen Argumenten: Er wollte an den Bewohnern von Hickory Town und deren Häuptling Lock Priso, welcher »der rührigste und mächtigste Gegner der deutschen Sache gewesen«99 war, bewusst ein blutiges Exempel statuieren, um so den deutschen Herrschaftsansprüchen in der Region sowohl gegenüber den Einheimischen als auch den Briten Nachdruck zu verleihen. Joss Town hingegen wollte Knorr verschonen, damit dort zunächst der verbündete Stamm von King Bell bis zum Wiederaufbau seines Dorfes unterkommen und anschließend der hoch und frei gelegene Platz für die Kolonialverwaltung in Beschlag genommen werden konnte. Allerdings sollte auch diese Ortschaft während der Kämpfe niedergebrannt werden, »weil die Neger in den Häusern von Josstown gute Deckung fanden«100. Auf die »Beseitigung« der Häuptlinge legte Knorr besonderen Wert, da er nach den Berichten von Buchner und den anderen Deutschen vor Ort annahm, dass anschließend »der englische Einfluss, der sich auf diese Häuptlinge stützt, gebrochen sein wird«101 und »ein dauernder Friede zu erlangen sei«102. In seinem amtlichen Bericht über die Strafexpedition betonte Knorr geradezu die Notwendigkeit, ja den Zwang, in dieser Lage so zu handeln, wie er es getan habe. Dadurch wollte er möglicher Kritik an seinem Führungsstil begegnen, denn er befürchtete, dass Caprivi eher »mit innerem Ärger« auf sein »Einschreiten mit Blut und Eisen« – »dieses bei uns immer besten Kittes« – zur Sicherung der jungen Kolonie als mit »wirklicher Befriedigung über den von seinen Untergebenen erzielten Erfolg«103 reagieren werde. Knorr galt in Marinekreisen als Draufgänger. Wegen »seiner blühenden Gesichtsfarbe und seines heftigen Temperaments« wurde er als der »rote« oder »wilde Eduard«104 bezeichnet. Admiral von Diederichs behauptete Mitte der 1890er Jahre sogar, Knorr sei für leitende Positionen ungeeignet – »aus98 99 100

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Zitate aus: Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 66. Siehe dazu auch: Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd 3, S. 174. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 153. Ebd.; siehe auch: Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 111. Aus Buchners Sicht war das ein besonderer Glücksfall, denn »durch die Einnahme und Zerstörung von Joss Town sind wir in den Besitz des besten, gesündesten Theils von ganz Kamerun gelangt, die hohe Lage dieser Örtlichkeit und die erfrischende Seebrise, der sie am direktesten ausgesetzt ist, eignet dieselbe ganz vorzüglich zum Bauplatz künftiger Regierungsgebäude«. Vgl. Buchner an AA, 26.12.1884, BArch, R 1001/4205, Bl. 124-127, hier Bl. 126; siehe auch: Buchner, Aurora colonialis, S. 226. Zitate aus: Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 111; siehe auch: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 153. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 153; siehe auch: Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 111. Zitate aus: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 169. Zitate aus: Hallmann, Der Weg zum deutschen Schlachtflottenbau, S. 152.

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genommen solche, wo er dreinschlagen könne«105. Zweifellos war Knorr aufgrund seines draufgängerischen Charakters der geeignete Mann für die erste Strafexpedition in den deutschen Schutzgebieten. Seine Sorge, für zu hartes Durchgreifen belangt zu werden, war unbegründet, denn nach zeitgenössischer Auffassung handelte es sich beim Feldzug gegen die Duala lediglich um eine, wie es die »Pall Mall Gazette« treffend formulierte, »jener züchtigenden Polizeiexpeditionen, mit denen unsere [britischen] Kanonenboote beständig beschäftigt sind«106. Als am frühen Morgen des 20. Dezember 1884, dem »Tag der Rache«107, zwei Abteilungen gut ausgerüsteter Marinesoldaten, insgesamt 334 Mann108, bei Hickory Town in der Mündung des Kamerunflusses landeten, »um die neueste deutsche Kolonialpolitik mit Pulver und Blei einzuweihen«109, bekamen die Einheimischen 105

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Ebd. Diederichs war Knorr von September 1895 bis Oktober 1896 als Chef des Stabes im Oberkommando der Marine direkt unterstellt. Bei den Herbstmanövern 1896 kam es zu einer schwerwiegenden Auseinandersetzung zwischen den beiden, aufgrund derer Diederichs seines Dienstpostens enthoben und kurz darauf als Chef der Kreuzerdivision in Ostasien ins Ausland abkommandiert wurde. Sein schroff formuliertes Urteil über Knorr versteht sich in diesem Kontext, wird allerdings auch von anderen Zeitgenossen bestätigt, die mit Knorr unmittelbar zusammengearbeitet haben, wenn auch zumeist positiver konnotiert. Vgl. u.a. Buchner, Aurora colonialis, S. 225 f.; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 123-130; Hopman, Das Logbuch eines deutschen Seeoffiziers, S. 223-226; Eberspächer/Wiechmann, Admiral Eduard von Knorr (1840-1920), S. 241 f., 248-251. Pall Mall Gazette, 10.9.1884, zit. nach: Appel, Die ersten deutschen Kolonialerwerbungen, S. 66. Buchner, Aurora colonialis, S. 190. Das Landungskorps gliederte sich in: (a) Divisionsstab: sieben Mann, darunter drei Offiziere; (b) Infanterie: 217 Mann, darunter acht Offiziere; (c) Artillerie: 40 Mann, darunter ein Offizier; (d) Pioniere: 13 Mann, darunter kein Offizier; (e) Sanitätspersonal: 16 Mann, darunter ein Offizier; (f) Bootswache: 41 Mann, darunter drei Offiziere – insgesamt 334 Mann. Hinzu kamen noch 15 Mann Besatzung der Landungsboote, darunter zehn Farbige, die jedoch bei diesen verblieben. Vgl. Eintheilung der Landungstruppen des Geschwaders, o.D. [25.12.1884], BArch, RM 1/2725, Bl. 169 f. Im Hinblick auf die Stärke der Landungsdivision kursieren verschiedene Zahlen, die jedoch teils nicht korrekt, teils irreführend, weil unvollständig sind: Knorr rundet in seinem Bericht die Anzahl auf 330 Mann ab, eine Angabe, die oftmals übernommen wurde, etwa von Reinhold Werner und Hugo Zöller. In seinen Memoiren nennt Knorr nur 217 Mann, bezieht sich dabei aber offensichtlich allein auf die Infanterie. Scheer, der einen der fünf Infanterie-Züge führte, nennt in seinen Memoiren etwa 200 Mann und bezieht sich dabei offenbar ebenfalls nur auf die Infanterie. Lawrence Sondhaus dagegen gibt eine Mannstärke von 350 an und verweist auf Eberhard von Mantey, der wiederum von 349 Mann schreibt, also die Besatzungen der Landungsboote mit hinzugerechnet hat. Vgl. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 110; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), BArch, RM 38/1, Bl. 25-72; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 155; Mantey, Deutsche Marinegeschichte, S. 142; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 67; Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 154; Werner, Bilder aus der deutschen Seekriegsgeschichte, S. 560; Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd 3, S. 173 ff.; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 171. Detaillierte Angaben über die Ausrüstung und Verpflegung der Soldaten enthält der Bericht des Kommandeurs der Landungsabteilung, Kapitän zur See Karcher: Karcher an Knorr, o.D. [24.12.1884], BArch, RM 38/1, Bl. 35-47, hier Bl. 46 f.; siehe auch: Tagesbefehl für die Landungsdivision, 19.12.1884, ebd., Bl. 32; Nachanweisung und Rechnungen bezüglich der verbrauchten Proviantquantitäten der Landungsdivision, 22.-26.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 137 f. Krieg in Kamerun. In: Extrablatt des »El Siglo«, 4 (1885), S. 1065 (enthalten in: BArch, N 578/18, Bl. 3 f.).

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jene unmittelbaren »Eindrücke von der Macht Deutschlands«110, die Bismarck und Caprivi angeordnet hatten: Beide Verbände »trieben die sich energisch zur Wehr setzenden Neger zurück« und »säuberten«111 die beiden Dörfer auf der HickoryHalbinsel von allen Einheimischen, bevor sie in Brand gesteckt wurden. Knorr schätzte die Anzahl der Gegner auf insgesamt etwa 900 Mann, allesamt bewaffnet mit Snider-Gewehren, die ihnen von den deutschen und britischen Händlern verkauft worden waren112. Vor allem mit Blick auf die britischen Kaufleute, Missionare und Diplomaten am Ort, welche die Rebellen unterstützten113, proklamierte er tags darauf, dass von nun an »jeder Ruhestörer, gleichgültig welcher Nationalität, die sofortige Ausweisung aus dem kaiserlichen Schutzgebiet zu gewährtigen hat« und, insofern er die Operationen der Aufständischen nachweislich unterstützt, »als Feind behandelt« werde114. Außerdem verbat Knorr den Handel mit Waffen, allerdings nur temporär, denn »dieselben bilden einen Haupthandels-Artikel der hiesigen [deutschen] Firmen«115. Innerhalb von drei Tagen brannten die deutschen Truppen, teilweise unterstützt von den 600 bis 700 Kriegern des verbündeten BellStammes116, insgesamt vier Dörfer und eine britische Baptisten-Mission nieder, aus deren Deckung heraus Aufständische auf sie geschossen hatten117. Unterstützung 110 111 112

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Caprivi an Knorr (Segelordre), 9.10.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 4-7, hier Bl. 4. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 155. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 110, 121. Waffen, insbesondere die Hinterlader des Typs Snider, waren seinerzeit – neben Schnaps – das wichtigste Handelsgut in Kamerun. In seinen Memoiren versucht Buchner diesen Vorwurf, der alle zeitgenössischen Berichte, auch seine eigenen, durchzieht, zu entkräften (!), allerdings wenig überzeugend. Vielmehr scheinen er und die deutschen Kaufleute wenig Konkretes über die tatsächliche Unterstützung der Rebellen durch ihre britischen Konkurrenten gewusst und diese in ihren Berichten übertrieben dargestellt zu haben, weil es ihren Interessen dienlich war. Die am Kamerunfluss niedergelassenen Engländer bestritten, dass sie die Rebellen unterstützt hätten, und zeigten dies auch schriftlich gegenüber Konsul Hewett an, der die entsprechenden Erklärungen Anfang Januar an Admiral Knorr übermittelte. Vgl. Hewett an Knorr, 1.1.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 146 f.; Erklärungen der britischen Kaufleute und Missionare an Konsul Hewett, 30./31.12.1884, ebd., Bl. 147-154; Buchner, Aurora colonialis, S. 97 ff.; siehe auch: Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 72 ff. Zitate aus: Bekanntmachung des Geschwaderchefs in Kamerun, 21.12.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 34. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 163 f.; Hewett an Knorr (mit Anlagen), 1.1.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 146-160; Knorr an Hewett (mit Anlagen), 4.1.1884, ebd., Bl. 161-165. Diese Proklamation richtete sich nur an die europäischen Staatsangehörigen im Kamerungebiet, die Einheimischen besaßen nach damaligem Verständnis keine Nationalität. Vgl. Mallmann, Die Staatsangehörigkeit in den deutschen Schutzgebieten, S. 44-76; siehe dazu auch: Wagner, Die deutschen Schutzgebiete, S. 234-242, 249-256. Caprivi an Knorr, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 121. In seinem Bericht äußerte sich Knorr sehr abfällig über diese Unterstützung. Die verbündeten Einheimischen hätten zwar eifrig geplündert und gebrandschatzt, sich aber weiteren Aufgaben gleichgültig entzogen. Vgl. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 121; siehe auch: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 166-173; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 78. Britischerseits bestritt man offiziell, dass die deutschen Truppen von den Missionsgebäuden aus beschossen worden waren. Die diesbezügliche Erklärung des Missionsleiters war allerdings nicht so eindeutig: »I further declare that none of the Joss Town people fired from the Mission Yard while I was there and that none of them, to my knowledge, were hiding on the premises«. Zitat aus: Declaration of Mr. Thomas Lewis of the Bell Town Mission before Consul Edward Hewett on board the Hulk »Lord Raglan« on the Cameroon River, 31.12.1884, BArch, R 1001/4206, 148 f.

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erfuhren die Landungstruppen auch von den beiden deutschen Firmen C. Woermann und Jantzen & Thormälen: Sie »bieten alles auf«, vermerkte Knorr in seinem amtlichen Bericht über die Strafexpedition, »um meine hiesige Aufgabe und meine hiesigen Maßnahmen zu unterstützen«118. Hilfreich waren vor allem die für das Landungskorps zur Verfügung gestellten Dampfer, Unterkünfte und die guten Ortskenntnisse ihrer Mitarbeiter. Scheer zufolge erwies sich auch das akustische Signalsystem der verbündeten Einheimischen mit Trommeln119 als hilfreich. In dem unübersichtlichen Terrain sei dieses dem optischen Signalsystem der deutschen Landungstruppen mit kleinen Winkflaggen120 vollkommen überlegen und somit »hier das Richtige«121 gewesen. Aus seiner Sicht »eilten [die Eingeborenen] damit dem späteren Funkspruch in ebenso genialer wie natürlicher Weise voraus«122. Am dritten Tag der Schlacht schickte Knorr die »Olga« den Kamerunfluss bis zur Hickory-Halbinsel hinauf und ließ sie die Überreste der dortigen Siedlungen »vornehmlich des moralischen Eindrucks wegen«123 bombardieren. Anschließend blieb die »Olga« noch einige Wochen als Wachtschiff dort stationiert. Im Zuge der Strafexpedition vom 20. bis 22. Dezember wurden Hunderte Einheimische vertrieben, etwa dreißig getötet, Dutzende verwundet und insgesamt sieben Mann, darunter der Häuptling Manga Aqua, gefangen genommen124.

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(Hervorhebungen durch den Verfasser). Über diese Angelegenheit kam es auch zu einem diplomatischen Schlagabtausch zwischen der Reichsleitung und der britischen Regierung. Siehe dazu: Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 78 ff.; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 55 f., 65. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 121. Zur »Trommel-Sprache« der Duala-Stämme allgemein siehe u.a.: Buchner, Kamerun, S. 55 f.; Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd 1, S. 478; Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd 3, S. 54 ff. Insgesamt verfügte das Landungskorps über sechs Signäler. Allerdings gehörte zum Divisionsstab auch ein Hornist, den Karcher während der Strafexpedition mindestens einmal zur Befehlsübermittlung einsetzte. Somit basierte die Kommunikation der deutschen Truppen zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich auf optischen Signalen. Vgl. Eintheilung der Landungstruppen des Geschwaders, o.D. [25.12.1884], BArch, RM 1/2725, Bl. 169 f.; Karcher an Knorr, o.D. [24.12.1884], BArch, RM 38/1, Bl. 35-47, hier Bl. 38. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 70. Ebd. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 116. Reinhard Scheer: Briefe an seine Eltern von Dezember 1884 bis Januar 1887, BArch, MSg 1/2569, hier 24.12.1884 und 29.12.1884 (fortan: Scheer, Briefe); Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 150-168; Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121; Tagesbefehl für die Landungsdivision, 19.12.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 32; Knorr an Karcher, 19.12.1884, ebd., Bl. 33; Bekanntmachung des Geschwaderchefs in Kamerun, 21.12.1884, ebd., Bl. 34; Karcher an Knorr, o.D. [24.12.1884], ebd., Bl. 35-47; Moltke an Knorr, 22.12.1884, ebd., Bl. 49 f.; Riedel an Knorr, 23.12.1884, ebd., Bl. 51-54; Bendemann an Knorr, 23.12.1884, ebd., Bl. 65-70; Knorr an Bendemann, 24.12.1884, ebd., Bl. 71; Knorr an Bendemann, 25.12.1884, ebd., Bl. 72; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 66-79; Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd 3, S. 172-200; siehe auch: Richter, Wie unsere Kolonien Südwestafrika, Kamerun und Togo erworben wurden, S. 152-170. Geländeund Gefechtsskizzen sind enthalten in: Karcher an Knorr, o.D. [24.12.1884], BArch, RM 1/2725, Bl. 154-168, hier Bl. 155, 157, 163. Siehe außerdem: Buchner, Aurora colonialis, S. 190-195; Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 71-77; Die Kämpfe in Kamerun. In: Deutsche Kolonialzeitung, 2 (1885), 4, S. 97-100, 5, S. 123-128; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 55 f.; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 170-176.

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Während Gustav Nachtigal die Kämpfe in einem offiziellen Bericht an den Reichskanzler verharmlosend als »Dezember-Ereignisse« bezeichnete, bewerteten Historiker wie Hans-Peter Jaeck und Hans-Ulrich Wehler dieselben als »brutale Schlächterei« respektive »Dezember-Gemetzel«, Alexander Krug schreibt sogar von einem »blutigen Massaker«125. Begriffe wie Gemetzel oder Massaker in diesem Zusammenhang zu verwenden, ist inadäquat, denn sie beschreiben »die Steigerung der kollektiven Erniedrigung, die kriegerische Niederlagen erzielen«126. Der Gewaltsoziologe Wolfgang Sofsky beispielsweise definiert den Begriff Massaker als »kollektive Gewalt an Wehrlosen«, die »weder fliehen noch Widerstand leisten [können]«, mit dem Ziel »restlose[r] Zerstörung«127. Keiner der Toten jedoch war wehrlos niedergemetzelt worden, sie waren alle im Kampf gefallen. Ein Massaker hat es in Kamerun Ende 1884 nicht gegeben. Zwar wurde auch in diesem Fall, wie bei allen Kolonialkriegen, die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt. Doch im qualitativen Vergleich mit späteren deutschen Kolonialkriegen, etwa der Niederschlagung des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika (1904-1907) oder des Maji-Maji-Aufstandes in Deutsch-Ostafrika (1905/06), wird deutlich, dass die Darstellung des ersten begrenzten Pazifizierungskrieges in Kamerun in der bisherigen Historiografie verzeichnet worden ist. Ohne Zweifel war die Strafexpedition das »entscheidende Ereignis«128 der Besitzergreifung Kameruns, denn, so konstatierten schon die Zeitgenossen, »durch sie erst wurde es jedermann klar, daß die Deutschen in vollem Ernste das Kamerungebiet als das ihrige betrachteten und nicht gesonnen waren, sich daraus auf irgend welche Weise verdrängen zu lassen«129. Stolz telegrafierte Knorr an Kaiser Wilhelm I. und Caprivi: »Aufrührerische Negerpartheien mit Waffengewalt niedergeschlagen. Mehrere Häuptlinge und größere Zahl ihrer Krieger gefallen bezw. vertrieben oder gefangen. Ortschaften vernichtet. Unter schwierigen klimatischen und Terrainverhältnissen Haltung der Truppe vorzüglich130.« Auf deutscher Seite starb bei den Kämpfen nur ein Soldat, der Matrose Rudolf Bugge, acht weitere wurden zum Teil schwer verletzt131. Außerdem töteten die Joss einen Agenten der Firma Woermann, Curt Pantänius132. Ein interessantes Detail findet sich in Karchers Bericht an Knorr, nämlich der exakt bezifferte Munitionsverbrauch des Landungskorps: 39 Granaten, 1 Kartätsche, 9741 Gewehrpatronen, 298 Revolverpat125

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Zitate aus: Nachtigal an Bismarck, 19.2.1885, BArch, R 1001/4210, Bl. 1 f., hier Bl. 1; Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 75; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 110; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 323. Trotha, Genozidaler Pazifizierungskrieg, S. 47. Zitate aus: Sofsky, Traktat über Gewalt, S. 176. Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 71. Tesdorpf, Geschichte der Kaiserlich Deutschen Kriegsmarine, S. 326. Knorr an Wilhelm I., o.D. [25.12.1884], BArch, RM 38/1, Bl. 73; Knorr an Caprivi, o.D. [25.12.1884], ebd. Karcher an Knorr, o.D. [24.12.1884], BArch, RM 38/1, Bl. 35-47, hier Bl. 45; Knorr an Caprivi, 25.12.1884, ebd., Bl. 73. Bugge gehörte zur Besatzung der »Olga« und wurde beim ersten Sturmangriff auf Joss Town durch einen Kopfschuss getötet. Pantänius’ Mörder wurde nach dem Friedensschluss mit den rebellischen indigenen Stämmen Mitte März 1885 an den Geschwaderchef ausgeliefert und standrechtlich erschossen. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 198 f.

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ronen und 92 Revolverkanonenpatronen wurden demnach benötigt, um den Widerstand der Rebellen in Kamerun zu brechen133. Euphorisch schrieb Hugo Zöller in der Kölnischen Zeitung: »In diesem Augenblick lebt am Kamerunfluß kein Mensch, sei er weiß oder schwarz, der nicht wusste und fühlte, daß jeder andere Einfluß als der deutsche gebrochen und für immer niedergeschmettert ist«134, und Reinhard Scheer berichtete nach Hause: »Die Kanoes vom King Bell fahren jetzt alle mit deutscher Flagge135.« Sogar die britische Presse konstatierte: »After the exhibition of such vigorous remedies for slight diseases, the conquerors are not likely to experience any more trouble with the Duallas136.« Nach der Strafexpedition schlug Knorr einige Teilnehmer für Auszeichnungen vor, darunter den Offizier-Steward Hans Denker, der »freiwillig mitgegangen« war und dem Knorr wegen »besonderer Kaltblütigkeit« im Einsatz offiziell attestierte, dass er »gut als Matrose in der Marine geeignet«137 sei. Zu Recht betont Lawrence Sondhaus unter Verweis auf diese Militäraktion, dass die Kaiserliche Marine – ebenso wie die Flotten der anderen Kolonialmächte – von Anfang an nicht davor zurückschreckte, Dörfer zu zerstören und Indigene zu töten, wenn es darum ging, die Herrschaft in den Kolonialgebieten durchzusetzen138. Dafür waren Männer vom Schlage eines Hans Denker in der Tat gefragt. Bismarck zeigte sich zufrieden: Er lobte Knorr einige Monate nach der Strafexpedition persönlich für seine »umsichtige Einwirkung«139, durch die der Konflikt mit den rebellischen Eingeborenen in Kamerun erfolgreich befriedet worden sei. Auch in großen Teilen der deutschen Bevölkerung, vor allem von den Kolonialenthusiasten, wurden die Nachrichten aus Kamerun freudig aufgenommen. Knorr erhielt sogar Glückwunschschreiben von ihm völlig unbekannten Menschen. Anfang Februar 1885 etwa schrieben ihm einige patriotisch berauschte Berliner Korpsstudenten: »Im stolzen Bewusstsein der neuesten glänzenden Errungenschaften der deutschen Waffen auf fernem Boden erlauben sich sechs Berliner deutsche Studenten, deren Herzen warm schlagen für des Vaterlandes Ehre, Ew. Exellenz, die Sie die deutsche Sache im neuen Vaterlande aufrecht erhalten, vom alten Vaterlande aus deutschen Gruß zu senden und einen urkräftigen Salamander zu reiben [ein burschenschaftliches Trinkri-

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Karcher an Knorr, o.D. [24.12.1884], BArch, RM 38/1, Bl. 35-47, hier Bl. 45 f. Die Granaten und das Kartätsche hatten ein Kaliber von jeweils acht Zentimetern. Karchers o.g. Bericht ist vollständig abgedruckt in: Nuhn, Kolonialpolitik und Marine, S. 259-268. Zit. nach: Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 77. Scheer, Briefe, 24.2.1885, BArch, MSg 1/2569. The Cameroon Country: II. The German Annexation. In: The Newcastle Daily Chronicle, 21.1.1885 (enthalten in: BArch, R 1001/4205, Bl. 32c). Zitate aus: BArch, RM 38/1, Bl. 58-61, hier Bl. 59. Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 154. Bismarck an Knorr, 4.9.1885, BArch, N 578/4, Bl. 42. Caprivi hatte es im Februar abgelehnt, dem Geschwaderchef »den Ausdruck der Anerkennung des Auswärtigen Amtes für seine umsichtigen Anordnungen zu übermitteln«, mit der Begründung, dass »nach einer in der Armee gültigen und noch neuerlich bei einem Spezialbefehl Allerhöchsten Orts sanktionierten Tradition, einem Offizier eine amtliche Anerkennung seiner Leistungen nur von seinem Vorgesetzten zutheil werden darf«. Vgl. Caprivi an Hatzfeldt, 20.2.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 13.

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tual – H.H.] auf Ew. Exellenz Wohl und das Wohl Ihrer tapferen Flottile. Vivat Crescat Floreat [Es lebe, wachse, blühe] Neu-Deutschland in Afrika140!«

Kaiser Wilhelm I. sprach dem Verband »Allerhöchst Seine Anerkennung«141 aus und verlieh dem Geschwaderchef den Roten Adler-Orden 2. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern. Auch viele andere Angehörige des Westafrikanischen Geschwaders erhielten teils hohe Auszeichnungen, darunter Kapitänleutnant Holtzendorff, dem der Rote Adler-Orden 4. Klasse mit Schwertern, und auch Hans Denker, dem das Militär-Ehrenzeichen 2. Klasse verliehen wurde142. »Autorität der Flagge wieder hergestellt«, hatte Knorr am 25. Dezember an den Chef der Admiralität telegrafiert, doch direkt im Anschluss konstatierte er: »Unsere fernere Anwesenheit hier erforderlich« und – chiffriert – »Verstärkung des Geschwaders durch wenigstens 2 Kanonenboote dringend erwünscht143.« Zwar waren die rebellischen indigenen Stämme durch die Strafexpedition zunächst eingeschüchtert, aber kaum war der Aufstand erfolgreich niedergeschlagen, erschienen zwei britische Kriegsschiffe – darunter ein Kanonenboot mit dem britischen Konsul für die Biafra- und Benin-Bucht, Edward Hewett, an Bord – vor der kamerunischen Küste und bereiteten Knorr einige Schwierigkeiten. Zunächst unterließen es die Briten, der deutschen Flagge als Landesflagge in üblicher Weise zu salutieren, dann teilten sie Knorr mit, dass sie nur privatim von der deutschen Besitzergreifung Kameruns erfahren hätten und diese deshalb offiziell nicht anerkennen würden; darauf folgten weitere Provokationen144. Offenbar war diese Aktion ein Versuch, die Ernsthaftigkeit der deutschen Schutzherrschaft, aber auch generell der neuen kolonialen Rivalität mit Großbritannien auszutesten und die deutsche Besitzergrei140

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Unsigniertes Glückwunschschreiben von sechs Berliner Studenten an Knorr, 1.2.1885, BArch, N 578/12, Bl. 47. In Knorrs Nachlass sind noch vier weitere, ausschließlich private Glückwunschschreiben an ihn überliefert. Vgl. BArch, N 578/12, Bl. 37-46. Caprivi an Knorr, 10.1.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 102 f., hier Bl. 102. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), BArch, RM 1/2845, 104; Marineverordnungsblatt, 16 (1885), 10, S. 99. Knorr an Caprivi, o.D. [25.12.1884], BArch, RM 38/1, Bl. 73. Knorr hatte zunächst explizit die Korvette »Ariadne« und den Kreuzer »Möwe«, mit dem Nachtigal seit einigen Monaten in den westafrikanischen Gewässern unterwegs war, anfordern wollen, diese Namen dann jedoch vor dem Absenden gestrichen und durch die Formulierung »zwei Kanonenboote« ersetzt. Vgl. ebd. Auch das Auswärtige Amt hielt es für besser, dass Knorr zunächst im Kamerungebiet verblieb. Vgl. AA an Caprivi, 10.1.1885, BArch, R 1001/4204, Bl. 209; Caprivi an AA, 10.1.1885, ebd., Bl. 212; AA an Caprivi, 12.1.1885, ebd., Bl. 213. Siehe dazu: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 170 f., 175 f., 179 ff.; AA an Münster, 5.2.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 147-158, hier Bl. 153 ff.; diverse Korrespondenz zwischen Knorr und Hewett (teils mit Anlagen), 1.-4.1.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 144-165; Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 119 f.; Knorr an Caprivi, 30.12.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 75-78; Knorr an Caprivi, 18.1.1885, ebd., Bl. 91-100, hier Bl. 91-93; Hewett an Buchner, 29.12.1884, zit. in: Correspondence respecting Affairs in the Cameroons, S. 105, Anhang 1 zu Nr. 103; Buchner an Hewett, 30.12.1884, ebd., Anhang 2 zu Nr. 103; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 177 f.; siehe auch: Granville an Münster, 21.2.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 16-19. Die Reichsleitung beschwerte sich in scharfer Form über Hewetts Vorgehen bei der britischen Regierung und ordnete die Ausweisung des britischen Vizekonsuls Buchan aus Kamerun an. Vgl. AA an Münster, 5.2.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 147-158; Münster an Bismarck, 9.2.1885, ebd., Bl. 164; AA an Buchner, 13.2.1885, ebd., Bl. 166; AA an Caprivi, 13.2.1885, ebd., Bl. 166-169.

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fung Kameruns nach Möglichkeit zu revidieren145. Admiral Knorr jedoch ließ sich davon nicht beirren. Er hatte mit der erfolgreichen Strafexpedition vollendete Tatsachen geschaffen und befand sich, wenn auch nur situativ, in der militärisch stärkeren Position. Hewett gab schließlich nach und wies Anfang 1885 seine Landsleute an, sich loyal gegenüber den Deutschen zu verhalten. Kurz darauf lichteten die britischen Kriegsschiffe ihre Anker und verließen die Reede von Kamerun. Erneut hatte Knorr die deutschen Herrschaftsansprüche erfolgreich durchgesetzt. Um das Erreichte auch dauerhaft gegenüber den Briten und der deutschfeindlichen Mehrheit der Einheimischen zu sichern, forderte er in seinen amtlichen Berichten vom 25. und 30. Dezember nachdrücklich von der Reichsleitung – die offizielle Anzeige der Besitzergreifung von und der deutschen Schutzherrschaft über Kamerun gegenüber der britischen Regierung; – die Stationierung von zwei Kriegsschiffen in der Region zumindest solange, bis Sicherungskräfte an Land garnisoniert würden; – die Aufstellung einer fünfzigköpfigen Polizeitruppe, unterstützt von Einheimischen146; 145

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Bereits kurz nach der eigentlichen deutschen Besitzergreifung Kameruns durch die Flaggenhissung Nachtigals Mitte Juli 1884 hatte Hewett einen Versuch unternommen, diese zu revidieren, war aber seinerzeit ebenfalls gescheitert. Die britische Regierung versuchte Hewetts Vorgehen damit zu rechtfertigen, dass Großbritannien schon einige Monate vor der deutschen Besitzergreifung Kamerun hatte annektieren wollen. Vgl. Auszug aus dem Bericht des General-Konsuls Dr. Nachtigal No. 4, 16.8.1884, BArch, R 1001/4203, Bl. 73-83; AA an Münster, 5.2.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 147-158, hier Bl. 150; Granville an Münster, 21.2.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 16-19, hier Bl. 16 f.; Johann Voss, Ueber die Aufhissung der deutschen Flagge in Kamerun. In: Der Hamburgische Correspondent, 1884, S. 246; siehe dazu außerdem das britische Blaubuch über: Correspondence respecting Affairs in the Cameroons (enthalten in: BArch, R 1001/4206, Bl. 36-92). Auf den ersten Blick erscheint diese Forderung paradox, denn Knorr äußerte sich im selben Bericht sehr abfällig über die Leistungen der verbündeten Einheimischen während der Kämpfe gegen den Hickory- und den Joss-Stamm. Gleichzeitig jedoch betonte er, dass die Bell der stärkste Stamm in der Region und den Deutschen treu verbunden seien. Vgl. Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 121. Kurz zuvor hatte Knorr bereits angekündigt, er wolle versuchen, »jetzt schon Eingeborene des hiesigen Duala-Gebietes [vom verbündeten Bell-Stamm – H.H.] an Bord als freiwillige Dienstpflichtige einzustellen und zu erziehen«. Tatsächlich wurden Anfang Juli drei junge Einheimische als vierjährige Freiwillige an Bord der »Bismarck« eingestellt, »um mal auszuprobieren, wie sie sich machen«. Offenbar war sich Knorr sehr wohl bewusst, dass das Deutsche Reich (noch) keine größeren Polizei- oder Streitkräfte dauerhaft in den Kolonien stationieren würde; so gesehen war sein Vorschlag, nach britischem Vorbild eine Kerntruppe aus weißen Polizisten im Verein mit einer »Polizeimacht aus Eingeborenen« zu schaffen, realistischer, zumal diese, wie Zöller in der Kölnischen Zeitung zeittypisch konstatierte, »nicht ganz so ängstlich wie unsere weißen Matrosen geschont zu werden brauchen«. Aber diese Forderung kam zu früh, Bismarck lehnte sie aus politischen Gründen ab. Es werde »bis zur völligen Formirung einer solchen Truppe noch geraume Zeit verstreichen«, hatte Zöller prognostiziert, und er sollte Recht behalten: Erst im Jahre 1889 wurde die erste Polizeitruppe aus Farbigen in Kamerun gebildet. Zitate aus: Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 120; Scheer, Briefe, 10.7.1885, BArch, MSg 1/2569; Hugo Zöller, Aus der deutschen Colonie Kamerun. II. In: Kölnische Zeitung, 1885, S. 81 (Bericht vom 8. Februar). Siehe dazu auch: Knorr an Schering, 26.10.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 117; Nachtigal an Bismarck, 12.2.1885, BArch, R 1001/4208, Bl. 38-50, hier 49; Buchner, Aurora colonialis, S. 198 ff.; Buchner, Kamerun, S. 166-170; Morlang, Askari und Fitafita, S. 13 f.; Rüger, Der Aufstand der Polizeisoldaten, S. 103.

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– die Entsendung eines Gouverneurs, eines Juristen und von Missionaren; – die Etablierung einer Zivilverwaltung und – die Errichtung geeigneter Dienstbauten für die Administration und die Sicherheitskräfte147. Knorr hatte die beiden Berichte und zahlreiche Anlagen Ende Dezember mit der kurz zuvor aus Monrovia eingetroffenen »Adler« nach St. Vincent auf die Kapverdischen Inseln geschickt. Von dort sollten sie mit deutschen oder britischen Postdampfern148 weiter nach Deutschland befördert werden. Gleichzeitig ließ er von St. Vincent die wichtigsten Informationen über den Einsatz telegrafisch an die Admiralität übermitteln. In den folgenden Monaten wickelte das Westafrikanische Geschwader auf diese Weise seinen gesamten Post- und Nachrichtenverkehr ab, zunächst über St. Vincent, dann über Kapstadt – eine enorm aufwendige und langwierige Prozedur. Während telegrafische Berichte relativ rasch übermittelt werden konnten, von der Sendestation aus per Seekabel binnen weniger Stunden149, dauerte die Beförderung per Schiffspost mehrere Wochen (von St. Vincent aus etwa drei Wochen). Weil Knorr nur relativ geringe Geldmittel für die Nachrichtenübermittlung zur Verfügung standen und der telegrafische Dienst sehr teuer war, begrüßte er, dass der Journalist Zöller trotz der hohen Kosten – insgesamt 800 Mark! – ein von ihm redigiertes, langes Telegramm über die Strafexpedition nach Deutschland schicken wollte, und veranlasste dessen Beförderung nach St. Vincent. Unter welchen Umständen Zöller den Bericht verfasste, beschreibt Buchner sehr anschaulich in seinen Memoiren:

»Es war ein nie zu vergessender Anblick, wie er so dasass, zusammengedrückt an der Ecke eines Tisches, zwischen Matrosen und Gewehren, dampfenden Schüsseln und Reisegepäck, Waffengeklirr und wirren Gesprächen, und schrieb und schrieb und schrieb.

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Knorr an Caprivi, 25.12.1884, BArch, RM 1/2725, Bl. 109-121, hier Bl. 119 f.; Knorr an Caprivi, 30.12.1884, BArch, RM 38/1, Bl. 75-78, hier Bl. 77 f.; siehe auch: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 170-181; weitere Empfehlungen finden sich in: Knorr an Caprivi, 9.3.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 120-126, hier Bl. 122 f.; Knorr an Caprivi, 7.4.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 162-177, hier Bl. 171 f., 174 ff. Auch Generalkonsul Nachtigal und das Syndikat für Westafrika unter Führung von Adolph Woermann stellten ähnliche, teils weitergehende Forderungen auf. Vgl. Woermann an Bismarck, 30.12.1884, BArch, RM 1/2446, Bl. 11 f.; Woermann an Bismarck, 31.12.1884, ebd., Bl. 19 f.; Nachtigal an Bismarck, 12.2.1885, BArch, R 1001/4208, Bl. 38-50, hier 48 ff.; Buchner an Bismarck, 17.4.1885, BArch, R 1001/4212, Bl. 4-9; Buchner an Bismarck, 19.4.1885, ebd., Bl. 16 f. Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes – die vom Reichspostamt nicht geteilt wurde – war die Beförderung von Dokumenten mit britischen Postdampfern unsicher, weil die Post dort geöffnet werde und Sendungen, die von Großbritannien für Interesse seien, entweder verzögert oder gar nicht zugestellt würden. Caprivi reagierte umgehend, als Bismarck ihn im Mai 1885 auf dieses Problem aufmerksam machte, und ordnete an, dass fortan als geheim eingestufte Dokumente nur noch in doppelten Kuverts verschickt und außen nur mit der Empfangsadresse, ohne den Zusatzvermerk »Geheim«, verschickt werden dürften. Vgl. Bismarck an Caprivi, 22.5.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 54 f.; Caprivi an Bismarck, 22.5.1885, ebd., Bl. 56; Caprivi an Bismarck und diverse Marinedienststellen, 23.5.1885, ebd., Bl. 57 f.; Reichspostamt an Caprivi, 8.6.1885, ebd., Bl. 159. Adolph Woermann gründete am 15.6.1885 die »Afrikanische Dampfschiffs-Actiengesellschaft, Woermann-Linie« und schuf damit die Grundlage für die erste regelmäßige deutsche Postdampfer-Linie nach West- und Südwestafrika. Vgl. Brackmann, Fünfzig Jahre deutscher Afrikaschiffahrt, S. 12-19. Siehe dazu die hervorragende Studie von: Nickles, Under the Wire, S. 81-84.

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Schon liegen unzählige Blätter herum, noch feuchte Kopien, eben gepresst, die schnell trocknen sollen, und immer wieder muss Herr Zöller schützend hierhin und dorthin springen, wenn ein neuer Lärm entsteht und wieder neue Scharen kommen, um sich bei ihm niederzulassen150.«

Zöllers ausführliches Telegramm an seine Redaktion und Knorrs prägnante Depesche an die Admiralität wurden beide am 9. Januar von Kapverden aus nach Deutschland übermittelt151, aber Kaiser Wilhelm I. erhielt die Nachricht von der erfolgreichen Niederschlagung des Aufstandes zuerst von der Kölnischen Zeitung – nicht aus Knorrs Bericht, wie Wehler schreibt152 – und ließ darauf Caprivi ausrichten, er habe die Ausführungen »mit Genugtuung gelesen«153. Weil Zöller auch in den kommenden Monaten häufiger und oftmals sogar schneller über die Aktivitäten des Geschwaders nach Deutschland berichtete, kam es schließlich zu einem heftigen Disput zwischen Caprivi und Knorr, der darin erneut – zu Unrecht – eine Intrige Caprivis gegen ihn beziehungsweise das Westafrikanische Geschwader und dessen Aktivitäten vermutete. Problematisch war zudem, dass immer wieder Briefe von Besatzungsmitgliedern an ihre Angehörigen in verschiedenen Zeitungen abgedruckt wurden. Caprivi missbilligte dies ausdrücklich, weil dadurch zahlreiche Details über den Einsatz des Kreuzergeschwaders unkontrolliert an die Öffentlichkeit gerieten. Um dem vorzubeugen, gab Knorr im weiteren Verlauf der Reise selbst den Offizieren nur noch wenige Informationen über diplomatische Verhandlungen und die weitere Reise- und Einsatzplanung – eine Haltung, die rasch den gewünschten Effekt erzielte und deshalb auch von Knorrs Amtsnachfolgern beibehalten wurde154. Von den betroffenen Soldaten, deren Briefe veröffentlicht wurden, erhielten einige scharfe Abmahnungen155. 150 151

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Buchner, Aurora colonialis, S. 192; siehe auch: Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 176. Vier Tage zuvor war Caprivi vom Auswärtigen Amt über eine Eingabe Woermanns vom 30. Dezember informiert worden, in der dieser eine rasche Befriedung Kameruns durch geeignete Maßnahmen der Kriegsschiffe forderte. Zwar wusste zu diesem Zeitpunkt niemand im Deutschen Reich, dass die Intervention bereits erfolgreich durchgeführt worden war, aber offenbar rechnete die Admiralität damit; jedenfalls erteilte Caprivi dem Geschwaderchef nur die knappe Zusatzanweisung: »Cameroons nicht verlassen, bevor Sicherheit vorhanden, daß Ordnung aufrecht erhalten bleibt«, die noch für einige Monate Geltung haben sollte. Vgl. AA an Caprivi, 5.1.1885, BArch, R 1001/4204, Bl. 131; Caprivi an AA, 7.1.1885, ebd., Bl. 180; siehe auch: Woermann an Bismarck, 30.12.1884, BArch, RM 1/2446, Bl. 11 f. Zitat aus: Caprivi an AA, 7.1.1885, ebd., Bl. 180. Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 322. AA an Caprivi, 10.1.1885, BArch, RM 1/2437, Bl. 10. Die Weiterleitung dieses Telegramms an den Kaiser war von Bismarck persönlich bestimmt worden. Vgl. Aktenvermerk vom 9.1.1885, BArch, R 1001/4204, Bl. 204. Die britische Regierung erhielt erst am 22. Januar die erste, noch dazu ungenaue telegrafische Nachricht über die deutsche Intervention in Kamerun von einem ihrer eigenen Repräsentanten in Afrika, dem Gouverneur der Goldküste (das Telegramm wurde am 5. Januar abgefasst). Vgl. Correspondence respecting Affairs in the Cameroons, Nr. 93, S. 96. Siehe dazu u.a.: Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 53. Scheer, Briefe, 24.12.1884, 29.12.1884, 10.7.1885, 28.7.1885, 3.3.1886, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 176-179, Bd 5, S. 4; Telegramm der Kölnischen Zeitung an Bismarck, 9.1.1885, BArch, R 1001/4204, Bl. 196 f.; Caprivi an AA, ebd., Bl. 207; AA an Caprivi, 10.1.1885, BArch, RM 1/2437, Bl. 10; Caprivi an Hatzfeldt, 28.1.1885 BArch, RM 1/2725, Bl. 181; AA an Caprivi, 28.1.1885, ebd., Bl. 185; Caprivi an Knorr, 5.8.1885,

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Bismarck nutzte die Nachrichten von der erfolgreichen Strafexpedition schon am nächsten Tag, um im Reichstag einen Nachtragsetat für sein koloniales Projekt in Höhe von 248 000 Mark durchzusetzen. Ein Großteil des Geldes war für die Schaffung einer Kolonialverwaltung in Kamerun vorgesehen, über deren Organisation und Finanzierung sich Bismarck bereits zwei Wochen zuvor mit führenden Vertretern der Firmen Woermann und Jantzen & Thormälen verständigt hatte. Ihm widerstrebte zwar dieser Schritt hin zu formaler Kolonialherrschaft, aber angesichts des Unwillens und der Unfähigkeit des unter Woermanns Vorsitz gebildeten Syndikats für Westafrika, administrative Strukturen in Kamerun zu etablieren, war er unvermeidlich geworden156. Auch Caprivi nutzte die Gunst der Stunde: Vor der Budget-Kommission des Reichstages erläuterte er, dass »in Folge der veränderten überseeischen Politik« die »ganze verfügbare Kraft der Marine schon jetzt in Anspruch genommen werde«157 und zudem Mehrkosten in Höhe von rund 5,6 Millionen Mark angefallen seien. Diese Summe forderte er bei den anschließenden Etatsverhandlungen im Reichstag ein und – bekam sie auch bewilligt. »Das Feuer unserer Blaujacken im Kamerun«, jubelte darauf die Deutsche Kolonialzeitung, »hat auch das Eis im Deutschen Reichstag schmelzen lassen158.« Allerdings hatten sich viele Abgeordnete genötigt gefühlt, den Mehrforderungen aus nationalen Prestigegründen zuzustimmen, diesen Eindruck vermitteln sehr deutlich die äußerst kontrovers geführten Parlamentsdebatten über die Kolonial- und Marinepolitik im Januar 1885159. Noch zwei Jahre später erregte sich der liberale Abgeord-

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BArch, RM 1/2726, Bl. 26-29; Knorr an Caprivi, 11.9.1885, ebd., Bl. 64 f.; Knorr an Caprivi, 10.3.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 127 f.; Caprivi an Knorr, 21.1.1885, ebd., Bl. 129 ff., hier Bl. 129; AA an Caprivi, 13.2.1885, ebd., Bl. 161; Caprivi an Knorr, 24.2.1885, ebd., Bl. 193 f.; Caprivi an Knorr, 27.3.1885, ebd., Bl. 196 f.; Knorr an Caprivi, 10.6.1885, ebd., Bl. 202-206, hier Bl. 203 ff.; Auszug aus dem Bericht des Chefs des westafrikanischen Geschwaders über die Ereignisse im Kamerun-Gebiet, Separat-Abdruck aus dem Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger, 29.1.1885 (enthalten in: BArch, RM 1/2725, Bl. 186); Krieger, Hugo Zöller, S. 109 f.; Walther, Meine Erlebnisse auf dem Tender Adler, S. 134; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 176 f. Siehe dazu: Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 82-85; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 120 ff., 178 ff.; Washausen, Hamburg und die Kolonialpolitik des Deutschen Reiches, S. 121-127. Sitzungsprotokoll der Budget-Kommission des Reichstages, 10.1.1885, BArch, RM 1/1839, Bl. 170-177, hier Bl. 171. Die erste Waffenthat in Deutsch-Afrika und ihr Widerhall im Reichstage. In: Deutsche Kolonialzeitung, 2 (1885), 3, S. 62 ff., hier S. 63. Ergänzung zum Entwurf des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1885/86 nebst Anlagen, 18.1.1885, BArch, RM 1/1839, Bl. 165-168; Sitzungsprotokolle der Budget-Kommission des Reichstages, 10.1.1885, 12.1.1885 und 13.1.1885, ebd., Bl. 170-192; Etat für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1885/86, S. 46-51, 118 f., BArch, RM 1/2109; Aufzeichnung über eine Unterredung des Herrn Reichskanzler mit den Inhabern der im Biafra-Gebiete interessierten Firmen, 25.12.1884, BArch, RM 1/2444, Bl. 198-206, hier Bl. 202-206; Woermann an Bismarck, 20.10.1884 (mit Anlage), BArch, R 1001/4203, Bl. 87 ff.; AA an Caprivi, 27.10.1884, ebd., Bl. 90 f.; Caprivi an Hatzfeldt, 30.10.1884, ebd., Bl. 99; Caprivi an Hatzfeldt, 14.1.1885, BArch, R 1001/4204, Bl. 217; Caprivi an Hatzfeldt, 27.1.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 107; AA an Caprivi, 4.2.1885, ebd., Bl. 108; Woermann an Bismarck, 15.10.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 8-11; Aufzeichnung über eine Unterredung des Reichskanzlers mit den Inhabern der im Biafragebiete interessierten Firmen, 25.9.1884, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 43 (1885), Nr. 8281,

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nete Heinrich Rickert darüber, dass die Reichstagsabgeordneten seinerzeit vor der Beschlussfassung »vollendeten Thatsachen gegenüberstanden. Es hat, als es sich um den wesentlichen Theil gehandelt hat, der Herr Chef der Admiralität uns auseinandergesetzt: diese Etatsüberschreitungen waren nothwendig, wir haben sie gemacht, ohne den Reichstag zu befragen, die Konsequenzen müsst ihr tragen160.« Kaum war der Marineetat bewilligt worden, musste Caprivi Mitte Januar, auf Anweisung des Auswärtigen Amtes und gegen seinen Willen, zwei de facto längst bestehende Auslandsstationen gründen, das heißt nicht nur temporär, sondern dauerhaft besetzen161: die Westafrikanische Station, die das Gebiet von den LosInseln an der Guineaküste bis zur Walfischbai umfasste, und die Südafrikanische Station, deren Gebiet von der Walfischbai über Kapstadt bis hin nach Sansibar reichte162. Erstere sollte mit dem Kreuzer »Habicht« besetzt werden163, der aus der Heimat dorthin verlegt wurde, letztere mit dem Kreuzer »Möwe«164, der sich mit Nachtigal an Bord nahe der kamerunischen Küste aufhielt. Einige Wochen später schickte Caprivi zusätzlich noch das Kanonenboot »Cyclop« nach Kamerun auf die Westafrikanische Station165. Caprivi informierte Knorr noch im Januar, dass bald ein Gouverneur seinen Dienst in Kamerun antreten werde, und äußerte dem Geschwaderchef gegenüber

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S. 271 ff.; Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd 12, S. 561-578 (Rede vom 10.1.1885); Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 79, Sitzg. 10.1.1885, S. 521-545, Bd 80, Sitzg. 20.1.1885, S. 741-755, Bd 81, Sitzg. 2.3.1885, S. 1495-1508, Bd 83, S. 347 ff., Anl. 93; siehe auch: Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 320-324. Rickert, 8.3.1887. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 95, S. 30 (Hervorhebung im Original). Caprivi an Hatzfeldt, 18.11.1884, BArch, R 1001/7121, Bl. 141-144; Promemoria Hatzfeldts betreffend die Disposition über die Schiffe der Kaiserlichen Marine auf auswärtigen Stationen im nächsten Jahr (zum Vortrag beim Reichskanzler durch Kusserow), 12.12.1884, ebd., Bl. 135-140, hier Bl. 136; AA an Caprivi, 18.12.1884, ebd., Bl. 145 ff.; Caprivi an Hatzfeldt, 29.12.1884, BArch, R 1001/7122, Bl. 10 f., hier 11; AA an Caprivi, 30.12.1884, ebd., Bl. 13 f.; AA an Caprivi, o.D. [1.1.1885], ebd., Bl. 24 ff.; Promemoria des AA über die Verwendung von Kriegsschiffen (zum Vortrag beim Reichskanzler durch Kusserow), 3.1.1885, ebd., Bl. 32-36; AA an Caprivi, ebd., Bl. 37 ff. Exakte Angaben über die geografische Eingrenzung dieser beiden Stationsgebiete enthält die entsprechende Marineverordnung vom 7.6.1885, über alle anderen Stationsgebiete die entsprechende Marineverordnung vom 21.1.1881. Vgl. Marineverordnungsblatt, 12 (1881), 2, Verordnung Nr. 13, S. 10 ff., 16 (1885), 18, Verordnung Nr. 138, S. 146. Der »Habicht« wurde als Ersatz für den zunächst eingeplanten Dampfaviso »Loreley« nach Westafrika geschickt, der von Konstantinopel aus nicht schnell genug dorthin verlegt werden konnte. Vgl. Caprivi an Hatzfeldt, 19.1.1885, BArch, RM 1/2437, Bl. 15. Das Kanonenboot »Möwe« wurde am 25.11.1884 – wie auch kurz darauf sein Schwesterschiff »Habicht« – zum Kreuzer umklassifiziert. In den Quellen und in der Literatur findet sich jedoch häufig auch für die Zeit nach der Umklassifizierung die Bezeichnung Kanonenboot; zudem variiert die Schreibweise zwischen »Möwe« und »Möve« – es ist aber stets dasselbe Schiff gemeint. Vgl. Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 4, S. 46 ff., Bd 6, S. 92 ff. Siehe dazu: Caprivi an Stubenrauch (Segelordre), 15.4.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 207 f.; siehe außerdem: Caprivi an Hatzfeldt (mit Anlage), 6.4.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 61-65; AA an Caprivi, ebd., Bl. 67 f.; Caprivi an AA, 20.4.1885, ebd., Bl. 74 f.; Promemoria der Admiralität zum Immediatvortrag am 5.5.1885, 27.4.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 229-232, hier Bl. 232; Caprivi an Knorr, 7.6.1885, BArch, RM 1/2726, Bl. 2 f.

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seine Hoffnung, dass dessen Bericht – wie es dann ja tatsächlich der Fall war166 – »in Bezug auf die Regelung der Stellung jenes Gouverneurs Anhaltspunkte bieten werde«167. Außerdem teilte er dem Admiral mit, dass die »Bismarck« als Flaggschiff für die ostasiatische Station vorgesehen war und die »Olga« sobald wie möglich nach Deutschland zurückkehren sollte. Beide Schiffe sollten ihre Sonderbekleidung und die Ausrüstung für das Landungskorps auf den neuen afrikanischen Auslandsstationen belassen. Im Gegenzug schickte Caprivi mit dem Kreuzer »Habicht« und dem Dampfer »Ella Woermann« lange ersehnten Proviant und diverse Ausrüstungsgegenstände, darunter 5000 Gewehrpatronen168, an das Westafrikanische Geschwader169. Die Versorgung des Verbandes mit Ausrüstungsmaterial und vor allem mit Proviant war während des gesamten Einsatzes unzureichend infolge mangelhafter Kommunikationsmöglichkeiten, fehlerhafter Koordination, langer Transportwege und des eingeschränkten lokalen Nahrungsangebots. Wie problematisch und belastend dieser Umstand für die Besatzungen gewesen sein muss, verdeutlichen einige Auszüge aus den Briefen von Reinhard Scheer. Am 10. März 1885 etwa schrieb er an seine Eltern: »Auch hoffen wir, das ›Hunger-Kamerun‹ bald zu verlassen und nach Kapstadt zu gehen«; und wenig später: »Wir kämpfen stets mit der Langeweile und mit Nahrungssorgen, d.h. verhungern thun wir gerade nicht, aber fortwährend in Ziegenbraten ohne frische Kartoffeln, frische Butter, frisches Brod, frisches Gemüse etc. zu leben, ist kein Genuss. Auch unser Dauerproviant war nicht darauf eingerichtet, so ununterbrochen beansprucht zu werden170.« Caprivis Anweisungen erreichten Knorr erst Wochen später. In der Zwischenzeit betrieb dieser, trotz mehrerer schwerer Fieberanfälle (vermutlich infolge einer Infektion mit Schwarzwasserfieber) und anderer gesundheitlicher Probleme, eine aktive und erfolgreiche Kolonialpolitik: Er betraute seine Kriegsschiffe und für diesen Zweck angemietete Dampfer der Reederei Woermann mit Sicherungsaufgaben in den Küstengewässern Kameruns, regelte Unstimmigkeiten mit den britischen Kaufleuten am Ort, schickte Expeditionen sowohl ins kamerunische Hinterland als auch an andere Küstenabschnitte nahe der Mündung des Kamerunflusses, ließ das Küstengebiet vermessen, den Kamerunfluss bis zur Duala-Halbinsel betonnen und schloss eine Reihe von Handels- und Schutzverträgen mit lokalen Häuptlingen sowie Friedensverträge mit dem Joss- und Hickory-Stamm, wodurch der Handel wieder in Schwung kam. Zudem fungierte er als Interims-Gouverneur

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Knorrs Berichte vom 25. und 30.12.1884, die Vorschläge hinsichtlich der zukünftigen Verwaltung Kameruns enthielten, trafen Ende Januar in Berlin ein. Caprivi an Knorr, 21.1.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 129 ff., hier Bl. 131. Aktenvermerk vom 1.2.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 204. Caprivi an Knorr, 21.1.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 129 ff.; Caprivi an Hatzfeldt, 8.3.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 22 f. Zitat aus: Scheer, Briefe, 10.3.1885 und 16.5.1885, BArch, MSg 1/2569; siehe außerdem: ebd., 10.6.1885, 3.7.1885 und 10.7.1885; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 179; siehe auch: Buchner, Aurora colonialis, S. 216; Buchner, Kamerun, S. 115-121, 245; Zöller, Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd 3, S. 161 f.

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und übernahm im Verein mit Buchner diverse zivile Verwaltungsaufgaben auf der Basis der Schutzverträge171. Mitte Januar unterlief der Marine ein gravierender Fehler: Trotz (angeblich) scharfer Bewachung gelang es dem auf der »Olga« internierten Häuptling Manga Aqua, seine Hand- und Fußfesseln abzustreifen, über Bord zu springen und an Land zu fliehen. Allerdings wurde der »Aufwiegler« einige Wochen später wieder eingefangen, öffentlich mit zehn Peitschenhieben auf dem Dorfplatz von Aqua Town bestraft und anschließend für ein Jahr in ein Gefängnis nach Deutschland verbracht172. Andere Gefangene wurden deutlich härter bestraft: So ließ etwa Korvettenkapitän Felix Bendemann im Januar vier wegen Diebstahls inhaftierte Einheimische »vor der Faktorei, in Gegenwart der Häuptlinge 10-25 Peitschenhiebe, je nachdem sie sich bei der Gefangennahme widerspänstig gezeigt hatten, durch unsere Kru Jungen aufzählen«173. Zwar blieben, von einzelnen Scharmützeln abgesehen, erneute kriegerische Angriffe gegen die Kolonialherren aus, aber Knorr genehmigte die Aufhebung des Belagerungszustandes erst am 1. April 1885, nachdem auch die Stämme untereinander in Friedensverhandlungen getreten waren und »auf diese Weise im gesammten Gebiet der Kolonie Kamerun wieder Ruhe und Ordnung geschaffen war«174. Nachdem die Kreuzer »Möwe« und »Habicht« eingetroffen waren – letzterer löste die »Olga« ab –, ging Knorr im April mit der »Bismarck« für einige Wochen nach Togo, um »dem Flaggschiff Gelegenheit [zu] geben, sich Schlachtvieh und Gemüse zu beschaffen«175. Außerdem sollte er dort 171

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Scheer, Briefe, 24.2.1885, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 181-199, Bd 4, S. 2-11; Buchner an AA (mit Anlage), 30.1.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 130 f.; Buchner an AA, 14.1., 19.1.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 23, 26; Nachtigal an Bismarck, 11.1.1885, ebd., Bl. 103-107; Nachtigal an Bismarck, 12.2.-14.2.1885 (insgesamt drei Berichte mit Anlagen), BArch, R 1001/4208, Bl. 38-78; Nachtigal an Bismarck, 19.2.1885, BArch, R 1001/4210, Bl. 1 f., hier Bl. 1; Buchner an AA (mit Anlagen), 10.3.1885, ebd., Bl. 40-44; Buchner an Bismarck, 10.4.1885, BArch, R 1001/4211, Bl. 13 f.; Caprivi an Hatzfeldt, 7.1.1885, BArch, RM 1/2446, Bl. 26 f.; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 18.1.1885, BArch, RM 1/2437, Bl. 45-87; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 14.2., 9.3., 7.4.1885, BArch, RM 1/2871, Bl. 47-107, 110-146, 171-196; Nachtigal an Knorr, 7.4.1885, ebd., Bl. 197; Knorr an Caprivi, 12.1., 14.1., 19.1., 7.4., 10.4.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 85 ff., 90, 101, 162-177, 180; Knorr an Karcher, 22.1., 4.2.1885, ebd., Bl. 106, 108; Karcher an Knorr, 26.1.1885, ebd., Bl. 107; Buchner, Aurora colonialis, S. 195-328; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 78 ff.; Zöller, Als Jurnalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit, S. 178-210. Im offiziellen Jargon wurde diese Interimslösung bereits als deutsche »Militär- und Civilbehörde in Kamerun« bezeichnet. Vgl. AA an Münster, 5.2.1885, BArch, R 1001/4205, Bl. 147-158, hier Bl. 151. Knorr an Caprivi, 17.5.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 189 ff., hier Bl. 191; Schuckmann an Knorr, 14.5.1885, BArch, RM 1/2438, Bl. 30 f., hier Bl. 31; Woermann an AA, 6.6.1885, BArch, R 1001/4213, Bl. 6 f. Bendemann an Knorr, 9.1.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 171-175, hier Bl. 173. Vermutlich wurden diese vier Einheimischen, wie in anderen Fällen auch, mit einem Tauende ausgepeitscht und anschließend freigelassen. Auspeitschungen ließ Knorr der Abschreckung wegen stets öffentlich vornehmen. Vgl. u.a. ebd.; Urteil von Admiral Knorr gegen die beiden Neger Djama und Djam, 27.12.1884, ebd., Bl. 176; Knorr an Bendemann, 14.1.1885, ebd., Bl. 178. Knorr an Caprivi, 7.4.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 162-177, hier Bl. 162. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 4, S. 11. Weiterer Proviant und Kohlen wurden bereits Anfang März in St. Isabel aufgenommen, dem Hafen der spanisch besetzten Insel Ferdinand Po gegenüber der Mündung des Kamerunflusses. Vgl. ebd., S. 21 f.

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Schutzverträge mit indigenen Stämmen im Grenzgebiet zu Dahomey abschließen, und zwar ausdrücklich in Abstimmung mit den französischen Behörden. Mitte Mai musste aber Buchner wegen einer schweren Fiebererkrankung in die Heimat zurückgeschickt werden176 und Knorr fortan bis zum Eintreffen des Gouverneurs Kamerun alleine verwalten177. Auch an Bord der Kriegsschiffe fielen nach und nach zahlreiche Soldaten krankheitsbedingt aus. Im »Statistischen Sanitätsbericht über die Kaiserlich Deutsche Marine« sind in der Zeit von Oktober 1884 bis März 1885 allein für die »Bismarck« (416 Mann Besatzung) 58 Fieberkranke und für die »Olga« (267 Mann Besatzung), die überwiegend auf dem Kamerunfluss und damit im Malariagebiet stationiert war, sogar 82 Fieberkranke verzeichnet; zwei Soldaten starben an Malaria178. Deshalb war Knorr heilfroh, als er am 4. Juli 1885 die Regierungsgeschäfte an den frisch aus der Heimat eingetroffenen Freiherrn Julius von Soden übergeben konnte179. Zum Abschied, das ist noch bemerkenswert, schrieben ihm die Einheimischen, vermutlich Angehörige des Bell-Stammes, einen langen Brief, »worin sie ihn besonders wegen seiner Rechtlichkeit belobten, und wenn sein Nachfolger nicht ebenso wäre, wollten sie ihn wiederhaben«180. Während Knorr das Kamerungebiet militärisch sicherte und weitere Annexionen im Hinterland vorantrieb, kam es auch zu Reibereien mit den Briten, die ihrer176

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Nach Wehler musste Buchner »auf Drängen Woermanns hin [...] aus dem Regierungsdienst ausscheiden«, weil er gefordert hatte, den Verwaltungs- und Militärapparat in Kamerun zu vergrößern und dies »durch eine Besteuerung der Faktoreien« zu finanzieren. Diese Darstellung ist falsch. Zitate aus: Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 322. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 2; Knorr an Caprivi, 26.6.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 173; Untersuchungsbericht des Schiffsarztes des »Habicht«, BArch, RM 1/2438, Bl. 32 f.; Knorr an Caprivi, 17.5.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 192; Knorr an Caprivi, 10.6.1885, ebd., Bl. 202-206, hier Bl. 202; Buchner, Aurora colonialis, S. 323-328. Zu seinem Vertreter bei Abwesenheit ernannte er den Kommandanten des »Habicht«, Korvettenkapitän Hugo von Schuckmann. Vgl. Knorr an Schuckmann, 16.5.1885, BArch, RM 1/2438, Bl. 35. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 4, S. 7 ff.; Knorr an Caprivi, 19.6.1885, BArch, RM 38/178, Bl. 31-34, hier Bl. 33; Statistischer Sanitätsbericht über die Kaiserlich Deutsche Marine für den Zeitraum vom 1.4.1883 bis 31.3.1885. Am 20.4.1885 starb auch Generalkonsul Nachtigal auf der Heimreise an Bord der »Möwe« infolge einer Malaria-Erkrankung. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 4, S. 12, Bd 5, S. 2; Hoffmann an Caprivi, 4.5.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 237. Malaria war von 1884 bis 1914 eine der häufigsten Erkrankungen von Marinesoldaten, die sich an Bord von Kriegsschiffen im Ausland befanden. Vgl. Bentmann, Allgemeines über Krankheiten, S. 47. Scheer, Briefe, 10.3.-10.7.1885 (insgesamt acht Briefe), BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 4, S. 11-24, Bd 5, S. 2-6; Schuckmann an Knorr, 14.5.1885, BArch, RM 1/2438, Bl. 30 f.; Bekanntmachung des Geschwaderchefs in Kamerun, 16.5.1885, ebd., Bl. 34; Soden an Bismarck, 5.7.1885, ebd., Bl. 57; Schuckmann an Caprivi, 11.7.1885, ebd., Bl. 79-82; Caprivi an Knorr, 27.3.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 216; Knorr an Caprivi, 19.4.1885, ebd., Bl. 220; Caprivi an Knorr, 5.8.1885, BArch, RM 1/2726, Bl. 26-29; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 21.4.1885, BArch, RM 1/2871, Bl. 154-169; Caprivi an Schuckmann, 9.3.1885, BArch, RM 38/1, Bl. 154; Knorr an Caprivi, 7.4., 11.5., 10.6., 19.6., 4.7.1885, ebd., Bl. 162-177, 185-188, 202-206, 217-222, 231 ff.; Caprivi an Knorr, 28.3.1885, ebd., Bl. 200 f.; Knorr an Schuckmann, 3.7.1885, ebd., Bl. 223 f.; Knorr an Soden, 29.6., 4.7.1885, ebd., Bl. 227-230; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 81-86; Steltzer, Die Deutschen und ihr Kolonialreich, S. 53 f. Scheer, Briefe, 10.7.1885, BArch, MSg 1/2569. Dieser Brief ist nicht in den Akten enthalten.

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seits versuchten, Schutzverträge mit Einheimischen in der Region abzuschließen und dadurch den deutschen Machtbereich einzudämmen. Von Seiten des Auswärtigen Amtes wurde durch entsprechende Instruktionen dafür Sorge getragen, dass durch die Gebietserwerbungen unter der Ägide des Westafrikanischen Geschwaders keine ernsthaften Konfrontationen mit Großbritannien erwuchsen. Parallel zu den Aktivitäten des Geschwaderchefs verhandelte die Reichsleitung auf diplomatischem Wege die Grenzen des Schutzgebietes. Die daraus resultierenden Vereinbarungen waren maßgebend: Mit der britischen Regierung, die aufgrund der zugespitzten politisch-militärischen Lage in Ägypten und in Zentralasien sowie des Mahdi-Aufstandes im Sudan unter gehörigem Druck stand, einigte sich die Reichsleitung nach zähem Ringen schließlich im Frühsommer 1885 auf die Grenzverläufe in der Küstenregion zu den benachbarten britischen Kolonien181. Im Gegensatz dazu wurde der Verlauf der gabunisch-kamerunischen Grenze auch nach dem Zusammenbruch der kurzlebigen deutsch-französischen Kolonialentente bis zum Vertragsschluss im Dezember 1885 relativ einvernehmlich mit Frankreich ausgehandelt, denn Bismarck wünschte gegen dasselbe »in allem, was nicht Elsaß ist, versöhnliches Auftreten«182. Parallel zu diesen bilateralen Grenzverhandlungen tagte vom 15. Dezember 1884 bis 26. Februar 1885 die von Bismarck einberufene Kongo-Konferenz in Berlin, auf der die Großmächte mittel- und westafrikanische Fragen regelten. Auf Betreiben des Reichskanzlers vereinbarten die Teilnehmer zudem völkerrechtliche »Verfahrensgrundsätze«183 für den Imperialismus. Fortan galten überseeische Gebiete nur noch dann als anerkannter Besitz, wenn deren Besetzung effektiv vollzogen und offiziell bekanntgegeben worden war. Wie schon auf der Londoner Ägypten-Konferenz im Juli 1884184, wurde die britische Politik auch auf der KongoKonferenz durch das Zusammenspiel von Deutschen und Franzosen immer wieder isoliert. Allerdings zeigten sich in deren Verlauf auch die Grenzen der jungen deutsch-französischen Kolonialentente: Das Prinzip des freien Handels in Mittel181

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183 184

Vgl. u.a. AA an Caprivi, 26.11.1884, BArch, R 1001/4204, Bl. 2; Hatzfeldt an Caprivi (mit Anlagen), 24.5.1885, BArch, RM 1/2438, Bl. 3-8; Protocol relating to the German and French Possessions on the West African Coast, 24.12.1885, zit. in: Hertslet, The Map of Africa by Treaty, vol. 2, Nr. 195, S. 653 ff.; Arrangement between Great Britain and Germany, relative to their respective Spheres of Action in portions of Africa, 29.4.-16.6.1885, zit. in: ebd., vol. 3, Nr. 260, S. 868-874; Akinwumi, The Colonial Contest, S. 56-67; Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 78 ff.; Pflanze, Bismarck, Bd 2, S. 385 ff.; Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 687 f.; Rudin, Germans in the Cameroons, S. 46-75; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 314-319. In einem Zusatzvertrag wurden 1886 auch die Grenzen des Hinterlandes von Kamerun mit dem Hinterland der benachbarten britischen Kolonien festgelegt. Vgl. Supplementary Arrangement between Great Britain and Germany, relative to their respective Spheres of Action in the Gulf of Guinea, 27.7.-2.8.1886, zit. in: Hertslet, The Map of Africa by Treaty, vol. 3, Nr. 263, S. 880 f. Zit. nach: Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 316. Siehe außerdem: Abkommen betreffend die deutschen und französischen Besitzungen an der Westküste von Afrika und in der Südsee, 24.12.1885, BArch, R 1001/4214, Bl. 40-45, hier Bl. 40 ff. (Paragraf I); Jaeck, Die deutsche Annexion, S. 77 f.; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 315 ff., 331 ff. Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion, Bd 4, S. 54. Siehe dazu: Femers, Deutsch-Britische Optionen, S. 152-160; Kröger, »Le bâton égyptien«, S. 85-92.

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Das Sultanat Sansibar, das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet 1885 sowie das koloniale Ostafrika 1890 UGANDA brit. Prot.

BRITISCHOSTAFRIKA

Victoria-See

Schirati

Bukoba

KiwuSee

Nairobi

Kissenji Ikoma

Natron-See

Muansa Aruscha Moschi

Njarasa-See

Mombassa

Kondoa-Irangi

Tabora

Udjidji

Wilhelmstal

IND. OZEAN

Tanga Pemba Sansibar

Kilimatinde Bagamoyo

n Ta

Dodoma

ga nji ka

DEUTSCH-OSTAFRIKA

-S

Kilosa

ee

BELG.KONGO

Morogoro

DARESSALAM

Iringa Mafia

Mpuëte Bismarckburg Meru-See

RHODESIEN Kawambua

brit.

Mahenge

Kilwa

AltLangenburg Fife

Mikindani Njassa

BangweoloSee

Songea

-See

Kilonga

PORTUGIESISCHOSTAFRIKA

Porto Amelia

AFRIKA

NJASSALAND

Deutsches Schutzgebiet 1885

brit. Protektorat

Sultanat Sansibar 1885 Kolonialgrenzen 1890 Deutsch-Ostafrika 1890 Blantyre Namirrue

Quellen: Müller, Deutschland - Zanzibar - Ostafrika; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«.

© MGFA

06679-08

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afrika, das von deutscher Seite mit Blick auf die eigenen Wirtschaftsinteressen in Westafrika konsequent gefordert wurde, ließ sich mit den Briten wesentlich reibungsloser umsetzen als mit den Franzosen. Gescheitert ist Bismarcks großangelegte Initiative, »durch überseeische Politik die europäische Position des Reiches zu stabilisieren«185, schließlich mit Ferrys Sturz am 30. März 1885, der in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner deutschfreundlichen Politik stand, und dem gleichzeitigen Aufstieg von Georges Clemenceau, der in Frankreich von einer neuen Welle anti-deutscher, revanchistischer Agitation begleitet wurde. Infolgedessen verlor Bismarck rasch das Interesse an der Kolonialpolitik, versuchte später sogar, als die deutschen Kolonialgesellschaften in Afrika ökonomisch und politisch scheiterten, die Kolonien wieder loszuwerden, und suchte erneut die Annäherung an Großbritannien186. Für Knorr war das seinerzeitige »Scramble for Africa«, an dem er sich in Kamerun, später auch in Ostafrika als Vertreter des Deutschen Reiches sehr aktiv beteiligte, eine Art sportlicher Wettkampf zwischen Deutschland, Großbritannien und Frankreich, bei dem es nur darauf ankam, »der ›Fixeste‹ bei der Sache zu sein und sich dabei nicht gegenüber einem der anderen Wettbewerber formell ins Unrecht zu setzen«187. Demgemäß resümierte er in seinen Memoiren die Tätigkeit des Westafrikanischen Geschwaders – verklärend und zynisch zugleich – in Anlehnung an den Wahlspruch des fünften Jesuitengenerals Claudio Acquaviva: »suaviter in modo, fortiter in re«188 (Sanft in der Vorgehensweise, energisch in der Sache). c) Bildung des ersten Kreuzergeschwaders

Die »Bismarck« verließ die westafrikanische Küste am 5. Juli 1885 und nahm, gemäß Caprivis Befehl vom 28. November des Vorjahres189, Kurs auf Kapstadt, wo Knorr die Kohlen- und Proviantbestände auffüllen, den Schiffsboden im Dock reinigen und die Besatzung sich für ein paar Tage erholen ließ190. Die Kaiserliche Marine nutzte Kapstadt schon seit vielen Jahren als Versorgungs- und Reparaturhafen191. Nach den Wünschen der Admiralität hätte Knorr nun zum Chef der Ostasiatischen Station ernannt werden sollen, aber dieses Vorhaben musste infolge von »neuerlichen Gesuche[n] des Reichskanzlers an die Marine, welche darauf 185 186

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191

Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 93. Femers, Deutsch-Britische Optionen, S. 120-132; Bismarck, Europe, and Africa; Gall, Bismarck, S. 621-624; Grube, Bismarcks Politik in Europa und Übersee, S. 123-166; Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 93 f.; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 77 f. Zitate aus: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 4, S. 4 f. Ebd., S. 5. Caprivi wies Knorr Ende April 1885 darauf hin, dass dieser Befehl weiterhin gelte. Vgl. Caprivi an Knorr (über das deutsche Konsulat in Madeira), 22.4.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 221. Knorr an Caprivi, 4.8.1885, BArch, RM 1/2726, Bl. 40; Knorr an Caprivi, 29.7.1885, ebd., Bl. 46. Auf der Fahrt nach Kapstadt machte die »Bismarck« zwei Zwischenstopps in San Paulo de Loanda und Angra Pequeña, wo Knorr befehlsgemäß alle Brandungsboote an die Faktorei von Adolf Lüderitz übergab. Duppler, Der Juniorpartner, S. 285.

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hingehen[,] ein Geschwader an der Ostküste Afrikas zusammenzuziehen«192, zurückgestellt werden. Was waren die Hintergründe für diese Entscheidung? Im November und Dezember 1884 hatte der promovierte Historiker Carl Peters mit einigen Freunden im Auftrag der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation (GfDK) einen »Konquistadorenzug« nach Ostafrika unternommen und durch dubiose Vertragsschlüsse mit lokalen Häuptlingen ein etwa 140 000 Quadratkilometer großes Areal auf dem Festland gegenüber der Insel Sansibar erworben. Dabei handelte es sich überwiegend um Gebiete, die der Sultan von Sansibar, Bargash bin Said al-Busaid, bis dahin seinem Herrschaftsgebiet zugerechnet hatte. Peters’ »Konquistadorenzug« erfolgte parallel, aber völlig unabhängig von der Entsendung von Gerhard Rohlfs als Generalkonsul nach Ostafrika, der im Auftrag Bismarcks einen neuen Handelsvertrag mit Bargash bin Said abschließen sollte. Nachdem Peters’ telegrafische Nachricht über seine Vertragsschlüsse in Berlin eingetroffen war, informierte die GfDK umgehend das Auswärtige Amt über die erfolgreiche Expedition. Unterstützt von Heinrich von Kusserow, dem Dezernenten für Kolonialangelegenheiten im Auswärtigen Amt, hatte die Kolonialgesellschaft in den darauffolgenden Monaten eine sehr aktive Lobbyarbeit bei Bismarck betrieben, um einen Schutzbrief des Reiches für die Petersschen Erwerbungen zu erlangen. Tatsächlich gelang es ihnen, den Reichskanzler für dieses neue koloniale Projekt, dem er zunächst ablehnend gegenüber gestanden hatte, zu gewinnen, so dass bereits am 27. Februar 1885, nur einen Tag nach dem Abschluss der Berliner KongoKonferenz, der erhoffte Schutzbrief vom Kaiser ausgestellt wurde193. Kurz darauf hatten Peters und vier seiner Mitstreiter die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft (DOAG) gegründet, die das Schutzgebiet verwalten und vor allem Kapital für weitere Unternehmungen in Ostafrika beschaffen sollte. Ihr größter Einleger war Kaiser Wilhelm I. mit 500 000 Mark. Allein im Jahre 1885 entsandte die DOAG noch zehn weitere Expeditionen zum Erwerb neuer Territorien auf dem ostafrikanischen Festland mit dem erklärten Ziel, die Grenzen ihres Machtgebietes »soweit nach Westen [und alle anderen Himmelsrichtungen – H.H.] vorzuschieben als es nur irgend möglich ist«194. Während Peters und seine Mitstreiter die DOAG gründeten, gelang es zwei anderen Deutschen, den Gebrüdern Clemens und Gustav Denhardt, ein weiteres Gebiet an der ostafrikanischen Küste zu erwerben: die an der Tanamündung gelegene Landschaft Witu. Am 27. Mai 1885 wurde auch dieses, etwa 40 Quadratkilometer große Territorium unter Reichsschutz gestellt195. 192

193 194 195

Entwurf einer Promemoria der Admiralität zum Immediatvortrag am 5.5.1885, 27.4.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 229-232, hier Bl. 231. Zur Einsatzplanung siehe ferner: Caprivi an Bismarck, 3.5.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 82 ff.; Hatzfeldt an Caprivi, 9.9.1884, BArch, RM 1/329, Bl. 61; Caprivi an Hatzfeldt, 18.11.1884, ebd., Bl. 64-67; Caprivi an Hatzfeldt, 18.11.1884, BArch, R 1001/7121, Bl. 141-144, hier Bl. 142. Schutzbrief für »Die Gesellschaft für Deutsche Kolonisation«, unterzeichnet von Wilhelm I. und gegengezeichnet von Bismarck, 27.2.1885, BArch, R 1001/390, Bl. 110 f. Protokoll der Direktorialsitzung der DOAG am 9.4.1885, BArch, R 8124/1, Bl. 16 f., hier Bl. 16. Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 210-249; Perras, Carl Peters and German Imperialism, S. 52-80; Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 665-674; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 333-344.

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Der Sultan von Sansibar versuchte, sich gegen das Eindringen der Deutschen in seine Machtsphäre zu wehren. Um seine Herrschaftsansprüche auf dem ostafrikanischen Festland zu konsolidieren, untersagte er sowohl die Unterstützung weiterer europäischer Kolonialexpeditionen als auch den weiteren Landverkauf an Europäer und ließ demonstrativ in denjenigen Gebieten, die er seinem Herrschaftsgebiet zurechnete, die rote Sansibar-Flagge hissen. Als ihm am 25. April 1885 die Proklamation des Schutzgebietes amtlich angezeigt wurde, legte er umgehend und unmittelbar Protest dagegen beim Deutschen Kaiser ein. Die Protestnote war von John Kirk, dem britischen Generalkonsul in Sansibar und engen Berater des Sultans, initiiert worden. Bismarck sorgte dafür, dass Wilhelm I. nicht persönlich darauf antwortete und dadurch etwa seine Ostafrikapolitik gefährdete. Bei einem Immediatbericht am 27. April diskreditierte er Bargash bin Said dem Kaiser gegenüber als Trunkenbold und versicherte ihm: »Der Protest des Sultans gegen unsere Besitzergreifung auf dem Festlande entbehrt jeder rechtlichen Begründung196.« Letzterer Befund war nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn Bargash bin Saids Herrschaft über jene Gebiete war keineswegs international anerkannt197. Bismarck nutzte den Immediatvortrag auch, um sich – nachträglich – genehmigen zu lassen, »daß ich wegen Concentrierung unserer Kriegsschiffe in den Gewässern von Zanzibar mit dem Chef der Admiralität in Beratung trete«198. Peters, der zwischenzeitlich nach Deutschland zurückgekehrt war, hatte wenige Tage zuvor darum gebeten, ständig ein deutsches Kriegsschiff in Sansibar zu stationieren, als »moralischen Rückhalt« für »unsere Bestrebungen in Ostafrika«199. Bismarck aber hielt es für ratsam, ebenso wie die etablierten hanseatischen Handelshäuser vor Ort200, »alle zu diesem Zwecke gegenwärtig verfügbaren Schiffe nach der Ostküste 196

197

198

199 200

Bismarck an Wilhelm I., 28.4.1885, BArch, R 1001/390, Bl. 16-26, hier Bl. 16. Im selben Dokument heißt es wenig später: »Meiner Ansicht nach würde es sich nicht empfehlen, daß Ew. Majestät das Telegramm des Sultans überhaupt beantworten, da Ton und Inhalt es nicht angezeigt erscheinen lassen, daß Allerhöchstdieselben Sich mit diesem Herrscher über die von demselben aufgeworfenen Rechtsfragen in einen direkten Schriftwechsel einlassen. Auch soll, wie ich beiläufig zu bemerken mir gestatte, nach Meinung der Engländer selbst der Sultan sich neuerdings dem Trunk mehr als früher ergeben haben«. Zitat aus: ebd., Bl. 24. Bismarcks Behauptung, Bargash bin Said sei ein Trunkenbold, war völlig aus der Luft gegriffen und diente lediglich dazu, den Sultan beim Kaiser moralisch zu diskreditieren und damit seinen teilweise durchaus gerechtfertigten Protest zu relativieren. Als streng gläubiger Moslem hat Bargash bin Said zeitlebens keinen Alkohol zu sich genommen. Bargash bin Said an Wilhelm I., 27.4.1885, BArch, R 1001/391, Bl. 2 f.; Bückendorf, »Schwarzweiß-rot über Ostafrika!«, S. 215-219; Bennet, Arab versus European, S. 121-134; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 344-347. Bismarck an Wilhelm I., 28.4.1885, BArch, R 1001/390, Bl. 16-26, hier Bl. 26. Bismarck hatte bereits mindestens einen Tag zuvor mit Caprivi darüber konferiert. Das belegt der Entwurf einer Promemoria der Admiralität zum Immediatvortrag am 5. Mai, der auf den 27. April datiert ist. Vgl. Entwurf einer Promemoria der Admiralität zum Immediatvortrag am 5.5.1885, 27.4.1885, BArch, RM 1/2725, Bl. 229-232. Peters an Bismarck, 24.4.1885, BArch, R 1001/390, Bl. 11 f. Mitte Juni führte Kusserow in Hamburg ein Gespräch mit den Vertretern dieser Firmen, O’Swald & Co. und Hansing & Co. In seinem Bericht an Bismarck heißt es unter anderem: »Ueber unsere Schiffsbewegungen scheinen die Herren durch die Admiralität, auf Grund von Korrespondenzen

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Afrika’s zu dirigiren, sodaß dieselben dort gleichzeitig anwesend sind«201 und durch eine Flottendemonstration, eine sogenannte Show of Force, den deutschen Ansprüchen gegenüber Sansibar Nachdruck verliehen202. Immerhin stand, wie er meinte, »die Unabhängigkeit des deutschen Schutzgebietes«203 auf dem Spiel. Caprivi war jedoch nicht gewillt, für den neuerlichen Kolonialeinsatz weitere Kriegsschiffe von der Heimatflotte bereitzustellen. Stattdessen entschied er sich für eine Konzentrierung von bereits in Übersee eingesetzten Kriegsschiffen vor der sansibarischen Küste. Vor dem Hintergrund der ungewissen Lageentwicklung in Westafrika hatte Caprivi bereits Ende Januar 1885 eine ähnliche Maßnahme verfügt: Seinerzeit hatte er den Geschwaderchef S.M. Schiffe auf der Ostasiatischen Station204, Kommodore Karl Paschen, per Kabinettsordre von seinen bisherigen Aufgaben entbunden und zum Chef eines Kreuzergeschwaders mit der Kreuzerkorvette »Stosch« als Flaggschiff ernannt, das aus mehreren im Ausland befindlichen Kriegsschiffen gebildet werden sollte205. Paschen war angewiesen worden, über Sansibar nach Kapstadt zu gehen, wo sich die Schiffe des Geschwaders sam-

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über Lieferungen genau unterrichtet zu sein. Ich enthielt mich gleichwohl, ihre Informationen zu bestätigen oder zu ergänzen. Wie Ende April, so hoffen die Herren auch jetzt noch, daß eine kräftige maritime Demonstration genügen werde, den Sultan zu Verhandlungen zu vermögen [sic]. Vorausgesetzt wird hierbei, daß der Einfluß Sir John Kirk’s, den man nach wie vor für den Rathgeber des Sultans ansieht, rechtzeitig beseitigt werde«. Zitat aus: Kusserow an Bismarck, 16.6.1885, BArch, R 1001/392, Bl. 56 ff., hier Bl. 56 f. Bismarck an Caprivi, 7.5.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 10-14, hier Bl. 10. Paul Darmstädter und Erik Gilbert behaupten, dass Bismarck das Kreuzergeschwader losgeschickt habe, weil der Sultan Ende April Truppen in das Kilimandscharogebiet entsandt und dort, parallel zu einer Expedition der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation, Schutzverträge mit den Einheimischen abgeschlossen hatte. Anhand der Akten ist dieser Zusammenhang nicht nachweisbar. Vgl. Darmstädter, Geschichte der Aufteilung und Kolonisation Afrikas, Bd 2, S. 83; Gilbert, Dhows & the Colonial Economy of Zanzibar 1860-1970, S. 66. Zum Wettlauf um das Kilimandscharogebiet allgemein siehe: Jühlke, Die Erwerbung des Kilima-Ndscharo-Gebiets; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 245-252; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 129-132. Bismarck an Caprivi, 22.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 9-12, hier Bl. 11. Hans Hildebrand irrt, wenn er angibt, dass von 1881 bis 1885 ein Kreuzergeschwader in Ostasien stationiert war und dasselbe mit der Abberufung von Paschen und dem Flaggschiff »Stosch« 1885 aufgelöst wurde. Vgl. Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine, S. 319; ebenso falsch: Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 134; Witthöfft, Lexikon zur deutschen Marinegeschichte, Bd 1, S. 164. Die Schiffe auf der Ostasiatischen Station wurden im Frühjahr 1881 aus Effizienzgründen unter die einheitliche Leitung eines höheren Offiziers gestellt und fortan als Geschwader in Ostasien bezeichnet. Die Dienstbezeichnung für Kapitän zur See Louis Blanc (1881-1883) und seine Nachfolger, Konteradmiral Max von der Goltz (1883/84) und Kapitän zur See Karl Paschen (1884/85), lautete nicht Chef des Kreuzergeschwaders, sondern Geschwaderchef S.M. Schiffe und Fahrzeuge auf der Ostasiatischen Station. Vgl. Promemoria der Admiralität zur Reorganisation der Ostasiatischen Station (mit Anlagen), 10.5.1880, BArch, RM 1/2385, Bl. 35-44; Wilhelm I. an Stosch (Kabinettsordre), 25.1.1881, BArch, RM 1/2841, Bl. 27 f. Mit der Abberufung Paschens im Januar 1885 und der Gründung des Fliegenden Kreuzergeschwaders ein Jahr später verlor die Ostasiatische Station für einige Jahre ihren Sonderstatus als die bestbesetzte Auslandsstation, bis 1894 wieder eine Kreuzerdivision in Ostasien stationiert wurde. Caprivi an Hatzfeldt, 28.1.1885, BArch, R 1001/7122, Bl. 68; Caprivi an Paschen (Segelordre), 27.1.1885, ebd., Bl. 70 f.; Aktenvermerk vom 27.1.1885, BArch, RM 1/2437, Bl. 24; Caprivi an Paschen, 27.1.1885, BArch, RM 1/2671, Bl. 149; Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 27.1.1885, BArch, RM 1/2845, Bl. 32.

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meln sollten206. Von dort aus, so die Planung, hätte der neu formierte Verband die Heimreise antreten und unterwegs »an denjenigen Plätzen der westafrikanischen Küste [die] Flagge zeigen [sollen], an denen deutsche Interessen den Besuch erwünscht erscheinen lassen«207. Aber dazu war es nicht gekommen, denn im Februar 1885 wurde Paschen mit der »Stosch« kurzfristig nach Australien mit dem Auftrag abkommandiert, an der Spitze eines anderen ad hoc zusammengestellten Geschwaders »die australischen Kolonialbehörden zu beruhigen, die sich über unsern Erwerb eines Teiles von Neu-Guinea und des Bismarckarchipels aufgeregt hatten, [und] nötigenfalls den Erwerb zu verteidigen [sic!]«208. Da sich jedoch die Lage bereits beruhigt hatte, als Paschen mit der »Stosch« dort eintraf, erteilte Caprivi ihm nun den Befehl, nach Ostafrika zu segeln. Gleichzeitig entband er ihn von seiner Stellung als Chef des zu noch bildenden Kreuzergeschwaders. Zu dessen neuen Befehlshaber ernannte der Kaiser am 5. Mai 1885 Admiral Knorr: »Ich ernenne Sie, von dem Zeitpunkt der Auflösung des unter Ihrem Befehl stehenden Westafrikanischen Geschwaders in Capstadt ab, zum Chef eines KreuzerGeschwaders, über dessen Zusammensetzung Ich weiter befehlen werde209.« Dennoch verblieb Paschen mit der »Stosch« beim Kreuzergeschwader, wo er als Führer einer zweiten Division bei Detachierungen und als eventueller Vertreter von Knorr fungieren sollte; auch durfte er weiterhin seinen Kommodorestander im Vortagg führen210. Vier Tage später, am 9. Mai, wurde schließlich die Gründung des ersten Kreuzergeschwaders der Kaiserlichen Marine durch eine Kabinettsordre des Kaisers formell eingeleitet:

»Ich bestimme, daß das zur Expedition nach Zanzibar zusammenzuziehende Geschwader zu bestehen hat aus: Meinen Schiffen Bismarck, Stosch, Prinz Adalbert, Elisabeth, Gneisenau, dem Kreuzer Möwe, dem Kanonenboot Hyäne und zwei als Tender zu ermiethenden Dampfschiffen. Dies Geschwader ist für Landungen auf den Besitzungen des Sultans von Zanzibar besonders auszurüsten211.«

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In seinen Memoiren schreibt Paschen fälschlicherweise, dass sich die Schiffe des Kreuzergeschwaders in Sansibar hätten sammeln sollen. Vgl. Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 239. Caprivi an Paschen (Segelordre), 27.1.1885, BArch, R 1001/7147, Bl. 7 f., hier Bl. 7. Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 239. Zu diesem Einsatz siehe u.a.: ebd., S. 239-246; AA an Caprivi, 22.2.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 1 f.; Caprivi an AA, 24.2.1885, ebd., Bl. 3 ff., hier Bl. 3; Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 309 f.; Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 156. Wilhelm I. an Knorr, 5.5.1885, BArch, N 578/3, Bl. 16. Hans Hildebrand datiert die Gründung des Kreuzergeschwaders in seinem Handbuch über die organisatorische Entwicklung der Kaiserlichen Marine fälschlich auf den 19.8.1885, als die »Bismarck« auf der Reede von Sansibar vor Anker ging. Formal jedoch wurde es bereits am 28. Juli mit dem Eintreffen des Schiffes in Kapstadt gegründet. Vgl. Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine, Bd 1, S. 325. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 9.5.1885, BArch, RM 1/2845, Bl. 114; Caprivi an Knorr, 23.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 13-16, hier Bl. 13. Diese Regelung kam zwölfeinhalb Jahre später erneut zur Anwendung, als Prinz Heinrich infolge der Besetzung Kiautschous mit einer zweiten Kreuzerdivision nach Ostasien entsandt wurde. Vgl. die entsprechenden Ausführungen in Kapitel IV.1.b. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 9.5.1885, BArch, RM 1/2845, Bl. 113.

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Diese Schiffe waren seinerzeit über den Erdball verstreut im Einsatz: »Bismarck« und »Möwe« kreuzten im Atlantik vor Westafrika, der Tender »Adler« war auf der Heimreise und passierte gerade den Ärmelkanal, »Elisabeth« befand sich im Chinesischen Meer vor Hongkong, »Stosch« und »Gneisenau« operierten im Pazifik vor der australischen Küste, »Prinz Adalbert« lag im Hafen von Montevideo. Nur der Tender »Ehrenfels« befand sich in heimischen Gewässern. Nun wurden – vorläufig außer der »Hyäne« – alle von ihren bisherigen Aufgaben entbunden und erhielten den Befehl, sich im Juli vor Mauritius zu sammeln und gemeinsam an die Küste von Sansibar zu gehen. In der deutschen Öffentlichkeit wurde die Entsendung dieses »Demonstrationsgeschwader[s] von bis dahin noch nicht gesehener Stärke«212 kontrovers diskutiert. Sollte wirklich ein Krieg mit Sansibar riskiert werden nur wegen der dubiosen Verträge des Herrn Dr. Peters213? Knorr traf am 28. Juli in Kapstadt ein und erhielt dort von Caprivi die Anweisung, nach dem Zusammentreffen des Kreuzergeschwaders in Mauritius dieses zu organisieren und die auf dem zugeteilten Tender »Ehrenfels« mitgeführten Ausrüstungsgegenstände – Waffen, Munition, Kohlen, Arzneimittel, Ausrüstung für das Landungskorps etc. – auf die Schiffe zu verteilen. Da er jedoch wegen kleinerer Instandsetzungsarbeiten an der »Bismarck« nicht sofort nach Mauritius aufbrechen konnte, griff eine von Caprivi vorausschauend verfügte Ersatzregelung: Knorr sollte in diesem Fall von Kapstadt direkt nach Sansibar gehen, während Paschen vorübergehend seine Vertretung als Chef des Kreuzergeschwaders übernehmen und die in Mauritius versammelten Kriegsschiffe nach Sansibar führen sollte. Nach dem Verlassen von Mauritius sollte der Postverkehr des Verbandes über Aden abgewickelt werden, was dann auch gut funktionierte214. Um die bisher nur mangelhafte Versorgung der Besatzung mit frischem Proviant zukünftig besser zu gewährleisten, ermächtigte Caprivi den Geschwaderchef, »insbesondere diejenigen von den Vorschriften des Schiffsversorgungs-Reglements abgehenden Anordnungen zu treffen, welche Ihnen notwendig erscheinen, um die Mannschaft gesund und in der zur Aktion erforderlichen Frische zu erhalten«215. Dies war eine

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Koch, Die Marine und die Kolonien, S. 14. Depeschen an »Prinz Adalbert«, »Stosch« und »Elisabeth«, 9.5.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 17; Caprivi an Bismarck, 9.5.1885, ebd., Bl. 18-21; Depeschen an »Elisabeth« und »Gneisenau«, 13.5.1885, ebd., Bl. 24; Depesche an »Gneisenau«, 30.6.1885, ebd., Bl. 200; Depesche an »Hyäne«, 8.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 144; Caprivi an Knorr, 23.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 13-16; Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 248; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 90; siehe außerdem die entsprechenden Schiffsakten: BArch, RM 1/2538, 2668, 2671, 2676, 2682, 2696 und 2700, und ferner: Nachweisung der Kriegsschiffe am 1.7.1885, BArch, RM 1/12, Bl. 145-148, hier Bl. 146; Marineverordnungsblatt, 16 (1885), 9, S. 92 f.; Marineverordnungsblatt, 25 (1894), 8, S. I-XLIX, Anl. 1; Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 2, S. 72; Walther, Meine Erlebnisse auf dem Tender Adler, S. 144 f.; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 348. Scheer berichtete beispielsweise Mitte Oktober an seine Eltern: »Hier in Zanzibar können wir mit den Postverhältnissen ganz zufrieden sein, die Verbindung ist zwar nicht allzu häufig, aber wenigstens regelmässig und sicher«. Zitat aus: Scheer, Briefe, 17.10.1885, BArch, MSg 1/2569. Caprivi an Knorr, 23.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 13-16, hier Bl. 15 f. Ergänzend dazu siehe: Caprivi an den Militärattaché an der deutschen Botschaft in London, 2.6.1885, RM 1/2445,

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pragmatische Maßnahme, die angesichts der Versorgungsprobleme des Westafrikanischen Geschwaders geboten schien. Caprivis Befehle bezogen sich ausschließlich auf militärische und organisatorische Sachverhalte. Die politischen Instruktionen hingegen – ebenso wie britische Seekarten des Zielgebietes – erhielt der Geschwaderchef in diesem Fall unmittelbar vom Auswärtigen Amt, im Verein mit Hunderten von Seiten an Hintergrundmaterial über die historische Entwicklung und den Status quo sowohl der politischen Verhältnisse als auch der deutschen Interessen in Ostafrika, insbesondere Sansibar216. Um die Geheimhaltung, auf die das Auswärtige Amt sehr bedacht war, zu gewährleisten, wurden diese politischen Instruktionen samt den umfangreichen Anlangen per Kurier217 – durch einen Feldjäger, wie auf den entsprechenden Dokumenten unterhalb des Absenders vermerkt wurde – nach Mauritius überbracht218. Allerdings trat eine unvorhersehbare Komplikation ein: Weil auf dem Passagierdampfer, mit dem der Feldjäger nach Mauritius reiste, ein Pockenfall festgestellt wurde, musste dieser dort nach seiner Ankunft einige Wochen in einer Quarantänestation verbringen, »und auch seine Briefschaften konnten nur durch direkte Vermittlung des Gouverneurs, gebührend durchlocht, geräuchert und geschwefelt, [von Kommodore Paschen] erlangt werden«219. d) Kanonenbootdiplomatie in Sansibar

Ostafrika, vor allem Sansibar, war »traditionelles englisches Interessengebiet«220 und im Hinblick auf die Sicherung des Seeweges nach Indien durch den Suezkanal von besonderer strategischer Bedeutung für das Empire. Deshalb bemühte sich die Reichsleitung im Vorfeld der Flottendemonstration, eine Verständigung mit Großbritannien in der ostafrikanischen Frage herbeizuführen, um eine ernsthafte Konfrontation zu vermeiden. Ende Februar 1885 schickte Bismarck seinen Sohn Herbert zu Verhandlungen nach London. Dort erhielt dieser Anfang März die Zusage, dass die britische Regierung keine Einwände gegen die deutsche Annexion des

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Bl. 119 ff.; Erlaß betreff der Verpflegung zur Verhütung nachtheiliger klimatischer Einflüsse, 27.9.1884, BArch, RM 38/4, Bl. 119 f. Die politischen Instruktionen des Auswärtigen Amtes, die Knorr übermittelt wurden, sind samt Anlagen gebündelt archiviert in: BArch, RM 38/3 und 4. Sie wurden auch dem deutschen Generalkonsul in Kapstadt per Kurier zur Information zugeleitet. Vgl. Hatzfeldt an Caprivi, 12.7.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 63. Bismarck und auch seine Nachfolger bis zum Ersten Weltkrieg verschickten grundsätzlich streng geheime Nachrichten per Kurier. Vgl. Nickles, Under the Wire, S. 167; siehe dazu auch: Hampe, Das Auswärtige Amt in der Ära Bismarck, S. 75 f. Caprivi an Hatzfeldt, 13.5., 26.5., 28.6.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 25, 79, 182; Bismarck an Caprivi, 18.5., 22.5.1885, ebd., Bl. 26 f., 54 f.; AA an Caprivi (teils mit Anlage), 13.5., 23.5., 26.5., 30.5.1885, ebd., Bl. 29 f., 76, 82, 85; Caprivi an Bismarck, 21.5.1885, ebd., Bl. 32-35, hier Bl. 32; Caprivi an Bismarck, 22.5., 24.5.1885, ebd., Bl. 56, 63; Caprivi an Bismarck und diverse Marinedienststellen, 23.5.1885, ebd., Bl. 57 f.; Hatzfeldt an Caprivi, 25.5., 27.5.1885, ebd., Bl. 77 f., 86 f.; Caprivi an Knorr, 23.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 13-16; Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 246 ff. Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 5, S. 311. Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 659.

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ostafrikanischen Hinterlandes westlich von Sansibar erheben werde, solange die internationale Souveränität221 des Sultanats gewahrt blieb. Herbert von Bismarck versicherte seinerseits, dass der Reichsleitung »nichts ferner [läge], als der Unabhängigkeit von Sansibar zu nahe zu treten«222. Angesichts der fortdauernden weltpolitischen Rivalitäten mit Frankreich und Russland in Afrika und Zentralasien sowie der prekären Lage im Sudan gab sich die britische Regierung mit dieser Zusicherung vorläufig zufrieden, blieb aber misstrauisch. Als die Telegrafengesellschaft Reuters, »the key information broker of the British Empire«223, Ende Mai über die Entsendung des deutschen Kreuzergeschwaders nach Ostafrika berichtete, äußerte sich der britische Lordsiegelbewahrer Lord Archibald Rosebery besorgt gegenüber Herbert von Bismarck, der knapp drei Wochen zuvor zum Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt befördert worden war, dass Deutschland zur Durchsetzung seiner Interessen womöglich sofort Gewalt gegen den Sultan anwenden wolle. Herbert von Bismarck versicherte daraufhin, dass dies nicht die Absicht der Reichsleitung sei. Rosebery aber blieb weiterhin skeptisch und regte die Bildung einer Kommission an, welche die ostafrikanischen Probleme für beide Regierungen zufriedenstellend lösen sollte. Unter dem Eindruck dieses kooperativen Vorschlages und vor dem Hintergrund der jüngst kollabierten deutsch-französischen Kolonialentente sowie der wenige Tage zuvor ausgehandelten Vereinbarung über die Grenzverläufe in Westafrika, unterbreitete Otto von Bismarck seinem britischen Amtskollegen William Gladstone schließlich am 2. Juni ein Kooperationsangebot in der Sansibar-Frage:

»Wir wünschen und hoffen vielmehr [...] durch gemeinschaftliche diplomatische Einwirkung mit England den Sultan zum Verzicht auf die Übergriffe über die Grenzen seiner Souveränität zu bewegen und dadurch der Nothwendigkeit überhoben zu werden, seine Feindseligkeiten gegen die deutschen Schutzgebiete abzuwehren. England theilte schon bisher mit uns das Interesse, zu verhindern, daß friedlich gesinnte Negervölker im Innern [Ostafrikas] dem der Mahdi-Bewegung verwandten arabischen Fanatismus anheimfallen und daß ihre Gebiete anstatt zu einer Stätte allmäliger Cultur zu einem Schauplatze blutiger muhamedanischer Propaganda werden224.«

Gleichzeitig mit diesem Kooperationsangebot jedoch machte Bismarck gegenüber Gladstone deutlich, dass er nötigenfalls auch im Alleingang die deutschen Interessen durchsetzen werde. Nachdem durch die Grenzvereinbarungen in Westafrika ein Prozess der Wiederannäherung zwischen den beiden Großmächten eingeleitet worden war, erhob Bismarck die Lösung der Sansibar-Frage nun zum »Test der Freundschaft Großbritanniens«225. Eine Woche später stürzte das liberale Kabinett Gladstone. Der neue, konservative Premierminister Lord Robert Salisbury beeilte 221 222 223 224

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Zur Begrifflichkeit siehe: Risse, Paradoxien der Souveränität, S. 41 ff. H.v. Bismarck an Bismarck, 7.3.1885. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 760, S. 104. Potter, News and the British World, S. 88. AA an Münster, 2.6.1885, BArch, R 1001/8897, Bl. 33-37, hier Bl. 33 f. Den ausdrücklichen Hinweis auf die Mahdi-Bewegung fügte Bismarck persönlich in den Entwurf des Schreibens ein. In der Erstfassung war lediglich allgemein von »dem fanatischen arabischen Elemente« die Rede. Zitat aus: ebd., Bl. 34. Zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 121.

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sich, das deutsche Kooperationsangebot anzunehmen; außerdem bot er dem Reichskanzler an, im deutsch-spanischen Konflikt über die Karolineninseln226 zu vermitteln. Davon erhoffte er sich deutsche Unterstützung in der ägyptischen und afghanischen Frage. Bereits im Juli verständigte sich Salisbury mit Bismarck darauf, die von Rosebery vorgeschlagene Kommission in Sansibar zu bilden. Auf Bismarcks Wunsch hin wurde auch Frankreich einbezogen, das im Jahre 1862 gemeinsam mit Großbritannien die internationale Souveränität und territoriale Integrität des Sultanats vertraglich garantiert hatte. Die sogenannte deutschbritisch-französische Grenzfindungskommission nahm am 10. Dezember 1885 ihre Tätigkeit auf227. Während Bismarck die Kooperationsmöglichkeiten mit der britischen Regierung in kolonialen Fragen auslotete, ließ er Generalkonsul Rohlfs aus Sansibar abberufen und im Juli durch Gustav Travers ersetzen, der extra aus Kanton eingeschifft wurde. Rohlfs hatte seit seinem Amtsantritt ein halbes Jahr zuvor durchweg unglücklich agiert und mehrfach gegen seinen Auftrag, »freundschaftliche Beziehungen zum Sultanat Sansibar herzustellen und zu pflegen und einen Freundschafts- und Handelsvertrag abzuschließen«228, verstoßen229. »Wir sehen Dr. Rohlfs gerne scheiden«, resümierte Justus Strandes, langjähriger Vertreter der hamburgischen Firma Hansing & Co. in Sansibar, erleichtert, »er mag in seinem Metier – dem Reisen – am Platze gewesen sein, zum Diplomaten taugt er nicht. Besonders hier in Zanzibar war er am unrichtigen Ort230.« Mit Travers entsandte die Reichsleitung erstmals einen Berufskonsul nach Sansibar, von dem sie »eine besse-

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Zum Karolinenstreit siehe u.a.: Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 108-120; Stamm, Graf Herbert von Bismarck, S. 467-498; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 400-407. AA an Münster, 2.6.1885, BArch, R 1001/8897, Bl. 33-37; Malet an H.v. Bismarck (mit Anlage), 2.6.1885, ebd., Bl. 39 ff.; H.v. Bismarck an Bismarck, 3.6.1885, Bl. 42-45; H.v. Bismarck an Malet, 3.6.1885, ebd., Bl. 51 f.; Dukes, Helgoland, Zanzibar, East Africa, S. 60-63; Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 2, S. 224 (Tagebucheintrag vom 18.6.1885); Femers, Deutsch-Britische Optionen, S. 137-140; Fröhlich, Von der Konfrontation zur Koexistenz, S. 53 f.; Riehl, Der »Tanz um den Äquator«, S. 707-739; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 97-127; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 353 f. Bismarck an Rohlfs, 8.4.1885, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 99. Siehe dazu ausführlich: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 93-137. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit etwa hatte Rohlfs die »Gneisenau« für Drohgebärden gegen den Sultan missbraucht, was ausdrücklich gegen seine Instruktion und nachfolgende Anweisungen Bismarcks verstieß. Deshalb wurde das Schiff Anfang April 1885, deutlich früher als geplant, aus den ostafrikanischen Gewässern abgezogen und in die Südsee beordert. Der Kommandant, Kapitän zur See Viktor Valois, war über die Hintergründe dieser Entscheidung ebensowenig im Bilde wie die deutsche Öffentlichkeit und äußerte noch viele Jahre später sein Unverständnis über die befohlene Verlegung des Schiffes auf die Australische Station. Vgl. Caprivi an Hatzfeldt, 29.12.1884, BArch, RM 1/329, Bl. 98 ff.; AA an Caprivi, 5.1.1885, ebd., Bl. 101 f.; Caprivi an Hatzfeldt, 2.1.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 50; Guenther, Gerhard Rohlfs, S. 235-239; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 200-203. Zur Tätigkeit der »Gneisenau« auf der Australischen Station siehe: Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 3, S. 184, 4, S. 243-248. Strandes an Hansing, 6.7.1885, BArch, R 1001/8901, Bl. 53-56, hier Bl. 55 (Hervorhebung im Original).

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re Verständigung mit dem dortigen Sultan und dem englischen Vertreter«231 erwartete. Zum Verhandlungsführer jedoch hatte Bismarck den Chef des Kreuzergeschwaders bestimmt, den er beauftragt und bevollmächtigt hatte mit Hilfe des Kreuzergeschwaders 1. den Sultan von Sansibar mit friedlichen Mitteln, notfalls – möglichst ohne Störung des europäischen Handels – durch Gewaltanwendung, (a) zur Rücknahme seines Protestes gegen die deutsche Schutzherrschaft über die von Peters erworbenen Gebiete, (b) zur Anerkennung des deutschen Schutzgebietes in Ostafrika durch Ratifikation des Schutzvertrages, (c) zur Abtretung, zumindest jedoch zur Nutzung des Hafens von Bagamoyo und (d) zum Abzug seiner Truppen und Beamten, vorläufig mit Ausnahme der Sicherungskräfte für die Karawanenstraßen, aus dem deutschen Schutzgebiet zu bewegen; 2. einen neuen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen dem Sultanat Sansibar und dem Deutschen Reich in Abstimmung mit den anderen europäischen Mächten auf Grundlage der Beschlüsse der Kongo-Konferenz und mit Unterstützung des Generalkonsuls Travers abzuschließen; 3. die mit dem Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete verheiratete, inzwischen verwitwete und zum Christentum konvertierte Salme-Emily Ruete, geborene Prinzessin von Oman und Sansibar, dabei zu unterstützen, einen gütlichen Ausgleich im Erbstreit mit ihrem Bruder, dem Sultan, zu erreichen – und zwar ausdrücklich ohne jegliche Gewaltanwendung232; 4. einen Schutzvertrag mit dem Sultan von Witu zu schließen und gegen dessen »Vergewaltigung« durch den Sultan von Sansibar233 zu protestieren234. Abgesehen von der direkten Unterstützung durch Travers bei den diplomatischen Verhandlungen mit dem Sultan, erhielt der Geschwaderchef auch eine umfassende Lagebeurteilung und Handlungsempfehlungen für den Kriegsfall von Kapitän zur 231 232

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H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 19.3.1886. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 790, S. 144. Ruete und ihre beiden Kinder fuhren zunächst mit einem Lloyddampfer von Triest nach Port Said. Dort gingen sie an Bord des zum Kreuzergeschwader gehörenden Tenders »Adler«, der sie nach Sansibar brachte. Ruetes Erbansprüche gegen Bargash bin Said waren äußerst zweifelhaft, aber aus Sicht von Bismarck neben den Kriegsschiffen gut als zweites schweres Pressionsmittel gegen den Sultan zur Durchsetzung der deutschen Interessen in Ostafrika geeignet. Siehe dazu: Ruete, An Arabian Princess Between Two Worlds, S. 63-81. Siehe dazu: Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 243-246; Scheffel, Betrachtungen über das deutsche Witu-Protektorat, S. 100-126; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 367 ff. Bismarck an Knorr, 18.3., 26.5., 31.5., 26.6.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 1-9, 127, 128-133, 138; Verhandlungsvollmacht für Admiral Knorr, 26.5.1885, ebd., Bl. 134; Hatzfeldt an Knorr, 2.7.1885, ebd., Bl. 139-144; Hatzfeldt an Caprivi, 11.8.1885, ebd., Bl. 167; siehe außerdem: Caprivi an Bismarck, 21.5.1885, BArch, R 1001/8896, Bl. 9 ff.; Randbemerkung Bismarcks zum Entwurf der politischen Instruktion für Knorr vom 31.5.1885, BArch, R 1001/8897, Bl. 1-8; Bismarck an Caprivi, 18.5.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 26 f.; Hatzfeldt an Caprivi, 25.5.1885, ebd., Bl. 73; Caprivi an Hatzfeldt, 26.5.1885, ebd., Bl. 74 f.; AA an Caprivi, 26.6.1885, ebd., Bl. 137; Hatzfeldt an Caprivi (mit Anlage), 30.7.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 79-83; Caprivi an Knorr, 31.7.1885, ebd., Bl. 84; Caprivi an Knorr, 21.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 4 f.; Bismarck an Caprivi, 22.5.1885, ebd., Bl. 9-12; Caprivi an Knorr, 23.5.1885, ebd., Bl. 13 ff.; Caprivi an Knorr, 28.6.1885, ebd., Bl. 82; AA an Caprivi, 26.6.1885, ebd., Bl. 83; Caprivi an Knorr, 28.6.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 136.

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See a.D. Otto Herbig. Dieser war im Frühjahr 1885 von der Admiralität – als Kaufmann getarnt – nach Sansibar entsandt worden, um zu untersuchen, in welcher Weise die deutschen Kriegsschiffe im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung am wirkungsvollsten gegen den Sultan vorgehen könnten, und zwar speziell in Bezug auf Landungen, Bombardements, Blockade und Überfälle. Außerdem sollte er zusätzliche Informationen über die Stärke der sansibarischen Streitkräfte übermitteln. Falls eine Flottendemonstration den Widerstand des Sultans nicht brechen sollte, empfahl Herbig zunächst die Beschlagnahmung der sansibarischen Kriegsschiffe, gezielte Angriffe auf die Infrastruktur der Insel und deren Blockade. Sollten auch diese Maßnahmen den Sultan nicht zum Einlenken bewegen, so seien die Küstenplätze zu besetzen, deren Bevölkerung zu entwaffnen und Geiseln zu nehmen. Als letztes Mittel empfahl er schließlich die Bombardierung der Stadt Sansibar und ihre Besetzung durch Landungstruppen. Herbigs Auftrag endete formal mit dem Eintreffen des Kreuzergeschwaders in den sansibarischen Gewässern am 7. August. Nachdem er eine Kopie seines Berichtes an Kommodore Paschen, der auf Anweisung der Admiralität mit dem Großteil des Geschwaders nach Sansibar vorausgegangen war, übergeben hatte, trat Herbig bereits am 10. August die Heimreise an235. Fritz Müller behauptet in seiner umfassenden Studie über »Deutschland – Zanzibar – Ostafrika«, dass Caprivi »in der Zanzibaraktion eine Gelegenheit zu einer ›Bewährungsprobe‹ der jungen Kriegsmarine erblickte und in gamaschenknöpfiger Ressortbeschränktheit ohne Rücksicht auf außenpolitische Konsequenzen darauf brannte, Zanzibar zu beschießen und bei dem folgenden Landungsmanöver den hohen Ausbildungsstand der Matrosen des Kreuzergeschwaders vorzuführen«236. Diese Darstellung lässt sich anhand der Akten nicht belegen. Im Gegenteil: Für den Fall, dass »die ins Auge gefasste moralische Pression nicht genügen« und zu »Gewaltmaßregeln«237 geschritten werden müsse, lehnte Caprivi sowohl eine Bombardierung als auch eine Blockade Sansibars ab und empfahl vielmehr die Besetzung der ganzen Insel, weil seiner Ansicht nach nur so – wohlgemerkt: im Kriegsfall – ein »durchgreifendes Resultat«238 erzielt werden könne239. Caprivi hielt eine

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Instruktionen für den Kapitän zur See Herbig (Auszug), o.D., BArch, RM 38/4, Bl. 117 f.; Herbig an Caprivi (mit Anlagen), 7.7.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 90-103; Bericht des Kapitäns Herbig über Sansibar, 4.8.1885, ebd., Bl. 183-196; Valois, Marine, S. 312; siehe dazu auch: Caprivi an Bismarck, 21.5.1885, BArch, R 1001/8896, Bl. 9 ff.; Bismarck an Caprivi, 7.5.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 10-14; Caprivi an Knorr, 21.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 4 f. Herbigs Bericht über Sansibar wurde 1986 in einer Quellensammlung veröffentlicht. Vgl. Reisen nach Nigritien, S. 249-266. Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 214. Ebenso falsch: Büttner, Die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik, S. 58 f. Zitate aus: Caprivi an Bismarck, 3.5.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 82 ff., hier Bl. 83. Ebd., Bl. 84. Ebd., Bl. 82 ff.; Caprivi an Bismarck, 21.5.1885, BArch, R 1001/8896, Bl. 9 ff. Müller geht kurz auf dieses Gutachten von Caprivi vom 3.5.1885 ein, ignoriert aber dessen hier dargelegte Inhalte bei seiner weiteren Analyse. Vgl. Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 208.

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maritime Aktion nicht für unumgänglich, wie Wehler schreibt240, sondern forderte vom Reichskanzler lediglich, dass dem Geschwaderchef im Kriegsfall »so viel Spielraum als irgend möglich gegeben werde«241, um solche Maßnahmen dann notfalls durchführen zu können, denn »die Verhältnisse lassen sich von hier aus zu wenig übersehen, um mit einiger Sicherheit im Voraus der einen Maßregel den Vorzug vor der anderen geben zu können. [...] Es können Verhältnisse eintreten, die ein ungesäumtes Eingreifen gegen Stadt und Insel Zanzibar unumgänglich machen und in denen ein Einholen neuer Ordres, namentlich, wenn der Telegraph Störungen erleidet, Schaden bringend wäre242.« Müllers Darstellung von Caprivi als verantwortungslosen Kriegstreiber und Profilneurotiker entpuppt sich somit beim Abgleich mit den Originaldokumenten als bewusste Manipulation. Anders als der Chef der Admiralität scheinen allerdings die Soldaten vor Ort auf einen Kampfeinsatz gebrannt zu haben, darauf lässt zumindest der nachfolgende Auszug aus einem Privatbrief des Generalkonsuls Travers an den neuen Kolonialreferenten im Auswärtigen Amt, Heinrich Richard Krauel243, schließen:

»Ich war froh als am 7. August endlich die Schiffe [des Kreuzergeschwaders] signalisiert wurden. Kampf- und kriegsbereit trafen dieselben ein, Offiziere und Mannschaften erwarteten nichts Anderes, als unverzüglich in Aktion zu treten. Es herrschte eine höchst kriegerische Stimmung, die niederzukämpfen ich als meine erste Aufgabe erachten musste. Ist eine solche Aufgabe einem Militär gegenüber schon an sich keine leichte, so wird sie noch erheblich schwieriger, wenn der Erstere der alleinige Bevollmächtigte und als solcher für die Ausführung seiner Ordres alleinverantwortlich ist244.«

Selbstverständlich bereitete sich die Marineführung auch auf eine militärische Aktion gegen Sansibar vor, um im Kriegsfall rasch und effektiv handeln zu können, aber es galt unbestritten der Primat der Politik. Und die politische Reichsleitung ließ keinen Zweifel daran, dass sie eine militärische Auseinandersetzung mit Sansibar, wenn irgend möglich, verhindern wollte. »Wenn A[dmiral] Knorr unter dem Druck der [Flotten-]Demonstration zu freundschaftlichem Abkommen mit Z[ansibar] gelangen könnte«, konstatierte Herbert von Bismarck, »so wäre das das Beste245.« Diese Auffassung vertrat auch sein Vater. Der Reichskanzler wies sowohl den Chef des Kreuzergeschwaders als auch die in der Region engagierten deutschen Kolonialgesellschaften nachdrücklich darauf hin, dass die Verhältnisse in Ostafrika anders lägen als in Westafrika, 240

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Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 347. Diese Darstellung widerlegt auch das nachfolgende Zitat aus demjenigen Schreiben, auf das sich Wehler – und auch Müller – in diesem Zusammenhang bezieht. Caprivi an Bismarck, 21.5.1885, BArch, R 1001/8896, Bl. 9 ff., hier Bl. 9. Ebd., Bl. 9 f. (Hervorhebungen im Original). Krauel war im Mai 1885 als Nachfolger von Kusserow zum Leiter des Referats »Kolonialangelegenheiten und Entsendung von Kriegsschiffen zum Schutz deutscher Interessen« im Auswärtigen Amt ernannt worden. Vgl. Hampe, Das Auswärtige Amt in der Ära Bismarck, S. 174. Travers an Krauel, 25.8.1885, BArch, R 1001/394, Bl. 18-22, hier Bl. 18. Siehe dazu auch: Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 88. Randbemerkung H.v. Bismarcks zu einem Bericht von Krauel, 12.6.1885, BArch, R 1001/8898, Bl. 7-10, hier Bl. 10.

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»denn die fortdauernde Gegnerschaft oder auch nur eine erzwungene unaufrichtige Freundschaft« des Sultans »würde die Zukunft der neuen deutschen Ansiedlungen in Ostafrika ernstlich gefährden [...] Die ostafrikanischen Stämme, soweit sie zu den Bekennern des Islam gehören, sind streitbar, militärisch geschult und liefern die Polizisten für einen großen Theil Central-Afrikas. Wenn es uns nicht gelingt, mit ihnen in Frieden zu leben, so werden sich unsere Ansiedlungen im Innern ohne eine starke bewaffnete Macht niemals halten können. Die Deutsche Kolonisations-Gesellschaft ist gegenwärtig noch nicht konsolidiert genug, um einen ausreichenden militärischen Schutz in den von ihr erworbenen Ländereien gewähren und bei einer etwaigen Fortpflanzung der MahdiBewegung nach Süden dem feindlichen Einfall fanatischer Araber und Negerstämme Widerstand leisten zu können. Unter diesen Umständen ist es für die Deutsche Gesellschaft von Wichtigkeit, das Wohlwollen und die Unterstützung des Sultans von Zanzibar zu gewinnen, der, abgesehen von den religiösen Beziehungen, schon durch den Reichthum seiner Handelsagenten seit vielen Jahren einen bedeutenden Einfluß im Innern besitzt. Wenn dieser Einfluß nachhaltig gegen uns geltend gemacht würde, so könnten wir äußersten Falls den Sultan auf seiner Insel durch unsere Schiffe blokiren und seinen Seehandel lahm legen, aber nicht verhindern, daß er alle Deutschen im Innern durch seine arabischen Stammesgenossen oder durch die von ihm aufgereizten Negerstämme erschlagen lässt. Expeditionen nach dem Innern auf Kosten des Reichs können nicht in den Kreis unserer Erwägungen gezogen werden246.«

Bismarck setzte auf eine nachhaltige Kooperation mit dem Sultan, um die deutsche Herrschaft in Ostafrika zu stabilisieren. Deshalb wollte er ihn »durch Einschüchterung zum Nachgeben«247 bewegen. Um Bargash bin Said nicht unnötig zu provozieren, wurde der Geschwaderchef angewiesen, sich aus der politisch heiklen Sklavenfrage tunlichst herauszuhalten, denn der Sklavenhandel war eine der lukrativsten Einnahmequellen des Sultans248. Falls die Flottendemonstration die gewünschte Wirkung verfehlte, wollte Bismarck ein militärisches Exempel statuie246 247 248

Zitate aus: Hatzfeldt (in Vertretung des Reichskanzlers) an Knorr, 2.7.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 139-144, hier Bl. 140 f. Bismarck an Knorr, 31.5.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 128-133, hier Bl. 130. Hatzfeldt an Caprivi, 7.4.1885, BArch, RM 1/2446, Bl. 32 f.; siehe dazu auch: Caprivi an Hatzfeldt, 23.3.1885, BArch, R 1001/7123, Bl. 31 f. Bis Ende 1888 wies Bismarck auch alle seine Beamten an, sich aus der Sklavenfrage herauszuhalten. Vgl. Pflanze, Bismarck, Bd 2, S. 392. Dabei stellte er sich auf den Standpunkt: »Auf dem Gebiet von Zanzibar gilt das Recht von Zanzibar, ein aus Usagara gebürtiger Sklave eines in Zanzibar wohnhaften Herrn hat nicht seine Freiheit dadurch erlangt, daß sein Heimathland unter den Schutz Seiner Majestät des Kaisers gestellt worden ist«. Zitat aus: Bismarck an Rohlfs, 18.3.1885, BArch, R 1001/1002, Bl. 14. Der ostafrikanische Sklavenhandel erlebte infolge der deutschen Intervention in Sansibar eine neue Blüte, weil die dort stationierten britischen Kriegsschiffe nun, anstatt den Sklavenhandel zu unterbinden, hauptsächlich dafür eingesetzt wurden, die Aktivitäten des deutschen Kreuzergeschwaders zu beobachten. Das Wiederaufblühen des Sklavenhandels blieb auch den ortsansäßigen Deutschen nicht verborgen. Aus deren Sicht verbarg sich dahinter eine wohlkalkulierte Maßnahme der britischen Regierung zur Eindämmung der deutschen Kolonialpolitik. Die Briten würden versuchen, »durch mildere Praxis die über die Strenge der bisherigen Maßnahmen erbitterten Araber versöhnlich zu stimmen«, spekulierte etwa der neue Generalkonsul Gustav Arendt im April 1886 unter Berufung auf angeblich zuverlässige Quellen, »und dadurch dies wichtige Element beim Kampf Englands gegen die colonisatorischen Bestrebungen in Ost-Afrika auf Seite des ersteren zu ziehen«. Zitat aus: Arendt an Bismarck, 14.3.1886, BArch, R 1001/1018, Bl. 2. Vgl. ebd.; Arendt an Bismarck, 25.8.1886, BArch, R 1001/1018, Bl. 5; Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 184-187.

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ren. Allerdings sollte Knorr in diesem Fall ausdrücklich nicht die Insel Sansibar angreifen, sondern die für den Handelsverkehr mit dem Hinterland des Schutzgebietes wichtigen Küstenpunkte besetzen respektive »pfandweise in Besitz nehmen« und abwarten, »ob der Sultan uns dort angreift«249. Eine solche militärische Machtdemonstration, kalkulierte der Reichskanzler, würde den Widerstand des Sultans gegen die deutschen Annexionswünsche auf dem ostafrikanischen Festland endgültig brechen, zudem könnten die besetzten Küstenplätze als nützliches Faustpfand bei den weiteren Verhandlungen eingesetzt werden. Bismarck und Caprivi legten bei der Intervention in Ostafrika Wert darauf, dass Knorr neben den Instruktionen auch ein umfassendes Bild von der Lage erhielt. Aufgrund der mangelhaften Kommunikationsmöglichkeiten zwischen der Reichsleitung und dem Geschwaderchef, die zudem fast ausnahmslos von den britischen Seekabeln und Postdampferlinien abhängig waren, konnten die Instruktionen nur vorgeben, welche politischen Ziele unter welchen Umständen mit welchen maximalen militärischen Mitteln zu erreichen versucht werden sollten. Längst schon war insbesondere die Telegrafie zu einer »strategischen Infrastruktur von überragender Bedeutung«250 geworden, über die das Deutsche Reich aber weder in Ostafrika noch anderswo in Übersee verfügte251. Die taktische Vorgehensweise musste in den Händen des Geschwaderchefs liegen, weil es nur ihm allein möglich war, auf die aktuellen lokalen Entwicklungen rasch und angemessen zu reagieren. Bismarck wies Knorr deshalb Ende Mai 1885 ausdrücklich darauf hin, dass eine kriegerische Aktion zwar »noch außerhalb dieser politischen Instruction [liegt]. Ob [jedoch] ein solches Vorgehen durch Bedrohung oder Beleidigung der Flagge militärisch nothwendig werden kann, lässt sich durch eine Instruction vom politischen Standpunkte aus nicht vorhersehen«252. Dabei handelte es sich keineswegs um eine Ausnahmeregelung. Bismarck ging »bei politischen Instruktionen [generell] von dem Satze aus, daß ich nicht den MilitärBefehl habe und daß ich eine [militärische] Aktion, zu welcher der Kommandierende durch Angriffe oder Beleidigungen veranlasst werden könnte, in meine politische Berechnung nicht aufnehme. Für eine solche muß der Militärbefehlshaber eintretenden Falls die Verantwortung auf sich nehmen, da er allein zu beurteilen im Stande ist, was in bestimmten vorher nicht übersehbaren Situationen im Interesse der ihm untergebenen Streitkräfte nothwendig werden kann [...], ohne daß die Ermächtigung dazu in einer politischen Instruktion enthalten zu sein braucht253.«

Diese Maxime garantierte die Handlungsfähigkeit der Marine in Übersee, falls im Krisen- oder Kriegsfall die britischen Telegrafenlinien nicht (mehr) zum Informationsaustausch zur Verfügung standen; sie galt für alle Einsätze deutscher Kriegs249 250 251

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Zitate aus: Bismarck an Knorr, 31.5.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 128-133, hier Bl. 130. Laak, Imperiale Infrastruktur, S. 92. Mitte der 1880er Jahre existierte bereits ein weltumspannendes Telegrafennetz, das beständig ausgebaut wurde, sich allerdings überwiegend in britischer, amerikanischer und französischer Hand befand. Das Deutsche Reich begann erst in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre mit dem weltweiten Ausbau seines Telegrafennetzes. Vgl. Headrick, The Invisible Weapon, S. 11-115. Bismarck an Knorr, 31.5.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 128-133, hier Bl. 132 (Hervorhebung im Original). Bismarck an Caprivi, 22.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 9-12, hier Bl. 9 ff.

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schiffe in außerheimischen Gewässern. Näheres regelte eine Kabinettsordre des Kaisers vom 17. März 1885, die an alle Auslandsschiffe ausgehändigt wurde und noch im Ersten Weltkrieg gültig war254. Caprivi wies Knorr explizit darauf hin, dass er im Falle eines Krieges gegen Sansibar auf Grundlage dieser Kabinettsordre handeln sollte255, die ihm auch in der Art der Kriegführung ein hohes Maß an Aktions- und Entscheidungsfreiheit gewährte. Im Kriegsfall, heißt es darin, habe jeder Schiffskommandant,

»sofern er nicht einem Geschwader- oder Stationschef untersteht [für welche die Bestimmungen in dieser Kabinettsordre gleichermaßen gelten – H.H.] und mit diesem sofort in Verbindung zu treten in der Lage ist, seine Entschließungen selbstständig und auf eigene Verantwortung so zu fassen, wie er es im Sinne dieser Instruction für geboten hält. Hierbei wird der Kommandant sich vor allem gegenwärtig halten müßen, daß es nunmehr seine erste Pflicht ist, dem Feinde so viel Schaden als möglich zuzufügen. Ob er hierzu sich besser gegen feindliche Kriegsschiffe wendet, oder im Kreuzerkriege den feindlichen Seehandel, oder die Küstenplätze des feindlichen Gebietes zu schädigen sucht, hat er allein zu entscheiden [...] Der Kommandant muß sein Schiff dauernd in gefechtsfähigem Zustand zu erhalten suchen. Ich entbinde ihn aber von jeder Verantwortlichkeit für dessen Verlust, wenn derselbe in ehrenvollem Kampfe herbeigeführt wird. Ich werde ferner jeden Vorwurf von denjenigen Kommandanten fernhalten, deren Schiffe in energischem Kreuzerkriege aufgebracht und hierdurch zur ferneren Indiensthaltung unbrauchbar geworden sind256.«

Die allgemein gehaltenen Bestimmungen in dieser Kabinettsordre wurden wenige Monate später, im August 1885, durch eine geheime Kreuzer-Instruktion ergänzt, die Caprivi in Kooperation mit Bismarck entworfen hatte257. Darin waren die Richtlinien für einen Handelskrieg festgelegt. Allerdings wurde dieses Regelwerk in den 1890er Jahren wieder zurückgezogen und durch individuelle Operationspläne ersetzt, die jeder Überseekommandant ausarbeiten und sich vom Oberkommando der Marine, später dann vom Admiralstab genehmigen lassen musste258. Zwischen Bismarck und Caprivi kam es, wenn auch nicht so heftig wie mit dessen Vorgänger Albrecht von Stosch, des Öfteren zu Auseinandersetzungen über die Anweisungsbefugnisse für die Kommandanten der Kriegsschiffe259. Aber der 254

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Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 17.3.1885, BArch, RM 1/2915, Bl. 2-9. Kaiser Wilhelm II. ergänzte diesen Erlass am 1.2.1897: Demnach sollten die im Kriegsfall in Übersee befindlichen Schiffskommandanten und Geschwaderchefs alles aufbieten, um zunächst noch die vor Kriegsausbruch erteilten Operationsbefehle auszuführen. Vgl. Wilhelm II. an Knorr (Kabinettsordre), 1.2.1897, BArch, RM 1/2915, Bl. 10. Caprivi an Knorr, 21.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 4 f. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 17.3.1885, BArch, RM 1/2915, Bl. 2-9, hier Bl. 2 ff.; siehe dazu auch: Olivier, Staatskaperei, S. 258 f.; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 135. Entwurf einer Kreuzer-Instruktion, Berlin 1885 (als Manuskript gedruckt), enthalten in: BArch, 1001/7153; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 135 f.; siehe auch den diesbezüglichen Schriftverkehr zwischen Bismarck, Caprivi und verschiedenen Marinebehörden in der Zeit vom 24.2. bis 26.8.1885 in: BArch, RM 5/5924, Bl. 2-52, 80-99. Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 136. Vgl. u.a. Holliday, Bismarck’s Rival, S. 136-215; Hubatsch, Der Admiralstab, S. 37 f.; Steinmetz, Bismarck und die deutsche Marine, S. 73 f.; Sieg, Die Ära Stosch, S. 98-102, 112-118; Verchau, Von Jachmann über Stosch und Caprivi zu den Anfängen der Ära Tirpitz, S. 63-66. Bezeichnend für das allgemein schlechte Verhältnis zwischen Bismarck und Stosch ist eine Äußerung des

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Kernkonflikt zwischen den beiden war ein anderer: »Caprivi ist darin einseitig, daß er die Marine nur für eine Seeschlacht ausbilden will und deshalb sehr ungern einzelne Schiffe auf ferne Expeditionen schickt. Das ist der fortwährende Streit zwischen ihm und dem Kanzler260.« Wie bei allen anderen Auslandseinsätzen der Marine bestimmten auch beim Kreuzergeschwader nicht die obersten Marinebehörden, sondern Bismarck und das Auswärtige Amt261, wo und wie dieses eingesetzt wurde. Unter Bismarck war eine autonome Marinepolitik nicht möglich. Bis 1889 bedurften alle Anordnungen der Admiralität für Kriegsschiffe im politischen, das heißt im auswärtigen Dienst der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, der dadurch die Verantwortung für die Einsätze mit übernahm; im Bereich der Marineverwaltung war der Chef der Admiralität ohnehin nur ein Gehilfe des Reichskanzlers262. Politisch war – und ist – die Marine das Machtmittel zur Durchsetzung, Wahrung und Förderung der deutschen Interessen in Übersee. Das galt seinerzeit insbesondere für das Kreuzergeschwader und die Kriegsschiffe auf den Auslandsstationen. In Friedenszeiten hatte der Chef der Admiralität bei Marineeinsätzen fern der Heimat letztlich nur für deren reibungslosen Ablauf zu sorgen: durch die rechtzeitige Übermittlung von Instruktionen und Nachschub sowie die rechtzeitige Bereitstellung der zum Erreichen der politischen Ziele notwendigen militärischen Mittel – nicht mehr und nicht weniger. Das verdeutlicht in besonders guter Weise eine Protestnote Caprivis an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Paul Graf von Hatzfeldt, vom 7. Juni 1885, in der er auf die Einhaltung des Dienstweges bei der Übermittlung von Befehlen an den Chef des Kreuzergeschwaders bestand: »Eurer Exzellenz sehr gefälliges Schreiben vom 6. d[ieses] M[ona]ts263 habe ich die Ehre gehabt zu erhalten und werde ich den Admiral nachträglich anweisen, die Instruktion vom 31. Mai d[ieses] J[ah]r[es]264 zu befolgen, eine Maßregel, derer es bedarf, wenn jene Instruktion für den Admiral, der nicht in einem doppelten Unterordnungs-Verhältnis steht, bindend sein soll. In Bezug auf die politische Instruktion vom 18ten Mai265 bin ich

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Reichskanzlers vom April 1891: »Mit den Salzwasserleuten habe ich immer auf guten Fuß gestanden – Stosch ausgenommen«. Zitat aus: Schoeps, Bismarck über Zeitgenossen, S. 132 (Äußerung Bismarcks vom 30.4.1891). Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 2, S. 176 (Tagebucheintrag vom 19.9.1884). Steinmetz irrt, dass Bismarck und Caprivi vor allem Auseinandersetzungen über die Anweisungsbefugnisse für die Kommandanten gehabt hätten. Vgl. Steinmetz, Bismarck und die deutsche Marine, S. 74. Auch mit Paul von Hatzfeldt und insbesondere Heinrich von Kusserow, dem Kolonialdezernenten im Auswärtigen Amt, hatte Caprivi immer wieder Differenzen über Kolonial- und Schifffahrtsangelegenheiten, so auch im Vorfeld der Intervention in Ostafrika 1885. Vgl. W.v. Bismarck an Holstein, 24.8.1884, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 2, Nr. 117; Holstein an H.v. Bismarck, 31.8.1884, zit. in: Herbert von Bismarck, Aus seiner politischen Privatkorrespondenz, Nr. 131, S. 257 f., hier S. 257; Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 2, S. 171 f., 176 f. (Tagebucheinträge vom 27.8.1884 und 23.9.1884). Hubatsch, Der Admiralstab, S. 51; Hubatsch, Auslandsflotte und Reichspolitik (1955), S. 30; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd 3, S. 838, 934 f., 1000-1005, und Bd 4, S. 566 f. Siehe: Hatzfeldt an Caprivi, 6.6.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 133 f. Siehe: Bismarck an Knorr, 31.5.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 128-133. Siehe: Bismarck an Knorr, 18.3.1885, ebd., Bl. 1-9.

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in der Lage gewesen eine gleiche Anweisung rechtzeitig zu ertheilen266. Ich gestatte mir diese Gelegenheit zu benutzen, um auszusprechen, daß ich stets bereit sein werde, dem Admiral Knorr die politischen Instruktionen des Herrn Reichskanzlers ungesäumt zugehen zu lassen und ihm deren Befolgung aufzugeben. Ich werde mich jeder Äußerung zu derselben, sofern ich dazu nicht ausdrücklich aufgefordert werde, als außerhalb der Sphäre meiner Verantwortung liegend enthalten. Dagegen aber halte ich mich verpflichtet, dahin zu wirken, daß das aus den militärischen Verhältnissen folgende und bisher beobachtete Verfahren, wonach der Verkehr des Auswärtigen Amtes mit den Befehlshabern der Marine meiner Mitwirkung bedarf, auch ferner in Uebung bleibe. In Bezug auf die Zusendung einer besonderen Chiffre an den Admiral Knorr bewerte ich ganz ergebenst, daß es dessen nicht bedurft haben würde, da frühere Schwierigkeiten im Gebrauch der Marine-Chiffre267 inzwischen beseitigt sind268.«

Um zu verhindern, dass seine Rolle als Chef der Admiralität in Bezug auf den Einsatz des Kreuzergeschwaders von Bismarck und Kusserow269 marginalisiert wurde, hatte Caprivi zudem bereits Mitte Mai präventiv angeordnet, dass Knorr seine Meldungen an den Kaiser und das Auswärtige Amt, angeblich »um Kosten und Schreibwerk zu sparen, nicht direkt abzulassen« habe, sondern diese fortan »durch die Admiralität bewirkt« würden270. Eine unmittelbare Stellungnahme Bismarcks zu dem oben zitierten Schreiben ist in den Akten nicht übermittelt. Fortan jedoch setzten Bismarck und Hatzfeldt Caprivi immer rechtzeitig über neue politische Instruktionen für das Kreuzergeschwader in Kenntnis, auch wenn diese weiterhin meist direkt an den Geschwaderchef geschickt wurden. Mitte August kam es erneut zu Unstimmigkeiten zwischen dem Auswärtigen Amt und der Marineführung, diesmal jedoch, weil sich Kommodore Paschen, der den Geschwaderchef bis zu dessen Ankunft in Sansibar etwa zwei Wochen lang vertrat, nicht an die politischen Instruktionen zu halten schien, vielmehr, wie Hatz-

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Siehe: Caprivi an Knorr, 21.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 4 f. Hatzfeldt hatte in seinem Schreiben an Caprivi die direkte Übermittlung der ergänzenden politischen Instruktionen vom 31.5.1885 damit begründet, dass »der militärische Chiffre für die Korrespondenz in manchen Angelegenheiten nicht immer ausreicht«. Zitat aus: Hatzfeldt an Caprivi, 6.6.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 133 f. Mangelhafte Standards für die sichere Übermittlung geheimer Dokumente, Befehle etc. hatte Bismarck der Marineführung bereits zwei Wochen zuvor – zu Recht – vorgeworfen. Siehe dazu Kap. II, Anm. 148. Allerdings waren auch die diplomatischen Codes nicht besonders gut gesichert, sogar noch im Ersten Weltkrieg. Vgl. Nickles, Under the Wire, S. 167. Caprivi an Hatzfeldt, 7.6.1885, BArch, RM 38/3, Bl. 135. Knorr erhielt eine Kopie dieses Schreibens. Vgl. ebd. Hatzfeldt zeichnete für den entsprechenden Schriftverkehr mit der Admiralität und der Reichskanzlei sowie für die politischen Entscheidungen verantwortlich, nahm selbst aber wenig Anteil an der Kolonialpolitik. Zwar beteiligte er sich maßgebend an den Vorbereitungen für die Berliner Kongokonferenz 1884/85, überließ ansonsten jedoch dieses Feld weitestgehend seinem Kolonialreferenten Heinrich von Kusserow. Vgl. Hampe, Das Auswärtige Amt in der Ära Bismarck, S. 170-175, 187; Niehaus, Paul von Hatzfeldt, S. 116-125. Zitate aus: Caprivi an Knorr, 21.5.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 4 f., hier Bl. 4. Einige Monate später erließ Caprivi in diesem Sinne auch eine für alle Kommandanten der Kriegsschiffe verbindliche Marineverordnung. Vgl. Marineverordnungsblatt, 16 (1885), 20, Verordnung Nr. 144, S. 173 f.

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feldt vom französischen Botschafter in Berlin mitgeteilt wurde271, den Sultan unter Androhung von Gewalt aufgefordert hatte, die deutschen Ansprüche anzuerkennen. Paschen war in der Tat sehr forsch aufgetreten: Schon bei der Ankunft am 7. August hatte er das Geschwader nordwestlich der Stadt Sansibar in Kiellinie aufstellen lassen272, »von wo nöthigenfalls die Gebäude des Sultans beschossen und leicht genommen werden können«273, und kurz darauf an Bargash bin Said seine Forderungen gestellt. Zwar hatte er dem Sultan dabei nicht direkt mit Gewaltanwendung gedroht, aber die eindrucksvolle Show of Force der deutschen Kriegsschiffe verfehlte ihre Wirkung nicht274. Hatzfeldt reagierte scharf und wies Caprivi an, den Kommodore unverzüglich telegrafisch anzuweisen, dass die Durchsetzung der deutschen Ansprüche »zunächst auf dem Wege freundschaftlicher Verständigung mit dem Sultan« zu erstreben sei, um die »bisherige Verständigung mit den Kabinetten von Paris und London über die Zanzibar-Frage nicht zu gefährden«275. Gleichzeitig versicherte er dem britischen und französischen Botschafter in Berlin, dass Paschen den ausdrücklichen Befehl habe, nur dann gewaltsam gegen den Sultan vorzugehen, falls dieser die deutsche Flagge beleidige oder bedrohe. Caprivi kam Hatzfeldts Aufforderung unverzüglich nach, zweifelte aber 271

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Französische Botschaft in Berlin an AA, 11.8.1885, BArch, R 1001/8901, Bl. 61 f. Diese Falschinformation geht ursprünglich auf den französischen Konsul in Sansibar zurück. Obwohl das Auswärtige Amt über keinerlei eigene Informationen aus Sansibar verfügte, dementierte es diese Meldung sowohl gegenüber dem französischen als auch dem britischen Botschafter in Berlin. Caprivi wurde angewiesen, unverzüglich telegrafisch einen Rapport von Paschen einzufordern. Vgl. Aktennotiz von Hatzfeldt (mit Anlage), BArch, R 1001/393, Bl. 49 ff.; Hatzfeldt an Caprivi, 11.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 114 f. Das heißt die vier Kriegsschiffe »Stosch«, »Gneisenau«, »Prinz Adalbert« und »Elisabeth« ohne die unbewaffneten Tender »Ehrenfels« und »Adler«. Paschen hatte die »Gneisenau« vorausgeschickt mit dem Auftrag, die nötigen Vorbereitungen für die Beerdigung des kurz zuvor verstorbenen Kommandanten der »Stosch«, Kapitän zur See Georg von Nostitz, zu treffen, so dass diese bereits vier Stunden vor den anderen Schiffen in Sansibar eintraf. Der »Adler« war selbstständig nach Ostafrika gesegelt und befand sich, mit der Sultansschwester Emily Ruete an Bord, schon seit dem 2. August in den sansibarischen Gewässern. Der Kreuzer »Möwe« traf am 13. August in Sansibar ein. Vgl. Privates Schiffstagebuch von Oskar Truppel, BArch, N 224/5, Bl. 111 (Aufzeichnungen vom 5.8. bis 13.8.1885); Paschen an Caprivi, 11.8.1885, BArch, RM 1/2886, Bl. 5 f., hier Bl. 5; Ruete, An Arabian Princess Between Two Worlds, S. 388 ff.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 5, S. 311 f. Wehler erweckt den Eindruck, als seien bereits am 7. August alle Schiffe des Kreuzergeschwaders vor Sansibar eingetroffen, was nicht richtig ist. Vgl. Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 348. Femers und Müller datieren die Ankunft des Geschwaders falsch auf den 4. respektive 11. August. Vgl. Femers, Deutsch-Britische Optionen, S. 140; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 215. Paschen an Caprivi, 11.8.1885, BArch, RM 1/2886, Bl. 5 f., hier Bl. 5. Siehe: Paschen an Bargash bin Said, 11.8.1885, BArch, RM 1/2886, Bl. 14 f.; Bargash bin Said an Paschen, 11.8.1885, ebd., Bl. 16; Paschen an Bargash bin Said, 12.8.1885, ebd., Bl. 17; Bargash bin Said an Paschen, 13.8.1885, ebd., Bl. 18. Müllers diesbezügliche Darstellung der Ereignisse ist völlig überzogen und teils fehlerhaft. Vgl. Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 215 f. Der Auftritt des Kreuzergeschwaders beeindruckte nicht nur den Sultan von Sansibar, sondern auch die lokalen Vertreter der DOAG. »Unsere Hoffnungen und unser nationales Selbstgefühl [erfuhren] eine erhebliche Steigerung«, notierte etwa Joachim Graf von Pfeil, ein Wegbegleiter Peters’, einige Jahre später. Zitat aus: Pfeil, Zur Erwerbung von Deutsch-Ostafrika, S. 153. Zitate aus: Hatzfeldt an Caprivi, 11.8.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 166 (Hervorhebung im Original); siehe dazu auch: Caprivi an Hatzfeldt, 11.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 116.

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daran, dass Paschen sein Telegramm rechtzeitig erhalten werde, weil seit dessen Ankunft in Sansibar keinerlei Nachrichtenverkehr mehr stattgefunden hatte. Doch dann übermittelte Paschen am nächsten Tag telegrafisch, dass er stündlich die Antwort des Sultans auf seine Forderung erwarte, worauf Caprivi an das Auswärtige Amt meldete: »Ich muß annehmen, daß eine frühere Meldung des Kommodore die Forderung betreffend verloren gegangen ist276.« Wenig später antwortete Paschen auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe und stellte klar, dass er in den Grenzen der politischen Instruktionen – die ihm allerdings nicht vollständig vorlagen – gehandelt und die deutschen Ansprüche gegenüber dem Sultan geltend gemacht habe; seine »Forderung enthält keineswegs Drohung, nur Hinweisung, daß Verhandeln davon abhängig«277 sei, dass diese Forderung erfüllt werde278. Nur einen Tag später, am 13. August 1885, war der Konflikt in Sansibar friedlich gelöst: Bargash bin Said zog seinen Protest auf Druck der britischen Regierung zurück und anerkannte, wenn auch widerstrebend, die deutsche Schutzherrschaft über Usagara und die angrenzenden Landschaften sowie Witu279. »Damit ist Deutschland zum erstenmal als Weltmacht im Indischen Ozean etabliert«280, jubelte die DeutschOstafrikanische Gesellschaft im Siegesrausch, und »der Sache des gesamten Deutschtums nicht nur im Indischen Ozean, sondern auch auf der ganzen Erde in mächtiger Weise gedient«281. Frankreich zählte zwar zu den Signatarmächten des Garantievertrages von 1862, aber die französische Regierung wollte wegen der Sansibar-Frage keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Reichsleitung riskieren. Deshalb ließ sie die Deutschen in Ostafrika gewähren und konzentrierte sich lieber auf ihren Kolonial276 277 278

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Caprivi an Hatzfeldt, 12.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 121. Paschen an Caprivi, 12.8.1885, ebd., Bl. 120. Siehe dazu auch: Travers an Bismarck, 24.8.1885, BArch, R 1001/8902, Bl. 83-92, hier Bl. 86 ff.; Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 250. Paschen hatte die Forderungen zunächst mündlich beim Sultan vorgetragen und nach dessen Aufforderung auch schriftlich bei ihm eingereicht. Caprivi an Hatzfeldt, 7.8.1885, BArch, R 1001/8901, Bl. 32, 33; Promemoria des AA betreffend die Zanzibar-Angelegenheit, 11.8.1885, ebd., Bl. 67 f.; Travers an Bismarck, 11.8.1885, BArch, R 1001/8902, Bl. 104-108; Travers an Bismarck, 24.8.1885, ebd., Bl. 83-92; Caprivi an Paschen, 1.6.1885, BArch, RM 1/2445, Bl. 38; Caprivi an Hatzfeldt, 26.6.1885, ebd., Bl. 174 f.; Caprivi an Paschen, 27.6.1885, ebd., Bl. 176; Caprivi an Knorr, 29.7.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 75; diverse Korrespondenz zwischen Caprivi und Hatzfeldt, 11.-14.8.1885, ebd., Bl. 114 ff., 118 f., 121, 123, 125 f., 130, 132 f., 136 f., 139; diverse Korrespondenz zwischen Caprivi und Paschen, 12.-15.8.1885, ebd., Bl. 120, 124, 128, 135, 138, 140; Caprivi an Wilhelm I., 13.8.1885, ebd., Bl. 129; Salisbury an AA, 13.8.1885, ebd., Bl. 134; Paschen an Caprivi, 29.7.1885, BArch, RM 1/2726, Bl. 53; Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 1.10.1885, BArch, RM 1/2845, Bl. 166; Paschen an Caprivi, 11.8.1885, BArch, RM 1/2886, Bl. 5 f.; Bückendorf, »Schwarz-weißrot über Ostafrika!«, S. 219-222; Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 248-253; Scheffel, Betrachtungen über das deutsche Witu-Protektorat, S. 126-131; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 137 f.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 5, S. 311 f. Auszug aus einem Leitartikel der Kolonial-Politischen Correspondenz, 1885, zit. nach: Westphal, Sansibar und das deutsche Ost-Afrika, S. 86. Die Zeitschrift Kolonial-Politische Correspondenz war das publizistische Organ der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft. Peters an Bismarck, o.D. [19.8.1885], zit. nach: Wagner, Deutsch-Ostafrika, S. 96 f. Das Telegramm ist auszugsweise auch abgedruckt in: Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 218, Anm. 136.

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krieg in Madagaskar282. Lord Salisbury hingegen signalisierte dem Auswärtigen Amt in Berlin am 13. August, dass Großbritannien die deutschen Forderungen an den Sultan von Sansibar voll unterstütze283. Wie schon für Gladstone, standen auch für Salisbury Nordafrika und Zentralasien im Mittelpunkt seiner Außenpolitik, deshalb hatte er sich in der Sansibar-Frage zu diesem Kompromiss bereit gefunden284. Nun bekam er von Bismarck, was er so dringend brauchte: »Freie Hand«285 in Ägypten mit deutscher Rückendeckung. Faktisch war damit eine deutsch-britische Kolonialentente – Herbert von Bismarck sprach später von einer »kolonialen Ehe«286 – geschaffen worden, die sich nach dem Kollaps des Bismarckschen Bündnissystems infolge der Orientkrise 1885/86 als stabil, temporär sogar als mögliche Basis für ein deutsch-britisches Bündnis erweisen sollte287. »I have been using the credit I got with Bismarck in the Caroline Islands and Zanzibar«, schrieb Salisbury Ende August an seinen Außenminister Lord Stafford Iddesleigh, »to get help in Russia and Turkey and Egypt. He is rather a Jew«, kommentierte er mit antisemitischem Unterton, »but on the whole I have as yet got my money’s worth288.« Nach der raschen »Einigung« lud Bargash bin Said aus Gastfreundschaft eine Delegation des Kreuzergeschwaders zum abendlichen Bankett, an dem Paschen jedoch wenig Freude hatte: »Nach Erledigung der ersten und wichtigsten Frage gab der Sultan dem Geschwader ein großes Gastmahl, das mit in den Kauf genommen werden musste. Es bestand aus vierzig Gängen, die sich des öfteren wiederholten, dazu die Ehrung des Gastes nach arabischer Sitte, indem der Sultan mir von Zeit zu Zeit einen nach seiner Ansicht besonders schönen Bissen auf den Teller legte, zum Glück nicht in den Mund, wie er es bei seinen Stammesgenossen tut. Und bei der endlosen Länge dieser Tafel gab es nur Getränke wie Scherbet und Limonade, nicht einmal Wasser, kaum dem Gaumen eines Temperenzlers annehmbar und gewiss nicht dem, der im weisen Genusse der herrlichen Gottesgabe das Mahl mit Wein zu würzen vorzieht. Zwar wurde eine Schale vorzüglichen

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Siehe dazu Kap. II, Anm. 298. Salisbury an den britischen Botschafter in Berlin, 13.8.1885, BArch, R 1001/8901, Bl. 93; Promemoria des AA betreffend die Verhandlungen mit Zanzibar, 13.8.1885, ebd., Bl. 103 f. Salisbury an den britischen Botschafter in Berlin, 13.8.1885, BArch, R 1001/8901, Bl. 93; Promemoria des AA betreffend die Verhandlungen mit Zanzibar, 13.8.1885, ebd., Bl. 103 f.; Hohenlohe an Hatzfeldt, 14.8.1885, ebd., Bl. 143 f.; Hatzfeldt an Hohenlohe, 21.8.1885, BArch, R 1001/8902, Bl. 8 ff.; Steele, Lord Salisbury, S. 177-183. Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 2, S. 250 (Tagebucheintrag vom 11.8.1885). H.v. Bismarck, 14.12.1888. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 311. Die Orientkrise von 1885/86, der darauffolgende Zusammenbruch des alten und der Aufbau des neuen Bismarckschen Bündnissystems sowie die allgemeinpolitische Annäherung des Deutschen Reiches an Großbritannien zwischen 1887 und 1889 können im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend behandelt werden. Siehe dazu u.a.: Femers, Deutsch-Britische Optionen, S. 182-267; Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 95-140; Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860-1914, S. 186-198; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 77-106; Schöllgen, Imperialismus und Gleichgewicht, S. 20-31; Stamm, Graf Herbert von Bismarck, S. 366-450; Steglich, Bismarcks englische Bündnissondierungen und Bündnisvorschläge 1887-1889. Salisbury an Iddesleigh, 24.8.1885, zit. nach: Cecil, Life of Robert Marquis of Salisbury, vol. 3, S. 230.

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Mokkas gereicht, aber nach der strengen Sitte der Schiiten, denen der Sultan angehört, keine Zigarre dazu. Abgesehen von diesen kleinen Martern zeigte sich der Sultan als vornehmer, aufmerksamer Wirt, der es sich auch trotz seiner Elephantiasis, die ihm jeden Schritt beschwerlich machte, nicht nehmen ließ, uns mehrere Treppen hoch auf die Veranda zu geleiten, um von ihr aus den Anblick eines sehr schönen Feuerwerks auf dem in der Tiefe liegenden Platze zu genießen289.«

Abgesehen von den anfänglichen Unstimmigkeiten war die Reichsleitung mit Paschens erfolgreicher Intervention zufrieden und verlieh ihm kurz darauf den Rang eines Konteradmirals290. In großmannssüchtiger Manier feierten zahlreiche deutsche Zeitungen die erfolgreiche Flottendemonstration als »einen neuen Beweis dafür [...], wie rasch das Deutsche Reich gegebenenfalls mit starker Hand auch über den Ocean zu greifen und seine maritime Machtstellung in fernen Meeren und an fremden Küsten zur Geltung zu bringen vermag«291. Unterdessen wurden die Erbansprüche der Salme-Emily Ruete, die Bismarck ohnehin nur als ein mögliches zusätzliches Druckmittel gegen den Sultan hatte benutzen wollen, zunächst nicht weiter eingefordert292. »Es sei vielmehr jetzt die Freundschaft des Sultans zu suchen und zu pflegen«, ließ Bismarck über Hatzfeldt an die Admiralität übermitteln, »und Frau Ruete wieder mit nach Europa zu nehmen293.« Dadurch wurde auch das Verhältnis zur britischen Regierung weiter entspannt294. Als die »Bismarck«, die am 28. Juli in Kapstadt eingetroffen war, ihre Kohlenund Proviantbestände aufgefüllt hatte, und eine Woche später wieder ausgelaufen war, am 19. August mit Admiral Knorr an Bord vor der Küste von Sansibar auf Reede ging, war dessen politischer Auftrag bereits großenteils durch Paschen erfüllt worden295. Außer der »Hyäne«, die sich noch auf dem Transit ins Zielgebiet befand, hatten sich nun alle Schiffe des Kreuzergeschwaders vor der sansibarischen Küste versammelt; außerdem lagen dort noch die beiden britischen Kreuzer »Kingfisher« und »Dragon«296 sowie die sansibarische Korvette »Glasgow«297. 289 290 291 292

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Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 252 f. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 1.10.1885, BArch, RM 1/2845, Bl. 166. Das deutsche Geschwader vor Zanzibar. In: Illustrirte Zeitung, 43 (1885), S. 2203. Anfang Januar 1886 konnte Knorr schließlich doch noch eine einmalige Abfindungssumme für Ruete in Höhe von 6000 Rupees erwirken. Das entsprach etwa 9600 Mark. Ruete jedoch war damit nicht zufrieden und wies das Geld dankend zurück. Vgl. Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 8.1.1886, BArch, RM 1/2449, Bl. 21-33, hier Bl. 21 f.; Ruete, An Arabian Princess Between Two Worlds, S. 79 f.; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 144 f. Jonathan Glassmans Darstellung, wonach Knorr Ruete als Vorwand benutzt habe, um die Anerkennung der Petersschen Schutzverträge zu erpressen, ist falsch. Vgl. Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 413, Anm. 29. Hatzfeldt an Caprivi, 14.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 139. Siehe dazu: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 139. Ruete verließ Sansbiar schließlich mit der »Adler« Anfang Oktober 1885. Eberspächer und Wiechmann irren mit der Aussage, dass Knorr am 19. August einen Schutzvertrag mit dem Sultan abgeschlossen hat. Davon schreibt auch Boelcke nichts, auf den sie an dieser Stelle verweisen. Vgl. Eberspächer/Wiechmann, Admiral Eduard von Knorr (1840-1920), S. 241; Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 200. Diese beiden Schiffe gehörten zur Indischen Station, auf der elf britische Kriegsschiffe stationiert waren, weitere neun befanden sich im Roten Meer. Großbritannien war bis dahin die einzige Nation, die dauerhaft mehrere Kriegsschiffe in den sansibarischen Gewässern stationiert hatte.

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Auch andere britische, französische298 und amerikanische Kriegsschiffe machten in den darauffolgenden Monaten auf der Reede von Sansibar Station, ohne jedoch aktiv in die Vorgänge einzugreifen. Knorr übernahm von Paschen das Kommando über den Verband und erhielt weitere Anweisungen vom Auswärtigen Amt. Paschen, der frustriert darüber war, nun in die zweite Reihe zurücktreten zu müssen, unterrichtete Knorr über die aktuelle Lage und meldete zudem, dass der Kommandant der »Stosch«, Kapitän zur See Georg von Nostitz, am 5. August an einem Herzschlag gestorben und drei Tage später in Sansibar bestattet worden war299. Nostitz war damit das erste Todesopfer des noch jungen Kreuzergeschwaders; seinen Posten übernahm kurz darauf Korvettenkapitän Otto von Diederichs300. Ende September wurde mit der Kreuzerkorvette »Olga« noch ein weiteres deutsches Kriegsschiff von Kiel nach Sansibar beordert – mit der nachdrücklichen Belehrung, »daß die Politik nicht Sache des Kommandanten sondern lediglich der diplomatischen Vertreter S[eine]r Majestät des Kaisers ist«301. Die »Olga« sollte nach ihrer Ankunft gemeinsam mit dem Kanonenboot »Hyäne«, das aus dem Kreuzergeschwader entlassen wurde, die Ostafrikanische Station besetzen302.

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Vgl. Liste der britischen Kriegsschiffe auf der indischen Station und im Roten Meer, o.D. [25.3.1885], BArch, RM 38/4, Bl. 121. Die »Glasgow« war ein altes Hochschiff mit acht Geschützen als Vollschiff getakelt und diente vor allem für repräsentative Zwecke und Salutschießen. Sansibar verfügte über keine Flotte im europäischen Sinne, sie bestand hauptsächlich aus bewaffneten Handelsschiffen. Herbig berichtete der Admiralität nach Berlin, »zur Wegnahme dieser Schiffe würden je zwei bewaffnete Kutter genügen«. Zitat aus: Bericht des Kapitäns Herbig über Sansibar, 4.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 183-196, hier Bl. 191. Vgl. ebd., Bl. 189 ff.; Valois an Caprivi, 16.3.1885, BArch, RM 1/2871, Bl. 241-244, hier Bl. 242; O’Swald an Hoven, 27.5.1885, BArch, RM 5/5445, Bl. 4 f.; Birken, Das Sultanat Sansibar, S. 75 ff. Frankreich führte zu dieser Zeit einen Kolonialkrieg in Madagaskar (1883-1885) und nutzte Sansibar als Versorgungshafen für seine Kriegsschiffe. Zur französischen Okkupation Madagaskars allgemein siehe: Deschamps, Histoire de Madagascar, S. 151-252; Deschamps, Madagascar and France, S. 521-538. In seinen Memoiren schreibt Paschen irrtümlich, dass Nostitz am 6. August verstorben sei. Vgl. Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 248. Wenige Wochen später starb ein weiterer Soldat, der Matrose Krehsin von S.M.S. »Prinz Adalbert«, im französischen Missions-Hospital an Lungen-Schwindsucht, der neben Nostitz’ Grab auf Sansibar beerdigt wurde. Vgl. Knorr an Caprivi, 21.12.1885, BArch, RM 1/2449, Bl. 7-16, hier Bl. 15. Knorr an Caprivi, 21.12.1885, BArch, RM 1/2449, Bl. 7-16, hier Bl. 11, 16; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 8.1.1886, ebd., Bl. 21-33, hier Bl. 23; Caprivi an Wilhelm I., 19.8.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 145; Knorr an Caprivi, 19.8.1885, ebd., Bl. 146; Knorr an Caprivi, 22.8.1885, ebd., Bl. 149; Caprivi an Hatzfeldt, 22.8.1885, ebd., Bl. 150; Knorr an Caprivi, 28.7.1885, BArch, RM 1/2676, Bl. 32-35; Knorr an Caprivi, 21.8.1885, ebd., Bl. 36 ff.; Knorr an Caprivi, 4.8.1885, BArch, RM 1/2726, Bl. 40; Valois an Caprivi, 16.3.1885, BArch, RM 1/2871, Bl. 241-244, hier Bl. 241; Paschen an Caprivi, 11.8.1885, BArch, RM 1/2886, Bl. 5 f.; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 24.8.1885, ebd., Bl. 7-23; Caprivi an Knorr, 29.7.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 26; Paschen an Knorr, 19.8.1885, ebd., Bl. 28; Knorr an Caprivi, 20.10.1885, ebd., Bl. 105-109, hier Bl. 109; Knorr an Caprivi, 26.10.1885, ebd., Bl. 112-115, hier Bl. 114 f.; Knorr an Caprivi, 8.11.1885, ebd., Bl. 142-145, hier Bl. 143; Liste der britischen Kriegsschiffe auf der indischen Station und im Roten Meer, o.D. [25.3.1885], BArch, RM 38/4, Bl. 121; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 102 ff.; Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 248-254; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 5, S. 311 ff. Caprivi an Bendemann (Segelordre), 30.9.1885, BArch, RM 1/2708, Bl. 44 ff., hier Bl. 45. Ebd., Bl. 44 ff.

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Nach Paschens erfolgreicher Intervention blieb die Lage in Ostafrika ruhig und stabil. Für Knorr blieben in den fünf Monaten nach seiner Ankunft in Sansibar nur die Aushandlung des neuen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages303 und die Organisation verschiedener kleiner Expeditionen, unter anderem nach Witu304, zur Sicherung und Erweiterung des jungen deutschen Schutzgebietes305. Außerdem erwirkte er das Gebrauchsrecht für den Hafen Daressalam, der im Gegensatz zum anfangs favorisierten Bagamoyo vollkommen geschützt war, und unterstützte die Bildung der trilateralen Kommission zur Feststellung der Grenzen des Sultanats Sansibar. Die umfangreiche Korrespondenz zwischen dem Auswärtigen Amt, der Admiralität und dem Geschwaderchef befasste sich in dieser Zeit vor allem mit den auszuhandelnden Konditionen für den neuen Handelsvertrag306. Die Verhandlungen zwischen Knorr und dem Sultan fanden auf freundschaftlichem Wege statt, nahmen jedoch viel Zeit in Anspruch, weil der gesamte Schriftwechsel übersetzt werden musste307. Sämtliche Vertragsinhalte hatte Knorr zuvor mit Travers und John Kirk, dem britischen Generalkonsul in Sansibar, abgestimmt308. Mitte September telegrafierte Knorr nach Berlin, dass er aufgrund der ruhigen, stabilen Lage und dem freundschaftlichen Verlauf der Verhandlungen nur noch die Anwesenheit dreier größerer Kriegsschiffe für notwendig halte. Bismarck und das Auswärtige Amt hatten keinerlei Bedenken gegen eine Reduzierung des Geschwaders, so dass Knorr wenige Tage später die Schiffe »Stosch« und »Prinz Adalbert« aus dem Kreuzergeschwader entlassen und nach Kapstadt schicken konnte, von wo sie über Kamerun zurück nach Deutschland segelten. Im Oktober wurden auch die »Elisabeth« und die beiden Tender in die Heimat zurückbeordert309. Auf den verbliebenen Schiffen wurden die Besatzungen teilweise ausge303

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Wäre Knorr noch später in Sansibar eingetroffen, hätte Paschen auch die Verhandlungen über den Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag geführt oder zumindest eingeleitet. Das Auswärtige Amt hatte ihm bereits Ende Juni vorsorglich auf Anregung Caprivis eine entsprechende Vollmacht erteilt. Vgl. AA an H.v. Bismarck (mit Anlage), 27.6.1885, BArch, R 1001/8899, Bl. 54-57; H.v. Bismarck an AA, 28.6.1885, ebd., Bl. 64. Siehe dazu die zahlreichen Berichte von Valois an Knorr in: BArch, RM 1/2726, Bl. 88-129; siehe auch: Andreas Küntzel, Die Expedition von S.M. Kreuzerfregatte »Gneisenau« zu Achmed, dem Sultan der Suaheli. In: Deutsche Kolonialzeitung, 3 (1886), 16, S. 486-491; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 5, S. 314 f., 6, S. 404-407, 7, S. 462. Entsprechende Anfragen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft wurden meist positiv beschieden, einige jedoch auch abgelehnt. Vgl. u.a. Randbemerkung Caprivis zu einer Anfrage der DOAG vom 13.8.1885, BArch, RM 1/2413, Bl. 158 f.; Caprivi an DOAG, 15.8.1885, ebd., Bl. 160. Zu den Handelsvertragsverhandlungen siehe: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 141 ff. Der Vertragstext ist abgedruckt in: Das Staatsarchiv, Bd 46 (1886), Nr. 8803, S. 148-158. In den Akten des Kreuzergeschwaders, hier vor allem in RM 38/2, und in den Akten des deutschen Generalkonsulates in Sansibar, hier vor allem in R 157 IV F/G 2/25, sind zahlreiche dieser Schriftstücke in ihrer arabischen, deutschen, englischen und/oder französischen Fassung erhalten. Übereinkunft über die Inhalte des neuen deutsch-sansibarischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages, unterzeichnet von Knorr, Travers und Kirk, 1.9.1885, BArch, R 1001/8903, Bl. 30-35. Die beiden Tender erhielten bei ihrer Abfahrt einen Spezialauftrag: die »Neger nach Deutschland [zu] bringen«. Damit waren drei farbige Matrosen namens Buele, Edeme und Parko gemeint, die Knorr in Kamerun als vierjährige Freiwillige an Bord der »Bismarck« eingestellt hatte. Zitat aus: Caprivi an Knorr, 22.10.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 110. Vgl. ebd.; Knorr an Schering,

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wechselt, darunter auch einige Tropenkranke, die zur Genesung nach Hause geschickt werden mussten310. Die »Gneisenau« verlegte temporär nach Kapstadt311, um notwendige Reparatur- und Reinigungsarbeiten durchführen zu lassen und Proviant aufzunehmen. Im Dezember trafen schließlich die »Olga« und das Versorgungsschiff »Zanzibar«, aus der Heimat kommend, mit Proviant, Ausrüstungsgegenständen und Weihnachtspost an Bord im Hafen von Sansibar ein312. Für die Besatzungen der Schiffe bot die lange Liegezeit vor Sansibar die Möglichkeit, sich von den Strapazen der Vormonate zu erholen. Während der Geschwaderchef friedliche Verhandlungen mit dem Sultan führte, auf Empfängen

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26.10.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 117; siehe außerdem Kap. II, Anm. 146. Die »Elisabeth« ging jedoch nicht, wie zunächst geplant, direkt zurück in die Heimat, sondern wurde auf dem Transit von Sansibar nach Deutschland noch für einige Monate auf die Ostamerikanische Station beordert. Vgl. AA an den deutschen Botschafter in Argentinien, 30.10.1885, BArch, R 1001/7125, Bl. 9. Abgesehen von den beiden Tendern und den Schiffen unter dem Befehl des Kommodore Paschen nahm auch die Kreuzerkorvette »Marie«, die auf ihrem Transit von Australien nach Deutschland Mitte Dezember in Aden Station machte, einen Kranken von der »Gneisenau« mit in die Heimat. Vgl. Kommandant der »Marie« an Caprivi, 15.12.1885, BArch, RM 1/2716, Bl. 65-69, hier Bl. 69. Die »Gneisenau« bildete gemeinsam mit den Kreuzerfregatten »Stosch« und »Prinz Adalbert« die zweite Division des Kreuzergeschwaders. Allerdings begleitete die »Gneisenau« die beiden anderen Schiffe nur bis Kapstadt. Dort wurde sie instandgesetzt, anschließend kehrte sie zur ersten Division des Kreuzergeschwaders nach Sansibar zurück. Als die »Stosch« und die »Prinz Adalbert« am 20.12.1885 Wilhelmshaven erreichten, wurde die zweite Division formal aufgelöst. Vgl. Hintze, Tagebuch, BArch, N 536/113 (Aufzeichnungen vom 22.9. bis 20.12.1885); Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 3, S. 208, Bd 7, S. 195; Marineverordnungsblatt, 17 (1886), 2, S. 15; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 7, S. 463 ff. Scheer, Briefe, 22.9.1885 bis 1.1.1886 (insgesamt sechs Briefe), BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 5-10; Caprivi an H.v. Bismarck, 9.9.1885, BArch, R 1001/7124, Bl. 55 f.; Caprivi an H.v. Bismarck (mit Anlage), 27.9.1885, ebd., Bl. 85 ff., Bl. 88-91; Caprivi an Hatzfeldt, 16.10.1885, ebd., Bl. 113; H.v. Bismarck an Monts, 28.10.1885, BArch, RM 1/2413, Bl. 167; Monts an Knorr, 31.10.1885, ebd., Bl. 168; Travers an Bismarck, 29.8.1885, BArch, RM 1/2438, Bl. 87 f.; Monts an Hatzfeldt, 2.11.1885, ebd., Bl. 96; H.v. Bismarck an Monts, 4.11.1885, ebd., Bl. 97; Hoffmann an Knorr, 22.10.1885, ebd., Bl. 112; Knorr an Caprivi (teils mit Anlagen), 15.11., 16.12., 20.12., 23.11.1885, ebd., Bl. 100, 137, 139, 141-148; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 8.1.1886, BArch, RM 1/2449, Bl. 21-33; diverse Korrespondenz zwischen Caprivi und Hatzfeldt, 18.8., 24.8., 25.8., 29.8., 5.9.1885, BArch, 1/2451, Bl. 151 f., 153, 159, 162, 167; Caprivi an Knorr, 25.8., 14.9., 21.9.1885, ebd., Bl. 160, 176, 199; Knorr an Caprivi, 28.8., 8.9., 22.9., 29.9.1885, ebd., Bl. 161, 170, 200, 205; AA an Caprivi, 14.9., 16.9., 17.9., 23.9.1885, ebd., Bl. 174, 180, 197, 202; Caprivi an AA, 22.9., 29.9, ebd., Bl. 201, 206; Knorr an Langemak, 12.10.1885, BArch, RM 1/2682, Bl. 213; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 12.9.1885, BArch, RM 1/2726, Bl. 67-84; Knorr an Caprivi, 3.10.1885, ebd., Bl. 138; Knorr an Caprivi (teils mit Anlagen), 31.8., 28.9., 31.10., 7.10., 20.10., 26.10., 8.11., 21.12.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 44 f., 63-66, 72, 73-79, 105-109, 112-115, 142-145, 226-239; Knorr an Paschen, 16.9.1885, ebd., Bl. 56; Knorr an Paschen, 22.9.1885, ebd., Bl. 60; Monts an Knorr, 13.10.1885, ebd., Bl. 90-93; Monts an Knorr, 19.10.1885; ebd., Bl. 103; Knorr an Dambrowski, 5.11.1885, ebd., Bl. 140; Valois an Knorr, 27.10.1885, ebd., Bl. 147-151; Bendemann an Knorr, 15.12.1885, ebd., Bl. 246; Paschen, Aus der Werdezeit zweier Marinen, S. 256-260; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 92-95; siehe ergänzend dazu: BArch, RM 1/2886, Bl. 24-119.

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weilte oder zur Flusspferdjagd nach Bagamoyo fuhr313, hatten die Mannschaften viel Zeit, um die Kameraden auf den anderen Schiffen zu besuchen, die Insel Sansibar und einige Küstenbereiche in der Region zu erkunden sowie an den zahlreichen Feiern, die der Sultan, die deutschen Händler und die deutschen Diplomaten vor Ort veranstalteten, teilzunehmen. Reinhard Scheer, der in Sansibar das Reiten lernte, vermittelte in den Briefen an seine Eltern einen guten Eindruck von der entspannten, unbeschwerten, ja teils fröhlichen Atmosphäre an Bord der Schiffe. So schrieb er etwa im Dezember: »es wird ein ziemlich gleichmässiger und netter Verkehr zwischen den Leuten an Land und den Schiffen und wieder bei letzteren untereinander unterhalten, sodass wir über Einsamkeit und Langeweile wie in Kamerun nicht klagen können«314. Zwar sei die Hitze »nicht unbedeutend, doch haben wir so leichten Dienst, dass man es noch ertragen kann, man wird zwar trotzdem entsetzlich faul«315. Sogar »das Wachegehen ist hier des nachts die reine Freude, denn es ist dabei wundervolles Wetter, nur thaut es leider ziemlich stark, sodass man sich also nicht hinsetzen darf. Die Abendwache wird einem verkürzt durch die Kapelle des Sultans, die er vor seinem Palast spielen lässt, und die man an Bord ganz deutlich hören kann«316. Besonders beeindruckt war Scheer vom Besuch des sansibarischen Sultanpalastes in Churney, wo er mit zahlreichen anderen Offizieren einen ganzen Tag verbringen durfte: »Die Zeit zwischen den 3 Mahlzeiten, die recht gut nach französischer Küche zubereitet waren, vertrieben wir durch Spazierengehen in der Umgegend, wobei wir uns eine Zucker- und eine Nelken-Plantage besahen, Nelken ist das Hauptprodukt der Insel, Karousselfahren, Baden und Kartenspielen. Zu letzterem hatte der Sultan besonders einige Spiele besorgen lassen. Gegen 7 Uhr traten wir die Rückfahrt an und hatten uns ausgezeichnet amüsirt317.«

Allerdings waren nicht alle Soldaten von ihrer orientalischen Umwelt so begeistert, wie Reinhard Scheer. Sein Kamerad Paul Hintze etwa, der gut dreißig Jahre später zum Außenstaatssekretär avancieren sollte, notierte mit rassistischem Unterton in sein Tagebuch: »Zanzibar [ist] von See aus sehr schön, an Land [jedoch] echt arabisch schmutzig und voll schlechter Gerüche318.« 313

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Die Mündungen des Kingani bei Bagamoyo und des Wami bei Saadani waren bei den Europäern in Ostafrika beliebt für die Flusspferdjagd, weil sie von Sansibar aus relativ schnell und einfach zu erreichen waren und große Herden von Flusspferden beherbergten. Wie eine solche Jagd ablief, schilderte Vizeadmiral Valois, seinerzeit Kommandant der »Gneisenau«, viele Jahre später anschaulich in seinen Erinnerungen: Vgl. Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 8, S. 538 ff., 9, S. 603 ff. Scheer, Briefe, 19.12.1885, BArch, MSg 1/2569. Ebd. Ebd., 22.9.1885. Ebd., 17.10.1885. Paul von Hintze: Tagebuch 1882-1885, BArch, N 536/113 (Aufzeichnung vom 10.8.1885). Hintze fuhr seinerzeit als Unterleutnant auf der »Prinz Adalbert«. Von Januar 1898 bis April 1901 diente er beim Ostasiatischen Kreuzergeschwader, zunächst als Flaggleutnant, ab Mai 1899 als Admiralstabsoffizier im Stab des Kreuzergeschwaders. Im Frühjahr 1911 wechselte der inzwischen geadelte und zum Konteradmiral aufgestiegene Hintze nach mehrjähriger Tätigkeit als Marineattaché in St. Petersburg von der Marine in den auswärtigen Dienst. In den letzten Monaten

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Auf der Reede von Sansibar feierten die Besatzungen der »Bismarck«, »Gneisenau«, »Hyäne« und »Möwe« auch ihr zweites Weihnachtsfest in Folge fern der Heimat. Ein Komitee, bestehend aus dem Navigationsoffizier und dem Stabsarzt der »Bismarck« sowie Kapitänleutnant Holtzendorff, organisierte eine aufwendige Weihnachtsdekoration für das Flaggschiff, um den Soldaten ihr Heimweh erträglicher zu machen. Wegen des schönen Wetters und der Hitze wurde alles auf dem Achterdeck arrangiert: »Dasselbe war durch Flaggen nach vorn abgeschlossen, und dahinter war ein Palmen- oder Feengarten« mit dreißig Bananenstauden aufgebaut, die ihnen der Sultan geschenkt hatte; »wir sassen vollständig im Grünen, nur das Deck liess einen noch bemerken, dass man auf dem Schiff war«319. Auch »in den Zwischenräumen und überhaupt da, wo es noth that, wurde alles mögliche andere Laubwerk und grosse Palmenzweige angebracht«320. Einige Schwierigkeiten bereitete die Herstellung des Weihnachtsbaumes, »der aus 4 Orange- und Limonenbäumchen bestand, aus deren Mitte ein großer Palmzweig mit seinem schönen geschwungenen Wedel herauskam. Geschmückt war er ganz in derselben Weise wie zu Hause, mit vergoldeten Nüssen, Glaskugeln, Perlen, Schnüren, Gold- und Silberflimmer, allerlei Sachen, die man aus Papier ausschneiden kann, und 55 Wachslichtern«, an denen »acht per Brief von der Heimath importirte Tannenzweige«321 abgebrannt wurden, die einen Weihnachtsgeruch imitierten. Noch kurz vor dem Weihnachtsfest, am 20. Dezember 1885, hatte Knorr mit dem Abschluss des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages an Bord der »Bismarck« seinen Auftrag in Sansibar vollständig erledigen können. Die Reichsleitung war mit den Ergebnissen zufrieden. Einziger Wehrmutstropfen war, dass sie im Reichstag für die außerplanmäßigen Mehrausgaben infolge der Kolonialpolitik, die im Etatsjahr 1885/86 allein für die Marine mit rund 1,2 Millionen Mark beziffert wurden, teilweise scharf angegriffen wurde. Außerdem musste die Reichsleitung Kürzungen bei dem für das Folgejahr beantragten Marineetat hinnehmen322. Wenige Tage nach dem Vertragsschluss befahl Caprivi das Kreuzergeschwader, bestehend aus der »Bismarck«, »Gneisenau« und »Olga«, nach Sydney323, während die »Möwe« im Verein mit der »Hyäne« auf der Ostafrikanischen Station verblei-

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des Ersten Weltkrieges, von Juli bis Oktober 1918, war er Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Zu Paul von Hintze allgemein siehe: Hildebrand/Henriot, Deutschlands Admirale, Bd 3, S. 99 ff.; Paul von Hintze: Marineoffizier, Diplomat, Staatssekretär. Scheer, Briefe, 19.12.1885, BArch, MSg 1/2569. Ebd. Zitate aus: Ebd. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 86, Sitzg. 24.11.1885, S. 25-67, Bd 87, Sitzg. 26.1.1886, S. 743-774, und Sitzg. 8.2.1886, S. 921-933, und Bd 89, S. 546 ff., Anl. 102. Wehler beziffert die Mehrausgaben der Marine allein für den Einsatz des Kreuzergeschwaders in Ostafrika 1885 auf insgesamt 1,5 Millionen Mark. Vgl. Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 355. Eine rasche Rückkehr der drei Kriegsschiffe in die Heimat war nicht vorgesehen, ihre Kommandierung nach Übersee hatte die Admiralität im Einvernehmen mit Knorr bis Herbst 1886 verlängert, dann sollten zumindest die Besatzungen abgelöst werden und in die Heimat zurückkehren.

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ben musste324. Bargash bin Said verabschiedete sich von den Kommandanten der deutschen Kriegsschiffe mit zahlreichen Geschenken, darunter indische Tee- und Rauchservice, Rosenöl, Messer und Dolche; Knorr und Holtzendorff dekorierte er mit dem hohen Orden Glänzender Stern von Sansibar 2. Klasse. »Ferner wurde das ganze Achterdeck der Bismarck mit Früchten, Eis und Ziegen und Schaafen angefüllt325.« Der Geschwaderchef erwiderte die Geschenke »nach arabischer Sitte«326 mit der Zahlung von einigen Hundert Mark Bakschisch an die Dienerschaft des Sultans; für solche Zwecke stand ihm ein Budget in Höhe von 2000 Mark zur Verfügung327. Bereits anlässlich des Vertragsabschlusses hatte Knorr dem Sultan persönlich sechs Bronze-Feldgeschütze mit einiger Munition für Salutzwecke geschenkt328. Am 9. Januar 1886 lichteten die Schiffe des Kreuzergeschwaders schließlich die Anker, setzten die Segel und nahmen Kurs auf Australien329. »Von der Reise versprechen wir uns viel«, schrieb der Unterleutnant Scheer freudig nach Hause, »günstige Fahrtverhältnisse und endlich raus aus den Tropen«330. 2. Die »Hetze« über den halben Erdball a) Bildung des Fliegenden Kreuzergeschwaders

Noch bis November 1885 betrachtete die Marineführung das Kreuzergeschwader nur als ein Instrument für die lokal begrenzte Intervention in Ostafrika. Dafür gibt 324

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Anders als zunächst geplant, verblieb anstelle der »Olga« die »Möwe« aus »militärischen Gründen« auf der Ostafrikanischen Station, denn die »Olga« war für die kommenden Aufgaben des Kreuzergeschwaders besser geeignet. Vgl. Monts an H.v. Bismarck, 25.12.1885, BArch, R 1001/7125, Bl. 34 f. Siehe dazu auch: Monts an Knorr, 29.12.1885, BArch, RM 1/2426, Bl. 91. Scheer, Briefe, 27.2.1886, BArch, MSg 1/2569. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 10. Analog dazu wurde im März 1886 eine spezifische Vorschrift über »Geschenke für Eingeborene« erlassen. Demnach erhielt jeder Schiffskommandant »die Befugniß da, wo es erforderlich wird zur Erlangung von Lebensmitteln, Erleichterung des Verkehrs und s.w., gute Beziehungen mit den Eingeborenen uncivilisirter Küstenstriche herzustellen, zu Geschenken geeignete Gegenstände anzukaufen und nach Bedürfniß zu verwenden«. Das reguläre Budget dafür betrug 200 Mark. Zitat aus: Marineverordnungsblatt, 17 (1886), 7, Verordnung Nr. 57, S. 63 f., hier S. 63. Vgl. ebd., S. 63 f. Diese Geschütze mussten extra aus der Heimat beschafft werden und wurden aus politischen Gründen erst im Februar 1887 an den Sultan ausgeliefert. Vgl. u.a. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 76 f.; DOAG an Bismarck, 23.8.1886, BArch, R 1001/8921, Bl. 6 f.; Kriegsministerium an Caprivi, 20.7.1886, BArch, RM 1/2449, Bl. 70; AA an Caprivi, 29.8.1886, ebd., Bl. 111; Caprivi an Knorr, 31.12.1886, ebd., Bl. 134 f.; Bargash bin Said an Bismarck, 18.3.1887, ebd., Bl. 196. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 7-10; Arendt an Bismarck, 18.1.1886, BArch, R 1001/913, Bl. 1 f.; Knorr an Caprivi, 21.12.1885, BArch, RM 1/2449, Bl. 7-16; Auszug aus dem Marineverordnungsblatt, 9.1.1886, BArch, RM 1/2696, Bl. 46; Caprivi an Knorr, 29.12.1885, BArch, RM 38/2, Bl. 251; Caprivi an Knorr, 8.1.1886, ebd., Bl. 256; Knorr an Caprivi, ebd., Bl. 256; Knorr an Caprivi (mit Anlage), 9.1.1885, ebd., Bl. 257-262; Knorr an Caprivi, 3.3.1885, BArch, RM 38/5, Bl. 1-6, hier Bl. 1; Arendt an Bismarck, 16.2.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 61 f. Scheer, Briefe, 1.1.1886, BArch, MSg 1/2569.

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es mehrere Belege: Sowohl in den Marine-Akten als auch im Marineverordnungsblatt findet sich bis Januar 1886 teils für das Kreuzergeschwader insgesamt, teils für einige Schiffe desselben oft die Bezeichnung »Ostafrikanisches Geschwader«. Des Weiteren verfügte Knorr bis zum Abgang des Kreuzergeschwaders von Sansibar im Januar 1886 nur über einen Stempel des Westafrikanischen Geschwaders, was er in einem Bericht an Caprivi bemängelte. Zudem unternahm die Admiralität im November 1885 eine (letzte) Initiative, die Schiffe nach dem Einsatz in Ostafrika wieder in heimatnahe Gewässer zu verlegen – allerdings ohne Erfolg331. Das Auswärtige Amt verfolgte andere Pläne: In den kommenden Monaten sollten die Schiffe ihre »Kolonialrundfahrt« (Scheer) fortsetzen und in den australasiatischen Gewässern die Flagge zeigen, um die britischen Kolonialbehörden in Australien, aber auch die Einheimischen in den deutschen Südsee-Kolonien »an die Machtmittel zu erinnern, welche uns zum Schutze unserer Südsee-Interessen zu Gebote stehen«332. Anschließend sollten sie weiter nach Ostasien segeln. Vizeadmiral Graf von Monts, der Caprivi während einer Erkrankung für einige Wochen als Chef der Admiralität vertrat, regte daraufhin die Bildung eines Flying Squadron, eines sogenannten fliegenden Geschwaders, an: »Kontre-Admiral Knorr mit S.M. Schiffen ›Bismarck‹, ›Gneisenau‹ und ›Olga‹ beabsichtige ich Anfang Januar a.f. von Sansibar abgehen zu lassen und gedenke [...] diese Schiffe als Geschwader, auf dessen Zusammenhaltung ich besonderen Werth lege, zu verwenden. Ich strebe dabei an, daß dies Kreuzergeschwader unsere kolonialen Schutzgebiete, sowie diejenigen Gewässer in welchen unsere Interessen zu vertreten sind, in möglichst regelmäßigem Turnus anläuft und hoffe, daß auf diese Weise nicht nur ein regelmäßiger Besuch aller in Betracht kommenden Küsten, sondern auch die Gelegenheit geboten wird, plötzlichen dringenden Requisitionen schneller und nachdrücklicher Folge geben zu können wie bisher333.«

Die Etablierung eines fliegenden Kreuzergeschwaders, eines Kreuzerverbandes also, der, wie es das Handbuch für Heer und Flotte aus dem Jahr 1913 prägnant definierte, »ohne einer bestimmten Auslandsstation zugeteilt zu sein, je nach Bedarf an verschiedenen Orten erscheint, um die Flagge zu zeigen oder Sonderaufgaben auszuführen«334, erschien auch vom Standpunkt des Auswärtigen Amtes vorteilhaft335. Sie war in Anbetracht der begrenzten maritim-militärischen Ressourcen des Deutschen Reiches eine adäquate Lösung zur Bewältigung der neuen, wachsenden überseeischen Aufgaben der Marine im Rahmen der neuen Kolonialund Überseepolitik. Immerhin repräsentierten die drei Schiffe des Kreuzergeschwaders knapp ein Fünftel der gesamten deutschen Auslandsflotte336. Durch die 331

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Monts an H.v. Bismarck, 16.11.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 217 ff.; Knorr an Caprivi (mit Anlage), 9.1.1886, BArch, RM 38/2, Bl. 257-262, hier Bl. 261; Knorr an Caprivi, 9.1.1885, BArch, RM 1/2732, Bl. 26; Marineverordnungsblatt, 16 (1885), passim. H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, BArch, RM 1/2732, Bl. 10 f., hier Bl. 11. Monts an H.v. Bismarck, 25.12.1885, BArch, R 1001/7125, Bl. 34 f., hier Bl. 34. Handbuch für Heer und Flotte, Bd 5, S. 606. H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, BArch, RM 1/2732, Bl. 10 f., hier Bl. 10. Rang- und Quartierliste der Kaiserlich Deutschen Marine, 1886, S. 104 ff.; siehe auch: Franz Siewert: Unsere Marine im überseeischen Friedensdienst. In: Deutsche Kolonialzeitung, 2 (1885), 11, S. 345 ff. Kennedy irrt mit der Aussage, dass die Akten des Auswärtigen Amtes in der zweiten

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Schaffung dieses Verbandes sollten längerfristige Detachierungen weiterer Kriegsschiffe aus den heimischen Gewässern und von den Auslandsstationen für Interventionen in Übersee vermieden und die Kosten dieser Einsätze begrenzt werden, ganz im Sinne der Caprivischen Gesamtstrategie. Admiral Knorr hingegen, »ein überzeugter Anhänger und Verteidiger«337 der Kolonialpolitik des Reiches und der Kreuzerschule, war erzürnt über diese Sparpolitik, weil dadurch die Marine klein und unbedeutend bliebe, behielt seinen Unmut aber für sich338. Er war der Ansicht, dass die stets wechselnden Anforderungen an das Fliegende Kreuzergeschwader »nie passten und nie passen konnten, auch [nicht] unter fortwährendem Hin- und Herjagen über den halben Erdball und somit nur unter viel stärkerem Verbrauch an Material und Personal, wie es bei einzelnen Verbänden für die Hauptstationen [der Kaiserlichen Marine im Ausland] nötig gewesen wäre. Aber was schadete das. Nur die Marine klein und unbedeutend halten und deshalb auch keine Kolonien! Das war der Caprivi’sche Grundgedanke«339, wetterte er in seinen Memoiren, »gegen den ich als Chef des Stabes der Admiralität ankämpfte, soweit es mir möglich war«340. Grollend resümierte er: »Eine besondere Freude wird für ihn [Caprivi] gewesen sein, mich zum ersten Chef des Kreuzergeschwaders [zu] machen«341 – »seinem grundsätzlichen Gegner als System«342 – »und damit auch möglichst lange von der Heimat fern halten zu können. Es geht mich aber wenig an und ich versuchte meine Pflicht zu tun, so gut ich es vermochte343.« Die Flying-Squadron-Strategie war nicht neu. Schon während der Verhandlungen über den Flottengründungsplan war im April 1872 die Bildung eines fliegenden Kreuzergeschwaders zum Schutz der »maritimen Interessen, welche Deutschland im transoceanischen Auslande in so hohem Grade hat«344, angeregt worden345.

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Hälfte der 1880er Jahre »are full of requests to a reluctant Admiralty to send cruiser squadrons to overawe the Zanzibari, East African and Samoan opposition« – es gab nur dieses eine Fliegende Kreuzergeschwader, das fortan überall dort, wo es die Reichsleitung für notwendig hielt, zum Einsatz kam. Zitat aus: Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860-1914, S. 199. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 57; siehe auch: Eberspächer/Wiechmann, Admiral Eduard von Knorr (1840-1920), S. 249. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 17 f.; Monts an H.v. Bismarck, 10.1.1886, BArch, R 1001/7125, Bl. 38; Monts an H.v. Bismarck, 16.11.1885, BArch, RM 1/2451, Bl. 217 ff.; H.v. Bismarck an Monts, 19.11.1885, ebd., Bl. 220 f.; H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, BArch, RM 1/2732, Bl. 10 f.; AA an Caprivi, 20.11.1885, BArch, R 1001/7125, Bl. 30; Monts an H.v. Bismarck, 25.12.1885, ebd., Bl. 34 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 17.11.1885, BArch, RM 38/5, Bl. 16 f.; Olivier, Staatskaperei, S. 257-263. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 18. Ebd., S. 17. Ebd., S. 17 f. Ebd., S. 17. Gemeint ist hier die Caprivische Gesamtstrategie im Allgemeinen und die FlyingSquadron-Strategie im Speziellen. Ebd., S. 18. Denkschrift vom 6.5.1872 betreffend eine Darlegung, wie weit der sogenannte FlottenGründungs-Plan bereits zur Ausführung gelangt ist, und welche Mittel zu seiner Durchführung noch erforderlich sind, zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 26, S. 220-225, Anl. 57, hier S. 224. Die Idee, permanent ein Kreuzergeschwader in Übersee zu unterhalten, hatte schon 1867 Prinz Adalbert geäußert. Allerdings hatte dieser für die Aufstellung eines »freien Kreuzergeschwaders« plädiert, das in Ostasien stationiert werden und im Bedarfsfall Schiffe für Einsätze in afrikani-

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Nach den Überlegungen von Kapitänleutnant Otto Zembsch, aus dessen Feder die Vorschläge stammten, sollte jährlich ein in der Besetzung wechselndes fliegendes Geschwader als mobiler Eingreifverband, bestehend aus zwei Kreuzerfregatten, einer Kreuzerkorvette und einem Aviso, auf einer Reise um die Welt alle deutschen Auslandsstationen besuchen und dadurch die gleichklassigen Stationäre ersetzen. Er war davon überzeugt, »daß dem wirklichen Bedürfniß des Handelsschutzes durch ein solches fliegendes Geschwader ausreichend entsprochen werden würde, wenn gleichzeitig kleine Fahrzeuge, Avisos und Kanonenboote 1ster Klasse im Auslande stationiert würden«346. Ausgangspunkt und Intention seines Konzeptes aber war die Sicherstellung der gleichmäßigen seemännischen Ausbildung der Offiziersanwärter, das ist ein wesentlicher Unterschied zum entsprechenden Konzept von 1885. Zembschs Vorschläge basierten auf Gladstones »Flying Squadron Strategy«. Der britische Premierminister hatte, im Verein mit dem Ersten Seelord Hugh Childers, bereits 1869 ein fliegendes Geschwader aus Schulschiffen geschaffen, das bis zu seiner Auflösung 1883 in wechselnder Besetzung regelmäßig die britischen Auslandsstationen besuchte und dadurch die angestrebte Reduzierung der Stationsgeschwader sowie der Kosten für die Auslandstätigkeit der Royal Navy ermöglichte347. Monts und Caprivi griffen bei der Etablierung des Kreuzergeschwaders auf Zembschs Konzept zurück und übernahmen es in weiten Teilen, bis hin zur Zusammensetzung des Verbandes348. Interessant ist, dass in den Jahren 1872/73 die Bildung eines fliegenden Geschwaders aus Kostengründen abgelehnt, zur Jahreswende 1885/86 hingegen aus Kostengründen angeregt wurde349. Dabei war die Zweckmäßigkeit eines solchen Geschwaders schon Anfang der 1870er Jahre erkannt worden. Aber Stosch, der Zembschs Vorschläge zunächst befürwortet hatte350, war schließlich der Meinung von Admiral Ludwig von Henk gefolgt, dass die jährliche Neubesetzung eines fliegenden Geschwaders »eine sehr kostspielige Manipulation« sei, die »schließlich dahin führen [dürfte], daß die sämmtlichen hölzer-

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schen und amerikanischen Gewässern bereitstellen sollte. Vgl. Olivier, Staatskaperei, S. 102 ff.; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 89. Zitate aus: Vorschläge des Kapitänleutnants Zembsch zur Sicherstellung eines gleichmäßigen Ausbildungsganges der Offiziers-Aspiranten als Cadett, Seecadett und Unterlieutenant zur See, o.D. [April 1872], BArch, RM 1/144, Bl. 212-227, hier Bl. 216 f. Ebd., Bl. 216-222; Beeler, British Naval Policy in the Gladstone-Disraeli Era, S. 34-37; Beeler, Steaming erratically towards the Dreadnought, vol. 1, S. 74-119; Hildebrand, No Intervention, S. 289-293; Jones, Ruling the Waves, S. 9-15; Lambert, Economic Power, Technological Advantage, and Imperial Strength; Lambert, Australia, the Trent Crisis of 1861 and the Strategy of Imperial Defence, S. 116 f.; Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 119. Childers Memorandum ist abgedruckt in: British Naval Documents, Nr. 353, S. 593 ff. Zwar verfügte das Kreuzergeschwader anfangs noch über kein Aviso, dessen Aufgaben übernahmen zunächst in beschränktem Maße zivile Dampfer, aber es bestand aus zwei Kreuzerfregatten und einer Kreuzerkorvette, so wie es Zembsch seinerzeit vorgeschlagen hatte. Siehe dazu: Richter, 26.1.1886. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 87, S. 746. Randbemerkung Stoschs zu den Vorschlägen des Kapitänleutnants Zembsch zur Sicherstellung eines gleichmäßigen Ausbildungsganges der Offiziers-Aspiranten als Cadett, Seecadett und Unterlieutenant zur See vom 10.4.1872, BArch, RM 1/144, Bl. 212-227, hier Bl. 212.

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nen Schiffe in kurzer Zeit dienstunbrauchbar sein würden«351. Deshalb hatte sich Stosch entschieden, die Auslandsstationen weiter auszubauen und nur bei Bedarf ad hoc gebildete Eingreifverbände zur Verstärkung der Stationäre in Krisengebiete zu entsenden – eine Strategie, die vermutlich kostspieliger war, als ein fliegendes Geschwader es gewesen wäre, und die zudem zu permanenten Konflikten mit Bismarck über die Entsendung von Kriegsschiffen ins Ausland führte352. Am 6. Januar 1886 erließ Caprivi allgemeine Direktiven für die Organisation und Bestimmung des Fliegenden Kreuzergeschwaders. Dieser Operationsbefehl enthielt die Einsatzgrundsätze für den Verband. Zu den wichtigsten Bestimmungen zählten: 1. Das Geschwader soll in einem regelmäßigen Turnus sowohl die deutschen Kolonien als auch diejenigen überseeischen Gebiete besuchen, wo starke deutsche Interessen zu vertreten waren. 2. Der Einsatz des Geschwaders erfolgte ausschließlich auf Requisition, das heißt auf Anforderung der Reichsleitung beziehungsweise ihrer diplomatischen Vertreter vor Ort353. 3. Während der Routinedienst auf den jeweiligen Auslandsstationen der Marine weiterhin von den Stationären – durchweg kleinere Schiffe und Fahrzeuge – übernommen wurde, sollte das Geschwader als mobiler Eingreifverband die Ausführung derjenigen Requisitionen im Stationsgebiet übernehmen, welche die Kräfte der Stationäre überstiegen. 4. Solange sich das Geschwader innerhalb der Grenzen einer Auslandsstation befand, waren dem Geschwaderchef sämtliche dortigen Stationäre und alle anderen dort befindlichen Schiffe der Kaiserlichen Marine unterstellt. Ihm oblag auch das Musterungsrecht der Stationäre. 5. Im jeweiligen Stationsgebiet operierte das Geschwader in der Regel nicht als taktischer Verband. Je nach Auftragslage konnte der Geschwaderchef nach eigenem Ermessen einzelne Schiffe detachieren. Allerdings sollten größere Seereisen, etwa bei Stationswechseln, möglichst im Verband erfolgen354. 351 352

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Henk an Stosch, 11.4.1872, BArch, RM 1/144, Bl. 228-231, hier Bl. 229 f. Koch, Die Marine und die Kolonien, S. 15 f.; Olivier, Staatskaperei, S. 259 f.; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 111 f.; Petter, Die überseeische Stützpunktpolitik, S. 204-211; Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 119, 155; Wegener, Der Einfluß der internationalen Flottenkonzeption auf die Marinepolitik des Kaiserreiches, S. 50-58; siehe auch: Sieg, Die Ära Stosch, S. 187-201, aber: Sieg schreibt irrtümlich, Stosch habe ein fliegendes Geschwader etabliert. Er beruft sich dabei auf Petter, der jedoch am angegebenen Ort lediglich konstatiert, dass Stosch ein solches Geschwader zunächst habe etablieren wollen. Vgl. Sieg, Die Ära Stosch, S. 191; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 111 f.; siehe dazu auch: Denkschrift betreffend die Entwicklung der Kaiserlichen Marine und die sich daraus ergebenden materiellen und finanziellen Forderungen (Flottengründungsplan), zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 29 (1873), S. 236-246, Anl. 50, hier S. 239. Der Begriff »Requisition« war seinerzeit sehr gebräuchlich und wird deshalb auch im weiteren Verlauf der Studie gleichbedeutend verwendet. Heinrich Walle vermutet, dass diese Bestimmung eingefügt wurde, damit die längeren Seereisen zur Formationsausbildung genutzt werden konnten. Dieser Gedanke mag eine Rolle gespielt haben, primär jedoch sollte dadurch eine Zersplitterung des Kreuzergeschwaders vermieden werden, um dessen Einsatzeffizienz zu erhalten. Vgl. Walle, Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien 1897 bis 1914, S. 42.

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6. Der Geschwaderchef war verpflichtet, die Verbindung mit den Heimatbehörden jederzeit so gut wie möglich aufrechtzuerhalten und diese über den Kreuzungsplan der Schiffe im jeweiligen Stationsgebiet auf telegrafischem und dem Postwege zu informieren. 7. Im Falle eines europäischen Krieges schließlich sollte der Geschwaderchef unverzüglich alle entbehrlichen Seeoffiziere und Maschinisten355 ohne Rücksicht auf die Kosten nach Deutschland schicken356. Diese Bestimmungen galten fast ausnahmslos auch für den Nachfolgeverband des Fliegenden Kreuzergeschwaders, die 1894 aufgestellte und drei Jahre später zum Kreuzergeschwader verstärkte Kreuzerdivision, auch wenn diese bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges nur in Ostasien und in der Südsee eingesetzt wurde. b) Machtdemonstrationen in der Südsee

Nach fünfzigtägiger Seereise fast ausschließlich unter Segel357 traf das Kreuzergeschwader am 28. Februar auf der Australischen Station in Sydney ein358. Die lange Seefahrt hatte auf den Gesundheitszustand der Schiffsbesatzungen sehr förderlich gewirkt: Fast alle Fiebererkrankungen waren bei der Ankunft in Sydney kuriert. Der örtliche deutsche Konsul war ebenso wie seine Kollegen in der Südsee und in Ostasien bereits Mitte Januar vom Auswärtigen Amt über den bevorstehenden Besuch informiert worden. Auch die australischen und königlich britischen Behörden wussten über die Ankunft des »bescheidenen Geschwaders«359 und dessen Bestimmung nach der Südsee »seit mehreren Wochen mittels Telegramm«360 bestens Bescheid. Sie hießen die deutschen Kriegsschiffe und Seesoldaten herzlich willkommen und richteten zu ihren Ehren zahlreiche amtliche und private Festlichkeiten aus. Bei den offiziellen Festen wurden »sehr deutschfreundliche Reden geschwungen« und das deutsche Streben nach Kolonien »als eine berechtigte und natürliche Maßnahme«361 bezeichnet. Nach seinen Erfahrungen mit den Briten in Kamerun und Ostafrika war Knorr von dieser Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit überrascht. Er empfand sie sogar als etwas übertrieben, revanchierte 355

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Walle irrt mit der Aussage, dass der Geschwaderchef im Falle eines europäischen Krieges alles überzählige Personal in die Heimat schicken sollte. Vgl. Walle, Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien 1897 bis 1914, S. 42. Caprivi an Knorr, 6.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 39 ff. In der Segelordre war ausdrücklich festgelegt worden, dass eine außergewöhnliche Beschleunigung der Reise nicht nötig sei und die Schiffe daher hauptsächlich unter Segel fahren sollten, um die Kosten für Kohlen zu sparen. Vgl. Caprivi an Knorr (Segelordre), 2.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 7 f., hier Bl. 7. Krug bezeichnet Sydney als den Stützpunkt des Kreuzergeschwaders. Vgl. Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 109. Diese Formulierung ist irreführend, denn das Kreuzergeschwader hatte keinen festen Stützpunkt, sondern wurde bedarfsweise zur Unterstützung der Stationäre auf die jeweiligen Auslandsstationen beordert. Sydney war zu dieser Zeit die Hauptstation der australischen Stationäre. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 12. Knorr an Caprivi, 3.3.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 1-6, hier Bl. 6. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 13.

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sich aber mit zwei größeren Festlichkeiten an Bord der »Bismarck«. Nach reichlicher Proviantaufnahme und kleineren Instandsetzungsarbeiten verließ das Geschwader Sydney Mitte März und segelte weiter nach Auckland, wo die deutschen Soldaten in gleicher Weise zuvorkommend empfangen und behandelt wurden. Doch nachdem das Kreuzergeschwader die australischen Gewässer verlassen hatte, gab es ein skurriles Nachspiel im Parlament von New South Wales: Einige Abgeordnete beschwerten sich über die hohen Ausgaben für die Bewirtung der deutschen Marineoffiziere im Rahmen eines Picknicks mit Regierungsvertretern, das aus Steuermitteln bezahlt worden war362. Auch in der lokalen Presse schlug die »Affäre« hohe Wogen mit deutlich anti-deutschen Spitzen: »Those Germen [sic] man-of-warsmen at a nod from Bismarck would get up from the very banquet table and without asking any questions scientifically blow their entertainers into eternity«, polterte der »Daily Telegraph«. »Nice thing indeed that our struggling masses should pay for feeding up these gold-bedizined flunkeys of a military despotism which regards men merely as things to stop bullets with. This it appears is exactly what we are paying for363.« Während die Sonntagsreden und Feierlichkeiten den offenbar politisch erwünschten, positiven Eindruck bei den Offizieren des Kreuzergeschwaders hinterließen, zeichnete dieser anti-deutsche Protest ein wesentlich genaueres Bild von der tatsächlichen Stimmungslage gegenüber dem deutschen Rivalen. Allerdings muss hier sehr genau zwischen dem Mutterland und der Kolonie differenziert werden: Während die britische Regierung vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen mit der Reichsleitung über die Abgrenzung der beiderseitigen Machtsphären im Westpazifik364 sowie generell wegen ihrer weltweit verschärften kolonialen Rivalitäten mit Frankreich und Russland eine in Kolonialfragen kooperative Politik gegenüber dem Deutschen Reich verfolgte, lehnten die australischen Regierungen die deutsche Kolonialpolitik in der Südsee strikt ab365, weil dadurch ihre eigenen Interessen in der Region unterlaufen und beschädigt wurden366. 362 363 364

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Wietersheim an Caprivi (mit Anlage), 1.4.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 22 ff. Zeitungsausschnitt aus »The Daily Telegraph« (Sydney) vom 17.3.1887, enthalten in: BArch, RM 38/21, Bl. 22. Wenige Tage nachdem das Kreuzergeschwader die australischen Gewässer verlassen hatte, einigten sich die britische und die deutsche Regierung in dieser Frage. Vgl. Erklärung betreffend die Abgrenzung der deutschen und englischen Machtsphären im Westlichen Stillen Ozean, 6.4.1886, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 46 (1886), Nr. 8834, S. 249 f. Siehe dazu allgemein: Thompson, Australische und neuseeländische Reaktionen auf die deutsche Kolonisierung des Pazifiks. Mit noch größerer Ablehnung reagierten die australischen Regierungen auf die französische Kolonialpolitik im Südpazifik, vor allem in Neukaledonien und den NeuHebriden. Vgl. Aldrich, The French Presence in the South Pacific, S. 223-236. Scheer, Briefe, 3.3.1886 bis 9.4.1886 (insgesamt sechs Briefe), BArch, MSg 1/256; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 10-20; Travers an Bismarck (mit Anlage), 2.5.1886, BArch, R 1001/2933, Bl. 3-10; AA an Brandt, Holleben, Möllendorff und Kusserow, 30.3.1886, BArch, R 1001/7125, Bl. 74 f.; H.v. Bismarck an Stübel, Oertzen, Brandt und das deutsche Konsulat in Sydney, 13.1.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 5 ff.; Travers an Bismarck (mit Anlagen), 17.3.1886, BArch, R 1001/8933, Bl. 55-59; Knorr an Caprivi, 3.3.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 1-6, hier Bl. 6; Knorr an Caprivi, 21.3.1886, ebd., Bl. 78 f., hier Bl. 79; Knorr an Caprivi, 29.3.1886, ebd., Bl. 81 f.; Knorr an Caprivi, 10.4.1886, ebd., Bl. 87 f.; Wietersheim an Caprivi (mit Anlage), 1.4.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 22 ff.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-

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Wie oben bereits erwähnt, hatten diese Besuche in den britischen Kolonien nur einen Zweck gehabt: die deutsche Flagge zu zeigen, um die britischen Kolonialbehörden »an die Machtmittel zu erinnern, welche uns zum Schutze unserer SüdseeInteressen zu Gebote stehen«367. Hier offenbart sich, wie schon bei den Instruktionen für die Interventionen in Kamerun und Ostafrika, erneut die fatale Selbstüberschätzung der militärischen Möglichkeiten des Deutschen Reiches in Übersee, die wenige Jahre später unter der Ägide Wilhelms II. ihre (verbale) Blütezeit erleben und charakteristisch für die deutsche Weltpolitik werden sollte. Offenbar wurde diese Haltung genährt durch Bismarcks diplomatische Achtungserfolge vor allem gegenüber Großbritannien im Rahmen der Kolonialpolitik. Die Basis dieser diplomatischen Erfolge aber war die machtvolle Stellung des Reiches in Europa, das heißt die schlagkräftige preußisch-deutsche Armee; die Flotte war relativ unbedeutend. In diesem Sinne, aber gleichsam überheblich konstatierten die »Hamburger Nachrichten« im März 1886:

»Es wird nicht leicht einer europäischen Macht einfallen, den deutschen Interessen in der Südsee selbst entgegenzutreten: Kriege um diese Gebiete werden immer in Europa selbst ausgefochten werden. Ebensowenig droht den deutschen Interessen von Seiten der australischen Colonien eine Gefahr. Die Feindseligkeiten und Gefahren vielmehr, welche den deutschen Niederlassungen in jenen Gebieten von Zeit zu Zeit drohen und welche eine Entfaltung deutscher Macht zur unerlässlichen Bedingung machen, sind das an Freibeuterthum streifende Verfahren englischer Abenteurer und nicht zu überwachender Handelsagenten und die durch dieselben aufgereizten Eingeborenen selbst368.«

Zwar stand das britische Empire in dieser Zeit unter gehörigem Druck, vor allem in Ägypten, im Sudan und in Zentralasien, aber das änderte nichts daran, dass die Überlegenheit der Royal Navy gegenüber der Kaiserlichen Marine sowohl in Europa als auch in Übersee erdrückend war. Deshalb waren die Kolonialbehörden in Australien und Neuseeland vom Auftritt des Kreuzergeschwaders, das nur aus drei relativ veralteten Kriegsschiffen bestand, nicht sonderlich beeindruckt. Großbritannien verfügte im gesamten australasiatischen Raum über 35 teilweise gepanzerte Kriegsschiffe, das Deutsche Reich hingegen – inklusive dem Kreuzergeschwader – nur über sechs ungepanzerte Kriegsschiffe369. Admiral Knorr war sich der eigenen,

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Boot, S. 95-98; siehe auch: Heusner an Caprivi, 19.7.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 49-55, hier Bl. 54. Als Beleg für die deutschfreundliche Haltung der Neuseeländer übersandte Knorr einen überschwänglichen Willkommens-Artikel von John Bull mit dem Titel »The German Squadron« aus einer lokalen Tageszeitung. Vgl. BArch, RM 1/2732, Bl. 71. H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, BArch, RM 1/2732, Bl. 10 f., hier Bl. 11. Schon einmal, Anfang 1885, war ein allerdings ad hoc gebildetes Geschwader unter dem Kommando von Kommodore Paschen mit einem ähnlichen Auftrag nach Australien geschickt worden. Vgl. Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 309 f.; Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 156; siehe auch Kap. II.1.c. Knorr wurde diese politische Instruktion zusammen mit der Segelordre übermittelt. Vgl. Caprivi an Knorr (Segelordre mit Anlagen), 2.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 9-38, hier Bl. 15. Die Aufgaben der deutschen Flotte in der Südsee. In: Hamburger Nachrichten, 1886, S. 53. Rang- und Quartierliste der Kaiserlich Deutschen Marine, 1886, S. 104 f.; The Naval Annual, 1 (1886), S. 188-194, 423-426. Auch die französischen Seestreitkräfte im australasiatischen Raum, die Division navale de l’Océan Pacifique und die Division navale de l’extrême Orient, waren den Deutschen mit ihren 12 teilweise gepanzerten Kriegsschiffen deutlich überlegen (nicht hinzugerechnet sind hier die fast ausschließlich aus Avisos und Flusskanonenbooten bestehenden Stationsgeschwader der Franzosen in Indochina und ihren Südsee-Kolonien, die insgesamt 60 Fahr-

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schwachen Position, zumindest in der Rückschau bewusst370. Ebenso Unterleutnant Scheer, der in einem seiner Briefe an die Eltern schrieb: »Hier im Ausland könnten wir [in einem Krieg] doch keine befriedigende Thätigkeit finden und womöglich durch überlegene Gegner irgendwo festgesetzt werden. Wir sind zwar immerhin ein ziemlich formidables Geschwader, nur leider ungepanzert371.« In seinen amtlichen Berichten an die Admiralität vermittelte Knorr den Eindruck, dass er seinen politischen Auftrag zufriedenstellend erfüllt hatte372. Offenbar war er davon überzeugt, dass die Lobeshymnen der britischen Kolonialbeamten und eines Großteils der Presse in Australien auf die deutsche Kolonialpolitik ehrlich gemeint waren, was ihn noch gut drei Jahrzehnte später zu dem Seufzer verleitete: »Und dann welcher Wandel in der englischen Sympathie von damals und seinem Verhalten späterhin373!« Bei Reinhard Scheer hinterließen diese »Verbrüderungsabsichten«374 ebenfalls einen nachhaltigen Eindruck und auch er zweifelte nicht an deren Ehrlichkeit: »Zu erklären war das wohl nur damit«, meinte er, »daß Australien selbst noch reiche Entwicklungsmöglichkeit für die geringe Bevölkerungszahl bot, und man sich die besten Plätze schon genügend gesichert hatte375.« Knorr hatte den politischen Auftrag in der Tat erfüllt und die britischen Kolonialbehörden an die Machtmittel erinnert, die dem Deutschen Reich zur Verteidigung der Südsee-Kolonien zur Verfügung standen. Aber die politisch erwünschte Wirkung wurde verfehlt; sie war von Anfang an eine Illusion. Letztlich wurde das Kreuzergeschwader auch deshalb so warmherzig in Australien und Neuseeland empfangen, weil dieser militärisch schwache Verband, der zudem von den Versorgungseinrichtungen in den Häfen der britischen Kolonien abhängig war, keine reelle Gefahr für die britischen Interessen im australasiatischen Raum darstellte. Beeindruckt zeigte sich allerdings der König von Tonga, dem das Geschwader Mitte April einen Besuch abstattete – kurz nach Abschluss des deutsch-britischen Abkommens über die Machtsphären im Westpazifik376. Knorr, der von diesem Abkommen noch keine Kenntnis hatte, versicherte ihm die freundschaftlichen Gefühle Deutschlands für seine Regierung und sein Land und »daß die Unabhängigkeit und das weitere Gedeihen Tongas nach wie vor der deutschen Regierung Interesse in Anspruch nähme«377. Dadurch zerstreute er das kursierende Gerücht, Deutschland wolle das de jure unabhängige, de facto unter britischem Protektorat stehende Königreich annektieren. Um dem britischen Einfluss entgegenzuwirken,

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zeuge zählten). Vgl. Annuaire de la Marine et des Colonies, 1886, S. 781-797; Aldrich, The French Presence in the South Pacific, S. 70 f. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 17 f. In seiner amtlichen Korrespondenz äußerte sich Knorr nicht zu dieser Frage. Scheer, Briefe, 6.4.1886, BArch, MSg 1/2569. Knorr an Caprivi, 3.3.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 1-6; Knorr an Caprivi, 21.3.1886, ebd., Bl. 78 f.; Knorr an Caprivi, 29.3.1886, ebd., Bl. 81 f.; Knorr an Caprivi, 10.4.1886, ebd., Bl. 87 f. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 20. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 98. Ebd. Siehe dazu: Erklärung betreffend die Abgrenzung der deutschen und englischen Machtsphären im Westlichen Stillen Ozean, 6.4.1886, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 46 (1886), Nr. 8834, S. 249 f. Knorr an Caprivi, 28.4.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 90-96, hier Bl. 93.

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behandelte Knorr den König sehr zuvorkommend und gewährte ihm beim Besuch des Flaggschiffes alle Ehren eines Staatsoberhauptes gemäß des Flaggen- und Salutreglements378. Bei der Besatzung kam dies allerdings nicht gut an, denn sie betrachtete diesen König nicht als den europäischen Monarchen ebenbürtig. Scheer etwa empörte sich darüber in einem Brief an seine Eltern, gleichwohl respektierte er die ihm unverständliche Entscheidung des Geschwaderchefs:

»Der König von Tonga, der alte George, hoch in den 80er[n], beehrte uns am Mittwoch Vormittag mit seinem Besuch. Er war schon recht alt und knackstiefelig, sah aber ehrwürdig aus und war anständig angezogen, rother, reich mit Gold gestickter Rock. Er ist Ritter des rothen Adler-Ordens 1. Cl[asse]. Sein Gefolge war weniger würdig, so wie alle Neger in europäischer Kleidung. Sie passen nicht hinein, benehmen sich darin ungeschickt und tölpelhaft und sehen immer schäbig aus. Der King George [Tupou I.] wurde nun so empfangen wie ein regierender Grossherzog, zu meinem unüberwindlichen grossen Ärger. Die Anerkennung und Gleichstellung dieser Neger auf dieselbe Stufe wie unsere, doch hauptsächlich nur eine Folge der Rivalität verschiedener Bewerber um die Gunst, die Furcht des gegenseitigen Vorwegschnappens, ist mir ein Greuel. Ausserdem, vom Standpunkt des gemeinen Mannes, des Matrosen, der, wenn sein Kronprinz an Bord kommt, dieselben Ehrenbezeugungen erweist als dem King George. Doch es ist ja höchsten Ortes so angeordnet. Wo ist da eine vernünftigere Grenze zu ziehen379?«

Bemerkenswert ist noch, dass der Admiral der tongaischen Bevölkerung als weiteres Zeichen der Freundschaft ein Open Ship, das heißt den Besuch der Kriegsschiffe gewährte, wovon »reichlich Gebrauch gemacht wurde«380 – ein für damalige Verhältnisse durchaus ungewöhnlicher Vorgang. Knorr selbst hatte bereits 1876 als Kommandant der Kreuzerkorvette »Hertha« die Südsee und Ostasien bereist, dabei auch das Inselreich Tonga besucht und mit diesem einen ersten Freundschaftsund Handelsvertrag geschlossen; seitdem verfügte das Deutsche Reich dort über das (ungenutzte) Recht, eine Kohlenstation auf der Insel Vavau zu errichten381. Diesmal verließ Knorr Tonga in der festen Überzeugung, »daß der kurze Aufenthalt des Geschwaders den deutschen Interessen, wie denjenigen der Unabhängigkeit Tonga’s[,] nützlich gewesen ist«382, womit nichts anderes gemeint war, als dass er durch sein Auftreten die lokalen Geschäfte deutscher Handelshäuser gefördert und die Option auf eine spätere, formelle Besitzergreifung der Inseln durch das Deutsche Reich erhalten hatte. Das Auswärtige Amt, das keine klaren politischen Instruktionen für den Besuch des Kreuzergeschwaders auf Tonga erteilt hatte, stimmte dieser Einschätzung zu und bat deshalb Caprivi, Knorr für seine »in Tonga beobachtete Haltung«383 zu danken. Doch wie schon bei einer entsprechenden 378 379 380 381

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Siehe dazu: Allerhöchst genehmigtes Flaggen- und Salut-Reglement. Scheer, Briefe, 27.4.1886, BArch, MSg 1/2569. Knorr an Caprivi, 28.4.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 90-96, hier Bl. 95. Siehe dazu: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 3, S. 20-29; Sieg, Die Ära Stosch, S. 324-335; siehe auch das entsprechende Aktenmaterial über die Errichtung und Verwaltung eines Kohlen-Depots auf den Tonga-Inseln: BArch, RM 1/43. Knorr an Caprivi, 28.4.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 90-96, hier Bl. 95. In seinen Memoiren suggeriert Knorr, dass die Unabhängigkeit Tongas nicht im deutschen Interesse gelegen hätte, was die Akten jedoch zweifelsfrei widerlegen. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 23. AA an Caprivi, 21.7.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 86.

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Anfrage Hatzfeldts Anfang 1885 mit Bezug auf die Strafexpedition in Kamerun, verfügte der Chef der Admiralität auch dieses Mal: »Das wird nicht geschehen384.« Verbittert beklagt sich Knorr in seinen Memoiren über diese »schreckliche Randbemerkung«, von der das Auswärtige Amt »natürlich nichts erfahren [habe] und ich erst lange nach Caprivis Tode«385. Caprivi traf diese Entscheidung gemäß einer in der Armee gültigen Tradition, auf die er das Auswärtige Amt bereits Anfang 1885 hingewiesen hatte, nach der »einem Offizier eine amtliche Anerkennung seiner Leistungen nur von seinem Vorgesetzten zutheil werden« dürfe386. Hier wird deutlich, dass die persönliche Abneigung zwischen Knorr und Caprivi durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte387. Ende April lief das Kreuzergeschwader nach Samoa, seit vielen Jahren ein Brennpunkt der deutschen Interessen, vor allem der Handelsinteressen im Südpazifik388, mit dem nicht näher definierten Auftrag, dort die Flagge zu zeigen. Anders als in Tonga waren die politischen Verhältnisse in Samoa unübersichtlich und verworren. Seit Mitte der 1870er Jahre waren die Inseln ein Zankapfel zwischen Großbritannien, dem Deutschen Reich und den USA389. Da der Geschwaderchef auch vom örtlichen deutschen Generalkonsul Otto Stübel keinerlei weitergehende Instruktionen oder Requisitionen erhielt, lagen die Schiffe fast die ganze Zeit untätig im Hafen von Apia. Einzige Ausnahme war ein Abstecher nach Leulumoega, wo Knorr den deutschfreundlichen Vizekönig Tamasese Tupua besuchte, um dessen Stellung zu stärken390. Dem anglo-amerikanophilen König Malietoa Laupepa hingegen stattete Knorr keinen Besuch ab. Als der Monarch sich bei Stübel in »beleidigende[r] Form«391 darüber beschwerte und diesem gleichzeitig mitteilte, 384 385 386

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Randbemerkung Caprivis zu AA an Caprivi, 21.7.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 86 (Hervorhebung im Original). Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 24. Caprivi an Hatzfeldt, 20.2.1885, BArch, R 1001/4206, Bl. 13. Siehe dazu auch Kap. II, Anm. 139. Allerdings wies er das Auswärtige Amt in diesem Fall nicht erneut darauf hin. Vgl. Caprivi an H.v. Bismarck, BArch, RM 1/2732, Bl. 89. Scheer, Briefe, 27.4.1886, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 20-24; AA an Caprivi, 21.7.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 86; Zusammenfassender Bericht des Auswärtigen Amtes über die Tätigkeit des Kreuzergeschwaders auf Tonga, o.D. [21.6.1886], ebd., Bl. 87 f.; Caprivi an AA, 24.6.1886, ebd., Bl. 89; H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, BArch, RM 38/5, Bl. 15; Caprivi an Knorr (Segelordre), 2.1.1886, ebd., Bl. 7 f.; Knorr an Caprivi, 28.4.1886, ebd., Bl. 90-96; Deutscher Flottenbesuch in Tonga. In: Deutsche Kolonialzeitung, 3 (1886), 14, S. 427; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 98 f.; siehe auch: Kennedy, The Samoan Tangle, S. 43-47; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 9, S. 609. Seinerzeit wurde fast der gesamte samoanische Außenhandel von deutschen Firmen kontrolliert. Vgl. Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 90 ff.; Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 398. Siehe dazu die maßgebende Studie: Kennedy, The Samoan Tangle. Infolge dieses Konfliktes unterhielt das Deutsche Reich ab Mitte der 1870er Jahre dauerhaft mindestens ein Kriegsschiff im südlichen Pazifik, dessen »Hauptstation« anfangs Apia, später dann Sydney war. Zitat aus: Werner, Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee, S. 1. Vgl. u.a. Richter, Unsere Marine in der Südsee, S. 80-146. Walter Nuhn behauptet, dass Knorr Tamasese zum Herrscher von Samoa ausgerufen habe. Diese Darstellung ist falsch. Vgl. Nuhn, Kolonialpolitik und Marine, S. 75. Stübel an Bismarck (mit Anlage), 20.5.1886, BArch, R 1001/2878, Bl. 40 f., hier Bl. 41.

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dass er Samoa unter amerikanische Schutzherrschaft zu stellen beabsichtige392, versuchte Knorr, den Generalkonsul zu einer Politik der harten Hand zu bewegen und regte an, das Kreuzergeschwader offensiv für die deutschen Interessen einzusetzen. Aber Stübel lehnte eine militärische Intervention ab, was nach Knorrs Einschätzung »nichts weniger als von günstigem Einfluß für die deutschen Interessen gewesen ist«393. Am 15. Mai ließ der Geschwaderchef schließlich frustriert »unter dem Eindruck einer unvollendeten Aufgabe«394 die Segel setzen und Kurs auf das nächste Reiseziel nehmen: die Marshall-Inseln. Kurz nachdem das Geschwader Apia verlassen hatte, rief der amerikanische Konsul eigenmächtig das Protektorat seiner Regierung über Samoa aus. Zwar widerrief US-Außenminister Thomas Bayard diese Besitzergreifung unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden, aber es war unverkennbar, dass die deutsche Position durch das passive Verhalten der Kriegsschiffe erheblich beschädigt worden war. Stübel meldete zudem nach Berlin, dass die Gefahr eines Bürgerkrieges bestehe. Herbert von Bismarck wies deshalb umgehend die Marineführung an, ein Schiff des Kreuzergeschwaders nach Apia zu detachieren. Weil es der Admiralität aber nicht gelang, rechtzeitig einen Kontakt zum Kreuzergeschwader und den Stationären »Adler« und »Albatroß« herzustellen, konnte erst im Spätsommer desselben Jahres mit der »Albatroß« wieder ein Kriegsschiff zur Sicherung der deutschen Interessen in Samoa bereitgestellt werden395. Gegenüber Großbritannien wollte sich die Reichsleitung diese Blöße nicht geben, deshalb pokerte sie: Hatzfeldt, seit Kurzem Botschafter in London, wurde angewiesen, Lord Rosebery nachdrücklich zu ersuchen, einem gerade in Samoa befindlichen britischen Kriegsschiff den Befehl zu erteilen, wenn nötig die deutschen Ansiedler und ihr Eigentum zu schützen, »damit wir nicht genöthigt sind, unser im Bismarck-Archipel befindliches Geschwader nach Samoa zurückzubeordern, weil alsdann die Komplication der Verhältnisse sich nur vergrößern könnte«396. Weil die britische Regierung auf deutsche Unterstützung vor allem in der ägyptischen Frage angewiesen war, wurde der entsprechende Befehl rasch erteilt. Zum befürchteten Bürgerkrieg kam es indes nicht, so dass die Samoa-Frage vorerst wieder auf diplomatischem Parkett verhandelt werden konnte397. 392

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Malietoa war 1881 mit Hilfe der USA auf den samoanischen Thron gelangt. Sein Gegner Tamasese, den die Deutschen bevorzugten, war im Zuge dessen als Vize-König eingesetzt worden. Vgl. Kennedy, The Samoan Tangle, S. 25; siehe auch: Notiz betreffend das Königthum in Samoa, 24.4.1886, BArch, R 1001/3013, Bl. 29 f. Knorr an Caprivi, 14.5.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 91-101, hier Bl. 99. Das Auswärtige Amt schwieg sich zu dieser Kritik gegenüber der Admiralität aus. Vgl. AA an Caprivi, 21.7.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 138. Knorr an Caprivi, 14.5.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 91-101, hier Bl. 99. Zu dieser Zeit verfügten im südpazifischen Raum nur die australischen Kolonien über eine Anbindung an das (britische) Telegrafennetz. Von dort aus mussten Depeschen per Schiff in die Südsee weiterbefördert werden, so dass es manchmal mehrere Wochen dauerte, bis die Nachrichten übermittelt waren. AA an Hatzfeldt, 2.6.1886, BArch, R 1001/3013, Bl. 75-78, hier Bl. 78. Scheer, Briefe, 13.5.1886, 14.5.1886 und 21.6.1886, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 24-30; Stübel an AA, 29.5.1886, BArch, R 1001/2642, Bl. 33; AA an Kusserow, 15.7.1886, ebd., Bl. 62; Stübel an Bismarck (mit Anlage), 20.5.1886, BArch, R 1001/2878, Bl. 40-44; Caprivi an H.v. Bismarck, 18.6.1886, BArch, R 1001/7125,

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Unterdessen erreichte das Kreuzergeschwader Ende Mai die Hauptinsel der Marshall-Gruppe, Jaluit, wo die Marine seit 1878 über ein Depot für Proviant und Kohlen verfügte. Beim ersten Anblick der kargen Korallenatolle hatte ein Großteil der Besatzungen nur ein Gefühl: »Was für eine klägliche Kolonie398!« Auch dort verweilte das Geschwader gemäß der Segelordre nur für kurze Zeit. Auf Requisition des deutschen Konsularverwesers am Ort399 und in Absprache mit dem Vizekonsul in Apia, Wilhelm Knappe400, regelte Knorr einige zivile Strafsachen, vor allem Diebstähle. Während er mit dem Flaggschiff die indigenen Stämme auf den betreffenden Atollen aufsuchte, verblieben die »Olga« und die »Gneisenau« unter dem Kommando von Kapitän zur See Viktor Valois in der Lagune von Jaluit. Am 30. Mai ging das Geschwader für einen Tag geschlossen nach der kleinen Inselgruppe Namorik, wo Knorr den »widerspenstigen« lokalen Häuptling durch eine Flottendemonstration einschüchterte. Zudem ließ er die Kriegsflagge hissen und eine Schutztafel aufstellen, »deren Wirkung sich vornehmlich gegen die hier ansässige amerikanische Firma und die Missionare richten soll«401. Auch in Namorik regelte Knorr einige Strafangelegenheiten. Besonders die öffentliche Auspeitschung eines Räubers machte »sichtlich einen tiefen Eindruck auf die Bevölkerung«402. Um aber »nicht nur den Eindruck des strafenden Gewalthebers zu hinterlassen«, ließ er die eingesammelten Strafgelder in einer besonderen Kasse

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Bl. 111; Stübel an AA, 11.5.1886, BArch, R 1001/3013, Bl. 69; Notiz des Auswärtigen Amtes betreffend Samoa, 31.5.1886, ebd., Bl. 72 ff.; AA an Hatzfeldt, 2.6.1886, ebd., Bl. 75-78; Deutsche Botschaft in Washington an AA, 2.6.1886, ebd., Bl. 82; Hatzfeldt an AA, 4./5.6.1886, ebd., Bl. 99, 108; AA an Caprivi, 16.6., 19.6., 25.6., 28.6.1886, BArch, RM 1/2431, Bl 103 f., 106-109, 112, 114 f.; Caprivi an H.v. Bismarck, 17.6., 22.6., 27.6.1886, ebd., Bl. 105, 110 f., 113; Caprivi an Wietersheim (Abänderung der Segelordre für »Adler«), 30.6.1886, ebd., Bl. 116 ff.; Caprivi an Baudissin (Segelordre für »Albatroß«), 30.6.1886, ebd., Bl. 119 f.; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 14.5.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 91-135; Caprivi an Knorr (Segelordre), 2.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 7 f.; H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, ebd., Bl. 15; H.v. Bismarck an Knorr, 17.11.1886, ebd., Bl. 16; Knorr an Caprivi, 8.5.1886, ebd., Bl. 105; Kennedy, The Samoan Tangle, S. 55 f.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 99 ff.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 10, S. 675-678. Scheer, Briefe, 21.6.1886, BArch, MSg 1/2569. In seinem Bericht an die Admiralität kritisierte Knorr sehr ausführlich, dass nicht eindeutig geregelt sei, welche Stellung ein Konsularverweser gegenüber den Kommandanten von Kriegsschiffen einnähme und besonders, wieviel Schuss Salut diesem zuständen. Anders als in vielen anderen Fällen wurde zu dieser Problematik keine eigene Marineverordnung erlassen. Vgl. Knorr an Caprivi, 12.6.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 126-135, hier Bl. 130 f. Das Rangverhältnis des Kaiserlichen Kommissars für die Marshallinseln wurde erst Ende April 1888 festgelegt und dieser für die Dauer seiner Amtszeit innerhalb des Schutzgebietes den Generalkonsuln gleichgestellt. Vgl. Marineverordnungsblatt, 19 (1888), 9, Verordnung Nr. 74, S. 76. Knappe hatte sich in Apia an Bord der »Bismarck« eingeschifft und sollte im Auftrag des Auswärtigen Amtes einen Verwaltungsplan für die Marshall-Inseln erstellen. Wenige Monate später wurde er zum ersten Verwaltungschef der Inselgruppe ernannt. Vgl. Hardach, Die deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 509; Treue, Die Jaluit-Gesellschaft, S. 40-47, 53 ff.; siehe auch: Knappe an Bismarck (mit Anlagen), 16.6.1886, BArch, R 1001/2954, Bl. 22-35; H.v. Bismarck an Caprivi, 9.9.1886, BArch, RM 1/2626 (ohne Paginierung). Knorr an Caprivi, 12.6.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 126-135, hier Bl. 131. Ebd., Bl. 133.

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anlegen, mit der Auflage, sie nicht für die aufzubauende Kolonialverwaltung, sondern »zum Besten« für die Bewohner der Marshall-Inseln zu verwenden403. Bei der Rückkehr nach Jaluit fällte Knorr dort noch ein letztes, sehr umstrittenes Urteil: Für den 7. Juni ordnete er die Hinrichtung eines Halb-Filipinos von der Besatzung eines deutschen Handelsschiffes an, der wenige Wochen zuvor einen britischen Kaufmann erstochen hatte und seitdem inhaftiert war. Knorr besaß weder eine legale Grundlage für diese Exekution404 noch die entsprechenden Befugnisse, hielt es aber für notwendig, den Mord zu bestrafen zwecks Aufrechterhaltung der deutschen Autorität405. Vollstreckt wurde sein Urteil – Tod durch den Strang – aber nicht durch deutsche Marinesoldaten oder Vertreter der deutschen Firmen, sondern durch Einheimische. Auch in diesem prekären Fall, bei dem es sich juristisch betrachtet um einen Mord handelte, wurde Knorrs eigenmächtiges Vorgehen von der Reichsleitung nachträglich gebilligt406. Knorr selbst äußerte sich rückblickend überrascht darüber: »Mein Verhalten brachte mir auch weiterhin keine Anfechtung; obwohl, wie mir später bekannt wurde, es an lebhaften Auseinandersetzungen zwischen den Behörden in der Heimat nicht gefehlt haben soll407.« Als der Geschwaderchef auf dem Transit von Jaluit nach dem Bismarck-Archipel seinen obligatorischen Bericht für die Admiralität verfasste, kritisierte er darin die unzureichenden Handlungsanweisungen für die Kommandanten der Kriegsschiffe in den Kolonien. Caprivi entgegnete, dass die Verhältnisse »vielfach, namentlich in der Südsee, noch unfertig« seien, deshalb hätten die Geschwaderchefs und Kommandanten »in jedem einzelnen Fall selbstständig zu befinden«408, solange es noch keine bindenden Gesetze und Vorschriften gab409. Knorr äußerte sich auch kritisch über die Nachhaltigkeit seiner Aktionen, weil das Kreuzergeschwader befehlsgemäß nur kurz auf den Marshall-Inseln hatte verweilen können, und empfahl deshalb der Admiralität, dort dauerhaft ein Kriegsschiff zu stationieren410. Aber dieser 403 404

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Zitate aus: Ebd. (Hervorhebung im Original). Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Anordnung über die Jurisdiktion in der jungen mikronesischen Kolonie ergangen. Vgl. ebd., Bl. 133 f.; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 31 f. Die Prozessunterlagen sind gesammelt archiviert in: BArch, RM 1/2732, Bl. 192-211. Caprivi an Knorr, 15.10.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 213. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 32. Zitate aus: Caprivi an Knorr, 15.10.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 213. Die Rechtsverhältnisse auf den Marshall-, Brown- und Providence-Inseln sowie im Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie wurden schließlich bis Ende 1886 formal geregelt. Vgl. Marineverordnungsblatt, 17 (1886), 12, Verordnung Nr. 118, S. 135 f., 19, Verordnung Nr. 184, S. 205 f., 24, Verordnung Nr. 234, S. 293-296; siehe auch: Ebd., 20, Verordnung Nr. 191, S. 213-220. Im Laufe des Jahres 1887 wurden noch ergänzende Instruktionen erlassen, die den Verkehr zwischen den Schiffskommandanten und dem Landeshauptmann im Schutzgebiet der Neu-GuineaKompagnie regelten. Vgl. Marineverordnungsblatt, 18 (1887), 10, Verordnung Nr. 115, S. 103 f.; Verordnungsblatt für das Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie, 2 (1887), 4, S. 19 f. Scheer, Briefe, 21.6.1886, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 30-34; Caprivi an Knorr (Segelordre), 2.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 7 f.; Knappe an Knorr, 29.5.1886, ebd., Bl. 125; Knorr an Caprivi, 12.6.1886, ebd., Bl. 126-135; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 110 f.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 101 f.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 10, S. 678 f., 11, S. 751 f.

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Vorschlag fand bei Caprivi kein Gehör, die Australische Station blieb auch weiterhin nur mit zwei Kriegsschiffen besetzt411. Nächster Anlaufpunkt des Geschwaders war der Bismarck-Archipel, wo die Schiffe am 15. Juni bei Matupi vor Anker gingen. Der Historiker Alexander Krug vermutet, dass das Kreuzergeschwader erst im Zuge einer erfolglosen, aber blutigen Strafexpedition des Stationärs »Albatroß« gegen die Tolai im März 1886 dorthin geschickt worden sei412. In den Akten befindet sich jedoch kein entsprechender Befehl, zudem ist dieses Reiseziel bereits in der Segelordre vom 2. Januar enthalten413. Auch war Knorr das Debakel des »Albatroß« keineswegs »bestens bekannt«414, wie Krug behauptet. Zwar wusste er aus dem »bezüglichen, sehr unklar gehaltenen Berichte«415 des betreffenden Kommandanten, Kapitän zur See Friedrich Graf von Baudissin, den dieser ihm im April von Sydney nach Apia geschickt hatte416, dass die Strafexpedition ungünstig verlaufen war, aber ein umfassendes Bild der Lage erhielt Knorr erst durch den Bericht des örtlichen Kaiserlichen Kommissars, Gustav von Oertzen, der das Kreuzergeschwader bereits sehnsüchtig erwartet hatte417. Oertzen berichtete dem Geschwaderchef, dass »namentlich in 411

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Seit dem Abgang der »Marie« im November 1885 war die australische Station nur mit dem Kreuzer »Albatroß« besetzt. Erst im Sommer 1886 traf der Kreuzer »Adler« als neuer zweiter Stationär in Sydney ein, was Knorr bereits in der Segelordre Anfang Januar mitgeteilt worden war. Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 110. Aufgrund dieser falschen Annahme kommt Krug zu falschen Schlussfolgerungen: Auf die richtige Feststellung, dass die Reichsleitung die Nachricht von der blutigen, aber erfolglosen Strafexpedition Baudissins unterdrücken wollte, um bei den anderen Nationen und in der deutschen Öffentlichkeit nicht den Eindruck eines »Kugelschleuderers« (Bismarck) zu erwecken, folgt wenig später die falsche Behauptung, dass die Reichsleitung in ihrer diesbezüglichen Haltung umgeschwenkt sei, weil sie das Kreuzergeschwader im Zuge der vorgenannten, erfolglosen Strafexpedition nach Matupi in Marsch gesetzt habe. Vgl. Caprivi an H.v. Bismarck, 17.6.1886, BArch, RM 1/2431, Bl. 105; Knorr an Caprivi, 21.6.1886, ebd., Bl. 143 ff.; Caprivi an Knorr (Segelordre), 2.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 7 f., hier Bl. 7; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 108 ff. Zur Strafexpedition des »Albatroß« auf der Gazelle-Halbinsel und dessen weiteren Strafexpeditionen im Bismarck-Archipel im Februar und März 1886 siehe: Bericht von Kapitänleutnant Baudissin, 27.3.1886, BArch, RM 1/2625, Bl. 179-215; Oertzen an Bismarck (mit Anlagen), 25.3.1886, BArch, R 1001/2976, Bl. 20-49; Koenneritz: S.M. Kreuzer »Albatroß« in der Südsee. In: Deutsche Kolonialzeitung, 3 (1886), 12, S. 365 f.; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 106-110. Caprivi an Knorr (Segelordre), 2.1.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 7 f., hier Bl. 7; siehe dazu auch: Promemoria des AA über die Kämpfe S.M. Kreuzer »Albatroß« mit den Eingeborenen im Bismarck-Archipel, BArch, R 1001/2976, Bl. 55-58, hier Bl. 58. Die Admiralität informierte Knorr lediglich telegrafisch darüber, dass der »Albatroß« Gefechte im Bismarck-Archipel gehabt hatte. Vgl. Baudissin an Caprivi, 11.4.1886, BArch, RM 1/2431, Bl. 95; Caprivi an Baudissin, 14.4.1886, ebd., Bl. 97 f.; Caprivi an Knorr, 17.4.1886, ebd., Bl. 99; Konsulat in Auckland an Knorr, 19.4.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 97. Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 111. Knorr an Caprivi, 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 143 ff., hier Bl. 143. In der Tat war Baudissins Bericht über die Strafexpedition vom 21. bis 24. März sehr kurz gehalten und wenig informativ. In seinem 74-seitigen Bericht an die Admiralität über die im Februar und März im Bismarck-Archipel durchgeführten Militäraktionen handelte er sie auf gerade einmal zwei Seiten ab. Vgl. Bericht von Kapitänleutnant Baudissin über die Thätigkeit im Bismarck-Archipel in Erledigung von Requisitionen ausgeführter Landungen, Kämpfe und Gefechte, 27.3.1886, BArch, RM 1/2625, Bl. 179-215, hier Bl. 214; siehe auch: Baudissin an Knorr, 20.4.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 98 ff. Baudissin an Caprivi, 3.5.1886, BArch, RM 1/2625, Bl. 242-247, hier Bl. 246 f. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 38.

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den Augen der Einheimischen das Ansehen und die Furcht vor unseren Waffen Schaden gelitten haben«418 aufgrund des »schwächlich und unvollkommen ausgeführten Strafzug[s] [der] S.M.S. Albatroß«419, infolgedessen die Tolai »besonders frech geworden seien«420. So hätten etwa die Bewohner von Kabaira ein dortiges Koprahaus der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft »ohne ersichtlichen Grund«421 niedergebrannt, wodurch der Handel zwischen Europäern und Einheimischen in jener Gegend fast zum Erliegen gekommen sei. Auch würden sich die weißen Ansiedler in der Region ihres Lebens nicht mehr sicher fühlen. Deshalb forderte Oertzen, dass die Eingeborenen »strenge bestraft, ihr Widerstand gebrochen und für die Zukunft unmöglich gemacht wird«422. Endgültig Makulatur waren damit die angestrebten Ziele der Neu-Guinea-Kompagnie, »die friedliche Inbesitznahme des Landes und die Gewinnung der Einheimischen lediglich durch friedliche Mittel« zu erreichen und die Eingeborenen »friedlich der menschlichen Kultur zu gewinnen, nicht sie zu unterdrücken, zu berauben oder gar zu vertilgen«423. Knorr hatte Zweifel am Erfolg einer erneuten Strafexpedition, denn er glaubte, dass die Eingeborenen beim Anblick der Kriegsschiffe sofort ins Landesinnere flüchten würden. Dennoch entschied er sich kurz darauf zu einem Angriff auf die Tolai »im Interesse der nothwendigen Einflößung der Achtung vor den Kaiserlichen Streitmitteln«424. Primär also ging es darum, die Ehre der Kaiserlichen Marine im Bismarck-Archipel wiederherzustellen. Gleichzeitig jedoch wollte Knorr an den Tolai auch ein Exempel statuieren, damit zukünftig weder sie noch andere Völker in der jungen Kolonie es wagten, das Gewaltmonopol des Deutschen Reiches erneut anzufechten. Am 17. Juni 1886 erteilte er deshalb dem Kommandeur des Landungskorps, Kapitän zur See Franz Kuhn, den ersten Massaker-Befehl425 der deutschen Kolonialgeschichte: »Ihre Aufgaben sind: 1. Wenn irgend möglich der Häuptlinge Tovering und Tonglonglong habhaft zu werden. 2. Die erwachsenen Männer ihrer Stämme bezw. Dörfer möglichst am Leben zu strafen. 3. Die Leute an ihrem Eigenthum zu schädigen.

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Knorr an Baudissin, 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 151 f., hier Bl. 151. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 38. Ebd. Oertzen an Knorr, 15.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 147 f., hier Bl. 147. Ebd. Instruction für den Landeshauptmann, §§ 6, 8, S. 7, 9 (enthalten in: BArch, R 1001/2408, Bl. 37). Knorr an Oertzen, 16.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 149 f. Allerdings war dies nicht der erste Massaker-Befehl, der jemals von einem Offizier der Kaiserlichen Marine erteilt wurde. Dessen Urheber war vermutlich Kapitänleutnant Wilhelm Geiseler, der am 8.3.1884 als Kommandant des Kanonenbootes »Hyäne« bei einer Strafexpedition auf der neuguineischen Insel New Ireland befohlen hatte: »Männliche Bewohner sind niederzumachen, außer wenn sich einzelne unbedingt ergeben; dieselben müssen dann gebunden nach den Booten geschafft werden [...] Der Hauptzweck muss hier auf Tödtung von Kanaken in möglichst großer Zahl gelegt werden«. Zitat aus: Geiseler an Caprivi, 15.3.1884, zit. nach: Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 46 f. Zur besonderen Funktion des Massakers als (systematisches) »Pazifizierungsmittel« zur Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols in Kolonialgebieten siehe: Trotha, Koloniale Herrschaft, S. 37-44.

16.30 Uhr Einschiffung des Landungskorps

SMS Bismarck

Quelle: Parkinson, Im Bismarck-Archipel.

WeberhafenBucht

SMS Olga

Kap Luen

4.00 Uhr Beginn der Expedition

5.50 Uhr

7.35 Uhr

6.20 Uhr Verlassene Hütten werden niedergebrannt

Landungskorps marschiert auf der Suche nach einem Pfad am Strand entlang

Dichter Urwald verhindert ein Vordringen landeinwärts

Gazelle-Halbinsel

Rast 15.15 - 15.30 Uhr 0

1

Rast 13.15 - 14.30 Uhr

2

Rast 8.40 - 10.00 Uhr dabei wird das verlassene Dorf niedergebrannt 8.15 Uhr Verlassene Hütten werden niedergebrannt

Luen-Bucht

3

4

Verlassene Hütten werden niedergebrannt

5 km

06681-05

© MGFA

unter 100 m 100 m 200 m 300 m 400 m

Höhenlinien

Geplanter Weg des Gneisenau-Landungskorps (nach Niederbrennen mehrerer verlassener Hütten ebenfalls erfolglos zurückgekehrt)

Tortili-Bucht

SMS Gneisenau

Rast 10.50 - 11.50 Uhr

Strafexpedition gegen die Tolai auf der Gazelle-Halbinsel im Juni 1886

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Hier ist in erster Linie die Erbeutung von Muschelgeld – Deworra – ins Auge zu fassen426; das Aufbrennen der Hütten würde als eine wenig eindrucksvolle Strafe, erst zuletzt und nur dann zu geschehen haben, wenn das werthvollere Objekt in nicht genügendem Maße – 500 Laden [Muschelgeld] müßten als die niedrigste Grenze hierfür angesetzt werden – erbeutet worden ist. Erst auf ausdrücklichen Befehl Eurer Hochwohlgebohren darf also zu dieser Maßregel geschritten werden. Der Maßstab für die Wichtigkeit der bezüglichen Ziele ist durch die vorstehende Reihenfolge gegeben. In dem Maße, als die vorher hingestellte Aufgabe erfüllt wird, verliert die nachfolgende an Bedeutung und umgekehrt427.«

Der Angriff auf die Dörfer der Tolai sollte von zwei Seiten aus erfolgen und deren (männliche) Bewohner durch eine große Umfassungsoperation zunächst eingekreist, dann niedergemetzelt werden. Nachdem in Matupi mehrere einheimische Träger für die Strafexpedition angeheuert worden waren, ging das Kreuzergeschwader geschlossen an die Nordküste Neu-Pommerns. Am Vorabend der Militäraktion holten Knorr und Kuhn einige indigene Führer für die Landungsabteilungen in der Tortili-Bucht ab, die ihnen ein dort wohnender britischer Missionar vermittelt hatte428. Im Morgengrauen des 19. Juni landeten schließlich 546 voll ausgerüstete Marinesoldaten, aufgeteilt in zwei Abteilungen unter Führung von Kapitän zur See Franz Kuhn und Kapitänleutnant Kurt von Prittwitz und Gaffron429, bei Weberhafen (Port Weber) und in der Tortili-Bucht. Der Landeplatz bei Weberhafen war schlecht gewählt worden, denn die Soldaten unter Kuhns Führung mussten noch etwa eine Stunde am Strand entlang marschieren, bevor sie einen Pfad ins Landesinnere fanden. Dort verliefen sie sich mehrere Male und bekamen nur vereinzelt Eingeborene zu sehen, bevor sie den Zielort, das Dorf Tovering, erreichten. Insgesamt zwölf Stunden dauerte dieser »bewaffnete Spaziergang«430 durch die unwegsame, hügelige Dschungellandschaft, ohne dass es dabei zu einer ernsthaften Konfrontation mit dem Gegner kam. Wertgegenstände konnten nicht erbeutet werden, deshalb brannten die Truppen unterwegs jedes Dorf und jedes Gehöft der Eingeborenen nieder, an dem sie vorüberzogen. Prittwitz’ Zug kam zwar besser voran, fand vor allem schneller einen Weg ins Landesinnere und zum Zielort Tovering, konnte im Ergebnis aber auch nicht mehr vorweisen als insgesamt 49 wirkungslos abgefeuerte Gewehrkugeln, ein gutes Dutzend nie-

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Deworra bestand aus kleinen, durchlöcherten, auf dünnen Bambusstöcken aufgezogenen Kaurimuscheln, deren Wert sich auf etwa 25 Pfennige pro Meter bezifferte. Vgl. Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 121. Zum Muschelgeld der Tolai allgemein siehe neuerdings: Solyga, Tabu – das Muschelgeld der Tolai. Knorr an Kuhn, 17.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 155 ff., hier Bl. 155. Knorr an Caprivi, 15.7.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 183 f., hier Bl. 183. Kuhn, der bereits 1881 eine Strafexpedition auf der neuguineischen Insel New Ireland geleitet hatte, war Kommandant des Flaggschiffes und kommandierte die vereinigten Landungsabteilungen von der »Bismarck« und der »Olga«. Prittwitz war der Erste Offizier der »Gneisenau« und führte deren Landungsabteilung. So bezeichnete Knorr die Strafexpedition sowohl in seinem Bericht an die Admiralität als auch in seinen Memoiren. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 41; Knorr an Caprivi, 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 143 ff., hier Bl. 144.

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dergebrannter Dörfer und Hunderte niedergehauener Kokospalmen und Bananenstauden431. Somit endete die bis dahin größte deutsche Strafexpedition in der Südsee mit einem Fiasko, wie es die Briten schon des Öfteren erlebt hatten432. Ohnmächtig stand das modern ausgerüstete Landungskorps einem militärisch weit unterlegenen Gegner gegenüber, der sich, taktisch klug, nicht in einen aussichtslosen offenen Kampf begab, sondern geordnet zurückwich, dabei geschickt die Möglichkeiten des Geländes ausnutzte, um der Umklammerung durch die Truppen zu entgehen, und so den deutschen Soldaten klar die Grenzen ihrer Machtentfaltung aufzeigte. Knorr, der gemeinsam mit Vizekonsul Knappe die Abteilung von Kuhn begleitet hatte433, schäumte vor Wut. Aus seiner Sicht hatte Kuhn als Kommandeur des Landungskorps versagt. In seinen Memoiren warf ihm Knorr vor, dass die Ausführung der Strafexpedition unter Kuhns Zuckerkrankheit gelitten habe und deshalb nicht erfolgreich verlaufen sei. Allerdings ist davon in seinem offiziellen Bericht an die Admiralität nichts zu lesen. Darin versuchte er vielmehr, von dem Misserfolg abzulenken, indem er schwere Vorwürfe gegen Baudissin erhob: »Daß eine Machtentfaltung in so großem Umfange aus Anlaß so geringfügiger Ursachen sich überhaupt als erforderlich erwies, ist ein Fehler, den ich dem nicht genügend durchdachten Vorgehen des Kommandanten S.M.S. Albatroß zur Last legen muß434.« Er selbst hingegen habe sein Vorgehen sehr wohl gründlich durchdacht: Niemals hätte er Oertzens Requisition ohne die Erwägung angenommen, »daß schon der Durchzug einer so großen Zahl von Weißen allein« durch das Gebiet der Tolai »und die Zerstörung gerade ihrer Wohnsitze, bei Schonung aller sonstigen Dorfschaften, Plantagen und Eigenthums, dem geschädigten Ansehen der deutschen Waffen sowohl, wie den hiesigen deutschen Interessen zum Vortheil gereichen und einen guten moralischen Eindruck hinterlassen würde«435. Er hoffe, dass »wie die gemachten Erfahrungen die Richtigkeit der erhobenen Bedenken [der Gegner würde sich beim Anmarsch des Landungskorps zurückziehen – H.H.] bestätigt haben, so auch der Eindruck dieses militärischen Spazierganges bei geschickter Verwerthung zur Anbahnung besserer Verhältnisse mit den Eingeborenen beitragen wird«436. Was Knorr damit meinte, machte er gegenüber Oertzen deutlich: Künftige Strafexpeditionen müssten strengster Geheimhaltung unterliegen, vor Ort besser vorbereitet und mit Hilfe ortskundiger Weißer durchgeführt 431

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Scheer, Briefe, 21.6.1886, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 36-41; Oertzen an Bismarck, 21.6.1886, BArch, R 1001/2976, Bl. 75 ff.; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 143-176; Prittwitz an Knorr, 21.6.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 171 f.; Knorr an Caprivi, 15.7.1886, ebd., Bl. 183 f.; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 109-113; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 102 ff.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 11, S. 752 ff. Englische Strafakte in der Südsee. In: Deutsche Kolonialzeitung, 3 (1886), 7, S. 197. Zu brit. Marineeinsätzen in der Südsee allgemein siehe: Bach, The Australia Station; Samson, Imperial Benevolence. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 41. Knorr an Caprivi, 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 143 ff., hier Bl. 144; siehe dazu auch: Knorr an Baudissin, 21.6.1886, ebd., Bl. 151 f. Zitate aus: Knorr an Caprivi, 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 143 ff., hier Bl. 144. Zitate aus: ebd.

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werden. Nur so könne der entscheidende Überraschungseffekt erzielt werden. Oertzen, der selbst sachlich-nüchtern vom erneuten Misserfolg der Marine nach Berlin berichtet hatte, entgegnete darauf, dass Geheimhaltung nach der Ankunft von Kriegsschiffen unmöglich sei, weil sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer verbreiten würde. Gute Führer zu bekommen sei ein grundsätzliches Problem, dem kaum beizukommen sei, »da Konflikte mit Eingeborenen gerade dort vorzukommen pflegen, wo die Civilisation sich neuen, noch unbekannten und unerforschten Gebieten nähert«437. Letztlich könnten die Eingeborenen nur durch einen nächtlichen Überfall oder, falls dieser misslänge, durch eine dauerhaft angelegte Strafexpedition über mehrere Wochen oder Monate unterworfen werden438. Krugs These, Knorr und Oertzen hätten beide ihre Verantwortung für das militärische und politische Debakel auf der Gazelle-Halbinsel nur im Hinblick auf die Darstellung in der deutschen Öffentlichkeit bagatellisiert, greift zu kurz439. Vielmehr plagte beide die Sorge, für das Fiasko von Tovering verantwortlich gemacht und ihres Postens enthoben zu werden, was jedoch in beiden Fällen nicht geschah440. In der deutschen Öffentlichkeit wurde der Einsatz – ganz im Sinne Knorrs – als erfolgreiche Machtdemonstration der Marine dargestellt441. So konstatierte etwa der offiziöse Deutsche Geschichtskalender: »Das Erscheinen der Schiffe hat bereits die Wirkung, daß jeder Widerstand von den Eingeborenen aufgegeben wird442.« Tatsächlich aber hatte die Show of Force des Landungskorps den Widerstand der Tolai nicht brechen können. Für solche Zwecke waren derartige Machtdemonstrationen oder begrenzte Strafexpeditionen in der Südsee generell ungeeignet, wie Jane Samson am britischen Beispiel überzeugend nachgewiesen hat, denn »islanders might acknowledge a warship’s destructive potential, but they did not necessarily consider themselves either educated or defeated by it«443. Oertzen sollte mit seiner Prognose Recht behalten: Erst durch einen sechsmonatigen begrenzten Pazifizierungskrieg, den sogenannten Kugelzauberkrieg von 1893, gelang es den Kolonialherren, die rebellischen Tolai endgültig zu unterwerfen444. Die Gesamtbilanz der ersten Südsee-Reise des Kreuzergeschwaders war alles andere als zufriedenstellend. Zwar gab es in der Südsee, anders als etwa in Kame437 438

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Oertzen an AA, 15.7.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 138 f., hier Bl. 139. Ebd., Bl. 138 f.; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 40 f.; Oertzen an Bismarck, 21.6.1886, BArch, R 1001/2976, Bl. 75 ff.; Knorr an Caprivi, 21.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 143 ff.; Knorr an Oertzen, 1.7.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 203 f.; Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 113. Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 113. Zu Oertzen siehe: Biographisches Handbuch Deutsch Neuguinea, S. 341 f.; siehe auch: Aktennotizen des Auswärtigen Amtes vom 18.8., 21.8. und 28.8.1886, BArch, R 1001/2408, Bl. 63 f.; H.v. Bismarck an Oertzen, 22.9.1886, BArch, R 1001/2976, Bl. 146. Siehe dazu exemplarisch den entsprechenden Bericht in der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung: Aus Neu-Pommern (Polynesien). In: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 1886, S. 413. Wippermanns Deutscher Geschichtskalender für 1886, S. 282. Samson, Imperial Benevolence, S. 131. Krug, »Der Hauptzweck ist die Tötung von Kanaken«, S. 114-128. In den darauffolgenden Jahren kam es dennoch immer wieder zu Überfällen auf europäische Ansiedler und auch zu weiteren Strafexpeditionen. Vgl. ebd., S. 129-133, 261-272, 435-444.

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run, keine Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Kohlen und Proviant, weil die Schiffe auf zahlreiche entsprechende Depots zurückgreifen konnten, doch abgesehen von dem erfolgreichen Auftritt in Tonga, welcher der deutschen Politik gewisse Spielräume offenhielt, hatte das Geschwader seine politischen und militärischen Aufträge nur unzureichend erfüllen können. Dafür gab es mehrere Gründe: (1) Die Segelordre und die politischen Instruktionen waren unpräzise formuliert und konnten aus technischen oder politischen Gründen unterwegs nicht weiter konkretisiert werden, was sich insbesondere in Samoa sehr negativ für die deutschen Interessen auswirkte. (2) Die Stationsakten der Australischen Station waren nicht in allen Standorten, die das Kreuzergeschwader anlief, lückenlos vorhanden, wodurch Knorr teilweise ein nur unvollständiges Bild von der Lage im jeweiligen Einsatzgebiet erhielt445. (3) Außerdem war die angesetzte Verweildauer in den Zielgebieten viel zu kurz, um eine nachhaltige Wirkung entfalten zu können, was Knorr, wie oben angeführt, sowohl in seinen Berichten an die Admiralität als auch in seinen Memoiren kritisierte. (4) Offenbar beflügelt von seinen erfolgreichen Interventionen in Kamerun und Ostafrika, überschätzte der Geschwaderchef das militärische und politische Potenzial seiner Kriegsschiffe und Landungstruppen, was er in den britischen Kolonien und auf der Gazelle-Halbinsel in ganz unterschiedlicher Weise zu spüren bekam. c) Im Einsatz für den deutschen Waffenhandel mit China

Am 23. Juni verließ das Kreuzergeschwader Matupi und brachte den Vizekonsul Knappe nach Finschafen, von wo aus dieser zurück nach Apia reiste446. Während die »Olga« und »Bismarck«, die noch einmal nach Matupi zurückkehrten, um Kohlen zu bunkern, einige Tage später Kurs auf Hongkong nahmen, wurde die »Gneisenau« aus dem Geschwaderverband entlassen und trat die Heimreise an. Unterwegs holte sie auf der Insel Yap die zehn Monate zuvor vom Kanonenboot »Iltis« zurückgelassenen deutschen Hoheitszeichen wieder ein. Kapitän zur See Valois fiel es schwer, »in den kläglichen Überresten«, die ihm übergeben wurden, »unsere Flagge wiederzuerkennen. In großer Eile angefertigt, wahrscheinlich ohne daß die Farben Zeit gehabt hatten zu trocknen, hatte die schwarze Farbe des Adlers ausgereicht, um schließlich die ganze Flagge schwärzlich zu färben. Vom Sturme gepeitscht, hatten sich die Streifen zu Knoten zusammengeklebt, so daß eigentlich

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Knorr an Caprivi, 7.7.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 179 ff. Knorr schlug in diesem Bericht aus den o.g. Gründen eine Neuregelung zur Führung und Behandlung von Stationsakten vor, um solche Pannen in Zukunft zu vermeiden. Caprivi griff diese Vorschläge auf und erließ im April 1887 eine neue, entsprechend modifizierte Instruktion für die Führung der Stationsakten im Ausland. Vgl. Marineverordnungsblatt, 18 (1887), 8, Verordnung Nr. 87 und Anlage, S. 80. Knappe kehrte weder von den Marshall-Inseln unmittelbar nach Apia zurück, wie Wilhelm Treue vermutete, noch reiste er von Finschhafen nach Nukualofa auf Tonga, wie Knorr in seinen Memoiren schrieb. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 43; Knappe an Knorr, 8.6.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 191; Knorr an Caprivi, 7.7.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 193-202, hier Bl. 194; Treue, Die Jaluit-Gesellschaft, S. 41.

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nichts mehr zu erkennen war447.« Yap war eine der Inseln, die das Deutsche Reich infolge des Schiedsspruches des Papstes im sogenannten Karolinenstreit448 (1885) an Spanien zurückgeben musste449. Bei der Ankunft in Hongkong am 23. Juli übernahm Knorr als Chef des Kreuzergeschwaders das Kommando über die Ostasiatische Station, die mit dem Kreuzer »Nautilus« und dem Kanonenboot »Wolf« besetzt war. Seit der Preußischen Ostasienexpedition (1860-1862), der ersten gemeinsamen Unternehmung aller später im Deutschen Reich versammelten Staaten, waren die ostasiatischen Gewässer eines der wichtigsten überseeischen Einsatzgebiete der preußisch-deutschen Marine. Schon im Jahre 1869 hatte der Norddeutsche Bund in Ostasien eine Auslandsstation gegründet und zwei Korvetten zum Schutz der deutschen Interessen dorthin entsandt, deren Einsatzgebiet von ihrem Stützpunkt in Singapur bis zu den Kurilen reichte. Wie in Afrika und in der Südsee, in Lateinamerika und anderen Teilen der Erde folgte auch hier die deutsche Flagge dem deutschen Handel, waren wirtschaftliche Interessen maßgebend für das Engagement der Marine. Im Jahre 1876 wurde erstmals ein deutsches Geschwader von sechs Kriegsschiffen nach Ostasien geschickt, dem auch Knorr als Kommandant der Kreuzerfregatte »Hertha« angehörte, um im Verein mit den Briten, Franzosen und Amerikanern gegen das »Piratenunwesen« in den chinesischen Gewässern vorzugehen. Insgesamt jedoch blieb das militärische Engagement des jungen Deutschen Reiches in Ostasien bis Anfang der 1890er Jahre zurückhaltend. Zwar wurden die in den ostasiatischen Gewässern stationierten deutschen Kriegsschiffe in den 1880er Jahren zunehmend als außenpolitisches Instrument eingesetzt, aber nur in einem Rahmen, der das Verhältnis zu den anderen Großmächten nicht gefährdete. In der Ostasienpolitik folgte Bismarck strikt der Maxime Kooperation statt Konfrontation, was sich auch im Zuge seiner Kolonialpolitik nicht änderte450.

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Zitate aus: Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 11, S. 755 f. Siehe dazu Kap. II, Anm. 226. Scheer, Briefe, 24.7.1886, BArch, MSg 1/2569; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 42 ff.; Oertzen an Bismarck, 30.6.1886, BArch, R 1001/2642, Bl. 69 f.; Oertzen an Bismarck, 30.6.1886, BArch, R 1001/2976, Bl. 117 ff.; Caprivi an Knorr, 23.3.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 39; Knorr an Caprivi, 7.7.1886, BArch, RM 38/5, Bl. 193-202; Übersicht über die Flaggenhissungen von »Iltis« und Albatroß« auf den Carolinen-Inseln 1885, zusammengestellt von Kapitänleutnant Hofmeier und Korvettenkapitän Plüddemann, o.D., BArch, RM 1/2427, Bl. 30-34; Übersicht über die Flaggeneinziehungen auf den Carolinen-Inseln 1886, zusammengestellt von Kapitänleutnant Baudissin und Kapitän zur See Valois, o.D., ebd., Bl. 35-38; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 104 f.; Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 11, S. 754 ff., Nr. 12, S. 846. Caprivi an Knorr (Segelordre), 22.6.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 12; Duppler, Der Juniorpartner, S. 246-252, 270-282; Herold, Deutsche Kolonial- und Wirtschaftspolitik in China, S. 15-25; Krüger, Zwischen Küstenverteidigung und Weltpolitik, S. 231-253; Petter, Die überseeische Stützpunktpolitik, S. 66-196; Ratenhof, Die Chinapolitik des Deutschen Reiches 1871-1945, S. 88-94; Salewski, Die preußische und die Kaiserliche Marine in den ostasiatischen Gewässern, S. 78 f.; Sieg, Die Ära Stosch, S. 201-275; Stoecker, Deutschland und China im 19. Jahrhundert, S. 65 ff., 85-94.

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Caprivi hatte einen Dampfer mit Ablösungsmannschaften für die »Bismarck« und den Stationär »Nautilus« nach Hongkong geschickt451. Fast die gesamte Besatzung des Flaggschiffes war seit nunmehr knapp zwei Jahren permanent im Auslandseinsatz und hatte Tausende von Seemeilen zurückgelegt, entsprechend groß war ihre Freude, nun in die Heimat zurückkehren zu können. Offenbar war die Mannschaft sehr erschöpft. Hauptgrund dafür war nach Knorr, der selbst noch nicht abgelöst wurde, »die Hetze«, also das stetige und rasche Wechseln der Einsätze und Einsatzorte des Kreuzergeschwaders, was »für Menschen und Schiffe äußerst aufreibend und schädigend wirkte«452. Unter den Abgelösten befand sich auch Reinhard Scheer, dem es »nicht im mindesten leid [tat], das Schiff jetzt zu verlassen und in ein anderes Dienstverhältnis zu kommen, da ich hier ja immer noch, wie es bestimmungsgemäß ist, meinen Unterlieutnants-Dienst verrichte«453. Während die Stationäre am selben Tag wie das Kreuzergeschwader in Hongkong einliefen, traf die Kreuzerkorvette »Carola« – als Ersatz für die »Gneisenau« – erst Mitte August dort ein. Gemäß der neuen Segelordre sollte das Geschwader bis Anfang Januar 1887 in den ostasiatischen Gewässern verbleiben und Knorr sich mit dem deutschen Gesandten in Peking, Max von Brandt, über Requisitionen verständigen. Allerdings verkürzte sich der Aufenthalt in Ostasien aufgrund eines außerplanmäßigen Einsatzes in Ostafrika auf rund drei Monate, weshalb Knorr in seinen Memoiren grollte, die Segelordre sei »wieder eine unnütze Arbeit vom grünen Tisch, da, wie immer, alles anders kam, als darin geplant«454. Seine Kritik jedoch war unberechtigt, denn die Ordre war in Ermangelung konkreter Requisitionen des Auswärtigen Amtes bei ihrer Abfassung bewusst sehr offen gehalten worden und plötzliche politische Krisen, die den raschen Einsatz des Geschwaders andernorts erforderten, ließen sich ohnehin nicht einkalkulieren. Von Mitte Juli bis Mitte Oktober liefen die Schiffe des Kreuzergeschwaders, teils im Verein mit den Stationären, mehrere chinesische, einen japanischen und zwei koreanische Häfen an. Weil Requisitionen von Brandt zunächst ausblieben, schickte Knorr die Schiffe mit kleineren Aufträgen, wie etwa die Übermittlung von Diplomatenpost, aber auch die Ausspionierung der britischen Marinebasis in Port Hamilton455, über verschiedene Routen von Hongkong nach Chefoo. Aufgrund 451

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Für die Kaiserliche Marine war dieser Besatzungswechsel eine große logistische Herausforderung, denn nie zuvor war so viel Personal in Übersee ausgetauscht worden. Da sie über keine eigenen Truppentransporter verfügte, charterte sie für die rund 500 Mann Ablösemannschaften einen für solche Zwecke nur unzureichend geeigneten zivilen Handelsdampfer, der behelfsmäßig zum Truppentransporter umgebaut wurde. Die Überfahrt von Wilhelmshaven nach Hongkong dauerte etwa sechs Wochen und war für die Seesoldaten vor allem infolge von Platzmangel sehr beschwerlich und entbehrungsreich. Vgl. Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 8-17. Zitate aus: Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 45. Scheer, Briefe, 24.7.1886, BArch, MSg 1/2569. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 44. Knorr schickte die »Olga« nach Port Hamilton mit dem Auftrag, »sich über die [dortigen] HafenAnlagen und seine Vertheidigungsfähigkeit zu unterrichten«. Das chinesische Geschwader der Royal Navy hielt diese koreanische Inselgruppe, das sogenannte Gibraltar Ostasiens, von April 1885 bis Februar 1887 besetzt, um sie im Falle eines britisch-russischen Krieges als Flottenstation nutzen zu können. Zitat aus: Knorr an Bendemann, 20.8.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 30. Vgl. Bericht Bendemanns über die Hafen-Anlagen und Vertheidigungsfähigkeit von Port Hamilton,

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einer Cholera-Epidemie ließ Knorr in Japan nur Nagasaki anlaufen, wo sich das Schiffskommando der »Olga« über das Ausmaß der Seuche erkundigen sollte. Anfang September trafen die »Bismarck«, »Carola«, »Nautilus« und »Wolf« in Shanghai ein, wo Heizrohre für das Flaggschiff und eine neue Messeausrüstung für den Geschwaderchef angeliefert wurden. Auch dort waren zwischenzeitlich einige Cholerafälle aufgetreten, wie der deutsche Konsul dem Geschwaderchef zwei Tage nach der Ankunft mitteilte. Knorr untersagte sofort alle Landgänge und befahl den Stationären, Shanghai so rasch wie möglich zu verlassen. Aber die Befehle kamen zu spät: Auf der »Carola« hatten sich bereits vier Besatzungsangehörige mit der Cholera infiziert, zwei von ihnen starben kurz darauf. Knorr stellte das Schiff für insgesamt vier Wochen unter Quarantäne, was eine weitere Ausbreitung der Krankheit verhinderte456. In Shanghai erreichte den Geschwaderchef eine wichtige Requisition von Brandt: Das Kreuzergeschwader sollte nach Möglichkeit die Taku-Reede anlaufen und Knorr den General-Gouverneur Li Hung-chang, einen der einflussreichsten chinesischen Reformpolitiker, im nahegelegenen Tientsin besuchen. Diese Aktion diente nur einem Zweck: das lukrative deutsche Rüstungsgeschäft mit China zu unterstützen. Der Besuch eines deutschen Admirals, der zudem Chef eines Kreuzergeschwaders war, sollte helfen, den für die deutschen Belange »leider nicht in Abrede zu stellenden ungünstigen Eindruck«457 zu verwischen, den zwei andere, ehemalige deutsche Marineoffiziere namens Sebelin und Meller bei Li hinterlassen hatten. Diese waren an der Überführung zweier Kriegsschiffe von der Stettiner Maschinenbau-Actiengesellschaft Vulcan beteiligt und eine zeitlang für die chinesische Marine und Li Hung-chang als Instrukteure beziehungsweise Berater tätig gewesen. Beide hatten jedoch vorzeitig ihren Dienst quittieren müssen, weil die ihnen gestellten Aufgaben sie überforderten; Meller soll zudem noch unsaubere Geldgeschäfte getätigt haben458. Für die deutschen Handelsinteressen war das ein »Fiasko«459. Vor allem den Stettiner Vulcan traf es hart: Dieser verlor einige lukrative Folgeaufträge der chinesischen Regierung zum Bau weiterer Kriegsschiffe an briti-

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15.9.1886, ebd., Bl. 88 ff.; siehe außerdem: Wippich, Kontinentalexpansion contra Seestrategie, S. 353-367; Kim, La question de Port Hamilton (1885-1887); Lee, West goes East, S. 113-125; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 1, S. 54-68. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 44-50; Holleben an Bismarck, 10.8.1886, BArch, R 1001/2642, Bl. 78; Generalkonsul in Seoul an AA, 3.9.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 30; AA an Caprivi, 4.9.1886, ebd., Bl. 31; Caprivi an H.v. Bismarck, 6.9.1886, ebd., Bl. 32; Caprivi an H.v. Bismarck (mit Anlage), 25.8.1887, ebd., Bl. 85 f.; Bendemann an Knorr, 15.9.1886, BArch, RM 1/2708, Bl. 106-112; Holleben an AA, 10.8.1886, BArch, RM 1/2732, Bl. 246; Knorr an Caprivi, 12.8.1886, BArch, RM 1/2733, Bl. 4-7; Caprivi an Knorr (Segelordre), 22.6.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 12; Knorr an Caprivi, 4.8.1886, ebd., Bl. 16 f.; Knorr an Caprivi, 12.8.1886, ebd., Bl. 19 ff.; Knorr an die Admiralität, 14.8.1886, ebd., Bl. 22; Segelordres von Knorr für die Kommandanten der ihm unterstellten Kriegsschiffe, 21.8.1886, ebd., Bl. 28 ff.; Caprivi an Knorr, 7.4.1886, ebd., Bl. 32; Knorr an Caprivi, 28.8.1886, ebd., Bl. 39 ff.; Knorr an Caprivi, 18.9.1886, ebd., Bl. 74-79; Knorr an Brandt, 25.8.1886, PAAA Peking II/ 1212, Bl. 173 f.; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 18-37. Brandt an Knorr, 6.8.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 49 f., hier Bl. 49. Zum Fall Sebelin siehe ausführlich: Kaske, Bismarcks Missionäre, S. 97-116, 226 ff. Knorr an Caprivi, 2.10.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 102-105, hier Bl. 104.

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sche Konkurrenten und geriet dadurch im Sommer 1887 in eine existenziell bedrohliche Krise, die schließlich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen mit Hilfe von staatlichen Subventionen abgewendet wurde460. Admiral Knorr fuhr Mitte September mit dem Kanonenboot »Wolf« von der Taku-Reede den Peiho hinauf nach Tientsin, wo er kurz darauf gemeinsam mit drei hochrangigen Offizieren und den beiden Konsulatsvertretern am Ort461 Li Hung-chang besuchte. In einem ausführlichen Gespräch empfahl Knorr diesem, zukünftig »größere Vorsicht bei [der] Auswahl von Offizieren für seine Dienste«462 walten zu lassen, und, »sofern er überhaupt die Unterstützung von deutschen Offizieren für die militärische Ausbildung seiner Streitkräfte wieder in Aussicht nehmen sollte, den offiziellen Weg durch die Regierungen einzuschlagen«463. Li betonte, wie sehr ihm »die guten Beziehungen mit dem Deutschen Reiche am Herzen lägen« und dass er die Rückkehr des von ihm geschätzten Militärberaters Kapitänleutnant Felix Hasenclever »lebhaft wünsche«464. Zwei Tage später besuchte Li das Kreuzergeschwader auf der Reede von Taku und zeigte sich sichtlich beeindruckt von den ihm vorgeführten Gefechtsübungen der »Olga« – statt einer Show of Force diesmal also eine »Show for Sale«. Brandt dankte Knorr für sein geschicktes Vorgehen, das bei Li »den allergünstigsten Eindruck hervorgebracht und wesentlich, nicht allein zu der Befestigung der guten Beziehungen zwischen Deutschland und China, sondern auch zu der Bestätigung derselben der Oeffentlichkeit gegenüber beigetragen hat«465. Brandts Hoffnung, »daß nunmehr den vielfach, namentlich von der britischen Presse, gegen die deutsche Marine verlauteten Angriffen in den Augen der Chinesen die Spitze abgebrochen sein wird«466, war durchaus berechtigt. Jedenfalls blieb der deutsche Waffenhandel mit China bis zum Beginn des Ersten

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Bismarck an Caprivi, 3.8.1887, BArch, RM 3/32, Bl. 31 f.; Caprivi an Bismarck, 6.8.1887, ebd., Bl. 34-37; siehe dazu auch: Steinmetz, Bismarck und die deutsche Marine, S. 76 ff. Einer der beiden Konsulatsvertreter war Clemens Freiherr von Ketteler, der spätere deutsche Gesandte in Peking, der während des Boxerkrieges getötet wurde. Brandt hatte Li persönlich in Tientsin empfangen wollen, dann jedoch kurzfristig krankheitsbedingt absagen müssen. Vgl. Brandt an Li Hung-chang, 18.9.1886, PAAA Peking II/1212, Bl. 187. Knorr an Caprivi, 2.10.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 102-105, hier Bl. 104. Ebd. Dieser Zusatz wurde von Knorr eigenhändig aus dem Bericht gestrichen und nicht an die Admiralität übermittelt. Einige Jahre später dann, im Oktober 1897, verfasste er als Kommandierender Admiral eine Denkschrift zum Immediatvortrag über die Anstellung deutscher Seeoffiziere in der chinesischen Marine und behauptete darin mit Bezug auf diesen Bericht, er habe Caprivi seinerzeit vorgeschlagen, aktive Seeoffiziere auf entsprechenden Antrag der chinesischen Regierung als Intrukteure nach China abzukommandieren, aber Caprivi habe dies abgelehnt, weil er darin keinen Nutzen gesehen habe. Obwohl Caprivi zu dieser Zeit längst im Ruhestand war, ließ Knorr noch immer keine Gelegenheit aus, um die Leistungen seines alten Rivalen als vormaliger Chef der Admiralität zu diskreditieren. Vgl. ebd.; Knorr an Caprivi, 2.10.1886, BArch, RM 1/2733, Bl. 44-51, hier Bl. 47; Denkschrift von Admiral Knorr zum Immediatbericht über die Anstellung deutscher Seeoffiziere in der chinesischen Marine, 10.10.1897, BArch, RM 5/915, Bl. 125-132, hier Bl. 127. Knorr an Caprivi, 2.10.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 102-105, hier Bl. 103 f. Brandt an Knorr, 12.10.1886, ebd., Bl. 147 f., hier Bl. 147. Ebd.

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Weltkrieges ein recht lukratives Geschäft und sogar der Stettiner Vulcan erhielt bald wieder Aufträge zum Bau chinesischer Kriegsschiffe467. Knorr hatte auch der deutschen Gesandtschaft in Peking einen Besuch abstatten wollen, aber dazu kam es nicht mehr, weil Brandt an Malaria erkrankte und das Geschwader bereits am 8. Oktober aus Berlin den Befehl erhielt, von der TakuReede aus Singapur anzulaufen. Politische Instruktionen blieben zunächst aus. Knorr ließ auf Zwischenstopps in Chefoo und Hongkong einige Reparatur- und Reinigungsarbeiten durchführen sowie Kohlen, Proviant und Post an Bord nehmen. Nach der Ankunft in Singapur am 7. November erhielt er aus Berlin den telegrafischen Befehl, bis Mitte Dezember über Ceylon nach Sansibar zu gehen468. Knorr gab darauf das Kommando über die Ostasiatische Station ab. Neue Poststation anstelle von Hongkong wurde, wie schon beim ersten Ostafrika-Einsatz 1885, Aden. Zwar sollte der neue Bestimmungsort des Kreuzergeschwaders geheim gehalten werden, aber »in Colombo war, wie in China, aus den dort erscheinenden britischen Zeitungen das Reiseziel des Geschwaders allgemein bekannt«469. Knorr spekulierte in seinen Memoiren, dass die Briten den an ihn gerichteten telegrafischen Befehl dechiffriert und an die Presse weitergegeben hätten, aber das ist äußerst unwahrscheinlich. Vielmehr dürften die Journalisten über die Vorgänge in Ostafrika gut informiert gewesen sein und aus der Abberufung des Kreuzergeschwaders aus Ostasien ihre eigenen Schlüsse gezogen haben. In Colombo erhielt Knorr ein weiteres Telegramm von der Admiralität, das ihn in knappen Worten über die Hintergründe und Aufgaben des neuerlichen Einsatzes in Ostafrika informierte470. 467

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Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 47-53; Denkschrift von Admiral Knorr zum Immediatbericht über die Anstellung deutscher Seeoffiziere in der chinesischen Marine, 10.10.1897, BArch, RM 5/915, Bl. 125-132, hier Bl. 126 f.; Knorr an Caprivi, 28.8.1886, ebd., Bl. 39 ff.; Brandt an Knorr, 6.8.1886, ebd., Bl. 49 f.; Knorr an Brandt, 3.9.1886, ebd., Bl. 50; Brandt an Knorr, 17.9.1886, ebd., Bl. 70; Knorr an Caprivi, 18.9.1886, ebd., Bl. 74-79; Knorr an Caprivi, 2.10.1886, ebd., Bl. 102-105; Deutsches Konsulat in Tientsin an Knorr, 16.10.1886, ebd., Bl. 146; Brandt an Knorr, 12.10.1886, ebd., Bl. 147 f.; Brandt an Bismarck, 9.10.1886, PAAA Peking II/1212, Bl. 199 f.; Ketteler an Brandt, 6.10.1886, ebd., Bl. 201-208; Das deutsche Geschwader in Taku. In: Der Ostasiatische Lloyd, 1 (1886), 15; Wulle, Der Stettiner Vulcan, S. 18, 24; siehe auch: Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 37 f. Zum deutschen Rüstungsgeschäft mit China bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges allgemein siehe: Jing, Mit Barbaren gegen Barbaren, S. 70-163; Ratenhof, Die Chinapolitik des Deutschen Reiches 1871-1945, S. 71-129; Stoecker, Deutschland und China im 19. Jahrhundert, S. 211-227. Zum Aufbau der modernen chinesischen Marine nach den Opiumkriegen allgemein siehe: Rawlinson, China’s Struggle for Naval Development 1839-1895, S. 63-166; Wright, The Chinese Steam Navy 1862-1945, S. 41-84. Knorr behauptet in seinen Memoiren, Caprivi habe ihn zur Eile angetrieben und ihm befohlen, beschleunigt nach Sansibar zu gehen, was nicht den Tatsachen entspricht. Vgl. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 53. Knorr an Caprivi, 2.12.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 171 f., hier Bl. 171. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 53 f.; Caprivi an Knorr, 7.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 6; Koester an Hofpostamt, 16.11.1886, ebd., Bl. 47 f.; Knorr an Caprivi, 8.12.1886, BArch, RM 1/2733, Bl. 80 ff.; Brandt an Knorr, 11.9.1886, BArch, RM 38/8, Bl. 93 f.; Knorr an Caprivi, 2.10.1886, ebd., Bl. 102 ff.; Brandt an Knorr, 12.10.1886, ebd., Bl. 147 f.; Knorr an Caprivi, 25.10.1886, ebd., Bl. 141-144; Knorr an Caprivi, 31.10.1886, ebd., Bl. 145; Caprivi an Knorr, 7.11.1886, ebd., Bl. 153; Knorr an das deutsche Konsulat in Hongkong, 8.11.1886, ebd.,

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d) Intermezzo in Ostafrika

Die deutsch-britisch-französische Kommission zur Feststellung der sansibarischen Grenzen auf dem ostafrikanischen Festland hatte bis zum Sommer 1886 keinerlei Kompromiss erzielen können. Bismarck brachte die Verhandlungen, bei denen es immer wieder zu Konflikten zwischen den verhandlungsführenden Generalkonsuln gekommen war, schließlich gezielt zum Scheitern, indem er Majoritätsbeschlüsse der Kommission nicht mehr akzeptierte und in strittigen Punkten auf Einstimmigkeit beharrte. Nachdem der Reichskanzler bereits im Frühsommer 1886 das Wohlwollen der französischen Regierung durch die Anerkennung des französischen Protektorats über die bis dahin nominell unter sansibarischer Oberhoheit stehenden Komoren-Inseln hatte gewinnen können, signalisierte die britische Regierung Ende August ihr Einverständnis, die Sansibar-Frage unmittelbar mit der Reichsleitung zu regeln471. Während der anschließenden bilateralen Verhandlungen mit Großbritannien setzte Bismarck einmal mehr den »ägyptischen Knüppel« (bâton égyptien) ein, wie die Zeitgenossen sagten: Er drohte der britischen Regierung, ihr die Unterstützung in der ägyptischen Frage zu entziehen, und erpresste auf diese Weise gut zwei Monate später ein Abkommen, das die Einflusssphären beider Mächte in Ostafrika voneinander abgrenzte. Dieses Abkommen war »von grundlegender Bedeutung«472 für die weitere Gebietsaufteilung in der Region, vor allem im ostafrikanischen Hinterland. Außerdem garantierte es die Souveränität des Sultans von Sansibar sowohl über seinen Inselbesitz als auch über einen zehn Meilen tiefen Küstenstreifen zwischen dem Kap Delgado und Kipni. Die britische Regierung verpflichtete sich, die Verhandlungen der Deutschen mit Bargash bin Said über die Zollverpachtung in Daressalam und Pangani an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft (DOAG) zu unterstützen. Des Weiteren verständigten sich die beiden Mächte darauf, den Sultan gemeinsam zur Anerkennung der Kongoakte zu bewegen. Der Abschluss dieses Abkommens war zweifellos ein »Triumph Bismarcks«473, denn es markierte das Ende der britischen Vormachtstellung in Ostafrika. Im Gegenzug verhielt sich die Reichsleitung in der ägyptischen Frage

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Bl. 160; Knorr an Caprivi (mit Anlagen), ebd., Bl. 154-159; Knorr an die Kommandanten von »Nautilus« und »Wolf«, 9.11.1886, ebd., Bl. 161; Knorr an Caprivi, 23.11.1886, ebd., Bl. 166 f.; Knorr an Caprivi, 24.11.1886, ebd., Bl. 170; Knorr an Caprivi, 2.12.1886, ebd., Bl. 171 f.; Caprivi an Knorr, 22.11.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 2. Nach einem überraschenden Wahlsieg der Liberalen Anfang Februar hatte Gladstone wieder die Regierungsgeschäfte in Großbritannien übernommen. Allerdings erlitt er nur fünf Monate später eine parlamentarische Niederlage in der irischen Frage und trat zurück. Die hastig anberaumten Neuwahlen gewannen die Konservativen, so dass Gladstone die Regierungsgeschäfte Ende Juli wieder an Salisbury übergeben musste. Dieser neuerliche Regierungswechsel ermöglichte schließlich eine rasche Verständigung zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich in der Sansibar-Frage. Vgl. Kröger, »Le bâton égyptien«, S. 122-125. Fröhlich, Von der Konfrontation zur Koexistenz, S. 66. Dieses Abkommen bildete den Ausgangspunkt für den sogenannten Helgoland-Sansibar-Vertrag vom Juli 1890. Ende Dezember 1886 einigte sich die Reichsleitung auch mit der portugiesischen Regierung über die beiderseitigen Einflusssphären in Südost- und Südwestafrika. Siehe dazu: Demhardt, Deutsche Kolonialgrenzen in Afrika, S. 400-409. Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 358.

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zurückhaltend und erteilte Mitte November der von Salisbury befürchteten deutsch-französischen Kolonialallianz eine Absage474. Während die deutsche und die britische Regierung in der Sansibar-Frage verhandelten, meldeten Vertreter der DOAG dem Reichskanzler einige »offenbar systematisch betriebene deutschfeindliche Agitationen des Sultans von Sansibar«475, die sich vor allem gegen deutsche Händler richteten. Offensichtlich waren die beiden Schiffe auf der Ostafrikanischen Station allein nicht in der Lage, den deutschen Interessen bei Bargash bin Said ausreichend Nachdruck zu verleihen476. Anfang Oktober 1886 äußerte Bismarck gegenüber seinem Sohn Herbert, den er kurz zuvor zum Staatssekretär im Auswärtigen Amt ernannt hatte, den »lebhaften Wunsch«, das »zur Zeit in Ostasien befindliche Kreuzergeschwader sobald als thunlich nach Zanzibar dirigiert zu sehn, um etwaige weitere Schritte zur Aufrechterhaltung unserer Würde und Autorität dem Sultan gegenüber zu unterstützen«477. Das Geschwader sollte angewiesen werden, »direkt von China nach Zanzibar zu gehen«478. Besondere Eile sei dabei aber nicht geboten, denn die Reichsleitung müsse erst noch über die Art der Zwangsmaßnahmen entscheiden, mit denen notalls die Anerkennung des kurz vor dem Abschluss stehenden deutsch-britischen Abkommens über die gegenseitigen Einflusssphären in Ostafrika beim Sultan durchgesetzt werden solle. Deshalb schickte Caprivi das Kreuzergeschwader zunächst nach Singapur, wo er Knorr weitere Instruktionen zukommen lassen wollte. Über diese Abläufe wurde auch der deutsche Generalkonsul in Sansibar, Otto Arendt, telegrafisch in Kenntnis gesetzt. Während Caprivi sich vom Kaiser den Einsatz des Geschwaders in Ostafrika genehmigen ließ, befahl er gleichzeitig dem ostafrikanischen Stationär »Hyäne«, vorerst nichts gegen den Sultan und dessen Beamte zu unternehmen. Der andere Stationär »Möwe« befand sich zu dieser Zeit in den Docks von Bombay, wurde aber wenige Tage später nach Sansibar zurückbeordert. Am 26. Oktober informierte das Auswärtige Amt die Admiralität, »daß die Hauptaufgabe des Geschwaders [in Sansibar] sein dürfte, 474

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Ebd., S. 355-359; H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 19.3.1886. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 790; Bismarck an Hatzfeldt, 21.4.1886. In: Ebd., Nr. 792; Hatzfeldt an Bismarck, 22.4.1886. In: Ebd., Nr. 793; Aufzeichnung Rantzaus, 29.9.1886. In: Ebd., Nr. 797; Aufzeichnung H.v. Bismarcks, 2.10.1886. In: Ebd., Nr. 798; Bismarck an Hatzfeldt, 14.10.1886. In: Ebd., Nr. 800; Hatzfeldt an H.v. Bismarck, 20.10.1886. In: Ebd., Nr. 802; Hatzfeldt an H.v. Bismarck, 26.10.1886. In: Ebd., Nr. 804; Deutsch, Inventing an East African Empire, S. 213 f.; Dukes, Helgoland, Zanzibar, East Africa, S. 71-77; Fröhlich, Von der Konfrontation zur Koexistenz, S. 66 ff.; Kröger, »Le bâton égyptien«, S. 123-126; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 252-262; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 147-169; Wilkinson, The Zanzibar Delimitation Commission, S. 144-155. Der Vertragstext des deutsch-britischen Ostafrika-Abkommens ist abgedruckt in: Hertslet, The Map of Africa by Treaty, vol. 3, Nr. 264, S. 882-886. H.v. Bismarck an Caprivi, 6.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 2-5, hier Bl. 2. Im Sommer 1886 waren die beiden Schiffe sogar temporär von Sansibar abgezogen worden. Die »Hyäne« wurde zum Besatzungswechsel für einige Wochen nach Aden verlegt, die »Möwe« zur Reparatur größerer Kesselschäden für einige Monate nach Bombay. Vgl. u.a. Caprivi an H.v. Bismarck, 24.4.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 21 f.; Aktennotiz betreffend das Kreuzergeschwader vom 4.10.1886, ebd., Bl. 42 f. H.v. Bismarck an Caprivi, 6.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 2-5, hier Bl. 5. Ebd.

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den Sultan ohne Zögerung zur Anerkennung der Abmachungen zu bewegen, die wir jetzt mit England zu treffen im Begriff stehen«479. Am selben Tag instruierte Herbert von Bismarck den deutschen Botschafter in London, seinen Amtsvorgänger Hatzfeldt, der britischen Regierung »vertraulich Kenntniß« über den geplanten Einsatz des Kreuzergeschwaders »in der ersten Hälfte December vor Zanzibar« zu geben und »derselben mitzuteilen, daß wir uns wegen des Auftretens des Geschwaders zunächst mit ihr zu verständigen wünschten«480. Der britische Außenminister Iddesleigh zeigte über die geplante Gewaltanwendung gegen den Sultan »lebhafte Besorgnis und schien sich erst zu beruhigen, als ich [Hatzfeldt] ihm klarmachte, daß wir uns vorher mit England über die Aufgabe der Schiffe verständigen wollten und daß die Anwesenheit des Geschwaders nur dazu dienen solle, die Verhandlungen [mit dem Sultan] zu erleichtern«481. Bismarck hatte zuvor das Auswärtige Amt angewiesen, »alle übertriebenen, das Bedürfniß und die Aneignungsfähigkeit Deutschlands überschreitenden Ansprüche im Sinne der Colonial-Jingos« der DOAG »mit Schärfe zurückzuweisen«482, weil die Gesellschaft zu schwach sei, um sich im Kampf mit dem Sultan zu probieren, und deren materielle Unterstützung von der Reichstagsmajorität abgelehnt würde. Im Hinblick auf die politischen Instruktionen für Admiral Knorr hatte er betont, dass das Auftreten des Geschwaders wesentlich von der Haltung des Sultans abhängig und zunächst »ein milder Druck«483 auf diesen auszuüben sei. Während die deutsche und die britische Regierung zwischen dem 29. Oktober und 1. November per Notenaustausch die gegenseitigen Einflusssphären in Ostafrika regelten, formulierte die Admiralität bereits in Absprache mit dem Auswärtigen Amt die Segelordre für den nun unmittelbar bevorstehenden Einsatz des Kreuzergeschwaders in der Region. Am 18. November beauftragte Herbert von Bismarck Generalkonsul Arendt, den Sultan im Verein mit seinem britischen Amtskollegen zur Annahme und Umsetzung der deutsch-britischen Vereinbarung aufzufordern484. Gleichzeitig informierte er ihn, dass das Kreuzergeschwader voraussichtlich am 10. Dezember in Sansibar eintreffen werde, und fügte hinzu: »Wünschen unerfreuliches Eingreifen desselben 479 480 481 482 483 484

H.v. Bismarck an Caprivi, 26.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 17 f., hier Bl. 17. Zitate aus: H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 26.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 22 f., hier Bl. 23. Hatzfeldt an Bismarck, 30.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 24. Zitate aus: Anweisungen des Reichskanzlers an das Auswärtige Amt, zit. nach: H.v. Bismarck an Caprivi, 3.11.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 19 ff., hier Bl. 20. H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 26.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 22 f., hier Bl. 23. H.v. Bismarck an Arendt, 18.11.1887, BArch, R 1001/605, Bl. 17 ff.; Rantzau an AA, 5.10.1886, BArch, R 1001/913, Bl. 18; AA an Arendt, 13.10.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 50; H.v. Bismarck an Caprivi, 6.10.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 2-5; Caprivi an »Hyäne«, 7.10.1886, ebd., Bl. 6; Caprivi an Knorr, 7.10.1886, ebd., Bl. 6; Caprivi an H.v. Bismarck, 8.10.1886, ebd., Bl. 7; Caprivi an Wilhelm I., 8.10.1886, ebd., Bl. 7 f.; Albedyll an Caprivi, 12.10.1886, ebd., Bl. 11; Caprivi an »Möwe«, 16.10.1886, ebd., Bl. 12; Caprivi an H.v. Bismarck, 23.10.1886, ebd., Bl. 15 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 26.10.1886, ebd., Bl. 17 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 3.11.1886, ebd., Bl. 19 ff.; H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 26.10.1886, ebd., Bl. 22 f.; Hatzfeldt an Bismarck, 30.10.1886, ebd., Bl. 24; AA an Caprivi, 30.10.1886, ebd., Bl. 25 ff.; Caprivi an H.v. Bismarck, 5.11.1886, ebd., Bl. 28 ff.; H.v. Bismarck an Caprivi, 6.11.1886, ebd., Bl. 31; Erläuterungs-Karte zu den Arbeiten der Grenzfeststellungs-Commission Zanzibar vom Juni 1886, ebd., Bl. 45; Duppler, Der Juniorpartner, S. 287.

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zu vermeiden, hoffen Verhältniß zum Sultan freundschaftlich zu ordnen485.« Bezeichnenderweise wurde im Entwurf dieses Telegramms das Wort »friedlich« durch »freundschaftlich« ersetzt486. Als das Kreuzergeschwader am 14. Dezember 1886 auf der Reede von Sansibar ankerte, wartete dort bereits, abgesehen von dem westafrikanischen Stationär »Habicht« und dem ostafrikanischen Stationär »Hyäne«, die ihm neu zugeteilte Kreuzerkorvette »Sophie«. Diese hatte Post für das Geschwader an Bord, darunter auch die neue Segelordre und detailliertere Hintergrundinformationen über die aktuelle Lage in Ostafrika. Bei der Ankunft wusste Knorr lediglich, dass Deutschland und Großbritannien sich über die Grenzen in Ostafrika geeinigt hatten und Arendt Verhandlungen über die Anerkennung dieser Vereinbarung mit dem Sultan führen sollte487. Den Anlagen zur Segelordre konnte er entnehmen, dass der Reichskanzler ihn bewusst im Unklaren über seine Aufgaben in Ostafrika gelassen hatte, denn, so Bismarcks Kalkül, »sein stillschweigendes Liegen vor Zanzibar würde Said Bargasch mehr ängstigen, als die Entwickelung einer Thätigkeit aus welcher der Sultan den Schluß auf eine im friedlichen Sinne abgefasste Instruktion ziehen könne«488. Wie schon im Sommer 1885, setzte Bismarck auch dieses Mal auf eine Erpressungsstrategie, um seine Interessen gegenüber dem Sultan durchzusetzen und ihn zur Anerkennung des deutsch-britischen Grenzabkommens zu bewegen. Aus der Segelordre geht klar hervor, dass das Kreuzergeschwader nur deshalb nach Sansibar beordert worden war, um »einen Druck in dieser Richtung auf Said Bargasch auszuüben«489. Diesmal jedoch lag die Verhandlungsführung ganz in den Händen des Generalkonsuls. Knorrs direkte Mitwirkung »wird voraussichtlich nur dann befohlen werden, sobald es sich, für den Fall der Weigerung des Sultans, den an ihn gestellten Forderungen nachzukommen, um Androhung oder Durchführung militärischer Zwangsmaßnahmen und zwar zunächst bezüglich derjenigen Küstengebiete, über welche wir die Hoheit des Sultans nicht anerkennen, handelt«490. Über den Stand und den Verlauf der Verhandlungen sollte er sich regelmäßig informieren, »etwaigen Requisitionen des Generalkonsuls möglichst entsprechen«491 und alle wichtigen Vorkommnisse telegrafisch an die Admiralität melden492. Nach dem Ankern wurde Knorr zunächst von einem Beamten des Sultans begrüßt, der ihn davon unterrichtete, dass Bargash bin Said die deutsch-britischen Grenzvereinbarungen bereits am 4. Dezember – kurz nachdem die Ermordung eines DOAG-Agenten, Karl Jühlke, in Somaliland bekannt worden war – rückhalt485 486 487 488 489 490 491 492

H.v. Bismarck an Arendt, 18.11.1887, BArch, R 1001/605, Bl. 17 ff., hier Bl. 19. Ebd. Siehe: Caprivi an Knorr, 22.11.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 2. H.v. Bismarck an Caprivi, 11.11.1886, ebd., Bl. 12. Caprivi an Knorr (Segelordre), 17.11.1886, ebd., Bl. 5 f., hier Bl. 5. Ebd., Bl. 5 f. (Hervorhebung im Original). Ebd., Bl. 6. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 62 f.; Caprivi an Knorr, 22.11.1886, BArch, RM 1/2733, Bl. 2; Caprivi an Cochius (Segelordre), 17.11.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 49 f.; Caprivi an Knorr (Segelordre mit Anlagen), 17.11.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 5-12; Knorr an Caprivi, 20.12.1886, ebd., Bl. 25-34, hier Bl. 25.

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los anerkannt hatte493. Knorr salutierte nach Erhalt dieser Information der Landesflagge vorschriftsmäßig mit 21 Schuss. Kurz darauf kam Generalkonsul Arendt an Bord, der die Informationen des sansibarischen Beamten bestätigte. Allerdings, berichtete Arendt weiter, müsse er noch im Verein mit dem britischen Generalkonsul Frederick Holmwood die Nordgrenze Witus bestimmen und anschließend sei es erforderlich, die Räumung des Witu und damit Deutschland zugesprochenen Gebietes zwischen Kipini und der Manda-Bucht zu beaufsichtigen494. Außerdem berichtete er Knorr vom Mord an Jühlke, der auf einer Expedition nach Somaliland in Kismaju von einem Einheimischen erstochen worden war495. Wegen entsprechender Strafmaßnahmen, erklärte Arendt, müsse er aber noch mit dem Sultan in Verhandlungen treten496. Requisitionen an das Geschwader stellte der Generalkonsul bei dieser Unterredung nicht497. In den darauffolgenden Tagen entwickelte sich ein folgenschwerer Konflikt zwischen Arendt und Knorr, der von Holmwood angeheizt wurde mit dem Ziel, die deutsche Position in Sansibar zu schwächen. Die Auseinandersetzung begann, als Arendt den obligatorischen Höflichkeitsbesuch Knorrs beim Sultan eigenmächtig verzögerte und mit der Bedingung verknüpfte, dass Bargash bin Said zuvor seine Truppen und Zollbeamten aus dem Gebiet zwischen Kipini und der MandaBucht abzuziehen habe. Der Sultan war irritiert darüber, in dieser Angelegenheit unter Druck gesetzt zu werden, denn er hatte dem Abzug unlängst zugestimmt und wartete nur darauf, dass Arendt und sein britischer Amtskollege sich über den genauen Verlauf der Nordgrenze Witus und damit des von ihm zu räumenden Gebietes einigten. Holmwood, der vom Sultan über den Alleingang des deutschen Generalkonsuls informiert worden war, wandte sich privatim an den Geschwader493 494

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Adhesion of Sultan of Zanzibar to Agreement between Great Britain and Germany of 29.10./1.11.1886, 4.12.1886, zit. in: Hertslet, The Map of Africa by Treaty, vol. 3, Nr. 265, S. 887. Gemäß Absatz 5 des Übereinkommens zwischen Großbritannien und Deutschland über die Abgrenzung der Gebiete des Sultans von Zanzibar und der beiderseitigen Interessensphären in Ostafrika, enthalten in: Hertslet, The Map of Africa by Treaty, vol. 3, Nr. 264, S. 882-886. Zu den Aktivitäten der DOAG in Somaliland und der Reise ihrer Agenten Jühlke, Günther und Janke im Herbst 1886 an die Benadirküste zwischen Witu und Kismaju siehe: Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 227-232; Die Dr. Jühlkesche Expedition und die Zustände an der Somali-Küste. In: Deutsche Kolonialzeitung, 4 (1887), 1, S. 4 ff.; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 329-356. Arendt hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der Mordtat beim Auswärtigen Amt angefragt, ob er die »Möwe« zu einer Strafexpedition nach Somaliland entsenden könne. Aber auf Anraten der Admiralität lehnte Herbert von Bismarck diesen Antrag ab. Er ordnete an, dass Arendt zunächst die Ankunft des Kreuzergeschwaders abwarten und sich mit dem Sultan über eine militärische Kooperation desselben bei der Bestrafung der Mörder verständigen solle. Vgl. Arendt an AA, 7.12.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 59; Caprivi an H.v. Bismarck, 8.12.1886, ebd., Bl. 60; H.v. Bismarck an Caprivi, 10.12.1886, ebd., Bl. 63; Arendt an Bismarck, 15.12.1886, BArch, RM 1/ 2449, Bl. 152-161, hier Bl. 161; AA an Arendt, 10.12.1886, BArch, R 1001/371, Bl. 14; siehe auch: Caprivi an H.v. Bismarck, 8.12.1886, BArch, R 1001/371, Bl. 12. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 63 f.; Arendt an Bismarck, 7.12.1886, BArch, R 1001/371, Bl. 10; Arendt an AA, 7.12.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 59; Knorr an Caprivi, 20.12.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 25-34, hier Bl. 25 f.; Bargash bin Said an Arendt, 4.12.1886, ebd., Bl. 37 f.; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 262 f.; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 172 f.

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chef und beschwerte sich bei ihm über Arendts Vorgehen. Knorr wollte – und durfte – sich nicht in die politischen Angelegenheiten vor Ort einmischen, tat es dann aber doch: Aus Pflichtgefühl, wie er in seinen Memoiren erklärt, versuchte er, zwischen Arendt und Holmwood zu vermitteln. Aber sein Vermittlungsversuch scheiterte und mündete schließlich in einen persönlichen Konflikt mit Arendt, weil dieser ihn durch weitere eigenmächtige Handlungen und abenteuerliche politische Vorstellungen brüskierte. Unterdessen beschwerte sich Holmwood wiederholt beim deutschen Geschwaderchef über die angeblich mangelhafte Kooperation und das »fortgesetzte unaufrichtige Verhalten«498 seines deutschen Amtskollegen bei der Umsetzung des deutsch-britischen Grenzabkommens. Infolge von Arendts erpresserischer Politik gegen den Sultan, der das Kreuzergeschwader allein durch seine Präsenz Nachdruck zu verleihen schien, erwuchs in der sansibarischen Bevölkerung eine zunehmend feindliche Haltung gegenüber den deutschen Marinesoldaten, was diese vor allem beim Landgang zu spüren bekamen499. Deshalb machte der Geschwaderchef Arendt am 19. Dezember deutlich, dass er »nicht glaube, länger hier auf Rhede liegen zu können, ohne dem Sultan Besuch zu machen, wenn militärische Requisitionen gegen ihn gar nicht in Aussicht ständen«, und er verlangte von ihm »unter allen Umständen«, dass »meine Person nicht zum Gegenstand willkürlicher Benutzung ohne mein Vorwissen von seiner Seite gemacht werde«500. Arendt fühlte sich durch diese Äußerungen beleidigt, worauf Knorr »die Unterredung mit der Erklärung beendete, daß ich ihn nicht beleidigen wolle, sondern mich schützen vor den Folgen seiner Vorgehensweise; [und] wolle er das nicht zugeben können, ich den Besuch [beim Sultan] ohne ihn machen müsse«501. Knorr informierte unmittelbar danach die Admiralität telegrafisch über den Konflikt mit Arendt und besuchte Bargash bin Said tatsächlich noch am selben Tag – ohne den deutschen Generalkonsul, der dadurch seine Stellung beim Sultan »auf das Heftigste erschüttert«502 sah und die politische Verantwortung dafür strikt von sich wies. Beim Geschwaderchef verfestigte sich im Gespräch mit Bargash bin Said der (richtige) Eindruck, dass Arendt die Anwesenheit des Kreuzergeschwaders für Pressionszwecke benutzt und deshalb auch seinen obligatorischen Höflichkeitsbesuch beim Sultan bewusst herausgezögert hatte. Der Admiral fühlte sich dadurch in seiner soldatischen Ehre verletzt, weshalb er fortan nur noch amtlich mit Arendt korrespondierte503. 498 499

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Knorr an Caprivi, 17.12.1886, BArch, RM 1/2733, Bl. 101-106, hier Bl. 101. C.F. Sperling, der seinerzeit als Unteroffizier auf der »Bismarck« diente, berichtet in seinen Erinnerungen sogar von gezielten Steinwürfen auf Angehörige des Kreuzergeschwaders in einer Gaststätte, infolge derer es beinahe zu Kampfhandlungen zwischen aufgebrachten Einheimischen und einigen deutschen Marinesoldaten gekommen sei. Vgl. Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 62. Zitate aus: Knorr an Caprivi, 20.12.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 25-34, hier Bl. 31. Ebd. Arendt an Bismarck, 19.12.1886, BArch, R 1001/7164, Bl. 22-29. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 64-70; Arendt an AA, 23.12.1886, BArch, R 1001/7164, Bl. 12; Foreign Office an Hatzfeldt, 21.12.1886, ebd., Bl. 16; Arendt an Bismarck, 19.12.1886 (mit Anlagen), ebd., Bl. 22-44; Bargash bin Said an Bismarck, 23.12.1886, BArch, R 1001/8916, Bl. 4 ff.; Knorr an Caprivi, 20.12.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 66; Caprivi

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Unterdessen protestierte in Berlin das Auswärtige Amt scharf bei der Admiralität gegen diesen »doppelt peinlichen Zwischenfall«504. Während die Reichsleitung Berichte über den politisch brisanten Konflikt in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung als »unbegründet«505 zurückwies, erhielt Arendt vom Reichskanzler volle Rückendeckung für sein erpresserisches Vorgehen506. Caprivi reagierte sofort und befahl dem Geschwaderchef telegrafisch: »Bleiben Sie gemäß politischer Instruktion politischer Verhandlung fern. Erbitte umgehend ausführlichen Bericht, um Ihre Interessen hier wahrnehmen zu können. Verhältnisse machen im Verkehr mit englischem Konsul Zurückhaltung nothwendig507.« Diese Zeilen waren eine deutliche Warnung an Knorr, der aber weiterhin fest davon überzeugt blieb, rechtmäßig und im Sinne der deutschen Interessen gehandelt zu haben. Bei der Reichsleitung jedoch verfestigte sich nach dem Eintreffen der ausführlichen Berichte der beiden Kontrahenten einige Wochen später die Ansicht, dass Knorrs »Eingriffe in Verhandlungen, deren Führung dem Kaiserlichen General-Konsul vorbehalten war, die Wirkung unseres Auftretens in Sansibar beeinträchtigt und das Vertrauen zu der amtlichen Vertretung des Reichs geschädigt haben«508. Auch nach Caprivis Ermahnung setzte sich der Konflikt zwischen Arendt und Knorr, wenn auch auf andere Weise fort: In den Akten des Kreuzergeschwaders ist ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen den beiden dokumentiert, der allein für den Zeitraum vom 22. bis 29. Dezember 33 Blatt umfasst509. Darin geht es vor allem um die Räumung und Übergabe des Gebietes zwischen Kipini und der Manda-Bucht durch die Sultanstruppen und die Sühnung des Mordes an Jühlke in Somaliland. Arendt forderte den Geschwaderchef auf, ihn in beiden Angelegenheiten durch die Bereitstellung entsprechender militärischer Mittel zu unterstützen. Knorr aber hatte das Vertrauen in den Generalkonsul verloren und begann deshalb – schriftlich – mit ihm über Details der Requisitionen zu diskutieren, was

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an H.v. Bismarck, 20.12.1886, ebd., Bl. 66 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 21.12.1886, ebd., Bl. 68 ff.; Caprivi an Knorr, 22.12.1886, ebd., Bl. 70; Caprivi an H.v. Bismarck, 22.12.1886, ebd., Bl. 71; H.v. Bismarck an Caprivi, 20.12.1886, ebd., Bl. 72; H.v. Bismarck an Caprivi, 26.1.1887, ebd., Bl. 176-179; Arendt an Bismarck, 21.12.1886, ebd., Bl. 185 f.; Arendt an Bismarck (mit Anlage), 17.1.1887, ebd., Bl. 227-230; Arendt an Knorr, 15.-20.12.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 13, 15, 17-21, 23, 45; Knorr an Arendt, 16.12., 17.12., 19.12.1886, ebd., Bl. 13 f., 15 f., 22; Knorr an Caprivi, 19.12., 20.12.1886, ebd., Bl. 24, 41-44; siehe auch: Holmwood an Knorr, o.D. [August 1887], BArch, N 578/12, Bl. 119 ff.; Groot, Great Britain and Germany in Zanzibar, S. 122-127. H.v. Bismarck an Caprivi, 21.12.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 68 ff., hier 70. »Doppelt« bezieht sich einerseits auf Knorrs eigenmächtigen Besuch beim Sultan, andererseits auf den Abbruch seines privaten Verkehrs mit Arendt. Meldung bezüglich des Konfliktes zwischen Arendt und Knorr. In: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 1886, S. 605. Randbemerkung Bismarcks zur Promemoria des AA über die Differenzen zwischen Admiral Knorr und General-Konsul Arendt vom 22.1.1887, BArch, R 1001/7164, Bl. 85 f., hier Bl. 86. Caprivi an Knorr, 22.12.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 61. H.v. Bismarck an Caprivi, 26.1.1887, BArch, RM 1/2447, Bl. 176-179, hier Bl. 179. Arendt erhob in diesem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen Caprivi, die dieser scharf zurückwies. Vgl. Arendt an Bismarck, 6.3.1887, BArch, R 1001/7165, Bl. 1 f.; Caprivi an H.v. Bismarck, 13.4.1887, ebd., Bl. 3 f. Siehe: BArch, RM 38/14, Bl. 62-94; außerdem: Knorr an Caprivi (mit Anlagen), 29.12.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 131-175.

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deren Ausführung erheblich verzögerte. Dabei drängte auch das Auswärtige Amt auf eine rasche Umsetzung des deutsch-britischen Grenzabkommens510. Allerdings, darin ist Knorr Recht zu geben, waren Arendts Anweisungen teilweise unklar formuliert, so dass Rückfragen unvermeidlich waren. Knorrs Vorwurf, der Generalkonsul habe dadurch gezielt versucht, ihn in eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Sultan zu verwickeln, geht aber zu weit511. Vielmehr wollte Arendt durch ein rasches militärisches Eingreifen in Witu Holmwood bei den Verhandlungen über den exakten Grenzverlauf nördlich der Manda-Bucht unter Druck setzen. Knorr indes unterstützte die Verhandlungen auf seine Weise: Solange diese andauerten, ließ er »zur Förderung der Schlagfertigkeit« die ihm unterstellten Schiffe umfangreiche Schießübungen unfern Sansibar absolvieren, »einschließlich die mit Torpedos, Revolver- und Bord-Kanonen«512, um seine grundsätzliche Einsatzbereitschaft zu demonstrieren. Bargash bin Said wandte sich in seiner Not telegrafisch an Bismarck und beteuerte, dass er dem Deutschen Reich freundschaftlich gesinnt sei und alles dafür getan habe und weiterhin tun wolle, den Forderungen nachzukommen513. Bevor er jedoch seine Truppen und Beamte aus Witu abziehen könne, müsse dessen Nordgrenze festgelegt werden514. Bargashs Telegramm an Bismarck trug maßgeblich dazu bei, dass Anfang Januar Bewegung in die Sache kam: Auf Druck ihrer Regierungen einigten sich Arendt und Holmwood über die Nordgrenze Witus, woraufhin der Sultan umgehend offiziell die Räumung und Übergabe des Gebietes anordnete. Diesen Vorgang überwachten die »Olga«, »Carola« und »Hyäne« auf Arendts ersuchen515. Anschließend wurde auch der Mordfall Jühlke gesühnt. Zu diesem Zweck befahl Knorr Ende Januar die »Olga«, die »Hyäne« und die »Möwe« nach Kismaju516. Eine Strafexpedition wie 1884 in Kamerun, die Arendt anfangs 510 511 512

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Arendt an Knorr, 24.12.1886, BArch, RM 38/14, Bl. 66 f., hier Bl. 66; H.v. Bismarck an Arendt, 6.1.1887, BArch, RM 38/14, Bl. 100. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 71. Zitate aus: Knorr an Caprivi, 17.1.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 101-106, hier Bl. 105. Siehe dazu auch: Knorr an Caprivi, 29.12.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 131 ff., hier Bl. 131 f.; Knorr an Caprivi, 26.1.1887, BArch, RM 38/14, Bl. 150 ff., hier Bl. 150; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 64 f. Die gesamte Korrespondenz zwischen Bargash bin Said und Bismarck während des deutschsansibarischen Konfliktes um die Jahreswende 1886/87 ist dokumentiert in: BArch, R 1001/8916. Bargash bin Said an Bismarck, 23.12.1886, BArch, R 1001/8916, Bl. 4 ff. Bei der Räumung und Übergabe von Witu kam es zu keinerlei größeren Schwierigkeiten. Vgl. das Protokoll über die Räumung des Küstenstrichs, enthalten in: BArch, RM 1/2909, Bl. 4 f. Korvettenkapitän Felix Bendemann, Kommandant der »Olga« und Leiter der Expedition, verfasste nach seiner Rückkehr auf der Grundlage seiner Erfahrungen einen ausführlichen Bericht über das Volk der Somali zur Orientierung für die Kommandanten der Schiffe auf der Ostafrikanischen Station. Bendemann beschrieb darin, teilweise mit respektvollem, überwiegend jedoch mit verächtlichem Unterton die Lebensweise der Somali, ihre Gebräuche und Sitten, ihre Kleidung und Bewaffnung und warnte vor ihrer feindlichen Haltung gegenüber Europäern und Christen. Er zeichnete von ihnen das Charakterbild eines stolzen, aber religiös-fanatischen, verschlagenen und räuberischen Volkes. »Ich habe bisher bei keinem anderen Volk einen Ausdruck im Auge gesehen«, resümierte er, »der so lebhaft an den der Raubthiere erinnert, wie bei den Somali«. Durch seine Erfahrungen sei er zu der Überzeugung gelangt, »daß jeder Europäer, der sich allein oder mit unzulänglichen Machtmitteln in das Gebiet und in die Gewalt der Somali begiebt, sich einem

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gefordert hatte517, unterblieb jedoch, denn die somalischen Stämme lieferten den Mörder auf Druck von Bargash bin Said an die Deutschen aus. Der erst 15-jährige Tomali-Bursche wurde sofort an Bord der »Olga« verbracht, nach Sansibar überführt und den Sultanatsbehörden zur Bestrafung übergeben. Der Sultan protestierte energisch gegen den Vorwurf, mittelbar der Anstifter des Mordes zu sein, zeigte sich ansonsten aber äußerst kompromissbereit. Arendt hingegen zögerte, an dem anberaumten Prozess gegen den Beschuldigten teilzunehmen, weil er dessen Identität anzweifelte. Ohne seine Teilnahme konnte der Prozess jedoch gemäß Artikel 16 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages, den Knorr 1885 mit dem Sultan ausgehandelt hatte, nicht durchgeführt werden. Knorr traf schließlich eine folgenschwere Entscheidung, um die Angelegenheit rasch zum Abschluss zu bringen: Er entsprach der Bitte des Sultans, anstelle von Arendt für die Verhandlung dieser rein strafrechtlichen Angelegenheit einen Marineoffizier als Repräsentanten des Deutschen Reiches abzustellen518. Zwar meldete er seine Entscheidung umgehend telegrafisch an die Admiralität, aber Caprivis telegrafische Antwort zwei Tage später, Knorr solle sich auch aus dieser Angelegenheit heraushalten, erreichte den Geschwaderchef zu spät – der Prozess war bereits beendet. Arendt reagierte empört auf diese Untergrabung seiner Autorität und mischte sich nun aktiv in das Verfahren ein. Der Beschuldigte war zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, nach sansibarischem Recht die Höchststrafe für die Tötung eines »Ungläubigen«. Arendt war das nicht genug. Mit Rückendeckung der Reichsleitung forderte er den Sultan ultimativ und unter Androhung von Zwangsmaßnahmen auf, ihm den Beschuldigten zwecks Hinrichtung binnen 24 Stunden auszuliefern. Bargash bin Said wandte sich darauf erneut an Bismarck, um die angedrohte Beschlagnahmung seiner Schiffe und wichtigsten Häfen zu verhindern. Er beschwerte sich über Arendts immer weitergehende Forderungen und unterrichtete ihn, dass er der Exekution von Jühlkes Mörder unlängst zugestimmt habe, um »die Forderungen der Hohen Kaiserlichen Regierung zu befolgen«, auch wenn sie »gegen meinen Glauben und [mein] Gesetz«519 verstießen. Bismarck war damit vollauf zufrieden. Durch seine Erpressungsstrategie hatte er jeglichen Widerstand des Sultans gebrochen. Nach dieser Demütigung demonstrierte er jetzt sein Wohlwollen, um die angestrebte freundschaftliche Beziehung zu Bargash zu bekräftigen und diesen nicht weiter schwächen: »Wenn der verurtheilte Mörder in Gegenwart [eines] deutschen Schiffes in Kismaju ohne Verzug hingerichtet wird, will S.M. [der] Kaiser die Frage als erledigt ansehen, ohne [ein] weiteres Verfahren zu verlangen520.« Kaum

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gleichen Schicksal wie Dr. Jühlke aussetzt«. Zitate aus: Bericht Bendemanns über die Somali, 22.2.1887, BArch, RM 1/2708, Bl. 133-143, hier Bl. 134, 137, 142 f. Vgl. ebd., Bl. 133-143. Arendt an Bismarck, 15.12.1886, BArch, RM 1/2449, Bl. 152-161, hier Bl. 161. Diese Aufgabe übernahm der Kommandant der »Olga«, Korvettenkapitän Bendemann. Bargash bin Said verlieh ihm später dafür und für seine militärische Mitwirkung bei der Räumung des Küstengebietes in Witu einen Orden. Vgl. Knorr an Caprivi, 16.3.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 235-239, hier 237; Birken, Das Sultanat Sansibar, S. 152 ff. Zitate aus: Bargash bin Said an Bismarck, 11.2.1887, BArch, R 1001/8916, Bl. 20 ff., hier Bl. 21. Randbemerkung Bismarcks zu einem Telegramm Bargash bin Saids vom 11.2.1887, BArch, R 1001/8916, Bl. 20 ff., hier Bl. 22; siehe auch: Bismarck an Bargash bin Said, 11.2.1887, ebd., Bl. 23. Müller irrt mit der Aussage, dass der Kaiser sich persönlich in die Angelegenheit einge-

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hatte der Sultan dieses Telegramm erhalten, ließ er den Mörder mit einem seiner Dampfer nach Kismaju zurückbringen und dort in Gegenwart des deutschen Vizekonsuls Hunholt sowie der Landungsabteilung der »Olga« am 16. Februar öffentlich hinrichten521. Mit dem Schrecken davon kam der Gouverneur des Sultans in Somaliland: Er war von deutscher Seite als Anstifter des Mordes beschuldigt worden, um den Druck auf Bargash zu erhöhen522. Nachdem sich der Sultan den politischen Forderungen der Reichsleitung gebeugt und ihr seine Freundschaft und zukünftige Kooperation in Kolonialfragen zugesichert hatte, wurde der Gouverneur nicht weiter belangt. Bismarcks Erpressungsstrategie hatte vollumfänglich reüssiert, für den Reichskanzler zählte allein dieser politische Erfolg523.

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mischt habe. Vgl. Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 254 f. Bismarck hat diese politische Entscheidung allein getroffen. Der Mörder wurde von sansibarischen Soldaten erschossen. Vgl. Bericht des Brigadegenerals Mathews an Knorr, 19.2.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 227-230, hier Bl. 229. Müller irrt, dass der Mörder erst am 17. Februar hingerichtet wurde. Vgl. ebd.; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 265. Tatsächlich hatten der Sultan und sein Gouverneur in Kismaju Jühlke ausdrücklich davor gewarnt, nach Somaliland zu gehen, aber dieser hatte die Warnungen ignoriert. Die Expedition war schlecht vorbereitet und mangelhaft ausgerüstet gewesen, weshalb die Freisinnige Zeitung lapidar konstatierte: »Die Schuld an dem Tode Dr. Jühlkes trägt einzig und allein die Leitung der deutschostafrikanischen Gesellschaft, welche sich seit Jahren über allbekannte Thatsachen mit einer geradezu sträflichen Leichtfertigkeit hinwegsetzte.« Zitat aus: Die Ermordung des Dr. Jühlke in Ostafrika. In: Freisinnige Zeitung, 1886, S. 288. Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 72-77; Arendt an Bismarck, 15.12.1886, BArch, R 1001/371, Bl. 20-29; Arendt an Bismarck, 26.1.1887, BArch, R 1001/607, Bl. 5-8; Arendt an Bismarck, 15.12.1886, BArch, RM 1/2449, Bl. 152-161; Knorr an Caprivi, 12.2.1887, ebd., Bl. 165; Knorr an Caprivi, 18.2.1887, ebd., Bl. 170; Arendt an Bismarck (mit Anlagen), 10.1.1887, ebd., Bl. 173-190; Caprivi an H.v. Bismarck, 8.1., 3.2., 4.2.1887, ebd., Bl. 76 f., 187, 194; H.v. Bismarck an Caprivi (teils mit Anlagen), 2.2., 4.2., 11.2., 12.2.1887, ebd., Bl. 188-191, 195 u. 197-200, 205-208, 211-215; Caprivi an Knorr, 3.2., 6.2., 12.2.1887, ebd., Bl. 192, 196 u. 201, 209; Knorr an Caprivi, 2.2., 4.2., 6.2., 13.2.1887, ebd., Bl. 193, 202, 204, 217; Caprivi an Bismarck, 6.2.1887, ebd., Bl. 196; Bargash bin Said an Bismarck, 12.2.1887, ebd., Bl. 220; Caprivi an das Kaiserliche Kommando der Marinestation der Ostsee, 27.1.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 91; Knorr an Caprivi (teils mit Anlagen), 17.1., 15.2., 23.2., 16.3., 5.4.1887, ebd., Bl. 101-121, 141-218, 225 f., 235-239, 255-259; Arendt an Bismarck, 6.3.1887, ebd., Bl. 244; Bargash bin Said an Knorr, 1.1.1887, BArch, RM 38/14, Bl. 97 f.; Bekanntmachung Bargash bin Saids über die Räumung des Gebietes von Kipini bis zur Manda-Bucht, 1.1.1887, ebd., Bl. 99; Knorr an Bargash bin Said, 2.1.1887, ebd., Bl. 102; Arendt an Knorr (teils mit Anlagen), 2.1., 7.1., 8.1., 10.1., 13.1.1887, ebd., Bl. 104-107, 109 f., 113 ff., 126 f., 128 f.; Knorr an Arendt, 3.1., 7.1., 5.8.1887, ebd., Bl. 108, 111 f., 117; Knorr an Bendemann, 8.1., 20.1., 24.1.1887, ebd., Bl. 118-124 (Segelordre), 135 f., 148 f.; Knorr an Caprivi, 9.1., 26.1.1887, ebd., Bl. 124 u. 130-133, 150 ff.; Knorr an Boeters (Segelordre für »Möwe«), 20.1.1887, ebd., Bl. 135; Bargash bin Said an Knorr, 21.1.1887, ebd., Bl. 137 f.; Caprivi an Knorr, 19.1.1887, ebd., Bl. 140; Knorr an Galster (Segelordre für »Hyäne«), 24.1.1887, ebd., Bl. 148; Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen dem deutschen Reiche und dem Sultan von Zanzibar vom 20.12.1885, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 46 (1886), Nr. 8803, S. 148-158; Groot, Great Britain and Germany in Zanzibar, S. 128 ff.; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 262-265; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 171-180. Siehe außerdem die Aktenbestände des Reichskolonialamtes, in denen der Mordfall Jühlke und die Korrespondenz zwischen Bargash bin Said und Bismarck während des deutsch-sansibarischen Konfliktes um die Jahreswende 1886/87 umfassend dokumentiert ist: BArch, R 1001/371-373; BArch, R 1001/8916.

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Die Reichsleitung hatte während des deutsch-sansibarischen Konfliktes von Dezember 1886 bis Februar 1887 fortlaufend mit der britischen Regierung über dessen Entwicklung korrespondiert. Als problematisch erwies sich die Rolle Holmwoods, der durch seine eigensinnige Politik und sein Intrigenspiel die Kolonialentente zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien belastete. Bismarck drängte deshalb Salisbury Ende März 1887, seinen Generalkonsul aus Sansibar abzuberufen. Aus dieser Forderung erwuchs in kurzer Zeit ein heftiger diplomatischer Zwischenfall. Salisbury betrachtete die Angelegenheit zunächst nur als eine affaire de sentiment, für Bismarck jedoch war sie von Anfang an ein Politikum. Um sein Ziel zu erreichen, erhöhte der Reichskanzler kontinuierlich den Druck auf die britische Regierung und wies all ihre Alternativvorschläge zurück. Holmwood müsse abberufen werden, andernfalls, so drohte er schließlich, werde er nicht länger die britischen Interessen in Ägypten unterstützen. Für seine probritische Politik in Nordostafrika, durch welche die deutschen Beziehungen zu Frankreich und Russland belastet würden, verlangte Bismarck von der britischen Regierung einmal mehr ausdrücklich Gefälligkeiten in Sansibar und auch in Samoa. Salisbury wehrte sich zunächst gegen die deutschen Erpressungsversuche, ließ Holmwood aber schließlich Mitte Juni abberufen, nachdem Bismarck ihm tatsächlich die dringend notwendige Unterstützung in der ägyptischen Frage aufgekündigt hatte. Gleichzeitig erklärte er sich zu »Gegenleistungen in Samoa [bereit], welches dem deutschen Einflusse vollständig eingeräumt werde«524. Im Gegenzug revidierte Bismarck seine Haltung zur britischen Ägyptenpolitik und schwenkte auf den kooperativen Kurs zurück. Außerdem ließ er gleichfalls den deutschen Generalkonsul aus Sansibar abberufen525. Der Reichskanzler konnte zufrieden sein, denn auch seine außenpolitische Gesamtstrategie ging zunehmend auf: »Kleine koloniale Konflikte und der Einsatz des ägyptischen Knüppels brachten England immer mehr an die Seite des Deutschen Reiches526.« Nach der Hinrichtung von Jühlkes Mörder wurde das Kreuzergeschwader vorerst nicht mehr in Ostafrika benötigt. Deshalb stimmte Bismarck Ende Februar seiner Verlegung nach Kapstadt zu, wo die stark beanspruchten Schiffe neue Ausrüstung erhielten, notwendige Reparaturen durchgeführt und einiges Personal 524 525

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Plessen an AA, 2.5.1887. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 816, S. 173. H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 26.3.1887, BArch, R 1001/8885, Bl. 54-58; Hatzfeldt an Bismarck, 31.3.1887, ebd., Bl. 60-65; AA an Hatzfeldt, 16.4.1887, BArch, R 1001/8886, Bl. 9 f.; Hatzfeldt an AA, 21.4.1887, ebd., Bl. 13; Bismarck an Hatzfeldt, 22.4.1887, ebd., Bl. 14; Plessen an Bismarck, 25.4.1887, ebd., Bl. 15 f.; Bismarck an Hatzfeldt, 27.4.1887, ebd., Bl. 17; Bismarck an Radowitz, 28.4.1887, ebd., Bl. 18; AA an Hatzfeldt, 28.4.1887, ebd., Bl. 19-22; Plessen an Bismarck, 28.4.1887, ebd., Bl. 23 f.; H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 29.4.1887, ebd., Bl. 25 f.; Plessen an Bismarck, 2.5.1887, ebd., Bl. 28 f.; AA an Plessen, 3.5.1887, ebd., Bl. 30 f.; Plessen an Bismarck, 5.5.1887, ebd., Bl. 35 ff.; AA an Hatzfeldt, 8.6.1887, ebd., Bl. 42 f.; Hatzfeldt an AA, 14.6.1887, ebd., Bl. 44; AA an Hatzfeldt, 15.6.1887, ebd., Bl. 45; Groot, Great Britain and Germany in Zanzibar, S. 133-138; Jantzen, Ostafrika in der deutsch-englischen Politik 1884-1890, S. 63-69; Kröger, »Le bâton égyptien«, S. 128 f.; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 181-184; siehe auch: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 809-815. Kröger, »Le bâton égyptien«, S. 129. Maßgeblich dabei war zweifellos der Einsatz des »ägyptischen Knüppels«. Vgl. u.a. Hatzfeldt an Bismarck, 6.2.1887, PAAA, R 15017 (ohne Paginierung).

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ausgewechselt wurde. Aufgrund seines eigenmächtigen Vorgehens in Sansibar, das nach Ansicht der Reichsleitung den deutschen Interessen erheblich geschadet hatte, wurde Knorr in Kapstadt als Geschwaderchef abberufen und durch Kommodore Carl Eduard Heusner ersetzt. Kurz nachdem der Admiral in der Heimat ausführlich zu seinen Fehltritten vernommen worden war, setzte Bismarck einige Änderungen in der Instruktion für Schiffskommandanten durch, die den politischen Handlungsspielraum von Marineoffizieren im Ausland erheblich einschränkte, um zukünftig politischen Alleingängen vorzubeugen. Kern dieser Änderungen war ein neuer Absatz, der in den Paragraf 12 der Instruktion für Schiffskommandanten eingefügt wurde: »Die Kommandanten der Kaiserlichen Kriegsschiffe«, heißt es darin unmissverständlich, »haben sich jeder Einmischung in die politischen Beziehungen zum Auslande und in die Verhandlungen der diplomatischen und konsularischen Vertreter des Reichs mit fremden Mächten oder Behörden zu enthalten, wenn sie nicht Vollmacht oder Auftrag Seiner Majestät des Kaisers für solche Verhandlungen besitzen«527. Caprivi begrüßte diese Änderungen: »Vom militärischen Standpunkt kann es nur erwünscht erscheinen«, ließ er den Reichskanzler wissen, »wenn den Kommandanten so wenig wie möglich politische Thätigkeit übertragen wird528.« Obwohl sich Knorr nach Auffassung des Kaisers in mehrfacher Weise schuldig gemacht, das heißt gegen Befehle, Vorschriften und den Schutzvertrag mit Sansibar verstoßen hatte529, verzichtete dieser darauf, den Admiral vor ein Kriegsgericht zu stellen. Wilhelm I. beauftragte den Chef der Admiralität lediglich, Knorr »wegen seines vorstehend erörterten Verhaltens Mein lebhaftes Befremden und Mein sehr ernstes Missfallen nachdrücklichst und mit dem Hinzufügen zu erkennen zu geben, wie Ich von der Einleitung des kriegsrechtlichen Verfahrens lediglich im Hinblick auf seine sonstigen guten Dienste und seine tüchtigen Leistungen absehe, durch welche er gerade bei seiner früheren Anwesenheit vor Zanzibar [1885] Meine volle Anerkennung sich erworben hatte, und weil Ich annehmen will, daß es sich bei den vorliegenden Ausschreitungen nur um eine einmalige unrichtige Auffassung seinerseits handelt, der Ich bei seiner weiteren Dienstthätigkeit nie wieder zu begegnen mit Bestimmtheit erwarte«530.

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Deckblatt zur »Instruktion für den Kommandanten eines von S.M. Schiffen oder Fahrzeugen« vom 28.9.1872 mit der gemäß Allerhöchster Kabinettsordre vom 20.9.1887 veränderten Fassung der §§ 6, 12, 15, 16, enthalten in: BArch, R 1001/7138, Bl. 35-38, hier Bl. 35. Vgl. Caprivi an H.v. Bismarck (mit Anlage), 16.8.1887, BArch, R 1001/7138, Bl. 10-16; Berchem an Rottenburg, 22.8.1887, ebd., Bl. 17 ff.; Bismarck an Wilhelm I. (mit Anlagen), 11.7.1887, ebd., Bl. 20-24; Rottenburg an Berchem, 23.8.1887, ebd., Bl. 25; Berchem an Caprivi, 25.8.1887, ebd., Bl. 26-31; Caprivi an AA, 29.8.1887, ebd., Bl. 32; Berchem an Caprivi, 31.8.1887, ebd., Bl. 33; Hollmann an H.v. Bismarck (mit Anlagen), 1.10.1887, ebd., Bl. 34-38; Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 20.9.1887, BArch, RM 1/2849, Bl. 35-38. Caprivi an H.v. Bismarck, 16.8.1887, BArch, R 1001/7138, Bl. 10-13, hier Bl. 11. Konkret hatte Knorr verstoßen gegen: (1) die Segelordre vom 17.11.1886, (2) Caprivis telegrafischen Befehl, sich aus der Gerichtsverhandlung herauszuhalten, (3) Artikel 16 des Schutzvertrages mit Sansibar, (4) Paragraf 15 der Instruktion für Schiffskommandanten und (5) Paragraf 141 des Militär-Strafgesetzbuches. Vgl. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 23.7.1887, BArch, RM 1/2849, Bl. 11 f. Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 23.7.1887, BArch, RM 1/2849, Bl. 11 f., hier Bl. 12.

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Wäre Knorr von einem Kriegsgericht für sein Fehlverhalten verurteilt worden, hätte er gemäß Paragraf 141 des Militär-Strafgesetzbuches eine mehrjährige Freiheitsstrafe im Gefängnis oder in Festungshaft verbüßen müssen. Seiner Karriere hat diese Affäre nicht geschadet: Ende Juni 1886 wurde er zum Inspekteur der I. Marine-Inspektion ernannt und unter Kaiser Wilhelm II., der Knorr wegen seines beherzten Angriffes auf ein französisches Kriegsschiff bei Havanna im November 1870 seit seiner Jugend besonders schätzte531, stieg er sogar zum Kommandierenden Admiral auf und wurde in den Adelsstand erhoben532. e) Strafexpedition in Samoa

Knorr hatte am 15. April das Kommando über das Kreuzergeschwader an seinen Nachfolger Heusner übergeben und war anschließend mit einem britischen Dampfer nach Deutschland gereist, unter anderem mit zwei hohen sansibarischen Orden für Bismarck und Kaiser Wilhelm I. im Gepäck. Bis Anfang Mai waren alle vier Schiffe in den Docks von Kapstadt umfassend instandgesetzt worden. Auch die Besatzungen hatten sich gut erholen können533, der Krankenstand war relativ gering. Im Auswärtigen Amt war zunächst erwogen worden, das Geschwader nach dem Einsatz in Sansibar in die Heimat zurückzubeordern534. Aber dieser Gedanke wurde rasch wieder fallen gelassen. Am 3. Mai erhielt Heusner den telegrafischen Befehl, nach Sydney abzugehen. Dort sollte das Kreuzergeschwader bis auf Weiteres die vorliegenden Requisitionen auf der Australischen Station und in den Südsee-Kolonien erledigen. Bereits Ende Februar hatte das Auswärtige Amt nach einer entsprechenden Anfrage Caprivis der Admiralität mitgeteilt, es wünsche, dass sich das Geschwader zunächst von Kapstadt nach Australien und den Schutzgebieten in der Südsee begebe. Aus »handelspolitischem Interesse«535 sollten die Schiffe anschließend Japan besuchen, was im Vorjahr wegen der dortigen Cholera531 532

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Siehe dazu: Eberspächer/Wiechmann, Admiral Eduard von Knorr (1840-1920), S. 241, 249. Wilhelm I. an Knorr, 1.2.1887, BArch, N 578/3, Bl. 17; Wilhelm I. an Knorr, 28.6.1887, ebd., Bl. 18; Wilhelm II. an Knorr, 13.5.1895, ebd., Bl. 28; Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 77-104; Caprivi an H.v. Bismarck, 3.2.1886, BArch, RM 1/2447, Bl. 187; H.v. Bismarck an Caprivi, 4.2.1887, ebd., Bl. 195; H.v. Bismarck an Caprivi, 18.4.1887, ebd., Bl. 250 ff.; Caprivi an H.v. Bismarck, 23.2.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 123 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 24.2.1887, ebd., Bl. 126; Caprivi an H.v. Bismarck, 25.2.1887, ebd., Bl. 127 f.; Caprivi an Knorr, 26.2.1887, ebd., Bl. 129; Wilhelm I. an Caprivi (Kabinettsordre), 23.7.1887, BArch, RM 1/2849, Bl. 11 f.; Wilhelm II. an Knorr (Kabinettsordre), 18.1.1896, BArch, RM 4/161, Bl. 19; Krauel an Michahelles, 12.8.1887, PAAA, N 129/2, Nr. 20; Hildebrand/Henriot, Deutschlands Admirale, S. 263; Militär-Strafgesetzbuch; siehe auch: Instruktion für den Kommandanten eines von S.M. Schiffen oder Fahrzeugen, 28.9.1872, zit. in: Bütow, Die Kaiserlich Deutsche Marine, Teil II, Abt. 4, S. 1-50, hier S. 5, § 15; Marineverordnungsblatt, 10 (1879), 1, Verordnung Nr. 1, S. 1. Zur amtlichen Untersuchung des Konfliktes zwischen Knorr und Arendt siehe die Aktenbestände R 1001/7165 und R 1001/7166 im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde. Siehe dazu: Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 71-82. Randbemerkung, vermutlich von Krauel, zu einem Schreiben von Holleben an Bismarck vom 7.11.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 55 ff., hier Bl. 57. H.v. Bismarck an Caprivi, 27.2.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 130. Siehe dazu auch: Holleben an Bismarck, 7.11.1886, BArch, R 1001/7127, Bl. 55 ff.

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Epidemie und der raschen Abkommandierung des Kreuzergeschwaders nach Sansibar nicht möglich gewesen war536. Bei der einmonatigen Überfahrt von Kapstadt nach Sydney, in teils stürmischem Wetter und fast ausschließlich unter Segel, zeigte sich, dass die Schiffe trotz der mehrwöchigen Instandsetzung in Südafrika bereits enorm verschlissen waren: Auf der »Olga« brach kurz vor der Ankunft in Sydney die Großrahe, weshalb sie den Rest der Reise unter Dampf zurücklegen musste. Außerdem mussten nach der Ankunft in Sydney auch kleinere Reparaturen an den Maschinen der »Carola« und der »Olga« vorgenommen werden. Teilweise dauerten die erneuten Instandsetzungsarbeiten fast zwei Monate. Dennoch, konstatierte Heusner in einem Bericht über das Ausbildungsprogramm während der Seefahrt, »haben sich die Kreuzerkorvetten auch auf dieser Reise als gute Schulschiffe gezeigt«537. Durch die hohe Beanspruchung der Schiffe kam es immer wieder zu derartigen Pannen und Ausfällen, darunter auch viele, meist kleinere Kesselschäden, die in der Regel jedoch relativ rasch in einem naheliegenden, meist britisch besetzten Hafen repariert werden konnten und somit die Einsatzfähigkeit des Kreuzergeschwaders nur selten längerfristig beeinträchtigten. Kurz bevor der Verband in Sydney einlief, starb der Kommandant der »Olga«, Korvettenkapitän Heinrich von Reichenbach, an einem Herzschlag. Als Ersatz schickte Caprivi aus der Heimat den Korvettenkapitän Franz Strauch. Während der langen Liegezeit in Sydney nahmen die Offiziere unter anderem an den Feierlichkeiten anlässlich des fünfzigjährigen Thronjubiläums von Queen Victoria teil. Wie schon in Kapstadt, ließ Heusner Proviant und Ausrüstungsgegenstände ergänzen. Außerdem wurde auf der »Olga« ein turnusmäßiger Besatzungswechsel durchgeführt. Im Gegensatz zum Vorjahr verhielten sich die britischen Regierungsvertreter diesmal zurückhaltender gegenüber den deutschen Soldaten, von der Bevölkerung jedoch wurden Offiziere und Mannschaften »mit großer Zuvorkommenheit aufgenommen«538, wie der Geschwaderchef im August resümierend nach Berlin berichtete539. Während in Sydney schon offen über eine »ganz besondere Mission« des deutschen Kreuzergeschwaders spekuliert wurde, die »dem Interesse Australiens doch zuwider laufen müsse«540, erhielt Heusner den telegrafischen Befehl, nach Ab536

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Knorr, Meine Erinnerungen (wie Kap. II, Anm. 40), Bd 5, S. 89-104; Caprivi an H.v. Bismarck, 25.2.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 127 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 27.2.1887, ebd., Bl. 130; Heusner an Caprivi, 27.4.1886, ebd., Bl. 262 f.; Lieber an Bismarck, 9.5.1886, ebd., Bl. 269 f.; Caprivi an Heusner, 25.7.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 3; Übergabe-Protokoll des Geschwaderkommandos, 15.4.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 1; Caprivi an Heusner, 3.5.1887, ebd., Bl. 10; Caprivi an Heusner (Segelordre), 27.5.1887, ebd., Bl. 33 f. Heusner an Caprivi, 24.6.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 27-32, hier Bl. 27. Heusner an Caprivi, 18.8.1887, ebd., Bl. 63-66, hier Bl. 63. Ebd.; Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert), BArch, MSg 2/56, Bl. 1-16; Heusner an Caprivi, 9.6.1887, BArch, RM 1/2733, Bl. 271; Heusner an Caprivi (mit Anlage) 9.6.1886, BArch, RM 1/2734, Bl. 4-7; Heusner an Caprivi, 6.7.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 37 ff.; Caprivi an Heusner, 31.7.1887, ebd., Bl. 58; Heusner an Caprivi, 18.8.1887, ebd., Bl. 63-66; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 83-95. Zitate aus: Heusner an Caprivi, 19.7.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 49-55, hier Bl. 54. Siehe dazu auch: Georg A. Müller: Tagebuch vom 20.12.1876 bis 1.4.1899, BArch, N 159/2, Bl. 171 ff.

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schluss der Reparaturen nach Apia zu gehen, »um Requisitionen des Konsuls wegen Genugtuung für Mißhandlung von Deutschen zu gewärthigen«541. Dort waren nach einer Geburtstagsfeier für Kaiser Wilhelm I. am Abend des 22. März mehrere Deutsche auf dem Heimweg von Samoanern überfallen und durch Steinwürfe zum Teil schwer verletzt worden; die Täter hatten unerkannt entkommen können. Unter dem Deckmantel der Sühnung dieses Vorfalles sollte der Einsatz des Kreuzergeschwaders (1) die deutschfreundliche Partei Tamaseses stärken, (2) eine Störung des Status quo durch Agitationen von britisch-amerikanischer Seite zugunsten Malietoas verhüten und (3) den Einheimischen verdeutlichen, dass die Reichsleitung entschlossen war, ihre Interessen in Samoa »mit Nachdruck zu schützen« und »wir über die hierzu erforderlichen Machtmittel verfügen«542. An den Befehl schloss sich die knappe Information an, dass »eine bewaffnete Einmischung in einheimische Partei-Verhältnisse vorläufig nicht beabsichtigt [ist]. Komplikation durch hawaische Einmischung [sind] jedoch nicht ausgeschlossen«543. Als Anfang August alle Schiffe seeklar waren, verließ das Kreuzergeschwader den Hafen von Sydney. Bis zuletzt war der Geschwaderchef bestrebt, das wahre Ziel der Reise geheim zu halten und zu verschleiern, um die Mission nicht zu gefährden. Tatsächlich erfuhr niemand in Sydney, wohin das Kreuzergeschwader als nächstes gehen sollte, nicht einmal die Besatzungen der deutschen Schiffe. »Wir glaubten Alle zu erst unsere Reise sollte nach Zanzibar hingehen«, vermerkte ein Besatzungsangehöriger der »Olga« in seinen Reiseaufzeichnungen, »weil wir auch zu erst den Kurs nach dort hin einschlugen, dieses jedoch war nur um das am Meeresstrande versammelte Publikum zu täuschen, denn als wir aus der Sichtweite kamen[,] wurde der Kurs geändert und zwar auf O[st] N[ord] O[st;] gleichzeitig signalisierte daß [sic] Flaggschiff[,] daß die Reise nach den Samoainseln ginge und zwar nach der Hauptstadt Apia«544. Heusner ließ die Überfahrt »vorzugsweise unter Segel« zurücklegen, »da

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(Aufzeichnungen vom 13.7.1887, dazu ein Artikel aus einer australischen Tageszeitung mit dem Titel: »Germany and Samoa. The Sudden Departure of the German fleet. Something in the Wind«). Caprivi an Heusner, 1.7.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 51. H.v. Bismarck an Caprivi, 17.6.1887, BArch, R 1001/2643, Bl. 36 ff., hier Bl. 38; siehe auch: Wietersheim an Heusner (mit Anlagen), 20.7.1887, BArch, RM 1/2721, Bl. 48-62. Caprivi an Heusner, 1.7.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 51. Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert), BArch, MSg 2/56, Bl. 16 f. Bei dem hier zitierten Reisebericht handelt es sich um persönliche Aufzeichnungen eines Besatzungsangehörigen der »Olga« im Unteroffiziersrang von Mai 1887 bis Mai 1889, die dieser rückblickend verfasste. Offenbar hat der Autor sich bei der Niederschrift nur auf sein Gedächtnis verlassen, denn bei einigen Zeit- und Ortsangaben gibt es Ungenauigkeiten; beispielsweise datierte er das Auslaufen des Kreuzergeschwaders aus Sydney auf den 2. September 1887, tatsächlich jedoch verließ dieses die australischen Gewässer bereits einen Monat zuvor. Dennoch ist der 138 Seiten umfassende Reisebericht, der nur als handschriftliches Manuskript überliefert ist, sehr lesenswert. Er ist anschaulich geschrieben und vermittelt ein lebendiges Bild vom Dienst im Fliegenden Kreuzergeschwader aus der Perspektive eines unteren Dienstgrades, ebenso wie der schon mehrfach angeführte Reisebericht von C.F. Sperling, der von 1886 bis 1888 als junger Unteroffizier auf der »Bismarck« fuhr. Vgl. Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge.

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ich auf Kohlen in Apia nur in geringer Qualität rechnen kann«545. Aus diesem Grund ließ er auch die Kohlendepots in Matupi und Jaluit, die das Geschwader später noch anlaufen sollte, auffüllen und dirigierte zudem eine Ladung Munition nach Matupi, damit der Verband »in dieser Beziehung nicht leicht in Verlegenheit«546 kommt. Dem Stationär »Adler« hinterließ er den Befehl, bis auf Weiteres die deutschen Interessen im Bismarck-Archipel wahrzunehmen547. Heusner vermutete, dass der Aufenthalt in Apia nicht von langer Dauer sein werde. Nach einem Bericht von Korvettenkapitän Friedrich von Wietersheim, Kommandant des »Adler«, von Mitte Juni schien der örtliche Generalkonsul »keine Instruktion zu haben, die ein energisches Vorgehen gestattet«548. Deshalb befürchtete Heusner, dass »sich leicht der Fall der letzten Anwesenheit des Geschwaders wiederholen [dürfte], nämlich, daß der Kaiserliche Vertreter sich trotz der unverschämtesten Provokationen seitens der Eingeborenen nicht in der Lage sieht, eine Requisition zum Einschreiten an den Geschwaderchef zu stellen und dieser die Inseln verlässt, um die Ehre der Flagge nicht zu compromittieren«549. Ebenso wie Knorr war Heusner geneigt, den gordischen Knoten der SamoaPolitik mit militärischer Gewalt zu lösen, ungeachtet der weltpolitischen Konsequenzen. Diese Haltung war seinerzeit im Seeoffizierskorps weit verbreitet. Aber – und das ist ein wesentlicher Unterschied zur Ära Bülow und Tirpitz – der Primat der Politik wurde auch bei solch gravierenden Differenzen zu Bismarcks und Caprivis Zeiten niemals in Frage gestellt. Indes sollten sich Heusners Befürchtungen nicht bestätigen. Vielmehr sollte er die Gelegenheit bekommen, die Schmach des Vorjahres zu tilgen. Nachdem das Kreuzergeschwader im Mai 1886 Apia verlassen hatte, war es in der Samoa-Frage zu heftigen Auseinandersetzungen vor allem zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika gekommen, die beide ihren Hegemonialanspruch durchzusetzen versuchten. Als im Frühjahr 1887 der hawaiische König David Kalakaua, angetrieben von der Vision eines polynesischen Großreiches unter seiner Führung, ein politisches Bündnis mit Malietoa schloss

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Heusner an Caprivi, 3.8.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 60 f., hier Bl. 60. Zur Problematik der Kohlenergänzung in Samoa siehe auch: Valois, Unsere Marine im Dienste der kolonialen Bewegung, 10, S. 675. Heusner an Caprivi, 3.8.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 60 f., hier Bl. 60. H.v. Bismarck an Caprivi, 17.6.1887, BArch, R 1001/2643, Bl. 36 ff.; AA an Becker, 28.6.1887, ebd., Bl. 45 f.; Caprivi an AA, 21.6.1887, BArch, RM 1/2427, Bl. 75; H.v. Bismarck an Caprivi, 23.6.1887, ebd., Bl. 80; H.v. Bismarck an Caprivi, 25.6.1887, ebd., Bl. 81; Caprivi an H.v. Bismarck, 28.6.1887, ebd., Bl. 83; H.v. Bismarck an Caprivi, 29.6.1887, ebd., Bl. 84 ff.; AA an Caprivi, 28.7.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 9; Heusner an Caprivi, Datum unleserlich [Ende Juli 1887], ebd., Bl. 11; Caprivi an Heusner, 5.8.1887, ebd., Bl. 20; AA an Caprivi, 24.8.1887, ebd., Bl. 26-35; Heusner an Caprivi, 19.7.1887, ebd., Bl. 49-55; Heusner an Caprivi, 20.8.1887, ebd., Bl. 70 f.; H.v. Bismarck an Caprivi, 11.6.1887, BArch, RM 1/2896, Bl. 61 f.; Becker an Bismarck, 30.3.1887, ebd., Bl. 63; Becker an Bismarck, 16.4.1887, ebd., Bl. 65 f.; Caprivi an Heusner, 1.7.1887, BArch, RM 38/21, Bl. 51; Caprivi an Heusner, 28.7.1887, ebd., Bl. 54; Heusner an Caprivi, 1.8.1887, ebd., Bl. 59; Heusner an Caprivi, 3.8.1887, ebd., Bl. 60 f. Heusner an Caprivi, 19.7.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 49-55, hier Bl. 53. Ebd.

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und ein Kriegsschiff nach Apia schickte550, vermutete Bismarck dahinter – zu Unrecht – eine verdeckte Initiative der USA. Deshalb drohte der Reichskanzler Hawaii Anfang August mit Krieg, falls es sich weiterhin in die samoanischen Angelegenheiten einmischen sollte, obwohl Kalakauas Großmachtpolitik schon einige Wochen zuvor infolge eines Aufstandes gegen seine Regierung gescheitert war. Wie bereits oben ausgeführt, hatte Bismarck im Frühjahr 1887 die Unterstützung Salisburys in der Samoa-Frage erpresst551 und am 23. April einen entsprechenden Geheimvertrag mit der britischen Regierung abgeschlossen. Trotzdem konnte er auf der Samoa-Konferenz in Washington im Sommer 1887 keinen entscheidenden Durchbruch erzielen. Seine Initiative, durch fingierte Wahlen eine pro-deutsche Regierung unter Malietoas Gegenspieler Tamasese zu installieren, scheiterte am hartnäckigen Widerstand der USA. Weil zudem noch Generalkonsul Eduard Becker aus Apia von zunehmenden Übergriffen auf Vertreter und Eigentum der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft (DHPG) berichtete, gingen Herbert von Bismarck und sein Kolonialreferent Heinrich Richard Krauel schließlich in die Offensive. Sie drängten den Reichskanzler, Malietoa gewaltsam durch das Kreuzergeschwader entfernen zu lassen und Tamasese zum neuen König zu proklamieren. Trotz seiner Bedenken konnten sie Bismarck schließlich davon überzeugen, in Samoa härter durchzugreifen. Am 7. August wurde Generalkonsul Eduard Becker telegrafisch angewiesen, nach dem Eintreffen des Kreuzergeschwaders Malietoa ultimativ aufzufordern, sofort »Satisfaction für die Beleidigung des Kaisers und der nationalen Ehre durch Vorgänge am 22. März«552, Schadensersatz für die geraubten Güter der DHPG zu leisten und zukünftig Rechtsschutz für Reichsangehörige in Samoa, wobei letzteres nur durch die Abdankung des Königs zu erreichen sei. Wenn dieser nicht selbst abdanke, sollte Becker ihm den Krieg erklären, ihn festnehmen lassen und Tamasese als König anerkennen. Diese Instruktion sollte Becker dem Geschwaderchef zeigen und in völliger Übereinstimmung mit diesem handeln – ein notwendiger Zusatz, wie die letzten Einsätze des Kreuzergeschwaders gezeigt hatten. Die Admiralität wurde angewiesen, das Geschwader »bis zur endgültigen Regelung unserer Reklamationen« in Apia zu belassen, anschließend sollte zumindest ein Kriegsschiff dauerhaft »zum Schutz der deutschen Interessen«553 in den samoanischen Gewässern stationiert werden554. 550

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Bei dem Kriegsschiff handelte es sich um einen alten britischen Handelsdampfer, der mit acht Kanonen bestückt und Ende März 1887 offiziell unter dem Namen »Kaimiloa« als Schulschiff der hawaiischen Marine in Dienst gestellt worden war. Siehe Kap. II.d. Bismarck an Becker, 7.8.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 153. Gemeint war damit der o.g. Übergriff auf Reichsangehörige durch Samoaner in Apia. Zitate aus: AA an Caprivi, 7.8.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 151 f. H.v. Bismarck an Caprivi, 25.6.1887, BArch, RM 1/2427, Bl. 81; H.v. Bismarck an Becker, 28.6.1887, ebd., Bl. 87 f.; AA an Caprivi (mit Anlage), 2.12.1887, ebd., Bl. 178 f.; AA an Caprivi, 7.8.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 151 f.; Bismarck an Becker, 7.8.1887, ebd., Bl. 153; Deutsches Generalkonsulat in Sydney an Becker, 8.8.1887, ebd., Bl. 158; AA an Caprivi, 22.8.1887, ebd., Bl. 167; Wietersheim an Heusner, 20.7.1887, BArch, RM 1/2721, Bl. 48-62; Kennedy, Bismarck’s Imperialism, S. 273-276; Kennedy, The Samoan Tangle, S. 56-67; Kuykendall, The Hawaiian Kingdom, vol. 3, S. 322-339.

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Caprivi zeigte sich zwar »über die dem Geschwader zugedachte Aufgabe sehr erfreut«555, äußerte aber zugleich Bedenken gegen diese Intervention fern der Heimat: Wie sollte sich der Geschwaderchef verhalten, falls britische und amerikanische Kriegsschiffe auf Seiten Malietoas in die Kampfhandlungen eingriffen? Welche Konsequenzen hätte ein deutsch-hawaiischer Krieg? Wie könnte ein solcher Krieg geführt werden? Wie würden sich die USA dazu verhalten? Diese Fragen übermittelte er dem Auswärtigen Amt mit der Bitte, die Instruktionen sowohl für den Generalkonsul als auch den Geschwaderchef entsprechend zu konkretisieren. Eine Einmischung Kalakauas zugunsten Malietoas, beruhigte ihn das Auswärtige Amt, sei nicht zuletzt wegen der jüngsten Revolte in Honolulu »wenig wahrscheinlich«, deshalb scheine auch der Fall einer Kriegserklärung an Hawaii »noch sehr fern zu liegen«556. Gleichwohl wurde Heusner ermächtigt, einen etwaigen »Widerstand Hawaiis gegen unsere Maßnahmen in Apia zu brechen«557, die Einleitung weiterer kriegerischer Aktionen aber blieb allein der Reichsleitung vorbehalten. Bismarck wollte keinesfalls um der deutschen Interessen in Samoa willen einen Krieg mit den anderen Vertragsmächten riskieren. Deshalb informierte er die britische Regierung Mitte August »im Allgemeinen«558 und kurz darauf auch die amerikanische Regierung »in ähnlicher Weise«559 über die geplante Intervention, um ihre Haltung dazu und ihre möglichen Reaktionen darauf zu eruieren. Von Großbritannien erhielt er Rückendeckung für sein Vorgehen, wenn, was er beteuert hatte, die bestehenden Verträge nicht gebrochen würden. Der Council of Ministers beschloss sogar auf Bismarcks Wunsch hin, während der militärischen Aktion keine Kriegsschiffe nach Samoa zu schicken, um Spannungen von vornherein zu vermeiden. Für die britische Regierung war dieser Deal letztlich nur »a matter of ›give & take‹, and we had agreed to give Germany a free hand in Samoa, just as Germany had agreed to give us a free hand in Egypt«560. Die amerikanische Regierung nahm die Benachrichtigung »ohne Ueberraschung oder Unruhe« entgegen, betonte aber, dass sie »der Fortdauer der Neutralität Samoas die größte Wichtigkeit für den Welthandel beilege«561, und setzte so der deutschen Intervention klare Grenzen562. 555 556 557 558 559 560 561 562

Promemoria des AA betreffend die Samoa-Angelegenheit, 9.8.1887, BArch, R 1001/2846, Bl. 35 f., hier Bl. 35. Zitate aus: AA an Caprivi, 10.8.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 164 f. AA an Caprivi, 13.8.1887, ebd., Bl. 166 (Hervorhebung im Original). AA an Caprivi, 22.8.1887, ebd., Bl. 167. AA an Caprivi, 1.9.1887, ebd., Bl. 168. Zit. nach: Kennedy, The Samoan Tangle, S. 69. Zitate aus: AA an Caprivi, 1.9.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 168. Zusammenfassung mündlicher Stellungnahmen Bismarcks zur Samoa-Frage, 1.8.1887, BArch, R 1001/2846, Bl. 5 ff.; Bismarck an Alvensleben und Hatzfeldt, 7.8.1887, ebd., Bl. 13-17; Caprivi an H.v. Bismarck, 10.8.1887, ebd., Bl. 38 f.; Hatzfeldt an Bismarck, 13.8.1887, ebd., Bl. 64-69; AA an Alvensleben, 17.8.1887, ebd., Bl. 70; Alvensleben an Bismarck, 29.8.1887, BArch, R 1001/2847, Bl. 16 f., 18 ff.; Promemoria des AA betreffend die Samoa-Angelegenheit, 21.9.1887, ebd., Bl. 65 ff.; Caprivi an H.v. Bismarck, 8.8.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 154 f.; AA an Caprivi (mit Anlage), 8.8.1887, ebd., Bl. 156 f.; AA an Becker, 8.8.1887, ebd., Bl. 159; Caprivi an H.v. Bismarck, 9.8.1887, ebd., Bl. 161; Caprivi an H.v. Bismarck, 13.10.1887, eb., Bl. 162 f.; AA an Caprivi, 10.8.1887, ebd., Bl. 164 f.; AA an Caprivi, 13.8.1887, ebd., Bl. 166; AA an Caprivi, 22.8.1887, ebd., Bl. 167; AA an Caprivi, 1.9.1887, ebd., Bl. 168; Kennedy, The Samoan Tangle,

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Unterdessen hatte die Strafexpedition gegen Malietoa bereits begonnen: Am 24. August, fünf Tage nach der Ankunft des Kreuzergeschwaders in Apia, erklärte Becker dem samoanischen König den Krieg. Einen Tag zuvor hatte der Postdampfer »Lübeck«, der regelmäßig zwischen Sydney und Apia verkehrte, den Hafen verlassen. Samoa war nun für einige Tage von der Außenwelt abgeschnitten, eine rasche Unterrichtung und Einmischung der britischen oder amerikanischen Regierung dadurch ausgeschlossen. Das ist eines der wenigen Beispiele, bei denen es der Kaiserlichen Marine gelang, mangelhafte Kommunikationsmöglichkeiten in Übersee zu ihrem Vorteil zu nutzen. Kaum war die Rauchfahne des Postdampfers am Horizont verschwunden, erteilte Heusner seinen Landungstruppen den Befehl, sich gefechtsklar zu machen. Zur selben Zeit übermittelte Becker dem König das Ultimatum: Bis zum nächsten Morgen um 11 Uhr sollte er 4000 Dollar Entschädigung zahlen563 und – »damit Recht und Gerechtigkeit zur Herrschaft gelangen«564 – abdanken. Als Malietoa sich drei Tage Bedenkzeit erbat, erklärte Becker ihm sofort den Krieg. Es gelang jedoch nicht, Malietoa zu Beginn des Feldzuges festzunehmen, weil dieser kurz zuvor Apia verlassen hatte. Zwar wurden die Bewohner der Stadt »alle ohne Ausnahme auf einen Haufen getrieben, um vielleicht den König auf diese Weise mit zu fangen«, wie ein Expeditionsteilnehmer in seinen persönlichen Aufzeichnungen notierte, »aber leider war [auch] das alles umsonst«565. Deshalb konzentrierte sich das etwa 220 Mann starke Landungskorps566 zunächst darauf, alle neuralgischen Punkte in Apia zu besetzen, die im Regierungsgebäude eingelagerten Waffen und Munition zu beschlagnahmen sowie an dessen Flaggenstock die Reichskriegsflagge zu hissen. Gleichzeitig schickte Heusner die »Carola«, die er »bei der hiesigen Entwicklung der Dinge in Apia entbehren konnte«567, zum Wohnsitz Tamaseses nach Leulumoega.

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567

S. 67-70; Koch, General v. Caprivi als Chef der Admiralität, S. 39 f. Walter Nuhn geht auf die diplomatische Vorbereitung der Militäraktion nicht ein und behauptet, diese sei ein fait accompli der Reichsleitung gewesen. Diese Darstellung ist falsch. Vgl. Nuhn, Kolonialpolitik und Marine, S. 77. Kennedy irrt mit der Angabe, dass die geforderte Summe 13 000 Dollar betrug. Vgl. Becker an Malietoa, 23.8.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 131; Kennedy, The Samoan Tangle, S. 69. Becker an Malietoa, 23.8.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 131. Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert), BArch, MSg 2/56, Bl. 23. Apia wurde am 24.8.1887 von den Landungsabteilungen der »Olga« und der »Sophie« besetzt. Die o.g. Zahl basiert auf einer Stärkeübersicht der Landungsdivision des Kreuzergeschwaders von August 1887, enthalten in: BArch, RM 1/2431, Bl. 25. Demnach verfügte das Flaggschiff des Kreuzergeschwaders über eine 185 Mann starke Landungsabteilung (zuzüglich 21 Mann Bootswache), während die anderen drei Schiffe über eine jeweils 110 Mann starke Landungsabteilung verfügten (zuzüglich je 13 Mann Bootswache). Insgesamt umfasste die Landungsdivision demzufolge mit ihrem achtköpfigen Stab 523 Mann (zuzüglich 60 Mann Bootswachen). Kennedys Angabe von etwa 700 Mann ist deutlich zu hoch. Vgl. Kennedy, The Samoan Tangle, S. 69. In den Bordakten des Kreuzergeschwaders (konkret: BArch, RM 38/6) sind überwiegend ungenaue oder gar keine Angaben über die Stärke der an den Operationen in Samoa eingesetzten Truppen enthalten. Heusner an Caprivi, 9./12.9.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 110-130, hier Bl. 111.

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Einige Stunden später saß derselbe auf Malietoas Thron und seine Flagge wehte vor dem Regierungsgebäude, das zwischenzeitlich von den deutschen Truppen geräumt worden war. Schon bei der Ankunft in Apia hatte Heusner dem neuen Herrscher einen Staatsempfang bereitet und seiner Flagge mit 21 Schuss salutiert. Tamaseses Proklamation zum neuen samoanischen König am 25. August war nur noch Formsache, ebenso wie seine formelle Anerkennung im Namen der Reichsleitung durch den deutschen Generalkonsul. Zwar protestierten Beckers britischer und amerikanischer Amtskollege gegen diesen gewaltsamen Regime Change, aber letztlich verhielten sie sich passiv, da ihnen die Hände gebunden waren. Jeglicher Widerstand der Einheimischen wurde von den Marinesoldaten sofort rücksichtslos im Keim erstickt, die Anerkennung Tamaseses, wo nötig, ultimativ »erzwungen durch Furcht vor [dem] Geschwader«568. Daran beteiligt waren neben Tamaseses Truppen auch die Angestellten der DHPG, die alle militärischen Operationen »in jeder Weise«569 unterstützten, wie Heusner lobend in einem Bericht an die Admiralität hervorhob. Tote gab es keine, weil die Samoaner sich kaum gegen das Vorgehen der deutschen Truppen wehrten, wohl aber einige gebrochene Frauenherzen, die von den jungen Marinesoldaten im Sturm erobert und nicht selten nach einigem Liebesspiel wieder fallen gelassen wurden570. Von der anglo-amerikanischen Presse wurde die deutsche Intervention zwar durchweg, aber – von wenigen Ausnahmen abgesehen – relativ moderat kritisiert. Der nordamerikanische »New York Herald« pointierte und generalisierte diese Kritik mit Blick auf die allgemeinen politisch-militärischen Praktiken der Großmächte zur Durchsetzung ihrer Interessen in Übersee: »The Great Powers have a queer method of acquiring new territory. It is the diplomatic method, with a man-of-war accompaniment. For example, the Germans want to get a better foothold on the Samoan Islands, in the Pacific. The first step is to send a formidable gunboat, in order to produce a strictly moral influence. The second is to demand of Malietoa a heavy fine. What for? Well, that does not make the slightest difference. If Malietoa pays it, then the diplomatic opportunity is lost, and the commander of the squadron must either wait for or else make another chance. If Malietoa rebels, then everything is in proper trim for a business operation. Troops are landed under plea of quelling the rebellion, and in the interests of peace the squadron quietly takes posses-

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Heusner an Caprivi, o.D. [Ende September 1887], BArch, RM 1/2431, Bl. 174. Heusner an Caprivi, 9./12.9.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 110-130, hier Bl. 117. In den Reiseaufzeichnungen eines Unteroffiziers der »Olga«, der selbst eine Liebesaffäre mit einer samoanischen Häuptlingstochter hatte, wird die – nicht unübliche – »Fraternisation« einiger deutscher Marinesoldaten mit jungen Samoanerinnen eingehend beschrieben. Vgl. Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert), BArch, MSg 2/56, Bl. 29-35. Als die »Olga« im Mai 1888 den Anker lichtete und Samoa verließ, wurde das Ausmaß der »Fraternisation« für jedermann sichtbar. In seinen Reiseaufzeichnungen notierte der Unteroffizier: »unser Schiff war mit zahlreichen Booten umzingelt, in welchen sich unsere samoanischen Freunde und Freundinnen befanden, bei manchen der Samoaner als auch von uns konnte man deutlich sehen das [sic] ihnen der Abschied recht schwer fiel, hauptsächlich den samoanischen Mädchen war es schwer sich von ihren Liebhabern zu trennen, wir aber trösteten mit einem baldigen Wiederkommen, an welches wir selbst nicht geglaubt haben«. Zitat aus: Ebd., Bl. 35.

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sion of all it can lay its hands on. In the old days this was called conquest. But in the refinement of modern times it has been christened diplomacy571.«

Derweil verliefen die Streifzüge der Landungsabteilungen auf Upolu zur Festsetzung Malietoas, der sich »in den Busch« geflüchtet hatte, zunächst erfolglos. Ebenso wie der britische und der amerikanische Generalkonsul spekulierte er darauf, im Zuge von Verhandlungen zwischen den Vertragsmächten wieder als König eingesetzt zu werden. Aufgrund der komplizierten, langwierigen Nachrichtenübermittlung nach Samoa wussten die dortigen Akteure noch nicht, dass Malietoas Schicksal längst besiegelt war. Großbritannien und die USA hatten ihn schon Ende August fallen gelassen und waren auch jetzt nicht bereit, seinetwegen einen Krieg mit Deutschland zu riskieren. Heusner forderte den abgesetzten König auf, sich dem Landungskorps zu stellen, um weiteres Blutvergießen und einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Malietoas Machtbasis in der samoanischen Bevölkerung war kontinuierlich geschrumpft, seitdem Tamasese im Verein mit seinem deutschstämmigen Premierminister Georg Brandeis die Regierung übernommen hatte. Am 17. September gab Malietoa schließlich auf und begab sich an Bord der »Bismarck« in deutsche Kriegsgefangenschaft, »damit nicht mein Volk dahingeschlachtet werde«572, wie er verlautbaren ließ. Noch am selben Tag hob Heusner den Kriegszustand über der Hauptinsel Upolu auf. Den »unglückliche[n] Exkönig«573 ließ er mit dem »Adler«, der zwischenzeitlich nach Samoa abkommandiert worden und vor Kurzem dort eingetroffen war, mit drei Begleitern nach Cooktown (Australien) und von dort aus auf Befehl Caprivis mit der »Albatroß« nach Kamerun deportieren574, wo er für knapp ein Jahr als Staatsgefangener interniert wurde575. 571 572 573 574

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The Germans at Apia. In: The New York Herald, 19.9.1887 (enthalten in: BArch, R 1001/2847, Bl. 53). Brief Malietoas an den englischen und amerikanischen Konsul in Apia. In: New Yorker Staatszeitung, 31.10.1887 (enthalten in: BArch, R 1001/2850, Bl. 9). Heusner an Caprivi, 20.9.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 149-156, hier Bl. 151. Anfangs war überlegt worden, Malietoa entweder auf den Marshall-Inseln, den Providence-Inseln oder in Deutschland zu internieren. Bismarck präferierte die Marshall-Inseln oder Kamerun. Malietoa war immer noch ein Politikum, deshalb sollte er keinesfalls in Deutschland interniert werden und ihm auch der Status als Kriegsgefangener aberkannt werden. Schließlich wurde er als Staatsgefangener nach Kamerun, ein Jahr später dann – aus gesundheitlichen Gründen – über Deutschland auf die Marshall-Inseln deportiert. Zwei seiner drei Begleiter wurden aus Kostengründen bereits Ende 1887 nach Samoa zurückgebracht. Vgl. den entsprechenden Schriftwechsel zwischen dem Reichskanzler, dem Auswärtigen Amt und der Admiralität, enthalten in: BArch, RM 1/2427, Bl. 182-185; BArch, RM 1/2431, Bl. 177-210; BArch, RM 1/2432, Bl. 14-49, und BArch, RM 1/2896, Bl. 91-94; siehe auch: Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert), BArch, MSg 2/56, Bl. 46 f.; Koch, General v. Caprivi als Chef der Admiralität, S. 39-42; Weck, Deutschlands Politik in der Samoa-Frage, S. 84. Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert), BArch, MSg 2/56, Bl. 22-33; Müller, Tagebuch, BArch, N 159/2, Bl. 177-185 (Aufzeichnungen vom 19.8. bis 21.9.1887); Foreign Office an Hatzfeldt, 15.9.1887, BArch, R 1001/2847, Bl. 41; Alvensleben an Bismarck, 12.9.1887, ebd., Bl. 85; Bismarck an AA, 5.10.1887, BArch, R 1001/2848, Bl. 47; Deutsches Generalkonsulat in Sydney an Bismarck, 10.9.1887, BArch, R 1001/2848, Bl. 85 f.; Becker an Bismarck, 11.9.1887, ebd., Bl. 94-104; Alvensleben an Bismarck (mit Anlage), 10.10.1887, ebd., Bl. 118 f.; Becker an Bismarck, 9.10.1887, BArch, R 1001/2850, Bl. 18-25; Heusner an Caprivi, 8.8.1887, BArch,

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Zwar war die Deportation Malietoas ein wichtiger Schritt, um die Position des neuen Königs zu stärken, aber Tamaseses Herrschaft war keineswegs gesichert. Deshalb blieb das Kreuzergeschwader noch bis Ende November in Apia stationiert. Heusner unterstützte in dieser Zeit die neue Regierung auch bei zivilen Verwaltungsaufgaben. Weil es in Samoa weder ausreichende Polizeikräfte noch ein adäquates Gefängnis gab, wurden deutsche Marinesoldaten in einigen Fällen zu Polizeiaufgaben herangezogen und Straftäter sowie »Rebellen« in einem eigens dafür hergerichteten Gebäude der DHPG oder auf den deutschen Kriegsschiffen inhaftiert. Internationale Beobachter der Lage sahen sich dadurch in ihrer Auffassung bestätigt, die der australische »Daily Telegraph« am 19. September prägnant zusammenfasste: »Anyhow, nothing is plainer than that Germany by this sudden movement has practically seized Samoa576.« Insgesamt blieb die Lage nach der Intervention relativ ruhig, allerdings kam es Mitte Oktober, nur wenige Stunden nachdem die einzelnen Volksstämme Samoas dem neuen König ihre Treue geschworen hatten577, zu einem schwerwiegenden Zwischenfall: Angestiftet vom amerikanischen Generalkonsul Harold Sewall entwendete in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober ein Einheimischer die Flagge Tamaseses vom Regierungsgebäude in Apia, konnte aber kurz darauf gefasst werden. Am nächsten Tag versuchte ein amerikanischer Kaufmann vergeblich, den Samoaner gegen Kaution freizubekommen. Spät abends ging Sewall persönlich zur Munizipalität und bedrängte den wachhabenden Polizisten, den Inhaftierten freizulassen. Dieser weigerte sich, zeigte dem Generalkonsul aber, wo die Zellenschlüssel lagen und hinderte ihn nicht, als er diese an sich nahm und den Gefangenen befreite. Heusner reagierte auf diesen Vorfall mit einer Machtdemonstration und ließ Apia erneut besetzen578. Als die Reichsleitung einige Tage später telegrafisch

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RM 1/2431, Bl. 170; H.v. Bismarck an Caprivi, 26.9.1887, ebd., Bl. 190; Proclamations of Sewall and Wilson to the People of Samoa, 25.8.1887, ebd., Bl. 231 ff.; Caprivi an Heusner (über das deutsche Konsulat in Auckland), 8.10.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 63; Heusner an Caprivi, 20.8.1887, ebd., Bl. 70 f.; Heusner an Caprivi, 23.8.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 8; Geheimer Tagesbefehl für die Besatzungen der Schiffe des Kreuzergeschwaders, 23.8.1887, ebd., Bl. 10; Heusner an Caprivi (mit Anlagen), 9./12.9.1887, ebd., Bl. 110-137; Heusner an Caprivi, 20.9.1887, ebd., Bl. 149-156; Wietersheim an Heusner (mit Anlagen), 5.10.1887, ebd., Bl. 261-268; Strauch an Deinhard, 17.11.1888, BArch, RM 38/7, Bl. 8 f.; Kennedy, The Samoan Tangle, S. 68 f.; Koch, General v. Caprivi als Chef der Admiralität, S. 40 ff.; siehe auch: Richter, Wie Samoa gewonnen wurde, S. 15-21; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 101-109. Neben Heusners Berichten über die Intervention an die Admiralität sind in den Akten des Kreuzergeschwaders noch zahlreiche weitere Berichte, Befehle und Schriftwechsel dokumentiert, die sich vor allem mit militärischen Details der einzelnen Operationen beschäftigen. Vgl. BArch, RM 38/6, Bl. 10-166. Zit. nach: Deutsches Konsulat in Sydney an Bismarck (mit Anlagen), 19.9.1887, BArch, RM 1/2427, Bl. 123-131, hier Bl. 131. Das Zitat ist der Abschrift eines Artikels mit dem Titel »Germany and Samoa: A Native Village destroyed« aus dem »Daily Telegraph« vom 19.9.1887 entnommen. Vgl. ebd., Bl. 129 f. Eine Beschreibung von Tamaseses Inaugurationszeremonie aus der Sicht eines deutschen Marinesoldaten ist enthalten in: Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 111-114. Formell erfolgte diese Besetzung auf Anfrage Tamaseses. Dabei spielte auch die Handlungsunfähigkeit des Magistrats von Apia eine Rolle, an dessen für den nächsten Tag (13.10.) anberaumter Neuwahl Sewall sich teilzunehmen weigerte. Vgl. Heusner an Caprivi, 17.10.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 177-182, hier Bl. 178 f.; Tamasese an Heusner, 14.10.1887, ebd., Bl. 196; Heusner

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Kenntnis von dem Zwischenfall erlangte, ließ Bismarck den Geschwaderchef umgehend anweisen, »daß er sich, auch wenn er im Rechte wäre, jeder Gewalttat gegen den amerikanischen Generalkonsul zu enthalten habe«579. Wenn Sewall Übergriffe begehe, werde sich die Reichsleitung darüber direkt in Washington beschweren. Repressive Maßnahmen vor Ort hingegen könnten dazu führen, dass die amerikanische Regierung ihre bisherige neutrale Haltung in der samoanischen Frage aufgebe. Nur kein Krieg wegen Samoa! Aus Sicht der Reichsleitung waren durch die Intervention des Kreuzergeschwaders bereits alle politischen Ziele erreicht worden: »Unsere Politik auf den Samoa-Inseln ist nicht auf MachtEntfaltung, sondern auf Sicherung unserer Handels-Interessen gerichtet. Letztere ist mit der Beseitigung Malietoa’s und der Einsetzung eines deutschfreundlichen Häuptlings als König von Samoa gegenwärtig erreicht580.« Sewalls Versuche, einen Konflikt zwischen dem Geschwaderchef und dem Kommandanten einer am 20. Oktober in Apia eingetroffenen amerikanischen Korvette zu schüren, scheiterten an »der verständigen Haltung« des Commander, die »derartige Versuche als aussichtslos erscheinen ließen«581; die »Adams« befand sich auf dem Transit von Hawaii nach Tonga und war zum Schutz der in Samoa ansässigen Amerikaner nach Apia beordert worden. Mitte November hatte sich die politische Lage wieder entspannt. Zwar sah Heusner in Sewall noch immer »eine direkte Gefahr für eine friedliche Entwicklung der Dinge«582, aber jener war inzwischen auf Bitten der Reichsleitung von der amerikanischen Regierung angewiesen worden, sich strikt neutral zu verhalten. Als »die hartnäckigsten Feinde der jetzigen Regierung«583 bezeichnete Heusner die lokalen Vertreter britischer und australischer Firmen584. Nachdem am 22. November der Stationär »Adler« nach Apia zurückgekehrt war, verließ das Kreuzergeschwader Samoa und ging befehlsgemäß über Matupi, wo es die zuvor dorthin dirigierten Munitionsvorräte aufnahm, und Finschhafen

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an Tamasese, 14.10.1887, ebd., Bl. 196; Becker an Sewall, 14.10.1887, ebd., Bl. 198; Becker an Heusner, 25.10.1887, ebd., Bl. 204. H.v. Bismarck an Caprivi, 30.10.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 244 f., hier Bl. 243. Ebd. Zitate aus: Heusner an Caprivi, 8.11.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 81-88, hier Bl. 83. Ebd., Bl. 82. Ebd. Müller, Tagebuch, BArch, N 159/2, Bl. 185-212 (Aufzeichnungen vom 23.9.1887 bis 23.1.1888); AA an Alvensleben, 1.11.1887, BArch, R 1001/2849, Bl. 59; Becker an Bismarck, 9.10.1887, BArch, R 1001/2850, Bl. 18-25; Deutsche Botschaft in Washington an Bismarck, 2.11.1887, ebd., Bl. 29-32; Caprivi an H.v. Bismarck, 10.11.1888, BArch, RM 1/2384, Bl. 46; Caprivi an Strauch, 19.11.1887, BArch, RM 1/2427, Bl. 144; Strauch an Caprivi, 23.12.1887, ebd., Bl. 187; H.v. Bismarck an Caprivi, 23.12.1887, BArch, RM 1/2428, Bl. 25 f.; Heusner an Caprivi, 27.10.1887, BArch, RM 1/2431, Bl. 238; H.v. Bismarck an Caprivi, 30.10.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 244 f., hier Bl. 243; Caprivi an Albedyll, 30.10.1887, ebd., Bl. 246 f.; Heusner an Caprivi, 8.11.1887, BArch, RM 1/2734, Bl. 81-88; Heusner an Caprivi, 20.9.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 149-156, hier Bl. 155; Heusner an Caprivi, 11.10., 17.10., 26.11., 18.12., 17.12.1887, ebd., Bl. 167-173, 177-182, 256-260, 283-286, 297-310; Heusner an das Deutsche Konsulat in Sydney, 16.10.1887, ebd., Bl. 191; Deutsches Konsulat in Sydney an Heusner (mit Anlage), 2.11.1887, ebd., Bl. 222; Heusner an Strauch, 25.11.1887, ebd., Bl. 238-241, hier Bl. 240; Caprivi an Strauch und Heusner, 17.2.1888, ebd., Bl. 319; Strauch an Caprivi, 12.12.1887, ebd., Bl. 325; Strauch an Caprivi, 10.6.1888, ebd., Bl. 389-394.

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nach Hongkong585. Zur Sicherung der deutschen Interessen beließ Heusner die »Olga« – im Verein mit dem »Adler« – in den samaoanischen Gewässern, bis sie Ende April 1888 vom Kanonenboot »Eber« abgelöst wurde. Zwar war durch die Intervention des Kreuzergeschwaders der angloamerikanophile König Malietoa gestürzt und durch den deutschfreundlichen Tamasese ersetzt worden, was kurzfristig besonders dem deutschen Handel zugute kam, aber den gordischen Knoten der Samoa-Politik hatte Heusner dadurch nicht lösen können. Der Archipel blieb ein Spielball der Vertragsmächte und auch der furor consularis ging unvermindert weiter, so dass Bismarck bald darauf verärgert konstatierte: »Die zwei Konsuln in Sansibar und Samoa machen mir mehr Arbeit als alle Botschafter zusammen586.« Noch bevor der Geschwaderchef Samoa verließ, warnte er die Reichsleitung, dass die neue Regierung nur Stabilität gewinnen könne, wenn sie von allen Vertragsmächten unterstützt werde und »auch die Eingeborenen die Überzeugung haben, daß eine endgültige Einigung der Mächte stattgefunden hat«587. Davon konnte Ende 1887 keine Rede sein. Heusner sollte Recht behalten: Kaum hatte mit der »Olga« das letzte Schiff des Kreuzergeschwaders Samoa verlassen, brach ein mehrmonatiger Bürgerkrieg los, der das Regime von Tamasese hinwegfegte, die deutsch-amerikanischen Beziehungen bis an den Rand eines Krieges belastete und sowohl die deutsche Stellung als auch den deutschen Handel empfindlich beschädigte. Innerhalb weniger Monate waren alle politischen Erfolge der Intervention Makulatur. Auch die Berliner Samoa-Konferenz von 1889, auf der ein Tridominium der Vertragsmächte vereinbart und Malietoa als König wieder eingesetzt wurde, konnte keinen dauerhaften Weg aus den Wirren weisen. Samoa blieb bis zu den Teilungsverträgen von 1899 ein permanenter Krisenherd und Zankapfel der Großmächte588. 3. Der »Araberaufstand« in Deutsch-Ostafrika a) Beginn des Aufstandes und erste Gegenmaßnahmen

Das Jahr 1888 war aus deutscher Sicht ein Schicksalsjahr. In kurzer Folge starben der greise Kaiser Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich III., so dass am 15. Juni der erst 29-jährige Wilhelm II., »ein Marineenthusiast ersten Ranges«589, den preußischdeutschen Thron bestieg. Dieser begann sofort »über die Admiralität hinweg munter in die Marine hineinzuregieren«590 und leitete eine tiefgreifende Reform der Marineverwaltung ein, um seinen direkten Einfluss auf die Marineführung zu stär585 586 587 588 589 590

Zu der knapp siebenwöchigen Seereise siehe: Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 119-133. Zit. nach: Brauner, Im Dienste Bismarcks, S. 289. Heusner an Caprivi, 26.11.1887, BArch, RM 38/6, Bl. 256-260, hier Bl. 258. Die Samoa-Frage wird ausführlich behandelt in der hervorragenden Studie von: Kennedy, The Samoan Tangle, S. 70-239. Siehe außerdem: Kennedy, Germany and the Samoan Tridominium. Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 139. Ebd., S. 140.

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ken. Die Admiralität wurde aufgelöst und ihre Kompetenzen, orientiert an der Spitzengliederung der Armee, auf drei Behörden aufgeteilt: Als Kommandobehörde wurde das (1) Oberkommando der Marine (OKM) eingerichtet, dem unter anderem das Kreuzergeschwader unterstellt wurde; Politik und Verwaltung oblagen fortan dem (2) Reichsmarineamt; ergänzend dazu etablierte der Kaiser mit dem (3) Marinekabinett ein persönliches Sekretariat, dass mit Offizierspersonalfragen beauftragt wurde und seine Befehle an die Marine zu vermitteln hatte. Caprivi wollte die Beschneidung seines Ressorts nicht hinnehmen und reichte deshalb seinen Rücktritt ein. Sein Amt übernahm Anfang Juli – als erster Seeoffizier überhaupt – interimistisch Vizeadmiral Alexander von Monts. Als dieser kurz darauf schwer erkrankte, führte Konteradmiral Karl Paschen, nach Monts’ Tod im Januar 1889 dann Vizeadmiral Max von der Goltz die Amtsgeschäfte weiter. Im April 1889 war die Umstrukturierung der Admiralität abgeschlossen. Goltz übernahm für die nächsten sechs Jahre das OKM. Heusner wurde als Chef des Kreuzergeschwaders abgelöst und zum ersten Staatssekretär des Reichsmarineamts ernannt, musste jedoch schon ein Jahr später aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden und sein Amt an Konteradmiral Friedrich Hollmann übergeben. Mit der Leitung des Marinekabinetts wurde Kapitän zur See Gustav von Senden-Bibran betraut591. Bereits im April 1887 hatte Max von Brandt darum gebeten, das Kreuzergeschwader im nächsten Frühjahr nach China zu entsenden, mit dem Auftrag, sich an den Aufmerksamkeiten und Höflichkeitsbeweisen zu beteiligen, die dem mandschurischen Prinzen Ch’un I-huan, Chef der chinesischen Admiralität, und Li Hung-chang auf ihrer geplanten Inspektionsreise nach Tientsin, Shanghai und Fuchou von allen in Ostasien stationierten ausländischen Geschwadern beim Eintreffen in den Häfen oder unterwegs dargebracht werden sollten. Brandt und das Auswärtige Amt waren gleichermaßen der Ansicht, dass diese Mission »für die Wahrung unserer Stellung in China und insbesondere für die Förderung unserer handelspolitischen Beziehungen zu diesem Lande sehr nutzbringend«592 sein werde, allem voran für die Geschäfte der deutschen Rüstungsindustrie. Aber die Reise des Prinzen verzögerte sich bis zum Herbst 1888, weshalb Heusner in Hongkong zunächst einige Instandsetzungsarbeiten durchführen ließ. Da Brandt keine speziellen Requisitionen hatte, besuchten die Schiffe anschließend im handelspolitischen Interesse mehrere chinesische und japanische Häfen sowie das deutsche Marinelazarett in Yokohama. Unterwegs wurde ein umfangreiches Übungsprogramm absolviert. Während der Ostasien-Reise verschlechterte sich der allgemeine Gesundheitszustand der Besatzungen; einige Soldaten mussten sogar krankheitsbedingt in die Heimat zurückgeschickt werden, darunter die Kommandanten der »Bismarck« und der »Sophie«. Im Juni versammelte sich das Kreuzergeschwader in Singapur, wo ein Großteil der Schiffsbesatzungen ausgewechselt wurde. Im Juli sollte dort auch die Kreuzerfregatte »Leipzig« als neues Flaggschiff eintreffen und die »Bismarck« nach fast vierjähriger Auslandstätigkeit ablösen, doch eine Havarie am 591 592

Ebd., S. 139 ff.; Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 23-30; Hubatsch, Der Admiralstab, S. 49-55. H.v. Bismarck an Caprivi, 13.6.1887, BArch, RM 38/9, Bl. 2.

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Schiffskörper bei einer Probefahrt hatte ihr Auslaufen aus Wilhelmshaven um einige Wochen verzögert. Deshalb verfügte Caprivi, dass der Wechsel des Flaggschiffes im nähergelegenen Aden zu erfolgen habe. Dort sollte Heusner auch weitere Instruktionen für einen anschließenden Besuch in Sansibar erhalten. Mit der Bereitstellung der »Leipzig« wurde das Geschwader geringfügig aufgewertet. Zwar war sie die dienstälteste Kreuzerfregatte (Baujahr 1875), etwa zwei Jahre vor der »Bismarck« vom Stapel gelaufen, aber wesentlich größer als diese und stärker bewaffnet. »Irgend welchen Gefechtswerth« für die Heimatflotte allerdings besaß sie aus Sicht der Admiralität »schon längst nicht mehr«593, deshalb wurde sie nun für den politischen Dienst abgestellt594. Als das Auswärtige Amt am 25. April 1888 dem Wunsch der Admiralität entsprach, das Kreuzergeschwader von Singapur nach Sansibar zu schicken, hatte es hinsichtlich seiner dortigen Verwendung noch »keine besonderen Wünsche zu formulieren«595. Entscheidend war, dass der Wechsel des Flaggschiffes wie geplant im Juli stattfinden sollte, was infolge der Havarie der »Leipzig« nicht mehr in Singapur, sondern nur noch im nähergelegenen Aden möglich war. Auch wenn viele Zeitgenossen und sogar einige Historiker überzeugt davon waren: Dieser Vorgang stand zunächst nachweislich »in keinem Zusammenhang mit [den] politischen Vorgängen in Zanzibar«596. Aber das sollte sich bald ändern597. 593

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Zitate aus: Entwurf einer Denkschrift der Admiralität zum Etat für die Verwendung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1889/90, 29.9.1888, BArch, RM 1/1844, Bl. 14-27, hier Bl. 18. Diese Bewertung galt ebenso für alle anderen Schiffe, die im politischen Dienst eingesetzt waren. Deshalb war es geprahlt, als Herbert von Bismarck die Schiffe des Kreuzergeschwaders Mitte Dezember 1888 im Reichstag als »4 unserer besten Schiffe« bezeichnete. Zitat aus: H.v. Bismarck, 14.12.1888. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 311. Vgl. Entwurf einer Denkschrift der Admiralität zum Etat für die Verwendung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1889/90, 29.9.1888, BArch, RM 1/1844, Bl. 14-27, hier Bl. 18 f., 26 f.; siehe dazu auch: Richter, 27.11.1888. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 17. Caprivi an Heusner, 20.11.1887, RM 1/2711, Bl. 123; Promemoria der Admiralität betreffend die Ordre für das Kreuzergeschwader in Folge Änderung der Reisedisposition S.M.S. Leipzig, BArch, RM 1/2734, Bl. 159 f.; Etat für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1889/90, S. 130 f., BArch, RM 3/7637; H.v. Bismarck an Caprivi, 13.6.1887, BArch, RM 38/9, Bl. 2; Brandt an Bismarck, 5.4.1887, ebd., Bl. 3; Heusner an Brandt, 9.1.1888, ebd., Bl. 10; Reisedispositionen für »Bismarck«, »Sophie« und »Carola« für den Zeitraum Februar bis Mai 1888, o.D., ebd., Bl. 22 ff.; Heusner an Caprivi, 22.1., 20.2., 29.2., 12.3., 29.3., 10.4., 21.4., 8.5., 22.5., 12.6., 19.6.1888, ebd., Bl. 26-32, 35 ff., 45 ff., 63 ff., 76 f., 82 f., 89 f., 100-103, 110, 127-130, 150 ff. u. 157 f.; Caprivi an Heusner, 18.1., 27.3., 8.5.1888, ebd., Bl. 38, 122 ff.; Brandt an Heusner, 4.2.1888, ebd., Bl. 40 f.; Caprivi an Hartog (Segelordre »Leipzig«), 27.3.1888, ebd., Bl. 107; Heusner an Brandt und Dörnberg, 23.6.1888, ebd., Bl. 164, 166; Müller, Tagebuch, BArch, N 159/2, Bl. 212-229 (Aufzeichnungen vom 6.1. bis 12.6.1888); Caprivi an H.v. Bismarck, 24.4.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 47; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 133-173. H.v. Bismarck an Caprivi, 25.4.1888, BArch, RM 1/2734, Bl. 155. AA an Solms, 29.6.1888, BArch, R 1001/7141, Bl. 31. Müller irrt mit der Aussage, dass das Kreuzergeschwader erst Mitte Juli und auf Anfrage der DOAG von Singapur nach Sansibar beordert wurde. Diese Entscheidung war bereits, wie oben ausgeführt, Ende April getroffen worden. Zu dem Zeitpunkt, den Müller angibt, wurden auf Ersuchen der DOAG die ostafrikanischen Stationäre angewiesen, die Häfen im Verwaltungsgebiet der Kolonialgesellschaft häufiger anzulaufen und dort die Flagge zu zeigen zwecks Stärkung und Befestigung der Autorität der Kolonialgesellschaft. Vgl. H.v. Bismarck an Monts, 10.7.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 37; DOAG an Bismarck,

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Im März 1888 war Bargash bin Said an einem Lungenleiden verstorben und ihm sein ältester Bruder Khalifa auf den Thron gefolgt. Anders als sein Vorgänger war der neue Sultan politisch schwach, »an unstable British puppet«598, was die Reichsleitung im Verein mit der DOAG ausnutzte, um am 28. April die langwierigen Verhandlungen über den sogenannten Küstenvertrag abzuschließen. Durch diesen Pachtvertrag wurden der DOAG die Verwaltung der festländischen Küstengebiete und der Zölle aus dem festländischen Küstenhandel Sansibars »im Namen Seiner Hoheit [des Sultans] und unter Seiner Flagge sowie unter Wahrung Seiner Souveränitätsrechte«599 für fünfzig Jahre übertragen. Etwa zur selben Zeit machte sich Salme-Emily Ruete, die Schwester Khalifas, mit ihrer Tochter auf den Weg nach Sansibar. Sie wollte erneut versuchen, ihre Erbansprüche geltend zu machen. Anders als im Jahre 1885 hatte sich Bismarck diesmal ausdrücklich gegen die Unternehmung ausgesprochen, deshalb reiste Ruete auf eigene Rechnung und ohne militärischen Schutz. Bismarcks Befürchtung, der Fall Ruete könnte das freundschaftliche Verhältnis mit dem neuen Sultan trüben, trat indes nicht ein. Khalifa bin Said verweigerte seiner Schwester jeglichen Empfang und ignorierte ihren Aufenthalt in Sansibar. Auch von den deutschen Ansiedlern im Sultanat wurde Ruete gemieden, so dass sie letztlich im November 1888 unverrichteter Dinge wieder abreiste600. Während die »Bismarck« Mitte Juni ihre Reise von Singapur nach Aden antrat, fuhren die restlichen Schiffe des Kreuzergeschwaders direkt nach Sansibar. Nach der Ankunft dort Mitte Juli erhielt Heusner, der sich noch in Singapur mit seinem Stab auf der »Sophie« eingeschifft hatte, den Befehl, das Kommando über das Kreuzergeschwader an Konteradmiral Carl-August Deinhard abzutreten und sofort nach Deutschland zurückzukehren, um die Leitung des Marine-Departements zu übernehmen; im April 1889 ernannte ihn der Kaiser zum ersten Staatssekretär des Reichsmarineamts. Kurz nachdem Heusner seine Heimreise angetreten hatte, wurde die »Bismarck« von der »Leipzig« in Aden abgelöst601. Weil Deinhard erst Ende August in Sansibar eintraf, fungierte bis dahin der Kommandant der »Olga«,

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9.7.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 66; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 361. Ebenso falsch: Coupland, The Exploitation of East Africa 1856-1890, S. 483; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 68 f.; Wesseling, Teile und herrsche, S. 136. Caprivi an H.v. Bismarck, 24.4.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 47; Caprivi an H.v. Bismarck, 8.5.1888, ebd., Bl. 52 f.; H.v. Bismarck an Michahelles, 16.5.1888, ebd., Bl. 54; H.v. Bismarck an Caprivi, 25.4.1888, BArch, RM 1/2734, Bl. 155. Iliffe, A Modern History of Tanganyika, S. 91. Vertrag des Sultans von Zanzibar mit der ostafrikanischen Gesellschaft vom 28.4.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9665, S. 1-7, hier S. 2 (Artikel I). Gustav Michahelles, Im Kaiserlichen Dienst. Erlebnisse des Kaiserlichen Gesandten a.D. Wirklichen Geheimen Rates Dr. Gustav Michahelles, o.O. o.J. [ca. 1925], PAAA, N 129/1 (fortan: Michahelles, Dienst), S. 29 ff.; Ruete, An Arabian Princess Between Two Worlds, S. 81-94; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 187-209. Die »Bismarck« traf etwa einen Monat später in Wilhelmshaven ein. Sie war infolge des langen Auslandsdienstes in einem dermaßen schlechten Zustand, dass eine Instandsetzung als nicht mehr lohnenswert erachtet wurde. Fortan fungierte sie – bis 1920 – als Wohnhulk in Wilhelmshaven. Vgl. Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 2, S. 75; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 177-190.

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Kapitän zur See Franz Strauch, als Geschwaderchef. Neben dem Kreuzergeschwader befanden sich zu dieser Zeit noch 13 weitere Kriegsschiffe auf der Reede von Sansibar, neun britische und vier italienische, mit denen sich ein reger Besuchsverkehr entwickelte. Aufgrund der ungünstigen klimatischen Verhältnisse vor Ort befahl Monts dem Geschwaderchef am 9. August, im Laufe des nächsten Monats nach Kapstadt zu verlegen602. Gleichzeitig wurde die »Olga« vom Geschwader detachiert und auf die Ostafrikanische Station versetzt, bis dort Ersatz für den überholungsbedürftigen Kreuzer »Nautilus« eintraf603. Wenige Tage später, zum Beginn des sansibarischen Fiskaljahres am 16. August, übernahm die DOAG vertragsgemäß die Verwaltung der festländischen Küstengebiete des Sultanats und erließ dort neue Steuern und Verordnungen604. Dieses Datum markiert den faktischen Beginn der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika. Weil der DOAG die nötigen Machtmittel zur Absicherung der Übergabe-Zeremonien fehlten, requirierte Generalkonsul Gustav Michahelles auf Bitten der Gesellschaft die Schiffe des Kreuzergeschwaders und den Stationär »Möwe«, um an diesem Tag in einigen der verpachteten Häfen die Flagge zu zeigen und dem Akt der Verwaltungsübergabe »einen kräftigen Nachdruck zu verschaffen«605. Vereinbarungsgemäß sollten am Sitz der sansibarischen Bezirksverwalter, der sogenannten Walis, sofern zwei Flaggenstöcke vorhanden waren, erst die Sultansflagge am linken, danach die Flagge der DOAG etwas niedriger am rechten Flaggenstock aufgezogen und überall dort, wo es nur einen Flaggenstock gab, die Flagge der DOAG unterhalb derjenigen des Sultans angebracht werden. Mittels dieser Zeremonie stilisierte die Kolonialgesellschaft ihr Banner, das eine frappante Ähnlichkeit mit der Reichskriegsflagge aufwies, bewusst zum »central symbol of the new administration«606. Allerdings verlief die Verwaltungsübernahme nur in

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Über diesen Befehl, der per Schiffspost nach Sansibar geschickt wurde und erst Mitte September dort eintraf, wurde der Geschwaderchef am 25. August auch telegrafisch informiert. Vgl. Monts an Deinhard, 9.8.1888, BArch, RM 1/2735, Bl. 27 f.; Monts an Strauch, 25.8.1888, ebd., Bl. 36; Deinhard an Monts, 18.9.1888, ebd., Bl. 60; siehe dazu auch: Monts an H.v. Bismarck, 24.7.1888, BArch, R 1001/7141, Bl. 33. Monts an Heusner, 17.7.1888, BArch, RM 1/2735; Bl. 2; Monts an H.v. Bismarck, 21.7.1888, ebd., Bl. 9; Monts an Deinhard, 22.7.1888, ebd., Bl. 10; AA an Monts, 24.7.1888, ebd., Bl. 14; Promemoria der Admiralität betreffend die Verwendung des Kreuzergeschwaders, 27.7.1888, ebd., Bl. 15 f.; Promemoria der Admiralität zum Immediatvortrag am 6.8.1888, ebd., Bl. 22 f.; Monts an Deinhard, 9.8.1888, ebd., Bl. 27 f.; Monts an Strauch, 25.8.1888, ebd., Bl. 36; Strauch an Monts, 30.7.1888, ebd., Bl. 37; Deinhard an Monts, 17.9.1888, ebd., Bl. 40; Strauch an Monts, 28.8.1888, ebd., Bl. 49-52; Heusner an Monts, 30.7.1888, BArch, RM 38/9, Bl. 178-184; Monts an H.v. Bismarck, 30.7.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 73; AA an Monts, 31.7.1888, ebd., Bl. 74; Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine, Bd 1, S. 18-21; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 212 ff.; Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 174-180. Siehe dazu u.a.: Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 488 f.; Lederer, »Misdoings of the Germans«, S. 257-262. Ernst Vohsen, Denkschrift über die Vorgänge in Ostafrika während meiner Leitung der dortigen Geschäfte der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft vom 14. Mai 1888 bis 16. Januar 1889, Berlin 1889, S. 11 (enthalten in: BArch, R 1001/697, Bl. 64-78). Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 494.

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zwei der sieben Hauptbezirke607 reibungslos: in Daressalam und Mikindani. An allen anderen Orten kam es zu teilweise gravierenden Zwischenfällen, vor allem in den nördlichen Bezirken Bagamoyo und Pangani608. In Bagamoyo, dem seinerzeit wichtigsten Handels- und Karawanenplatz des deutschen Schutzgebietes, entbrannte ein Streit zwischen dem Wali und dem neuen Bezirkschef der DOAG über die Frage, an wessen Haus die rote Sultansflagge künftig zu setzen sei. Trotz ausdrücklichen Befehls des Sultans weigerte sich der Wali, die Flagge von seinem Haus zu entfernen. Deshalb schickte Michahelles am 21. August auf Anfrage von Ernst Vohsen, dem Generalvertreter der DOAG in Ostafrika, die »Möwe« und die »Leipzig« nach Bagamoyo. Nach offizieller Darstellung wurde der Konflikt »in Güte erledigt«609. Tatsächlich aber erzwang Korvettenkapitän Armandt von Erhardt, der Kommandant der »Möwe«, die Niederholung der Sultansflagge vom Gebäude des Walis unter Androhung von Gewalt und ließ anschließend den Flaggenstock durch seine Landungsabteilung entfernen610. Wenige Stunden später erfuhr der Wali noch eine weitere Demütigung: Auf Weisung des Sultans musste er seinen Amtssitz räumen und an die DOAG übergeben611. Auch in Pangani, wo man deutscherseits von vornherein mit Schwierigkeiten bei der Verwaltungsübergabe gerechnet hatte, musste die Marine intervenieren. 607

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Die DOAG hatte ihr Herrschaftsgebiet in sieben Hauptbezirke eingeteilt, und zwar (von Norden nach Süden gehend): Tanga, Pangani, Bagamoyo, Daressalam, Kilwa Kiwindji, Lindi und Mikindani. DOAG an Bismarck (mit Anlagen), 24.9.1888, BArch, R 1001/406, Bl. 2-43; Strauch an Monts (mit Anlagen), 28.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 89-106; Michahelles an Bismarck, 27.8.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9668, S. 12 f.; Hessel an seine Familie, 23.8.1888, zit. in: Hessel, Deutsche Kolonisation in Ostafrika, S. 69 ff.; Glassman, Feasts and Riot, S. 202-220; Jackson, Resistance to the German Invasion of the Tanganyikan Coast, S. 47-54; Pesek, Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika, S. 182-185; Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 17-23; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 211-214; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 69 ff.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 185-190. Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 189. In der historischen Forschungsliteratur findet sich meist die falsche Darstellung, dass die Landungsabteilung die Flagge vom Haus des Walis entfernt habe, was inhaltlich der Beschwerde des Sultans an Bismarck entspricht. Vgl. u.a. Khalifa bin Said an Bismarck, 22.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 83 f.; Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 201; Jackson, Resistance to the German Invasion of the Tanganyikan Coast, S. 50 f.; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 377; Pesek, Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika, S. 183; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 214 f. Tatsächlich wurde die Flagge durch Untergebene des Walis eingeholt und dem Kommandeur der Landungsabteilung übergeben, nachdem dieser den Wali durch eine Show of Force, den Marsch seiner Truppe durch das Stadtzentrum, unter Druck gesetzt hatte. Vgl. Erhardt an Strauch, 26.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 104; Michahelles an Bismarck, 26.8.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9667, S. 9-12, hier S. 11; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 341 f. DOAG an Bismarck (mit Anlagen), 24.9.1888, BArch, R 1001/406, Bl. 2-43; Strauch an Monts (mit Anlagen), 28.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 89-106, hier Bl. 90, 92 ff., 96, 103 ff.; Michahelles an Bismarck, 26.8.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9667, S. 9-12; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 341 f.; Glassman, Feasts and Riot, S. 203-208; Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 495-503; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 376 f.; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 214 f.; Strandes, Erinnerungen, S. 163 f.

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Dort war die Flaggenhissung am 17. August erzwungen worden – und das »unter Jubeln der Bevölkerung«612, wie Erhardt offiziell berichtete613. Aber kaum hatte die »Möwe« Pangani verlassen, versagten der Wali und seine Soldaten dem lokalen Vertreter der DOAG, Emil von Zelewski, den Gehorsam. Strauch hatte für diesen Fall vorgesorgt: Zwei Tage später erschien die »Carola« befehlsgemäß im Rahmen einer Patrouillenfahrt auf der Reede von Pangani. Auf Bitten Zelewskis landete der Kommandant in den frühen Morgenstunden des 19. August – just zu Beginn des höchsten islamischen Festes Eid-ul-Azha, dem Opferfest – 110 Marinesoldaten, die das Haus des Walis und die naheliegende Moschee umstellten. Etwa 30 arabische Soldaten versuchten anfangs Widerstand zu leisten, gaben ihre »drohende Haltung«614 aber angesichts der deutschen Übermacht rasch auf und wurden entwaffnet. Beim vergeblichen Versuch, den Wali zu verhaften, wurden zahlreiche Häuser und die Moschee durchsucht615. Kurz darauf erhielt die »Carola« Befehl616, Pangani in Richtung Bagamoyo zu verlassen, ließ aber 18 Sicherungssoldaten zurück. In den darauffolgenden Tagen versuchte Zelewski ein »Terrorregime«617 zu errichten, um die Bevölkerung in Schach zu halten, und proklamierte sich selbst zum Sultan von Pangani. Dabei war er ebenso auf die Unterstützung der Marine angewiesen wie im Hinblick auf die dauerhafte Etablierung einer Verwaltung in seinem Bezirk, weil er über keine eigenen Sicherungskräfte verfügte. Strauch jedoch, dem Zelewskis Herrschaftsmethoden missfielen, zog die Sicherungssoldaten am

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Erhardt an Strauch, 18.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 98. Claudia Lederer behauptet, dass die Anwesenheit der Kriegsschiffe keinerlei Rolle gespielt habe, weil diese aufgrund der geografischen Verhältnisse nicht dicht genug an die Hafenstädte hätten heranfahren und somit gegebenenfalls auch nicht rasch genug hätten eingreifen können. Zudem habe Pangani nicht in Reichweite der Schiffsgeschütze gelegen. Vgl. Lederer, »Misdoings of the Germans«, S. 232. Diese Darstellung ist falsch: Pangani – ebenso wie alle anderen Hafenstädte im Kriegsgebiet – lag in Reichweite der Schiffsgeschütze und sowohl dort als auch in Bagamoyo war die Präsenz der Kriegsschiffe von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Durchführung der Übergabezeremonien; das belegen die Ereignisse unmittelbar nach dem Abzug der Schiffe. Vgl. u.a. Richelmann, Die Besiegung der Feinde, S. 229-233. Raven an Strauch, 19.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 98 f., hier Bl. 99. In der zeitgenössischen Presse und in der historischen Forschung ist immer wieder behauptet worden, dass die Marinesoldaten dabei äußerst brutal vorgegangen seien, zahlreiche Frauen vergewaltigt und die Moschee entweiht hätten. Claudia Lederer hat überzeugend nachgewiesen, dass diese Darstellung falsch ist. Zweifellos jedoch agierten Zelewski und Erhardt äußerst unsensibel, denn sie führten die Aktion just zu Beginn des höchsten islamischen Festes Eid-ul-Azha durch. Vgl. Glassman, Feasts and Riot, S. 203, 216; Lederer, »Misdoings of the Germans«, S. 233-255; siehe dazu auch den entsprechenden Untersuchungsbericht des Auswärtigen Amtes, 24.10.1888, BArch, R 1001/691, Bl. 44-47. Als Befehlsübermittler fungierte der DOAG-Dampfer »Jühlke«, der einen großen Teil der Kommunikation zwischen dem Geschwaderchef und den an verschiedenen Küstenabschnitten eingesetzten Kriegsschiffen übernahm. Ende Oktober wurde er mit Marinesoldaten besetzt, mit einer Revolverkanone ausgestattet und im Rahmen der Küstenblockade zur Unterstützung der Blockadestreitkräfte eingesetzt. Vgl. Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 3, S. 367. Pesek, Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika, S. 184. Aufgrund seines brutalen Charakters wurde Zelewski von der lokalen indigenen Bevölkerung als »Nyundo«, der »Hammer«, bezeichnet. Vgl. Bennet, A History of the Arab State of Zanzibar, S. 142.

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23. August ab, als sich die Lage beruhigt zu haben schien. Er befürchtete, dass ein weiteres Verbleiben derselben

»für die Bewohner der anderen Bezirke ein bedenklicher Präzedenzfall sein [würde], denn bleibt Pangani besetzt, so würden die Einwohner anderer Plätze zu der Annahme verleitet werden können, daß nicht mehr ›Soldaten‹ zur Verfügung stehen und übermüthig werden; anderseits scheinen mir die Herren Bezirksvorsteher – im Vertrauen auf die Schiffe Seiner Majestät und derartige Detachements [von Sicherungssoldaten] – wenigstens zum Theil, etwas zu schroff, wenn nicht unklug, vorzugehen. Im Uebrigen ist bereits alles Mögliche von der Ostafrikanischen Gesellschaft gethan, um Soldaten anzuwerben618.«

Strauch irrte sich. Seine Maßnahme konnte weder durch die DOAG abgesichert werden, noch hatte sie die erwünschte Wirkung auf die Bevölkerung – im Gegenteil619. In seiner Not heuerte Zelewski fünfzig einheimische Söldner an, die sich jedoch als undiszipliniert und ungehorsam erwiesen. Einige Tage später wurde die Lage explosiv: In der Nacht vom 3. auf den 4. September strömten Hunderte bewaffneter Küstenbewohner aus dem Umland in die Stadt, um dort die Regierungsgewalt zu übernehmen. Von einer Dhau im Hafen raubten sie 1000 Fässchen Pulver, die Zelewski wenige Stunden zuvor hatte beschlagnahmen lassen, und verteilten diese unter sich. Einige der Aufständischen wollten Zelewski und seine beiden deutschen Mitarbeiter töten, aber das wurde von den moderateren Stadtbewohnern verhindert, welche die DOAG-Vertreter gefangen nahmen und im Zollhaus internierten. Hilflos mussten diese mit ansehen, wie die Flagge der DOAG von den Aufständischen niedergeholt und in Stücke gerissen wurde. Angesichts dieser Lageentwicklung bewilligte Khalifa bin Said schließlich die Entsendung von 150 Soldaten seiner Armee in die Krisenregion unter dem Befehl von General Lloyd Mathews620. Dadurch verhinderte er vermutlich eine rasche Bombardierung Panganis, die Bismarck für den Fall erwogen hatte, dass der Sultan 618 619

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Strauch an Erhardt, 23.8.1888, BArch, RM 1/2735, Bl. 105 f. Die nachfolgende Entwicklung veranlasste den zeitgenössischen Marinehistoriker und Geheimen Admiralitätsrat Paul Koch zu der abstrusen These, dass der Aufstand nur deshalb losgebrochen sei, weil Strauch zu lasch agiert habe. In seiner »Geschichte der kaiserlichen Marine«, die im Jahre 1906 in zweiter Auflage erschien, heißt es wörtlich: »Da man aber von Seiten der Schiffe davon absah, [in Pangani] ein Exempel zu statuieren, so schwoll den Schwarzen der Kamm, und sie gingen in Tanga, Bagamoyo und an anderen Orten der Küste zu offener Empörung über.« Belegen lässt sich diese These nicht, zudem ist sie unplausibel. Ein von Beginn an hartes Durchgreifen hätte den Aufstand vermutlich nicht verhindert, sondern dessen Losbrechen höchstens verzögert, vielleicht aber auch beschleunigt. Zweifellos jedoch ist diese These, die sich so oder so ähnlich auch in vielen anderen zeitgenössischen Schriften findet, ein Beleg für das seinerzeit weit verbreitete, teilweise durch eigene historische Erfahrungen bei der Aufstandsbekämpfung in den Kolonien geprägte Denken nicht nur in der Marine, dass man kolonialen Aufständen schon in der Anfangsphase mit brutaler Härte, Gewalt und Rücksichtslosigkeit begegnen müsse, um ihre Ausbreitung zu verhindern. Zitat aus: Koch, Geschichte der Marine, S. 123. Mathews war ein ehemaliger britischer Marineoffizier, der in sansibarische Dienste getreten war. Admiral Fremantle, seinerzeit Chef der Ostindischen Station der Royal Navy, schrieb in seinen Memoiren, dass Mathews »ein tüchtiger Mann« gewesen sei, »der wie ein Araber lebte und gut auf Ordnung hielt, aber obwohl er seinem Heimathlande treu ergeben war, so hielt er sich doch gesellschaftlich abseits von uns, um nicht das Misstrauen der Araber zu erregen«. Zitate aus: Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 419.

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nicht willens oder nicht in der Lage war, dort einzuschreiten621. Aber auch Mathews konnte die Lage nur kurzfristig bis Ende September stabilisieren, danach griff der Aufstand rasch auf die angrenzenden Bezirke über622. Khalifa bin Said beschwerte sich Ende August in zwei langen Telegrammen bei Bismarck über die Verletzung seiner Flagge durch das rabiate Vorgehen der Kaiserlichen Marine in Bagamoyo und Pangani und bat den Reichskanzler, ihn gegen eine solche unverdiente Behandlungsweise künftig zu schützen. Bismarck sicherte dem Sultan umgehend zu, dass ihm »full reparation will be given, if violation of Your Highness’ sovereign rights and flag has taken«623. Er war verärgert über den »Flaggenhumbug«624 der DOAG, weil dadurch »nicht nur der Sultan selbst, sondern auch die Bevölkerung in hohem Maße aufgeregt«625 worden sei. Für Bismarck war das Hissen der Gesellschafts-Flagge nichts anderes als »ein Akt nutzloser Eitelkeit«626. Um den Handlungsspielraum der DOAG klar zu begrenzen und eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern, ließ er dem Geschwaderchef am 27. August die Anweisung erteilen, fortan nur noch »auf schriftliches Ersuchen des Generalkonsuls«627 militärisch gegen den Sultan einzuschreiten. Für den Reichskanzler war der Sultan weiterhin eine Schlüsselfigur bei der Absicherung des ostafrikanischen Schutzgebietes. Seiner Ansicht nach sollte die DOAG eng mit ihm kooperieren, um den Küstenvertrag durchzusetzen, damit der deutsche Staat nicht weiter in die ostafrikanischen Angelegenheiten hineingezogen werde. Aber Khalifa bin Said war dafür zu schwach, er besaß nicht die Autorität seines Vorgängers, der ein Despot gewesen war und auf dem Festland mit harter Hand regiert hatte628. Auf Deinhards Befehl sammelte sich das Kreuzergeschwader, mit Ausnahme der »Carola«, die kurzfristig zu einem Einsatz nach Deutsch-Südwestafrika ab621 622

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Randbemerkung Bismarcks zu Michahelles an AA, 14.9.1888, BArch, R 1001/687, Bl. 39; siehe auch: H.v. Bismarck an Michahelles, 16.9.1888, ebd., Bl. 47. DOAG an Bismarck (mit Anlagen), 24.9., 2.10., 8.10.1888, BArch, R 1001/406, Bl. 2-43, 69-81, 83-95; Michahelles an Bismarck, 18.9.1888, BArch, R 1001/690, Bl. 15-26; Michahelles an Bismarck, 24.8.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 82; Michahelles an AA, 9.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 8; Michahelles an AA, 11.9.1888, ebd., Bl. 13; Auszug aus dem Bericht des DOAG-Agenten Richard von Hake über die Vorgänge in Pangani, 22.9.1888, ebd., Bl. 124-127; Strauch an Monts (mit Anlagen), 28.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 89-106, hier Bl. 90 ff., 94, 96-103, 105; Deinhard an Monts, 9.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 44-48, hier Bl. 47 f.; Michahelles an Bismarck, 25.8.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9666, S. 8 f.; Bückendorf, »Schwarz-weißrot über Ostafrika!«, S. 343-346; Glassman, Feasts and Riot, S. 214-218; Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 534-573; Jackson, Resistance to the German Invasion of the Tanganyikan Coast, S. 47-54; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 380-384, 544 ff.; Pesek, Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika, S. 183 ff.; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 215-222; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 69 ff.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 188 f. Bismarck an Khalifa bin Said, 27.8.1888, BArch, R 1001/8918, Bl. 13. Aufzeichnung Rottenburgs, 4.10.1888, BArch, R 1001/689, Bl. 11-14, hier Bl. 12. Bismarck an Wilhelm II., 18.9.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 218 f. Ebd. Berchem an Monts, 27.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 80 ff., hier Bl. 82. Aufzeichnung Rottenburgs, 4.10.1888, BArch, R 1001/689, Bl. 11-14; Berchem an Monts, 27.8.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 80 ff.; Khalifa bin Said an Bismarck, 22.8.1888, ebd., Bl. 83 f.; Khalifa bin Said an Bismarck, 24.8.1888, ebd., Bl. 85 f.; Admiralität an Michahelles, 29.8.1888, ebd., Bl. 87.

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kommandiert worden war629, Ende August in der Manda-Bucht, wo dieser das Kommando von Strauch übernahm. Konteradmiral Carl-August Deinhard, »von der vox populi Charley Deinhard genannt«, wie Admiral Albert Hopman in seinen Memoiren berichtete,

»ist eine der originellsten Persönlichkeiten unserer Marine gewesen. Äußerlich schon eine imponierende Erscheinung von fast sechs Fuß Höhe, breitschulterig, starkknochig, Handschuhnummer 10, mit langem, graumelierten Vollbart und rauhem, tiefem Männerbaß, war er auch innerlich ein derber und robuster Tatmensch, Seemann der alten Schule, soldatischen Formen und militärischem Drill abhold, Feind von Theorie und Methodik, aber sicher im instinktmäßigen Erfassen gegebener Situationen, kühn und schnell im Entschluß und rücksichtslos in dessen Durchführung ohne jede Scheu vor Verantwortung630.«

Deinhard wollte auf dem Transit nach Sansibar die wichtigsten Hafenstädte des deutschen Schutzgebietes anlaufen, um sich selbst einen Überblick über die Lage im ostafrikanischen Schutzgebiet zu verschaffen. Zunächst beorderte er deshalb das Geschwader Anfang September nach Tanga, von wo seit der Verwaltungsübernahme keinerlei Nachrichten eingegangen waren. Kurz zuvor bereits hatte er S.M.S. »Möwe« den Befehl erteilt, mit der Geschwaderpost nach Sansibar zu gehen und anschließend in Pangani zum Verband zu stoßen, den sie am Morgen des 5. September erreichte. Weil der Admiral noch nicht dort war, beschloss Erhardt, ihm nordwärts nach Tanga entgegenzukommen. Zu diesem Zeitpunkt verließen die anderen Schiffe gerade erst die Manda-Bucht, außer der »Sophie«, die notwendige Reparaturen an den Maschinen vornehmen musste. Nachdem die »Möwe« am Nachmittag des 5. September im Hafen von Pangani geankert hatte, wollte Erhardt die Lage in der Siedlung durch einen Erkundungstrupp sondieren lassen, da von der Stadt niemand an Bord kam und nirgends die Flagge der DOAG zu sehen war631. Doch der Landungsversuch scheiterte, weil die Soldaten dabei von Aufständischen beschossen wurden. Am nächsten Morgen schickte Erhardt deshalb zwei bewaffnete Kutter mit 40 Soldaten an Land, die beim Landemanöver ebenfalls beschossen wurden. Unterstützt durch Granatfeuer der »Möwe« jagte der Landungstrupp die Angreifer »mit blanker Waffe«632 den Strand hinauf in den Busch, wobei zwei deutsche Soldaten verletzt und zehn Aufständische getötet wurden. Danach evakuierte der Landungstrupp die beiden lokalen DOAGBezirksverwalter und zog sich wieder an Bord der »Möwe« zurück. Am 7. September erreichte Deinhard mit der »Leipzig« und der »Olga« die Reede von 629

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Die »Carola« befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Transit von Sansibar nach der Walfisch-Bai, weil das Auswärtige Amt Unruhen unter den Einheimischen im nördlichen Teil Deutsch-Südwestafrikas befürchtete, nachdem angebliche Goldfunde entlang des Swakop einen regelrechten »Goldrausch« in der Region ausgelöst hatten. Siehe dazu: Kaulich, Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, S. 384 f. Hopman, Das Logbuch eines deutschen Seeoffiziers, S. 126. Der Wali von Tanga hatte den beiden lokalen DOAG-Bezirksverwaltern lediglich die Übernahme der Zollverwaltung gestattet und sich konsequent geweigert, die Flaggenhissung durchzuführen. Vgl. Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, Die Vorgänge in Ostafrika. In: Deutsche Kolonialzeitung, 1 NF (1888), 42, S. 333 f. Michahelles an Bismarck, 18.9.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9671, S. 18 ff., hier S. 19.

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Tanga. Aufgrund der Berichte von Erhardt und der lokalen DOAGBezirksverwalter entschied der Admiral, so die spätere offizielle Darstellung, »daß, da die übrige, aus Negern und Indern bestehende Bevölkerung Tangas durchaus friedlich geblieben, die Schuld an den Vorgängen vom 5. und 6. [September] allein dem Wali zuzuschreiben und dieser als Rebell anzusehen sei«633. Dieser formellen Feststellung bedurfte es, um die nun anlaufende Militäraktion gegenüber der Reichsleitung zu legitimieren: »Mein Vorgehen kann daher nicht als militärisches Einschreiten gegen den Sultan angesehen werden«634. In der folgenden Nacht schickte Deinhard ein Landungskorps von 137 Mann in die Stadt, um den Wali gefangen zu nehmen. Dabei kam es zu kleineren Gefechten, bei denen ein Einheimischer getötet, ein weiterer verwundet wurde; der Wali selbst konnte fliehen. Einen Tag nach der gescheiterten Strafexpedition verließ das Geschwader Tanga und ging mit den lokalen Bezirksverwaltern der DOAG und ihren elf Begleitern an Bord zurück nach Sansibar. Dort erreichten den Geschwaderchef die Nachrichten vom Aufstand in Pangani, den Mathews zu dieser Zeit aber noch glaubte, unter Kontrolle halten zu können635. Aufgrund von Mathews’ positiver Beurteilung der Lage und einem beruhigenden Bericht des DOAG-Vertreters in Bagamoyo unterschätzte Admiral Deinhard das Ausmaß des Aufstandes. Am 16. September telegrafierte er nach Berlin, dass die Unruhen in Tanga und Pangani binnen vier Wochen friedlich zu schlichten und die Kriegsschiffe vor Ort nicht mehr nötig seien, weshalb er nun in Kürze mit dem Flaggschiff nach Kapstadt gehen werde. Gleichzeitig meldete er die Einsatzbereitschaft des Geschwaders für zukünftige Aufgaben: »Was den Zustand der Schiffe und die Leistungen der Besatzungen anbetrifft, so habe ich nach den ersten und allgemeinen Eindrücken ein günstiges Bild vom Geschwader erhalten und glaube, daß dasselbe allen Anforderungen gewachsen sein wird [...] Der Gesundheitszustand ist ein guter, der Bekleidungszustand ein, der Länge der Indiensthaltung entsprechend guter. Die Armierung und die Waffen der Schiffe sind in Ordnung. Nach den mir gemachten Mittheilungen ist das Functionieren der Maschinen in gewißen Grenzen gesichert und das Maschinenpersonal seiner Aufgabe gewachsen636.«

Auch Generalkonsul Michahelles erkannte die Brisanz der Lage nicht und erhob deshalb keine Einwände gegen Deinhards Entscheidung, die ostafrikanischen Gewässer zu verlassen. Während die »Leipzig« ihre Reise über Bagamoyo, Daressalam, Kilwa und Mauritius nach Kapstadt antrat, schied die »Olga« auf Befehl der Admiralität aus dem Geschwaderverband aus und ging beschleunigt nach Aden, 633 634 635

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Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 193. Deinhard an Monts, 9.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 44-48, hier Bl. 46. Monts an Wilhelm II., 2.9.1888, BArch, RM 1/2706, Bl. 90 f.; Strauch an Monts, 29.8.1888, BArch, RM 1/2735, Bl. 55; Deinhard an Monts, 8.9.1888, ebd., Bl. 57; Deinhard an Monts (mit Anlagen), 9.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 44-62; Michahelles an Bismarck, 18.9.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9671, S. 18 ff.; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 342 f.; Glassman, Feasts and Riot, S. 220 f.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 190-194. Zur Reise der »Carola« siehe auch die entsprechenden offiziellen Berichte des Kommandanten, enthalten in: BArch, RM 1/2706, Bl. 105-111; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 71-75. Deinhard an Monts, 18.9.1888, BArch, RM 1/2735, Bl. 65-69, hier Bl. 66 f.

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wo sie den samoanischen Ex-König Malietoa an Bord nahm, um ihn auf die Marshall-Inseln zu bringen637. Das Schiff kehrte nicht mehr zum Geschwader zurück, sondern wurde anschließend auf der Australischen Station eingesetzt und verstärkte die Streitkräfte vor Samoa. Ihre Aufgaben auf der Ostafrikanischen Station übernahm vorläufig die »Sophie«, die als einziges Schiff des Kreuzergeschwaders dort verbleiben sollte638. Als treibende Kräfte hinter der Erhebung sah Deinhard primär aufrührerische Elemente aus dem Landesinneren, aber auch die arabischen Stammesführer, »welche durch [die] Festsetzung der Europäer ihren Sklaven- und Karawanenverkehr bedroht glauben«639 und sich deshalb der Abtretung des Landes an die Deutschen widersetzten. Allerdings sei die Bewegung nicht allein gegen die Deutschen, sondern »gegen die Europäer im Allgemeinen gerichtet«640. Als eine weitere Ursache für den Aufstand betrachtete Deinhard das herrschsüchtige Gebaren der DOAG, vor allem ihr grobes Vorgehen bei den Flaggenhissungen und bei der Einführung der Verwaltung, aber auch ihre Auswahl der Bezirksverwalter, bei der »grobe Verstöße«641 begangen worden seien. So war zum Beispiel der Bezirkschef in Tanga »ein notorischer Säufer«, wie der Geschwaderchef nach Berlin berichtete, einen »Trinker aber als Beamten und Richter unter die nüchternen Muhammedaner zu setzen, erscheint ein doppelter Fehler«642. Von einem gewaltsamen Einschreiten gegen die Aufständischen riet Deinhard dringend ab. Zwar sei die inzwischen auf 750 Mann verstärkte Landungsdivision des Geschwaders durchaus in der Lage, die sieben Bezirkshauptstädte zu erobern und zu besetzen, »der Erfolg für die deutschen Handels-Interessen würde dabei aber, nicht nur nicht nutzbringend, sondern geradezu schädlich sein«643. Deinhard befürchtete, dass infolge einer Besetzung durch deutsche Truppen die Handelsplätze vom Landesinnern abgeschnitten und sich die Handelsströme Ausgangspunkte im nördlich gelegenen britischen Schutzgebiet suchen würden. Daher sei es sinnvoller, den Sultan bei seinen Bemühungen 637

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Siehe dazu Kap. II, Anm. 574. Zunächst war die »Sophie« für diesen Auftrag vorgesehen, aber ihre Maschinen waren nicht voll einsatzfähig. Vgl. Admiralität an Deinhard, 16.9.1888, BArch, RM 1/2735, Bl. 39; Deinhard an Monts, 16.9.1888, ebd., Bl. 42; siehe auch: Berichte des Maschinen-Unteringenieurs Runge an Kohlhauer, 4.9.1888, BArch, RM 1/2714, Bl. 94 ff. Deinhard an Monts, 8.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 4; Michahelles an AA, 9.9.1888, ebd., Bl. 8; Michahelles an Bismarck, 7.9.1888, ebd., Bl. 10; Michahelles an AA, 11.9.1888, ebd., Bl. 13; Promemoria der Admiralität über die Vorgänge in Ostafrika, 22.10.1888, ebd., Bl. 100-104, hier Bl. 100 f.; Michahelles an Bismarck, 22.9.1888, ebd., Bl. 108 f.; Monts an Deinhard, 17.9.1888, BArch, RM 1/2709, Bl. 25; Erhardt an Paschen, 30.12.1888, ebd., Bl. 71-75; Monts an H.v. Bismarck, 17.9.1888, BArch, RM 1/2735, Bl. 41; Deinhard an Monts, 16.9.1888, ebd., Bl. 42; AA an Monts, 19.9.1888, ebd., Bl. 43; Monts an Deinhard, 19.9.1888, ebd., Bl. 44; Deinhard an Monts, 20.9.1888, ebd., Bl. 45; Monts an H.v. Bismarck, 21.9.1888, ebd., Bl. 46; Deinhard an Monts, 18.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 68-71; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 221 ff.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 194 ff. Deinhard an Monts, 18.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 68-71, hier Bl. 69. Ebd. Ebd., Bl. 68. Zitate aus: Ebd., Bl. 68 f. Auch Peters war der Ansicht, dass die DOAG maßgeblich für den Ausbruch des Küstenaufstandes verantwortlich war, wies aber jede persönliche Verantwortung weit von sich. Vgl. Peters, Die Gründung von Deutsch-Ostafrika, S. 225-235. Deinhard an Monts, 18.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 68-71, hier Bl. 70.

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zu unterstützen, seine Autorität in den aufständischen Gebieten wiederherzustellen644. Bismarck sah das ganz ähnlich. Die Beherrschung des Küstenstreifens war nach Ansicht des Reichskanzlers nur von geringer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Schutzgebietes. Entscheidend dafür seien vielmehr gute Beziehungen zur Bevölkerung im Landesinneren, aber diese »können wir nicht durch militärische Expeditionen erzwingen«645, deshalb wollte er den Sultan als Bundesgenossen stärken. Diese Standpunkte hatte Bismarck bereits am 16. September, verbunden mit dem Appell, sich in Ostafrika nicht »durch kleine Intriguen gegenseitig die Butter vom Brode zu nehmen«646, als offizielle Position des Deutschen Reiches in dieser Angelegenheit an die britische Regierung übermitteln lassen. Nur eine Woche später zeichnete sich ein ganz anderes Bild der Lage: Am 22. September, als Deinhard gerade mit dem lokalen Bezirkschef eine Flusspferdjagd auf dem Kingani unternahm, war in Bagamoyo der Hauptsitz der DOAG, das sogenannte Usagara-Haus, angegriffen und daraufhin vom Landungskorps der »Leipzig« nach zähem Häuserkampf entsetzt worden. Dabei wurden große Teile der Stadt niedergebrannt, etwa 100 Araber getötet und 20 weitere verwundet, darunter auch »einige bei der ganzen Sache Unbetheiligte bezw. uns freundlich Gesinnte«647; auf deutscher Seite fielen sechs Askaris der DOAG, zwei weitere wurden verwundet. Seitdem rechnete Deinhard, der selbst nur knapp einer versuchten Gefangennahme durch die Aufständischen auf dem Kingani entgangen war, täglich mit einem Angriff auf die infolge der Kämpfe von den Bewohnern fast vollständig verlassene Stadt. Am selben Tag hatte der Aufstand Kilwa erreicht, einen der wichtigsten Handelsorte an der ostafrikanischen Küste. Als der Geschwaderchef davon erfuhr, schickte er sofort die »Möwe« dorthin. Trotz der eskalierenden Lage vor Ort entschied sich der Kommandant, angesichts einer Übermacht von etwa 15 000 Aufständischen, gegen einen Einsatz seines Landungskorps. Damit war das Schicksal der beiden lokalen DOAG-Vertreter besiegelt, die sich trotz der Bedrohung geweigert hatten, die Stadt zu verlassen: Der Bezirksverwalter Gustav Krieger fiel im Kampf gegen die Aufständischen, sein Assistent Heinrich Hessel tötete sich selbst. Auch nach Lindi und Mikindani hatte sich die Rebellion ausgeweitet, von dort aber waren die Bezirkschefs der DOAG rechtzeitig genug geflohen. In Pangani hatte General Mathews mit seinen Soldaten die Lage zunächst stabilisieren sowie Zelewski und dessen Mitarbeiter aus der Gefangenschaft befreien und nach Sansibar evakuieren können. Ende September jedoch schlug die Stimmung um.

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Randbemerkung Bismarcks zu Michahelles an AA, 14.9.1888, BArch, R 1001/687, Bl. 39; Deinhard an Monts, 18.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 68-71; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 224 f.; siehe auch: Michahelles an Bismarck, 6.10.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9669, S. 13 f. Vermerk Rantzaus vom 18.9.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 225. Aufzeichnungen des Grafen Berchem über sein Gespräch mit dem englischen Botschafter in Berlin, 16.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 38-41, hier Bl. 38. Deinhard an Monts, 24.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 73-76, hier Bl. 75.

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Mathews wurde mit seiner 150 Mann starken Truppe von etwa 8000 Aufständischen vertrieben und kam dabei selbst nur knapp mit dem Leben davon648. Angesichts der prekären Lage erbat Deinhard am 28. September neue Instruktionen aus Berlin: »Soll ich militärisch weiter operieren oder mich darauf beschränken, das Stationshaus der Gesellschaft [in Bagamoyo] zu schützen649?« Gleichzeitig betonte er noch einmal, dass sich der Aufstand »gegen alle Europäer«650 richte; de facto befinde er sich seit dem 22. September »im Kriegszustand«651. Michahelles hielt eine massive Intervention des Deutschen Reiches für notwendig, um das Schutzgebiet zu sichern: »Meines Erachtens muß die Regierung sich jetzt klar machen, ob sie die hiesigen Kolonisationsversuche halten will und dafür Opfer bringen, oder ob sie sie fallen läßt652.« Bismarck aber, der nur unzureichend über die aktuelle Lageentwicklung informiert war653, lehnte ein umfassendes Eingreifen der Marine weiterhin ab und beharrte auf der Position, die er schon zwei Wochen zuvor eingenommen hatte: Die Autorität des Sultans sollte gestärkt werden, und lieber würde er »die ganzen ostafrikanischen kolonialen Versuche aufgeben, als militärischen Unternehmungen des Reichs im Innern zuzustimmen«654. Bismarcks Haltung in dieser Frage war konsequent. Er war von Anfang an strikt gegen die Errichtung von Staatskolonien gewesen und eine massive staatliche Intervention zugunsten der DOAG, so befürchtete er, würde in Ostafrika letztlich diesen Prozess einleiten. Für seine zurückhaltende Position gab es allerdings noch einen anderen Grund: die Sorge vor einer militärischen Blamage. Mit einem Kolonialaufstand solchen Ausmaßes war das Deutsche Reich bis dahin nicht konfrontiert worden. Kolonialtruppen existierten ebenso wenig wie eine schnelle Eingreiftruppe für überseeische Expeditionen. Und die Marinestreitkräfte vor Ort, das Kreuzergeschwader und die ihm unterstellten ostafrikanischen Stationäre, waren 648

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DOAG an Bismarck, 24.9.1888, BArch, R 1001/688, Bl. 21; Michahelles an Bismarck, 24.9.1888, BArch, R 1001/691, Bl. 11 ff., 16 ff.; Deinhard an Monts, 23.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 17; Deinhard an Monts, 2.10.1888, ebd., Bl. 35; Deinhard an Monts, 9.10.1888, ebd., Bl. 60; Promemoria der Admiralität über die Vorgänge in Ostafrika, 22.10.1888, ebd., Bl. 100-104; Ferber an Deinhard, 28.9.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 135-140; Ferber an Deinhard, 29.11.1888, ebd., Bl. 150 f.; Deinhard an Monts (mit Anlage), 24.9.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 73-78; Deinhard an Monts, 23.9.1888, ebd., Bl. 83 f.; Deinhard an Monts, 3.10.1888, ebd., Bl. 88-93, 94-97; Strauch an Deinhard, 26.9.1888, ebd., Bl. 108-111; Michahelles an Bismarck, 3.10.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9677, S. 26 ff.; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 344 ff., 350 ff.; Glassman, Feasts and Riot, S. 210-214, 224 f.; Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 509-516; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 379 f., 383-389; Nagel, Vier Kreuzer »Leipzig«, S. 46 f.; Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 31-41; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 27-35; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 220-225; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 2, S. 196-200, 3, S. 362-365. Deinhard an Monts, 28.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 18. Zitate aus: Ebd. Deinhard an Monts, 7.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 153. Michahelles an Kayser, 24.9.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 224. Informationen über die aktuelle Lageentwicklung erhielt Bismarck überwiegend durch kurze telegrafische Berichte des Generalkonsuls und des Geschwaderchefs, teilweise auch aus der Presse. Vermerk Rantzaus vom 18.9.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 225.

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für Kampfeinsätze im Landesinnern, bei denen vielleicht tagelang keine Verbindung der Landungstruppen mit den Schiffen bestand, ungeeignet. Das galt nicht nur für Ostafrika, sondern generell für Einsätze in Übersee – ein Defizit, das erhebliche Risiken barg, wie der Kommandierende Admiral dem Auswärtigen Amt im Mai 1889 in aller Deutlichkeit klarmachte: »Der Dienst der Stationäre [Gleiches galt für das Kreuzergeschwader – H.H.] ist mit den Jahren mehr und mehr zu dem einer Polizeitruppe in den dortigen Gebieten [hier die Kolonien in Westafrika, Gleiches galt für die Schutzgebiete in Ostafrika und in der Südsee – H.H.] und die Anforderungen an die Mannschaften nach dieser Richtung hin immer weiter gehende geworden, so daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß, wenn nicht Einhalt geboten wird, wir eines Tages mit einer Katastrophe überrascht werden können. Die Kenntnis der Eingeborenen in der Handhabung der Feuerwaffen und in der Kriegskunst nimmt stetig zu, die Scheu vor den Waffen der Weißen aber ab, so daß sie immer muthiger auftreten werden; dadurch wird aber ein Vorgehen unserer des Terrains unkundigen Mannschaften gegen den sich deckenden und in Folge seiner Hautfarbe im Walde pp. kaum sichtbaren Feind mit immer größeren Verlusten verbunden sein und der Erfolg stets geringer werden, denn das Abbrennen einiger Dörfer kann ich als eine wesentliche, im richtigen Verhältniß zu dem Verlust an Menschenleben auf unserer Seite stehende Schädigung des Feindes nicht ansehen655.«

Deinhard wurde schließlich angewiesen, nur das Stationsgebäude in Bagamoyo zu schützen, alle Deutschen, die das Festland verlassen wollten, nach Sansibar in Sicherheit zu bringen und die »Operationen des Sultans so viel als möglich [zu] unterstützen, ohne sich zu weit zu engagieren«656. Auch Kaiser Wilhelm II. sprach sich gegenüber Bismarck deutlich gegen eine Intervention auf dem ostafrikanischen Festland aus: »Ich möchte den jetzigen Aufstand sich lieber ausbrennen lassen und an Eurer Durchlaucht Vorschlag festhalten, daß wir uns militärisch nicht weiter engagieren als unsere Schiffsgeschütze reichen657.« Ende September informierte der Reichskanzler den Sultan über diese eingeschränkte Unterstützung »durch unsere, und wie ich annehmen darf, auch durch englische Schiffe«658. Zu diesem Zeitpunkt allerdings hatten Khalifas Truppen bereits alle Operationen auf dem Festland eingestellt659. Anfang Oktober war mit Ausnahme der Städte Bagamoyo und Daressalam de facto die gesamte ostafrikanische Küste zwischen Mikindani und Tanga in der Hand der Rebellen, die von der arabischen Aristokratie und der suahelischen 655

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Goltz an H.v. Bismarck, 9.5.1889, BArch, R 1001/7138, Bl. 106-106a. Der Anlass für Goltz’ deutliche Kritik war eine beinahe missglückte Strafexpedition von Besatzungsangehörigen der »Hyäne« ins kamerunische Hinterland im Frühjahr 1889. Vgl. ebd. Monts an Deinhard, 29.9.1888, zit. nach: Deinhard an Monts, 3.10.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 88-92, hier Bl. 91. Wilhelm II. an Bismarck, 1.10.1888, zit. nach: Bismarck an Monts, 1.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 33 (Hervorhebung im Original). Bismarck an Khalifa bin Said, 30.9.1888, BArch, R 1001/688, Bl. 55 f., hier Bl. 56. Berchem an Monts, 28.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 23 f.; Monts an Deinhard, 29.9.1888, ebd., Bl. 25; Bismarck an Khalifa bin Said, 30.9.1888, ebd., Bl. 29 f.; Promemoria der Admiralität über die Vorgänge in Ostafrika, 22.10.1888, ebd., Bl. 100-104; Deinhard an Monts, 3.10.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 88-92, hier Bl. 91; H.v. Bismarck an Monts, 25.9.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 85; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 224 f., 233 f.

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Oberschicht, den sogenannten Jumben oder Dorfschulzen, angeführt wurden. Zum Kopf der Bewegung avancierte ein einflussreicher Sklavenhändler und Plantagenbesitzer namens Bushiri bin Salim al-Harthi660. Das Hauptziel der Aufständischen war die Absicherung der arabisch-suahelischen Vormachtstellung im Küstengebiet durch die Übernahme ihrer früheren Besitzungen, die sie an Bargash bin Said verpachtet hatten661. Religiöser Fanatismus spielte, anders als von deutscher Seite stets behauptet wurde, nur eine untergeordnete Rolle662. Khalifa bin Said hatte aus Sicht der Aufständischen kein Recht gehabt, das Land an die DOAG zu verpachten, und er war zu schwach, um den Vertrag ihnen gegenüber durchzusetzen. Seine Autorität auf dem Festland war weitgehend zusammengebrochen, Deinhard bezeichnete ihn deshalb abfällig als »eine absolute Null«663. Mehrfache Vorwürfe der DOAG, Khalifa bin Said würde den Aufstand unterstützen, erwiesen sich als haltlos. Die meisten Kämpfer, die sich zu Tausenden in den Küstenbezirken versammelt hatten, waren Suaheli aus dem Küstengebiet und Bantu aus dem Hinterland664, aber auch Sklaven, teilweise unter Führung ihrer Herren. »So wie die Verhältnisse liegen«, berichtete Deinhard nach Berlin, »können die Niederlassungen der Deutsch-Ostafrikanischen-Gesellschaft nur noch in Bagamoyo und Dares-Salaam gehalten werden, wenn ständig ein Schiff in jedem Hafen anwesend ist. Die früher nur an einzelnen Orten auftretende Bewegung beginnt jetzt sich über das ganze Land auszubreiten und hat als Ziel zweifellos die Vertreibung aller Europäer665.« Jeglicher Karawanenhandel in der Region kam zum Erliegen, auch die zahlreichen indischen Händler flohen nach und nach aus den unruhigen Hafenstädten in sicherere Gefilde. »Die Gesellschaft selbst«, konstatierte der Geschwa660

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Für biographische Informationen über Bushiri siehe u.a.: Glassman, Feasts and Riot, S. 236 ff.; Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 586-594; Jackson, Resistance to the German Invasion of the Tanganyikan Coast, S. 58-61; Austen, Abushiri, S. 57-60. Zu den Ursachen und Zielen des »Araberaufstandes« siehe ausführlich: Bückendorf, »Schwarzweiß-rot über Ostafrika!«, S. 346-349; Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, passim; siehe auch: Baumann, In Deutsch-Ostafrika, S. 138 f. Ortskundige Zeitgenossen widersprachen der Regierungspropaganda, die den nur marginal vorhandenen religiösen Fanatismus der Araber bewusst aufbauschte, Wissmann sogar öffentlich im Reichstag vor seiner Entsendung als Reichskommissar nach Ostafrika. Vgl. u.a. Gustav Meinecke, Die Lage in Ostafrika und die Araber. In: Deutsche Kolonialzeitung, 1 NF (1888), 40, S. 1 f.; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 24; Wissmann, 26.1.1889. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 606. Dennoch waren einige Angehörige der Reichsleitung fest davon überzeugt, dass die ostafrikanische Rebellion primär religiös motiviert war. So resümierte etwa der Chef des Marinekabinetts, Senden-Bibran, bei der Niederschrift seiner Erlebnisse des Jahres 1888: »Ende August wurde an vielen Punkten der Küste die Gesellschaftsflagge zusammen mit der des Sultans gehisst. Das führte zum Aufstande der Eingeborenen, die in der ostafrik[anischen] Gesellschaft die Träger christlicher Kultur sahen u[nd] sich dieser Macht nicht fügen wollten«. Zitat aus: Persönliche Aufzeichnungen von SendenBibran über seine Erlebnisse im Jahre 1888, o.D., BArch, N 160/11, Bl. 8-44, hier Bl. 43. Deinhard an Monts, 3.10.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 94-97, hier Bl. 96. In der Literatur findet sich als Bezeichnung für die Bantu-Völker des ostafrikanischen Hinterlandes oft der Begriff Shenzi respektive Washenzi, der hier nicht verwendet wird, weil es sich dabei um eine abfällige suahelische Bezeichnung der Küstenbewohner für die Bewohner des Landesinneren handelt. Deinhard an Monts, 3.10.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 88-93, hier Bl. 90.

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derchef, »ist vollständig zusammengebrochen und erklärt sich außer Stande auch nur einen dieser Orte ohne ständige Anwesenheit der Marine zu halten666.« Deinhards Berichte in dieser Zeit sind durchzogen von direkten und indirekten Vorwürfen gegen die DOAG, die das Deutsche Reich und die Kaiserliche Marine in eine solch missliche Lage gebracht habe667. Dagegen sei es den Briten gelungen, die Verwaltung ihres ostafrikanischen Küstengebietes Mitte Oktober ohne größere Zwischenfälle zu übernehmen, weil sie »sich eben nicht nur mit dem Sultan abgefunden, sondern auch mit den Ansprüchen und der Stimmung der Eingeborenen in ihrem Verwaltungsbezirk gerechnet«668 hätten. Mehrfach plädierte Deinhard dafür, das ostafrikanische Schutzgebiet einfach seinem Schicksal zu überlassen. Doch am 12. Oktober erhielt er den Befehl, die Stationen in Bagamoyo und Daressalam »unter allen Umständen zu halten«669. Während im Umland der Aufstand tobte, blieb die Lage in diesen beiden Hafenstädten nach der Stationierung einiger Dutzend Soldaten in den Stationsgebäuden und je eines Kriegsschiffes auf den Reeden den ganzen Oktober über ruhig. Sorgen machten dem Geschwaderchef die zunehmenden Fiebererkrankungen unter den an Land stationierten Soldaten, die zu zahlreichen Ausfällen führten. Zudem waren Anfang Oktober drei Matrosen von der »Möwe« desertiert, die zehn Tage später unfern Bagamoyo durch Aufständische getötet wurden; die britische Presse verbreitete das Gerücht, dass »their bodies being partially eaten by the hostile tribes«670 – und leitete damit einen publizistischen Propagandafeldzug gegen die »barbarischen« Aufständischen ein, der in Deutschland längst schon angelaufen war. Kurz darauf telegrafierte der Geschwaderchef an Monts, dass seines Erachtens die beiden Stationen keinen Wert mehr hätten, weil der Handel völlig zum Erliegen gekommen sei. Gleichzeitig versuchte er, Bismarck zum Abzug der Kriegsschiffe zu bewegen, indem er noch den Hinweis anfügte, dass durch die Si666

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Deinhard an Monts, 3.10.1888, ebd., Bl. 94-97, hier Bl. 96 f. Diese Einschätzung wurde tags darauf von der DOAG bestätigt. Vgl. Peters an Bismarck, 4.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 52 f. Auch Generalkonsul Michahelles machte der DOAG schwere Vorwürfe, vor allem wegen ihrer mangelhaften Vorbereitung auf die Machtübernahme in den Küstengebieten. Vgl. Michahelles an Bismarck, 4.10.1888, zit. in: Das Staatsrachiv, Bd 50 (1890), Nr. 9678, S. 28 ff. Allerdings waren Deinhards und Michahelles’ Vorwürfe gegen die DOAG, besonders gegen deren lokale Bezirksverwalter, die von zahlreichen Historikern übernommen worden sind, zumeist überzogen, wie Claudia Lederer überzeugend nachgewiesen hat. Vgl. Lederer, »Misdoings of the Germans«, S. 214-272. Deinhard an Monts, 22.10.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 11-16, hier Bl. 11. Siehe dazu u.a.: Munro, Maritime Enterprise and Empire, S. 423 f. Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 3, S. 365; siehe dazu auch: Randbemerkung Monts’ zu einem Schreiben des Auswärtigen Amtes in dieser Angelegenheit vom 30.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 48; Monts an H.v. Bismarck, 10.10.1888, ebd., Bl. 61; H.v. Bismarck an Monts, 10.10.1888, ebd., Bl. 62 f.; Monts an Deinhard, 12.10.1888, ebd., Bl. 64. Artikel aus der »Times« vom 15.10.1888, enthalten in: BArch, RM 1/2440, Bl. 96; siehe dazu auch: Blümcke, Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika, S. 38 f. Deinhard vermutete, dass die Matrosen »absichtlich ihre Truppe verlassen haben um, von jugendlich romantischen Anschauungen befangen, ihr Glück im fremden Welttheil zu versuchen«. Zitat aus: Deinhard an Monts, 5.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 142 f., hier Bl. 142.

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cherungsmaßnahmen das Risiko bestehe, »sich tief zu engagieren«671. Als Antwort darauf erhielt er die Direktive des Kaisers, »uns militaerisch nicht weiter [zu] engagieren als unsere Schiffsgeschütze reichen«672. Sichtlich frustriert über die Lage resümierte der Geschwaderchef schließlich gegenüber der Admiralität: »Meiner Ansicht nach ist das ganze Schutzgebiet nicht werth, daß einer unserer Matrosen sich dort das Fieber holt673.« Gleichzeitig aber rüstete sich Deinhard auch für einen möglichen längeren Aufenthalt in den ostafrikanischen Gewässern. Jedenfalls beauftragte er Mitte Oktober die auf dem beschleunigten Rücktransit von der WalfischBai nach Sansibar befindliche »Carola« telegrafisch, »so viel immer moeglich«674 an Proviant und Kohlen, außerdem Medikamente, insbesondere Chinin gegen die grassierende Malaria, und diverse Ausrüstungsgegenstände aus Kapstadt sowie die Post für das Geschwader aus der Delagoa-Bucht mitzubringen. Auch wenn der Geschwaderchef mit den politischen Entscheidungen nicht immer einverstanden war, ließ er doch nie einen Zweifel an seiner Loyalität gegenüber der Reichsleitung aufkommen und führte die an ihn gerichteten Befehle stets gewissenhaft aus675. Mit seinen Ansichten konnte Deinhard bei Bismarck nicht reüssieren. Das politische Klima in Berlin hatte sich inzwischen erheblich gewandelt. Zwar sprach sich der Reichskanzler (öffentlich) weiterhin gegen eine Strafexpedition ins Landesinnere aus, aber er war entschlossen, das Schutzgebiet nicht aufzugeben – zu groß wäre der nationale und internationale Prestigeverlust. Schon ab Mitte September hatte er deshalb durch die Admiralität sondieren lassen, ob eine Seeblockade der ostafrikanischen Küste im Verein mit Großbritannien, das über die weitaus größte Seemacht im Indischen Ozean verfügte, »durchführbar und ratsam«676 sei. Monts 671

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Deinhard an Monts, 20.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 89. An seiner Loyalität aber ließ Deinhard keine Zweifel aufkommen: Als er am 9. Oktober (temporär) die Sicherungssoldaten aus Bagamoyo wegen der hohen Erkrankungsrate abzog, warf Michahelles ihm vor, er wolle die Stationen aufgeben und sich zurückziehen; das meldete dieser so auch nach Berlin. Deinhard entgegnete darauf, dass er keinesfalls die Absicht habe, die Kriegsschiffe zurückzuziehen, zumindest solange die DOAG die Stationen besetzt hielt, auch wenn er persönlich eine längere militärische Besetzung derselben als zwecklos erachte. Vgl. Deinhard an Monts (mit Anlagen), 22.10.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 21-26. Monts an Deinhard, 27.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 106. Deinhard an Monts, 23.10.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 4-8, hier Bl. 7. Die »vielfach etwas schroffen Ansichten und Ausdrücke« in Deinhards Berichten, zu denen auch die hier zitierte Aussage zählt, veranlassten Monts schließlich dazu, diese Berichte teilweise als vertraulich einzustufen und mit dem Vermerk »eigenhändig« an Herbert von Bismarck weiterzuleiten. Zitat aus: Monts an H.v. Bismarck, 22.11.1888, BArch, R 1001/693, Bl. 58. Vgl. ebd. Deinhard an Raven, 18.10.1888, BArch, RM 38/21, Bl. 70. Siehe auch: Deinhard an Raven, 24.10.1888, ebd., Bl. 71 Deinhard an Monts, 12.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 68; Monts an H.v. Bismarck, 16.10.1888, ebd., Bl. 74; Deinhard an Monts, 16.10.1888, ebd., Bl. 76; Deinhard an Monts, 17.10.1888, ebd., Bl. 85; Monts an H.v. Bismarck, 19.10.1888, ebd., Bl. 88; Monts an Deinhard, 23.10.1888, ebd., Bl. 93; Promemoria der Admiralität über die Vorgänge in Ostafrika, 22.10.1888, ebd., Bl. 100-104; Deinhard an Monts (mit Anlage), 5.10.1888, ebd., Bl. 142-146; Deinhard an Monts (mit Anlagen), 22.10.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 21-26; Deinhard an Monts, 23.10.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 4-8; Deinhard an Monts, 22.10.1888, ebd., Bl. 11-16; Deinhard an Monts, BArch, RM 1/2909, 3.10.1888, Bl. 88-93 und 94-97; Michahelles an Bismarck, 22.10.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9680, S. 30 f. Bismarck an Berchem, 28.9.1888, zit. nach.: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 233.

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befürwortete diesen Vorschlag und ließ Bismarck Anfang Oktober ein entsprechendes Memorandum übermitteln, in dem er die »militärisch-technische[n] Gesichtspunkte für eine effektive Blockade«677 unter Einbeziehung der britischen Seestreitkräfte vor Ort ausführlich darlegte 678. Kurz darauf gab Wilhelm II. sein Einverständnis, Verhandlungen darüber mit Großbritannien aufzunehmen. Seitdem war die Reichsleitung bemüht, mit der britischen Regierung ein Abkommen zur gemeinsamen Durchführung einer solchen Blockade zu schließen, die auch von den in Ostafrika ansässigen deutschen Firmen – mit Ausnahme des Hamburger Handelshauses O’Swald – befürwortet wurde, wenngleich sich manche ein deutlich härteres Vorgehen wünschten679. Ziel der Blockade sollte – offiziell – die Wiederherstellung der Sultansautorität auf dem ostafrikanischen Festland und, ganz im Sinne der Kongoakte680, die Bekämpfung der Sklavenhändler sein, die Bismarck für die Drahtzieher des Aufstandes hielt681. Um diese Ziele zu erreichen, müsse »die Ueberwachung [der betreffenden Küstengebiete] nicht allein sich auf die Sklavenausfuhr erstrecken«, wie Hermann Wissmann einige Wochen später die argumentative Position der Reichsleitung prägnant zusammenfasste, »sondern auch auf die Einfuhr desjenigen Materials, das den Arabern im Innern allein erlaubt, ihre Sklavenjagden anzustellen, nämlich Waffen und Munition«682. Gleichzeitig appellierte der Reichskanzler gegenüber Salisbury an die gemeinsame »Kulturmission«683 der beiden Kolonialmächte in Ostafrika. Ein persönliches Interesse an der Bekämpfung des Sklavenhandels und der Sklaverei hatte Bismarck nicht. Sie war für ihn lediglich das Mittel zum Zweck: einerseits, um Großbritannien, bald darauf auch Portugal,

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Admiralität an H.v. Bismarck, 2.10.1888, BArch, R 1001/706, Bl. 30-33, hier Bl. 30. Neben den drei deutschen Kriegsschiffen »Leipzig«, »Sophie« und »Möwe« rechnete Monts die seiner Kenntnis nach in den ostafrikanischen Gewässern befindlichen Schiffe der britischen Ostindischen Station unter dem Kommando von Konteradmiral Fremantle hinzu: eine Fregatte, drei Korvetten und ein Kanonenboot. Die Anzahl dieser Schiffe, konstatierte er, sei ausreichend für eine effektive Blockade der ostafrikanischen Küste. Dennoch erwog Monts auch, das Kreuzergeschwader durch das Schulgeschwader zu verstärken. Die operative Leitung sollte Deinhard übernehmen; Monts rechnete nicht damit, dass der dienstältere Fremantle sich persönlich an der Blockade beteiligen werde. Zu klären seien insbesondere die Einsatzgebiete der beiden Geschwader. Vgl. Admiralität an H.v. Bismarck, 2.10.1888, BArch, R 1001/706, Bl. 30-33; Monts an Hollmann, 4.10.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 49; siehe auch: Duppler, Der Juniorpartner, S. 288. Kusserow an Bismarck, 12.10.1888, BArch, R 1001/689, Bl. 85-94. Siehe General-Akte der Berliner Kongokonferenz vom 26.2.1885, zit. in: Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz 1884-1885, S. 589-624, hier S. 605 (Kapitel II, Artikel 9). Diese Einschätzung beruhte auf entsprechenden Berichten von Michahelles. Vgl. H.v. Bismarck an Monts, 25.10.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 79 f. Wissmann, 26.1.1889. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 604. Aus Sicht der britischen Regierung stellte der ostafrikanische Waffenhandel kein Problem dar, auch wenn ihr Generalkonsul in Sansibar, Charles Euan-Smith, anderer Meinung war. Vgl. Beachey, The Arms Trade in East Africa, S. 452-456. Der Handel mit Kriegsgerät, Elfenbein und Sklaven bildete das Rückgrat der wirtschaftlichen und politischen Macht der arabischen Oberschicht in Ostafrika. Aufzeichnungen des Grafen Berchem über sein Gespräch mit dem englischen Botschafter in Berlin, 16.9.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 38-41, hier Bl. 38.

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Frankreich, Italien, den Kongostaat684 und die christlichen Kirchen für eine Unterstützung der Blockade, andererseits, um wenig später im geheimen Zusammenwirken mit Friedrich Fabri die öffentliche Meinung in Deutschland und eine Reichstagsmehrheit für einen Kolonialkrieg in Ostafrika zu gewinnen685. Salisbury hatte im Prinzip keine andere Wahl als zu kooperieren, galt Großbritannien doch als führende Nation im Kampf gegen den Sklavenhandel686. Aber Bismarcks Forderung, die gesamte Küste unter Einschluss auch der britischen Interessensphäre zu blockieren, ging ihm zu weit. Er wollte nur eine Blockade des deutschen Küstenstreifens unterstützen. Für Bismarck wiederum war dieses Angebot unzureichend und inakzeptabel. Er verlangte ausdrücklich eine Ausdehnung der Blockade auf alle festländischen Küstengebiete Sansibars, denn nur so könne der ostafrikanische Sklaven- und Waffenhandel allgemein und effektiv bekämpft werden. Andernfalls würde sich dieser nur an die Küste des britischen und des portugiesischen Küstengebietes verlagern – ebenso wie alle anderen Handelsströme, was dem deutschen Schutzgebiet einen nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden zugefügt hätte. Außerdem wollte der Reichskanzler Khalifa bin Said, der selbst von dem – offiziell verbotenen – Sklavenhandel gut profitierte, durch die gemeinsame militärische Aktion zu »ehrlicher« Kooperation zwingen. Bismarck hielt »den Sultan nur soweit für ehrlich, als er überzeugt ist, daß er in englisch-deutschen Rivalitäten keine Stütze für seine Hintergedanken mehr finden werde, sondern daß England und Deutschland in voller Gemeinschaft operieren und im Interesse der christlichen Zivilisation ohne Sonderbestrebungen zusammenhalten [...] Nur wenn ihm die geschlossene Einheit der europäischen Mächte jede Hoffnung raubt, den Waffen- und Sklavenhandel in bisherigem Maße weiterzuführen, glaube ich, daß er selbst ehrlich aus der Not eine Tugend machen und zur Bekämpfung seiner Landsleute die Hand bieten wird, solange der europäische Zwang dauert687.«

Sollte Großbritannien nicht in diesem Sinne mit Deutschland kooperieren, drohte er Salisbury, würden die deutschen Seestreitkräfte ohne Rücksicht auf die britischen Interessen in Ostafrika vorgehen – ausdrücklich auch gegen den Sultan von Sansibar. Die britische Regierung war ziemlich irritiert und verstimmt über diese Drohung, dennoch ging Bismarcks Erpressungsstrategie auf. Salisbury wollte wegen der Sansibar-Frage keine ernsthafte Konfrontation mit der Reichsleitung riskieren, um nicht ihre Unterstützung in der ägyptischen und der afghanischen Frage zu verlieren. Ebenso wenig jedoch wollte er Bismarck völlig freie Hand lassen wie ein 684

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Der Kongostaat sicherte der Reichsleitung am 30. November seine Blockadeunterstützung zu. Vgl. Generalverwalter des Kongostaates an Alvensleben, 30.11.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9709, S. 74 f. Siehe dazu u.a.: Bade, Friedrich Fabri, S. 530-547; Deutsch, Slavery under German Colonial Rule in East Africa, S. 115-119; Schwarz, »Je weniger Afrika desto besser«, S. 87-101, 166-174, 259-268; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 277-281. Im westlichen Indischen Ozean, wo die Inseln Sansibar und Pemba lange Zeit als die wichtigsten Umschlagplätze für Sklaven galten, hatte sich Großbritannien bereits seit 1822 teilweise sehr erfolgreich für die Unterdrückung des Sklavenhandels eingesetzt. Vgl. Gilbert, Dhows & the Colonial Economy of Zanzibar 1860-1970, S. 60-65; Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 1-180. Bismarck an Hatzfeldt, 17.10.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 243.

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Jahr zuvor in Samoa, denn Großbritanniens Stellung in Ostafrika war von großer Bedeutung für die Verteidigung Indiens688. Das hatte Salisbury Mitte September auch gegenüber seinem Botschafter in Berlin, Edward Malet, klargestellt: »We have left Bismarck free hand in Samoa (and a pretty mess he has made of it!), but we cannot do so in Zanzibar. The English and Indian interests are too strong689.« Am 22. Oktober akzeptierte er schließlich Bismarcks Forderungen690, denn, durch die Teilnahme an der Seeblockade, also »on an element where your Majesty’s forces are strongest«, so sein Kalkül, »we retain a control over them«691, könnten die Deutschen sogar »zu einer Mäßigung, wie sie unseren Vorstellungen entspricht«692, gezwungen werden. Voraussetzung dafür sei aber »at least an equal English force«693 in den ostafrikanischen Gewässern. Diese Politik war in Großbritannien, auch in der Regierung, umstritten. Doch gelang es Salisbury schließlich – ähnlich wie Bismarck –, unter dem Vorwand der Bekämpfung des Sklavenhandels die nötigen Geldmittel für die Marineoperation vom Unterhaus bewilligt zu bekommen694. b) Internationale Seeblockade der ostafrikanischen Küste

Um seinen guten Willen gegenüber den Deutschen zu bekräftigen, verhängte Khalifa bin Said am 22. Oktober ein Ausfuhrverbot für Waffen und Munition von Sansibar zum ostafrikanischen Festland. Allerdings waren seine Behörden und seine Streitkräfte nicht in der Lage, die Umsetzung des Ausfuhrverbotes auf der ganzen Insel durchzusetzen und zu kontrollieren. Außerdem verfügten die Aufständischen bereits über ein umfangreiches Arsenal an Kriegsgerät, weshalb sie das Embargo nicht besonders beeindruckte. Das deutsche Kreuzergeschwader unterstützte die Maßnahme zunächst lokal begrenzt in seinem Wirkungsbereich, dem etwa 45 Seemeilen langen Küstenabschnitt zwischen Bagamoyo und Daressalam695. Nachdem Ende Oktober auch die britische und die französische Regierung ihre Unterstützung für das Embargo zugesagt hatten, war Deinhard berechtigt, sämtliche arabischen Handelsschiffe in den ostafrikanischen Gewässern zu kontrollieren. Bei diesen handelte es sich fast ausschließlich um traditionelle Dhaus, kleine Zwei688 689 690 691 692 693 694 695

Siehe dazu u.a.: Louis, Great Britain and German Expansion, S. 4 f. Salisbury an Malet, 18.9.1888, zit. nach: Cecil, Life of Robert Marquis of Salisbury, vol. 4, S. 234. Siehe dazu auch: Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860-1914, S. 199 ff. Hatzfeldt an Bismarck, 22.10.1888, BArch, R 1001/707, Bl. 29 f. Salisbury an Queen Victoria, 29.10.1888, zit. in: Queen Victoria, The Letters, vol. 6 (Series 3, vol. 1), S. 443 f., hier S. 444. Salisbury an Goschen, 14.10.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 242. Notiz von Salisbury zu einem Telegramm an Konsul Euan-Smith, 11.10.1888, zit. nach: Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 196. Roberts, Salisbury, S. 523 f.; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 241-244; Steele, Lord Salisbury, S. 262 f. Vereinzelt wurden auch schon vor der Blockadeerklärung des Sultans verdächtige Dhaus auf Anfrage der DOAG untersucht, Kriegsmaterial und Sklaven gegebenenfalls beschlagnahmt beziehungsweise freigelassen. Vgl. u.a. Ferber an Deinhard (mit Anlage), 16.10.1888, BArch, RM 38/16, Bl. 53 f.

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mastschiffe mit Trapezsegeln, von denen viele nicht unter sansibarischer, sondern unter britischer oder französischer Flagge fuhren. Zur selben Zeit genehmigte das Auswärtige Amt die Zerstörung erster Küstenorte, in denen der Waffenhandel florierte. Deinhard ließ die Ortschaften bombardieren und anschließend niederbrennen, teilweise mit Unterstützung von Askaris der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, wodurch sich die Lage in Bagamoyo und Daressalam vorübergehend merklich verbesserte. Diese Vorgänge markieren den Beginn der planmäßigen Intervention des Deutschen Reiches zur Bekämpfung des »Araberaufstandes« – wie Gerhard Rohlfs die Erhebung populär-propagandistisch denunziert hatte696. Am 3. November folgte der kaiserliche Befehl zur Errichtung der internationalen Seeblockade: »Admiral Deinhard. Zanzibar. Der Kaiser befiehlt: Strenge Blokade der festländischen Häfen des Sultanats gegen Sklavenhandel und Zufuhr von Kriegsmaterial in Gemeinschaft mit England bewerkstelligen. Ausdehnung und Handhabung der Blokade mit englischem Admiral [Edward Fremantle] vereinbaren. Blokadeerklärung unter Hervorhebung der Zustimmung des Sultans gemeinschaftlich erlassen. Verdächtige Fahrzeuge ohne Unterschied der Flagge untersuchen und erforderlichen Falls aufbringen. Blokade beginnt sofort697.«

Nachdem Deinhard diesen Befehl empfangen hatte, forderte er zwei »kleinere Avisos und moeglichst viele Torpedoboote«698 an, um eine effektive Blockade zu errichten. Die größeren Kriegsschiffe wie Kreuzerfregatten oder Kreuzerkorvetten waren dafür nicht geeignet. Sie waren weithin sichtbar und hatten zu viel Tiefgang, um die küstennah segelnden Dhaus zu verfolgen. Hin und wieder lief eines der Schiffe bei Kreuzfahrten auf ein Korallenriff, meist jedoch ohne größeren Schaden zu nehmen. Bei ihren bisherigen Einsätzen in Küstennähe hatten die Kommandanten behelfsmäßig auf ihre Beiboote, darunter auch Dampfpinassen, und den kleinen DOAG-Dampfer »Jühlke« zurückgreifen müssen. Diese Fahrzeuge bildeten auch weiterhin das Rückgrat der küstennahen Operationen, denn die Admiralität lehnte die Entsendung von älteren Torpedobooten »wegen der Ungeeignetheit solcher Fahrzeuge zu so weiten Expeditionen«699 ab. Auch »eine Entsendung von Booten neuerer Konstruktion«, erläuterte wenig später der kommissarische Chef der Admiralität, Konteradmiral Paschen, »ist mit Rücksicht auf die Verhältnisse in der Heimath ausgeschlossen«700 – sie waren integraler Bestandteil der Küstenverteidigung im Falle eines stets befürchteten Zweifrontenkrieges gegen Frankreich und Russland. Ersatzweise schickte die Admiralität zwei entbehrlichere Fahrzeuge:

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Siehe: Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 393. Monts an Deinhard, 3.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 136. Für die im Zusammenhang mit der Blockade stehenden, allein für das Etatsjahr 1888/89 auf insgesamt 700 000 Mark bezifferten Mehrausgaben der Marine übernahm das Auswärtige Amt die politische Verantwortung. Vgl. Paschen an H.v. Bismarck, 10.1.1889, BArch, RM 1/2441, Bl. 227 f.; H.v. Bismarck an Paschen, 13.1.1889, ebd., Bl. 328; Goltz an Bismarck, 28.1.1889, ebd., Bl. 329. Deinhard an Monts, 4.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 148. Monts an Bismarck, 6.11.1888, BArch, R 1001/708, Bl. 51 f., hier Bl. 52. Paschen an Deinhard, 24.1.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 226-229, hier Bl. 228.

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den Aviso »Pfeil«, welcher der Ostafrikanischen Station, und den Kreuzer »Schwalbe«, der dem Kreuzergeschwader zugeteilt wurde701. Bis die Seeblockade der ostafrikanischen Küste offiziell verkündet werden konnte, vergingen allerdings noch mehrere Wochen, in denen die Konditionen und Modalitäten der Blockade ausgehandelt wurden. Abgesehen von den britischen und deutschen Diplomaten in Europa und in Sansibar fiel dabei den Admiralen Deinhard und Fremantle eine besondere Verantwortung zu. Konteradmiral Fremantle war Chef des Ostindischen Geschwaders der Royal Navy und verfügte über insgesamt 13 Kriegsschiffe, von denen zu dieser Zeit sechs in den ostafrikanischen Gewässern stationiert waren, darunter zwei gepanzerte Kreuzer und ein Linienschiff702. Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen Fragen über die Aufteilung der zu überwachenden Küstenabschnitte und die praktische Durchführung der Blockade. Bereits am 7. November erzielten die beiden Admirale eine Einigung. Nach dieser »Disposition«703 sollten in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Seestreitkräfte – vier deutsche und sechs britische Kriegsschiffe, von denen jedoch eines wegen Aufstandsgefahr dauerhaft in Sansibar verbleiben musste – nur der deutsche, etwa 360 Seemeilen lange Küstenabschnitt zwischen dem Rovuma und Tanga blockiert und die Häfen Bagamoyo und Daressalam weiterhin geschützt werden. Aus Sicht von Deinhard und Fremantle war diese Begrenzung auch deshalb sinnvoll, weil »die englische Interessensphäre nicht insurgiert und dort wenig Sklavenausfuhr und Waffenhandel ist, deren Hauptstapelplaetze im Sueden sind«704. Eine, wie befohlen, strenge Blockade der gesamten, etwa 720 Seemeilen langen Küstenlinie vom Rovuma bis zum Jumba hielten die Admirale für nicht durchführbar, zumal die Sklaven- und Waffenhändler praktisch überall an der Küste landen konnten und nicht auf die Nutzung der etwa dreißig guten Häfen angewie701

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Ebd., Bl. 226-229; Monts an Bismarck, 6.11.1888, BArch, R 1001/708, Bl. 51 f.; Paschen an Bismarck, 10.11.1888, BArch, R 1001/914, Bl. 93; Aufzeichnung Krauels, 24.10.1888, BArch, R 1001/691, Bl. 43; H.v. Bismarck an Monts, 27.10., 1.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 112 f., 133; Monts an Deinhard, 30.10., 8.11.1888, ebd., Bl. 114, 152; Deinhard an Monts, 1.11., 4.11.1888, ebd., Bl. 138, 148; Michahelles an Bismarck, 21.10.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 38 ff.; Monts an H.v. Bismarck, 27.11.1888, ebd., Bl. 52 f.; Deinhard an Monts, 3.11.1888, ebd., Bl. 59-64; Deinhard an Monts, 20.11.1888, ebd., Bl. 115-122, hier Bl. 115-119; Monts an die Kommandos der Marinestationen der Nord- und Ostsee, 8.11.1888, BArch, RM 1/2450, Bl. 114; Deinhard an Monts, 3.11.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 26 f.; Michahelles an Deinhard, 19.11.1888, ebd., Bl. 29 ff.; Hartog an Deinhard, 29.11.1888, ebd., Bl. 38; AA an Monts, 29.10.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 81 f.; H.v. Bismarck an Monts (mit Anlage), 2.11.1888, ebd., Bl. 104 ff.; Deinhard an Monts, 4.11.1888, ebd., Bl. 148; Deinhard an Goltz, 3.6.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 132-135, hier Bl. 135; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 117 ff.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 3, S. 366-372, 4, S. 463-467. Deutscher Militärattaché in London an Monts, 10.11.1888, BArch, R 1001/709, 64 f. Die britische Ostindische Station umfasste den Golf von Aden, den Persischen Golf, den Golf von Oman und die ostafrikanischen Gewässer bis zum 28. südlichen Breitengrad einschließlich Madagaskar, Mauritius und den Seychellen. Vgl. Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 403. Deinhard an Monts, 7.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 153. Deinhard an Monts, 17.11.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 28.

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sen waren705. Aber die Reichsleitung verlangte eine Ausdehnung der Blockade ausdrücklich auch auf den britischen Teil der Küste. Deinhard wurde befohlen, keiner anderslautenden Vereinbarung zuzustimmen, weil dies nicht nur den Abmachungen mit der britischen Regierung widersprechen, sondern »auch die Wirksamkeit der Blockade und ihren erwarteten Nutzen überhaupt illusorisch machen«706 würde. Für den Reichskanzler war dabei das politische Signal dieser Maßnahme, die »geschlossene Einheit der europäischen Mächte«707, weit wichtiger als ihre militärische Effektivität. Signifikant verstärkt wurde dieses Signal, als sich Italien am 12. November bereit erklärte, die Blockade mit zwei Kriegsschiffen zu unterstützen708, und Portugal am 6. Dezember die Küste Mosambiks für den Handel mit Kriegsmaterial sperrte709. Nach anfänglichem, allerdings verhaltenem Protest gegen die Weisungen aus Berlin dämmerte es Deinhard plötzlich, worum es der Reichsleitung bei der ganzen Sache primär ging. Am 18. November lancierte er einen pragmatischen Lösungsvorschlag: Er fragte bei Monts telegrafisch an, ob die »Blockade auf der ganzen Küste des Sultanats wenn auch nicht effektiv ausgeübt werden, oder auf der ganzen erklärt und nur auf dem verabredeten respective einem oder unseren anderen Theilen und dort effectiv durchgeführt werden«710 solle. Die Antwort aus Berlin war ernüchternd: »Blockade auf der ganzen Küste des Sultanats erklären und wenn auch nicht völlig effectiv ausüben«711. Daraufhin versuchte der Geschwaderchef erneut, die Räumung von Bagamoyo und Daressalam zu erwirken, um die beiden dort stationierten Schiffe für die Blockade freizubekommen. Aber diese zwei Häfen, die letzten deutschen Enklaven auf dem ostafrikanischen Festland, mussten unbedingt gehalten werden – ihr strategischer und politischer Wert war zu groß, 705

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Das deutsche ostafrikanische Küstengebiet wurde im Süden durch den Rovuma-Fluss und im Norden durch die Hafenstadt Tanga begrenzt. Der Jumba-Fluss markierte die Grenze des britischen Küstengebietes zum Somaliland, in dem sich vor allem die Italiener engagierten. H.v. Bismarck an Monts, 13.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 167 f., hier Bl. 167. Bismarck an Hatzfeldt, 17.10.1888, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 243. AA an Monts, 12.11.1888, BArch, R 1001/709, Bl. 76. Crispi hatte bereits am 12. Oktober geäußert, dass sich Italien eventuell mit Kriegsschiffen an der Blockade beteiligen würde. Allerdings hatten weder die britische noch die deutsche Regierung bis Anfang November auf dieses Angebot reagiert, da sie sich erst einmal untereinander über die Blockadebestimmungen verständigen mussten. Vgl. H.v. Bismack an AA, 12.10.1888, BArch, R 1001/706, Bl. 60; H.v. Bismarck an AA, 11.11.1888, BArch, R 1001/709, Bl. 66 ff.; H.v. Bismarck an Solms, 12.11.1888, ebd., Bl. 69-73. H.v. Bismarck an Monts, 8.11., 10.11., 13.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 165 u. 164, 167 f.; Monts an Deinhard, 13.11.1888, ebd., Bl. 170; Monts an Deinhard, 17.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 4; H.v. Bismarck an Monts, 17.11., 7.12.1888, ebd., Bl. 12, 102; Solms an Bismarck, 15.11.1888, ebd., Bl. 33 f.; Deinhard an Monts, 20.11.1888, ebd., Bl. 115-122; H.v. Bismarck an Monts, 17.11.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 3; H.v. Bismarck an Monts, 12.11.1888, BArch, RM 1/2909, Bl. 114 f.; Monts an Deinhard, 14.11.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 35; Monts an Deinhard, 8.11.1888, ebd., Bl. 45; Portugiesische Blockadeerklärung für die nördlichen Küstegebiete Mosambiks, 6.12.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9719, S. 84; Duppler, Der Juniorpartner, S. 289 ff.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 4, S. 467-471. Deinhard an Monts, 18.11.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 39. Monts an Deinhard, 19.11.1888, ebd., Bl. 47.

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als dass sie hätten aufgegeben werden können. Die Reichsleitung erlaubte ihm lediglich den Abzug der Sicherungstruppen an Land, denn allein in Daressalam hatte die Bewachung des Usagara-Hauses binnen fünf Wochen 160 Fieberkranke gekostet. Nur einen Tag später, am 20. November, vereinbarten Deinhard und Fremantle, dass die Blockade »auf die ununterbrochene Küstenlinie [ausgedehnt wird], welche durch die vereinigten Mächte von Deutschland und Großbritannien im Traktat von 1866 [sic] als Besitzung Seiner Hoheit des Sultans von Sansibar anerkannt ist – mit Einschluß der Insel Mafia, Lamu und anderer kleinerer nahe der Küste liegender Inseln – von 10° 28′ bis 2° 10′ Südbreite«712, das bedeutete über die »Küste des deutschen und englischen Interessen-Gebiets«713 vom Rovuma bis Lamu. Die zu blockierende Küstenstrecke wurde so eingeteilt, dass jedes der beiden Geschwader – unter dem Kommando seines nationalen Befehlshabers – die eigene Interessensphäre überwachte, wobei die deutschen Marineeinheiten, die den ausgedehnteren Abschnitt zu blockieren hatten, von einem britischen und einem italienischen Kriegsschiff, das sich bereits vor Ort befand, unterstützt werden sollten. Diese Aufteilung entsprach der geheimen Instruktion, die Fremantle während der Verhandlungen erhalten hatte. Diese lautete: Kein Einsatz deutscher Schiffe im britischen Interessengebiet, damit der Aufstand sich nicht weiter nach Norden ausdehnt714. »Press for this not as part of your instructions from home«, hatte die Admiralty befohlen, »but on ground of convenience and local responsibilities«715 – auch das war dem langgedienten Admiral gut gelungen716. Trotz der raschen Einigung zwischen den beiden Geschwaderchefs verzögerte sich die Proklamation der Blockade ein weiteres Mal, da es Probleme mit dem Sultan gab717. Dieser hatte zwar den geplanten Maßnahmen infolge diplomatischen 712

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Übereinkommen zwischen Kontreadmiral Deinhard und Kontreadmiral Fremantle betreffs der Blockade der festländischen Küste des Sultanats von Sansibar mit Einschluß der Inseln Mafia und Lamu und anderer kleinerer nahe der Küste liegender Inseln, zit. in: Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 4, S. 469 f., hier S. 469. H.v. Bismarck an Monts, 23.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 48 f., hier Bl. 49. Dies war die offizielle und vor allem, wie Herbert von Bismarck sich ausdrückte, »zweckentsprechende« Bezeichnung für den zu blockierenden Küstenabschnitt. Dahinter standen handfeste wirtschaftliche Interessen der British East Africa Company, deren Lobbyisten sich vehement für eine solche Anweisung an Fremantle bei der britischen Regierung eingesetzt hatten. Vgl. Munro, Maritime Enterprise and Empire, S. 424. Admiralty an Fremantle, 6.11.1888, zit. nach: Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 196. H.v. Bismarck an Monts, 25.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 48 f.; Deinhard an Monts (mit Anlagen), 20.11.1888, ebd., Bl. 115-127; H.v. Bismarck an Monts, 24.11.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 19 f.; Deinhard an Monts, 22.11.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 50. Khalifa bin Said betrieb ab Mitte Oktober 1888 eine zunehmend eigenständige »Politik der harten Hand«, durch die er seine Autorität bei der sansibarischen Bevölkerung wiederherzustellen versuchte. Gleichzeitig versuchte er, sich an Frankreich und die USA anzunähern, um sich aus der Abhängigkeit von Großbritannien und Deutschland zu lösen, allerdings ohne Erfolg. In diesem Rahmen bezog er bewusst Stellung gegen diverse politische und militärische Maßnahmen der Briten und Deutschen, etwa gegen die Blockade der ostafrikanischen Küste, wurde jedoch von den Konsuln der beiden Großmächte immer wieder dazu gezwungen, in entscheidenden Fragen nachzugeben. Khalifa bin Said änderte seinen konfrontativen politischen Kurs erst, nachdem im Frühjahr 1889 der allgemein unbeliebte britische Konsul Euan-Smith, mit dem er sich überworfen hatte, aus Sansibar abberufen wurde. Dessen Nachfolger Gerald Portal gelang es, ein gutes persönliches Verhältnis zum Sultan aufzubauen und ihn schließlich sogar zu einer Kooperation mit den Blockademächten zu bewegen. Vgl. Bennet, A History of the Arab State of Zanzibar, S. 147-158.

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und militärischen Druckes mündlich zugestimmt, aber nun zauderte er, sein Einverständnis auch öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Ihm missfiel vor allem der offizielle Zweck der Blockade als Mittel zur Wiederherstellung seiner Autorität auf dem ostafrikanischen Festland, denn, so konstatierte er, »von einem Aufstande gegen seine Autorität könne nicht die Rede sein, vielmehr sei das Widerstreben der Bevölkerung nur gegen die Angestellten der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft gerichtet«718. Monts wies Deinhard an, dennoch die Blockade gemeinsam mit Fremantle im Namen des Sultans zu verhängen. Dessen mündliche Zusage sei ausreichend, eine offizielle Proklamation durch ihn »nicht erforderlich«719. Fremantle erhielt ebenfalls eine entsprechende Anweisung von der Admiralty, so dass die beiden Geschwaderchefs schließlich am 29. November »auf Befehl unserer Hohen Regierungen und im Namen Seiner Hoheit des Sultans von Sansibar«720 die Blockade der festländischen Küste des Sultanats gegen die Ausfuhr von Sklaven und die Einfuhr von Kriegsmaterial erklären konnten. Drei Tage später erwirkte Michahelles doch noch die Proklamation des Sultans – diktiert aus seiner Feder. Am 2. Dezember um 12 Uhr mittags trat die Blockade in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an sollten alle Dhaus, die das Embargo verletzten, aufgebracht und beschlagnahmt, Sklavenschiffe unter französischer Flagge allerdings der französischen Marine oder dem französischen Konsul in Sansibar übergeben werden721. Eine, wenn auch stark eingeschränkte Ausnahmeregelung gab es nur für Waffenlieferungen an die deutsche und britische Kolonialgesellschaft722. Außerdem durften die Dhaubesatzungen in den ersten Monaten einige Waffen zur Selbstverteidigung mitführen. Den deutschen Vorschlag, ein gemeinsames Prisengericht einzusetzen, lehnten die Briten »unter Hinweis auf die, diesem Vorschlag entgegensprechende Lage der englischen Gesetzgebung«723 ab, so dass schließlich zwei separate Prisengerichte724 unter dem Vorsitz des jeweiligen Generalkonsuls in Sansibar installiert wurden725. 718 719 720 721

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723 724 725

Michahelles an Bismarck, 8.12.1888, BArch, R 1001/714, Bl. 14-17, hier Bl. 14 f. Monts an Deinhard, 28.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 66. Auszug aus der Blockadeerklärung, zit. nach: Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 4, S. 468. AA an Monts (mit Anlage), 6.12.1888, BArch, M 1/2441, 94 f.; Monts an Deinhard, 7.11.1888, ebd., Bl. 96. Bis zur Einrichtung der Prisengerichte sollten Dhaus, die Kriegsmaterial unter französischer Flagge schmuggelten, an Michahelles übergeben werden. Vgl. Monts an Deinhard, 7.11.1888, ebd., 96. Über den Umgang mit Blockadebrechern war kontrovers diskutiert worden. Die Reichsleitung hatte sich schließlich mit der britischen Regierung darauf verständigt, die Klärung dieser Frage den Admiralen zu überlassen. Vgl. u.a. H.v. Bismarck an Monts, 22.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 44 f. H.v. Bismarck an Goltz (mit Anlagen), 13.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 97-101. Zu Beginn der Blockade wurden außerdem diejenigen Schiffe mit Kriegsmaterial an Bord von der Konfiskation verschont, die noch vor der Blockadeerklärung ihre Reise angetreten hatten. Vgl. Instruktion für die Blockadeboote, o.D. [Dezember 1888], zit. in: Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 616 f. Gemeinsamer Immediatbericht des Auswärtigen Amtes, des Reichs-Justizamtes und der Admiralität, 14.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 35-38, hier Bl. 35. Das britische Prisengericht nahm seine Tätigkeit im Dezember 1888, das deutsche Prisengericht zwei Monate später auf. Michahelles an Bismarck (mit Anlagen), 8.12.1888, BArch, R 1001/714, Bl. 14-19; H.v. Bismarck an Monts, 11.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 162; H.v. Bismarck an Monts, 24.11.1888, BArch,

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Italien hatte bereits am 12. November seine Bereitschaft erklärt, sich ebenfalls an der Blockade zu beteiligen. Anschließend war der Kommandant des vor Sansibar liegenden italienischen Panzerschiffes »Dogali« von Francesco Crispi telegrafisch angewiesen worden, sich mit Deinhard und Fremantle »wegen Ausführung der Blockademaßregeln in Ostafrika«726 in Verbindung zu setzen. Dieser wartete zunächst, bis die Blockade offiziell in Kraft getreten war. Dann schlug er vor, dass die beiden Admirale die Teilnahme seines Schiffes anzeigten, »als ob es ein ihnen unterstelltes Schiff wäre, ohne daß Italien als dritte Macht in der BlockadeErklärung genannt wird«727. Sowohl die deutsche als auch die britische Regierung, beide Bündnispartner Italiens, lehnten den Vorschlag aus völkerrechtlichen Gründen ab. Sie befürchteten Schwierigkeiten, sobald Fahrzeuge neutraler Staaten, besonders französische, durch die »Dogali« aufgebracht würden. Deshalb erließ der italienische Kommandant am 5. Dezember im Namen seiner Regierung eine eigene Blockadeerklärung über die festländische Küste Sansibars, und zwar gemeinsam mit Khalifa bin Said und »im vollständigen Einverständnis«728 mit Deinhard und Fremantle729. Die »Dogali« bekam einen Küstenstreifen an der Südgrenze des deutschen Schutzgebietes zugeteilt, war aber kaum in der Lage, diesen effektiv zu blockieren. Sie war »ein modernes Schiff von großer Geschwindigkeit und ohne Takelage«730. Aber für die Patrouillenfahrten in Küstennähe hatte das Panzerschiff einen zu großen Tiefgang und zudem musste es »alle Woche nach Zanzibar [gehen], um seinen Kesseln frisch Wasser zu geben«731. Letztlich »eignete sich [die ›Dogali‹] nicht zum Blockiren«732, deshalb zog die italienische Regierung sie Anfang Februar von der ostafri-

726 727 728 729

730 731 732

RM 1/2441, Bl. 47; Monts an Deinhard, 28.11.1888, ebd., Bl. 66; H.v. Bismarck an Monts, 28.11.1888, ebd., Bl. 70; Deinhard an Monts, 29.11.1888, ebd., Bl. 71; Gemeinsamer Immediatbericht des Auswärtigen Amtes, des Reichs-Justizamtes und der Admiralität, 14.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 35-38; Michahelles an Bismarck (mit Anlage), 2.12.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 51 ff.; Michahelles an Deinhard, 30.11.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 92; Deinhard an Michahelles, 1.12.1888, ebd., Bl. 94; Marineverordnungsblatt, 20 (1889), 5, Verordnung Nr. 23, S. 29-33. H.v. Bismarck an Monts, 17.11.1888, BArch, R 1001/710, Bl. 19. Deinhard an Paschen, 3.12.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 39-43, hier Bl. 40. H.v. Bismarck an Monts, 7.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 101. Duppler irrt mit der Aussage, dass Großbritannien auf die eigenständige italienische Blockadeerklärung bestanden habe, um dadurch zu verhindern, dass eine weitere Macht in Ostafrika an Einfluss gewinnt. Vgl. Duppler, Der Juniorpartner, S. 301, Anm. 285. Ganz im Gegenteil: Großbritannien unterstützte die kolonialen Ambitionen Italiens sowohl in Ost- als auch in Nordafrika in den 1880er Jahren ganz überwiegend, um den französischen Einfluss in der Region so gering wie möglich zu halten. Mit Bezug auf Somaliland sicherte Salisbury Anfang September 1888 seinem italienischen Amtskollegen Francesco Crispi zu: »England werde sich darum bemühen, Italien zu verschaffen was es begehrt«. Nur wenige Monate später schloss Italien Schutzverträge mit zwei somalischen Häuptlingen und leitete dadurch – mit britischer Rückendeckung – die Gründung von Italienisch-Somaliland ein. Zitat aus: Crispi, Memoiren, S. 350 (Tagebucheintrag vom 3.9.1888). Vgl. Afflerbach, Der Dreibund, S. 141-162, 340-345; Hess, Germany and the AngloItalian Colonial Entente, S. 153-163; Hess, Italian Colonialism in Somalia, S. 13-38; Labanca, Oltremare, S. 39-88. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 124; siehe dazu auch: Almanacco storico navale, Incrociatori Dogali. Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 68. Ebd., S. 42.

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Die Kämpfe des »Küstenaufstandes« in Deutsch-Ostafrika 1888 – 1890 Tanga Lewa Pangani

Pemba

Bueni

Kreuzerkorvette SMS Carola

Mkwadja Mpwapwa

Sansibar

Mlembule

ca. 180 km

Sadani Kreuzerfregatte SMS Leipzig

Ralamakaa Bagamoyo Kaole Kondutchi

Jombo Madimola

Immanuelberg

Dunda Usungula

DARESSALAM Kanonenboot SMS Möwe

Morogoro

Pugu

Magogony Aviso SMS Pfeil

Gefecht zerstörte Missionsstation

Mafia Utete

zerstörte DOAG/DOAPG-Station Kreuzer IV. Klasse SMS Schwalbe

Seeblockade Sicherungsstreifen der deutschen Kriegsschiffe

INDISCHER OZEAN

Kilwa

AFRIKA

Sicherung durch die Royal Navy und italienische Kriegsschiffe

Lindi Quellen: Hirschberg, Ein deutscher Seeoffizier, Bd 3, S. 43; Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 47.

Mkindani

© MGFA

06683-05

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kanischen Küste ab. Als Ersatz schickte sie das Kanonenboot »Rapido« und den Aviso »Staffetta«, allerdings kamen die beiden Schiffe erst drei Monate später in Sansibar an. In der Gesamtbilanz war der italienische Beitrag zur Blockade kaum von Bedeutung733. Portugals Regierung erklärte sich am 16. November nach einigem Zögern bereit, die Blockade auf die mosambikanische Küste auszudehnen. Bismarck und Salisbury hatten großen Druck ausüben müssen, um diese Entscheidung herbeizuführen. Sie war in Portugal innenpolitisch heftig umstritten, denn die Aufstandsbewegung hatte bis dahin nicht auf Portugiesisch-Ostafrika übergegriffen. Um den Anschein einer souveränen Entscheidung zu wahren, konstatierte der portugiesische Außenminister Henrique de Barros Gomes, dass die Mitwirkung an der Blockade Portugal die Möglichkeit biete, »mit noch mehr Wirkung das, was bisher seine traditionelle Politik bildete, durchzuführen, nämlich die Unterdrückung der Sklaverei und die Befestigung des guten Einverständnisses zwischen allen europäischen Mächten in Bezug auf diesen vorzugsweise christlichen und civilisatorischen Plan«734. Am 6. Dezember verhängte König Luis I. ein Embargo über den Handel mit Kriegsgerät an der Küste Mosambiks von der Rovuma-Mündung bis zur Pemba-Bucht. Zur Durchsetzung des Embargos entsandte die portugiesische Regierung in den darauffolgenden Wochen insgesamt sieben Kriegsschiffe – vier Korvetten und drei Kanonenboote – in das Blockadegebiet735. Frankreich verhielt sich gegenüber den Blockademächten kooperativ und zurückhaltend, obwohl die Embargomaßnahmen die französischen Interessen in Ostafrika schädigten und zahlreiche französische Fahrzeuge davon betroffen waren. »Für wenige Francs«, erinnerte sich Fremantle in seinen Memoiren, »konnten arabische Daus in Mayotte, in den Komoren-Inseln, in das französische Schiffsregister aufgenommen werden736.« Deshalb verkehrten seinerzeit zahlreiche Sklavenschiffe unter französischer Flagge zwischen Madagaskar, Sansibar und dem ostaf733

734 735

736

Italienischer Botschafter in Berlin an H.v. Bismarck, 16.11.1888, BArch, R 1001/710, Bl. 20; Solms an Bismarck, 15.11.1888, ebd., Bl. 34 ff.; AA an Solms, 22.11.1888, ebd., Bl. 73; Italienische Blockadeerklärung für die Küste von Sansibar, 5.12.1888, BArch, R 1001/714, Bl. 60; H.v. Bismarck an Monts, 5.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 100; H.v. Bismarck an Monts, 7.12.1888, ebd., Bl. 101; Deinhard an Paschen, 18.12.1888, ebd., Bl. 275 ff., hier Bl. 275; Deinhard an Paschen, 3.12.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 39-43; Deinhard an Goltz, 3.2.1889, BArch, RM 1/2908, Bl. 17-23, hier Bl. 20; Kommandant der »Dogali« an Deinhard (mit Anlage), 5.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 151 f.; Kommandant der »Dogali« an Deinhard, 1.2.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 146; Kommandant der »Rapido« an Deinhard, 28.4.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 16. Gomes an den deutschen Gesandten in Lissabon, 16.11.1889, BArch, R 1001/710, Bl. 82 f. Bismarck an den deutschen Gesandten in Lissabon, 8.11.1888, BArch, R 1001/709, Bl. 41 f.; Deutscher Konsul in Lissabon an Bismarck (mit Anlagen), 22.11.1889, BArch, R 1001/710, Bl. 78-83 und 84-92; Deutscher Gesandter in Lissabon an Bismarck (mit Anlagen), 22.11.1888, BArch, R 1001/711, Bl. 14-20; H.v. Bismarck an Monts, 7.12.1888, BArch, R 1001/712, Bl. 62 f.; Deutscher Gesandter in Lissabon an Bismarck (mit Anlagen), 10.12.1888, BArch, R 1001/713, Bl. 57-63; Deutscher Gesandter in Lissabon an Bismarck, 20.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 160; Deinhard an Goltz, 3.2.1889, BArch, RM 1/2908, Bl. 17-23, hier Bl. 20; Portugiesische Blockadeerklärung für die nördlichen Küstengebiete Mosambiks, 6.12.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9719, S. 84. Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 428.

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rikanischen Festland, und das – sehr zum Ärger der Briten – weitgehend unbehelligt von der französischen Marine. Als Bismarck die französische Regierung Ende Oktober aufforderte, sich am Kampf gegen den Sklavenhandel an der ostafrikanischen Küste zu beteiligen, erklärte diese, es »seien schon am 10. September [1888] Instruktionen an den Geschwaderchef in Madagaskar telegrafiert und ihm befohlen worden dagegen einzuschreiten, wo er könne«737. Letztlich hatte die Regierung von Charles Floquets keine andere Wahl, als sich in dieser Frage kooperativ zu verhalten, da sie sich einer geschlossenen Front ihrer Rivalen Großbritannien, Deutschland und Italien gegenübersah. Ein harter Kurs gegen die Embargomaßnahmen hätte Frankreich nur weiter in die Isolation getrieben. Im Verlauf der Blockade waren sowohl die französische Regierung als auch die Regierungen der ausführenden Mächte durchweg um ein kooperatives Verhältnis zueinander bemüht. Um Friktionen möglichst zu vermeiden, wurden die ohnehin wenigen Blockadebrecher unter französischer Flagge dem französischen Konsul in Sansibar übergehen. Dieser urteilte sehr milde und entließ viele Sklavenhändler sogar ungestraft in Freiheit, was zwar die Admirale Deinhard und Fremantle verärgerte, aber von ihren Regierungen toleriert wurde. Was für Bismarck zählte, war der politische Erfolg: Unter dem Deckmantel der gemeinsamen Bekämpfung des Sklavenhandels war es ihm gelungen, auch Frankreich für die Durchsetzung deutscher Interessen in Ostafrika einzuspannen, ohne dafür dessen politische Isolation aufweichen zu müssen. Sein anti-französisches Bündnissystem738 wurde durch die mittelbare Einbindung der Franzosen in die Blockade nicht beschädigt, sondern aufgrund der engeren Anbindung Großbritanniens an den Dreibund sogar noch gestärkt – ein diplomatisches Meisterstück739. Schon am Morgen des 2. Dezember 1888 waren alle Schiffe auf den ihnen zugewiesenen Stationen, die im Laufe der Blockade wechselten, und nahmen pünktlich ihre Tätigkeit auf. Entlang des deutschen Küstenstreifens erhielt jedes Kriegsschiff 737

738

739

Münster an Bismarck, 26.10.1888, BArch, R 1001/707, Bl. 52 f., hier Bl. 52. Offiziell verboten wurde der madagassische Sklavenhandel allerdings erst 1896, kurz nachdem Frankreich das Inselreich erobert und unter sein Protektorat gestellt hatte. Dieses Bündnissystem umfasste den Dreibund, den Orient-Dreibund und die MittelmeerEntente. Siehe dazu: Femers, Deutsch-Britische Optionen, S. 220-267; Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 110-140; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 77-106. Michahelles an Bismarck, 23.9.1888, BArch, R 1001/707, Bl. 11 f.; Münster an Bismarck, 26.10.1888, ebd., Bl. 52 f.; Hatzfeldt an Bismarck, 26.10.1888, ebd., Bl. 83 f.; AA an Goltz (mit Anlage), 6.12.1888, BArch, R 1001/715, Bl. 32 f.; Goltz an H.v. Bismarck, 9.12.1888, ebd., Bl. 52; AA an Admiralität (mit Anlagen), 11.1.1889, BArch, RM 1/2441, Bl. 256-268; Münster an Bismarck, 15.1.1889, ebd., Bl. 319; Deinhard an Goltz, 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 120 ff.; Michahelles an Deinhard, 21.1.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 116; Französisches Konsulat in Sansibar an Michahelles, 22.2.1889, ebd., Bl. 238; Deinhard an Michahelles, 23.1.1889, ebd., Bl. 117; Ergänzende Bekanntmachung zur Blockade von Pemba und Sansibar, 1.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 6; Deinhard an Goltz, 20.3.1889, ebd., Bl. 95 ff., hier Bl. 96; Bismarck an Hatzfeldt, 22.10.1888, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 50 (1890), Nr. 9695, S. 62 f.; Bismarck an Münster, 23.10.1888, ebd., Nr. 9696, S. 63 f.; Bismarck an Hatzfeldt und Münster, 23.10.1888, ebd., Nr. 9697, S. 64 f.; Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 428 ff.; Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 196 f.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 627. Zum madagassischen Sklavenhandel allgemein siehe: Campbell, Madagascar and the Slave Trade.

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einen etwa 90 Seemeilen großen Abschnitt, den es zu überwachen hatte. Die britische Korvette »Algerine« und das italienische Panzerschiff »Dogali« patrouillierten den südlichen Teil dieses Küstenstreifens vom Rovuma bis Kilwa, während die vier deutschen Schiffe zwischen Kilwa und Wanga konzentriert wurden. Zur Überwachung des britischen Küstengebietes standen Fremantle vier Kriegsschiffe zur Verfügung740, die jeweils einen Bereich von etwa 50 Seemeilen Länge zu beaufsichtigen hatten. Jedes die Blockade passierende Fahrzeug sollte kontrolliert werden. Für das Zusammentreffen von Schiffen benachbarter Blockadereviere wurden bestimmte Zeiten und Orte verabredet, um die Verbindung aufrechtzuerhalten. Ihre Pinassen und Beiboote sollten »im Prinzip nicht zur Bildung eines Cordons herangezogen werden«, sondern »nur im Allgemeinen für Blockadezwecke verwandt werden, wenn die Gelegenheit sowie Wind und Wetter es gestatteten, jedoch ist nicht ausgeschlossen, daß einzelne Häfen und Creeks von Booten speciell blockiert werden«741. Am 4. Dezember forderte Deinhard nochmals Torpedoboote aus Deutschland an, weil entlang der blockierten Küste die »Kommunikation auf den weiten Strecken selbst mit Verstärkung [durch den ›Pfeil‹ und die ›Schwalbe‹] unmöglich« und die »Dampfbeiboote seeuntüchtig«742 seien. Die Admiralität lehnte auch diese Anfrage aus den bekannten Gründen ab und schickte stattdessen vier angemietete Dampfpinassen in das Krisengebiet – zu mehr war sie nicht bereit. Deinhard war damit nicht zufrieden, aber er musste nehmen, was er an zusätzlichen Fahrzeugen bekommen konnte. »Wenn nichts anderes disponibel [ist]«, antwortete er deshalb nach Berlin, dann seien auch Dampfpinassen »von wesentlichem Nutzen«743. Er versuchte auch sansibarische Dampfer als Avisos anzumieten, was jedoch vom Sultan abgelehnt wurde. Anfang Januar trafen der »Pfeil« und die »Schwalbe« in den ostafrikanischen Gewässern ein. Auch das britische Geschwader wurde zeitweise durch zwei weitere Schiffe verstärkt, so dass im Frühjahr 1889 insgesamt 14 Kriegsschiffe, ausgerüstet mit 106 Geschützen und rund 2870 Mann Besatzung, an der Blockade mitwirkten744. 740 741 742 743 744

Das Linienschiff »Agamemnon« eignete sich nicht für Kreuzfahrten an der ostafrikanischen Küste und wurde daher in Sansibar stationiert. Zitate aus: Deinhard an Hartog, Raven und Riedel, 30.11.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 86-91, hier Bl. 86, 88, 90. Zitate aus: Deinhard an Paschen, 4.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 100. Siehe dazu auch: Deinhard an Paschen, 18.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 275 ff., hier Bl. 275 f. Deinhard an Paschen, 22.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 142. Aktenvermerke der Admiralität, 6.-31.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 110-113; Monts an Deinhard, 13.11.1888, ebd., Bl. 111; Paschen an Deinhard, 24.12.1888, ebd., Bl. 143; Deinhard an Paschen, 19.12., 28.12.1888, ebd., Bl. 156, 184; Aktenvermerke der Admiralität, 19.-29.12.1888, ebd., Bl. 157; Admiralität an Deinhard, 3.1.1889, ebd., Bl. 185; Deinhard an Paschen, 3.12.1888, BArch, RM 1/2907, Bl. 39-43; Deinhard an Hartog, Raven und Riedel, 30.11., 4.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 86-91, 112 ff.; Deinhard an Michahelles, 2.12.1888, ebd., Bl. 95; Deinhard an Kommandant der »Algerine«, 5.12.1888, ebd., Bl. 116; Deinhard an Paschen, 6.12., 18.12.1888, ebd., Bl. 121, 218; Admiralität an Deinhard, 13.12.1888, ebd., Bl. 207; Admiralität an Deinhard, 3.1.1889, ebd., Bl. 352; Deinhard an Goltz, 14.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 61-71, hier Bl. 70; Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 421 f.; Rang- und Quartierliste der Kaiserlich Deutschen Marine, 1889, S. 133 f.; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 78; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 3, S. 367, 4, S. 470 f.

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Eine besondere Bedeutung kam den Beibooten und Dampfpinassen zu. Sie allein waren in der Lage, die dicht an der Küste segelnden Dhaus zu verfolgen und aufzubringen. Allerdings waren die arabischen Segler den deutschen Blockadebooten meist an Größe und Geschwindigkeit überlegen, was durch entsprechende Bewaffnung kompensiert werden musste, »sonst wären die Dhaus ihnen einfach hohnlachend davongesegelt«745. Wenn das Mutterschiff zur Kohlen- und Proviantaufnahme nach Sansibar ging, blieben seine Boote in der Regel im Blockaderevier stationiert. Unterstützt wurden sie durch die DOAG-Dampfbarkasse »Jühlke« und den in Bombay angemieteten britischen Dampfer »Cutch«, die beide als Aviso, Post- und Frachtdampfer wichtige Dienste leisteten, sowie die vier aus Deutschland nachgeschickten Dampfpinassen746. Um den Anforderungen des Blockadedienstes gerecht zu werden, wurden alle Boote speziell ausgerüstet und bemannt. Als Vorbild dafür dienten die Avisos der britischen »Sklavenkreuzer« in Sansibar, »welche nur für diesen Zweck gebaut und eingerichtet waren und deren Ausrüstung sich in einer beinahe sechzigjährigen Praxis entwickelt hatte«747. Dampfpinassen wurden mit 10-14 Mann, Barkassen und Ruderpinassen mit jeweils 14-18 Mann und die sie begleitenden Jollen mit 6-7 Mann Besatzung auf Patrouille geschickt; mit an Bord war stets ein Dolmetscher748. Der Anzug der Besatzung bestand aus Arbeitszeug, Strohhüten und Segeltuchschuhen, die Offiziere trugen meist ihre weißen Anzüge mit weißer Mütze oder Tropenhut. Bootsoffiziere, Steuermänner und Dolmetscher wurden mit Revolvern, die restliche Besatzung mit Gewehren und jeweils 80 Schuss Munition bewaffnet. Weil an der ostafrikanischen Küste fast das ganze Jahr über relativ raue Wetterverhältnisse herrschten, war die Montage von eisernen Schutzschilden an Bug und Heck erforderlich, die als Wellenbrecher dienten. Bei Flussexpeditionen und Landungen wurden oftmals zusätzliche Eisenplatten um den ganzen Bootskörper herum montiert, die vor feindlichem Beschuss schützen sollten. Jedes Boot wurde mit einer Revolverkanone, teilweise auch mit einer Bootskanone, entsprechender Munition749, robuster Takelage, einer notdürftigen Kombüse, verstärkten Ankerketten und verschiedenem anderen Material ausgerüstet, das von Putzmitteln für die Waffen über Werkzeuge, Kompass und Handlaternen bis hin zu Schusspfropfen gegen Einschusslöcher reichte. Dieses Material wurde hauptsächlich von den Mutterschiffen bereitgestellt, teilweise aber auch aus der Heimat oder in Sansibar beschafft. Die Versorgung mit Munition und Proviant, hauptsächlich Fleischkonserven, Reis, Erbsen, Bohnen und Brot, später auch eine tägliche Ration 745 746

747 748 749

Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 125. Die »Jühlke« wurde der Kaiserlichen Marine Ende Oktober von der DOAG zur Verfügung gestellt und militärisch besetzt. Die »Cutch« stieß Mitte Februar zum Geschwader und die vier Dampfpinassen trafen Anfang März in Sansibar ein. Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1018 f. Siehe dazu: BArch, R 1001/715, Bl. 96 f.; Die Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1022. Für eine sechstägige Patrouillenfahrt erhielt jedes Boot anfangs pro Revolverkanone 120 scharfe sowie 60 Platzpatronen und pro Bootskanone 30 geladene Granaten. Im Laufe der Blockade wurde diese Menge leicht erhöht. Vgl. BArch, R 1001/715, Bl. 96 f.; Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1020.

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von einem Viertelliter dalmatinischem oder portugiesischem Rotwein, erfolgte auf hoher See und war so kalkuliert, dass die Boote für sechs bis zehn Tage selbstständig in ihrem Blockaderevier kreuzen konnten. Frische Lebensmittel tauschten die Besatzungen ab und zu bei lokalen Fischern ein750. Zu Kaisers Geburtstag am 27. Januar 1889 gab es für jeden Teilnehmer eine Extraration Bier, denn die Bremer Kaiser-Brauerei Beck & Co. spendete aus diesem Anlass 10 000 Flaschen Pilsener für die Marinesoldaten im Ostafrika-Einsatz, was im Marineverordnungsblatt »mit dem Ausdruck des Dankes für die hochherzigen Geber zur allgemeinen Kenntnis gebracht«751 wurde. Problematisch war besonders die Versorgung mit frischem Wasser. Jedes Boot erhielt nur drei Liter pro Mann und Tag, was gerade zum Kochen und »in sehr mäßiger Weise«752 zum Trinken reichte. Notfalls konnte Wasser von den kontrollierten Dhaus requiriert werden, angeblich jedoch war das »keine sehr appetitliche Flüssigkeit«, wie ein anonymer Seeoffizier zehn Jahre später in der Marine-Rundschau mitteilte, »da meist Würmer darin schwammen«753. Ursprünglich war geplant, dass die Boote alle drei Tage vom Mutterschiff zwecks Versorgung und Austausch von Besatzungsmitgliedern besucht wurden, tatsächlich aber gelang dies durchschnittlich nur jeden achten Tag, was den ohnehin harten Dienst an Bord derselben noch erschwerte754. Eine besondere Herausforderung während der Blockade bildete auch die Versorgung der größeren Kriegsschiffe. Ausrüstungsgegenstände wurden auf Anforderung aus der Heimat nach Sansibar geschickt, ebenso Nahrungsmittel, soweit diese nicht vor Ort, in Sansibar, beschafft werden konnten. Die Beschaffung von frischem Proviant an der festländischen Küste erlaubte Deinhard nur in Ausnahmefällen und mit der Auflage, »daß keine Verwicklungen mit den Eingeborenen daraus entstehen können«755. Sämtlicher Postverkehr des Geschwaders wurde mit britischen Postdampfern, bei Gelegenheit auch mit anderen Schiffen über Aden oder mit französischen Postdampfern über Sansibar abgewickelt756. Briefe und amtliche Berichte hatten eine durchschnittliche Laufzeit von drei bis sechs Wochen. Deinhard nutzte bevorzugt die französische Post, weil diese »nicht nur schneller und pünktlicher als die englische [ist], sondern auch billiger, besonders für Hofpostbriefpackete«757. Den monatlichen Kohlenbedarf der deutschen 750

751 752 753 754

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Nach Rochus Schmidt waren die Bootsmannschaften »sehr häufig [...] genötigt, sich Proviant und Wasser, so gut es anging, in den Negerdörfern der Küste zu verschaffen«. Diese Darstellung ist übertrieben, sie lässt sich anhand der Quellen nicht belegen. Zitat aus: Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 37. Marineverordnungsblatt, 20 (1889), 4, S. 25. Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1021. Ebd. Ebd., S. 1018-1024; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 38 ff.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 124-127; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 614 ff., 625 f. Deinhard an Hartog, 22.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 232; siehe außerdem: Deinhard an Raven, 15.12.1888, ebd., Bl. 190. Die erste deutsche Postdampferverbindung mit Ostafrika wurde erst nach der Niederschlagung des »Araberaufstandes« im Juni 1890 eingerichtet. Vgl. Marineverordnungsblatt, 21 (1890), 11, Verordnung Nr. 89, S. 72-80. Deinhard an Goltz, 3.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 20-26, hier Bl. 24 f.

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Kriegsschiffe bezifferte Deinhard auf etwa 1200 tons, nach dem Eintreffen von »Pfeil« und »Schwalbe« auf insgesamt 1500 tons. Während der Blockade wurde der Nachschub an Brennmaterial von der Hamburger Firma D.C. Brandt organisiert, dem vertraglichen Kohlenlieferanten der Kaiserlichen Marine, welche die in Sansibar angelegten Kohlendepots regelmäßig auffüllen ließ. »Das Kohlen wurde hauptsächlich von Weibern besorgt«, erinnerte sich Fremantle in seinen Memoiren, »und da es keine Ladebrücke gab, mußten die Kohlenprähme etwas entfernt vom Strande liegen, während sie beladen wurden, und die Weiber standen bis zur Brust im Wasser758.« Deinhard schlug die Einrichtung eines Kohlendepots in Daressalam vor, um die Schiffe nicht dauernd zur Bekohlung nach Sansibar schicken zu müssen. Aber dieser Vorschlag wurde von der Admiralität abgelehnt, »weil Kohlenlager unter eigener Verwaltung [der Marine] anzulegen bis jetzt wenn irgend möglich stets vermieden worden ist«759. Außerdem sei die Anlage und Unterhaltung eines solchen Depots zu teuer und hätte nach Monts’ Einschätzung keinen wesentlichen Vorteil für die Blockadewirkung insgesamt gebracht. Es fanden sich – aus gut nachvollziehbaren Gründen – auch nur wenige arabische Händler, welche die Blockadeschiffe auf ihren Stationen mit Kohlen oder Proviant beliefern wollten. Die Dampfer »Jühlke« und »Cutch« konnten diese Aufgabe nur eingeschränkt übernehmen, da sie meist zur Post- und Befehlsübermittlung gebraucht wurden oder wegen notwendiger Reparaturen ausfielen. Folglich mussten alle deutschen Kriegsschiffe zur Ergänzung ihrer Kohlen- und Proviantvorräte immer wieder Sansibar anlaufen, wodurch die Blockade »auf die störendste Weise unterbrochen«760 wurde. Admiral Fremantle hingegen konnte bei der Versorgung seines Geschwaders auf das langjährig etablierte und gut funktionierende Nachschubsystem der Ostindischen Station zurückgreifen. Auch für die britischen Schiffe diente Sansibar als Basisstation, das sie abwechselnd etwa alle fünf Wochen zur Bekohlung, Proviant758 759 760

Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 431. Monts an Deinhard, 22.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 7 f., hier Bl. 7; siehe dazu auch: Paschen an Deinhard, 24.1.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 226-229, hier Bl. 228 f. Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 4, S. 471. Vgl. ebd., 4, S. 467-471, 5, S. 625 f.; Monts an Deinhard, 8.11.1888, BArch, RM 1/2440, Bl. 152; Deinhard an Monts, 11.11.1888, ebd., Bl. 171; Deinhard an Monts, 13.11., 15.11., 20.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 5, 6, 115-122; Monts an Deinhard, 17.11., 22.11.1888, Bl. 7 f.; Deinhard an Michahelles, 14.11.1888, ebd., Bl. 27; Deinhard an Paschen, 28.12.1888, ebd., Bl. 184; Deinhard an Goltz, 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 125-135, hier Bl. 126; Deinhard an Paschen, 3.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 107-110, hier Bl. 109; Riedel an Deinhard, 28.12.1888, ebd., Bl. 138; Deinhard an Raven, 14.12.1888, ebd., Bl. 187; Deinhard an Paschen, 18.12.1888, ebd., Bl. 209-212, hier Bl. 211; Befehl Deinhards an verschiedene Schiffskommandos, 23.12.1888, ebd., Bl. 239; Heusner an Deinhard, 23.11.1888, ebd., Bl. 264; Firma D.C. Brandt an Admiralität, 17.11.1888, ebd., Bl. 265; Deinhard an Vohsen, 2.1.1889, ebd., Bl. 299; Deinhard an Paschen, 3.1.1889, ebd., Bl. 305 f.; Heusner an die Firma D.C. Brandt, 5.11.1888, ebd., Bl. 328; Firma D.C. Brandt an Admiralität, 6.11.1888, ebd., Bl. 329; Deinhard an Paschen, 3.1.1889, ebd., Bl. 333-336, hier Bl. 333; Admiralität an Deinhard, 18.1.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 66; Deinhard an Goltz, 29.4.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 12 ff., hier Bl. 12 f.; Deinhard an Goltz, 17.5.1889, ebd., Bl. 72-75; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 45 f.; Marineverordnungsblatt, 19 (1888), 6, Verordnung Nr. 55, S. 47, 26, Verordnung Nr. 212, S. 259; Marineverordnungsblatt, 20 (1889), 2, Verordnung Nr. 14, S. 13 und 16, Verordnung Nr. 91, S. 73 f.

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aufnahme und Durchführung kleinerer Reparaturen anliefen. Nur das Linienschiff »Agamemnon« wurde dauerhaft in Sansibar stationiert. Es war »für Kreuzfahrten nicht geeignet, von seinen Booten wurde aber Gebrauch gemacht, und er war wertvoll als Depot und für Reparaturen«761. Während die Deutschen meist binnen Tagesfrist wieder auf ihre Blockadestation zurückkehren mussten, gewährte Fremantle seinen Soldaten in der Regel eine ganze Woche Aufenthalt in Sansibar. Der deutsche Geschwaderchef kritisierte ihn dafür: Er nähme »die Sache zu leicht«762. Fremantle hingegen war der Meinung, dass Deinhard von seinen Männern und seinem Material »zuviel verlangte«763. Der britische Admiral sollte Recht behalten: Während seine Schiffe und deren Besatzungen auch nach dem Ende der Blockade im Herbst 1889 noch voll einsatzfähig waren, konnte davon beim deutschen Geschwader keine Rede mehr sein764. In der offiziösen deutschen Darstellung wurde der Blockadedienst romantisiert und verherrlicht:

»Jugendkraft und Wagemuth, in der Blockade fanden sie das Feld ihrer Bethätigung. Der Traum der Kindheit, einmal das Leben eines Robinson führen zu können, gewann durch sie in einer auch für den Erwachsenen erträglichen Form Gestalt. Denn der Reiz der Gefahr, die mit der Selbstständigkeit der Boote verbundene Verantwortung und das Gebot der Pflicht verhüteten das Aufkommen von Langeweile und Unlust und verliehen Ausdauer im Ertragen von nicht gewöhnlichen Anstrengungen765.«

Die Realität sah freilich anders aus: Kaum war die internationale Blockade verkündet worden, wurde schon der erste deutsche Soldat bei einer Durchsuchungsaktion von Aufständischen erschossen766. Der alltägliche Dienst an Bord war sehr beschwerlich und kräftezehrend. An Schlaf war auf den schwankenden Booten kaum zu denken, wenn sie nicht gerade hinter einer kleineren Insel oder einem Riff Schutz fanden. Die Mahlzeiten waren relativ dürftig und einseitig, Wasser wurde nur streng rationiert ausgegeben. Waschen mussten sich die Männer fast ausschließlich beim täglichen Baden im Meer. Monsun und tropische Gewitter machten das Leben unangenehm, weil sämtliche Kleidung bis auf die Haut durchnässte, das Boot halbvoll mit Wasser lief und das Manövrieren erheblich erschwert wurde. Auch die meist unerbittlich niederbrennende Sonne machte den Bootsbesatzungen sehr zu schaffen767. Die Untersuchung einer Dhau war nicht ungefährlich und 761 762 763 764 765 766

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Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 422. Ebd. Ebd. Siehe dazu auch: Hopman, Das Logbuch eines deutschen Seeoffiziers, S. 126 f. Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 421 f., S. 430 f. Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 4, S. 463. Zu dem betroffenen Untersuchungskommando gehörte auch Leutnant zur See Reinhard Scheer, der seit Mai 1888 als Torpedooffizier an Bord der »Sophie« kommandiert war. In seinen Memoiren schildert er ausführlich den Ablauf dieses Vorfalls bei Saadani. Vgl. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 121 ff.; siehe auch den entsprechenden offiziellen Bericht: Landsermann an Hartog, 29.11.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 146 f. Weil sich die schwarz gepönten Kriegsschiffe durch die permanente Sonneneinwirkung stark aufheizten, so dass man sich in manchen Bereichen des Schiffes kaum noch aufhalten konnte, orderte Deinhard Anfang Dezember 1000 Kilo Bleiweiß und 4000 Kilo Zinkweiß aus der Heimat, um den Schiffen einen tropengerechten Anstrich zu geben. Vgl. Deinhard an Paschen, 3.12.1888,

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setzte die Männer großen psychischen Belastungen aus. Zahlreiche Horrorgeschichten kursierten, etwa von »einem englischen Offizier, der mit seinem Boot ohne Sicherung an einer Dhau anlegte, [und dem,] als er sich an Bord schwingen wollte, beide Hände mit einem Schwertstreich abgeschlagen wurden«768. In dem schon erwähnten Bericht des anonymen Seeoffiziers beschreibt dieser anschaulich, wie damals das Boarding eines arabischen Handelsschiffes ablief, nachdem es durch Flaggensignale, notfalls durch einen Schuss vor den Bug, zum Stoppen gebracht worden war: »Das Längsseitsgehen zu luward durfte nicht eher erfolgen, als bis die Dhau ihr Segel vollständig heruntergefiert hatte. Diese Manöver erforderten einen hohen Grad von Geschicklichkeit und eine besondere Gewöhnung der Mannschaften. Beide Fahrzeuge schlingerten meist heftig. Rechtzeitig mußte man die Segel im Blockadeboot bergen und oft noch Riemen zur Hülfe nehmen, während die Waffen nicht aus der Hand gelassen werden durften. Jeder Bootsoffizier hatte dafür zu sorgen, daß seine Leute auf diese Manöver eingeübt waren. [...] War es dem Bootsoffizier geglückt, mit einem guten Manöver an der häufig drei bis vier Mal längeren, höheren und breiteren Dhau anzulegen, so stieg er mit dem Dolmetscher und mehreren Matrosen, den Revolver in der Hand, auf das Deck desselben über; die Bootsbesatzung blieb klar zum Feuern. Die Bemannung der Dhau, welche sich aus Arabern, Halbarabern und dem buntesten Negergemisch zusammensetzte, musste sich, innerlich wütend, aber äußerlich in ihr Schicksal ergeben, ein Imschallah! murmelnd, auf dem Achterdeck des Fahrzeugs versammeln. Die gewöhnlichen Fragen: Woher? Wohin? Welche Ladung? Wieviel Passagiere? u.s.w. wurden an den Dhauführer in dem landesüblichen Kisuaheli durch den Dolmetscher gerichtet, bis der Bootsoffizier sich so viel Sprachkenntnisse angeeignet hatte, um diese Inquisition selbst vorzunehmen. Auch die Schiffspapiere, in arabischer Schrift in Suahelisprache ausgefertigt, mußten, soweit solche überhaupt vorhanden waren, vorgezeigt werden. Während dieser Zeit untersuchten die Matrosen die Ladung auf Kriegskontrebande, und die Bemannung wurde gemustert, ob sich etwa Sklaven darunter befinden konnten [...] Fahrzeuge mit Kriegskontrebande oder Sklaven an Bord sowie verdächtige und widersetzliche Fahrzeuge wurden ohne Weiteres als Prisen aufgebracht«769.

Anschließend wurden sie zur Abschreckung »auf den Strand geschleppt und zerschlagen«770 und ihre Besatzungen an die Konsuln, später an die Prisengerichte überstellt, die sie nach der Aburteilung dem Sultan zur Bestrafung überwiesen. Alle anderen erhielten einen »Revisionszettel«771 und konnten weiterfahren. Trotzdem war der Dienst auf den Blockadebooten nicht unbeliebt, weil die Soldaten »weit

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BArch, RM 38/15, 99; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 41 f.; Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 199. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 126. Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1025 f.; siehe dazu auch: Instruktion für die Blockadeboote, o.D. [Dezember 1888], zit. in: Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 616 f. Deinhard an Paschen, 18.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 275 ff., hier Bl. 275. Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 41. Siehe dazu auch: Fremantle an Deinhard, 9.1.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 125 f.

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weg von jeder Schiffsetikette und Bordroutine«772 waren und, anders als beim Einsatz an Bord der Kriegsschiffe oder an Land, nur selten krank wurden773. Über die Effektivität der Seeblockade hatte sich keiner der politisch und militärisch Verantwortlichen bei ihrer Errichtung Illusionen gemacht. Das zu überwachende Küstengebiet war viel zu ausgedehnt, die Anzahl der zur Verfügung stehenden Kriegsschiffe und Blockadeboote zahlenmäßig viel zu gering, als dass der Sklaven- und Waffenhandel wirksam hätte unterbunden werden können. Hinzu kamen große Probleme bei der Kommunikation sowohl zwischen den Schiffen und Booten untereinander und mit dem Flaggschiff als auch zwischen dem Geschwaderchef und dem Generalkonsul in Sansibar. Die Dhauführer beobachteten sehr genau, wann bestimmte Küstenabschnitte patrouilliert wurden und wann die einzelnen Schiffe ihren »Kohlentag«774 hatten, um gezielt diese Lücken in der Blockade auszunutzen. Zudem waren sie beim Schmuggeln der verbotenen Güter sehr kreativ: So wurden Sklaven meist nur noch in kleinen Mengen transportiert und als Besatzungsmitglieder ausgewiesen775, Pulver häufig in einem »wasserdicht verlöteten Blechkasten außenbords an Leinen angebunden«776 und Waffen, aber auch Sklaven, immer seltener auf Dhaus, dafür zunehmend mit »Einbäumen (Kanoes)«777 geschmuggelt. Von Dezember 1888 bis Juli 1889 kontrollierten allein die sechs deutschen Schiffe 4306 Dhaus, eine durchaus beeindruckende Zahl. Aber große Mengen an Schmuggelgütern konnten bei den Kontrollen nicht gefunden werden. Der größte Erfolg war im Dezember die Befreiung von insgesamt 223 Sklaven auf drei Dhaus durch Blockadeboote der »Carola« und der »Leipzig«778. Sie 772 773

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Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 128. Ebd., S. 126 ff.; Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1023-1028; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 38 ff.; Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 59-63; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 614. Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 79-84. Eine gute Darstellung des Dienstes auf den britischen Blockadebooten findet sich in den sehr lesenswerten Memoiren von Admiral Roger Keyes, der im Jahre 1890 als 17-jähriger Seekadett an Bord der »Turquoise« diente und im Sommer desselben Jahres einige Wochen in einem solchen Boot vor der auch zu dieser Zeit noch blockierten Insel Pemba kreuzte. Vgl. Keyes, Adventures Ashore & Afloat, S. 69-76. Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1028. Damit sich die Sklaven bei Kontrollen ruhig verhielten, schürten die arabischen Dhauführer unter ihnen Ängste, beispielsweise »daß der weiße Mann schrecklich sei und die schwarzen Leute alle in seinem großen Schiffe grausam verbrenne: davon auch der dicke schwarze Rauch, der aus dem Schornstein so oft käme!« Zitat aus: Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 83. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 128. Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 38. Am 6. Dezember wurden durch ein Kommando der »Carola« 87 Sklaven an Bord einer Dhau unfern Pangani, zwölf Tage später durch ein Kommando der »Leipzig« weitere 146 Sklaven an Bord zweier Dhaus bei Conduchi befreit. Vgl. Raven an Deinhard, 13.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 183 f.; Meyer an Strauch, 23.12.1888, ebd., Bl. 269 f.; Protokoll des Verhörs der durch Leutnant zur See Meyer, S.M.S. »Leipzig«, befreiten Sklaven, 25.12.1888, ebd., Bl. 315 f.; Leue an Deinhard, 19.12.1888, BArch, RM 38/16, Bl. 36; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 80 f. In der Marine-Rundschau und bei Scheer sind (teilweise) falsche Zahlen angegeben. Vgl. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 128; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 614.

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wurden fast alle an christliche Missionen auf dem Festland übergeben, wo ihre Versorgung sicher gestellt war779. Einige der befreiten Sklaven jedoch ließ Deinhard an ihre Herren in Daressalam zurückgegeben, weil er dies wegen der »ohnehin schon gereizten Stimmung des größten Theils der Bevölkerung [für] politisch nothwendig«780 hielt. Er rechtfertigte diese »vielleicht nicht ganz richtige« Entscheidung, welche die Glaubwürdigkeit der Blockade unterminieren musste, auf zynische Weise: »Es soll ja auch nicht gegen den Sklavenbesitz, sogenannte Haussklaven, welche von ihren Eigenthümern sehr gut behandelt werden, sondern gegen die Jagd und den Handel mit Menschen eingeschritten werden781.« Sanktioniert wurde Deinhard für sein politisch brisantes Vorgehen nicht, denn Wilhelm II. war »sehr zufrieden mit Allem, was er bisher gethan, mit allen Maßnahmen, die er getroffen«782. Kriegsmaterial konnte meist nur in kleinen Mengen beschlagnahmt werden, mit zwei nennenswerten Ausnahmen: Im Januar und März 1889 ließ Deinhard zwei sehr umfangreiche Lieferungen Waffen und Munition, die auf zwei deutschen Frachtschiffen nach Sansibar importiert wurden, aus Sicherheitsgründen für die Dauer der Blockade konfiszieren. Zwar protestierte das betroffene hanseatische Handelshaus Hansing & Co. gegen diese Maßnahme, aber da es sich bei der Beschlagnahmung nach offizieller Auffassung um eine »staatspolizeiliche Vorsichtsmaßregel«783 im Rahmen des Embargos handelte, wurde seinen Schadensersatzforderungen nicht stattgegeben784. Deinhard wollte den »Mangel an Effectivität«785 der Blockade, den er in seinen Berichten an die Admiralität offen kritisierte, beseitigen oder zumindest soweit wie möglich reduzieren. Deshalb schlug er der Admiralität Anfang Januar vor, statt der circa 600 Seemeilen Kontinentalküste nur die etwa halb so umfangreichen Inseln Sansibar und Pemba zu blockieren und vom Verkehr mit dem Festland »möglichst ganz abzuschneiden«786. Man müsse die Abhängigkeit der festländischen Küste von den beiden Inseln bedenken, schrieb er Paschen: Sansibar sei das Zentrum des Waffen- und Munitionshandels, Pemba der Hauptumschlagplatz für Sklaven787. 779

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Allerdings gerieten mehrere Dutzend von ihnen nur kurze Zeit nach der Befreiung bei Überfällen auf die Missionsstationen in Daressalam und Pugu erneut in die Sklaverei. Vgl. Michahelles an Bismarck, 2.2.1889, BArch, R 1001/1002, Bl. 28-32, hier Bl. 29. Deinhard an Paschen, 3.1.1889, BArch, RM 38/15, Bl. 333-336, hier Bl. 334. Zitate aus: ebd. Zit. nach: Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 16. Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 630. Ebd., S. 614-630; Deinhard an Goltz, 18.2.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 197 f.; Ausrüstung und Verwendung der Blockadeboote, S. 1024-1030; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 124-129; Strandes, Erinnerungen, S. 175-180. Aufgrund ihrer Unerfahrenheit machten die Deutschen viele Fehler bei der Behandlung von befreiten Sklaven und gefangen genommenen Sklavenhändlern, was hin und wieder auch zu Friktionen mit den Briten führte. Siehe dazu: Miers, The Brussels Conference of 1889-1890, S. 97 f. Deinhard an Paschen, 3.1.1889, BArch, RM 38/15, Bl. 333-336, hier Bl. 334. Ebd. Michahelles war gegen eine Verlagerung der Blockade nach Pemba und Sansibar, da er befürchtete, dass infolgedessen der Sklaven- und Waffenhandel zwischen dem südlichen Teil des deutschostafrikanischen Schutzgebietes und Madagaskar wieder aufblühen würde, konnte die Verlagerung aber nicht verhindern. Vgl. Michahelles an Krauel, 3.1.1889, BArch, R 1001/695, Bl. 57-61, hier Bl. 57 f.

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Eine offizielle Aufhebung der bisherigen Blockade kam für Bismarck und Salisbury »des moralischen Eindrucks wegen«788 nicht in Frage. Aber der Vorschlag, die beiden Inseln zu blockieren, erachteten beide für sinnvoll. Nachdem sich Deinhard mit Fremantle und Khalifa bin Said darüber verständigt hatte, trat schließlich am 4. März 1889 die erweiterte Blockade in Kraft, und nur einen Monat später konnte er bereits stolz an die Admiralität berichten: »Nachdem die Blockade der Inseln in Thätigkeit getreten ist, hat sich die Zahl der revidierten Dhaus wieder beträchtlich gemehrt, so daß bis jetzt seit der Eröffnung der Blockade über 1900 Dhaus revidiert worden sind789.« Bezeichnenderweise übernahmen die deutschen Kriegsschiffe die Blockade der Insel Sansibar, während dem britischen Geschwader die Insel Pemba sowie der Hafen der Stadt Sansibar zufielen. Diese, von den Admiralen vorgenommene Einteilung war ein Spiegelbild der jeweiligen nationalen Interessen: Während es den Deutschen primär um die Unterbindung des Waffenhandels ging, konzentrierten sich die Briten auf die Bekämpfung des Sklavenhandels790. Die Blockade des Festlandes blieb nur noch nominell bestehen und wurde durch die Verlegung mehrerer Kriegsschiffe und Blockadeboote nach den Inseln faktisch aufgehoben. Allerdings sollten »mit Rücksicht auf die bevorstehende Expedition des Hauptmann Wissmann«, auf die noch näher einzugehen sein wird, »Dar-esSalaam und Bagamoyo als Ausgangspunkte für die militärischen Operationen am Lande gehalten werden«791; darauf legte die Reichsleitung besonderen Wert. Weitere Kriegsschiffe aus Deutschland wurden nicht bereitgestellt. Im Gegenteil: Nachdem in Samoa in einem verheerenden Orkan die australischen Stationäre »Adler« und »Eber« gestrandet und verloren gegangen waren, wurde die »Sophie« Anfang April zur Australischen Station abkommandiert und beschleunigt nach Apia geschickt; den Abzug eines weiteren Schiffes konnte Deinhard verhindern792. Die mangelhafte Effektivität der Blockade war Ende Januar auch vom liberalen Abgeordneten Ludwig Bamberger – einem der wichtigsten Gegenspieler des

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H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 30.1.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 81 f., hier Bl. 81. Deinhard an Goltz, 3.4.1889, BArch, R 1001/717, Bl. 88. Siehe: Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 420. Zitate aus: H.v. Bismarck an Goltz, 9.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 52 ff., hier Bl. 53 f. H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 30.1.1889, BArch, R 1001/714, Bl. 73-76; Hatzfeldt an H.v. Bismarck, 1.2.1889, ebd., Bl. 77; Hatzfeldt an H.v. Bismarck (mit Anlage), 6.2.1889, ebd., Bl. 78 f.; H.v. Bismarck an Goltz (mit Anlagen), 5.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 41-51; H.v. Bismarck an Goltz (mit Anlagen), 9.2.1889, ebd., Bl. 52-57; Goltz an H.v. Bismarck, 11.2.1889, ebd., Bl. 59; H.v. Bismarck an Goltz, 23.2.1889, ebd., Bl. 135; Michahelles an Bismarck (mit Anlagen), 4.3.1889, BArch, RM 1/2443, Bl. 62-67; Deinhard an Goltz (mit Anlagen), 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 120-124; Goltz an Deinhard, 2.4.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 2; Deinhard an Paschen, 3.1.1889, BArch, RM 38/15, Bl. 333-336, hier Bl. 334; Goltz an Deinhard, 14.2.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 180; Goltz an Deinhard, 18.2.1889, ebd., Bl. 199; Fremantle an Deinhard, 7.2.1889, ebd., Bl. 214-224; H.v. Bismarck an Michahelles, 9.2.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 83; Deinhard an Herbing (Segelordre für »Sophie«), 3.4.1889, ebd., Bl. 178; Deinhard an Goltz, 5.4.1889, ebd., Bl. 181; Deinhard an Goltz, 8.4.1889, ebd., Bl. 188 f.; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 625-628.

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Reichskanzlers – im Reichstag scharf kritisiert worden793. Bismarck hatte darauf erwidert, er halte die ganze Blockade

»nicht für sehr wesentlich. Wirksam ist sie auf dem deutschen, südlichen Gebiet vermöge der strengen Gewissenhaftigkeit, welche deutsche Organe überhaupt in der Ausführung ihrer Aufträge haben. Ob sie generell wirksam ist, darüber habe ich nicht sichere Nachrichten; manche Nachrichten, deren Glaubwürdigkeit ich dahingestellt sein lasse, lassen dies zweifelhaft erscheinen. Die Blockade ist mir von Hause aus nicht als ein Mittel erschienen, die Sklaverei todt zu machen, – denn sie trifft ja nur die Ausfuhr der Sklaven und die doch auch nur unvollständig, – sondern ich habe in deren Herstellung einen Beweis der afrikanischen Küste gegenüber gesehen, daß Deutschland und England einig sind; das halte ich für sehr wichtig, daß die Eingeborenen der Küste den Eindruck haben und behalten, daß zwischen den beiden bei Zanzibar überhaupt in Frage kommenden Mächten und namentlich zwischen der im älteren Besitz befindlichen Macht England und uns das volle Einverständnis besteht. Das ist mehr eine politische als eine militärische Frage, daß wir in Gemeinschaft mit England dort blockiren. Wir fassen dabei einige Sklaven ab – ich glaube, 287 ist die Ziffer derer, die wir bisher gegriffen haben, ein sehr geringer Theil; – von englischer Seite haben wir keine Nachricht, daß dort überhaupt Sklaven aufgegriffen worden wären. Aber die Hauptsache den Afrikanern gegenüber ist die Autorität der Europäer und die Autorität der verbündeten Europäer. So lange wir dort mit England in Rivalität leben, wird keine von beiden Mächten denjenigen Nimbus mit der Zeit haben oder behalten, dessen es bedarf, um auf diese schwarz gefärbten Bewohner einen Eindruck zu machen; solange und sobald wir einig sind, ist es ganz etwas anderes, und wenn die Blockade aufhört, ohne den Eindruck eines Bruchs der Einigkeit zwischen England und Deutschland zu machen, so will ich nichts dagegen haben. Dieser Eindruck ist mir nach meiner politischen Auffassung die Hauptsache794.«

Bismarcks indirekte Kritik in dieser Reichstagsrede an der Leistung der britischen Blockadestreitkräfte war vollkommen unberechtigt795 und verstimmte sowohl Fremantle als auch die britische Regierung. Um das ansonsten gute Verhältnis der beiden Mächte nicht nachhaltig zu belasten, versicherte Herbert von Bismarck seinem britischen Amtskollegen wenig später, dass diese Kritik keinesfalls in der Absicht des Reichskanzlers gelegen habe. Generell dürfe »an improvisierte parlamentarische Äußerungen, welche des augenblicklichen Eindrucks wegen oft eine pointierte Fassung enthalten, nicht derselbe Maßstab gelegt werden [...], wie an amtliche Schriftstücke oder an die objektive Berichterstattung über geschichtliche Vorgänge«796. Mit dem Verlauf der gemeinsamen maritimen Operationen in Ostafrika, betonte der Außenstaatssekretär, sei die Reichsleitung vollauf zufrieden, Admiral Deinhard berichte »stets anerkennend über die loyale Haltung seines englischen Kollegen«797. 793 794 795 796 797

Bamberger, 26.1.1889. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 613; siehe auch: Richter, 29.1.1889. In: Ebd., Bd 106, S. 656 f. Bismarck, 26.1.1889. In: Ebd., Bd 105, S. 619. Siehe dazu: Howell, The Royal Navy and the Slave Trade, S. 197-200. H.v. Bismarck an Goltz, 14.4.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 98 f., hier Bl. 98. Deutscher Militärattaché in London an Hatzfeldt, 17.4.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 120 f., hier Bl. 120.

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Die Wogen in dieser Angelegenheit waren noch nicht geglättet, als es bereits zu einem neuerlichen Disput zwischen den beiden Mächten kam: Mitte Februar erließ Deinhard ein Einfuhrverbot für Viktualien (= Lebensmittel) in das Küstengebiet zwischen Kilwa und Saadani, »um durch den Mangel an Lebensmitteln die Aufrührer zum Auseinandergehen und zur Unterwerfung zu zwingen«798. Diese, im Ergebnis nur mäßig erfolgreiche Maßnahme wurde von den anderen Blockademächten nicht unterstützt. Im Gegenteil: Weil davon vor allem in Kilwa auch zahlreiche indische Händler betroffen waren, fühlte sich Fremantle sogar »bound to make a formal protest to state that I consider it is not in accordance with the Blockade Proclamation«799. Deinhard hob darauf das Verbot der Lebensmitteleinfuhr für die Stadt Kilwa wieder auf und informierte die Reichsleitung über das Protestschreiben. Alle weiteren Schritte überließen die Admirale, deren Verhältnis durchweg freundschaftlich und kooperativ war, den Diplomaten. Herbert von Bismarck rechtfertigte Deinhards eigenmächtige Verschärfung der Blockade gegenüber der britischen Regierung als eine notwendige »landespolizeiliche Maßregel«800 zur Eindämmung des Aufstandes. Salisbury war mit dem deutschen Alleingang zwar nicht einverstanden, aber da er kein Interesse an einer verschärften Auseinandersetzung mit Deutschland in dieser Frage hatte und die Blockade des Festlandes einige Tage später ohnehin infolge der Schwerpunktverlagerung nach Pemba und Sansibar faktisch aufgehoben wurde, ließ er seinen Protest im Sande verlaufen. Mitte Juli schließlich hob Deinhard das Einfuhrverbot für Viktualien auch formal auf, nachdem die Rückeroberung des Schutzgebietes unter der Führung von Hermann Wissmann erfolgreich angelaufen war801. c) Die Niederschlagung des Aufstandes

Schon kurz nach Beginn der Blockade kam es auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Aufständischen. Nicht immer reichte die Wirkung der Schiffsgeschütze aus, um die Angriffe zurückzuschlagen, mehrfach mussten Landungstruppen in die Kämpfe eingreifen. Anders als die Rebellen erlitten die Deutschen insgesamt nur geringe Verluste. Bis Anfang März 1889 konzentrierten sich die Kampfhandlungen auf Bagamoyo und Daressalam. Beide Städte wurden dabei 798

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Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 628. Deinhard begründete diese selbstständig getroffene Maßnahme mit der »gegenwärthigen Lage« und der »erwartete[n] Ankunft großer Sklavenkarawanen«. Vgl. Deinhard an Goltz, 12.2.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 171-176, hier Bl. 173 f. Fremantle an Deinhard, 2.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 137 f., hier Bl. 137. H.v. Bismarck an Goltz, 7.3.1889, BArch, RM 1/2443, Bl. 5. H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 7.3.1889, BArch, R 1001/716, Bl. 147 ff.; Michahelles an Bismarck, 11.2.1889, BArch, R 1001/717, Bl. 11; OKM an H.v. Bismarck, 22.7.1889, BArch, R 1001/718, Bl. 24; Deinhard an Goltz, 4.9.1889, BArch, R 1001/719, Bl. 5; H.v. Bismarck an Goltz, 9.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 94; Deinhard an Goltz, 3.3.1889, ebd., Bl. 158; H.v. Bismarck an Goltz, 4.3.1889, BArch, RM 1/2443, Bl. 3 f.; H.v. Bismarck an Goltz, 7.3.1889, ebd., Bl. 5; Goltz an H.v. Bismarck, 16.3.1889, ebd., Bl. 6; Deinhard an Goltz, 8.2.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 159; Deinhard an Goltz, 14.2.1889, ebd., Bl. 185; Goltz an Deinhard, 22.2.1889, ebd., Bl. 205; Deinhard an Goltz, 1.3.1889, ebd., Bl. 243; Deinhard an Fremantle, 5.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 16.

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großenteils zerstört, der Handel brach vollständig zusammen. Ende März ließ Deinhard Saadani durch die »Schwalbe« bombardieren und Conduchi von Landungstruppen niederbrennen, weil die dort eingesetzten Blockadeboote des Öfteren vom Strand aus beschossen worden waren. Alle militärischen Operationen, für die Deinhard ab Februar 1889 aus praktischen Gründen nicht mehr extra die Zustimmung des Generalkonsuls einzuholen brauchte, gingen allerdings immer nur so weit, wie es der Kaiser befohlen hatte: nicht weiter, als die Schiffsgeschütze reichten, also nur wenige Kilometer ins Landesinnere. Sie zielten primär darauf, die beiden verbliebenen Stationen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft auf dem Festland befehlsgemäß zu halten. Nach dem ersten schweren Rebellen-Angriff auf Bagamoyo am 7. Dezember wurde dort erneut dauerhaft ein Wachtkommando von zunächst 16, später dann 27 Marinesoldaten zum Schutz des Usagara-Hauses und der katholischen Mission aufgestellt, mit der ausdrücklichen Weisung, dieses »nicht abzulösen, um nur ein Minimum von Leuten der Gefahr einer Erkrankung am Fieber auszusetzen«802. Die Malaria und später auch die Ruhr waren gefährliche Feinde, die mehr Tote kosten sollten als die Verteidigung der Stationen gegen Angriffe der Rebellen. Als sich Anfang Januar die Sicherheitslage in Daressalam merklich verschlechterte, ließ Deinhard auch dort das Stationshaus wieder rund um die Uhr von neun Marinesoldaten sichern. Unterstützt wurden die Wachtkommandos an beiden Orten von einer Handvoll Askaris und Beamten der DOAG. Deinhard zollte den Arabern als Kämpfern durchaus Respekt, das wird in mehreren seiner Berichte an den Chef der Admiralität deutlich. Er betonte aber zugleich, dass sie im Kampf Mann gegen Mann den deutschen Soldaten unterlegen seien, was folgender Auszug aus seinem Bericht über die schweren Januar-Kämpfe zur Verteidigung Daressalams verdeutlicht: »Auch hier haben die Araber gezeigt, daß sie dem Gewehrfeuer ganz gut stand halten aber dem directen Angriff mit Hurrah und der blanken Waffe nicht widerstehen können803.« Um Spionageaktivitäten zu unterbinden, erklärte er am 11. März im Namen des Sultans das Standrecht über Bagamoyo und Daressalam, das in der Praxis jedoch nicht zur Anwendung kam. Kurz zuvor war Deinhard ein entscheidender Schlag gegen den Rebellenführer Bushiri bin Salim al-Harthi gelungen: Bei der Abwehr eines groß angelegten Angriffes der Aufständischen auf das Stationsgebäude in Bagamoyo erbeutete das Wachtkommando unter der Führung von Leutnant zur See Meier »durch einen geschickten Ausfall«804 im Sturm »mit Marsch! Marsch! Hurrah!«805 zwei KruppGeschütze, welche die Rebellen ihrerseits einige Monate zuvor von der DOAG erobert hatten. Kaiser Wilhelm II. verlieh dem schneidigen Leutnant für diese erfolgreiche Aktion den Roten Adler-Orden 4. Klasse mit Schwertern. Durch die Wegnahme der Geschütze, die einen Ehrenplatz in der kaiserlichen Trophäen802 803 804 805

Deinhard an Strauch, 7.12.1888, BArch, RM 38/15, 126; siehe auch: Deinhard an Paschen, 3.1.1889, ebd., Bl. 320-325, hier Bl. 322. Deinhard an Goltz, 12.2.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 171-176, hier Bl. 171. Deinhard an Wilhelm II., 4.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 12. Bericht von Meier über die Kämpfe in Bagamoyo am 3.3.1889, 4.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 65 f., hier Bl. 66.

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Sammlung erhielten, wurde die Schlagkraft der Aufständischen erheblich geschwächt. Dies ermöglichte es Deinhard drei Wochen später, unter Vermittlung der katholischen Mission in Bagamoyo, einen mehrwöchigen Waffenstillstand mit ihnen auszuhandeln. Deinhard hatte sich darauf eingelassen, weil er glaubte, »daß Buschiri in unseren Händen, wenn er gut bezahlt wird, von großem Nutzen sein kann, ähnlich wie Tippo Tipp [sic] am Kongo«806. Bismarck zweifelte sofort »an der Zweckmäßigkeit des Abschlusses«807 und wurde rasch darin bestätigt: Der Rebellenführer zeigte keinerlei Interesse an einer Kooperation. Allerdings gelang es den Admiralen im Rahmen dieses Waffenstillstandes, mehrere deutsche Missionare, die Mitte Januar von Bushiris Kämpfern bei Pugu im Landesinneren gefangen genommen worden waren, durch die Zahlung eines Lösegeldes und die Auslieferung eines arabischen Häuptlings, der wegen Mordes an einem Engländer seit 1881 in Sansibar inhaftiert war, freizubekommen808. Ganz wohl fühlte sich Deinhard dabei nicht, denn er befürchtete, »daß die Araber bald zur Erkenntnis kommen werden, daß der Missionärfang viel lohnender ist als die Sklavenjagd und dass dieser neue Industriezweig im Innern Afrikas bald eine ausgedehnte Verbreitung finden« dürfte809. 806

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Deinhard an Goltz, 3.4.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 176 f., hier Bl. 176. Tippo Tip war ein einflussreicher arabischer Elfenbein- und Sklavenhändler, der 1887 die Seiten gewechselt hatte und als Gouverneur im östlichen Teil des Kongostaates in belgische Dienste getreten war. In dieser Funktion bekämpfte er im Verein mit den Belgiern die lokalen Sklavenhändler. Vgl. u.a. Bennet, Arab versus European, S. 217-244; Renault, Tippo Tip, S. 159-259. Im Falle Bushiris ging die Strategie der Vereinnahmung nicht auf, er wurde schließlich gefangen genommen und hingerichtet. Aber sein faktischer Nachfolger Bwana Heri wechselte, nachdem er im Frühjahr 1890 unter ehrenvollen Bedingungen kapituliert hatte, ähnlich wie seinerzeit Tippo Tip die Seiten und trat in deutsche Dienste ein. Vgl. Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 403 ff.; Kieran, Abushiri and the Germans, S. 188 f.; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 178-183. AA an Goltz, 26.3.1889, BArch, RM 1/2443, Bl. 46. Siehe dazu u.a.: Jong, Church, Colonialism and Nationalism in Tanzania, S. 63-66; Kieran, Abushiri and the Germans, S. 171 ff. Deinhard an Goltz, 3.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 20-26, hier Bl. 20. Vgl. H.v. Bismarck an Goltz, 27.2.1889, BArch, R 1001/716, Bl. 123; Goltz an H.v. Bismarck, 1.3.1889, ebd., Bl. 133; H.v. Bismarck an Goltz, 4.3.1889, ebd., Bl. 135; Goltz an Deinhard, 7.3.1889, BArch, R 1001/717, Bl. 8; Daressalam Deinhard an Paschen, 16.1.1889, BArch, RM 1/2441, Bl. 255; Michahelles an Bismarck, 2.1.1889 (mit Anlage), ebd., Bl. 322 f.; H.v. Bismarck an Goltz, 26.1.1889, ebd., Bl. 333; Goltz an H.v. Bismarck, 28.11.1889, ebd., Bl. 334; Wilhelm II. an Goltz (Kabinettsordre), 19.3.1889, BArch, RM 1/2852, Bl. 88; Deinhard an Goltz, 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 125-135; Deinhard an Paschen (mit Anlage), 15.1.1889, BArch, RM 1/2908, Bl. 5-12; Michahelles an Bismarck, 14.1.1889, ebd., Bl. 14 ff.; Deinhard an Goltz, 3.2.1889, ebd., Bl. 17-23; Wilhelm II. an Hollmann, 6.5.1890, BArch, RM 2/1854, Bl. 41; Deinhard an Raven, 13.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 170; Deinhard an Paschen, 18.12.1888, ebd., Bl. 209-212; Instruction für die Wache im Usagara-Haus, 8.12.1888, ebd., Bl. 309 f.; Deinhard an Paschen, 3.1.1889, ebd., Bl. 320-325; Admiralität an Deinhard, 29.1.1889, BArch, RM 38/16, Bl. 113; Hartog an Deinhard, 12.2.1889, ebd., Bl. 189; Proklamation des Standrechts über Bagamoyo und Daressalam, 11.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 60; Meier an Deinhard (mit Anlage), 10.3.1889, ebd., Bl. 65 f.; Fremantle an Deinhard, 16.3.1889, ebd., Bl. 130 f.; Deinhard an Goltz, 28.3., 2.4., 3.4., 6.4., 25.4.1889, ebd., Bl. 140, 158 f., 176 f., 185 f., 237 f.; Deinhard an Goltz, 16.5., 18.5., 30.5., 12.6., 1.7.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 70 f., 89 f., 96 f., 202 ff., 209 f.; AA an Michahelles, 6.2.1889, BArch, R 1001/696, Bl. 10; Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 422 ff.; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 25-69; Nagel, Vier Kreuzer »Leipzig«, S. 51 f.; Sturtz/Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, S. 41 ff., 57-63; Richter,

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Bereits im Spätherbst 1888 waren in Deutschland die Planungen für einen Landkrieg zur Rückeroberung des Schutzgebietes angelaufen, den der Reichskanzler anfangs kategorisch abgelehnt hatte. Ausschlaggebend dafür war der drohende finanzielle Zusammenbruch der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, denn ihre Auflösung hätte den deutschen Herrschaftsansprüchen in Ostafrika die Legitimation entzogen, ein Verlust des Schutzgebietes das internationale Ansehen des Deutschen Reiches und damit auch Bismarcks machtvolle Stellung beschädigt. Vor diesem Hintergrund war der Kanzler nunmehr bereit, das staatliche Engagement in Ostafrika zu vertiefen und den Landkrieg zu wagen. Er setzte dabei auf den bekannten Afrikaforscher und Heeresoffizier Hermann Wissmann, der schon Mitte Oktober ein erstes Memorandum zur Niederwerfung des »Araberaufstandes« an die Reichsleitung übermittelt hatte. Wissmann sollte als Reichskommissar für Ostafrika gemäß seinen Vorschlägen eine europäisch-afrikanische Söldnertruppe zusammenstellen und die Rebellion, teilweise mit Unterstützung der Marine, niederschlagen. Um vom Reichstag die notwendigen Geldmittel für einen solchen Kolonialkrieg bewilligt zu bekommen, verband Bismarck seine politischen Intentionen erneut mit dem humanitären Ziel der Bekämpfung des Sklavenhandels810. Dieses Vorgehen sicherte ihm eine breite Unterstützung in der deutschen Öffentlichkeit und eine komfortable Mehrheit im Reichstag, dessen Abgeordnete nach achttägiger Debatte am 30. Januar 1889 mit der Verabschiedung des »Gesetzes betreffend Bekämpfung des Sklavenhandels und Schutz der deutschen Interessen in Ostafrika«811 insgesamt zwei Millionen Mark für den Einsatz bewilligten. Die Summe sollte sowohl die Kosten für die Ausrüstung der Truppe als auch für die Besoldung und Verpflegung der Soldaten bis Anfang April 1890 decken, aber der tatsächliche Bedarf für diesen Zeitraum war schließlich doppelt so hoch812. Ihre offizielle Bezeichnung lautete anfangs »Polizeitruppe in Ostafrika«, später dann »Deutsch-afrikanische Schutztruppe«, der Volksmund nannte sie einfach »Wissmanntruppe«. Am 8. Februar wurde Wissmann offiziell zum Reichskommissar für Ostafrika ernannt und mit der Rückeroberung des Schutzgebietes beauftragt. Zunächst sollte er die verloren gegangenen Häfen besetzen und befestigen, um »der Marine die ihr obliegende Aufgabe [der Küstenblockade] zu erleichtern«813, anschließend ins Landesinnere vordringen und den Aufstand niederschlagen. Innerhalb weniger Wochen ließ er in Ägypten, in Mosambik und an der Somali-Küste etwa 850 Söldner

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Tätigkeit der deutschen Marine, S. 47, 75-103; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 5, S. 617-629, 6, S. 740-745. Siehe dazu Kap. II, Anm. 685. Entwurf eines Gesetzes betreffend Bekämpfung des Sklavenhandels und Schutz der deutschen Interessen in Ostafrika, zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 108, S. 491 f. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1889/90, zit. in: Ebd., Bd 113 (1889), S. 282-285, Anl. 69. Im Mai 1890 bewilligte der Reichstag weitere 4,5 Millionen Mark zur Niederschlagung des »Araberaufstandes«. Vgl. Henderson, The German Colonial Empire, S. 63. H.v. Bismarck an Monts, 30.12.1888, BArch, RM 1/2441, Bl. 175 ff., hier Bl. 176; siehe dazu auch: H.v. Bismarck, 26.1.1889. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 105, S. 604.

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anwerben, darunter überwiegend Sudanesen, die in der ägyptischen Armee gedient und an den anglo-ägyptischen Feldzügen gegen den Mahdi teilgenommen hatten, außerdem Zulus, Abessinier, Somalier und einige Suaheli, die von der DeutschOstafrikanischen Gesellschaft übernommen wurden. Mit Genehmigung der britischen Regierung brachte Wissmann einen Großteil der Söldner vorläufig in einem Zeltlager bei Aden unter. Angeführt wurde die buntgemischte Truppe von rund 80 deutschen Offizieren und Unteroffizieren, darunter auch einige ehemalige Soldaten, die zuvor in Diensten der DOAG gestanden hatten. Weil der Feldzug gegen Bushiri formal im Namen des Sultans geführt werden sollte, wurden alle Angehörigen der Polizeitruppe, die in der deutschen Armee dienten, für die Dauer ihres Einsatzes in Ostafrika beurlaubt814. Von britischer und italienischer Seite erhielten die Deutschen keinerlei militärische Unterstützung, weder bei den Abwehrkämpfen um Bagamoyo und Daressalam, noch für den geplanten Feldzug zur Rückeroberung der Kolonie. Salisbury gewährte den Deutschen lediglich freie Hand bei ihren militärischen Aktionen und in beschränktem Maße logistische Hilfe. Jede weitergehende Unterstützung aber war ausgeschlossen, denn sie hätte den Bestand seiner Regierung gefährdet. Schon die gemeinsame Blockade war in Großbritannien, auch innerhalb der Regierung, sehr umstritten und wurde teilweise scharf angegriffen. Die Reichsleitung war sich dessen bewusst und drängte die Briten deshalb nicht zu einer Beteiligung an den Kampfhandlungen. Zu groß war die Sorge, Salisbury könnte stürzen und wieder durch ein liberales Kabinett Gladstone abgelöst werden. In Anbetracht der wachsenden Kriegsgefahr mit Frankreich und Russland war Salisburys »Stellung und sein Verbleiben im Amt«, wie Herbert von Bismarck Mitte Dezember resümierte, »für uns 100mal mehr wert als das ganze Ostafrika«815. Diese politische Position unterstrich der Reichskanzler nur einen Monat später, als in Frankreich die revanchistische Bewegung unter Führung von Georges Boulanger ihrem Höhepunkt entgegenstrebte, durch ein offenes Bündnisangebot an seinen britischen Amtskollegen. Obwohl dieses von Salisbury und seinem Kabinett befürwortet wurde, konnte der Premierminister es nicht annehmen, »weil die parlamentarische Majorität darüber in die Brüche gehen, mithin das Ministerium ge-

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Militärisches Programm und Organisation der Polizeitruppe für Ostafrika, 5.1.1889, BArch, R 1001/735, Bl. 31-34; Wissmann an Bismarck, 12.3.1889, BArch, R 1001/736, Bl. 95-100; Deinhard an Goltz, 20.3.1889, ebd., Bl. 138 f.; Bismarck an Wissmann, 12.2.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 220-224; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 383-388; Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 48-69; Nigmann, Geschichte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 1-5; Maercker, Unsere Schutztruppe in Ostafrika, S. 17-25, 38-56; Richelmann, Schaffung der Wissmanntruppe, S. 184-201; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 44-55; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 239-281. H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 19.12.1888, zit. nach: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Anm. ** zu Nr. 818, S. 176. Von Otto von Bismarck ist eine ähnliche Äußerung überliefert, die er im privaten Kreis des Öfteren getätigt haben soll, wenn das Gespräch auf die Kolonialpolitik kam: »Die Freundschaft Lord Salisburys ist mir mehr wert als zwanzig Sumpfkolonien in Afrika«. Zitat aus: Eckardstein, Lebenserinnerungen, Bd 1, S. 307. Vgl. ebd.

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stürzt werden würde«816. Ihm bleibe deshalb nichts anderes übrig, erklärte er Herbert von Bismarck bei dessen Besuch in London im März 1889, als in Bezug auf politische Fragen, die für beide Staaten von Bedeutung seien, »möglichst demonstrativ« mit der Reichsleitung »Hand in Hand zu gehen«817. Ein wichtiges Ergebnis dieser politischen Maxime waren der kurz darauf verkündete Naval Defence Act, welcher der Royal Navy die maritime Überlegenheit gegenüber der kombinierten französisch-russischen Flotte sichern sollte (Two-Power Standard)818, und der koloniale Ausgleich zwischen Deutschland und Großbritannien in Afrika gut ein Jahr später durch den Abschluss des sogenannten Helgoland-Sansibar-Vertrages819 im Juli 1890820. Bereits Mitte Februar 1889 kam Wissmanns erster Vorläufer, »ein Herr Wolff [sic], welcher sich kaufmännischer Beirath des Reichskommissars für Ostafrika nennt«821, in Sansibar an, der sämtliche Kriegsvorbereitungen vor Ort koordinieren sollte. Deinhard hatte viele Probleme mit Eugen Wolf, weil jener mehrfach seine Kompetenzen überschritt, ungeschickt und konfus agierte und insgesamt mit seinem Auftrag offensichtlich überfordert war822. Mitte März sah sich der Geschwaderchef schließlich regulierend »einzugreifen gezwungen, um eine zu große Konfu816 817 818

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H.v. Bismarck an Bismarck, 22.3.1889. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 4, Nr. 945, S. 405. Ebd., S. 406. Siehe dazu u.a.: Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860-1914, S. 197; Marder, The Anatomy of British Sea Power, S. 105-116; Parkinson, The Late Victorian Navy, S. 81-117; Sumida, In Defence of Naval Supremacy, S. 13-18. Auf den »Helgoland-Sansibar-Vertrag«, seine Verhandlungsgeschichte, seine Ziele und seine konkreten Inhalte, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu u.a.: Dukes, Helgoland, Zanzibar, East Africa, S. 129-268; Fröhlich, Von der Konfrontation zur Koexistenz, S. 91-111; Lahme, Deutsche Außenpolitik 1890-1894, S. 116-178; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 353-395. Der Vertragstext ist abgedruckt in: Hertslet, The Map of Africa by Treaty, vol. 3, Nr. 270, S. 899-906. H.v. Bismarck an Goltz, 19.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 215; Bismarck an Wissmann, 12.2.1889, ebd., Bl. 220-224, hier 222; Jantzen, Ostafrika in der deutsch-englischen Politik 1884-1890, S. 75-82. Zu Bismarcks Bündnisangebot an Großbritannien und dessen allgemeinpolitische Hintergründe siehe Kap. II, Anm. 287. Deinhard an Goltz, 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 125-135, hier Bl. 126. Wolf war nach der Niederschlagung des »Araberaufstandes« viele Jahre lang als Auslandskorrespondent für das liberal orientierte Berliner Tageblatt tätig und berichtete vor allem aus den deutschen Kolonien. Wegen seiner zunehmend kritischen Berichterstattung über die Verhältnisse in Deutsch-Ostafrika wurde er Ende 1891 von Reichskanzler Caprivi, der ihn im Reichstag als »Kolonialbummler« denunzierte, persönlich aus dem Schutzgebiet ausgewiesen. Vgl. Caprivi, 5.3.1892. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 120, S. 4583-4587; Eugen Wolf, Meine Ausweisung aus Deutschostafrika. In: Berliner Tageblatt, 12.12.1891 (enthalten in: BArch, R 1001/750, Bl. 94 ff.); Eugen Wolf, An das Kolonial-Amt! In: Berliner Tageblatt, 26.2.1892 (enthalten in: BArch, R 1001/751, Bl. 4); Der Reichstag und Eugen Wolf. In: Berliner Tageblatt, 6.3.1892 (enthalten in: BArch, R 1001/751, Bl. 5); Eugen Wolf, Zur Abwehr gegen die Reichstagsrede des Grafen Caprivi vom 5. März. In: Berliner Tageblatt, 12.3.1892 (enthalten in: BArch, R 1001/751, Bl. 8-11). Zur Biografie von Eugen Wolf allgemein siehe u.a.: Rousselot, Eugen Wolf. Jutta Bückendorf ist der Meinung, dass Wolfs Vorbeitungen vor allem deshalb so konfus verliefen, weil die Marine ihm nicht die nötige Unterstützung habe zukommen lassen. Diese Darstellung ist falsch; siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen in diesem Kapitel. Vgl. Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 389.

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sion zwischen der Ostafrikanischen Gesellschaft und [dem Vorauskommando von] Wissmann zu verhindern«823, auch wenn den frisch eingetroffenen Verwaltungsbeamten des Reichskommissars diese Einmischung in ihre Angelegenheiten missfiel. Bis Anfang Mai 1889 trafen sämtliche Soldaten sowie Ausrüstung und Waffen824 der Wissmanntruppe in Ostafrika ein. Von Kairo aus bat der Reichskommissar den Geschwaderchef telegrafisch, für den Transport seiner Soldaten von Aden nach Bagamoyo ein Fahrzeug bereitzustellen. Aber Deinhard lehnte ab, weil »kein Schiff disponibel sei«825, so dass dafür schließlich ein britischer Dampfer gechartert werden musste. Der Geschwaderchef konzentrierte seine Unterstützung auf organisatorische Aspekte vor Ort, etwa die sichere Unterbringung der Soldaten auf dem Festland, den Ausbau der Verteidigungsanlagen rund um die beiden Stationen und die sichere Verwahrung der aus der Heimat eingeschifften Ausrüstung. In Daressalam wurde nur eine kleine Kompanie stationiert, das Gros der Polizeitruppe wurde für einen Angriff auf das nahegelegene Lager Bushiris in Bagamoyo konzentriert. Wissmann selbst traf am 31. März in Sansibar ein, wo er sich noch am selben Tag bei einer ersten Audienz der offiziellen Unterstützung des Sultans versicherte. Vier Tage später begab er sich mit der »Leipzig« aufs Festland, übernahm das Kommando über die beiden Stationen und ließ auf dem Stationshaus der DOAG in Bagamoyo, wo er Quartier nahm, die Flagge der Kolonialgesellschaft niederholen und an deren Stelle die deutsche neben der des Sultans setzen826. Da823 824

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Deinhard an Goltz, 20.3.1889, BArch, RM 3/3004, Bl. 4. Für eine detaillierte Auflistung der Bewaffnung siehe: Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 90. Auf Anregung der Firma Nordenfelt-Maxim setzte Wissmann bei der Niederschlagung des Araberaufstandes als einer der ersten überhaupt das Maxim-Maschinengewehr ein, dem die afrikanischen Kämpfer nichts entgegenzusetzen hatten. »Keine andere Waffe ist im Stande«, resümierte er einige Jahre später in einem von ihm verfassten Lehrbuch für Kolonialkrieger, »ein tropisch dicht bewachsenes, vom Gegner besetztes Gebiet so gründlich zu säubern, keine macht einen derart überwältigenden Eindruck auf den Wilden, keine ermöglicht ein so plötzlich starkes Feuer«. In den 1890er Jahren avancierte das Maxim-Maschinengewehr rasch zur »kolonialen Waffe per se« bei der Bekämpfung von Kolonialaufständen und sicherte die militärische Überlegenheit der europäischen Kolonialherren. Zitate aus: Pesek, Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika, S. 191 (Hervorhebung im Original); Wissmann, Afrika, S. 72. Vgl. u.a. Deutscher Militärattaché in London an Wissmann, 2.2.1889, BArch, R 1001/735, Bl. 20; Wissmann an Bismarck, 15.6.1889, BArch, R 1001/739, Bl. 44-51, hier Bl. 48; Wissmann an Bismarck, 25.7.1889, BArch, R 1001/740, Bl. 7 ff.; Blümcke, Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika, S. 21 ff., 27 f.; Deutschlands koloniale Wehrmacht, S. 55 f.; Ellis, The Social History of the Machine Gun, S. 79-109; Glassman, Social Rebellion and Swahili Culture, S. 627; Headrick, The Tools of Empire, S. 115-126; Kuß, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen, S. 172 ff.; Wissmann, Afrika, S. 71 ff. Deinhard an Goltz, 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 125-135, hier Bl. 128. Wissmann erhielt lediglich die Befugnis, für seine Person, auf seinem Wohngebäude auf dem ostafrikanischen Festland und auf den von ihm gecharterten Booten die deutsche Handelsflagge zu führen, während die Militäraktion selbst unter der Sultansflagge abzulaufen hatte. Als jedoch Wissmanns Flaggenhissung in Bagamoyo »in unerwünschter Weise durch die Presse kommentirt« wurde, untersagte ihm die Reichsleitung bis auf Weiteres das Führen der deutschen Handelsflagge an Land. Bismarck missbilligte Wissmanns Flaggenhissung ebenso wie diejenigen der DOAG. Sichtlich verärgert bestimmte er: »Der Flaggensport ist endlich abzustellen!« Von der deutschen Kolonialbewegung hingegen wurde das Hissen der deutschen Flagge in Bagamoyo ausdrücklich

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bei handelte es sich nicht um die deutsche Kriegs-, sondern um die deutsche Handels- respektive Nationalflagge. Wissmanns Befehlsgewalt war auf Wunsch der Admiralität klar begrenzt worden: Zwar hatten die Kriegsschiffe ihn bei der Rückeroberung der Häfen »nach Möglichkeit zu unterstützen«827, aber »bei gemeinsamen Aktionen der Marine und der [...] Polizeitruppe tritt ein Unterordnungsverhältnis des einen Theils unter den anderen nicht ein. Jeder Theil handelt nach der Vereinbarung eines Operationsplans unter eigener Verantwortung«828. Das galt auch für die bis Anfang Mai an Land stationierten Marinesoldaten der Wachtkommandos in Bagamoyo und Daressalam829. Allerdings wurde diese Regelung einige Wochen später, nachdem es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Deinhard und Wissmann gekommen war, dahingehend modifiziert, »daß bei Angriffen, welche von See aus geschehen, [...] die Leitung dem ältesten Offizier, in diesem Falle also dem Admiral Deinhard zufällt«830. Ergänzend dazu erhielt Wissmann die Anweisung: »Nur da, wo Sie ohne Fühlung mit dem Admiral operieren, können Sie ausschließlich nach eigenem Ermessen vorgehen831.« Noch bevor die ersten Soldaten der Wissmanntruppe eintrafen, kamen Mitte März einhundert Somalikrieger der deutschen Emin-Pascha-Expedition in Bagamoyo an. Bismarck missbilligte diese von Carl Peters angeführte Unternehmung, weil sie nicht nur darauf abzielte, den von Mahdisten bedrängten, deutschstämmigen Gouverneur der Äquatorialprovinz, Emin Pascha alias Eduard Schnitzer, im

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begrüßt. Aus der Sicht vieler Kolonialenthusiasten war dieser Vorgang vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in Ostafrika nur ein folgerichtiger Schritt hin zur Übernahme der Kolonie durch das Deutsche Reich. Zitate aus: H.v. Bismarck an Wissmann, 9.4.1889, BArch, R 1001/736, Bl. 135; Randbemerkung Bismarcks zu Michahelles an Bismarck, 8.4.1889, BArch, R 1001/737, Bl. 17 f., hier Bl. 17; vgl. Goltz an H.v. Bismarck, 20.2.1889, BArch, R 1001/735, Bl. 98; H.v. Bismarck an Wissmann, 23.2.1889, BArch, R 1001/736, Bl. 5 ff.; Michahelles an AA, 7.4.1889, ebd., Bl. 129; H.v. Bismarck an Wissmann, 9.4.1889, ebd., Bl. 135; Michahelles an Bismarck, 8.4.1889, BArch, R 1001/737, Bl. 17 f.; Deinhard an Michahelles, 13.4.1889, PAAA, N 129/2, Nr. 5; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 384, Anm. 82; Fabri, Fünf Jahre Deutscher Kolonialpolitik, S. 39 f. Wilhelm II. an Goltz (Kabinettsordre), 21.2.1889, BArch, RM 1/2852, Bl. 70. H.v. Bismarck an Wissmann, 10.5.1889, BArch, R 1001/737, Bl. 26 f.; H.v. Bismarck an Wissmann, 3.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 213 f. hier Bl. 213; siehe dazu auch: Goltz an Deinhard, 5.3.1889, ebd., Bl. 205 f.; H.v. Bismarck an Wissmann, 16.3.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 78. Wissmann an Bismarck, 3.4.1889, BArch, R 1001/737, Bl. 5-8; Deinhard an Goltz, 13.5.1889, BArch, R 1001/749, Bl. 3-12, hier Bl. 3 ff.; Goltz an H.v. Bismarck, 14.2.1889, BArch, RM 1/2442, Bl. 86 f.; H.v. Bismarck an Goltz, 16.2.1889, ebd., Bl. 106; Goltz an H.v. Bismarck (mit Anlage), 18.2.1889, ebd., Bl. 107 ff.; H.v. Bismarck an Goltz, 26.2.1889, ebd., Bl. 138 f.; Deinhard an Goltz, 5.3.1889, BArch, RM 1/2886, Bl. 125-135; H.v. Bismarck an Goltz, 10.2.1889, BArch, RM 1/2908, Bl. 3; Wissmann an Deinhard (über das deutsche Konsulat in Kairo), 1.3.1889, BArch, RM 38/17, Bl. 40; Deinhard an DOAG, 8.3.1889, ebd., Bl. 50; Deinhard an Goltz, 12.3.1889, ebd., Bl. 67-71; Deinhard an Goltz, 3.4.1889, ebd., Bl. 153; Raven an Deinhard, 31.3.1889, ebd., Bl. 179; Deinhard an Goltz, 8.4.1889, ebd., Bl. 188; Deinhard an Raven, 11.4.1889, ebd., Bl. 192; Goltz an Deinhard (mit Anlagen), 5.3.1889, ebd., Bl. 205-214; Deinhard an Wissmann, 29.4.1889, ebd., Bl. 249; Deinhard an Goltz, 3.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 20-26; Nigmann, Geschichte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 4 f.; Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 104 ff. H.v. Bismarck an Wissmann, 22.6.1889, BArch, R 1001/738, Bl. 62-66, hier Bl. 63. Ebd.

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südlichen Sudan zu entsetzen, sondern das deutsche ostafrikanische Schutzgebiet bis zum oberen Nil, also in die britische Interessensphäre hinein auszudehnen, was zwangsläufig zu Friktionen in den deutsch-britischen Beziehungen führen musste. Um die »Kolonialehe« nicht aufs Spiel zu setzen, versagte die Reichsleitung der Expedition nicht nur ihre Unterstützung, sondern ermunterte auch die britische Regierung, ihre Durchführung aktiv zu verhindern. Auf Anweisung von Salisbury verweigerte Fremantle daraufhin Peters’ Soldaten die geplante Landung im britisch kontrollierten Küstengebiet und ließ einen seiner Waffentransporte in Sansibar beschlagnahmen. Gleichzeitig wirkte die Reichsleitung auf Khalifa bin Said ein, bis dieser schließlich seinen Untertanen die Todesstrafe androhte, falls sie sich als Träger für die Expedition anwerben ließen832. Trotz all dieser Widrigkeiten gelang es Peters, auf Umwegen und mit Unterstützung seines langjährigen Freundes Wissmann, die Unternehmung durchzuführen. Allerdings kam ihm das britische EminPascha-Unternehmen unter der Führung von Henry Morton Stanley, das einige Monate zuvor nach Äquatoria aufgebrochen war, bei der Rettung Schnitzers zuvor, und auch sein ambitioniertes Projekt, eine große deutsche Kolonie in Mittelostafrika zu schaffen, blieb nur eine Fiktion. Peters hat diese Schmach nie verwunden833. Bis an sein Lebensende verklärte er deshalb die deutsche Emin-PaschaExpedition als den »Höhepunkt meiner irdischen Tätigkeit«834. Am 1. Mai 1889, genau zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan, proklamierte Wissmann »Kraft der von Seiner Majestät dem deutschen Kaiser mir verliehenen Vollmacht« den Kriegszustand für die Küstenregion »vom Jumba im Norden bis zum Rovuma im Süden und zwar in einer Ausdehnung von 10 Seemeilen nach dem Inneren«835. Bushiri hatte kurz zuvor ein Dorf in der Nähe von Bagamoyo überfallen, einem gefangen genommenen Arbeiter, der in deutschen Diensten stand, beide Hände abhacken lassen und dadurch die Waffenruhe gebrochen – für Wissmann ein willkommener casus belli. Aus Deinhards Sicht erfolgte die Proklamation des Kriegszustandes verfrüht, weil der Reichskommissar »vorläufig nicht die Macht hat sie auszuführen«836. Wenige Tage später jedoch belehrte Wissmann ihn eines Besseren: Am 8. Mai erstürmte seine Söldnertruppe das nur wenige Kilometer von Bagamoyo entfernte Hauptquartier Bushiris in Kaole, zerstörte es vollständig und läutete damit den Landkrieg zur Rückeroberung des Schutzge832

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Für Expeditionen in den tropischen Gebieten Afrikas waren Lastenträger von zentraler Bedeutung. »Die Trägerfrage ist die Hauptschwierigkeit bei allen Unternehmungen im äquatorialen Afrika«, konstatierte etwa der Wissmannoffizier Georg Maercker, »und man wird nicht fehlgreifen, wenn man animmt, daß [vier Fünftel] aller mißglückten Expeditionen an dem Verhalten der Träger gescheitert sind«. Zitat aus: Schwabe, Dienst und Kriegführung in den Kolonien, S. 54. Siehe dazu u.a.: Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 410-423; Dukes, Helgoland, Zanzibar, East Africa, S. 113-117; Jantzen, Ostafrika in der deutsch-englischen Politik 1884-1890, S. 82-85; Kraft, Emin Pascha, S. 366-417; Müller, Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, S. 458-487; Perras, Carl Peters and German Imperialism, S. 131-167; siehe auch: Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 426 ff.; Peters, Die deutsche Emin-Pascha-Expedition; Stanley, Im dunkelsten Afrika. Peters, Lebenserinnerungen, S. 90. Zitate aus: Proklamation des Kriegszustandes über die deutsch-ostafrikanische Küste, 1.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 18 f., hier Bl. 18. Deinhard an Goltz, 3.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 20-26, hier Bl. 26.

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bietes ein. Deinhard hatte im Vorfeld der Operation erheblich an der Schlagkraft der Wissmanntruppe gezweifelt und deshalb darauf bestanden, dass sich auch 220 Marinesoldaten unter der Führung von Korvettenkapitän Johannes Hirschberg an der Militäraktion beteiligten837. Damit verstieß er zwar gegen den kaiserlichen Befehl, sich nicht weiter zu engagieren, als die Schiffsgeschütze reichten, aber nach dem erfolgreichen Verlauf der Operation billigte die Reichsleitung diese Entscheidung. Bei der Eroberung des Lagers bildeten die Marinetruppen die Speerspitze des Angriffes:

»Auf 400 m herangekommen, ließ ich [Hirschberg] die Landungsabteilungen durch die Schützenlinie der Wissmann-Truppe hindurchgehen in kurzem Sprunge vor und dann mit Hurrah stürmen. Unterlieutnant z[ur] See Schelle von S.M.Krz. ›Schwalbe‹ erreichte zuerst die Umzäunung und nahm dieselbe mit außerordentlicher Gewandheit. Hierdurch angefeuert, gelang es den Mannschaften mit höchster Anspannung, in kurzer Zeit Lücken in den Pallisaden zu reißen und einzudringen. Hinter der Umpfählung waren Schützengräben, die gegen Schuß von oben mit Holz und Palmblattbedachung, mit Sand bedeckt, geschützt waren838. Mit dem Bayonett wurde der Feind geworfen; die Hütten, aus denen gefeuert, wurden gestürmt. Nach kurzem erbittertem Handgemenge war der Feind niedergemacht oder aus dem Lager geworfen und wurde hier von dem umgehenden rechten Flügel der Wissmann-Truppe unter Feuer genommen. Das hohe Gras, die Frische des Feindes, die Ermüdung der eigenen Truppen begünstigte die Flucht [...] Kurz nach 10h waren wir Herren des Lagers. Die Befestigungen wurden zerstört, die Hütten niedergebrannt839.«

Unter den deutsch geführten Truppen waren die Verluste gering: zwölf Tote, darunter zwei Marinesoldaten, und 15 Verwundete, darunter ebenfalls zwei Marinesoldaten. Auf Seiten der Aufständischen hingegen waren 106 Mann gefallen, hauptsächlich Araber. Bushiri und das Gros seiner Kämpfer jedoch, etwa 500 Mann, konnten entkommen. Auf dem Rückmarsch zur Küste zeigte sich, dass die Marinesoldaten einem Kampfeinsatz in den Tropen nur bedingt gewachsen waren. Zahlreiche von ihnen brachen in der Tropenhitze erschöpft zusammen. »Die Marschordnung löst sich vollkommen auf«, berichtete ein Teilnehmer der Expedition, »ein Teil der Matrosen wird, um das schlimmste zu verhüten, mit den Reittieren der mehr marschgewohnten Wißmannoffiziere beritten gemacht, ein anderer Teil wird von den farbigen Soldaten geschleppt«840. Diese Erfahrung trug mit dazu 837 838 839

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In Hirschbergs Memoiren ist die Stärke des Landungskorps irrtümlich mit 320 Mann beziffert. Vgl. Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 83. Für eine detaillierte Beschreibung des Lagers und seiner Befestigungen siehe: Maercker, Unsere Schutztruppe in Ostafrika, S. 180 ff. Hirschberg an Deinhard, 12.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 48 ff., hier Bl. 49. Hirschberg wurde für seine Leistung bei der Erstürmung des Bushiri-Lagers mit dem Kronen-Orden 3. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Georg Richelmann, zit. nach: Kronberger, Unsere Marine im Kolonialdienst, S. 28. Siehe dazu auch: Wissmann an Bismarck, 30.5.1889, BArch, R 1001/738, Bl. 73-77, hier Bl. 75. Hirschberg verschwieg in seinem Bericht an den Geschwaderchef diese aus seiner Sicht peinlichen Details. Der Rückmarsch »stellte die höchsten Ansprüche an die Leistungsfähigkeit und Energie der Truppen«, lautete sein bewusst oberflächliches Resümee, »besonders da Todte, Verwundete und vom Hitzschlag Betroffene getragen mußten und sich der Mangel an Erfrischungen schlimm fühlbar machten«. Zitat aus: Hirschberg an Deinhard, 12.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 48 ff., hier Bl. 49.

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bei, dass die späteren Schutztruppen sowohl für Deutsch-Ostafrika als auch für die anderen afrikanischen Kolonien nach dem Vorbild der Wissmanntruppe überwiegend aus Einheimischen und nur das Offizierkorps und der Großteil des Unteroffizierkorps aus deutschen Soldaten gebildet wurde841. Durch die Erstürmung seines Lagers wurde Bushiri zwar empfindlich geschwächt, aber es verging noch ein ganzes Jahr, bevor der Aufstand vollständig niedergeschlagen werden konnte. An der Eroberung der nördlichen Küstenorte Saadani, Uvingi und Pangani zwischen Juni und August 1889 wirkten die deutschen Marinestreitkräfte umfassend mit, Tanga nahmen sie im Alleingang842. Bei den Eroberungen gingen weder die Marinesoldaten noch die Angehörigen der Wissmanntruppe besonders zimperlich vor. Nur indische Staatsangehörige wurden geschont, um die Briten nicht zu verärgern, und durften im Vorfeld einer Schlacht von britischen Kriegsschiffen evakuiert werden843. Bei einem Vortrag in Karlsruhe im Dezember 1889 versuchte der Wissmannoffizier Georg Maercker das oft brutale Vorgehen der Schutztruppe gegen die Aufständischen zu rechtfertigen: »Glaubt man denn, dass das Niederbrennen der Dörfer, das Hängen der Araber uns ein so besonderes Vergnügen bereite; dass Major Wissmann so schneidig vorginge, wenn es nicht absolut notwendig wäre. Vor allen Dingen darf man das Niederbrennen der Dörfer nicht zu tragisch nehmen. Dieselben bestehen ja lediglich aus Lehmhütten und sind in 3, 4 Tagen wieder aufgebaut. Saadani ist jetzt viermal von uns zerstört, viermal von den Bewohnern wieder aufgebaut worden. Es kommt ja für uns nicht blos darauf an, den Aufstand niederzudämpfen«, resümierte er, »sondern den Negern gleich den Daumen so auf’s Auge zu drücken, dass ihnen die Lust zu einem zweiten Putsch gründlich vergeht844.« Die Kriegsschiffe unterstützten Wissmanns Operationen sowohl logistisch als auch militärisch. Anfang Juli trafen fünf umgebaute Elb- und Rhein-Flussdampfer in Ostafrika ein, die Wissmann fortan als Truppentransporter und Landungsboote 841

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Deinhard an Goltz, 3.5.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 20-26; Deinhard an Wilhelm II., 9.5.1889, ebd., Bl. 38; Deinhard an Goltz, 13.5.1889, ebd., Bl. 42-45; Hirschberg an Deinhard (mit Anlage), 12.5.1889, ebd., Bl. 48-51; Deinhard an Michahelles, 8.5.1889, PAAA, N 129/2, Nr. 6; Wissmann an Bismarck, 30.5.1889, zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 113, Anl. 44, Nr. 3, S. 91-94; Behr, Kriegsbilder aus dem Araberaufstand, S. 55-72; Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 69-72; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 75-100; Jackson, Resistance to the German Invasion of the Tanganyikan Coast, S. 67 f.; Richelmann, Meine Erlebnisse in der Wissmann-Truppe, S. 20-32; Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 105-117; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 6, S. 747-753; siehe auch, aber sehr ungenau und übertrieben in der Darstellung: Richelmann, Die Besiegung der Feinde, S. 202-225; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 49-64. Bei Tanga wurde deshalb im Juni 1890 von privaten Spendengeldern des Offizierkorps der Marine ein Denkmal errichtet, dass »den auf der Ostafrikanischen Station für das Vaterland gebliebenen Kameraden« (Inschrift) gewidmet war. Vgl. Heusner an die Kommandos der Marinestationen der Ost- und Nordsee, 29.3.1889, BArch, RM 3/2459, Bl. 6; Heusner an Goltz (mit Anlage), 13.2.1890, ebd., Bl. 10 f.; Goltz an Heusner, 10.4.1890, ebd., Bl. 21; Valette an Goltz, 14.5.1890, ebd., Bl. 24; Abbildung des Denkmals, BArch, RM 5/5646, Bl. 115. Keyes, Adventures Ashore & Afloat, S. 66 f. Maercker, Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika, S. 14. Siehe dazu auch: Maercker, Unsere Schutztruppe in Ostafrika, S. 201 f.

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verwendete845. Dadurch wurde die Marine signifikant entlastet, auch wenn sich einer dieser Dampfer nach kurzer Zeit als unbrauchbar erwies und wieder in die Heimat zurückgeschickt werden musste. Fast überall bereiteten die Schiffsgeschütze das Feld für den Angriff an Land, kämpften die Marinesoldaten Seite an Seite mit den Söldnern. Allerdings blieb die Wirkung der Schiffsartillerie begrenzt. In Saadani gelang es den Aufständischen sogar, dass die Wirkung des Geschützfeuers durch eine List fast vollständig verpuffte, was die Stadt jedoch nicht vor der Eroberung bewahrte: »Die Araber hatten eine Art Schützengraben gezogen, in nicht unbeträchtlicher Entfernung von einander, in welchen die Truppen lagen«, berichtete ein Expeditionsteilnehmer. »Jeweils genau in der Mitte zwischen zwei solchen Verhauen hatten sie eine Fahne aufgepflanzt, und da nun hauptsächlich auf diese Fahne gefeuert worden war, hatte man sehr wenig getroffen846.« Nach der Eroberung ließ Wissmann die Ortschaften sichern und befestigen. Durch die Einrichtung einer Verwaltung und die fortgesetzte Bekämpfung der Aufständischen auch im Landesinnern, konsolidierte er in den darauffolgenden Monaten nach und nach die deutsche Stellung im nördlichen Teil des Schutzgebietes. Infolgedessen wurde auch der Karawanenhandel in dieser Region langsam wiederbelebt847. Die Zusammenarbeit zwischen der Marine und der Wissmanntruppe, besonders zwischen ihren beiden Befehlshabern, verlief allerdings nicht immer reibungslos und war vor allem in den ersten Wochen überschattet von Kompetenzstreitigkeiten bei der Planung und Durchführung gemeinsamer Operationen848, von Dissens über die militärische Strategie und Vorgehensweise bei der Rückeroberung der Küstenorte849 sowie von »Eifersüchtelei«850, »wie sie zwischen verschiedenen 845

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Zum Einsatz dieser Schiffe in Ostafrika siehe unter anderem die Memoiren von Max Prager, der den zum Landungsboot umfunktionierten Rhein-Flussdampfer »München« nach dessen Indienststellung im März 1889 bis zur vollständigen Niederschlagung des »Araberaufstandes« kommandierte: Prager, Der Araber-Aufstand in Ost-Afrika; siehe auch: Prager, Die Fahrt der WissmannDampfer nach Ostafrika. Maercker, Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika, S. 17. Plüddemann an Deinhard, 10.7.1889, BArch, RM 2/1854, Bl. 22 ff.; Valette an Deinhard, 10.7.1889, ebd., Bl. 26 ff.; Deinhard an Goltz (mit Anlagen), 11.7.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 17-35; Deinhard an Goltz, 3.6.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 132-135, hier Bl. 132 f.; Deinhard an Wissmann (mit Anlagen), 5.6.1889, ebd., Bl. 141-145; Riedel an Deinhard (mit Anlage), ebd., Bl. 152 f.; Draeger an Deinhard, 7.6.1889, ebd., Bl. 154-157; Deinhard an Goltz, 10.6.1889, ebd., Bl. 158-161; Behr, Kriegsbilder aus dem Araberaufstand, S. 151-168; Blümcke, Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika, S. 21-57; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 100-123; Richelmann, Die Besiegung der Feinde, S. 229 f.; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 64-150; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 286-292; Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90, 6, S. 753-764, 7, S. 806-809. Siehe dazu u.a.: Deinhard an Goltz, 13.5.1889, BArch, R 1001/738, Bl. 8-17, hier Bl. 9-12; Rottenburg an Goltz, 12.6.1889, ebd., Bl. 43-46, hier Bl. 43 ff.; Goltz an H.v. Bismarck, 14.6.1889, ebd., Bl. 48; H.v. Bismarck an Wissmann, 22.6.1889, ebd., Bl. 62-66; Wissmann an Bismarck, 30.5.1889, ebd., Bl. 73-77; Wissmann an H.v. Bismarck, 30.5.1889, ebd., Bl. 98-101; Wissmann an Bismarck, 12.8.1889, BArch, R 1001/740, Bl. 62 ff.; Deinhard an Goltz (mit Anlagen), 13.5.1889, BArch, R 1001/749, Bl. 3-18; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 393 f.; Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 74-77. Siehe dazu u.a.: Deinhard an Goltz, 10.6.1889, BArch, R 1001/739, Bl. 42 f.; Michahelles, Dienst (wie Kap. II, Anm. 600), S. 38 f., PAAA, N 129/1.

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Truppenteilen meistens herrscht«851. Besonders gravierend war ein Eklat kurz vor der Rückeroberung von Tanga: Als der Reichskommissar die verabredeten Angriffspläne kurzfristig verschieben musste, »weil die Polizeitruppe«, wie ihm Deinhard in seinem amtlichen Bericht vorwarf, in Pangani »mit Plündern beschäftigt und darauf ermüdet war«852, entschloss sich der Geschwaderchef zum Alleingang. Er könne, so die offizielle Begründung, seine Pläne »nicht fortwährend« nach Wissmanns »veränderten Ansichten umformen«853. Wissmann seinerseits hatte schon einige Wochen zuvor gegenüber der Reichsleitung kritisiert, dass der Geschwaderchef dazu neige, ohne Rücksicht auf die Verfassung seiner Polizeitruppe militärische Aktionen »in beschleunigtem Tempo«854 durchzuführen, und eine Aufwertung seiner Stellung gegenüber dem Admiral eingefordert855. »Mir scheint, daß sowohl Deinhard wie Wissmann Anflüge von Größenwahn haben«, diagnostizierte Herbert von Bismarck Ende Juni, »und ich hoffe dies wird sich gegenseitig ausgleichen. Deinhard ist lange in Zanzibar«, konstatierte er, »und das Klima macht nervös856.« 850 851

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Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 61; siehe dazu auch: Richelmann, Die Besiegung der Feinde, S. 210 ff. Richelmann, Meine Erlebnisse in der Wissmann-Truppe, S. 30. So entbrannte beispielsweise ein »sehr häßlicher Streit über die für die Sache natürlich ganz gleichgiltige Frage«, wer bei der Erstürmung des Bushiri-Lagers tatsächlich als erster in dieses eingedrungen war, Offiziere der Polizeitruppe oder der Marine. Auch die Heimatbehörden beteiligten sich an dieser Auseinandersetzung. Allerdings stand dabei nicht die Frage im Mittelpunkt, wer als erster in das Bushiri-Lager eingedrungen war, sondern wem dessen erfolgreiche Erstürmung primär zuzurechnen war, dem Reichskommissar und seiner Polizeitruppe oder den Marinesoldaten unter Hirschbergs Führung. Nach der Kenntnisnahme von Deinhards amtlichem Bericht erklärte Bismarck schließlich, dass die Hauptbeteiligung bei der Marine gelegen habe. Zitat aus: Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 60. Vgl. u.a. ebd., S. 60 f.; Goltz an H.v. Bismarck, 8.6.1889, BArch, R 1001/738, Bl. 4 f.; Rottenburg an Goltz, 12.6.1889, ebd., Bl. 43-46, hier Bl. 43. Deinhard an Goltz, 11.7.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 17-23, hier Bl. 20. Wissmann wies den Vorwurf des Geschwaderchefs scharf zurück und bezichtigte seinerseits Marinesoldaten, in Pangani geplündert und seinen farbigen Söldnern widerrechtlich Beutestücke abgenommen zu haben. Deinhard widersprach dieser Darstellung. Vgl. Wissmann an Deinhard, 26.7.1889, BArch, R 1001/740, Bl. 30 ff.; Deinhard an Goltz, 3.8.1889, ebd., Bl. 46-50, hier Bl. 46 f.; Wissmann an Deinhard, 22.8.1889, ebd., Bl. 84 ff. Deinhard an Goltz, 11.7.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 17-23, hier Bl. 20 f. Siehe dazu auch: Wissmann an Bismarck, 31.7.1889, BArch, R 1001/740, Bl. 23-26; Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 126 f. Den Kommandanten und Besatzungen der Kriegsschiffe waren die Umstände des Alleingangs nicht bekannt. Vgl. Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 120. Während der Kommandierende Admiral Deinhards Vorgehen für legitim hielt und gegenüber Herbert von Bismarck verteidigte, ließ das Auswärtige Amt diesen Vorfall auf sich beruhen, weil das Kreuzergeschwader kurz nach dem Eintreffen der amtlichen Berichte über die Rückeroberung von Pangani und Tanga aus den ostafrikanischen Gewässern abgezogen wurde. Die Reichsleitung hatte kein Interesse daran, diesen Konflikt unnötig aufzubauschen. Vgl. Goltz an H.v. Bismarck, 20.9.1889, BArch, R 1001/740, Bl. 136 f.; H.v. Bismarck an Wilhelm II., 27.9.1889, ebd., Bl. 110 f. Hermann Wissmann, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 291. Wissmann an H.v. Bismarck, 30.5.1889, BArch, R 1001/738, Bl. 98-101, hier Bl. 101. Auszug aus einem Privatbrief von H.v. Bismarck, 27.6.1889, ebd., Bl. 114. Tatsächlich litt der Geschwaderchef unter immer wiederkehrenden Fieberkrämpfen und sehnte sich nach Erholung. Er hatte sich mit Malaria infiziert, an deren Folgen er – ebenso wie zahlreiche seiner Kameraden – nur wenige Jahre später sterben sollte.

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Unstimmigkeiten gab es aber nicht nur auf der Führungsebene; auch im Gefecht verlief die Kooperation zwischen den Marineeinheiten und der Wissmanntruppe nicht immer störungsfrei. So kam es etwa bei der Eroberung von Pangani zu einem Friendly-Fire-Zwischenfall, wie dem Gefechtsbericht von Korvettenkapitän Max Plüddemann zu entnehmen ist, der jedoch glimpflich ausging: »In der Nähe des Usagara-Hauses erhielten unsere Leute Feuer; die Feuernden, welche, ihren Irrthum erkennend, gleich mit den Hüten winkten, wurden noch rechtzeitig als Wissmann’sche Offiziere und Mannschaften erkannt857.« Trotz dieser Differenzen war das militärische Zusammenwirken von Polizeitruppe und Marinesoldaten, das sich abgesehen von der Eroberung des Bushiri-Lagers auf die Rückeroberung der Küstenorte beschränkte, insgesamt erfolgreich. Aufgrund des relativ hohen Krankenstandes unter seinen Soldaten hatte Deinhard schon Anfang Dezember 1888 eine Erholungsstation auf den Seychellen858 einrichten und zunächst die »Sophie« für vier Wochen dorthin entsenden wollen, was von der Admiralität auch genehmigt worden war. Aber dazu war es nicht gekommen, weil der Geschwaderchef das Schiff nicht hatte entbehren können. Erst Mitte Mai, nach dem Eintreffen der beiden italienischen Kriegsschiffe und dem ersten großen Schlag gegen Bushiri, schickte Deinhard – auf ausdrücklichen Befehl des Oberkommandos der Marine (OKM) – die ihm unterstellten Schiffe abwechselnd für einige Wochen entweder nach Mauritius, Kapstadt oder Mahé (Seychellen), wo sich die Soldaten von den Strapazen des Einsatzes an der ostafrikanischen Küste erholen und notwendige Reparaturen durchgeführt werden konnten859. Davon ausgenommen war nur die »Carola«, deren Besatzung im Juli in Aden ausgewechselt wurde. Von den im »Blockaderevier« verbleibenden deutschen Schiffen wurden stets zwei zur Blockade der Insel Sansibar eingesetzt, während die anderen primär Wissmanns Operationen unterstützten und Sicherungsaufgaben übernahmen. Allerdings verfügte Deinhard zeitweise nur noch über drei eigene Kriegsschiffe, was seine Wirkungsmöglichkeiten begrenzte. Von der festländischen Küste des deutschen Interessengebietes wurde ab Mai effektiv nur noch der südliche Abschnitt zwischen Kilwa und Mafia durch die beiden italienischen Fahrzeuge blockiert860. 857 858

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Plüddemann an Deinhard, 10.7.1889, BArch, RM 2/1854, Bl. 22 ff., hier Bl. 24. Siehe dazu auch: Richelmann, Die Besiegung der Feinde, S. 238. Die Inselgruppe um Mahé wurde von der britischen Marine schon seit den 1870er Jahren wegen ihrer guten klimatischen Verhältnisse für Erholungszwecke genutzt. Vgl. Boelcke, So kam das Meer zu uns, S. 210-213. Im Juli 1890 bestimmte das OKM die Seychellen als primäres Erholungsgebiet für die ostafrikanischen Stationäre. Vgl. Goltz an Valette, 10.7.1890, BArch, RM 3/3004, Bl. 28. Deinhard an Goltz, 3.12.1888, BArch, RM 1/2908, Bl. 17-23, hier Bl. 22; Deinhard an Goltz, 22.7.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 15; Deinhard an Goltz, 11.7.1889, ebd., Bl. 17-23, hier Bl. 22 f.; Deinhard an Paschen, 19.12.1888, BArch, RM 38/15, Bl. 219; Admiralität an Deinhard, 22.12.1888, ebd., Bl. 251; Goltz an Deinhard, 20.3.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 10 f.; Deinhard an Goltz, 29.4.1889, ebd., Bl. 12 ff.; Deinhard an Wissmann, 16.5.1889, ebd., Bl. 63 f.; Deinhard an Goltz, 17.5.1889, ebd., Bl. 72-75, hier Bl. 72; Valette an Deinhard, 11.6.1889, ebd., Bl. 204-207; Deinhard an Goltz, 4.7.1889, ebd., Bl. 213-216; Goltz an Deinhard, 9.6.1889, BArch, RM 3/3007, Bl. 5 f.; Aktenvermerk des OKM, 24.8.1889, BArch, RM 3/3113, Bl. 3; Deinhard an Goltz, 3.5.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 10-13; Paschen an H.v. Bismarck, 27.12.1888, BArch,

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II. Intervention und Kolonialpolitik (1884-1890)

Nach Wissmanns erstem Sieg über die Aufständischen Anfang Mai erwog das OKM, im Spätsommer 1889 mindestens zwei Blockadeschiffe in andere Gewässer zu verlegen, »falls die politischen und kriegerischen Verhältnisse das gestatten und das Auswärtige Amt sich einverstanden erklärt«861. Allerdings werde »eine formelle Aufhebung der Blockade der Festlandküste«, stellte Goltz klar, »zunächst nicht erfolgen«862. Deshalb sollte der Geschwaderchef alles vermeiden, »was den Araber auf eine Einschränkung der Blockade schließen lassen könnte, wenn also später Schiffe thatsächlich zurückgezogen werden, ist bekannt werden zu lassen, daß für diese Schiffe Ersatz aus der Heimath kommt«863. Aus Deinhards Sicht waren nach der Einnahme von Tanga und Pangani nur noch zwei deutsche Kriegsschiffe in den ostafrikanischen Gewässern nötig, um die Insel Sansibar zu blockieren. Er selbst und sein Flaggschiff seien nunmehr entbehrlich. Dieser Ansicht schloss sich die Reichsleitung weitestgehend an, deshalb entließ sie Mitte August – in Abstimmung mit der britischen Regierung – zwei Schiffe aus der Blockade. Eine weitere Reduzierung der Seestreitkräfte jedoch lehnte sie aus politischen und militärischen Gründen vorerst strikt ab. Während die völlig verschlissene »Möwe« die Heimreise antrat, ging die »Leipzig« mit dem Geschwaderchef nach Kapstadt, wo sich die Besatzung einige Wochen von den Strapatzen der letzten Monate erholen und das Schiff instandgesetzt werden sollten. Nominell blieben die drei auf der Ostafrikanischen Station verbliebenen Schiffe weiterhin unter Deinhards Kommando. Seine Vertretung vor Ort übernahm als dienstältester Offizier der Kommandant der »Carola«, Korvettenkapitän Jean Valette864. Als die beiden Schiffe ihre Reise antraten, liefen bereits Sondierungsgespräche zwischen der deutschen und der britischen Regierung, unter welchen Umständen die Blockade formell aufgehoben werden könne. Mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung in beiden Ländern kam eine ersatzlose Aufhebung nicht in Frage. Nach mehrwöchigen Verhandlungen einigten sich die Regierungsvertreter beider Seiten schließlich darauf, dass Khalifa bin Said ein Dekret erlassen müsse, in welchem er den britischen und deutschen Kriegsschiffen auch weiterhin das Recht zur Bekämpfung des Sklavenhandels einräumte und alle neu in sein Herrschaftsgebiet importierten Sklaven für frei erklärte. Italien wurde an den Verhandlungen nicht beteiligt, schloss sich aber später dieser Forderung an865. Dem Sultan blieb nichts

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R 1001/914, Bl. 95; Goltz an H.v. Bismarck, 20.3.1888, ebd., Bl. 99; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 120-133. Goltz an Deinhard, 9.6.1889, BArch, RM 3/3007, Bl. 5 f., hier Bl. 5. Ebd., Bl. 5. Ebd., Bl. 6. Ebd., Bl. 5 f.; H.v. Bismarck an Hatzfeldt, 1.6.1889, BArch, R 1001/718, Bl. 6 f.; Hatzfeldt an Bismarck, 5.6.1889, ebd., Bl. 10 f.; Aufzeichnung H.v. Bismarcks über ein Gespräch mit dem Kommandierenden Admiral, 7.6.1889, ebd., Bl. 12; Goltz an H.v. Bismarck, 24.9.1889, ebd., Bl. 87 f.; Deinhard an Goltz, 13.8.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 42 f.; Deinhard an Goltz, 4.7.1889, BArch, RM 38/18, Bl. 213-216, hier Bl. 216; Goltz an H.v. Bismarck, 26.7.1889, BArch, R 1001/915, Bl. 10; AA an Goltz, 27.7.1889, ebd., Bl. 11; AA an Monts, 22.8.1889, ebd., Bl. 18 f.; Goltz an H.v. Bismarck, 5.8.1889, BArch, R 1001/7141, Bl. 50. Goltz an Crispi, 22.9.1889, BArch, R 1001/718, Bl. 93; Bekanntmachung der Blockademächte über die Aufhebung der Blockade der festländischen Küste des Sultanats von Sansibar, 29.9.1889, BArch, R 1001/719, Bl. 31; Italienisches Außenministerium an Goltz, 27.9.1889, ebd., Bl. 40 f.

II. Intervention und Kolonialpolitik (1884-1890)

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anderes übrig, als sich dem gemeinschaftlichen Druck der Blockademächte zu fügen866. Nur zwei Wochen nachdem er die erzwungene Proklamation erlassen hatte, wurde die Blockade am 1. Oktober 1889 um 12 Uhr mittags offiziell aufgehoben867. Gleichwohl blieb »jede Einfuhr von Waffen und Kriegsmaterial an der unter deutscher Verwaltung stehenden ostafrikanischen Festlandsküste [auch weiterhin] verboten«868, bis der »Araberaufstand« vollständig niedergeschlagen war869. Die »Leipzig« hatte gerade in Kapstadt eingedockt, als Deinhard den Befehl erhielt, der Kaiser wünsche ihn zur Hochzeit seiner Schwester Sophie mit dem griechischen Kronprinzen Konstantin am 27. Oktober in Athen oder, wenn dies nicht möglich sei, etwas später im Mittelmeer zu sehen. Der Admiral ließ daraufhin die Instandsetzungsarbeiten sofort abbrechen, die Kessel anfeuern und Kurs auf Athen nehmen, wo er kurz nach den Feierlichkeiten eintraf. An Bord des Panzerschiffes »Kaiser« verlieh ihm Wilhelm II. persönlich den Stern zum Königlichen KronenOrden 2. Klasse und sprach ihm »Meinen Dank und Meine Anerkennung für die Thatkraft und Umsicht« aus, mit welcher er »die Blockade der ostafrikanischen Küste geleitet und bis zu ihrem Abschluss mit Erfolg durchgeführt hat«870. Deinhard nahm diese Auszeichnung stolz entgegen. Anschließend begleitete er das Übungsgeschwader, das Wilhelm II. auf seiner Reise eskortierte, mit der »Leipzig« bis nach Konstantinopel und ließ von dort aus sein Schiff zur dringend notwendigen Instandsetzung nach Venedig verlegen871. Während die Blockade bereits aufgehoben war und Wilhelm II. die daran beteiligten Marinesoldaten für ihre Leistungen und ihre Ausdauer auszeichnete872, dauerten die Kampfhandlungen auf dem ostafrikanischen Festland noch immer an. 866

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Dadurch wurden teilweise Beschlüsse der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz von 1889/90 vorweggenommen. Im Rahmen dieser Arbeit kann auf die Konferenz nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu u.a.: Miers, The Brussels Conference of 1889-1890, S. 98-118. Die Generalakte der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz ist abgedruckt in: Zorn/Sassen, Deutsche Kolonialgesetzgebung, S. 47-83. In Abstimmung mit den Blockademächten hob gleichzeitig auch Portugal die Blockade der mosambikanischen Küste auf. Vgl. Deutscher Gesandter in Lissabon an AA, 28.9.1889, BArch, R 1001/719, Bl. 18; Deutscher Gesandter in Lissabon an Bismarck, 23.9.1889, ebd., Bl. 35 f.; Deutscher Gesandter an Bismarck (mit Anlagen), 4.10.1889, ebd., Bl. 57-61. Proklamation des Waffeneinfuhrverbots für die deutsch-ostafrikanische Küste, 29.9.1889, BArch, R 1001/719, Bl. 24. Richter, Tätigkeit der deutschen Marine, S. 130-133; Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 293-298. Wilhelm II. an Deinhard (Kabinettsordre), 1.11.1889, BArch, RM 1/2852, Bl. 169. Goltz an H.v. Bismarck, 24.9.1889, BArch, R 1001/718, Bl. 87 f.; Deinhard an Wilhelm II., 28.9.1889, BArch, RM 2/358, Bl. 52; Deinhard an Senden-Bibran, 28.9.1889, ebd., Bl. 53; Deinhard an Goltz, 4.9.1889, BArch, RM 38/21, Bl. 105 ff.; Deinhard an Goltz, 18.9.1889, ebd., Bl. 113; Goltz an Deinhard, 25.09.1889, ebd., Bl. 118; Deinhard an Goltz, 2.10.1889, ebd., Bl. 127; Goltz an H.v. Bismarck, 24.9.1889, BArch, R 1001/915, Bl. 24; Schiffstagebücher des Korvettenkapitäns Freiherr von Senden-Bibran, Teil I: 1888/89, BArch, N 160/18, Bl. 6 f. (Tagebucheintrag vom 1.11.1889); Nagel, Vier Kreuzer »Leipzig«, S. 55 f.; Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 153. Kurz vor der »Leipzig« war bereits der »Pfeil« zum Übungsgeschwader hinzugetreten, der unmittelbar nach der Aufhebung der Blockade aus den ostafrikanischen Gewässern abgezogen und ins Mittelmeer befohlen worden war. Wilhelm II. an Deinhard (Kabinettsordre), 1.11.1889, BArch, RM 1/2852, Bl. 169; Wilhelm II. an Goltz (Kabinettsordre), 14.1.1890, BArch, RM 4/149, Bl. 10 ff.

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II. Intervention und Kolonialpolitik (1884-1890)

Erst Mitte Dezember gelang Wissmann mit der Gefangennahme und Hinrichtung Bushiris der entscheidende Schlag gegen die Aufständischen. Als vier Monate später dessen faktischer Nachfolger Bwana Heri kapitulierte, brach der Aufstand im nördlichen Teil des Schutzgebietes vollständig zusammen. Nun wandte sich Wissmann nach Süden und eroberte im Verein mit der Marine in rascher Folge Kilwa, Lindi und Mikindani873. Am 13. Mai 1890, etwa zwei Monate nach Bismarcks Entlassung als Reichskanzler, war der »Araberaufstand« vollständig niedergeschlagen. »Hurrah!«, jubelte der Kaiser, »die Aera Caprivi-Marschall fängt gut an874.«

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Siehe dazu u.a. den ausführlichen Bericht des Ältesten Offiziers der Ostafrikanischen Station an die Admiralität: Valette an Goltz, 26.5.1890, BArch, RM 2/1854, Bl. 51-65; siehe auch: Wissmann an Bismarck, 7.6.1890, zit. in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 122, Anl. 165, Nr. 57, S. 1191 f.; Bückendorf, »Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!«, S. 403-407; Hirschberg, Neunzehn Monate Kommandant S.M. Kreuzer »Schwalbe«, S. 203-227; Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, S. 198-217. Randbemerkung Wilhelms II. zu Wissmann an Bismarck, 7.4.1890, zit. nach: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 309.

III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897) Als Wilhelm II. die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, war er entschlossen gewesen, baldmöglichst aus dem Schatten des übermächtigen Reichskanzlers hinauszutreten und sich von Bismarck loszulösen. Diesen Wunsch hegten Ende der 1880er Jahre auch zahlreiche Angehörige der Reichsleitung, von denen nicht wenige der Meinung waren, der Kanzler habe altersbedingt erheblich nachgelassen. Bismarcks Sturz am 18. März 1890, formell aufgrund innenpolitischer Differenzen über die Verlängerung des Sozialistengesetzes1, kam somit nicht überraschend. Gleichwohl bedeutete sein Abtritt als Reichskanzler eine tiefe Zäsur, besonders für die deutsche Außen- und Überseepolitik. Als Bismarcks Amtsnachfolger ernannte der Kaiser Georg Leo von Caprivi, einen bewährten, vermeintlich gehorsamen General, der ihm dazu dienen sollte, sein angestrebtes persönliches Regiment durchzusetzen. »[Z]u Großem sind wir noch bestimmt«, versprach Wilhelm II. wenige Monate später, »und herrlichen Tagen führe Ich euch noch entgegen2.« Das Mittel dafür sollte ein »Neuer Kurs« vor allem in der deutschen Außenpolitik sein. Caprivi lehnte Bismarcks außenpolitische Strategie nicht grundsätzlich ab, die Spannungen zwischen den Großmächten von der Mitte Europas an die koloniale Peripherie abzuleiten, so dass diese dort untereinander ihre Konflikte austrugen und von einer Koalitionsbildung gegen das Deutsche Reich abgehalten wurden. Er sah sich aber außerstande, diese »komplizierte Politik« seines Amtsvorgängers fortzuführen, »deren Gelingen«, wie er meinte, »ohnehin jederzeit fraglich gewesen ist«3. Deshalb konzentrierte er sich zunächst darauf, im Verein mit Friedrich von Holstein, der »Grauen Eminenz« im Auswärtigen Amt, und dem neuen Außenstaatssekretär Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein, das komplexe außenpolitische System Bismarcks auf ein für ihn händelbares Maß zu reduzieren. Im Vergleich zu Bismarck betrieb Caprivi eine »einfache, durchsichtige«4 Außenpolitik, die, untermauert durch ein System von Handelsverträgen, vor allem auf den Bündnissen mit Österreich-Ungarn und Italien basierte und zunächst auf eine 1 2 3 4

Zu Bismarcks Entlassung siehe u.a.: Gall, Bismarck, S. 684-708; Pflanze, Bismarck, Bd 2, S. 593-619; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd 3, S. 993-1000. Zit. nach: Wilhelm II., Die politischen Reden, S. 88, Nr. 49 (Rede vom 24.2.1892); siehe dazu auch: Obst, »Einer nur ist Herr im Reiche«, S. 121-153. Zitate aus: Aufzeichnung Berchems, 25.3.1890. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 7, Nr. 1368, S. 8. Caprivi an Schweinitz, 29.5.1890. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 7, Nr. 1380, S. 35.

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III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

engere Bindung Großbritanniens an den Dreibund abzielte. Vor diesem Hintergrund kündigte er kurz nach seinem Amtsantritt den geheimen Rückversicherungsvertrag mit Russland, der den sonstigen bündnispolitischen Verpflichtungen des Deutschen Reiches widersprach, und suchte einige Wochen später den kolonialen Ausgleich mit Großbritannien durch den Abschluss des noch von Bismarck vorbereiteten Helgoland-Sansibar-Vertrages. Infolge der deutschen Außenpolitik des »Neuen Kurses« kam es rasch zu einer schrittweisen Annäherung zwischen Russland und Frankreich, die im Januar 1894 zu einem Militärbündnis der beiden Mächte führte5. Gleichzeitig entfremdete sich das Verhältnis zwischen Russland und dem Deutschen Reich. Bismarck hatte eine solche Entwicklung seit der Reichsgründung stets erfolgreich, wenn auch zuletzt mit nur noch wenig wirksamen Mitteln, zu verhindern verstanden. Caprivi und Holstein hingegen, ebenso der Kaiser und der Generalstab hatten sie seit Ende der 1880er Jahre als ohnehin unvermeidlich angesehen. Bereits nach wenigen Monaten jedoch erwies sich der außenpolitische Kurswechsel als eine gravierende Fehlentscheidung. Die britische Regierung hielt an ihrem mehr oder minder bewährten Konzept der Splendid isolation fest, das heißt an einer von den eigenen Interessen geleiteten, den Status quo erhaltenden Machtpolitik, die zwar von Fall zu Fall auf wechselnde, temporäre Zweckbündnisse setzte, aber feste Bindungen kategorisch ausschloss. Während bei der Reichsleitung der Frust über die permanente Ablehnung ihrer Allianzbestrebungen durch die Briten wuchs, verschärfte sich zunehmend auch die deutsch-britische Handelskonkurrenz aufgrund der rasch wachsenden deutschen Exportindustrie. Als schließlich im August 1892 das vierte liberale Kabinett Gladstone in London die Regierung übernahm, begann sich das bilaterale Verhältnis der beiden Mächte in kurzer Zeit infolge diverser weltpolitischer Zerwürfnisse dramatisch zu verschlechtern. Den Höhepunkt markierte die Transvaalkrise 1895/96. Bereits im Laufe des Jahres 1893 unternahm die Reichsleitung, um wieder mehr außenpolitischen Spielraum zu gewinnen, einen erneuten Kurswechsel und suchte die Annäherung an Russland. Im Februar 1894 erfolgte der Abschluss eines für beide Seiten vorteilhaften Handelsvertrages und wenige Monate später, im Verein mit Frankreich, eine Tripleintervention in Shimonoseki, auf die noch näher einzugehen sein wird. Zu einer umfassenden Verständigung zwischen den beiden Mächten aber kam es nicht, denn der russische Zar verlangte dafür von der deutschen Regierung als Vorbedingung die Anerkennung der russischen Suprematie. Da offensichtlich weder die Briten noch die Russen an einer ernsthaften Kooperation mit dem Deutschen Reich auf Augenhöhe interessiert waren, vollzog die Reichsleitung wieder einen Kurswechsel in der Außenpolitik, deren neue Leitlinie Holstein im Juli 1895 prägnant so definierte: »Wir gehen mit dem Dreibund und wahren uns der übrigen Welt gegenüber die Politik der freien Hand«6. Die Reichs5

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Montebello an Casimir-Périer (mit Anlage), 8.1.1894. In: Documents Diplomatique Francais, Serie 1, vol. 11, Nr. 7; Geyer, Der russische Imperialismus, S. 131-136; Girault, Diplomatie européenne et impérialismes, S. 151-160. Holstein an Radolin, 2.7.1895, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 3, Nr. 474.

III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

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leitung hoffte, dadurch sowohl ihren außenpolitischen Spielraum vergrößern als auch ihren Weltmachtanspruch effektiver durchsetzen zu können. Vor allem Wilhelm II. glaubte durch die Freihandpolitik koloniale Konzessionen von den anderen Kolonialmächten, allen voran Großbritannien, erpressen zu können – in ähnlicher Weise wie es einst Bismarck mit dem Einsatz des – inzwischen abgenutzten – »ägyptischen Knüppels« gelungen war. »Wenn England [oder irgendeine andere Großmacht – H.H.] uns brauche«, davon war der Kaiser fest überzeugt, »werde es schon von selbst kommen, wir können dann unsere Unterstützung von Konzessionen (Sansibar pp.) abhängig machen. Überhaupt sei Deutschland jetzt in der glücklichen Lage, ruhig zuschauen und abwarten zu können, da niemand in Europa etwas erreichen könne ohne unsere Mithilfe«7. Was folgte, war ein außenpolitischer Schlingerkurs des Deutschen Reiches zwischen den Flügelmächten Großbritannien und Russland, der die anderen Mächte nachhaltig irritierte. Dafür jedoch zeichnete nicht mehr Caprivi verantwortlich. Er war im Herbst 1894 entlassen und durch den greisen Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst ersetzt worden8. Im Gegensatz zu Kaiser Wilhelm II. und dessen engsten Vertrauten glaubte Caprivi nicht an eine Weltmachtstellung für das Deutsche Reich. In Bismarckscher Tradition setzte er ganz auf eine maßvolle, kontinentale Politik, die dem imperialistischen Zeitgeist widersprach und ihn deshalb in scharfe Opposition zur Kolonialbewegung brachte, was unter anderem zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Verbandes, dem Vorläufer des einflussreichen Alldeutschen Verbandes führte9. An überseeischen und weltpolitischen Fragen war Caprivi kaum interessiert. »Kommt es zum Kriege am Rhein, so entscheidet dessen Erfolg über die Kolonien mit«, konstatierte er im September 1892 in Bismarckscher Manier; »siegen wir, so werden wir die Auswahl haben, werden wir geschlagen, so ist es mit unserer Kolonialpolitik überhaupt zu Ende«10. Diese Grundhaltung spiegelte sich auch in Caprivis Marinepolitik wider, in deren Mittelpunkt die Verteidigung der deutschen Küsten in einem stets für »das kommende Frühjahr«11 befürchteten Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland stand12. Vor diesem Hintergrund verlor das Kreuzergeschwader, das Caprivi schon als Chef der Admiralität stets nur stiefmütterlich behandelt hatte, erheblich an Bedeutung, auch wenn es weiterhin den schlagkräftigsten Verband darstellte, den das Deutsche Reich in Übersee unterhielt. 7 8

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Aufzeichnung Rotenhans vom 30.7.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2318, S. 360. Zur deutschen Außenpolitik des »Neuen Kurses« von 1890 bis 1897 und seinen weltpolitischen Auswirkungen allgemein und ausführlich siehe u.a.: Afflerbach, Der Dreibund, S. 363-394; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 16-222; Fröhlich, Imperialismus, S. 46-72; Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 149-189; Lahme, Deutsche Außenpolitik 1890-1894; Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860-1914, S. 205-222; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 107-139. Siehe dazu: Chickering, We Men Who Feel Most German, S. 45-53; Hering, Konstruierte Nation, S. 110-118; Hallgarten, Imperialismus vor 1914, Bd 1, S. 358-361. Aufzeichnung Caprivis, 19.9.1892. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 7, Nr. 1589, S. 329. Batsch, Deutsch’ See-Gras, S. 34. Siehe dazu u.a.: Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 161-166. Lambi, The Navy and German Power Politics, S. 50-90.

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III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

1. »Neuer Kurs« ohne klares Ziel a) Einsatz im Chilenischen Bürgerkrieg

Nach dem Abzug des Flaggschiffes aus den ostafrikanischen Gewässern im August 1889 war das Kreuzergeschwader für mehrere Monate ein zersplitterter, handlungsunfähiger Verband. Als Krisenreaktionskraft stand es in dieser Zeit nicht zur Verfügung. Aus Sicht der Reichsleitung war das jedoch kein gravierendes Problem, denn die Auslandsstationen waren ihrer Meinung nach ausreichend besetzt, um die deutschen Interessen in Übersee zu wahren. Goltz plante, die drei Schiffe des Kreuzergeschwaders erst im Laufe des Jahres 1890 auf der Ostasiatischen Station »allmählich wieder zusammen zu ziehen«13, und zwar »zunächst aus dienstlichen Gründen, dann aber auch, weil ich in der Sammlung der Streitkräfte die einzige Möglichkeit sehe, beim Ausbruch eines Krieges mit den im Ausland befindlichen Kräften etwas zu leisten, bezw. sie davor zu bewahren, daß sie die leichte Beute einer gesammelten feindlichen Streitmacht werden«14. Die »Carola« und die »Schwalbe« wurden bereits Anfang 1890 aus dem Geschwaderverband entlassen und der Ostafrikanischen Station zugeteilt15. Als Ersatz bestimmte das Oberkommando der Marine (OKM) die Kreuzerfregatten »Sophie« und »Alexandrine«, die von der Australischen Station abgezogen und dort im Herbst durch einen Kreuzer ersetzt wurden. Damit war ein klares politisches Signal verbunden: Nach der Verständigung mit Großbritannien und den USA auf der Berliner Samoa-Konferenz setzte die Reichsleitung in der Südsee auf Entspannung16. Durch die Umstrukturierung wurde die Schlagkraft des Kreuzergeschwaders erhöht, denn die »Alexandrine« war der »Schwalbe« an Bewaffnung, Besatzung, Größe und Maschinenkraft deutlich überlegen. Allerdings war das Kreuzergeschwader im Vergleich zu den britischen, französischen, russischen, japanischen und chinesischen Seestreitkräften in den ostasiatischen Gewässern ein relativ kleiner und militärisch schwacher Verband17. Daran hätte auch die zunächst geplante Aufstockung »auf die volle Zahl von 4 Schiffen«18 nicht viel geändert, die Goltz zwar »mit Rücksicht auf die Aktionsfähigkeit des Geschwaders für durchaus nothwendig erachte[te]«19, die aber schließlich aus Kostengründen und wegen des 13 14 15 16

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Goltz an Deinhard (Segelordre), 29.11.1889, BArch, RM 3/3152, Bl. 48. Goltz an H.v. Bismarck, 21.11.1889, BArch, R 1001/7141, Bl. 51 ff., hier Bl. 51. Deinhard an Valette und Foß, 13.1.1890, RM 38/9, Bl. 209. Aus demselben Grund beorderte das OKM im Herbst 1890 anstatt des gesamten Kreuzergeschwaders nur dessen Flaggschiff zu einem »Routinebesuch« nach Apia. Vgl. Goltz an Valois (Segelordre), 25.9.1890, BArch, RM 38/10, Bl. 193 ff., hier Bl. 193; Goltz an Valois, 1.10.1890, BArch, RM 38/22, Bl. 8; Goltz an Marschall, 25.9.1890, BArch, R 1001/7141, Bl. 73 ff.; Marschall an Goltz, 28.9.1890, ebd., Bl. 76 f. Das britische China Squadron z.B. war zu dieser Zeit mit 19, die französische Division navale de l’extrême Orient mit 5 größeren, teilweise gepanzerten Kriegsschiffen ausgestattet. Vgl. The Naval Annual, 5 (1890), S. 66 f. Goltz an Valois (Segelordre), 25.9.1890, BArch, RM 38/10, Bl. 193 ff., hier Bl. 194. Goltz an Hollmann, 12.5.1891, BArch, RM 3/2993, Bl. 24 f., hier Bl. 24; siehe dazu auch: Goltz an Hollmann, 2.7.1891, ebd., Bl. 31 f.

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»außerordentlich beschränkten Personalstande[s] in der Heimath«20 Ende 1890 annulliert wurde21. Im Mai 1890 übernahm Konteradmiral Viktor Valois in Shanghai das Kommando über den Verband, während Deinhard in die Heimat zurückversetzt und zum Chef des Manövergeschwaders und der Manöverflotte ernannt wurde. Da weder die Reichsleitung noch die Konsuln im australasiatischen Raum größere Aufgaben für die Schiffe hatten, besuchten diese von Februar 1890 bis Mai 1891 zahlreiche Häfen in Ost- und Südostasien, der Südsee, Australien und Neuseeland, »um einerseits die Flagge zu zeigen und andererseits mit den [...] Behörden an den einzelnen Plätzen die an denselben gebräuchlichen Höflichkeitsformen auszutauschen«22 sowie speziell den deutschen Waffenhandel zu fördern. Valois, der »mit Leib und Seele Seemann«23 war, machte dabei eine gute Figur, wie besonders der deutsche Gesandte in Peking, Max von Brandt, anerkannte: »Ich freue mich zugleich die Ueberzeugung aussprechen zu können, daß Euer Hochwohlgeboren Besuch der verschiedenen [chinesischen] Häfen mit dem Kreuzergeschwader in nicht unwesentlicher Weise zu der Befestigung der bestehenden guten Beziehungen zwischen dem deutschen Reich und China beigetragen gehabt, und dieselben auch den anderen Mächten zum Ausdruck gebracht hat24.«

Die Geschwaderchefs nutzten diese lange Phase der ruhigen Seereisen in den fernöstlichen Gewässern, um neben dem obligatorischen Sammeln und Übermitteln von militärisch relevanten Informationen – etwa über die regional operierenden Seestreitkräfte anderer Staaten – ein umfassendes und intensives Ausbildungsprogramm mit den Besatzungen zu absolvieren. Das war auch dringend nötig: Vor allem »die Vorausbildung des Maschinenpersonals der Schiffe«, wie Valois im August kritisch anmerkte, »läßt noch zu wünschen übrig, weil [beim turnusmäßigen Besatzungswechsel einige Wochen zuvor – H.H.] meist sehr junges und zum Theil noch nie an Bord eines Kriegsschiffes gewesenes Personal herausgeschickt worden ist. So mußte beispielsweise bei der Probefahrt S.M.S. ›Leipzig‹ am 14ten d[ieses] M[ona]ts [Juli] die forcierte Fahrt aufgegeben werden, weil schon bei Benutzung von 4 Kesseln 3 Fälle von Hitzschlag bei dem Heizerpersonal vorkamen25.« Bei 20 21

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Goltz an Hollmann, 8.10.1890, BArch, RM 3/3129, Bl. 8 f., hier Bl. 8; siehe außerdem: Goltz an Hollmann, 6.11.1890, ebd., Bl. 14. Aus demselben Grund wurde auch die Einrichtung einer dauerhaft besetzten südamerikanischen Auslandsstation abgelehnt. Vgl. u.a. Hollmann an Caprivi, 14.7.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 163 f.; Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 45 f. Brandt an Valois, 9.1.1891, BArch, RM 38/10, Bl. 219 ff., hier Bl. 219. Max von Brandt bezieht sich hierbei konkret auf China, aber dieser Auftrag ist exemplarisch für das Aufgabenprofil bei fast allen Hafenbesuchen des Kreuzergeschwaders im australasiatischen Raum von Februar 1890 bis Mai 1891. Valois, Aus den Erlebnissen eines alten Seeoffiziers, S. 1. Brandt an Valois, 21.4.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 171 f., hier Bl. 171. Enttäuscht hingegen war der deutsche Gesandte in Japan, denn der Besuch des Kreuzergeschwaders brachte nicht die erhofften großen, lukrativen Rüstungsaufträge. Vgl. Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 41. Valois an Goltz, 6.8.1890, BArch, RM 38/21, Bl. 150-153, hier Bl. 151. Für die Heizer bedeuteten solche Probefahrten, bei denen die Maschine unter Volldampf gefahren wurden, enorme Anstrengungen, da sie bei Temperaturen von 55-60º C im Maschinenraum unentwegt Kohlen in die Feuer schaufeln mussten. Vgl. Sperling, Eine Weltreise unter deutscher Flagge, S. 141.

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den zahlreichen Manövern offenbarte sich auch der relativ schlechte Zustand, in dem sich die Schiffe aufgrund der langen Indiensthaltung befanden. Immer wieder gab es Probleme, kam es zu Ausfällen der Maschinen, Brüchen in der Takelage oder Rissen in den Segeln. Auch wenn diese meist rasch repariert werden konnten, war die Einsatzfähigkeit der Schiffe dadurch zeitweise eingeschränkt26. Am 6. April 1891 erhielt Valois auf der Reede von Shanghai den telegrafischen Befehl, im Anschluss an den Besuch von Yokohama »sofort mit möglichster Beschleunigung nach Chile«27 zu gehen. Dort war kurz nach Jahresbeginn ein Bürgerkrieg losgebrochen, der die deutschen Handelsinteressen in der Region massiv gefährdete. In den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Präsidenten José Manuel Balmaceda und denjenigen des oligarchisch dominierten Kongresses entlud sich ein langjähriger Konflikt, bei dem es im Kern um die Verteilung der Gewinne aus dem lukrativen Nitrathandel ging. »Ich habe so zu sagen schon immer das Gefühl gehabt«, vertraute Valois seinem Freund Senden-Bibran nach Erhalt des Marschbefehles an, »daß diese Bombe über uns explodieren könnte28.« Balmaceda hatte seit Ende 1888 mit breiter Unterstützung der besitzlosen Massen versucht, die Salpeterproduktion schrittweise zu verstaatlichen, und dadurch einen Machtkampf mit den Oligarchen ausgelöst. Seine Politik richtete sich auch gegen die ausländischen Kaufleute, die den Salpeterhandel beherrschten. Dominierend waren britische Firmen, die unmittelbar vor dem Bürgerkrieg 60 der insgesamt 77 chilenischen Salpeterbergwerke besaßen. Aber auch deutsche Händler machten gute Gewinne im Nitratgeschäft: Bei Kriegsbeginn kontrollierten zwei Hamburger Handelshäuser etwa 18 Prozent der gesamten chilenischen Salpeterproduktion und drei Hamburger Reedereien dominierten den Salpetertransport. Als der Kongress Balmaceda Anfang Januar 1891 den neuen Haushalt nicht bewilligte, erklärte dieser, er werde das gleiche Budget wie im Vorjahr verwenden und wolle fortan auf die Mitarbeit des Parlaments gänzlich verzichten. Im Gegenzug 26

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Goltz an Valois, 1.10.1890, BArch, RM 3/3152, Bl. 62; Valois an Goltz (teils mit Anlagen), 5.1., 12.4.1891, ebd., Bl. 79-92, 169-172; Wilhelm II. an Goltz (Kabinettsordre), 10.3.1889, BArch, RM 4/149, Bl. 54-57; Deinhard an Goltz, 28.12., 29.12.1889, BArch, RM 38/9, Bl. 202, 204 f.; Deinhard an Brandt, 13.3.1890, BArch, RM 38/10, Bl. 20 f.; Goltz an Deinhard, 7.2.1890, ebd., Bl. 31 f.; Deinhard an Goltz (mit Anlage), 31.12.1889, ebd., Bl. 33 f.; Plüddemann an Goltz, 23.3., 13.5.1890, ebd., Bl. 43-47, 90 f.; Valois an Goltz, 23.5., 18.6., 19.7., 17.11.1890, ebd., Bl. 96 f., 137 f., 176 f., 199 f.; Valois an Goltz, 18.2., 4.3.1891, ebd., Bl. 223 f., 259; Goltz an Prittwitz, 12.4.1890, ebd., Bl. 106 f.; Valois an den Ältesten Offizier der Ostasiatischen Station, 21.7.1890, ebd., Bl. 166; Goltz an Valois (Segelordre), 25.9.1890, ebd., Bl. 193 ff.; Valois an Brandt, 21.2.1891, ebd., Bl. 226 f.; Valois an Goltz (mit Anlagen), 10./12.4., 2.5.1891, BArch, RM 38/11, Bl. 55-72, 131-139; Frantzius an Valois, 20.3.1891, ebd., Bl. 81-84; Goltz an Valois, 29.5., 3.10.1890, BArch, RM 38/21, Bl. 135 f., 189; Valois an Goltz, 28.6., 6.8., 3.9., 26.9., 17.10.1890, ebd., Bl. 137 f., 150-153, 166 ff., 179 f., 214 ff.; Valois an Goltz, 20.11., 29.11.1890, BArch, RM 38/22, Bl. 26-29, 47 f.; Valois an Goltz (mit Anlagen), 18.2.1891, ebd., Bl. 114-209; Valois an Schneider (Segelordre), 9.12.1890, ebd., Bl. 53-56; Valois an Herbing (Segelordre), 9.12.1890, ebd., Bl. 57 ff.; Valois an Senden-Bibran, 29.9.1890, BArch, N 160/3, Bl. 1-8; Valois an SendenBibran, 30.4.1891, ebd., Bl. 9-20; Valois an Senden-Bibran, 21.5.1891, ebd., Bl. 21-30, hier Bl. 21 ff.; Goltz an Marschall, 7.5., 25.9., 8.10.1890, BArch, R 1001/7141, Bl. 63 f., 73 ff., 81; Marschall an Goltz, 19.10.1890, ebd., Bl. 82; Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 41. Goltz an Hollmann, 24.4.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 111. Valois an Senden-Bibran, 30.4.1891, BArch, N 160/3, Bl. 9-20, hier Bl. 14.

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erklärten führende Vertreter des Kongresses diese Maßnahme für verfassungswidrig und forderten die anglophile Marineleitung auf, sie im Kampf gegen den Präsidenten zu unterstützen. Am 7. Januar verließ darauf ein Großteil der chilenischen Flotte unter der Führung von Kapitän zur See Jorge Montt mit zahlreichen prominenten Politikern an Bord gegen den Befehl des Präsidenten den Hafen von Valparaiso. Das war der Beginn der Rebellion. Bis Ende April eroberte die Kongressflotte die salpeterreichen Provinzen nördlich von Coquimbo, während die weiterhin loyal zu Balmaceda stehende Armee ihre Stellung in den südlichen Provinzen des Landes behaupten konnte29. Während die Briten sofort nach Ausbruch des Bürgerkrieges ihr Pazifikgeschwader zum Schutz ihrer Interessen nach Chile schickten und offen mit der Kongresspartei sympathisierten30, verhielt sich das Deutsche Reich neutral und entsandte zunächst keine Kriegsschiffe in das Krisengebiet. Nach Ansicht sowohl der Reichsleitung als auch des deutschen Gesandten in Chile wurden die deutschen Interessen ausreichend von der Royal Navy vertreten, was sich in der Praxis auch bestätigte31. Außerdem seien für einen solchen Einsatz, geschweige denn für eine dauerhafte Neubesetzung der Westamerikanischen Station, wie Caprivi Anfang Februar auf eine Interpellation des nordschleswigschen Reeders Michael Jebsen im Reichstag entgegnet hatte, keine Schiffe disponibel. In den darauffolgenden Wochen erhöhten einflussreiche Hamburger Kreise kontinuierlich den Druck auf die Regierung und forderten immer nachdrücklicher die Entsendung des Kreuzergeschwaders in die chilenischen Gewässer, aber Caprivi beharrte auf Anordnung des Kaisers weiterhin auf der fadenscheinigen Position, dass dafür keine Schiffe verfügbar seien. Wilhelm II. wollte mit dieser harten Haltung die deutsche Flottenschwäche demonstrieren, um im Parlament eine Erhöhung des Marineetats für Schiffsneubauten durchzusetzen32. »Der Reichstag solle erst Schiffe bewilligen«, forderte er, »dann könnten auch welche nach Chile gesandt werden33.« Doch »bei Hollmanns Ungeschick, Wilhelms II. Übertreibung und Reichskanzler Caprivis Ehrlichkeit verpuffte die Salpeterintrige ohne politische Wirkung«34. Als diese erste Flotteninitiative im Reichstag scheiterte, wobei sogar eine bereits bewilligte Kreuzerkorvette wieder aus dem Etat gestrichen wurde, entschloss sich der Kaiser schließlich doch,

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Karcher an Hollmann, 6.4.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 102; Marschall an Hollmann, 6.4.1891, ebd., Bl. 104; Karcher an Hollmann, 11.4.1891, ebd., Bl. 105; Senden-Bibran an Goltz, 4.4.1891, ebd., Bl. 106; Marschall an Hollmann, 17.4.1891, ebd., Bl. 110; Goltz an Hollmann, 24.4.1891, ebd., Bl. 111; Caprivi an Hollmann, 23.4.1891, ebd., Bl. 112; Goltz an Heusner, 27.4.1891, ebd., Bl. 116; Blakemore, British Nitrates, S. 69-202; Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 38 f.; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 127 ff.; siehe auch: Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile, S. 18-48. Siehe dazu u.a.: Gutschmid an Caprivi, 11.8.1891, PAAA, R 16626 (ohne Paginierung). Siehe Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 39 f. Marschall an Hollmann, 22.2.1891, BArch, RM 3/2993, Bl. 14; Hollmann, 5.3.1891. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 116, S. 1900. Müller, Der Kaiser, S. 33. Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 161.

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dass Kreuzergeschwader aus Ostasien abzuberufen und nach Chile zu beordern35. Die politische Verantwortung für das Debakel im Parlament und die vermeintliche Schaukelpolitik der Reichsleitung übernahm Caprivi36. Unterdessen hatte Balmaceda, der inoffiziell von den USA unterstützt wurde, am 1. April alle chilenischen Nordhäfen für geschlossen erklärt, mit dem Ziel, die Kongresspartei wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Unter den ausländischen Salpeterhändlern sorgte das Schließungsdekret für helle Aufregung und es dauerte nicht lange, bis die britische und die deutsche Regierung offiziell dagegen protestierten. Großbritannien drohte sogar, notfalls militärisch gegen die Blockade vorzugehen, falls britische oder deutsche Handelsschiffe aufgebracht würden. Dass die Entsendung des Kreuzergeschwaders zeitlich mit dem Protest der Reichsleitung gegen die Schließung der chilenischen Nordhäfen zusammenfiel, war reiner Zufall, doch auf die chilenische Regierungspartei wirkte das wie eine Drohung. Erst als Balmaceda auch die Sperrung der südlichen Häfen ankündigte, drohte ihm der deutsche Gesandte in Santiago, Felix Freiherr von Gutschmid, offen mit der Intervention sowohl des deutschen als auch des britischen Geschwaders. Diesem Druck hielt die chilenische Regierung nicht stand, sie nahm die Schließungspläne umgehend zurück. Zwar blieb die Blockade der Nordhäfen nominell bestehen, aber sie hatte keinerlei Auswirkungen auf den Salpeterhandel. Denn die Regierungspartei verfügte nicht über die militärischen Mittel, um sie effektiv durchzusetzen. Für Balmaceda war die fehlgeschlagene Blockadepolitik ein politisches Desaster, das seinen Niedergang beschleunigte37. Als Valois den Befehl zum beschleunigten Auslaufen nach Chile erhielt, war das Kreuzergeschwader nicht in der Lage, dieses sofort auszuführen. Auf allen drei Schiffen mussten erst noch größere Reparaturen und Ausbesserungen vor allem an den Maschinen vorgenommen werden. Das machte einen längeren Aufenthalt in Yokohama notwendig und verzögerte den Reisebeginn schließlich um mehr als drei Wochen bis zum 3. Mai38, was Caprivi »vom politischen Standpunkt [...] nur 35

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Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 39-43; Robolsky, Kaiser Wilhelm II. und seine Leute, S. 215-219. Zu den Marineetatsverhandlungen 1890/91 siehe: Brézet, Le plan Tirpitz, vol. 1, S. 37 f.; Hallmann, Der Weg zum deutschen Schlachtflottenbau, S. 69-78. Caprivi an Hollmann, 23.4.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 112. Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 44 f. Wenige Tage nach dem Abgang der Schiffe von Yokohama erhob Goltz gegen den Geschwaderchef den Vorwurf, dass der verlängerte Aufenthalt in Japan in unmittelbarem Zusammenhang mit einem dortigen Besuch von dessen Ehefrau gestanden hätte. Diese hatte Anfang 1891 eine private Reise nach Ostasien unternommen, was im Vorfeld auch dem OKM angezeigt wurde, und war mit ihrem Mann zunächst im Februar/März in Hongkong und dann im April in Yokohama zusammengetroffen. Valois wies Goltz’ Vorwurf vehement zurück und wehrte sich erfolgreich gegen »diesen Eingriff in meine Privatverhältnisse, diesen versteckten Angriff auf meine Ehre als Offizier«. Zitat aus: Valois an Senden-Bibran, 12.6.1891, BArch, N 160/3, Bl. 31-36, hier Bl. 31. Vgl. ebd., Bl. 31-36; Valois an Senden-Bibran, 30.4.1891, ebd., Bl. 9-20; Valois an Senden-Bibran, 21.9.1891, ebd., Bl. 37-42, hier Bl. 37 f. Der amtliche Beschwerdevorgang ist dokumentiert in: BArch, RM 2/938, Bl. 1-10. Wiechmanns Darstellung, wonach das Kreuzergeschwader aufgrund von Querelen im Reichstag erst Anfang Mai nach Chile habe geschickt werden können, ist falsch. Vgl. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 131. Böhm geht auf die langwierigen Instandsetzungsarbeiten an den Schiffen nicht ein und erweckt dadurch den fälschlichen Eindruck, das Kreuzergeschwader sei aus handelspolitischem Interesse bis zum 3. Mai

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lebhaft bedauern«39 konnte. Obwohl Valois seit Monaten immer wieder von teils erheblichen Materialmängeln berichtetet hatte, wunderte sich die Marineführung über den »bedauerlichen Zusammenbruch des ihm unterstellten Geschwaders«40 zu diesem ungünstigen Zeitpunkt. Offenbar hatten Goltz und Hollmann die Materialprobleme unterschätzt – oder schlichtweg ignoriert. Auch bei der Überfahrt gab es Probleme, die zu weiteren Verzögerungen führten. Die »eigenthümlichen Windverhältnisse«41 im Stillen Ozean zwangen die Schiffe, die Reise überwiegend unter Dampf durchzuführen. Für die »Leipzig« allerdings war dies nicht möglich, denn sie hatte einen »unverhältnismäßigen Kohlenverbrauch«42. Deshalb war Valois gezwungen, »besondere Maßnahmen«43 zu treffen: Er ließ das Flaggschiff den Großteil der Strecke – mehr als 1200 Seemeilen – von der »Sophie« und der »Alexandrine« schleppen. Den dadurch verursachten Zeitverlust bezifferte er auf mindestens zehn Tage. »Meine Herren, das war ein trauriger Kriegszug«, wetterte Hollmann einige Jahre später im Reichstag, als er um Kreuzerneubauten kämpfte, »und ich glaube auch nicht, daß er dem Ansehen des Deutschen Reichs entsprach. Schiffer, welche diesem Schleppzug begegneten, werden wohl innerlich gelacht und gesagt haben: die guten Deutschen, mit solchen Schiffen wollen sie noch Krieg führen44!« Valois sah das genauso. Noch auf dem Transit nach San Francisco schrieb er deshalb einen Privatbrief an Senden-Bibran, in dem er nachdrücklich dafür plädierte, die »Leipzig« durch ein anderes Schiff zu ersetzen. Neben dem hohen Kohlenverbrauch, der ihren Aktionsradius im Kriegsfall auf küstennahe Einsätze beschränkte, bemängelte er auch die »ungenügende Armierung«45 der alten Kreuzerfregatte. »Wie wenig sich also [die] Leipzig zum Flaggschiff eines Kreuzer-Geschwaders in Kriegszeiten eignet«, schlussfolgerte er, »dürfte hieraus zu ersehen sein«46. Valois’ Kritik jedoch blieb seinerzeit ohne Widerhall, die Bedürfnisse des Kreuzergeschwaders hatten aus Sicht der Reichsleitung keinerlei Priorität47.

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in Yokohama verblieben. Vgl. Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 41, 43; ebenso falsch: Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 206. Caprivi an Hollmann, 27.4.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 119. Auch die handelspolitischen Interessen Deutschlands in Japan litten darunter. Der schlechte Zustand der Schiffe war keine gute Werbung für deutsche Rüstungsgüter. Jedenfalls blieben die erhofften großen, lukrativen Rüstungsaufträge aus. Vgl. Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 41. Goltz an Hollmann, 30.4.1891, BArch, RM 3/3166, Bl. 9. Valois an Goltz, 7.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 12 f., hier Bl. 12. Ebd. Ebd. Hollmann, 1.3.1895. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 139, S. 1181. Valois an Senden-Bibran, 21.5.1891, BArch, N 160/3, Bl. 21-30, hier Bl. 23. Ebd., Bl. 26. Zum gleichen Resümee kam zwei Jahre später auch Kapitän zur See Hornung, der letzte Kommandant der »Leipzig«. Vgl. Schiffsbericht S.M.S. »Leipzig« vom 6. April 1892 bis 2. Juni 1893, Teil A: Militärischer Teil, verfasst von Kapitän zur See Hornung, 2.6.1893, BArch, RM 3/3086, Bl. 52-57. Valois an Goltz, 5.6.1891, RM 3/3086, Bl. 12 f.; Valois an Goltz, 7.4.1891, BArch, RM 3/3152, Bl. 130 f.; Hollmann an Goltz, 26.4.1891, BArch, RM 3/3166, Bl. 8; Goltz an Hollmann, 30.4.1891, ebd., Bl. 9; Valois an Goltz (mit Anlagen), 13.6.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 47-60; Valois an

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Nach dem Eintreffen in San Francisco am 5. Juni erhielt Valois genauere Instruktionen für den bevorstehenden Einsatz auf der Westamerikanischen Station: Das Kreuzergeschwader sollte so schnell wie möglich »zum Schutz der deutschen Interessen nach der Küste von Chile gehen«48, und zwar über Panama und Callao zunächst nach Valparaiso, das fest in Händen der Regierungspartei war. Zusätzliche Hafenaufenthalte zur Kohlenaufnahme waren, sofern notwendig, erlaubt49. Während des Einsatzes an der chilenischen Küste sollte sich das Geschwader vor Ort mit Kohlen versorgen, was Valois sehr kritisch sah, aber dann in der Praxis kein Problem darstellte. Auf dem Transit ins Zielgebiet hatte sich der Geschwaderchef bei den Zwischenstopps »so gut als möglich über den Stand der Dinge in Chile zu orientieren«50. Sollte eines der Schiffe unterwegs marschuntauglich werden, war Valois angehalten, dieses gegebenenfalls nach telegrafischer Rücksprache mit dem OKM an Ort und Stelle zurückzulassen und mit den restlichen beiden Schiffen weiterzufahren. Bei der Ankunft in Valparaiso schließlich sollte er unverzüglich Verbindung mit dem deutschen Gesandten aufnehmen und dessen Requisitionen nachkommen51. Valois hatte bei dem bevorstehenden Einsatz strikte Neutralität zu wahren. Im Umgang mit den Behörden der Kongresspartei galt für ihn die gleiche Faustregel wie für die deutschen Konsuln in den von den Aufständischen besetzten Gebieten, nämlich »einen offiziösen Verkehr mit den lokalen Machthabern zu unterhalten, dabei aber thunlichst den schriftlichen Weg [...] [und] jeden Akt zu vermeiden, welcher eine Anerkennung an sich schließen würde, so lange er nicht etwa dazu von uns [dem Auswärtigen Amt – H.H.] ermächtigt worden ist«52. Anders als etwa die britische und die US-Regierung ergriff die Reichsleitung für keine der beiden Bürgerkriegsfraktionen Partei, weder offen noch verdeckt. Valois war persönlich der Regierungspartei zugeneigt, was in Anbetracht seiner Funktion, seiner relativen Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse und seiner Sozialisation nicht verwunderlich ist53. Er war »mit der Ueberzeugung nach Chile gekommen, daß es sich bei dem gegenwärtigen Konflikt um eine einfache Rebellion handele, welche streng zu verurteilen sei«54. Deshalb erteilte Valois auf dem Transit nach Valparaiso präventiv Anweisungen für ein mögliches Gefecht mit der chilenischen Marine, auch wenn diese nach dem Verständnis der meisten Deutschen vor Ort auf der »richtigen«

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Goltz, 2.5.1891, BArch, RM 38/11, Bl. 131-135; Valois an Goltz, 7.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 12 f.; Valois an Senden-Bibran, 30.4.1891, BArch, N 160/3, Bl. 9-20, hier Bl. 14. Goltz an Valois (Segelordre), 19.5.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 8 f., hier Bl. 8. Tatsächlich fuhr Valois aus praktischen Gründen über Acapulco und Callao, wo er beiderorts die Kohlenbestände auffüllen ließ, nach Valparaiso. Vgl. Valois an Goltz, 1.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 58-62. Goltz an Valois (Segelordre), 19.5.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 8 f., hier Bl. 8. Ebd., Bl. 8 f.; Caprivi an Hollmann, 16.5.1891, BArch, RM 3/3166, Bl. 10 f. Marschall an Gutschmid, 1.6.1891, PAAA, R 16622 (ohne Paginierung). In seinen Berichten an die Admiralität kommt Valois’ Sympathie für die Regierungspartei und seine Abneigung gegen die Rebellen deutlich zum Ausdruck, was auch einige der nachfolgend im Text angeführten Zitate verdeutlichen. Siehe außerdem: Valois an Senden-Bibran, 21.9.1891, BArch, N 160/3, Bl. 40 f. Zur Sozialisation von Offizieren der Kaiserlichen Marine allgemein siehe: Scheerer, Die Marineoffiziere der Kaiserlichen Marine, S. 36-210. Gutschmid an Caprivi, 18.7.1891, PAAA, R 16625 (ohne Paginierung).

III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

195

Seite stand. In seinen Betrachtungen über den Chilenischen Bürgerkrieg, die er Ende 1891 für das OKM verfasste und einige Monate später in der MarineRundschau veröffentlichte, äußerte er scharfe Kritik am illoyalen Verhalten der chilenischen Marine gegenüber Balmaceda, das die Unruhen überhaupt erst ausgelöst habe: »Es scheint daher ganz zweifellos, daß ohne die Theilnahme der Flotte, wenigstens damals, der Erhebung des Kongresses gegen den Präsidenten jede Grundlage gefehlt hätte, da im Lande selbst, weder bei der Bevölkerung, noch bei der Armee, die Bewegung irgend welche Unterstützung gefunden hätte55.« Gerhard Wiechmann meint, das Kreuzergeschwader sei für den Einsatz in Chile sehr schlecht vorbereitet gewesen56. Tatsächlich war es überhaupt nicht darauf vorbereitet, ja nicht einmal dafür geeignet. In ihrem desolaten Zustand waren die ohnehin veralteten Schiffe nur noch für drittklassige Flottendemonstrationen oder Strafexpeditionen gegen schlecht ausgerüstete indigene Völker in überseeischen Gebieten zu gebrauchen, nicht jedoch für ernstzunehmende militärische Interventionen gegen Staaten oder Aufständische, die über eine noch so kleine, aber relativ moderne Seestreitmacht verfügten. Auch wenn die chilenische Flotte nicht im besten Zustand war, so bestand kein Zweifel an ihrer militärischen Überlegenheit57. Geradezu lächerlich erscheint vor diesem Hintergrund die euphorische Begrüßung des Kreuzergeschwaders durch Gutschmid am 9. Juli in Valparaiso:

»Ich beeile mich, Euer Hochwohlgeboren in den chilenischen Gewässern herzlich willkommen zu heißen und meine Freude darüber Ausdruck zu geben, daß unsere Kriegsflagge nunmehr neben der Englischen, Französischen und Nordamerikanischen hier in so würdiger und imposanter Weise vertreten sein wird58.«

Anders als Gutschmid war Valois zu dieser Zeit noch nicht mit der wilhelminischen Selbstüberschätzung und Großmannssucht infiziert. Seine Lageanalyse fiel nüchtern und realistisch aus, ebenso seine Einschätzung der eigenen militärischen Stärke und Möglichkeiten. Davon zeugen seine Gefechtsanweisungen, die ein katastrophales Bild vom Zustand und der Schlagkraft des Kreuzergeschwaders zeichnen:

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Valois, Der Bürgerkrieg in Chile, 6, S. 248; siehe auch: Viktor Valois, Der Bürgerkrieg in Chile (mit Dokumentenanhang), enthalten in: BArch, RM 38/24, Bl. 122-179, hier Bl. 131. Inhaltlich weicht Valois’ Beitrag in der Marine-Rundschau nicht von seinem internen Bericht für das OKM ab. Siehe außerdem: Valois an Senden-Bibran, 21.9.1891, BArch, N 160/3, Bl. 40 f. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 135. Siehe u.a.: Caprivi, 13.3.1891. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 116, S. 2026. Insgesamt verfügte die chilenische Marine über 23 Kriegsschiffe, darunter auch zwei Panzerschiffe, von denen jedoch eines im April 1891 versenkt wurde. Bis auf die Besatzungen zweier Torpedoboote und eines nach Kriegsausbruch armierten Transportschiffes paktierte die gesamte Flotte mit der Kongresspartei. Vgl. Goltz an Hollmann, 18.2.1891, BArch, RM 3/2993, Bl. 3-8, hier Bl. 3 ff.; Voigts-Rhetz an Caprivi, 19.5.1891, BArch, RM 3/24, Bl. 52 f.; Promemoria des OKM betreffend den Brief des Kommandanten der »Almirante Lynch« an einen englischen Offizier über die Versenkung des Panzerschiffes »Blanco Encalada«, 16.10.1891, BArch, RM 4/4, Bl. 258-265; Blakemore, British Nitrates, S. 192, Anm. 4. Gutschmid an Valois, 9.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 53 f., hier Bl. 53. Die Auslandsdeutschen in Valparaiso reagierten ähnlich überschwänglich auf das Erscheinen des Kreuzergeschwaders. Vgl. Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile, S. 133 f.

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»Die veraltete Bauart unserer Schiffe schreibt uns beim Zusammentreffen mit Schiffen neuerer Konstruktion den Nahkampf vor. Unsere Schiffe werden in jeder Entfernung von den feindlichen Geschossen durchschlagen, wir müssen um dasselbe beim Feinde zu erreichen die Entfernungen möglichst schnell verringern, um zugleich auch mit Torpedos in’s Gefecht eingreifen zu können. Sofern der Feind den Kampf annimmt, gedenke ich in 3-400 Metern Abstand zu passieren [...] Beim Passieren auf kurze Entfernung darf kein Geschütz, selbst im dichtesten Pulverdampf, sein Feuer zurückhalten, – durch dunkle Umrisse, selbst durch das Gehör oder das feindliche Feuer wird die Lage des Feindes errathen werden können [...] Bei dem Mangel an Schnellfeuer-Gewehren, ist der schnellste und ausgiebigste Gebrauch unserer Revolverkanonen von größter Wichtigkeit. Dieselben müssen den Feind unausgesetzt unter Feuer halten und vorzugsweise die Kommando-Elemente und leichten Deckarmierungen zum Ziel wählen. Die unausgesetzte Munitions-Erneuerung, ist daher besonders in’s Auge zu fassen. Von der richtigen Verwendung der Torpedos erwarte ich das Höchste59.«

Um gar nicht erst in eine brenzlige oder bedrohliche Lage zu kommen, befahl Valois den ihm unterstellten Schiffskommandanten schließlich, jeden Verkehr mit den chilenischen Kriegsschiffen, »sofern dies nicht in unserem Interesse geboten erscheint«60, zu vermeiden. Doch schon bei der Ankunft in Valparaiso, das von Balmacedas Partei kontrolliert wurde, kam es zu einer ersten, ungewollten Begegnung mit der »augenscheinlich auf einer Unternehmung befindliche[n] Insurgentenflotte«61. Beim Einlaufen in die Hafenbucht musste das Kreuzergeschwader diese dicht passieren, weshalb Valois »Klarschiff zum Gefecht« machen ließ. Dabei handelte es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme gemäß Paragraf 87 der Instruktion für Schiffskommandanten62, wie Valois in einem amtlichen Bericht an das OKM betonte63. Anfang Juli, etwa eine Woche vor dem Eintreffen im Zielgebiet, hatte der Geschwaderchef beim Zwischenstopp in Callao erstmals umfassendere Informationen zur Lage in Chile vom deutschen Ministerresidenten Zembsch erhalten. Von ihm erfuhr er auch die Anzahl der bereits in den chilenischen Gewässern operierenden ausländischen Kriegsschiffe: neun britische, vier amerikanische und zwei französische. Allerdings waren die Informationen nicht auf dem neuesten Stand, weil sowohl der telegrafische als auch der postalische Verkehr mit den von der Kongresspartei kontrollierten Häfen unterbrochen war. Deshalb erfuhr Valois nicht, welche Partei die besseren Aussichten auf Erfolg hatte. Als das Kreuzerge59 60 61 62

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Valois an Rötger, 24.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 22-26, hier Bl. 22-25; siehe dazu auch: Valois an Senden-Bibran, 21.5.1891, BArch, N 160/3, Bl. 21-30, hier Bl. 23-26. Valois an Rötger, Frantzius und Kirchhoff, 22.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 20 f., hier Bl. 20. Valois an Goltz, 13.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 63-68, hier Bl. 64. Hier der Paragraf im Wortlaut: »In Kriegszeiten oder wenn ein auswärts befindliches Schiff lange ohne Nachricht über politische Zustände gewesen ist, hat der Kommandant bei Annäherung an ein fremdes Fort, ein fremdes Kriegs- oder ein sonst verdächtiges Schiff sein Schiff gefechtsbereit zu machen, dabei aber jedes äußerliche Zeichen dieser Bereitschaft aufs Sorgfältigste zu verbergen«. Zitat aus: Instruktion für den Kommandanten eines von S.M. Schiffen oder Fahrzeugen, 28.9.1872, zit. in: Bütow, Die Kaiserlich Deutsche Marine, T. II, Abt. 4, S. 1-50, hier S. 27, § 87. Valois an Rötger, Frantzius und Kirchhoff, 22.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 20 f.; Valois an Rötger, 24.6.1891, ebd., Bl. 22-26; Valois an Rötger, Frantzius und Kirchhoff, 3.7.1891, ebd., Bl. 43 f.; Valois an Goltz, 13.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 63-68; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 161; Valois, Der Bürgerkrieg in Chile, 6, S. 243-250; Wiechmann, Die preußischdeutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 137 f.

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schwader am 9. Juli in der Bucht von Valparaiso ankerte, lag der Bürgerkrieg, der »mehr eine soziale als eine politische Revolution«64 war, bereits in den letzten Zügen. Die Kongresspartei kontrollierte seit einigen Monaten sämtliche Nordprovinzen und damit die Salpetergruben sowie die wichtigsten Ausfuhrhäfen des Landes. Unter Anleitung des deutschen Instruktionsoffiziers Emil Koerner65, dessen Rolle Valois später als kriegsentscheidend bewertete, formierte sie gerade eine kleine, aber schlagkräftige Armee66 – was Zembsch noch gar nicht wusste. Balmacedas Handlungsspielraum dagegen war bereits stark eingeschränkt. Seine Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung der »Insurgenten« verpufften fast wirkungslos, so etwa die Blockade der nördlichen Häfen, zu deren Durchsetzung ihm die nötigen Seestreitkräfte fehlten und die er schließlich sogar auf Druck der am Salpeterhandel beteiligten ausländischen Mächte, allen voran Großbritannien und Deutschland, wieder hatte aufheben müssen. Zwar verfügte er über eine etwa 35 000 Mann starke Armee, aber es gelang ihm nicht, diese effizient zur Bekämpfung der gegnerischen Partei einzusetzen. Eine akute Gefährdung der deutschen Interessen, die bis zur Ankunft des Kreuzergeschwaders von der Royal Navy wahrgenommen worden waren, gab es nicht. Der Kommandant des ebenfalls vor Valparaiso ankernden britischen Kreuzers »Champion« berichtete Valois, dass es schon lange keine Übergriffe mehr gegen ausländisches Eigentum gegeben habe, »sondern daß jede Parthei sich bemühe, Zwistigkeiten mit anderen Nationen zu vermeiden«67. Das waren beruhigende Nachrichten. Da es für das Kreuzergeschwader vorerst offensichtlich nichts zu tun gab, beurlaubte Valois schließlich mit Zustimmung des deutschen Konsuls am Ort die Besatzungen seiner Schiffe ab dem 15. Juli täglich bis fünf Uhr nachmittags68. Während die Mannschaften ihren ersten Urlaubstag genossen, trafen Valois und 15 seiner Offiziere mit dem deutschen Gesandten Gutschmid und Präsident Balmaceda in Santiago zusammen. Dieses Treffen fand in einer freundlichen Atmosphäre statt. Valois versicherte Balmaceda, »daß die Entsendung des [deutschen] Geschwaders nur die gegenseitigen guten Beziehungen beider Regierungen befestigen sollte, während der Präsident seine Anerkennung über die Deutschen [sic] Colonisten und deutsches Wesen im Allgemeinen ausdrückte. Besonders erwähnte er [Balmaceda] der Krupp’schen Geschütze, die hier bei einem

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Zembsch an Valois, 30.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 35-40, hier Bl. 38. Siehe dazu auch: Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 38. Zu Koerners Tätigkeit als Instruktionsoffizier für die chilenische Armee vor dem Bürgerkrieg siehe: Schaefer, Deutsche Militärhilfe an Südamerika, S. 21-25. Siehe dazu u.a.: Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile, S. 67-78; Schaefer, Deutsche Militärhilfe an Südamerika, S. 25 f.; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 128. Valois an Goltz, 13.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 63-68, hier Bl. 68. Zembsch an Valois, 30.6.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 35-40; Valois an Goltz, 1.7.1891, ebd., Bl. 58-62, hier Bl. 61 f.; Valois an das deutsche Konsulat in Valparaiso, 13.7.1891, ebd., Bl. 69 f.; Deutsches Konsulat in Valparaiso an Valois, 14.7.1891, ebd., Bl. 71 f.; Valois an Senden-Bibran, 21.9.1891, BArch, N 160/3, Bl. 37-42, hier Bl. 38 f.; Valois, Der Bürgerkrieg in Chile, 6, S. 243-260, 7, S. 285-291.

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Concurrenz-Schießen ihre Ueberlegenheit in glänzender Weise gezeigt und durchweg zur Einführung kommen würden69.«

Solches hörte Valois gern – ganz im Gegenteil zu dem, was er von seinen deutschen Landsleuten vor Ort zu hören bekam. Diese standen klar auf Seiten der Opposition, ebenso wie ein Großteil des chilenischen Bürgertums und der ausländischen Diplomaten, und machten daraus auch kein Hehl, »so daß ich [Valois] mehrfach Veranlassung gefunden habe denselben dringend von jeder Kundgebung gegen die Regierung abzurathen«70. Wiechmann schließt aus dieser Haltung zu Recht, dass es Valois »um die Neutralität seines Geschwaders im Bürgerkrieg ernst war«71. Gleichzeitig jedoch war der Geschwaderchef auch tief besorgt, wegen der Parteinahme seiner Landsleute in eine politisch und militärisch brisante Lage zu geraten. Er war sich seiner schwachen Position sehr bewusst: Was hätten seine Kriegsschiffe und Marinesoldaten, die nicht einmal der Kongressflotte etwas entgegenzusetzen hatten, im Kriegsfall gegen die mehrere Zehntausend Mann starke chilenische Armee ausrichten können? Durch seine Haltung unterstützte Valois zwar letztlich mittelbar die Regierung, die ihm zweifelsfrei näher stand als die Opposition72, zu einer offenen Parteinahme ließ er sich jedoch zu keiner Zeit hinreißen. Im Gegensatz zum deutschen Gesandten, der unverhohlen mit der Kongresspartei sympathisierte, verhielt sich der Geschwaderchef genau so, wie es die Reichsleitung von ihm verlangte: politisch neutral73. Ende Juli besuchten die Schiffe des Kreuzergeschwaders einige Häfen im nördlichen Chile, um sich dort Informationen über die Lage und die tatsächliche militärische Stärke der Kongresspartei zu beschaffen. Auf dieser Reise wurden auch die Proviant- und Kohlenvorräte ergänzt sowie einige Besatzungsmitglieder ausgetauscht. Bei den Hafenaufenthalten waren britische Staatsbürger und Interessen, wie Valois ausdrücklich befahl, »ebenso wie die unsrigen zu behandeln«74. Als Informanten dienten Valois die Kommandanten der in den jeweiligen Häfen stationierten amerikanischen und britischen Schiffe, britische Konsuln oder deutsche Diplomaten und Kaufleute. In der Rebellenhochburg Iquique75 traf der Geschwaderchef am 3. August mit dem Befehlshaber der chilenischen Marine, Captain Valenzuela Day, zusammen. Ein Treffen mit den politischen Führern der Opposition kam nicht zustande, war auch von beiden Seiten nicht erwünscht. Im Gespräch 69

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74 75

Valois an Goltz, 22.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 83-89, hier Bl. 85 f. Der chilenische Staat zählte seit Ende der 1870er Jahre zu den wichtigsten Kunden der Firma Krupp in Südamerika. Vgl. Schaefer, Deutsche Militärhilfe an Südamerika, S. 33-37. Ebd., Bl. 87. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 135. Siehe dazu Kap. III, Anm. 53. Gutschmid an Caprivi, 17.7.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 41 f.; Valois an Goltz, 22.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 83-89; Marschall an Goltz, 1.6.1891, ebd., Bl. 101 f.; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 133-136. Valois an Frantzius, 31.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 99 f., hier Bl. 100; ebenso in: Valois an Kirchhoff, 3.8.1891, ebd., Bl. 104 f., hier Bl. 104. Das OKM hatte sich gegen das Anlaufen der Rebellenhochburg Iquique ausgesprochen, aber der entsprechende telegrafische Befehl erreichte Valois zu spät. Vgl. Goltz an Valois, 15.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 120.

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Entscheidungsfeldzug im Chilenischen Bürgerkrieg 1891 PERU

Kreuzergeschwader in Valparaiso vor Anker Konteradmiral Valois Flaggschiff SMS Leipzig

BOLIVIEN

PA Z I F I S C H E R OZEAN Iquique

Puchuncavi Kreuzerfregatte SMS Leipzig

Bucht von Quintero Chillicauquen Antofagasta Kreuzerkorvette SMS Alexandrine

CHILE (nördlicher Teil)

Puerto Viejo

Ramirez Kreuzerkorvette SMS Sophie Boco Dumuño Raulen

Concon Bajo

Colmo

Quillota

ARGENTINIEN Manzanar Concon Medio Fuerte Sirena Valparaiso

Concon Alto SANTIAGO

San Isidro Tavolango

Schlacht von Concon 21.8.1891 El Rincon

Bucht von Va l p a r a i s o KAdm Valois

Viña del Mar

28.8.1891

Olmué

Limache Valparaiso

Salto

Quilpué

MargaMarga

Quebrada Verde LliuLliu

Schlacht von La Placilla 26./27.8.1891

Quillayes

Placilla

Eisenbahnlinie Straßen Las Cadenas 0

2

4

6

8

Positionen der Regierungstruppen

10 km Las Palmas

Quellen: Bürger, Chile; Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile.

Marschwege und Angriffe der Kongresstruppen Kapitulation der Regierung

© MGFA

06685-04

200

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mahnte Valois Day »im Interesse seines Landes« besonnen zu agieren und einen offenbar kurz bevorstehenden, entscheidenden Schlag gegen Balmaceda nur dann durchzuführen, »falls [sich] die Parthei ihres Erfolges sicher wäre«76. Davon jedoch war Valois keineswegs überzeugt. Im Gegenteil: Nach der Auswertung der Aufklärungsergebnisse fühlte er sich in seiner vorgefassten Meinung bestätigt, dass die Landstreitkräfte der Kongresspartei den Regierungstruppen in jeder Hinsicht unterlegen seien. An die Admiralität berichtete er: »Nach meiner Ansicht sind die Aussichten auf einen Erfolg der Opposidores daher sehr gering77.« Eine Landung der Kongresstruppen bei Valparaiso oder gar weiter südlich sei »ganz unwahrscheinlich«78 – eine krasse Fehleinschätzung, wie sich nur drei Wochen später zeigen sollte79. Im Anschluss an die Reise nach den nordchilenischen Häfen wollte Valois auch einige Hafenstädte im Süden des Landes besuchen, um dort die deutschen Interessen zu stärken, aber eine dramatische Veränderung der Lage zwang ihn kurzfristig umzudisponieren. Noch bevor sich alle Schiffe des Kreuzergeschwaders wieder im Hafen von Valparaiso versammelt hatten, passierte genau das, womit Valois nicht gerechnet hatte: Am 20. August landete das etwa 10 000 Mann starke Kongressheer rund fünfzig Kilometer nördlich von Valparaiso in der Quintero-Bucht und setzte erfolgreich zum Sturm auf die Regierungshochburg an. Balmacedas Außenminister befand sich zu diesem Zeitpunkt in Coquimbo und versuchte am 21. August, mit der »Sophie« nach Valparaiso zu gelangen, aber Korvettenkapitän Hermann Kirchhoff lehnte seine Mitnahme ab, um die befohlene Neutralität zu wahren. Tags darauf fügte das Kongressheer, nominell von Oberst Estanislao del Canto, tatsächlich vom preußischen Artillerie-Hauptmann a.D. Koerner kommandiert, den Regierungstruppen eine schwere Niederlage an den Ufern des Rio Aconcagua zu. Das war der Durchbruch, nur wenige Tage später standen die Rebellen vor den Toren Valparaisos. Bei der Ortschaft La Placilla, etwa zehn Kilometer südlich der Hafenstadt, kam es schließlich am frühen Morgen des 28. August zur Entscheidungsschlacht zwischen der chilenischen Armee und den Kongresstruppen. Das Schlachtfeld war von den Schiffen im Hafen aus gut einzusehen, es waren »theilweise sogar Truppenkörper wahrzunehmen«80. Als die Schlacht begann, entsandte Valois seinen Geschwaderarzt nach Valparaiso, der dort im Verein mit vielen deutschen und anderen ausländischen Kolonisten den ganzen Tag über in einem Krankenhaus die vom Schlachtfeld eintreffenden verwundeten Offiziere und Mannschaften der Regierungstruppen zu verbinden half. Dabei handelte es 76 77 78 79

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Zitate aus: Valois an Goltz, 4.8.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 112-116, hier Bl. 114. Ebd. Valois an Gutschmid, 15.8.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 126. Siehe auch: Valois an Goltz, 4.8.1891, ebd., Bl. 112-116, hier Bl. 113 f.; Valois an Gutschmid, 9.8.1891, ebd., Bl. 122 ff., hier Bl. 123. Valois an Gutschmid, 26.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 92 f.; Valois an Gutschmid, 29.7.1891, ebd., Bl. 95; Valois an Goltz, 29.7.1891, ebd., Bl. 96 ff.; Valois an Goltz, 4.8.1891, ebd., Bl. 112-116; Frantzius an Valois, 3.8.1891, ebd., Bl. 117 f.; Valois an Gutschmid, 9.8.1891, ebd., Bl. 122 ff.; Valois an Goltz (mit Anlagen), 16.8.1891, ebd., Bl. 127-133; Valois an Goltz, 16.8.1891, ebd., Bl. 137-149. Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 211.

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sich keinesfalls um einen Bruch der Neutralität, sondern ausschließlich um eine humanitäre Hilfeleistung. Auch nach dem Fall von Valparaiso stellte Valois, ebenso wie der amerikanische Geschwaderchef, weiterhin medizinisches Personal von seinen Schiffen zur Versorgung der Verwundeten beider Parteien in den städtischen Krankenhäusern zur Verfügung81. Als die Niederlage der Regierungstruppen abzusehen war, befahl Valois dem Landungskorps, sich einsatzbereit zu machen, und begab sich selbst an Land82. Gegen 11 Uhr bat ihn der Stadtkommandant, Vizeadmiral Oscar Viel, um eine Unterredung, in der er Valois im Beisein des örtlichen deutschen Konsuls Albrecht von Voigts-Rhetz knapp seine desolate Lage erläuterte und ihn um Vermittlung bei den Kapitulationsverhandlungen mit der Kongresspartei ersuchte: »Wir sind total geschlagen, kein Widerstand mehr möglich. Ich kann nicht mehr für Ruhe und Sicherheit stehen, landen Sie ihre Truppen. Ich bitte Sie, mit der Opposition zu verhandeln um die Stadt zu übergeben, damit es nicht zum Straßenkampfe kommt83.«

Valois handelt unverzüglich, umsichtig und konsequent: Er forderte Viel auf, überall in der Stadt weiße Fahnen aufstellen zu lassen und einen Parlamentär zu den Kongresstruppen zu entsenden. Seinem 300 Mann starken Landungskorps signalisierte er den Befehl, sich auszuschiffen. Anschließend versammelte er alle befehlshabenden Offiziere der im Hafen befindlichen amerikanischen, britischen und französischen Schiffe in der Intendantur84. Valois legte großen Wert darauf, »in Gemeinschaft mit den anderen Nationen zu handeln«, weil er sich »besonders dadurch eine Beruhigung der aufgeregten Stadtbevölkerung zu erwirken hoffte«85. Zu ihrem Sprecher bestimmte die internationale Verhandlungskommission den dienstältesten Offizier, den französischen Admiral Emile Parrayon. Deutsche und britische Marinetruppen besetzten kurz darauf gemeinsam – unter deutschem Oberbefehl – die beiden Anhöhen Cerro Alegre und Cerro Concepción, um die dortigen europäischen Anwohner und deren Eigentum vor Übergriffen zu schützen. Ein Großteil der deutschen Gemeinde von Valparaiso wohnte auf dem Cerro Alegre und hatte dort schon einige Tage zuvor »in unauffälliger Weise«86 einen eigenen 81

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Valois an Gutschmid, 26.7.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 92 f.; Valois an Gutschmid, 19.8.1891, ebd., Bl. 153 ff.; Voigts-Rhetz an Valois, 20.8.1891, ebd., Bl. 156; Kirchhoff an Valois, 21.8.1891, ebd., Bl. 158 f.; Valois an Goltz, 20.8.1891, ebd., Bl. 163-168; Valois an Goltz, 25.9.1891, ebd., Bl. 315 ff.; Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile, S. 96-132, 144-149; Die Schlachten bei Concon und La Placilla; Valois, Der Bürgerkrieg in Chile, 7, S. 285-295. Die ersten Vorbereitungen für den nun kurz bevorstehenden Einsatz des Landungskorps hatte Valois unmittelbar nach der Niederlage der Regierungstruppen am Rio Aconcagua treffen lassen. Vgl. Auszug aus dem Tagesbefehl für das Kreuzergeschwader vom 22.8.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 182 f. Oscar Viel, zit. nach: Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 211. Wiechmann verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff »neutrale Seemächte«. Diese Formulierung ist problematisch. Zwar verhielten sich die in Valparaiso stationierten Kriegsschiffe neutral, griffen also nicht aktiv in die Kämpfe um die Stadt ein, aber die Amerikaner unterstützten seit geraumer Zeit inoffiziell Balmaceda, während die Briten, ebenfalls inoffiziell, die Kongresspartei unterstützten. Vgl. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 131. Zitate aus: Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 211. Valois an Goltz, 20.8.1891, ebd., Bl. 163-168, hier Bl. 166.

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Sicherheitsdienst eingerichtet. Auch die Amerikaner landeten Truppen, schützten aber nur ihr eigenes Konsulat, während das französische Landungskorps gar nicht zum Einsatz kam. Weil zahlreiche aufgeregte Menschen nach dem Platz vor der Intendantur strömten, ließ Viel ihn von »auserlesenen Mannschaften«87 regierungstreuer Polizei- und Marineeinheiten besetzen und sämtliche Zufahrtswege mit Mitrailleusen (Gatling-Kanonen) blockieren. Die Vertreter der ausländischen Seemächte suchten ihrerseits durch demonstrative Präsenz auf dem Platz und in den darauf mündenden Straßen die Bevölkerung zu beruhigen, was ihnen auch gelang88. Als vom Balkon der Intendantur »in kopfloser Aufregung«89 der Befehl erteilt wurde, auf die Menge zu schießen, stellten sich die ausländischen Offiziere und ihre Adjudanten vor die feuerbereiten Geschütze und Soldaten und verhinderten dadurch ein Massaker an der Zivilbevölkerung90. Am frühen Nachmittag überschlugen sich plötzlich die Ereignisse: Zunächst erschienen zwei Parlamentäre der Opposition und forderten die bedingungslose Übergabe der Stadt um 16 Uhr. Noch während die Verhandlungen liefen, erschienen zwei weitere Parlamentäre der Kongresspartei, dicht gefolgt von – wie Valois sich ausdrückte – »feindliche[n] Kavallerietruppen«91 und Infanterie. Valois fasste das als »Wortbrüchigkeit der Opposition«92 auf, vermutete aber, dass die beiden ersten Parlamenäre von diesem Vorgang keinerlei Kenntnis hatten. Angesichts der prekären Lage flohen Viel und einige seiner Offiziere, die sich zu Beratungen zurückgezogen hatten, ohne die Verhandlungskommission zu benachrichtigen, mit Revolvern in der Hand auf die »Leipzig«. Unterdessen ritten ein Minister der Opposition und Koerner unter ohrenbetäubendem Viva-Geschrei auf den Platz vor der Intendantur, der bereits widerstandslos von den Kongresstruppen besetzt worden war. »Damit war jede Verhandlung überflüssig geworden«, konstatierte Valois in seinem Bericht an den Kommandierenden Admiral, »alle Bestreben konnten nur [noch] darauf gerichtet sein, die aufgeregte Menge vor Ausschreitungen zu bewahren93.« Dies gelang, weil die Bevölkerung und selbst große Teile der Regierungstruppen mit den Rebellen fraternisierten. Nur für einen kurzen Moment drohte die Lage zu kippen: Noch während die letzten Unterhandlungen zwischen der Verhandlungskommission und den Parlamentären der Opposition liefen, kam es zu einem Gefecht zwischen »dem Pöbel an der Landungsbrücke«94 (Valois) und der regierungstreuen Besatzung des Torpedobootes »Almirante Lynch«. Während 87 88

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Valois an Goltz, 1.9.1891, ebd., Bl. 209-219, hier Bl. 212. Valois an Köllner, 28.8.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 184 f.; Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 210-213; Köllner an Valois, 1.9.1891, ebd., Bl. 224-227, hier Bl. 224 ff.; Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile, S. 136-141; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 131. Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 212. Wiechmanns Darstellung, dass dieser Vorgang sich erst nach dem Einmarsch der Kongresstruppen zugetragen habe, ist falsch. Vgl. Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 132. Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 213. Ebd., Bl. 212. Ebd., Bl. 215 f. Ebd., Bl. 215.

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dieses Kampfes schlugen auch einige Kugeln in die Bordwände und Oberdecks der anderen im Hafen liegenden Kriegs- und Handelsschiffe ein, ohne jedoch größeren Schaden anzurichten. Valois deeskalierte die Situation, indem er persönlich mit seinem Adjudanten und Voigts-Rhetz zum Ort des Geschehens eilte. Die Besatzung der »Almirante Lynch« floh schließlich, teils schwimmend, teils mit Booten, auf die »Leipzig«, während ihr Schiff von den Rebellen übernommen wurde95. Als Valois gegen 15.30 Uhr an Bord der »Leipzig« zurückkehrte, fand er dort zahlreiche Flüchtlinge vor, darunter dreißig hochrangige Offiziere der Regierungstruppen und den bereits am 25. Juli zum Nachfolger von Balmaceda bestimmten Claudio Vicuña. Auf die anderen beiden Schiffe des Kreuzergeschwaders waren noch etwa vierzig weitere regierungstreue Soldaten geflohen. Auch auf den amerikanischen und britischen Kriegsschiffen hatten viele Personen, darunter einige »hervorragende Persönlichkeiten«96 (Valois) der Regierung Balmacedas, Zuflucht gefunden. Nur die Franzosen hatten allen Flüchtlingen konsequent das Asyl verweigert. Während der ersten Nacht kam es in der Stadt mehrfach zu Schießereien zwischen Patrouillen der Kongresstruppen und Plünderern. An mehreren Stellen in der Stadt brach Feuer aus. Übergriffe auf das europäische Wohnviertel gab es allerdings nicht. Am nächsten Tag begannen die neuen Machthaber mit der standrechtlichen Erschießung von gefangengenommenen Offizieren der Regierungstruppen, darunter auch zwei Generale, deren entblößte Leichen anschließend auf einem offenen Karren durch die Straßen geschleppt und von der Bevölkerung beschimpft wurden. Nur zwei Tage nach der Eroberung Valparaisos hatten die Rebellen wieder Ruhe und Ordnung in der Stadt hergestellt, woraufhin die deutschen und britischen Landungsabteilungen an Bord zurückbeordert wurden. Zu diesem Zeitpunkt begab sich auch eine große Anzahl der Flüchtlinge, überwiegend einfache Soldaten und Unteroffiziere, freiwillig von Bord der ausländischen Kriegsschiffe zurück an Land. Den auf seinen Schiffen verbliebenen Offizieren und Beamten der gestürzten Regierung gewährte Valois auch weiterhin Asyl, obwohl ihn das vor einige Probleme stellte. Unter den gegebenen Umständen, sagte er Voigts-Rhetz, hätte er das Asyl »nur gemeinen Verbrechern [...] verweigern können«97. Valois behandelte die 13 Männer als politische Flüchtlinge, so dass er sie einige Tage später, nach telegrafischer Rücksprache mit dem OKM, ins peru-

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Ebd., Bl. 213-216; Frantzius an Valois, 28.8.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 176; Kirchhoff an Valois, 29.8.1891, ebd., Bl. 181; Bericht über die Vorgänge auf der Landungsbrücke von Valparaiso am 28.8.1891, 1.9.1891, ebd., Bl. 222 f.; Kunz, Der Bürgerkrieg in Chile, S. 141-143; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 131 f. Valois an Goltz, 1.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 209-219, hier Bl. 216. Zitate aus: Valois an Goltz, 4.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 234-239, hier Bl. 234. Wiechmann zitiert diesen Satz falsch und vermittelt dadurch den irrigen Eindruck, dass Valois ein ultraradikaler Gegner sämtlicher Maßnahmen der neuen Regierung in Valparaiso war: »Das Asyl wollte der Admiral den Flüchtlingen nicht verweigern, da er ›unter solchen Umständen auch gemeinen Verbrechern‹ dieses Recht nicht absprechen wollte«. Zitat aus: Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 133.

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anische Exil bringen lassen konnte98. Dadurch bewahrte er sie vor der Kriegsgefangenschaft und den Standgerichten der Rebellen99. Als das Deutsche Reich als erste Großmacht am 7. September die provisorische chilenische Regierung offiziell anerkannte100 und drei Tage später den von der »Sophie« nach Mollendo transportierten Flüchtlingen dort Asyl gewährt wurde, hatte das Kreuzergeschwader seinen Auftrag in Chile erfüllt. Allerdings hielt Gutschmid die Präsenz der Schiffe weiterhin für notwendig, weil es nach dem Sturz von Balmaceda, der am 19. September Selbstmord beging, für kurze Zeit zu starken Spannungen zwischen der neuen chilenischen Regierung und den USA kam. Bis zur Abberufung der Schiffe vergingen deshalb noch einige Wochen, in denen Valois einen Antrittsbesuch bei der neuen Regierung in Santiago absolvierte und akribisch Informationen über die aktuelle Lageentwickung sammelte, primär durch die Auswertung der regionalen Tagespresse. Ab dem 6. September vertrat das Kreuzergeschwader – nominell – auch die italienischen Interessen in Chile, weil die Reichsleitung dies vor dem Hintergrund der laufenden Handelsvertragsverhandlungen mit Italien »im politischen Interesse«101 für angezeigt erachtete. Außerdem ließ Valois in den darauffolgenden Wochen in einigen südchilenischen Häfen zum Schutz der dortigen deutschen Interessen die Flagge zeigen102. Mitte Oktober 1891 meldete Gutschmid telegrafisch nach Berlin, das Kreuzergeschwader könne nunmehr ohne Schädigung der deutschen Interessen aus Chile 98

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Siehe dazu ausführlich: Valois an Goltz, 4.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 234-239; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 132 f. Die Amerikaner agierten in der Flüchtlingsfrage in gleicher Weise. Vgl. u.a. Valois an Goltz, 4.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 234-239, hier Bl. 238; Kirchhoff an Valois, 16.9.1891, ebd., Bl. 303 f., hier Bl. 303. Valois an Gutschmid, 30.8.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 183; Kirchhoff an Valois, 31.8.1890, ebd., Bl. 184; Rötger an Valois, 1.9.1891, ebd., Bl. 185; Valois an Goltz, 1.9.1891, ebd., Bl. 209-219, hier Bl. 216-219; Köllner an Valois, 1.9.1891, ebd., Bl. 224-227, hier Bl. 226 f.; Valois an Goltz (mit Anlagen), 4.9.1891, ebd., Bl. 234-255; Valois an Kirchhoff, 5.9.1891, ebd., Bl. 258; Valois an Goltz, 20.9.1891, ebd., Bl. 301 f.; Kirchhoff an Valois, ebd., Bl. 303 f.; Gutschmid an Caprivi, 3.9.1891, PAAA, R 16626 (ohne Paginierung). Bereits unmittelbar nach der Eroberung von Valparaiso durch die Kongresspartei war Gutschmid auf seine Bitte hin von der Reichsleitung ermächtigt worden, diese als kriegführende Partei anzuerkennen und mit der Kongressregierung in amtlichen Verkehr zu treten. Vgl. Gutschmid an Marschall, 24.8.1891, PAAA, R 16625; Marschall an Gutschmid, 25.8.1891, ebd. (ohne Paginierung). Marschall an RMA, 5.9.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 32; siehe dazu: Lahme, Deutsche Außenpolitik 1890-1894, S. 227-238. Gutschmid hatte bereits am 2. August auf Bitten des italienischen Ministerresidenten in Santiago dem Kreuzergeschwader aufgetragen, zwei italienische Handelschiffe zu schützen, solange sich diese in den chilenischen Gewässern aufhielten. Über die diplomatischen Kanäle in Europa wurde einige Wochen später dann vereinbart, dass das Kreuzergeschwader bis zu dessen Abberufung aus Chile auch die dortigen italienischen Interessen mit vertreten solle. Vgl. u.a. Gutschmid an Caprivi, 28.9.1891, BArch, RM 38/24, Bl. 69. Marschall an RMA, 5.9.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 34 f.; Marschall an Hollmann, 13.10.1891, BArch, RM 3/3166, Bl. 23; Gutschmid an Valois, 8.9.1891, BArch, RM 38/23, Bl. 261; Gutschmid an Valois, 11.9.1891, ebd., Bl. 273; Valois an Kirchhoff, 25.9.1891, ebd., Bl. 309; Valois an Goltz, 23.9.1891, ebd., Bl. 310 f.; Valois an Goltz (mit Anlagen), 23.9.1891, ebd., Bl. 319-357; Valois an Goltz, 27.10.1891, BArch, RM 38/24, Bl. 33-37; Valois an Goltz, 11.12.1891, ebd., Bl. 98-102; Valois an Goltz, 8.12.1891, ebd., Bl. 118-121; Valois an Goltz, 14.1.1892, BArch, RM 38/26, Bl. 13; RMA an Marschall, 9.9.1891, PAAA, R 16625; Gutschmid an AA, 15.9.1891, ebd. (ohne Paginierung).

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abberufen werden. Das Auswärtige Amt wünschte eine baldige Anschlussverwendung in Ostafrika. Besondere Eile war nicht geboten; deshalb entschied die Marineführung, die Schiffe bis Anfang Dezember in den chilenischen Gewässern zu belassen. In dieser Zeit wurde das Geschwader mit diversen Nachschublieferungen aus der Heimat versorgt, während sich die Besatzungen von den Strapazen der vergangenen Monate erholen konnten103. Bedenkt man die Umstände, unter denen dieser politisch wie militärisch unnötige Einsatz zustande kam und mit welch schwachen militärischen Mitteln er durchgeführt wurde, dann war die Bilanz erstaunlich gut. Das ist vor allem dem umsichtigen Handeln des Geschwaderchefs, Konteradmiral Valois, zu verdanken, aber auch dem engagierten Sicherungseinsatz des Landungskorps zum Schutz der Europäer in Valparaiso. Aus Sicht der Reichsleitung stachen drei positive Effekte besonders hervor: Erstens erfolgte durch den Einsatz eine Stärkung der Caprivischen Allianzpolitik: Kurz nachdem der Chilenische Bürgerkrieg beendet war, bedankte sich die britische Regierung bei der Reichsleitung für den Einsatz des Kreuzergeschwaders, namentlich für dessen Unterstützung beim Schutz von britischen Staatsangehörigen und britischem Eigentum durch das Landungskorps während der Eroberung von Valparaiso durch die Kongresstruppen. Ausdrücklich gelobt wurde auch Konteradmiral Valois für die herzliche (»cordial«) und effiziente Zusammenarbeit mit dem britischen Befehlshaber vor Ort. Das war ein wichtiger Erfolg für die Caprivische Allianzpolitik, in deren Rahmen Großbritannien anfangs eine Schlüsselrolle spielte. Die Reichsleitung dankte nun ihrerseits der britischen Regierung für den Schutz ihrer Staatsbürger und deren Eigentums in Chile bis zum Eintreffen des Kreuzergeschwaders. Zugleich, und das war wesentlich bedeutsamer, sprach der deutsche Botschafter in London »Lord Salisbury unsere Freude darüber« aus, »daß wir auch bei dieser Gelegenheit Hand in Hand mit England haben gehen können«104. Zweitens hatte der Einsatz die Patriotisierung der Auslandsdeutschen in Chile zur Folge: Als Dank für ihr erfolgreiches Engagement während der Endphase des Bürgerkrieges schenkten die in Chile ansässigen Deutschen den Besatzungen der Schiffe des Kreuzergeschwaders – sehr zu deren Freude – mehrere Tausend Liter Bier und Wein. Die Auslandsdeutschen in Chile waren stolz darauf, dass sich »ihre« Marine und damit ihr Heimatland nachdrücklich für ihre Interessen eingesetzt hatte – ganz egal, ob dies politisch oder militärisch notwendig gewesen war. Dabei handelte es sich keineswegs um eine unbedeutende Gruppe, sondern um die zweitstärkste deutsche Auslandsgemeinde weltweit105. Aufgrund des engagierten Einsatzes des Kreuzergeschwaders in Valparaiso gründeten dort im Herbst 1896, als 103

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AA an Hollmann, 1.10.1891, BArch, RM 3/3153, Bl. 104; Marschall an Hollmann, 20.10.1891, BArch, RM 3/3166, Bl. 26; Hollmann an Goltz, 21.10.1891, ebd., Bl. 26; Goltz an Hollmann, 26.10.1891, ebd., Bl. 27 f.; Goltz an Hollmann, 28.10.1891, ebd., Bl. 33; Hollmann an Marschall, ebd., Bl. 34 f.; Goltz an Hollmann, 2.11.1891, ebd., Bl. 36 f.; Valois an Goltz, 11.12.1891, ebd., Bl. 98-102. Marschall an Hollmann, 17.11.1891, BArch, RM 3/3154, Bl. 3 f., hier Bl. 3. Jebsen, 5.3.1891. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 116, S. 1900. Die stärkste deutsche Auslandsgemeinde befand sich in den USA.

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Hollmanns Kreuzerbaupolitik in eine tiefe Krise geraten war106, einige deutsche Ansiedler einen Verein, der den Ausbau der deutschen Kreuzerflotte finanziell unterstützen sollte. Dieser Verein wurde später zum Vorbild für den Aufbau von ausländischen Flottenvereinen unter der Ägide des Hauptverbandes der Deutschen Flottenvereine im Ausland. Allerdings wurde der deutsche Flottenverein in Chile im Juni 1898, kurz nachdem sich der vorgenannte Hauptverband konstituiert hatte, wieder aufgelöst. Seine Mitglieder hatten den Ausbau der Kreuzerflotte unterstützen wollen, die ihren Interessen hätte Nachdruck verleihen können, nicht aber den Tirpitzischen Schlachtflottenbau, von dem sie sich keinerlei Vorteile versprachen. Drittens erwuchs die Begeisterung der Hamburger Kaufmannschaft für die Flottenrüstung: In Hamburg hinterließ der Einsatz des Kreuzergeschwaders einen nachhaltigen Eindruck. Erst durch seine Entsendung nach Chile und spätere Präsenz vor Ort, so die weit verbreitete Meinung, habe Balmaceda die deutschen Interessen ernst genommen und Behinderungen bei Handel und Schifffahrt beseitigt. Deshalb unterstützten die Hamburger fortan die Bemühungen des Kaisers, eine große Flotte zu schaffen, und wurden nicht müde, in diesem Zusammenhang immer wieder auf den Einsatz der Kaiserlichen Marine im Chilenischen Bürgerkrieg hinzuweisen. Auf den Ausgang des Bürgerkrieges hatte das Kreuzergeschwader keinerlei Einfluss gehabt. Dennoch profitierten nicht allein die im Salpetergeschäft engagierten Hamburger Kaufleute vom Sieg der Kongresspartei, sondern in besonderem Maße auch die deutsche Rüstungsindustrie. Das verdankte sie primär Emil Koerner, der im November 1891 vom Kongress zum Generalstabschef der chilenischen Armee ernannt wurde und in den darauffolgenden Jahren vor allem den Firmen Krupp und Loewe zahlreiche lukrative Rüstungsaufträge verschaffte107. b) Demonstrationen der Schwäche in Ostafrika und Ostasien

Der Einsatz im Chilenischen Bürgerkrieg war die letzte bedeutsame Aktion des Fliegenden Kreuzergeschwaders vor seiner Auflösung Anfang April 1893. Als der Verband am 12. Dezember die chilenischen Gewässer mit Kurs Hongkong verließ, blieb die Westamerikanische Station wieder für einige Monate unbesetzt. Erst im Frühjahr 1892 schickte das OKM die »Arcona« als neuen Stationär nach Valparaiso. Die Korvette wurde nominell dem Kreuzergeschwader unterstellt, blieb jedoch als detachiertes Schiff unter dem direkten Befehl von Goltz108. 106 107

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Siehe dazu: Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 82-102. Diverse Bescheinigungen über Bier- und Weinlieferungen an das Kreuzergeschwader, 5.-8.12.1891, BArch, RM 38/24, Bl. 93-97; Valois an Goltz, 11.12.1891, ebd., Bl. 98-102, hier Bl. 101; Marschall an Hollmann, 17.11.1891, BArch, RM 3/3154, Bl. 3 f.; Britische Botschaft in Berlin an Marschall (mit Anlage), 13.11.1891, ebd., Bl. 5 f.; Böhm, Überseehandel und Flottenbau, S. 45 f.; Schäfer, Deutsche Militärhilfe in Südamerika, S. 27-74; Wulf, Die Rolle der Flottenbewegung, Bd 1, S. 104, 117 f. Hollmann an Caprivi, 11.2.1892, BArch, RM 3/3154, Bl. 25 f.; Goltz an den Kommandanten der »Arcona« (Segelordre), 12.4.1892, BArch, RM 38/24, Bl. 203 f.

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Nachdem das Auswärtige Amt Anfang Dezember die Reiseroute für das Kreuzergeschwader festgelegt hatte, fuhren die Schiffe über Uruguay, Brasilien, die Kapkolonie, Deutsch-Ostafrika, Ceylon und Singapur nach China. Unterwegs absolvierten die Schiffskommandos ein umfangreiches Übungsprogramm und zeigten in verschiedenen Häfen die Flagge. Für die Hafenaufenthalte erhielten sie keine spezifischen Aufträge. Sie besuchten die lokalen auslandsdeutschen Gemeinden, wo sie durchweg »mit Stolz und Freude«109 empfangen wurden, knüpften Kontakte sowohl mit deutschen Diplomaten als auch mit lokalen Regierungsvertretern und sammelten zahlreiche Informationen über die aktuellen politischen, wirtschaftlichen und geografischen Verhältnisse vor Ort. In Kapstadt erhielt die »Sophie« den Befehl, nach Deutschland zurückzukehren. Als Ersatz schickte Goltz die Kreuzerkorvette »Arcona«, die allerdings nicht mit dem Verband nach Ostasien ging, sondern, wie oben bereits ausgeführt, auf die Westamerikanische Station detachiert wurde. Während die anderen Schiffe in Kapstadt instandgesetzt wurden, übergab Valois sein Kommando Ende Februar an Konteradmiral Friedrich von Pawelsz. Kurz darauf zeigte das Kreuzergeschwader gemeinsam mit den lokalen Stationären in mehreren deutsch-ostafrikanischen Häfen eine – zumindest aus deutscher Sicht – eindrucksvolle Show of Force. Der Höhepunkt war ein großangelegtes Landungsmanöver bei Daressalam im April: »Während des Besuches in Daressalam«, berichtete der Gouverneur des Schutzgebietes an Caprivi,

»wurde von dem Geschwader ein Landungsmanöver ausgeführt. Dieses, verbunden mit dem zahlreichen Besuch beurlaubter Mannschaften an Land, sowie überhaupt das Erscheinen einer so beträchtlichen Flottenmacht, wie sie bisher wohl noch nie, selbst nicht zu Zeiten des Aufstandes [1888-1890], an der Küste entfaltet worden, hat jedenfalls nicht verfehlt, auf die ganze Küstenbevölkerung einen tiefen Eindruck zu machen, dessen heilsame Folgen sich gewißlich auch bei der zurückliegenden Binnenbevölkerung geltend machen werden. Es wäre daher im höchsten Grade wünschenswerth, wenn ein derartiger Besuch sich in nicht allzu großen Zwischenräumen wiederholen lassen könnte110.«

Hintergrund dieser Machtdemonstration waren die seit etwa zehn Monaten andauernden Kämpfe zwischen der Schutztruppe und einigen indigenen Stämmen, vor allem den Wahehe und Mafiti, im südlichen Hinterland Deutsch-Ostafrikas und im Kilimandscharogebiet, bei denen die Schutztruppe teilweise empfindliche Verluste erlitten hatte. Allerdings zeigten sich die Rebellen – entgegen der naiven Erwartung des Gouverneurs – von der Show of Force des Kreuzergeschwaders fernab ihrer eigenen Wohngebiete völlig unbeeindruckt. Einige Aufstände dauerten noch bis zur 109

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Herff an Valois, 23.2.1892, BArch, RM 38/19, Bl. 11. Vor allem in Südafrika löste der Besuch des Kreuzergeschwaders eine Welle der Begeisterung unter den dort lebenden Deutschen aus. Euphorisch telegrafierte beispielsweise der deutsche Konsul in Pretoria, Franz von Herff, an Valois: »Das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit dem deutschen Vaterlande wird bei diesem Anlasse auch bei uns Deutschen im Innern des Landes besonders lebhaft empfunden, die wir nicht den Vorzug haben[,] Seiner Majestät Geschwader persönlich willkommen zu heißen. Euer Hochwohlgeboren dürfen versichert sein, daß auch die Deutschen in Transvaal das deutsche Geschwader während seiner Anwesenheit in Kapstadt und seiner Weiterreise im Dienste des Vaterlandes mit den wärmsten Sympathien und den besten Segenswünschen begleiten.« Zitat aus: Ebd. Sonnenschein (i.A. des Gouverneurs) an Caprivi, 30.4.1892, BArch, RM 3/3154, Bl. 64 f., hier Bl. 64.

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Jahrhundertwende an und konnten nur durch wiederholte Strafexpeditionen und die Anwendung vernichtender Gewalt niedergeschlagen werden111. Beim anschließenden Einsatz des Kreuzergeschwaders in Ostasien standen handelspolitische Aspekte im Vordergrund. Nach dem Abschluss weiterer, dringend notwendiger Instandsetzungsarbeiten sollte der auf zwei Schiffe zusammengeschrumpfte Verband zunächst im Verein mit den beiden ostasiatischen Stationären in den geöffneten chinesischen Häfen die Flagge zeigen. Davon ausgenommen waren nur die Yangtse-Häfen, weil dort »einem Besuch des Geschwaders«, wie Max von Brandt befürchtete, »der Charakter einer [Flotten-]Demonstration beigelegt werden könnte, während wir alles Interesse daran haben, einen solchen Eindruck zu vermeiden«112. Im Vorjahr war es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen im Yangtsetal gekommen. Da die Stimmung der lokalen Bevölkerung noch immer sehr gereizt war, hätte der Aufmarsch mehrerer deutscher Kriegsschiffe auf »der großen Lebensader Chinas«113 wieder zu Unruhen führen und, das war Brandts größte Sorge, infolgedessen dem florierenden Handel deutscher Firmen in der Region schaden können. Allerdings hielten sowohl Brandt als auch Pawelsz die Anwesenheit eines Kanonenbootes im Yangtsegebiet während der Wintermonate zum Schutz der deutschen Kaufleute für notwendig114. Eine besondere Ehre erfuhren der Geschwaderchef und fünf seiner Offiziere Ende Juli 1892, als sie vom japanischen Kaiser empfangen wurden. Der deutsche Generalkonsul in Yokohama hatte die Audienz aus Prestigegründen arrangiert, denn einige Wochen zuvor waren bereits die Befehlshaber des britischen und des französischen Ostasiengeschwaders sowie des spanischen Pazifikgeschwaders vom Tenno empfangen worden. Abgesehen von der Erfüllung ihres politischen Auftrages nutzten die Schiffskommandos die Hafenaufenthalte auch, um Informationen über die internationale Flottenpräsenz in den ostasiatischen Gewässern zu sammeln. Die Aufklärungsergebnisse wurden primär für die Aktualisierung des Kreuzerhandbuches genutzt, einem Nachschlagewerk für Schiffskommandanten, das alle für die Kreuzerlogistik und den Kreuzerkrieg relevanten Informationen über Tausende Küstenplätze 111

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Marschall an Hollmann, 7.12.1891, BArch, RM 3/3154, Bl. 12; Goltz an Hollmann, 9.12.1891, ebd., Bl. 12 f.; Marschall an Hollmann, 12.2.1892, ebd., Bl. 37; Pawelsz an Goltz, 5.5.1892, ebd., Bl. 72-75; Soden an Pawelsz, 12.4.1892, BArch, RM 38/19, Bl. 58; Pawelsz an Goltz, 23.4.1892, ebd., Bl. 75-79; Goltz an Pawelsz, 12.3.1892, ebd., Bl. 100 f.; Pawelsz an Soden, 3.5.1892, ebd., Bl. 111; Tirpitz an Kirchhoff, 15.6.1892, ebd., Bl. 137; Goltz an Valois, 8.12.1891, BArch, RM 38/25, Bl. 2; Morlang, »Die Wahehe haben ihre Vernichtung gewollt«, S. 80-108; Bülow, Deutschlands Kolonien, S. 85-146; Nigmann, Geschichte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, S. 31-69, 150-153; Pesek, Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika, S. 191-204; Prince, Gegen Araber und Wahehe. Fast alle Berichte über die Reise des Kreuzergeschwaders von Valparaiso nach Colombo sind dokumentiert in: BArch, RM 38/25 und 26. Anders als in Deutsch-Ostafrika leisteten die Einheimischen in Britisch-Ostafrika während der gesamten Kolonialzeit kaum Widerstand gegen ihre Kolonialherren. Vgl. Haythornthwaite, The Colonial Wars Source Book, S. 163 f. Brandt an Pawelsz, 17.6.1892, BArch, RM 3/3154, Bl. 84 ff., hier Bl. 85; siehe auch: Strauch an Pawelsz, 9.7.1892, BArch, RM 38/11, Bl. 281 f., hier Bl. 281. Berichte über Chinesische Handels-Verhältnisse, S. 10. Diese Sicherungsmaßnahme hatte sich schon während der Wintermonate 1891/92 bewährt. Vgl. u.a. Hellhoff an Goltz, 13.2.1892, BArch, RM 39/4, Bl. 416-420, hier Bl. 416.

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weltweit enthielt. Angesichts der Gefahr eines Zweifrontenkrieges gegen Frankreich und Russland, mit dem der Reichskanzler jedes Jahr im nächsten Frühling rechnete, ließ Pawelsz die Kommandanten der ihm unterstellten Schiffe115 im Spätsommer 1892 zudem Operationspläne für einen Kreuzerkrieg mit den seinerzeit in Ostasien stationierten französischen und russischen Kriegsschiffen ausarbeiten116. In diesem Zusammenhang ließ er auch prüfen, »welche nothwendigen Arbeiten durchgeführt werden müßten«, um die beiden Postdampfer »Sachsen« und »Nürnberg« des Norddeutschen Lloyd »mit der Armierung eines unserer auf der ostasiatischen Station befindlichen Kanonenboote für den Kriegsfall versehen zu können«117. Während des gesamten fünfmonatigen Aufenhaltes in den ostasiatischen Gewässern zeigte sich erneut sehr deutlich, wie stark der lange Auslandsdienst die »Leipzig« und die »Alexandrine« verschlissen hatte. Besonders störanfällig waren die Maschinen. Immer wieder mussten kleinere und größere Reparaturen vorgenommen werden, was die Einsatzfähigkeit des Geschwaders einschränkte118. Während sich Pawelsz in Ostasien mit dem Kreuzergeschwader auf einen möglichen Krieg gegen Russland und Frankreich vorbereitete, setzte in Europa infolge der Amtsübernahme einer liberalen Regierung in London unter Gladstone im August 1892 eine allgemeine deutsch-britische Entfremdung ein, die alsbald auch auf kolonialpolitischem Gebiet spürbar wurde119. Bereits kurz nach dem Regierungswechsel an der Themse bahnte sich ein erster Konflikt der beiden Mächte in Ostafrika an, wo Großbritannien seit einigen Monaten offiziell die Leitung der auswärtigen Beziehungen seines Protektorates Sansibar übernommen hatte. Anfang November beschwerte sich der britische Außenminister Lord Rosebery bei der Reichsleitung, dass der deutsche Generalkonsul in Sansibar, Oswin Anton, sich in die inneren Angelegenheiten des Sultanats eingemischt und die arabische Führungsschicht gegen die britischen Protektoratsbeamten aufzuhetzen versucht habe120. 115 116

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Neben der »Leipzig« und der »Alexandrine« vom Kreuzergeschwader gehörten dazu auch die beiden ostasiatischen Stationäre, die Kanoneboote »Iltis« und »Wolf«. Einige Monate später, am 20.3.1893, befahl Goltz allen Kommandanten der im Ausland befindlichen Kriegsschiffe, solche Operationspläne für einen Kreuzerkrieg gegen die in ihrem jeweiligen Einsatzgebiet stationierten französischen und russischen Kriegsschiffe auszuarbeiten, mit dem Ziel, die im Februar 1892 fertiggestellte Operationsstudie des OKM – eine Art maritimer SchlieffenPlan – für den Fall eines Krieges gegen Frankreich, Russland oder beide Mächte um die überseeische Komponente zu ergänzen. Vgl. Goltz an Lyncker, 20.3.1893, BArch, RM 92/2998 (ohne Paginierung); Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 145. Zitate aus: Geheim-Befehl von Pawelsz an Kapitänleutnant Schönfelder, 6.11.1892, BArch, RM 38/26, Bl. 190; siehe dazu: Pawelsz an Goltz (mit Anlagen), 23.11.1892, BArch, RM 39/5, Bl. 76-81. Brandt an Caprivi, 17.6.1892, BArch, RM 3/3154, Bl. 83; Brandt an Pawelsz, 17.6.1892, ebd., Bl. 84 ff.; Pawelsz an Goltz, 3.7.1892, BArch, RM 38/11, Bl. 221-228; Waldthausen an Pawelsz, 16.7.1892, ebd., Bl. 267; Pawelsz an Waldthausen, 18.7.1892, ebd., Bl. 267 f.; Pawelsz an Goltz, 2.8.1892, BArch, RM 38/12, Bl. 7-14; Pawelsz an Goltz (mit Anlagen), 17.8.1892, ebd., Bl. 109-158; Pawelsz an Goltz, 1.9.1892, ebd., Bl. 159-164; Pawelsz an die Kommandanten von »Leipzig«, »Alexandrine«, »Iltis« und »Wolf«, 2.8.1892, BArch, RM 38/26, Bl. 138; Pawelsz an Goltz, 1.10.1892, ebd., Bl. 218-223; Pawelsz an Goltz, 9.10.1892, ebd., Bl. 232-235; Pawelsz an Brandt, 4.11.1892, ebd., Bl. 280; Pawelsz an Goltz, 18.11.1892, BArch, RM 38/13, Bl. 13-21. Siehe dazu: Lahme, Deutsche Außenpolitik 1890-1894, S. 438-487. Siehe dazu: Schneppen, Sansibar und die Deutschen, S. 442 f.

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Caprivi forderte sofort »eine eingehende Aeußerung zur Sache«121 von Anton, der die Vorwürfe einige Wochen später vehement zurückwies, und schickte noch im Laufe des November die beiden Schiffe des Kreuzergeschwaders von Hongkong über Singapur, Colombo und Mahé nach Sansibar mit dem Auftrag, die Flagge zu zeigen und die deutschen Interessen zu wahren. Vor der Abreise waren erneut kleinere Reparaturarbeiten an den Maschinen der »Leipzig« notwendig, aber zu gravierenden Verzögerungen kam es dadurch nicht. In den ostafrikanischen Gewässern traf das Geschwader mit der Kreuzerkorvette »Arcona« zusammen, die extra für diesen Einsatz aus Südamerika abberufen und dort von der typgleichen »Marie« abgelöst worden war122. Nach einem mehrwöchigen, ereignislosen Aufenthalt auf der Reede von Sansibar, während dem der diplomatische Konflikt weitgehend entschärft wurde, erhielt das Kreuzergeschwader Anfang Februar den Befehl, nach Kapstadt zu gehen. Unterwegs sollten die Schiffe mehrere deutschostafrikanische Häfen anlaufen und, wie es in der entsprechenden Anweisung des Auswärtigen Amtes an das Oberkommando der Marine heißt, »die Flagge zeigen, um den Bewohnern derselben, insbesondere den dort ansäßigen Indern, einen Eindruck deutscher Macht zu geben«123. Die Flottendemonstration sollte also primär britische Untertanen in Deutsch-Ostafrika einschüchtern und war somit de facto gegen Großbritannien gerichtet. Wie schon in der späten Bismarck-Ära tritt hier die militärische Selbstüberschätzung des Deutschen Reiches, manifestiert in einem Dekret der Reichsleitung für den Einsatz des Kreuzergeschwaders in Übersee, ungeschminkt in Erscheinung. Es kam, wie es kommen musste: die anvisierte Machtdemonstration geriet zur Farce. Das Flaggschiff war dringend überholungsbedürftig und deshalb nicht mehr in der Lage, an der geplanten Show of Force teilzunehmen. Stattdessen wurde es sofort in die Docks von Kapstadt verlegt. Blieben noch die »Alexandrine« und die »Arcona«, zwei völlig veraltete, hölzerne Segelschiffe – alles andere als eindrucksvolle maritim-militärische Machtmittel. Denn sowohl die Briten als auch die Franzosen verfügten bereits über relativ moderne, auch gepanzerte Kriegsschiffe in der Region124. Mit dem Besuch der sechs wichtigsten Häfen des Schutzgebie121 122

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Marschall an Anton, 21.11.1892, BArch, R 157 IV F/G 2/34, Bl. 118. Nominell gehörte die »Marie« ebenfalls zum Kreuzergeschwader, sie blieb jedoch als detachiertes Schiff unter dem direkten Befehl des OKM. Vgl. Goltz an Wilhelm II., 28.3.1893, BArch, RM 2/1581, Bl. 38; Goltz an Lyncker (Segelordre), 9.12.1892, BArch, RM 38/24, Bl. 208 ff. Marschall an Hollmann, 7.2.1893, BArch, RM 3/3154, Bl. 119. Neben den arabischen waren die zahlreichen indischen Händler die größten Konkurrenten der deutschen Kaufleute in Ostafrika. Gegen die »energische Konkurrenz der Inder«, klagte etwa der national-liberale Abgeordnete Wilhelm von Oechelhäuser im Reichstag, sei nur »außerordentlich schwer anzukommen [...], insbesondere bei dem Kreditsystem, welches sie den Eingeborenen in weitgehenderer Weise einräumen«. Zitat aus: Oechelhäuser, 2.3.1893. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 128, S. 1368. Anfang Januar 1893 ließ Pawelsz im Rahmen eines Seekriegsspiels von den Kommandanten der ihm unterstellten Schiffe mögliche Szenarien für den Einsatz des Kreuzergeschwaders im Indischen Ozean während eines deutsch-französischen Krieges ausarbeiten. Kapitän zur See Richard Hornung vertrat dabei die Ansicht, dass die insgesamt fünf deutschen Kriegsschiffe in den ostafrikanischen Gewässern der Division navale de l’Ocean Indien mit ihren sieben Kriegsschiffen, die er alle schwächer als die von ihm kommandierte »Leipzig« (!) einschätzte, überlegen seien. Dabei igno-

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tes125 bewirkten die beiden Schiffe letztlich das Gegenteil dessen, was sie erreichen sollten. Ihr Auftritt war eine Demonstration der Schwäche126. c) Auflösung des Fliegenden Kreuzergeschwaders

Als die »Leipzig« Anfang März 1893 in Kapstadt eintraf, ließ Pawelsz umgehend Zeitdauer und Kosten der notwendigen Instandsetzungsarbeiten kalkulieren. Die Reparaturen am Schiffskörper und den Maschinen, telegrafierte er einige Tage später nach Berlin, würden mindestens drei Monate in Anspruch nehmen und etwa 170 000 Mark kosten. Seiner Ansicht nach war Kapstadt für solch umfangreiche Reparaturen »der ungeeignetste Platz«127. Admiral Hollmann teilte diese Einschätzung, deshalb erwirkte er beim Kaiser am 28. März die sofortige Rückholung der »Leipzig« nach Deutschland128. Seinen Vorschlag jedoch, das Schiff durch die Kreuzerkorvette »Kaiserin Augusta« abzulösen, lehnte Wilhelm II. ab. Stattdessen verfügte der Kaiser, verärgert von der erneuten Ablehnung seiner Kreuzerbaupläne im Reichstag drei Wochen zuvor, »bis auf Weiteres«129 die Auflösung des Verbandes130. Mit dieser Maßnahme hoffte er, die öffentliche Meinung in Deutschland für seine Kreuzerbaupläne zu mobilisieren und dadurch das Parlament zu deren

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rierte er vollkommen die realen Bedingungen, das heißt den desolaten Zustand des Kreuzergeschwaders, insbesondere des Flaggschiffes, und verglich nur den nominellen Gefechtswert der beiden Verbände. Das ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Ergebnisse solcher Kriegsspiele die Grundlage für reale Operationspläne im Ernstfall bildeten. Vgl. Hornung an Pawelsz, 3.1.1893, BArch, RM 5/6727, Bl. 7-11; siehe auch: Übersicht über die Schiffe der Division navale de l’Ocean Indien, 5.1.1893, ebd., Bl. 25 f. Die Schiffe liefen – mit Ausnahme von Mikindani – alle Bezirkshauptstädte Deutsch-Ostafrikas an, das heißt Tanga, Pangani, Bagamoyo, Daressalam, Kilwa Kiwindji und Lindi. Marschall an Anton (mit Anlage), 21.11.1892, BArch, R 157 IV F/G 2/34, Bl. 118 ff.; Anton an Caprivi (mit Anlagen), 27.12.1892, ebd., Bl. 121-144; Anton an Caprivi, 6.3.1892, ebd., Bl. 172-176; Hollmann an AA, 10.2.1893, BArch, RM 3/3086, Bl. 33 f.; AA an Hollmann, 11.2.1893, ebd., Bl. 35; Caprivi an Hollmann, 21.9.1892, BArch, RM 3/3154, Bl. 95; Caprivi an Hollmann, 26.10.1892, ebd., Bl. 108; Marschall an Hollmann, 7.2.1893, ebd., Bl. 119; RMA an Goltz, 9.2.1893, ebd., Bl. 119 f.; Goltz an Hollmann, 14.2.1893, ebd., Bl. 120; RMA an Marschall, 17.2.1893, ebd., Bl. 121; Pawelsz an Goltz, 5.1., 2.2., 4.4.1893, ebd., Bl. 125 ff., 132 f., 152 f.; Goltz an Marschall, 5.12.1892, BArch, RM 3/3138, Bl. 10; Marschall an Goltz, 6.12.1892, ebd., Bl. 11; Promemoria des OKM zum Immediatvortrag am 27.2.1893, 25.2.1893, BArch, RM 5/910, Bl. 69-73, hier Bl. 70 f.; Hornung an Pawelsz, 1.11.1892, BArch, RM 38/13, Bl. 50 f., hier Bl. 50; Goltz an Pawelsz, 30.10.1892, ebd., Bl. 59 f.; Pawelsz an Goltz, 9.12.1892, ebd., Bl. 69 ff.; Hornung an Pawelsz, 1.12.1892, ebd., Bl. 75 f., hier Bl. 75; Goltz an Draeger (Segelordre), 28.12.1892, BArch, RM 38/19, Bl. 167; Logbuch der »Leipzig«, 16.10.1892 bis 23.3.1893, BArch, RM 92, Bl. 148 f. Pawelsz an Goltz, 4.4.1893, BArch, RM 3/3154, Bl. 152 f., hier Bl. 153. Hollmann umging hierbei Goltz und löste dadurch den ersten großen Konflikt zwischen dem Reichsmarineamt (RMA) und dem OKM aus. Vgl. Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 5, S. 210, Anm. 15. Wilhelm II. an Hollmann (Kabinettsordre), 28.3.1893, BArch, RM 3/3154, Bl. 140. Sondhaus irrt, wenn er behauptet, dass das Kreuzergeschwader nur deshalb aufgelöst wurde, weil die Schiffe vollkommen heruntergewirtschaftet waren. Der desolate Zustand der »Leipzig« und die geschätzten hohen Kosten ihrer Instandsetzung waren lediglich ein Vorwand, nicht aber der Grund für diese Entscheidung des Kaisers. Vgl. Sondhaus, Preparing for Weltpolitik, S. 206.

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Annahme bei den nächsten Etatsverhandlungen zwingen zu können. Formell aufgelöst wurde das Kreuzergeschwader mit dem Auslaufen des Flaggschiffes von Kapstadt am 6. April 1893. Während die »Leipzig« zurück in die Heimat ging, wurden die »Alexandrine«, »Arcona« und »Marie« auf die Ostamerikanische Station befohlen, wo sie den Schutz der deutschen Interessen während des Marineputsches in Brasilien gewährleisteten131. Seine angestrebten marinepolitischen Ziele erreichte der Kaiser – ebenso wie bei der »Salpeterintrige« 1891 – mit der inszenierten Auflösung des Fliegenden Kreuzergeschwaders nicht: Der Reichstag strich den Marineetat auch im Frühjahr 1894 wieder zusammen, von den drei beantragten Ersatzbauten wurde schließlich nur die erste Rate für ein Panzerschiff »Ersatz Preußen« bewilligt. Auch für die »Leipzig«, die sich bei einer gründlichen Untersuchung nach ihrer Rückkehr in die Heimat »als nicht mehr geeignet zur Vornahme einer Grundreparatur«132 erwiesen hatte und einige Monate später ausgemustert wurde, hatte Hollmann einen Ersatzbau beantragt. Der berichterstattende Abgeordnete Ernst Lieber (Zentrum) forderte explizit »die Erbauung eines neuen Flaggschiffs für unser Kreuzergeschwader«133. Allerdings war der beantragte Ersatzbau »von derselben Kostspieligkeit wie die großen Panzerschiffe für die heimischen Gewässer«134, was der linksliberale Abgeordnete Eugen Richter scharf kritisierte. Für einen solchen »Tropenkreuzer«, der, so Richter, letztlich nur »der etwas übermäßigen Repräsentation im Auslande«135 diene, gab es im Reichstag keine Mehrheit, der Antrag wurde abgelehnt. Nur ein Jahr später jedoch hatte sich die Stimmungslage infolge geschickter Propaganda der Marineführung erheblich gewandelt136 und der Bau des Kreuzers »Ersatz Leipzig« wurde mit großer Mehrheit vom Reichstag bewilligt137. Die formelle Auflösung des Kreuzergeschwaders war letztlich nur ein marinepolitischer Schachzug des Kaisers, der keine signifikanten Auswirkungen auf die 131

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Zur deutschen Intervention in Brasilien während des Marineputsches 1893/94 siehe u.a.: Brunn, Deutschland und Brasilien, S. 22-52; Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika (2002), S. 137-145. Lieber, 9.3.1894. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 135, S. 1706. Ebd. Richter, 9.3.1894. In: Ebd., S. 1707. Zitate aus: Ebd. Siehe: Deist, Flottenpolitik und Flottenpropaganda, S. 31-52; Kehr, Schlachtflottenbau und Parteipolitik, S. 39-51. Wilhelm II. an Hollmann, 31.8.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 142; Hollmann an Wilhelm II., 28.3.1893, BArch, RM 2/1581, Bl. 35 f.; Hollmann an Caprivi, 13.5.1893, BArch, RM 2/2005, Bl. 115-121, hier Bl. 116 f.; Pawelsz an Goltz, o.D. [Mitte März 1893], BArch, RM 3/3086, Bl. 41; Senden-Bibran an Hollmann, 29.3.1893, BArch, RM 3/3154, Bl. 134; Denkschrift von Korvettenkapitän Baudissin zur Allerhöchsten Ordre betreffend die Auflösung des Kreuzergeschwaders, 29.3.1893, ebd., Bl. 135 ff.; Hollmann an Wilhelm II., 29.3.1893, ebd., Bl. 141; RMA an Goltz, 1.4.1893, ebd., Bl. 142; Goltz an Hollmann, 5.4., 3.4., 6.4.1893, ebd., Bl. 143, 147, 148; Pawelsz an Goltz, 4.4., 6.4.1893, BArch, RM 38/20, Bl. 56-61, 90; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 135, Sitzg. 9.3.1894 und 14.3.1894, S. 1694-1712, 1893-1942, Bd 139, Sitzg. 1.3.1895, S. 1177-1198. Zu den Marineetatsverhandlungen 1893/94 und 1894/95 siehe: Brézet, Le plan Tirpitz, vol. 1, S. 41 f., 59 ff.; Hallmann, Der Weg zum deutschen Schlachtflottenbau, S. 87-96.

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weitere Verwendung der drei verbliebenen Schiffe hatte. Sie wurden nach dem Abgang von Kapstadt bis zum Spätsommer 1894 auf der Ost- und Westamerikanischen Station eingesetzt, weiterhin überwiegend im Verbund, wenn auch nicht unter der gemeinsamen Führung eines Admirals. Für die Reichsleitung und die Reichstagsabgeordneten bildeten die »Alexandrine«, »Arcona« und »Marie« weiterhin das Kreuzergeschwader, das im Spätherbst 1894 lediglich in »Kreuzerdivision« umbenannt, wieder mit einem Admiral als Befehlshaber ausgestattet und mit dem geschützten Kreuzer »Irene« als Flaggschiff nach Ostasien entsandt wurde. Formal jedoch war damit ein neuer taktischer Verband aufgestellt worden. Gemäß dem neuen »Exerzier-Reglement für die Flotte«, das unter der Federführung von Alfred Tirpitz als Chef des Stabes im Oberkommando der Marine zum Jahreswechsel 1892/93 ausgearbeitet worden war, konnte dieser Verband nicht mehr wie früher als Geschwader bezeichnet werden. Im »Exercier-Reglement für die Flotte« vom 20. Mai 1892 fanden sich noch folgende begriffliche Definitionen: »Ein von einer Flotte unabhängiger Verband von Schiffen oder auch von Schiffen und Fahrzeugen heißt Geschwader« und nur »die unter besonderen Befehlshabern stehenden Unterabtheilungen von Flotten, Geschwadern und Flottillen werden Divisionen genannt«. Doch mit der Einführung des neuen »Exerzier-Reglements für die Flotte« am 16. Januar 1893 änderte das Oberkommando der Marine diese begrifflichen Definitionen. Nunmehr galt: »Ein Verband von 3 bis 5 Schiffen heißt Division« und »ein Verband von Schiffen, welcher aus 2 oder 3 Divisionen besteht, heißt Geschwader«. Konsequenterweise hätte seinerzeit bereits das Fliegende Kreuzergeschwader in Kreuzerdivision umbenannt werden müssen, aber für dieses galt eine – schriftlich nicht fixierte – Ausnahmeregelung, bevor es wenige Wochen nach Inkrafttreten des neuen Reglements ohnehin aufgelöst wurde. Dass bei der Neugründung des Verbandes im Herbst 1894 nicht auf diese Ausnahmeregelung zurückgegriffen wurde, hatte vor allem politische Gründe, denn so konnte sowohl der nationalen als auch der internationalen Öffentlichkeit suggeriert werden, dass hier ein neuer Verband explizit zur Wahrung der deutschen Interessen in Ostasien geschaffen worden war. Dennoch benutzten selbst führende Vertreter der Reichsleitung auch nach der »Umbenennung« hin und wieder den Begriff »Kreuzergeschwader« als Synonym für die Kreuzerdivision138. Rückblickend markiert der Auflösungsbefehl das Ende des einzigen mobilen Eingreifverbandes, über den die Kaiserliche Marine während ihres Bestehens ver-

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Zitate aus: Exercier-Reglement für die Flotte. Hrsg. vom Reichsmarineamt, Berlin 1892, T. I, Kap. 1, Paragraf 1, Absatz 2, 4 (enthalten in: BArch, RM 3/4022, Bl. 72-136); Entwurf zum Exerzier-Reglement für die Flotte vom 16.1.1893, Abschnitt 1, Kap. 1, Paragraf 1, Absatz 1, 3, S. 2. Vgl. u.a. Hoffmann an Tirpitz, 25.5.1895, N 253/45, Bl. 4-7, hier Bl. 4; Senden-Bibran an Goltz, 30.7.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 88; Senden-Bibran an Prinz Heinrich, 22.9.1894, ebd., Bl. 159 f.; Denkschrift zum Immediatvortrage über einen neuen Entwurf des OKM zum Exerzier-Reglement für die Flotte, 7.1.1893, BArch, RM 3/4023, Bl. 19-30, hier Bl. 22; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 135, Sitzg. 9.3.1894, S. 1705-1709; Lieber, 1.3.1895. In: Ebd., Bd 139, S. 1178 f.; Richter, 1.3.1895. In: Ebd., Bd 139, S. 1189; Von der Kreuzerdivision. In: Deutsche Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 19.

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Ostchina und Korea 1894 MONGOLEI

Kirin KIRIN

ERE INN

EI GOL MON

Dolon-nor

Mukden LIAONING

Kalgan CHIHLI PEKING Pjöngjang Tientsin Yülin Taku

Port Arthur

KOREA

SHANSI

SEOUL

Weihaiwei

Tsinan

KANSU

Gelbes

SHANTUNG

Meer Tsingtau

SHENSI Hsi-an Quelpart Insel (korean.)

HONAN KIANGSU

KAISERREICH CHINA

Nanking SZECHUAN

ANHWEI

HUPEH

Shanghai

Hankow Ningpo

Ostchinesisches Meer

CHEKIANG KWEI-

Nan-ch‘ang

HUNAN

KIANGSI CHOW Fu-chou FUKIEN Kuei-lin

Liu-ch‘iu-Inseln (jap.)

Kilung

KWANGSI KWANGTUNG

Taitshu

Amoy

Formosa

Kanton

0

100

200

300 km

Tainan Macao (port.)

Ch‘iung-shan

Hongkong (brit.)

Besitz und Einflussbereich ausländischer Mächte

Südchinesisches Meer

Hainan

Quelle: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900 – 1901.

© MGFA

06689-08

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fügte, auch wenn das von der Reichsleitung seinerzeit nicht beabsichtigt wurde139. Alle anderen deutschen Überseegeschwader, die zwischen 1871 und 1914 aufgestellt wurden, hatten ein geografisch klar begrenztes Einsatzgebiet. 2. Präludium zur deutschen Weltpolitik a) Die Bildung der Kreuzerdivision in Ostasien und ihre Funktion während des Chinesisch-Japanischen Krieges

Im Frühjahr und Sommer 1894 eskalierte in Ostasien ein Konflikt zwischen China und Japan über die Vorherrschaft in Korea, der die europäischen Großmächte rasch und ganz in ihren Bann ziehen sollte. China hatte seit dem Ersten Opiumkrieg (1839-1842) viel an Macht und Einfluss in Asien verloren und außerdem viele territoriale Verluste erlitten. Japan hingegen hatte sich seit seiner erzwungenen Öffnung 1853/54 durch die weitreichenden Meiji-Reformen innerhalb von wenigen Jahrzehnten zu einem modernen Staat europäischen Musters umgestaltet und bereits seit den 1870er-Jahren eine zunehmend expansive Politik betrieben. Nach dem Erwerb der Kurilen von Russland (1875) und der Angliederung der Liuch’iu-Inseln (Okinawa) mit chinesischer Duldung (1879) hatte sich das japanische Interesse verstärkt auf Korea gerichtet. Die daraus resultierenden Spannungen entluden sich schließlich im August 1894 infolge des koreanischen TonghakAufstandes140 und mündeten in den Chinesisch-Japanischen Krieg. Für Japan war es der zweite Anlauf zur Eroberung Koreas seit dem Imjin-Krieg im ausgehenden 16. Jahrhundert141. Dieser Feldzug sollte das internationale Machtgefüge nachhaltig verändern, was auch schon die Zeitgenossen spürten: »Seit vielen Jahren ist mit dem ostasiatischen Konflikt zum ersten Mal wieder ein großes Ereigniß der auswärtigen Politik geschehen«, konstatierte etwa der Historiker Hans Delbrück kurz nach dem Frieden von Shimonoseki, »von dem wesentliche und dauernde Folgen für die Entwicklung der Weltgeschichte ausgehen können142.« Die Kampfhandlungen konzentrierten sich zunächst auf Korea. Bereits nach wenigen Wochen gelang den Japanern ein vorentscheidender Sieg: Am 17. September 139

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Siehe dazu u.a.: Goltz an Hoffmann, 28.10.1894, BArch, RM 92/3320, Bl. 19; Immediatbericht von Admiral Knorr, 10.5.1897, BArch, RM 5/915, Bl. 31-40, hier Bl. 31 f. Sowohl die Kreuzerdivision als auch das spätere, sogenannte Ostasiatische Kreuzergeschwader galten immer nur als nach Ostasien detachiert, obwohl die beiden Verbände de facto von Anfang an fest in den dortigen Gewässern stationiert waren und Tsingtau nach der deutschen Besitzergreifung Kiautschous zur Basis des Kreuzergeschwaders ausgebaut wurde. Unabhängig davon war die Ostasiatische Station durchweg mit eigenen Kriegsschiffen besetzt, vor allem mit Kleinen Kreuzern und Kanonenbooten, die der Kreuzerdivision respektive dem Kreuzergeschwader unterstellt waren. Vgl. u.a. Organisatorische Bestimmungen für die Flotte (Entwurf), § 6, Absatz 2, o.D. [Juli 1903], enthalten in: BArch, RM 3/3945, Bl. 6-60, hier Bl. 26. Siehe dazu: Lensen, Balance of Intrigue, vol. 1, S. 118-140; Kim, Die Tonghak-Bauernbewegung in Korea. Zum Imjin-Krieg siehe neuerdings: Hawley, The Imjin War. Preußische Jahrbücher, Bd 80 (1895), S. 576.

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schlug die japanische Marine die chinesische Pei’yang-Flotte (Nordflotte) etwa achtzig Seemeilen südlich der Mündung des Yalu-Flusses. Es war das »erste Zusammentreffen moderner Flotten in freier Seeschlacht seit der Schlacht bei Lissa 1866«143. Nur einen Monat später waren die chinesischen Truppen aus Korea vertrieben und hinter den Grenzfluss Yalu zurückgedrängt worden. Um die vollständige Kontrolle über die koreanische Halbinsel und das Gelbe Meer zu gewinnen, setzten die Japaner anschließend zum Sturm auf die beiden wichtigsten Marinebasen der Chinesen an: Port Arthur und Weihaiwei, die »leaves of the gate of China«144, wie sie der Tenno pathetisch nannte. Port Arthur eroberten sie am 21. November, Weihaiwei fiel drei Monate später. Unterdessen rückte ein japanisches Landheer langsam in die Mandschurei vor145. Während Großbritannien und Russland als die ökonomisch, politisch und militärisch am stärksten in Ostasien engagierten Mächte vor und während des Chinesisch-Japanischen Krieges mehrfach eine Intervention zur Eindämmung und Beilegung des Konfliktes erwogen, verhielten sich die anderen betroffenen Staaten in dieser Frage zurückhaltend. Zwar hegte Wilhelm II., der das Kriegsgeschehen von Anfang an mit großem Interesse verfolgte, offene Sympathien für Japan, nach außen aber beharrte das Deutsche Reich, dessen Interessen vor allem in China – namentlich »die Handelsinteressen, die Schifffahrtsinteressen, die Interessen unserer Missionare«146 – nicht minder gefährdet waren als die der anderen Großmächte, bis kurz vor Kriegsende auf seiner offiziell neutralen Position, weil die Reichsleitung fürchtete, andernfalls in den britisch-russischen Konflikt in Ostasien hineingezogen zu werden. Unabhängig davon befahl der Kaiser am 30. Juli 1894, kurz vor dem Beginn der Kampfhandlungen, den seetüchtigen Schiffen des ehemaligen Kreuzergeschwaders, »Alexandrine«, »Arcona« und »Marie«, von Südamerika nach Ostasien zu gehen, um dort die deutschen Interessen während des heraufziehen-

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Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 187. Zur Seeschlacht von Lissa im italienischösterreichischen Krieg 1866 siehe u.a.: Stenzel/Kirchhoff, Seekriegsgeschichte in ihren wichtigsten Abschnitten, Bd 5, S. 168-179. Vladimir, The China-Japan War, S. 270. Analog dazu bezeichnete Admiral Scheer Port Arthur und Weihaiwei als »den Schlüssel zum Gelben Meer und zu Peking«. Zitat aus: Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 195. Zum Kriegsverlauf siehe u.a.: Constantin von Hanneken: Bericht über die Zustände in der nordchinesischen Flotte und über ihre Thätigkeit während der ersten Hälfte des japanischchinesischen Krieges, o.D., BArch, RM 2/1854, Bl. 236-283; Müller, Der Krieg zwischen China und Japan 1894/95, Bd 1, S. 14-40, Bd 2, S. 42-71, Bd 3, S. 73-85; Paine, The Sino-Japanese War of 1894-1895, S. 107-243; Stenzel/Kirchhoff, Seekriegsgeschichte in ihren wichtigsten Abschnitten, Bd 5, S. 231-253; Vladimir, The China-Japan War, S. 88-321; Der Krieg um Korea bis zur Einnahme von Port Arthur, S. 97-131. Marschall, 18.3.1896. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 144, S. 1540. Zu den deutschen Interessen in Ostasien und den deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen seit dem Ersten Opiumkrieg bis zum Ausbruch des Chinesisch-Japanischen Krieges allgemein siehe: Herold, Deutsche Kolonial- und Wirtschaftspolitik in China, S. 15-28; Louven, Die frühen Wirtschaftsbeziehungen S. 159-164; Ratenhof, Die Chinapolitik des Deutschen Reiches 1871-1945, S. 51-126; Stoecker, Deutschland und China im 19. Jahrhundert, S. 37-262.

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den Krieges zu wahren147. Bis zu ihrem Eintreffen in den fernöstlichen Gewässern Ende September war die Ostasiatische Station lediglich mit zwei Kanonenbooten besetzt148. Wilhelm II. wünschte ausdrücklich, dass der Einsatz vor Ort von einem Admiral geleitet wurde. »Würde Oldekop als Admiral disponibel sein?«, ließ er deshalb Ende Juli beim Oberkommando der Marine anfragen, »Hoffmann wäre disponibel zu machen oder vielleicht empfiehlt sich ein anderer149?« Konteradmiral Iwan Oldekop sei als Chef der Reserve-Division wegen der anstehenden Herbstmanöver »schlecht abkömmlich«, antwortete Goltz, »Hoffmann geht, empfehle aber [ihn] in Betracht von Schiffs-Zahl und -Klasse Kommodore zu nennen, der gleichzeitig Arcona Kommandant an Stelle von Hofmeier [wird]«150. Dafür jedoch konnte sich Wilhelm II. nicht erwärmen. Er präferierte die Aufstockung des Verbandes um den Kreuzer III. Klasse »Gefion« als Flaggschiff und die Ernennung Hoffmanns zum Chef eines Kreuzergeschwaders. Allerdings war die erst jüngst in Dienst gestellte »Gefion« aus technischen Gründen noch nicht einsatzfähig, weshalb sich der Kaiser von Hollmann und Senden-Bibran zur Entsendung des geschützten Kreuzers »Irene« überreden ließ, obwohl dieser nach Meinung seines Brudes, des Prinzen Heinrich, »für Verwendung in den Tropen wenig geeignet [ist] sowohl in Bezug auf Unterkommen der Besatzung wie Erhaltung des Proviants«151. Am 25. September, nur wenige Tage nachdem die moderne chinesische Pei’yangFlotte bei Yalu von den Japanern geschlagen worden war, befahl Wilhelm II. schließlich die Bildung einer Kreuzerdivision in Ostasien, bestehend aus den Kreuzern »Irene«, »Alexandrine«, »Arcona« und »Marie«, unter dem Oberbefehl von Konteradmiral Paul Hoffmann152. Während die drei letztgenannten Schiffe sich zu dieser Zeit bereits im Zielgebiet befanden und ab Anfang Oktober die dortigen Stationäre beim Schutz der deutschen Interessen unterstützten, musste die »Irene« erst noch in der Heimat für den Einsatz ausgerüstet werden. Angesichts der sich zuspitzenden Lage in China drängte das Oberkommando der Mari147 148 149 150 151

152

Senden-Bibran an Goltz, 30.7.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 87; Senden-Bibran an Goltz, 30.7.1894, ebd., Bl. 88. Otte, The China Question, S. 28-54; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 70-106. Senden-Bibran an Goltz, 30.7.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 87. Goltz an Senden-Bibran, 30.7.1894, ebd., Bl. 88. Senden-Bibran an Hollmann, 10.8.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 113. Auf Drängen von SendenBibran empfahl schließlich auch Prinz Heinrich dem Kaiser am 23. September die »Irene« nach Ostasien zu entsenden, und räumte damit die letzte Hürde zur Bildung der Kreuzerdivision aus dem Weg. Die »Irene« war ein modernes Schiff und wesentlich größer und schlagkräftiger, als es die beiden Flaggschiffe des Fliegenden Kreuzergeschwaders gewesen waren. Sie hatte einen stählernen Schiffskörper, der mit einer doppelten Holzhaut und einem Beschlag aus Gelbmetall verkleidet worden war, und verfügte über ein gepanzertes Oberdeck. Vgl. Senden-Bibran an Prinz Heinrich, 22.9.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 159 f.; Prinz Heinrich an Senden-Bibran, 23.9.1894, ebd., Bl. 161; Wissenswerte Angaben über S.M.S. »Irene« für die Neubearbeitung des Lexikons »Kriegsflotten der Welt«, o.D. [Juni 1895], BArch, RM 92/2732, Bl. 88-99, hier Bl. 88. Konteradmiral Hoffmann war bereits am 21. September per Kabinettsordre zum Chef der Kreuzerdivision ernannt worden. Vgl. Wilhelm II. an Goltz (Kabinettsordre), 21.9.1894, BArch, RM 4/158, Bl. 49.

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ne auf eine beschleunigte Formierung der Kreuzerdivision – unabhängig vom Eintreffen der »Irene« in den fernöstlichen Gewässern – durch die rasche Entsendung Hoffmanns auf die Ostasiatische Station, »weil damit die einheitliche militärische Leitung unserer Seestreitkräfte in Ostasien eine autoritativere wird, auch das mögliche Zusammenwirken mit anderen Nationen sich glatter abspielt, wenn an der Spitze unserer Seestreitkräfte in Ostasien ein Admiral steht«153. Wilhelm II. war der gleichen Ansicht und erließ umgehend eine entsprechende Kabinettsordre154. Nur wenige Tage später war Hoffmann bereits auf einem Postdampfer unterwegs nach Shanghai, wo er am 25. November eintraf und mit dem Hissen seiner Flagge auf der »Arcona« formell die Kreuzerdivision formierte. Seinem Kommando waren fortan auch die beiden ostasiatischen Stationäre, die Kanonenboote »Iltis« und »Wolf«, unterstellt155. Verglichen mit den Seestreitkräften der anderen imperialistischen Mächte, namentlich Großbritannien, Russland und Frankreich, ganz zu schweigen von Japan und China, war das deutsche maritim-militärische Aufgebot in Ostasien kaum ernst zu nehmen. Damit »war nicht viel Eindruck zu machen«156, konstatierte Reinhard Scheer, damals Navigationsoffizier der »Prinzeß Wilhelm«, in seinen Memoiren. Das Deutsche Reich verfügte im Oktober 1894 lediglich über fünf ungepanzerte Kriegsschiffe in den fernöstlichen Gewässern. Es waren »alte Kasten ohne Schutz, Geschwindigkeit und Artillerie«, teilweise »fast schon zum Kindergespött geworden«, wie Hollmann in der Budgetkommission des Reichstages wetterte, die im Verein mit der »Irene« den »Kern unserer Kreuzerflotte«157 bildeten. Diesem mageren Aufgebot standen gegenüber: 153

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Goltz an Hollmann, 6.10.1894, BArch, RM 3/3155, Bl. 8. Bis dahin führte der Älteste Offizier der Ostasiatischen Station, Kapitän zur See Hofmeier, den Oberbefehl über die in Ostasien stationierten deutschen Kriegsschiffe. Hans H. Hildebrand irrt mit der Angabe, dass der Kaiser die Bildung der Kreuzerdivision am 10.10.1894 anordnete. Vgl. Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine, S. 319. Die entsprechenden Kabinettsordres sind auf den 25. September und den 8. Oktober 1894 datiert. Vgl. Wilhelm II. an Hollmann (Kabinettsordre), 25.9.1894, BArch, RM 3/3155, Bl. 2; Wilhelm II. an Hollmann (Kabinettsordre), 8.10.1894, ebd., Bl. 10. Senden-Bibran an Goltz, 30.7., 18.8.1894, BArch, RM 2/1583, Bl. 87 f., 123; Goltz an SendenBibran, 30.7.1894, ebd., Bl. 88; Senden-Bibran an Hollmann, 7.10., 10.8., 17.8.1894, ebd., Bl. 107, 113, 119; Hollmann an Wilhelm II., 8.8., 10.8.1894, ebd., Bl. 112, 113; Hollmann an Wilhelm II., 11.8.1894, ebd., Bl. 116 ff.; Goltz an Wilhelm II., 15.8.1894, ebd., Bl. 121 f.; Senden-Bibran an Prinz Heinrich, 22.9.1894, ebd., Bl. 159 f.; Goltz an Hollmann, 1.10.1894, BArch, RM 3/2990, Bl. 164; Goltz an Hollmann, 28.9.1894, BArch, RM 3/3138, Bl. 88; Aktenvermerk des OKM, 29.9.1894, ebd., Bl. 89; Credner an Goltz, 1.11.1894, ebd., Bl. 105 f.; Wilhelm II. an Caprivi, 25.9.1894, BArch, RM 3/3155, Bl. 2; Goltz an Hollmann, 2.10., 6.10.1894, ebd., Bl. 3, 8; Hollmann an Goltz, 5.10.1894, ebd., Bl. 5; Baudissin an Caprivi, 6.10.1894, ebd., Bl. 6 f.; Wilhelm II. an Hollmann (Kabinettsordre), 8.10.1894, ebd., Bl. 10; Tirpitz an Hollmann, 4.12.1894, ebd., Bl. 15; Goltz an Hollmann, 23.9.1894, BArch, RM 3/3174, Bl. 143; Schmidt an Goltz, 20.10.1894, ebd., Bl. 159; Schenck an Schmidt, 13.10.1894, ebd., Bl. 160; Goltz an Hollmann, 26.9.1894, BArch, RM 3/3176, Bl. 128; RMA an Goltz, 26.9.1894, BArch, RM 3/3180, Bl. 13; siehe auch: Probefahrten S.M.S. »Gefion«. In: Marine-Rundschau, 6 (1895), 5, S. 269-272. Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 175. Zitate aus: Lieber, 1.3.1895. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 139, S. 1178. Scheer bezeichnete die Kreuzerdivision als »eine Ausstellung überholter Schiffstypen«. Zitat aus: Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 175. Und der Marinepropagan-

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– 18 Schiffe und Fahrzeuge des britischen China Squadron, darunter ein Hochseeschlachtschiff, ein Panzerkreuzer und drei geschützte Kreuzer; – 10 Schiffe und Fahrzeuge des russischen Pazifikgeschwaders, darunter ein Panzerkreuzer und zwei geschützte Kreuzer; – 11 Schiffe und Fahrzeuge der französischen Division navale de l’extrême Orient, darunter zwei Panzerkreuzer; – 5 Schiffe und Fahrzeuge des US-amerikanischen Asiatic Squadron, darunter zwei geschützte Kreuzer; – ca. 100 Schiffe und Fahrzeuge der japanischen Flotte, darunter drei Panzerschiffe und acht geschützte Kreuzer; – ca. 120 Schiffe und Fahrzeuge der chinesischen Marine, darunter zwei Panzerturmkreuzer, vier Panzerkreuzer und fünf geschützte Kreuzer der Pei’yang-Flotte. Angesichts dieser ungleichen Kräfteverhältnisse hatte Hoffmann für den Fall eines Krieges zwischen Deutschland und einer anderen Macht, deren Seestreitkräfte in Ostasien der Kreuzerdivision deutlich überlegen waren, präventiv angeordnet, dass sich die ihm unterstellten Schiffe an einem Rendezvous-Punkt – entweder in Port Lloyd (Bonininseln, Japan) oder Palapag (Philippinen) – versammeln sollten158. Von dort aus wollte er den Nachschub an Kohlen mit Transportdampfern organisieren und anschließend seine Schiffe in ein nicht näher bezeichnetes, situativ erfolgsversprechenderes Kreuzergebiet verlegen159. Im Laufe des September hatten die Japaner den Chinesen sowohl zur See als auch an Land empfindliche Niederlagen zugefügt und sie fast vollständig aus Korea verdrängt. Nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn waren die Kerntruppen der Mandschu-Armee und die mit deutschen Panzerschiffen ausgerüstetete Pei’yangFlotte bereits geschlagen und ausgeschaltet worden, was die Kampfmoral der chinesischen Streitkräfte nachhaltig schwächte. Als Reaktion darauf regte Lord Rosebery Anfang Oktober eine Kooperation der europäischen und US-amerikanischen Flot-

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dist Adolf Graf Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin konstatierte in einem Artikel in der Kreuz-Zeitung: »Diese drei Kreuzer 3. Klasse, ›Arcona‹, ›Alexandrine‹ und ›Marie‹, sind zwar für Friedenszwecke, für Fahrt und Ausbildung gute, aber zum Ernstmachen, wegen zu geringer Gefechtskraft, ungenügender Konstruktionseinrichtungen, gegen Zusammengeschossen- und Versenktwerden, schließlich wegen zu geringer Schnelligkeit minderwerthige, mit einem Worte, veraltete Schiffe.« An anderer Stelle bezeichnete er sie sogar als »Strohpuppen von Kreuzern (- im militärischen Sinne -)«. Zitate aus: Dürckheim-Montmartin, Deutschlands Machtstellung zur See, S. 43; Adolf Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin: Ueber die Nothwendigkeit eines permanenten Kreuzer-Geschwaders. In: Kreuz-Zeitung, 7.6.1894 (enthalten in: BArch, R 1001/7142, 5 f.). Hoffmann an Sarnow, 23.2.1895, BArch, RM 92/2112, Bl. 29. Promemoria des OKM, betreffend den Bericht des Gesandten in Tokio über Auslassungen des Times-Korrespondenten Thomsen bezüglich der Stärkeverhältnisse der Streitkräfte in Ostasien, o.D. [27.10.1894], BArch, RM 5/912, Bl. 9-12; Johnson, Far China Station, S. 236-241; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 175-178. Die Angaben zur chinesischen und japanischen Marine beziehen sich auf den Stand unmittelbar vor Ausbruch des Chinesisch-Japanischen Krieges. Meist werden in der Literatur entweder nur die an den Schlachten beteiligten oder nur die modernen Schiffe aufgezählt. Die hier angegebenen Zahlen zur chinesischen und japanischen Marine beziehen sich auf das zeitgenössische deutsche Standardwerk der Seekriegsgeschichte: Stenzel/ Kirchhoff, Seekriegsgeschichte in ihren wichtigsten Abschnitten, Bd 5, S. 230 f. Für einen qualitativen Vergleich der chinesischen und japanischen Seestreitkräfte siehe: Evans/Peattie, Kaigun, S. 38-41; Kirk, After Battle, S. 48.

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tenverbände in Ostasien an, um die chinesischen Vertragshäfen und die dort ansässigen Ausländer zu schützen. Nach anfänglichem Zögern stimmte Wilhelm II. – ebenso wie die französische, russische und amerikanische Regierung – diesem Vorschlag zu. Allerdings legte er ausdrücklich fest, dass diese Zusammenarbeit nur dem Schutz der Ausländer in China und »nicht etwa [dem Schutz] der Chinesen gegen Japan«160 dienen dürfe, um nicht in den britisch-russischen Interessenkonflikt im Fernen Osten hineingezogen zu werden. Als kurz darauf beim Auswärtigen Amt eine Aufforderung der britischen Regierung einging, Deutschland möge sich an einer internationalen Intervention zugunsten Chinas beteiligen, lehnte die Reichsleitung dieses Ansinnen aus eben diesem Grund ab161. Ende Oktober verteilte der Älteste Offizier der Ostasiatischen Station, Kapitän zur See Paul Hofmeier, die ihm unterstellten Schiffe auf Befehl des OKM entlang der nordchinesischen Küste. Einsatzschwerpunkte waren das Yangstedelta und der Oberlauf des Yangste von Shanghai bis Hankow, wo sich der internationale, auch der deutsche Chinahandel konzentrierte, sowie das Gelbe Meer, an dessen Küsten die entscheidenden Schlachten des Chinesisch-Japanischen Krieges geschlagen wurden, dort vor allem die wichtigen Handelsplätze Chefoo, Tientsin und Taku. In diese Regionen hatten auch die Briten und Franzosen einen Großteil ihrer in Ostasien stationierten Kriegsschiffe dirigiert. Zwar hatten die Japaner zu Kriegsbeginn versichert, Shanghai und das Yangtsedelta nicht anzugreifen, aber darauf wollten sich die Großmächte, vor allem Deutschland und Großbritannien, nicht verlassen. Auch die Chinesen trauten dem japanischen Versprechen nicht. Deshalb sperrten sie die Einfahrt des Nordkanals in der Yangtsemündung mit einem Minengürtel und stationierten dort zusätzlich einige Kriegsschiffe der Nanking-Flotte, die allerdings nach Hofmeiers Einschätzung »kaum in der Lage sein würde[n], einen energischen Angriff abzuwehren«162. Nachdem Konteradmiral Hoffmann in China eingetroffen war, führte er zunächst Gespräche mit einigen der ausländischen Geschwaderchefs, den internationalen Spitzendiplomaten in Peking, chinesischen Regierungsvertretern und den Befehlshabern der japanischen Invasionsstreitkräfte, um sich ein möglichst genaues Lagebild zu verschaffen163. Dabei setzte er sich auch nachhaltig für die deutschen Interessen ein. Während des Krieges machten einigenorts aufkeimende Unruhen die Stationierung von Schutzwachen an Land 160 161

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Randbemerkung Wilhelms II. zu einem Schreiben von Metternich an Caprivi, 4.10.1894, zit. nach: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 75. Marschall an Metternich, 6.10.1894. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2214; Malet an Marschall, 7.10.1894. In: Ebd., Nr. 2215; Aufzeichnungen Marschalls, 9.10.1894. In: Ebd., Nr. 2216; Marschall an Schenck, 14.10.1894. In: Ebd., Nr. 2217; Berryman, Britain and the Sino-Japanese War, S. 44-47; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 74-77. Hofmeier an Goltz, 29.10.1894, BArch, RM 39/6, Bl. 12-15, hier Bl. 12. Vor Hoffmanns Eintreffen in Ostasien hatten bereits die Kommandanten der ihm unterstellten Schiffe erste Sondierungsgespräche mit ausländischen Diplomaten und lokalen Regierungsvertretern geführt. Korvettenkapitän Credner beispielsweise war im November mit der »Marie« zur Lageanalyse nach Korea gegangen und in diesem Rahmen mit dem deutschen Gesandten in Seoul und dem koreanischen König zusammengetroffen. Vgl. Credner an Hoffmann, 15.12.1894, BArch, RM 3/3138, Bl. 110 ff., hier Bl. 110.

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notwendig, um die ausländischen Staatsbürger und deren Eigentum zu schützen. Daran beteiligten sich auch deutsche Marinesoldaten, wobei die deutsche Seite Wert darauf legte, dass diese nicht in unmittelbarer Nähe von französischen Truppen eingesetzt wurden. Meist jedoch genügte es, wenn deutsche oder andere europäische Kriegsschiffe in den jeweiligen Vertragshäfen die Flagge zeigten. Sowohl Hofmeier als auch Hoffmann agierten nie isoliert, sondern stets im Verein und in Absprache mit dem britischen, später auch mit dem französischen und dem amerikanischen Geschwaderchef. Bis Kriegsende im April 1895 und noch einige Monate darüber hinaus konzentrierten sich die Aufgaben der Kreuzerdivision auf: (1) den Schutz der europäischen und nordamerikanischen Staatsangehörigen sowie deren Eigentums in China, (2) den Schutz des deutschen Chinahandels, (3) Patrouillenfahrten überwiegend entlang der chinesischen, aber auch entlang der japanischen und koreanischen Küste, sowie auf die (4) Informationsbeschaffung über die Entwicklung der politischen und der Kriegslage, vor allem über die maritimen Aktionen der kriegsführenden Parteien164. Ein besonders heikles Thema für den Chef der Kreuzerdivision war der illegale Handel deutscher Kaufleute mit »Kriegskontrabande«. Deutschland wahre »selbstverständlich stricte Neutralität«165, lautete die offizielle Position der Reichsleitung während des Chinesisch-Japanischen Krieges. Doch das war schlichtweg gelogen. Seit Jahrzehnten war China der wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter in Ostasien, und der deutsche Waffenhandel florierte auch während des Krieges, ohne dass die Reichsleitung etwas dagegen unternahm166. »Der deutsche Handel insbesondere hat unter dem Kriegszustande bisher nicht merkbar gelitten«, konstatierte Hohenlohe gegen Kriegsende, »im Gegenteil haben unsere Fabrikanten, Kaufleute und Frachtschiffer durch Lieferung und Beförderung von Kriegsmaterialien gute Gelegenheit zum Verdienst gefunden«167. Als die japanische Re164

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Senden-Bibran an Goltz, 31.10.1894, BArch, RM 2/1854, Bl. 139; Goltz an Wilhelm II., 16.10.1894, ebd., Bl. 192; Marschall an Hollmann, 13.10.1894, BArch, RM 3/2990, Bl. 174 f.; Marschall an Hollmann, 15.11.1894, ebd., Bl. 186 f.; Hofmeier an Goltz, 21.10.1894, BArch, RM 3/2991, Bl. 8-11; Hoffmann an Goltz, 21.12.1894, BArch, RM 3/3155, Bl. 16-19; Tirpitz an Hollmann, 14.2.1895, ebd., Bl. 21; Hoffmann an Goltz, 28.1.1895, ebd., Bl. 34-37; Hoffmann an Knorr, 31.3.1894, ebd., Bl. 39-43; Hoffmann an Knorr, 30.4.1895, ebd., Bl. 54-59; Hoffmann an Goltz, 27.2.1895, ebd., Bl. 61 f.; Schenck an Kretschmann, 1.10.1894, BArch, RM 39/5, Bl. 199; Kretschmann an Goltz, 6.10.1894, ebd., Bl. 204; Hofmeier an Schmidt und Credner (Segelordre), 3.10.1894, BArch, RM 39/6, Bl. 1 f.; Goltz an Hofmeier, 21.10.1894, ebd., Bl. 3; Hofmeier an Goltz, 29.10.1894, ebd., Bl. 12-15; Hofmeier an Goltz, 13.11.1894, ebd., Bl. 16; Kretschmann an Hofmeier (mit Anlagen), 11.11.1894, ebd., Bl. 17-20; Hofmeier an Goltz, 20.11.1894, ebd., Bl. 22-25; Hoffmann an Credner, 10.12.1894, ebd., Bl. 32 f.; Schmidt an Lentz, 23.12.1894, ebd., Bl. 56 ff.; Carpenter an Marineminister, American Diplomatic and Public Papers III, vol. 2, Nr. 107; British Documents on Foreign Affairs I E, vol. 4, Nr. 565-608; Berryman, Britain and the Sino-Japanese War, S. 23-59; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 70-76. Rotenhan an Gutschmid, 23.8.1894, zit. nach: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 71. Eine aktive Förderung des Waffenhandels durch die Reichsleitung hat es, anders als beispielsweise der sowjetische Historiker Arkadi Jerussalimski behauptet, nicht gegeben. Vgl. Jerussalimski, Die Außenpolitik und die Diplomatie des deutschen Imperialismus, S. 483. Hohenlohe an Wilhelm II., 19.3.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2227, S. 254.

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gierung im Februar 1895 offiziell dagegen protestierte, wies Marschall jegliche politische Verantwortung für solcherart private Unternehmungen von Reichsangehörigen zurück, was zu spürbaren Verstimmungen zwischen den beiden Staaten führte. Zwar verhielten sich auch die anderen Großmächte in dieser Frage nicht konsequent neutral und ließen Waffenlieferungen ihrer Kaufleute an China und Japan zu, aber es gab Grenzen. Als sich im April 1895 der Kommandant des britischen Kreuzers »Aeolus« darauf einließ, die in Taku unter britischer Flagge einlaufenden Handelsschiffe für die Japaner zu untersuchen, wurde er dafür von seinem Geschwaderchef, Vizeadmiral Fremantle, sofort »in jeder Beziehung desaviert«, wie es in Hoffmanns amtlichen Bericht heißt, »indem [Fremantle] richtig anführte, man ergreife für die Japaner Parthei, wenn man ihnen das Untersuchungsgeschäft abnehme«168. Hoffmann stimmte dieser Haltung vollumfänglich zu. Im Gegensatz zu Fremantle, dessen Regierung ihn klar angewiesen hatte, »not to interfere with the right of search of either belligerent«169, lagen ihm keine diesbezüglichen Instruktionen aus der Heimat vor. Sowohl aus diplomatischen Gründen als auch angesichts der relativ geringen Anzahl der ihm zur Verfügung stehenden Kriegsschiffe hatte Hoffmann die Untersuchung deutscher Handelsschiffe auf Kriegskontrabande von Anfang an ausschließlich den japanischen respektive chinesischen Seestreitkräften überlassen. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es dabei nicht170. Weil die Lage der europäischen und US-amerikanischen Staatsangehörigen in China und Korea ab Oktober 1894 durch das stete Vordringen der Japaner immer bedrohlicher wurde, verstärkten Großbritannien, Frankreich, Russland und die USA nach und nach ihre Marinegeschwader in Ostasien. Auf deutscher Seite hingegen war an eine Vermehrung der Seestreitkräfte vorerst »nicht [zu] denken«171. Im Gegenteil: Denn durch die Flottenkooperation zum Schutz der Ausländer in China konnte das militärische Engagement in den fernöstlichen Gewässern klein gehalten werden. So hatte die Reichsleitung keinerlei Bedenken, die »Irene« auf ihrem Transit ins Zielgebiet für drei Wochen nach Marokko zu detachieren172, wo sie in Casablanca und Tanger die Flagge zeigte173, und kurz nach deren Ankunft im Golf von 168 169 170

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Hoffmann an Knorr, 30.04.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 54-59, hier Bl. 58. Berryman, Britain and the Sino-Japanese War, S. 25. Hoffmann an Knorr, 30.04.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 54-59, hier Bl. 58; Hoffmann an Schenck, 25.3.1895, ebd., Bl. 44 f.; Berryman, Britain and the Sino-Japanese War, S. 23-30; Dorwart, The Pigtail War, S. 34-42; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 70-73, 99; siehe auch: Mutsu, Kenkenroku, S. 113-123. Tirpitz an Hollmann, 14.2.1894, BArch, RM 3/3155, Bl. 21. In ähnlicher Weise wurde auch mit dem Kreuzer »Cormoran« verfahren, der am 8.10.1894 im Zuge der Bildung der Kreuzerdivision als Ersatz für das Kanonenboot »Wolf« bestimmt, dann jedoch vorübergehend in Ostafrika eingesetzt wurde und erst im Oktober 1895 im Zielgebiet eintraf. Vgl. u.a. Marschall an Goltz, 11.10.1894, BArch, RM 3/3005, Bl. 31 f.; Knorr an Marschall, 14.6.1895, ebd.; Goltz an Brinkmann (Segelordre), 8.10.1894, BArch, RM 3/3219, Bl. 13 f.; Knorr an Brinkmann, 5.7.1895, ebd., Bl. 28. In Casablanca war kurz zuvor ein deutscher Reichsangehöriger ausgeraubt und ermordet worden. Durch die Entsendung der »Irene« nach Marokko sollte die Forderung des dortigen Kaiserlichen Gesandten nach Genugtuung unterstützt werden. Immerhin erreichte dieser Einsatz das Versprechen der marokkanischen Regierung, dieser Forderung nachzukommen. Allerdings wurden die

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Chihli Mitte Februar die »Alexandrine« ersatzlos aus der Kreuzerdivision zu entlassen und in die Heimat zurückzubeordern. Der Kreuzer, den Wilhelm II. als Prinz zehn Jahre zuvor stolzerfüllt auf den Namen seiner Großtante getauft hatte174, war infolge des langjährigen Auslandsdienstes vollkommen verschlissen und kaum noch einsatzfähig. Der Kaiser lehnte die Bereitstellung eines Ersatzschiffes ab, weil »die alten Kreuzer«, wie er Hollmann beim Immediatvortrag am 15. März anwies, »ihres mangelnden Gefechtswerthes wegen im auswärtigen Dienst keine Verwendung mehr finden sollen, neue Kreuzer aber für die Heimath unentbehrlich sind«175. Wilhelm II. wollte mit dieser Maßnahme einmal mehr die deutsche »Kreuzernot« demonstrieren und die Bewilligung seiner ambitionierten maritimen Rüstungspläne im Reichstag erpressen. »Die ungeschützten Kreuzer, wie Ich sie nenne, spielen im Kriege eine nur sekundäre Rolle«, hatte der Kaiser am 8. Februar 1895 vor hochrangigen Armeeoffizieren in der Kriegsakademie erläutert, »es sind Schiffe für die Kolonien«. Dazu zählten auch die in Ostasien eingesetzten Kreuzer »Alexandrine«, »Arcona« und »Marie«. Diese drei Schiffe, hatte er weiter referiert,

»machen augenblicklich das einzige Geschwader aus, welches die deutsche Flotte im Auslande repräsentieren kann [...] Sollte es im Laufe des chinesisch-japanischen Krieges zu irgend welchen Auseinandersetzungen kommen, bezw. zu Theilungsversuchen unter den europäischen Staaten, dann wäre das Deutsche Reich absolut nicht im Stande, eine einzige Forderung durchzusetzen. Ja, selbst wenn Japan infolge seiner ungeheueren Erfolge aus irgend einem Grunde ein Konsulat verletzte oder einen Dampfer auf Waffenschmuggel widerrechtlich [sic!] untersuchen sollte, würde das Deutsche Reich nicht in der Lage sein, sich gegen Japan zu wehren. Ein einziger japanischer Panzerkreuzer genügt, um unser ganzes deutsches Kreuzergeschwader in Grund und Boden zu schießen [...] Ich bemerke noch dazu, daß die 3 Schiffe, die jetzt im Auslande das Deutsche Reich repräsentieren, noch mit voller Takelage versehen sind, wie die alten Fregatten zur Zeit Nelsons, ohne Schnellfeuer-Artillerie, ohne Panzerdeck, sodaß jeder moderne Kreuzer im Stande wäre, diese Schiffe sofort in eine Lage zu bringen, daß von einer Vertheidigung überhaupt keine Rede sein könnte. Ich bitte ferner zu erwägen, daß die Alexandrine wegen absoluter Untauglichkeit die Rückberufungsordre bekommen hat, weil sie, im April 1889 in See gegangen, 6 Jahre permanent um die ganze Welt gefahren, darunter hat sie ½ Jahr in Brasilien unter den schwierigsten Umständen klimatischer Natur gelegen, sie ist jetzt für den auswärtigen Dienst und größere Unternehmungen nicht mehr zu brauchen. Diesem Schicksal wird im Laufe dieses Jahres wahrscheinlich der ganze Rest des Kreuzergeschwaders verfallen, sodaß anzunehmen ist, daß im Jahre 1896 das Deutsche Reich überhaupt keine Schiffe mehr draußen auf der Welt schwimmen haben wird176.«

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Sühneleistungen erst erbracht, nachdem im Sommer 1895 weitere vier Kriegsschiffe vor Tanger aufmarschiert waren. Vgl. Goltz an Hollmann, 12.11.1894, BArch, RM 3/3180, Bl. 21; Dresky an Goltz, 30.11.1894, ebd., Bl. 34-37; Mantey, Deutsche Marinegeschichte, S. 178. Wilhelm II., Aus meinem Leben, S. 272. Hollmann an Marschall, 15.3.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 27 f., hier Bl. 27. Siehe dazu auch: Hollmann an Knorr, 15.3.1895, BArch, RM 3/3166, Bl. 46 f. Zitate aus: Vortrag Kaiser Wilhelms II. in der Kriegsakademie über den Ausbau der Flotte, 8.2.1895, BArch, RM 2/114, Bl. 10-13 (Hervorhebung im Original). Siehe dazu auch: Folgerungen aus den japanisch-chinesischen Seekämpfen für Kriegsschiffbau und -Armierung, S. 190-202; Wippermanns Deutscher Geschichtskalender für 1895, Bd 1, S. 6.

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III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

Auf Anregung von Alfred Tirpitz, dem Chef des Stabes im OKM, genehmigte der Kaiser nach dem Abzug der »Alexandrine« lediglich, die Besatzungen der drei verbliebenen Schiffe der Kreuzerdivision mit jeweils 25 Mann aufzustocken, um den Verband auch im Falle weiterer Gestellungen von Schutzwachen an Land voll einsatzfähig zu erhalten. Die insgesamt 75 Mann Verstärkung wurden Ende März an Bord des Reichspostdampfers »Karlsruhe« von Bremerhaven nach Shanghai verschifft und anschließend auf die Schiffe der Kreuzerdivision verteilt. Den Ausfall der »Alexandrine« jedoch konnte diese Maßnahme nicht kompensieren. Hinzu kam, dass die anderen Schiffe oft wegen notwendiger Reparaturen in Hongkong oder Nagasaki docken mussten. Somit war der effektive Beitrag der deutschen Kriegsschiffe zum Schutz der Ausländer in China im Vergleich zu demjenigen der anderen Großmächte, vor allem Frankreich und Großbritannien, sehr gering177. Nur wenige Monate nach Kriegsausbruch war China vernichtend geschlagen. Drei Monate nach Port Arthur fiel am 13. Februar 1895 auch die strategisch bedeutende Seefestung Weihaiwei. Als die Niederlage unabwendbar war, begingen Admiral Ting Ju-ch’ang, der als Kommandeur der Pei’yang-Flotte die Verteidigung Weihaiweis geleitet hatte, und mehrere seiner Stabsoffiziere Selbstmord. Die japanischen Truppen kontrollierten nun den Zugang zum Gelben Meer und bedrohten unmittelbar die Provinz Chihli, das »politische Herz Chinas«178, mit den Brennpunkten Tientsin und Peking. Da der militärische Widerstand gegen die japanische Invasion in Nordchina nach dem Fall von Weihaiwei vollständig zusammenbrach, beschloss der Große Rat unter dem Vorsitz des chinesischen Kaisers nur wenige Tage später, unmittelbare Friedensverhandlungen mit Japan aufzunehmen. Hoffmann resümierte in einem Bericht an den Kommandierenden Admiral: »Nach der Kapitulation von Wei-hai-wei, welche mit dem Eintreffen S.M.S. Irene [in Chefoo] zusammenfiel, trat ein ruhiger Zustand ein179.« Gleich177

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Knorr an Hollmann, 24.4.1895, BArch, RM 3/3080, Bl. 17; Tirpitz an Hollmann, 14.2.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 21; Marschall an Goltz, 9.3.1895, ebd., Bl. 24; Goltz an Marschall, 5.2.1895, ebd., Bl. 25; Hollmann an Marschall, 15.3.1895, ebd., Bl. 27 f.; Hoffmann an Knorr, 31.3.1895, ebd., Bl. 39-43, hier Bl. 39 f.; Hoffmann an Goltz, 27.2.1895, ebd., Bl. 61 f.; Schmidt an Goltz, 14.11.1894, BArch, RM 3/3174, Bl. 174 f.; Goltz an Hollmann, ebd., 15.2.1895, Bl. 182; Goltz an Hollmann, 25.2.1895, ebd., Bl. 183; Goltz an Dresky (Segelordre), 1.11.1894, BArch, RM 3/3180, Bl. 17 f.; Goltz an Marschall, 12.11.1894, ebd., Bl. 23; Marschall an Goltz, 24.11.1894, ebd., Bl. 31; Goltz an Marschall, 20.12.1894, ebd., Bl. 54; Dresky an Goltz, 8.2.1894, ebd., Bl. 82; Promemoria des OKM betreffend den Bericht des Gesandten in Tokio über Auslassungen des Times-Korrespondenten Thomsen bezüglich der Stärkeverhältnisse der Streitkräfte in Ostasien, o.D. [27.10.1894], BArch, RM 5/912, Bl. 9-12; Zusammenstellung der Promemorias des OKM zum Immediatvortrag am 12.11.1894, 9.12.1894, ebd., Bl. 28 f.; Notizen für den Immediatvortrag am 11.3.1895, 10.3.1895, ebd., Bl. 106 ff., hier Bl. 106; Zusammenstellung der Promemorias für den Immediatvortrag am 25.3.1895, 22.3.1895, ebd., Bl. 141 ff.; Die Kriegsflotten in den ostasiatischen Gewässern. In: Deutsche Marine-Zeitung, 2 (1895), 8; Die Kriegsflotten des Westens in den ostasiatischen Gewässern. In: Beilage zur Deutschen Marine-Zeitung, 2 (1895), 21; Berryman, Britain and the Sino-Japanese War, S. 34-44; Johnson, Far China Station, S. 236-244. Hoffmann an Knorr, 2.5.1896, BArch, RM 38/28a, Bl. 164-169, hier Bl. 164. Hoffmann an Goltz, 27.2.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 61 f., hier Bl. 61. Zur Eroberung von Weihaiwei durch die Japaner siehe u.a.: Denkschrift des OKM über die Einnahme von Wei-haiwei, o.D. [Mai 1895], BArch, RM 5/913, Bl. 12-17; Die Einnahme von Wei-hai-wei, S. 299-311;

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wohl dauerten die Kampfhandlungen noch bis Ende März an. In dieser Zeit eroberten die Japaner den nördlichen Teil der Liaotung-Halbinsel und die Pescadores-Inseln. Knapp einen Monat nach dem Beginn der Friedensverhandlungen in Shimonoseki und kurz vor dem Ablauf eines auf zwanzig Tage befristeten Waffenstillstandes akzeptierte die chinesische Regierung schließlich am 17. April die ihr diktierten, harten Friedensbedingungen: (1) Anerkennung der Unabhängigkeit Koreas; (2) Abtretung der Liaotung-Halbinsel, Formosas und der PescadoresInseln an Japan; (3) Zahlung einer Kriegsentschädigung in Höhe von 200 Millionen Taëls an Japan180; (4) Öffnung von vier weiteren Häfen für den Außenhandel, und (5) Öffnung des chinesischen Marktes für ausländische Direktinvestitionen181. b) Der Einspruch von Shimonoseki

Als sich die Niederlage Chinas, welche »der Welt die Existenz eines zweiten ›kranken Mannes‹ in Ostasien enthüllt[e]«182, Anfang 1895 abzuzeichnen begann und eine baldige gemeinsame Intervention Russlands, Frankreichs und Großbritanniens immer wahrscheinlicher schien, begann die Reichsleitung langsam von ihrer neutralen Haltung zu den Vorgängen in Ostasien abzurücken. Sie befürchtete, dass die deutschen Interessen bei einer Aufteilung Chinas unter den Großmächten zu kurz kommen und letztlich, wie Max von Brandt warnte, »mit am meisten unter einer Veränderung der bisherigen Lage der Dinge in Ostasien zu leiden haben würden«183, falls sie nicht ihre zurückhaltende Politik in der ostasiatischen Frage revidierte. Anfang März konstatierte Marschall in einem Gespräch mit Friedrich von Holstein, dienstältester Mitarbeiter in der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes und einer der maßgeblichen Architekten des außenpolitischen »Neuen Kurses«, dass es unmöglich gegenüber dem Kaiser und der deutschen öffentlichen Meinung sei, nur ruhig dabei zuzusehen, sollten sich Frankreich und Russland chinesische Gebiete einverleiben. Holstein war der gleichen Ansicht und riet ihm: »Dann müssen wir vorgehen, um entweder die japanischen Erwerbungen so zurückzuschrauben, daß niemand einen Vorwand hat, etwas für sich zu nehmen; oder um in der Aktion drinzusein und mitzugrapschen, wenn’s zum Grapschen kommt184.« Eine Aufteilung Chinas wollte die Reichsleitung nach Möglichkeit verhindern, deshalb ging Marschall am 6. März diplomatisch in die Offensive und riet der japanischen Regierung zu einer »Beschleunigung des Friedens und Mäßigung

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Mielichhofer, Der Kampf um Küstenbefestigungen, S. 72-76; Paine, The First Sino-Japanese War, S. 71-79. Umgerechnet entsprach diese Summe rund 770 Millionen Mark. Vgl. Währungen der Welt IV, S. 157. Der Vertragstext ist abgedruckt in: Treaties and Agreements with and concerning China, vol. 1, S. 18-25. Leroy-Beaulieu, Die chinesische Frage, S. 1. Mit dem ersten »kranken Mann« war, nach damaligem Sprachgebrauch, der »kranke Mann« am Bosporus gemeint: das Osmanische Reich. Brandt, Der chinesisch-japanische Conflict, S. 265. Holstein an Radolin, 18.6.1895, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 3, Nr. 470.

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in den Bedingungen«185, um nicht eine Intervention der Großmächte zu provozieren. Dieser diplomatische Vorstoß beinhaltete auch ein deutliches Signal an die europäischen Kabinette: Das Deutsche Reich war gewillt, seine Interessen in Ostasien aktiv zu vertreten186. Die Umsetzung der kaiserlichen Drohung, im Laufe des Jahres 1895 alle Schiffe der Kreuzerdivision ersatzlos aus Ostasien abzuziehen187, wurde von der Reichsleitung zu keiner Zeit ernsthaft erwogen. Nachdem der Reichstag Anfang März die vier beantragten Kreuzerneubauten genehmigt hatte, gab es dazu auch keinen Grund mehr. Im Gegenteil: Wenige Tage nach seinem Dienstantritt als neuer Kommandierender Admiral am 4. März forderte Eduard Knorr188, ein leidenschaftlicher Vertreter der Jeune École, weitere Kreuzer für den Auslandsdienst abzustellen. Einen Monat später konnte er sich mit dieser Forderung schließlich durchsetzen. Ausschlaggebend dafür waren die vernichtende Niederlage Chinas gegen Japan, die das Gleichgewicht der Mächte in Ostasien erschütterte, und besonders die japanischen Friedensbestimmungen. Am 19. April, kurz nach dem Friedensschluss von Shimonoseki, schickte die Reichsleitung zwei weitere Kriegsschiffe nach Ostasien: zum einen den geschützten Kreuzer »Prinzeß Wilhelm«, das Schwesterschiff der »Irene«, als Ersatz für »die klapprige Marie«189 und zum anderen, angeblich »durch den schwer empfundenen Mangel an tüchtigen, großen Auslandsschiffen gedrängt«190, das dafür eigentlich völlig ungeeignete, einundzwanzig Jahre alte Panzerschiff »Kaiser« als neues Flaggschiff der Kreuzerdivision. Zwar blieb das deutsche maritim-militärische Aufgebot im Fernen Osten immer noch sehr gering im Vergleich zu den Geschwadern der Briten, Franzosen und Russen, ganz zu schweigen von der japanischen Flotte, aber nie zuvor hatte das Deutsche Reich eine solch schlagkräftige Streitmacht nach Übersee entsandt191. Mit der Verstärkung der Kreuzerdivision wollte die Reichsleitung sowohl Japan als auch den an-

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Marschall an Gutschmid. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2226. Marschall, 18.3.1896. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 144, S. 1539 f.; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 150 ff.; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 131 f.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 95-114. Siehe Kap. III.a.; siehe auch: Marschall an Knorr, 25.10.1895, BArch, RM 5/5928, Bl. 45 f. Knorr war für die Zeit vom 4.3. bis zum 13.3.1895 zur Vertretung des erkrankten Goltz kommandiert worden, anschließend übernahm er formell dessen Posten für knapp vier Jahre. Vgl. Wilhelm II. an Goltz (Kabinettsordre), 4.3.1895, BArch, RM 4/159, Bl. 50; Wilhelm II. an Knorr (Kabinettsordre), 13.5.1895, ebd., Bl. 88. Hoffmann an Senden-Bibran, 2.3.1895, BArch, N 160/9, Bl. 13 f., hier Bl. 13. Auszug aus einer Ansprache Wilhelms II. an die Besatzung des »Kaiser« nach dessen Rückkehr aus Ostasien in Danzig am 26.9.1899, zit. in: Wilhelm II., Das persönliche Regiment, S. 27. Anfang April 1895, kurz vor der Entsendung der »Prinzeß Wilhelm« und des »Kaiser« nach Ostasien, verfügte das Deutsche Reich über 6 Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern. Demgegenüber standen 27 britische, 16 russische, 12 französische, 8 amerikanische und 3 italienische Kriegsschiffe. Die deutsche Kreuzerdivision war den Geschwadern der Briten, Russen und Franzosen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ deutlich unterlegen. Vgl. Die Kriegsflotten des Westens in den ostasiatischen Gewässern. In: Beilage zur Deutschen Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 21.

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deren Großmächten gegenüber ihre Entschlossenheit demonstrieren, sich aktiv und nachdrücklich für die deutschen Interessen in Ostasien einzusetzen192. Der Divisionschef war – aus der Sicht eines Soldaten vollkommen verständlich – unzufrieden mit dem ihm zur Verfügung gestellten Kriegsmaterial. Das brachte er im Frühjahr 1895 in zwei Privatbriefen an den Chef des Marinekabinetts, Konteradamiral Gustav Freiherr von Senden-Bibran, deutlich zum Ausdruck: Er freue sich zwar, heißt es darin, nun mit der »Irene« über ein Flaggschiff zu verfügen, das Deutschland würdevoll neben den anderen Admiralsschiffen vertrete. Allerdings bereitete ihm der hohe Kohlenverbrauch des Schiffes große Sorgen, da es über keine Takelage verfügte und somit abhängig von der Nutzung der britischen Kohlenstationen sei193. Er bedauerte ausdrücklich die Rückbeorderung der »Alexandrine« in die Heimat. »Namentlich in der Südsee ist so ein altes Holzschiff wie die Alexandrine noch für lange Zeit gut«, schrieb er an Senden-Bibran, »hier in China allerdings nicht mehr. Warum sollte man nicht die getakelten Schiffe als Stationäre verwenden«, fragte er, »und dafür kleine Kreuzer von höherem Gefechtswerth der Kreuzerdivision beigeben194?« Scharf kritisierte Hoffmann in diesem Zusammenhang die Instrumentalisierung seines Überseegeschwaders für marinepolitische Zwecke. Dies schade einerseits der Kaiserlichen Marine, andererseits der deutschen Chinawirtschaft und der gesamten deutschen Außenpolitik weit mehr, als es ihnen nütze: »Sehr liegt mir nun daran Ihnen zu beweisen, daß es eine ganz falsche Politik sein würde, wollte man keine Schiffe mehr ins Ausland schicken, in der Hoffnung, es werde sich darob ein Sturm des Unwillens oder ein Nothschrei der Deutschen im Auslande erheben. So günstig liegen die Verhältnisse für uns gar nicht mehr. Wenn der Deutsche Schutz braucht, so wendet er sich an den englischen Admiral und wird stets auf die ku-

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Knorr an Jaeschke (Segelordre), 19.4.1895, BArch, RM 3/3080, Bl. 15 f.; Knorr an Hollmann, 21.3.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 31; Knorr an Holtzendorff (Segelordre), 19.4.1895, BArch, RM 3/3198, Bl. 128 f.; Von der Kreuzerdivision. In: Deutsche Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 19; Mohl, Fünfzig Jahre Reichsdienst, S. 281 f.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 175 ff., 184. Je nach Qualität der Kohlen verbrauchte die »Irene« auf 100 Seemeilen bei einer Marschgeschwindigkeit von 7-9 Knoten zwischen 19 tons (Cardiff-Kohle) und 25,3 tons (japanische Müke-Kohle) des fossilen Brennstoffes. Bei forcierter Fahrt mit Gefechtgeschwindigkeit hatte sie einen geschätzten Tagesverbrauch zwischen 176 tons (Müke-Kohle, maximale Geschwindgkeit: 15 Knoten) und 204 tons (Cardiff-Kohle, maximale Geschwindigkeit: 17,5 Knoten) Kohlen. »Das Schiff frisst sich so zu sagen selbst auf«, klagte Hoffmann, denn es verbrauche sogar »10 tons im Hafen täglich!« Das maximale Kohlenfassungsvermögen betrug 640 tons. Allerdings durften die Seitenzellen über dem Panzerdeck gemäß einer Verfügung des OKM ab Dezember 1894 nicht mehr zur Einlagerung von Kohlen benutzt werden, wodurch sich das Fassungsvermögen um 100 auf 540 tons verringerte. Durch den hohen Kohlenverbrauch war der Aktionsradius des Schiffes erheblich eingeschränkt. Zitate aus: Hoffmann an Senden-Bibran, 2.3.1895, BArch, N 160/9, Bl. 13 f., hier Bl. 13. Vgl. Dresky an Hoffmann, 25.3.1896, BArch, RM 3/3180, Bl. 110 ff.; siehe auch: Holtzendorff an Hoffmann, 27.9.1895, BArch, RM 3/3198, Bl. 157-164, hier Bl. 157. Hoffmann an Senden-Bibran, 20.4.1895, BArch, N 160/9, Bl. 36-40, hier Bl. 39. Das OKM und die Kriegswissenschaftliche Abteilung der Marine plädierten noch zwei Jahre später in ähnlicher Weise für den weiteren Einsatz der alten Kreuzerkorvetten der »Olga«-Klasse auf den Auslandsstationen, besonders der Australischen und der Ostafrikanischen Station, was jedoch der Kaiser ablehnte. Vgl. Denkschrift des OKM zum Immediatvortrag über die Verwendung der Schiffe der Olga-Klasse im Auslande (mit Anlage), 30.1.1897, BArch, RM 3/3012, Bl. 34-41; Randbemerkung Hollmanns zu ebd., Bl. 34.

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lanteste Weise bedient. Er muß natürlich nicht den englischen Interessen entgegen arbeiten. Aber das thut er ja auch nie. Unsere Landsleute sind die fleißigsten Arbeiter für die englischen Interessen und England ist stets bereit ihnen Schutz zu gewähren. Die Konsequenz dieser Irrlehre ist also einfach die, daß wir unsere Kaufleute zu der Ueberzeugung bringen, es bedürfe einer deutschen Marine gar nicht, da ja die englische aufs Zuvorkommendste sorgt, wo es erforderlich ist. [...] Die Hinaussendung der Schiffe [›Kaiser‹ und ›Prinzeß Wilhelm‹] zeigt mir, daß man auf den Nothschrei aus dem Auslande auch nicht erst warten will. Sie zeigt mir aber auch, daß man mit der Unwahrheit brechen will, welche unsere Marineforderungen so haltlos gemacht haben. Ich meine damit die Tendenz Schiffe für Zwecke zu fordern, für welche man sie nicht gebrauchen will. Glauben Sie mir, lieber Senden, wenn wir ein leistungsfähiges Geschwader im Auslande haben und es bietet sich die Gelegenheit damit etwas zu leisten, dann erhalten Sie gleich die Majorität im Reichstage. Durch Siege macht man Stimmung, aber nicht durch Niederlagen. Greifen wir hier [in China] überraschend und fest zu, so können wir noch etwas Deutschthum retten, wenn nicht, so haben die Deutschen hier nur englische Interessen gefördert und die chinesischen Vertragshäfen werden einfach englisch195.«

Mit seinen Einschätzungen über die zukünftige Baupolitik der Marine lag Hoffmann völlig falsch, denn »Hollmann war schon zu sehr in das Lügengewebe verstrickt, mit dem er den Reichstag hatte fesseln wollen, daß er nun selbst nicht mehr zurück konnte«196. Die Hinaussendung der beiden gepanzerten Kriegsschiffe hingegen war, wie Hoffmann vermutete, tatsächlich gepaart mit dem Willen der Reichsleitung, die deutschen Interessen in Ostasien, besonders in China, mittels eigener Streitkräfte abzusichern und durchzusetzen. Allerdings war dies nur im Zusammenwirken mit den anderen europäischen Großmächten und den USA möglich, denn auf sich allein gestellt hatte die deutsche Kreuzerdivision dem Marineaufgebot der anderen in Ostasien engagierten Mächte nicht viel entgegenzusetzen. Die Patriotisierung der Auslandsdeutschen in China, wie sie Tirpitz einige Jahre später zu forcieren versuchte, spielte nur eine untergeordnete Rolle. Mit der deutschen Abhängigkeit in Übersee vom Wohlwollen der anderen Großmächte, vor allem von Großbritannien, verwies Hoffmann auf ein grundsätzliches Problem sowohl für die Auslandsdeutschen, die vielerorts auf den Schutz der britischen Marine, als auch für die deutschen Kriegsschiffe in den außerheimischen Gewässern, die vielerorts auf die Nutzung der britischen Versorgungsbasen angewiesen waren. Bismarck hatte die Gründung von überseeischen Flottenstationen aus gesamtpolitischen Gründen stets abgelehnt, ebenso sein Nachfolger Caprivi. Im Zuge des Chinesisch-Japanischen Krieges jedoch erhob die Reichsleitung die Errichtung einer Flottenstation an der chinesischen Küste zum primären Ziel ihrer Ostasienpolitik197. Bereits im Laufe des Jahres 1893 hatte die Reichsleitung ihre Außenpolitik neu auszurichten begonnen. Anstatt weiterhin primär auf eine engere Anbindung 195 196

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Hoffmann an Senden-Bibran, 20.4.1895, BArch, N 160/9, Bl. 36-40, hier Bl. 36 ff. Kehr, Schlachtflottenbau und Parteipolitik, S. 52. Zur Hollmannschen Baupolitik allgemein siehe: ebd., S. 25-71; Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 77-107; Hallmann, Der Weg zum deutschen Schlachtflottenbau, S. 69-237. Hoffmann an Senden-Bibran, 2.3.1895, BArch, N 160/9, Bl. 13 f.; Hoffmann an Senden-Bibran, 20.4.1895, ebd., Bl. 36-40.

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Großbritanniens an den Dreibund hinzuarbeiten, was aufgrund des raschen Zerfalls der deutsch-britischen Entente in überseeischen Fragen wenig aussichtsreich erschien198, versuchte sie nun eine Annäherung an Russland herbeizuführen und dadurch die für Deutschland gefährliche russisch-französische Allianz aufzubrechen – allerdings ohne durchschlagenden Erfolg199. Große Bedeutung maß die Reichsleitung dabei dem Abschluss eines neuen Handelsvertrages mit dem Zarenreich im März 1894 bei, dessen politische Dimension für Wilhelm II. weit über eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen hinausging: »Unsere Suprematie sei nicht nur durch unser Heer, sondern auch durch die Handelspolitik Europa vor Augen zu führen«200, hatte er kurz vor dem Vertragsschluss im Kronrat verkündet. Suprematie durch militärische Stärke und wirtschaftliche Überlegenheit lautete somit das neue Credo der deutschen Außenpolitik. Bis zur Implementierung des Tirpitz-Plans um die Jahrhundertwende spielte die Marine dabei nur eine untergeordnete Rolle201. Die militärische Großmachtstellung des Deutschen Reiches begründete sich einzig und allein auf seine schlagkräftige Armee. Sie bildete das Rückgrat deutscher Machtpolitik sowohl in Europa als auch in Übersee. Infolge des Chinesisch-Japanischen Krieges ergab sich für das Deutsche Reich eine konkrete Möglichkeit zur Annährung an Russland aufgrund gemeinsamer Interessen in Ostasien, denn auch das Zarenreich war strikt dagegen, dass sich Japan auf dem chinesischen Festland festsetzte. Allerdings entsprang die Haltung der Russen in dieser Frage, im Gegensatz zu dem überwiegend »kontinentaleuropäische[n] Kalkül«202 der Deutschen, vitalen regionalen Interessen, nämlich der Sicherung ihrer verwundbaren Fernost-Grenze und, damit unmittelbar einhergehend, der Absicherung ihres wichtigsten militärstrategischen Bauprojekts, der Transsibirischen Eisenbahn203. Wilhelm II. versuchte, die russischen Ängste vor der »Gelben Gefahr«204 gezielt auszunutzen und daraus ein ideologisches Fundament für das angestrebte weltpolitische Bündnis mit Russland zu formen. Deshalb wurde er auch nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg nicht müde, seinen Vetter Zar Nikolaus II. auf die »große Zukunftsfrage« hinzuweisen, die seiner Ansicht nach »für Rußland darin liegt, seine Aufmerksamkeit Asien zuzuwenden, und das Kreuz und die alte christlich-europäische Kultur gegen Eingriffe der Mongolen und des Buddhismus zu verteidigen«205. Besonderen Ausdruck fand die wilhelminische 198 199 200 201 202 203 204

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Siehe dazu: Lahme, Deutsche Außenpolitik 1890-1894, S. 438-487. Siehe dazu: ebd., S. 428-437; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 115-137; Weitowitz, Deutsche Politik und Handelspolitik unter Reichskanzler Leo von Caprivi, S. 243-299. Kronratsprotokoll, 18.2.1894, zit. nach: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 122. Siehe dazu: Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 122-141. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 148. Siehe dazu u.a.: Geyer, Der russische Imperialismus, S. 144-151; Semjonow, Sibirien, S. 363-383. Zur Geschichte des Schlagwortes »Gelbe Gefahr« siehe: Gollwitzer, Die gelbe Gefahr; Mehnert, Deutschland, Amerika und die »Gelbe Gefahr«. Zu den russischen Ängsten bezüglich der »Gelben Gefahr« siehe: Gollwitzer, Die gelbe Gefahr, S. 94-120. Wilhelm II. an Nikolaus II., 10.7.1895, zit. in: Wilhelm II., Briefe, S. 15; siehe dazu auch: Wilhelm II., Ereignisse und Gestalten, S. 66 ff. Die Reichsleitung spekulierte bei der Ablenkung Russlands nach Asien vor allem auf eine Entlastung der deutschen Ostgrenze, infolge derer sie

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Heraufbeschwörung der »Gelben Gefahr« in dem berühmt-berüchtigten, vom Kaiser selbst entworfenen Bild mit dem Titel »Völker Europas, wahret eure heiligsten Güter«, das er dem Zaren im Herbst 1895 überreichen ließ206. Es zeigt die zum Kreuzzug gerüsteten europäischen Schwestern, angeführt vom Erzengel Michael als dem Schutzpatron der Deutschen, vor dem Hintergrund einer blühenden Kulturlandschaft, die bedroht wird von sengenden und plündernden asiatischen Horden, symbolisch dargestellt durch eine Buddhafigur, die in den drachenförmigen Rauchschwaden einer brennenden Stadt thront und »mit stieren, kalten Augen auf die Zerstörung blickt«207. Als Mitte März 1895 die inoffiziellen japanischen Friedensbedingungen an China bekannt wurden, die unter anderem die Abtretung der Liaotung-Halbinsel mit der wichtigen Seefestung Port Arthur an Japan zum Inhalt hatten, verstärkte Russland umgehend seine Landstreitkräfte in Wladiwostok um mehrere Tausend Mann und gleichzeitig seine Seestreitkräfte in den fernöstlichen Gewässern auf 16 Kriegsschiffe208. Während die britische Regierung keinerlei Interesse an einer Intervention gegen Japan zeigte, mit diesem sogar zu sympathisieren schien, ergriff die Reichsleitung nun die Initiative und signalisierte der russischen Regierung ihre Bereitschaft zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Japan. Am 8. April, kurz nachdem die japanischen Forderungen an China vollständig bekannt geworden waren, begann sich die Zusammenarbeit der beiden Mächte zu konkretisieren: Auf Anfrage des russischen Außenministers Aleksandr Lobanov erklärte sich die Reichsleitung bereit, gemeinsam mit den anderen europäischen Mächten, »event[uel]l auch ohne England«209, bei der japanischen Regierung »in freundschaftlicher Weise«210 gegen die Annexion der Liaotung-Halbinsel zu protestieren und für den status quo ante bellum auf dem chinesischen Festland einzutreten. Aus deutscher Sicht schien diese Bindung an das Zarenreich in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft, denn dadurch wurden nicht nur die kommerziellen Interessen des Deutschen Reiches in China gewahrt, sondern, so hoffte die Reichsleitung, auch das Verhältnis zum Zarenreich und damit die eigene Machtstellung in Europa sowie die Ausgangslage zur Erwerbung eines Stützpunktes an der chinesischen Küste verbessert. Besonders Wilhelm II. war fest davon überzeugt, dass Russland, »wenn offen von uns unterstützt«, im Gegensatz zu Großbritannien »auch unseren

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sich eine Erhöhung ihres außenpolitischen Spielraumes erhoffte. Vgl. Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, Bd 1, S. 109-112. Siehe dazu: Moltke, Erinnerungen, S. 190 ff. (Tagebuchaufzeichnung vom 2.10.1895); Gollwitzer, Die gelbe Gefahr, S. 206-212; Mehnert, Deutschland, Amerika und die »Gelbe Gefahr«, S. 110 f.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 156 ff. Moltke, Erinnerungen, S. 191 (Tagebuchaufzeichnung vom 2.10.1895). Die Kriegsflotten in den ostasiatischen Gewässern. In: Deutsche Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 8; Die Kriegsflotten des Westens in den ostasiatischen Gewässern. In: Beilage zur Deutschen Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 21. Randbemerkung Wilhelms II. zu Marschall an Tschirschky, 8.4.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2237, S. 265. Ebd.

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Wünschen gerecht werden [wird]«211. Just zu dem Zeitpunkt, als die Reichsleitung »unmißverständlich auf Interventionskurs«212 abgedriftet war, erklärte die britische Regierung, dass sie einer solchen Intervention definitiv fernbleiben werde213. Frankreich hingegen stimmte Lobanovs Vorschlag, wenn auch nur widerwillig zu, um nicht das junge Militärbündnis mit Russland, den neuen Eckpfeiler der französischen Außen- und Sicherheitspolitik, aufs Spiel zu setzen. Als Japan am 17. April den Friedensvertrag von Shimonoseki trotz der Ratschläge und Mahnungen der Großmächte ohne Abstriche durchsetzte, intervenierten Russland, Frankreich und das Deutsche Reich schließlich sechs Tage später gemeinsam bei der japanischen Regierung zugunsten Chinas gegen die Annexion der Liaotung-Halbinsel. Der deutsche Gesandte in Tokio, Felix Freiherr von Gutschmid, exponierte sich dabei entgegen seinen Instruktionen durch eine besonders scharfe Wortwahl, wodurch dass deutsch-japanische Verhältnis nachhaltig beschädigt wurde214. Anders als auf dem diplomatischen Parkett, wo es nur zu geringen Abstimmungsschwierigkeiten kam215, verlief die militärische Kooperation der jungen Bündnispartner vollkommen chaotisch. Grund dafür war die mangelhaft abgestimmte und unzureichende Instruktion ihrer in Ostasien stationierten Marinegeschwader216. Hoffmann wurde erst am 26. April, drei Tage nach dem Einspruch von Shimonoseki, telegrafisch vom Oberkommando der Marine über die Tripleintervention informiert: »Russland erhebt Einspruch gegen Abtretung Liaotongs an Japan. Seiner Vorstellung schliesst sich Deutschland und Frankreich an. Russland beabsichtigt wenn nothwendig Gewalt. Unterstützung Deutschlands zunächst nur diplomatisch. Zukünftige militärische Einmischung durch Deutschland indes nicht ausgeschlossen217.« Knorr befahl Hoffmann, seine Schiffe in einem Nordhafen Chinas zu versammeln und »im Sinne gemeinschaftlicher Interessen«218 die Annäherung mit dem russischen Geschwaderchef, Vizeadmiral Pavel P. Tyrtov, zu suchen, der kurz zuvor von seiner Regierung in ähnlicher Weise instruiert worden 211 212 213

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Zitate aus: Randbemerkung Wilhelms II. zu einem Bericht des deutschen Botschafters in Wien an Hohenlohe, 7.4.1895, PAAA, R 18119, Bl. 122. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 126. Hatzfeldt an AA, 8.4.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2239; siehe auch: Hatzfeldt an AA, 6.4.1895. In: Ebd., Nr. 2236; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 17 ff. Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 149-154; Franke, Die Großmächte in Ostasien von 1894 bis 1914, S. 76-92; Hayashi, The Secret Memoirs, S. 73-79; Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 67-80; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 1, S. 256-308; Neilson, Britain, Russia and the Sino-Japanese War, S. 7-18; Otte, The China Question, S. 54-73; Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, Bd 1, S. 102-114; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 115-128. Mutsu, Kenkenroku, S. 204. Zum diplomatischen Hergang der Tripleintervention allgemein siehe: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 129-142. Rolf-Harald Wippichs Darstellung, wonach Unstimmigkeiten zwischen dem deutschen Gesandten in Tokio und dem Chef der Kreuzerdivision die Kooperation der verbündeten Seestreitkräfte beeinträchtigt und deren wirkungsvolles Auftreten im Gelben Meer verhindert hätten, ist falsch. Vgl. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 142 f. Knorr an Hoffmann, 26.4.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 4 (Hervorhebungen im Original). Ebd.

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war219. Gleichzeitig untersagte Knorr dem Divisionschef, sich ohne besonderen Befehl »an feindseliger Aktion [gegen Japan] oder an Handlungen, die [eine solche] Aktion einleiten«220, zu beteiligen. Die Schiffe der Kreuzerdivision waren zu diesem Zeitpunkt an verschiedenen Orten entlang der chinesischen Küste eingesetzt. Hoffmann selbst befand sich mit der »Irene« in Chefoo, wohin er nun die »Iltis« und die »Marie«, etwas später auch die »Arcona« dirigierte. So, wie die neuen Befehle des Oberkommandos der Marine formuliert waren, vermittelten sie Hoffmann nicht den Eindruck besonderer Dringlichkeit. Aus diesem Grund trat er weder mit dem russischen noch mit dem französischen Geschwaderchef, die sich beide in Nagasaki aufhielten, unmittelbar in Kontakt. Umso überraschter war er, als sich am 30. April zwei ebenfalls in Chefoo liegende russische Kriegsschiffe auf Befehl von Tyrtov unter sein Kommando begeben wollten. Hoffmann lehnte dies ab, weil er bis dahin keinerlei Instruktionen für eine gemeinsame Aktion mit den russischen Streitkräften erhalten hatte. Diese erreichten ihn erst am 5. Mai telegrafisch aus Berlin: Er solle, befahl ihm Knorr, mit dem russischen und dem französischen Admiral verabreden, welche konkreten militärischen Maßregeln auszuführen seien, falls die Verhandlungen mit Japan scheiterten. Die Hauptaufgabe wäre in diesem Fall, die japanischen Truppen in China vom Mutterland abzuschneiden. Abschließend stellte Knorr klar: Die »Bestimmung des Augenblicks wo diesseits [die] Verhandlungen als gescheitert anzusehen [sind,] bleibt [der Reichsleitung] vorbehalten«221. Nur einen Tag später traf Admiral Tyrtov in Chefoo ein, der dort inzwischen elf seiner Kriegsschiffe konzentriert hatte222. Die Konsultationen zwischen den beiden Admiralen verliefen ergebnislos. Tyrtov »scheint ohne festen Plan«, telegrafierte Hoffmann noch am selben Tag an das Oberkommando der Marine, und »ist nicht geneigt, militärische Massregeln [sic] schon jetzt zu vereinbaren, legt nur Gewicht auf gemeinschaftliche Demonstration, Gewalt-Anwendung [liegt ihm] fern«223. Allerdings beobachtete der Divisionschef in den darauffolgenden Tagen, dass die russischen Kriegsschiffe anfingen, »dauernde Vorbereitungen für das Gefecht zu treffen«224. Zu Konsultationen mit dem französischen Geschwaderchef bot sich Hoffmann keine Gelegenheit. Konteradmiral Olivier de Beaumont ließ sich als »ungenügend instruirt«225 entschuldigen und war gar nicht erst nach Chefoo gekommen. Die französische Regierung hatte ihn bewusst nicht dorthin geschickt, um eine militärische Konfrontation mit den Japanern zu vermeiden. Sie rechnete fest damit, dass die japanische Regierung den Einspruch von Shimonoseki zurückweisen würde, da 219 220 221 222

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Nikolaus II. an Wilhelm II., 19.4.1895, PAAA, R 18122, Bl. 251. Ebd. Knorr an Hoffmann, 4.5.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 9. Das russische Pazifikgeschwader umfasste zu dieser Zeit insgesamt 16 Kriegsschiffe. Vgl. Die Kriegsflotten in den ostasiatischen Gewässern. In: Deutsche Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 8; Die Kriegsflotten des Westens in den ostasiatischen Gewässern. In: Beilage zur Deutschen MarineZeitung, 2 (1895), S. 21. Hoffmann an Knorr, 6.5.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 10. Dresky an Knorr, 1.6.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 64-73, hier Bl. 68. Knorr an Hoffmann, 26.4.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 4.

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sich Großbritannien nicht daran beteiligt hatte, und wollte sich für diesen Fall zunächst mit der russischen Regierung konsultieren, bevor sie in irgendeiner Weise weiter gegen Japan vorging226. Ab dem 4. Mai stand Hoffmann in direktem telegrafischem Kontakt mit dem deutschen Gesandten in Peking, der ihn über den Fortgang der diplomatischen Ereignisse auf dem Laufenden hielt. Um den Nachrichtenverkehr sicherzustellen, hatte er extra seinen Flaggleutnant nach Peking abkommandiert. Über diesen Kanal erfuhr er schließlich am 8. Mai, dass die Japaner in der Liaotung-Frage eingelenkt und die Chinesen den modifizierten Friedensvertrag akzeptiert hatten. Für Hoffmann kam diese Nachricht keineswegs überraschend, denn in den beiden Tagen zuvor waren bereits die zum endgültigen Abschluss des Friedens bestimmten chinesischen und japanischen Kommissäre in Chefoo eingetroffen. Noch am Abend des 8. Mai, gegen 22 Uhr, wurde der Chinesisch-Japanische Krieg offiziell durch die Ratifizierung des Friedensvertrages im dortigen Beach-Hotel beendet227. Ungeachtet dessen fuhren die russischen Kriegsschiffe – sehr zur Verwunderung des deutschen Divisionschefs – in den darauffolgenden Tagen mit ihren Gefechtsvorbereitungen fort, obwohl die Lage ruhig und stabil war. Zu weiteren Konsultationen mit Tyrtov kam es nach dem Friedensschluss nicht mehr, Beaumont blieb weiterhin in Nagasaki. Hoffmann entschied schließlich im Alleingang, seine Schiffe am 13. Mai von Chefoo nach Shanghai zu verlegen, um dort einen lange geplanten, turnusmäßigen Besatzungswechsel durchzuführen. Zudem ließ er in Absprache mit der deutschen Gesandtschaft in Peking sämtliche an Land stationierten Schutzwachen abziehen228. Einzige Ausnahme bildete eine 26 Mann starke Schutzwache in Tuatutia im Norden Formosas. Diese hatte Hoffmann erst Ende April, kurz vor der Übergabe der Insel an die Japaner, dort präventiv zur Sicherung der örtlichen europäischen Konsulate und Wohnhäuser stationiert. Der lokale chinesische Gouverneur hatte sich außer Stande erklärt, weiterhin für deren Sicherheit zu garantieren, sollte es zu 226

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Ebd.; Dresky an Knorr, 1.6.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 64-73, hier Bl. 64-67; Rogestvensky an Hoffmann, 30.4.1895, ebd., Bl. 5; Hoffmann an Rogestvensky, 1.5.1895, ebd., Bl. 6 f.; Knorr an Hoffmann, 4.5.1895, ebd., Bl. 9; Hoffmann an Knorr, 6.5.1895, ebd., Bl. 10; AA an Hollmann, 4.5.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 16; Hatzfeldt an AA, 24.4.1895, PAAA, R 18124, Bl. 132; Aufzeichnung Hohenlohes, 26.4.1895, PAAA, R 18126, Bl. 78 ff.; Gutschmid an AA, 1.5.1895, R 18128, Bl. 74 f.; Radolin an AA, 2.5.1895, ebd, Bl. 105 f. Wippichs Darstellung, wonach sowohl das gesamte russische als auch das gesamte französische Ostasiengeschwader Anfang Mai von Nagasaki nach Chefoo verlegt worden seien, ist falsch. Vgl. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 142 f. Quasi als Dank für das rasche Einlenken nach dem Einspruch von Shimonoseki verlieh Kaiser Wilhelm II. dem Tenno einen Monat später die Kette zum Schwarzen Adlerorden. Es lag »im politischen Interesse« der Reichsleitung, dass Hoffmann als Chef der Kreuzerdivision in Ostasien an der Verleihungszeremonie teilnahm. Allerdings litt er zu dieser Zeit an Nierentyphus, so dass der Kommandant der »Arcona«, Korvettenkapitän Georg Sarnow, seine Vertretung übernahm. Zitat aus: OKM an Hollmann, o.D. [August 1895], BArch, RM 3/6107, Bl. 44. Vgl. ebd.; Gutschmid an Hoffmann, 22.5.1895, BArch, RM 3/6107, Bl. 42; Hoffmann an Knorr, 24.5.1895, ebd., Bl. 42. Dresky an Knorr, 1.6.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 64-73; Schenck an Hoffmann, 4.5.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 8; Hoffmann an Schenck, 6.5.1895, ebd., Bl. 12; Schenck an Hoffmann, 8.5.1895, ebd., Bl. 13.

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Ausschreitungen oder gar zum Aufstand gegen die japanischen Besetzer kommen. Anfang Mai ließ Vizeadmiral Fremantle zusätzliche Schutzwachen in den drei wichtigsten Häfen Formosas landen, um die ortsansässigen britischen Händler zu schützen, darunter 30 Soldaten unter der Führung eines deutschsprachigen (!) Offiziers in Tamsui, die einvernehmlich mit ihren deutschen Kameraden im nahen Tuatutia kooperierten. Drei Wochen später brach im Norden der Insel tatsächlich eine Erhebung gegen die japanische Okkupation los, angeführt vom ehemaligen chinesischen Gouverneur der Insel, der sich inzwischen zum Präsidenten einer unabhängigen Republik Formosa erklärt hatte. Die Japaner reagierten rasch und mit harter Hand: Binnen Wochenfrist landeten sie Truppen auf der Insel und begannen, den Aufstand brutal niederzuschlagen. Hoffmann entsandte sofort die Kanonenboote »Wolf« und »Iltis« zum Schutz der Ausländer nach Tamsui. An der Aktion beteiligte sich auch ein britisches Kanonenboot. Zu gravierenden Zwischenfällen kam es nicht. Das einzige nennenswerte Vorkommnis war am 6. Juni ein kurzes Feuergefecht des »Iltis« mit dem Südfort in Tamsui, wodurch das Auslaufen eines von den Aufständischen gecharterten deutschen Dampfers mit etwa 900 chinesischen Soldaten und Regierungsvertretern, zwei amerikanischen Militärinstrukteuren sowie einer Geldsumme von etwa 100 000 Taëls an Bord erzwungen wurde. Der Kommandant des »Iltis« rechtfertigte diese diplomatisch heikle Aktion mit den anarchischen Zuständen, die zu dieser Zeit in Tamsui vorherrschten, und deretwegen er sich »nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet fühlte, dem die deutsche Flagge führenden Dampfer jede Unterstützung dem gesetzlosen Gesindel gegenüber angedeihen zu lassen«229. Zwei Tage später brachten japanische Truppen Tamsui und Tuatutia unter ihre Kontrolle. Der neue Gouverneur Formosas, ein japanischer Stabsoffizier, garantierte sofort den Schutz aller Ausländer auf der Insel und bat sowohl die Briten als auch die Deutschen, ihre an Land stationierten Soldaten abzuziehen. Da die Lage ruhig und verhältnismäßig stabil schien, entsprachen Hoffmann und Fremantle dieser Bitte und zogen in den darauffolgenden Tagen die Schutzwachen ab230. Der sogenannte Ostasiatische Dreibund war ein ad hoc geschmiedetes, diplomatisches Zweckbündnis. Eine Kooperation der verbündeten Seestreitkräfte im Krisengebiet kam nicht zustande, weil die Geschwaderchefs unzureichend, ungenau und meist zu spät von ihren Regierungen instruiert wurden, so dass keine koordinierten Kriegsvorbereitungen getroffen werden konnten. Nummerisch je229 230

Auszug aus dem Bericht des Kommandanten S.M. Kanonenboots »Iltis«, Kapitänlieutenant Ingenohl, über die Vorgänge in Tamsui, zit. in: Marine-Rundschau, 6 (1895), 9, S. 495-506, hier S. 502. Merz an Hohenlohe, 7.6.1895, BArch, RM 2/1854, Bl. 216 f.; Merz an Hohenlohe, 9.6.1895, ebd., Bl. 219; Ingenohl an Knorr, 11.6.1896, BArch, RM 3/3108, Bl. 21-41; Timme an Hoffmann, 8.6.1896, ebd., Bl. 48-51; Hoffmann an Knorr, 1.7.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 47; Hoffmann an Knorr, 30.4.1895, ebd., Bl. 54-59; Dresky an Knorr, 1.6.1895, ebd., Bl. 64-73, hier Bl. 71 ff.; Immediatvortrag des OKM über die Vorgänge in Tamsui und Tuatutia, 28.7.1895, BArch, RM 5/913, Bl. 87-97; Auszug aus dem Bericht des Kommandanten S.M. Kanonenboots »Iltis«, Kapitänlieutenant Ingenohl, über die Vorgänge in Tamsui, zit. in: Marine-Rundschau, 6 (1895), 9, S. 495-506; Fremantle, Fünfzig Jahre zur See, S. 540 f.; Weggel, Die Geschichte Taiwans, S. 62-66; siehe auch: Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 81-88; Richter, Sr. Maj. Kanonenboot »Iltis«, S. 48-52.

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doch bildeten sie eine schlagkräftige »fleet-in-being«, deren Präsenz allein genügte, um Japan ohne jegliche Gewaltanwendung zum Einlenken zu bewegen. Allein Russland hatte im März 1895 sein Pazifikgeschwader auf insgesamt 16 Schiffe verstärkt231 und verfügte »über das einzige wirklich auch an Panzerschiffen starke Geschwader in den ostasiatischen Gewässern«232. Lawrence Sondhaus konstatiert zu Recht: »The coalition’s ability to pressure Japan depended primarily on naval forces, since Japan relied on its navy to reach the Asian mainland. If the interfering powers cut these sea lines of communication, Japan could not sustain forces there233.« Angesichts dieser für Japan prekären Lage konnte das Hauptziel der Tripleintervention schon nach wenigen Tagen erreicht werden: Mit der Ratifizierung des modifizierten Friedensvertrages von Shimonoseki am 8. Mai 1895 wurde ein Festsetzen der Japaner auf dem chinesischen Festland verhindert und dadurch sowohl die Einheit Chinas als auch das Gleichgewicht der Mächte in Ostasien gewahrt. Im Gegensatz zu Russland und Frankreich gelang es dem Deutschen Reich allerdings nicht, unmittelbar von seiner Beteiligung an der Tripleintervention zu profitieren. Auch die (naive) deutsche Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Dreikaiserbündnisses blieb unerfüllt. Schon nach wenigen Wochen kam es infolge russischfranzösischer Alleingänge in Ostasien, wie etwa dem Abschluss eines russischfranzösischen Anleihevertrages zur Begleichung der chinesischen Kriegsschulden, zu ersten Rissen im »Ostasiatischen Dreibund«, was die gesamte Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik auf eine erhoffte Allianz mit Russland konterkarierte234. Vor allem die linke und die liberale Presse in Deutschland, aber auch mehrere Reichstagsabgeordnete übten deshalb scharfe Kritik an der Reichsleitung für die Beteiligung an der Tripleintervention235. Angesichts des immensen außenpolitischen Debakels erwogen Marschall und Holstein zeitweise sogar ihren Rücktritt236.

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Die Kriegsflotten in den ostasiatischen Gewässern. In: Deutsche Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 8; Die Kriegsflotten des Westens in den ostasiatischen Gewässern. In: Beilage zur Deutschen Marine-Zeitung, 2 (1895), S. 21. Einer telegrafischen Meldung des deutschen Gesandten in Tokio, Felix Freiherr von Gutschmid, zufolge verstärkten die Russen ihr Pazifikgeschwader bis Anfang Mai sogar auf 26 Schiffe. Vgl. Gutschmid an AA, 1.5.1895, PAAA, R 18128, Bl. 74 f. Promemoria des Gesandten z.D. Max von Brandt, 8.4.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2238, S. 266. Paine, The Triple Intervention, S. 78. Siehe dazu ausführlich: Brötel, Frankreich im Fernen Osten, S. 398-405; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 479-487; Rosen, German-Japanese Relations, S. 109-147; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 171-228; siehe auch: Geyer, Der russische Imperialismus, S. 138. Siehe u.a.: Preußische Jahrbücher, Bd 80 (1895), S. 576 ff.; Hausmann, 12.12.1895. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 143, S. 88 f.; Bebel, 13.2.1896. In: Ebd., Bd 144, S. 941 f.; Förster, 19.3.1896. In: Ebd., Bd 145, S. 1562; Richter, 30.11.1896. In: Ebd., Bd 147, S. 3612; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 156-164. Holstein an Radolin, 11.6.1895, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 3, S. 463 f.

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c) »Unter keinen Umständen zu kurz kommen«: Die deutschen Stützpunktpläne an der chinesischen Küste

Nach der Phase der Koloniegründungen und -sicherung im afrikanischen und pazifischen Raum rückte der Chinesisch-Japanische Krieg Ostasien wieder in den Fokus der deutschen Macht- und Wirtschaftspolitik in Übersee. Gezielt lenkte Max von Brandt, der langjährige deutsche Gesandte in Peking und allseits anerkannte Fernost-Experte, das Augenmerk der Reichsleitung von Japan auf China, in dem er in diversen Presseberichten und Denkschriften gebetsmühlenartig dessen politische und ökonomische Bedeutung hervorhob237. Seine Propaganda trug mit dazu bei, dass die seit der Preußischen Ostasienexpedition in den 1860er Jahren vakante Stützpunktfrage238 bis Kriegsende im April 1895 auf der prestigepolitischen Agenda der Reichsleitung immer weiter nach oben rückte und schließlich zu einem bestimmenden Faktor in der deutschen Außenpolitik bis zur Besetzung der Kiautschou-Bucht wurde. Die »treibende Kraft«239 hierbei war Kaiser Wilhelm II., der seit Caprivis Entlassung kontinuierlich impulsiv in die deutsche Innen- und Außenpolitik eingriff. Bereits am 2. November 1894 hatte der Kaiser den neuen Reichskanzler Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst gebeten, »darauf zu achten, daß wir bei dem dereinstigen Friedensschluss zwischen China und Japan eine Kompensation durch Abtretung von Formosa bekämen«, und zwar als Dankeszoll dafür, dass »wir Japan vor einer Intervention Englands geschützt hätten«240. Zwei Wochen später folgte die Instruktion: Falls es in China zu Gebietserwerbungen durch andere Mächte kommen sollte, »dürfen [wir] hierbei unter keinen Umständen zu kurz kommen oder uns überraschen lassen«241. Doch erst nach dem inoffiziellen Bekanntwerden der japanischen Friedensbedingungen an China im März 1895 kam Schwung in die deutsche Stützpunktdebatte. Als überzeugte Vertreter der Kreuzerschule plädierten Hollmann und Knorr für die Errichtung von »mindestens zwei« Flottenstationen in Ostasien, weil diese bei einem Kreuzerkrieg »geradezu

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Siehe dazu: Szippl, Max von Brandt and German Imperialism in East Asia, S. 135-198; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 90-95. Siehe dazu u.a.: Eberstein, Preußen und China, S. 200 ff.; Herold, Deutsche Kolonial- und Wirtschaftspolitik in China, S. 21-25. Brandt, der seinerzeit an der Preußischen Ostasienexpedition teilgenommen hatte, bekannte in seinen 1901 veröffentlichten Memoiren, dass der Schutz der deutschen Interessen in China für ihn stets »von der Frage eines Stützpunktes dort für unsere Marine unzertrennlich war. Freilich gehörte dazu«, wie er betonte, »daß man die Marine nicht als Selbstzweck ansah, sondern nur als einen von den verantwortlichen Leitern der Politik für klar vorgezeichnete Zwecke zu verwendenden Faktor«. Zitat aus: Brandt, Dreiunddreissig Jahre in OstAsien, Bd 3, S. 324. Wächter, Der Prestigegedanke in der deutschen Politik, S. 26. Siehe dazu auch: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 156. Tagebuchaufzeichnung Hohenlohes vom 2.11.1894, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 7 f., hier S. 8. Hohenlohe an Marschall, 17.11.1894. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 9, Nr. 2219, S. 245.

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eine Existenzbedingung für die Schiffe«242 seien. »Unter Flottenstationen«, definierte Hollmann,

»sind gesicherte Plätze im Auslande verstanden, welche, unter deutscher Gebietshoheit stehend, unseren Schiffen jederzeit die Möglichkeit gewähren, ihren Bedarf an Proviant, Kohlen, Munition, wie überhaupt Vorräten jeglicher Art, zu decken. Werkstätten, Docks, Hellinge sollen die Ausführungen von Reparaturen, Lazarette die Aufnahme von Kranken und Verwundeten, Kasernements die Unterbringung von Ersatzmannschaften für die Schiffe ermöglichen. Im Kriege bilden die Stationen die Basis für alle Unternehmungen, sie dienen der Flotte als Sammelpunkt und Rückhalt, den Handelsschiffen als sichere Zufluchtstätte243.«

Zunächst begann die Reichsleitung ihre Möglichkeiten zu sondieren, im Rahmen einer sich abzeichnenden gemeinsamen Intervention mehrerer europäischer Mächte zugunsten Chinas, einen Stützpunkt im Fernen Osten zu erwerben. Was folgte, waren langwierige, intensive Konsultationen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Reichsmarineamt, in die sich im November auch das Oberkommando der Marine einmischte244, über die Frage, welcher Platz an der chinesischen Küste sich am Besten zur Errichtung einer Flottenstation eignen würde. Bis Jahresende 1895 wurden zahlreiche Plätze diskutiert, darunter die Chusan-Inseln, Kiautschou245, Port Hamilton, die Pescadores-Inseln, Weihaiwei, die Samsa-Bucht und Amoy, allerdings ohne das eine Entscheidung fiel – zu unterschiedlich waren die Zielvorstellungen der drei Behörden im Spannungsfeld zwischen militärstrategischen Intentionen und politischen Rücksichtnahmen gegenüber den anderen Mächten. Einigkeit herrschte darüber, dass der zukünftige Stützpunkt nicht allein als Flottenstation, sondern auch als Sprungbrett für den weiteren Ausbau des deutschen Ostasienhandels geeignet sein müsse. Unter den Eliten des Kaiserreiches war in den 1890er Jahren die trügerische Auffassung weit verbreitet, dass nur durch aktive Weltmachtpolitik246, gekoppelt 242 243 244

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Zitate aus: Hollmann an Marshall, 17.4.1895. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3646, S. 9 f. Ebd., S. 7. Eine noch ausführlichere Definition enthält: Knorr an Wilhelm II., 1.7.1898, BArch, RM 2/1834, Bl. 56-65, hier Bl. 56 f. Denkschrift von Admiral Knorr betreffend den Stützpunkt in Ostasien, 8.11.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 115-128. Knorr hatte seine Position zuvor nur Hollmann mitgeteilt. Vgl. Knorr an Hollmann, 25.3.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 13 f. Mit Kiautschou ist fortan stets, sofern nicht anders gekennzeichnet, die gleichnamige Bucht beziehungsweise das spätere deutsche Schutzgebiet (1897-1914) an der Südostküste Shantungs und nicht die chinesische Stadt Kiautschou gemeint. Der Begriff »Weltmachtpolitik« überwölbte im Zuge der zunehmenden deutsch-britischen Kolonialrivalität und des Chinesisch-Japanischen Krieges den Begriff »Kolonialpolitik«. Er war Ausdruck eines allgemeinen Mentalitätswandels in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft, die nun, angetrieben von ökonomischen Erwartungen und prestigepolitischen Vorstellungen, offensiver ihren Anteil bei der Aufteilung der Welt einzufordern begann. Exemplarisch für dieses neue Weltmachtdenken steht Max Webers vielzitiertes Diktum aus seiner Freiburger Antrittsvorlesung vom Mai 1895: »Wir müssen begreifen, daß die Einigung Deutschlands ein Jugendstreich war, den die Nation auf ihre alten Tage beging und seiner Kostspieligkeit halber besser unterlassen hätte, wenn sie der Abschluß und nicht der Ausgangspunkt einer deutschen Weltmachtpolitik sein sollte«. Zit. nach: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 138. Vgl. ebd., S. 138-141. Zur Entstehung, zur ideengeschichtlichen Entwicklung und zu den Ausformungen des deutschen Weltmachtdenkens vor dem Ersten Weltkrieg siehe die brilliante Studie von: Neitzel, Weltmacht

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mit konsequent forcierten Exportsteigerungen nach Übersee, besonders nach dem Riesenmarkt China, die Konjunktur langfristig stabilisiert werden könne. Dies propagierten nicht nur Kolonialenthusiasten und Alldeutsche, sondern auch namhafte Wissenschaftler wie Max Weber247. Einigkeit herrschte außerdem darüber, dass Deutschland im Rahmen der Tripleintervention als die am wenigsten direkt beteiligte Macht nicht mit seinem Stützpunktanspruch das Signal zu einer ersten Teilung Chinas geben dürfe. »Vielmehr werden wir damit zu warten haben«, bestimmte Hohenlohe im März 1895, »bis etwa andere Mächte sich zur Verwirklichung ähnlicher Absichten anschicken sollten248.« Diese politische Leitlinie hatte Geltung bis zum Winter 1896/97 und war ausschlaggebend für die über lange Zeit vorsichtige und zögerliche Politik der Reichsleitung in der Stützpunktfrage249. Zu den Apologeten einer forcierten Macht- und Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches in Übersee gehörte auch der Chef der Kreuzerdivision, der im Laufe des Jahres 1895 im Auftrag der Reichsleitung diverse Plätze vor allem in Nordchina von den ihm unterstellten Schiffskommandos inspizieren und auf ihre Eignung als Flottenstation überprüfen ließ250. Hoffmanns Empfehlungen als »Fachmann vor Ort« hatten für die Reichsleitung besonderes Gewicht. Regelmäßig schickte er politisch-militärische Lageberichte an das Oberkommando der Marine, in denen er mehrfach die Notwendigkeit zur Errichtung einer deutschen Marinebasis im Fernen Osten betonte251. Diese müsse »zur Stütze des Deutschthums [im ostasiatischen Raum]«252 auch »gleichzeitig als Handelsplatz an sich von Bedeutung«253 sein,

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oder Untergang, S. 31-55, 81-210; siehe außerdem: Gollwitzer, Geschichte des weltpolitischen Denkens, Bd 2, S. 217-252. Siehe: Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, S. 73 f.; Etges, Wirtschaftsnationalismus, S. 282 ff. Aus den Reihen der Alldeutschen kamen Mitte der 1890er Jahre auch Forderungen, einen mitteleuropäischen Wirtschaftsraum unter deutscher Führung zu schaffen, die aber trotz des boomenden Handels mit den anderen europäischen Staaten, vor allem mit Russland, verhallten. Vgl. Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 140. Zur Geschichte der Mitteleuropa-Idee in Deutschland allgemein siehe: Meyer, Mitteleuropa in German Thought and Action 1815-1945; Neitzel, Weltmacht oder Untergang, S. 118-181, 198-209. Hohenlohe an Wilhelm II., 19.3.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 2227, S. 255. Siehe dazu ausführlich: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 273-284. Der Diskussionsprozess ist umfassend dokumentiert in: BArch, RM 3/6692. Siehe dazu: Knorr an Hoffmann, 30.9.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 36; Hoffmann an Knorr, 20.10.1895, ebd., Bl. 53-58; Knorr an Hoffmann, 6.11.1895, ebd., Bl. 82; Hoffmann an Knorr, 12.11.1895, ebd., Bl. 83-87, hier Bl. 86; Hoffmann an Knorr, 21.11.1895, ebd., Bl. 97-100; Hoffmann an Knorr, 24.11.1895, ebd., Bl. 101-104; Hoffmann an Holtzendorff (Segelordre), 26.11.1895, ebd., Bl. 105 f. Siehe u.a. Hoffmann an Knorr, 13.4.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 16-21; Hoffmann an Knorr, 26.8.1895, ebd., Bl. 26-32; Hoffmann an Knorr, 2.5.1895, ebd., Bl. 164-169; siehe auch: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 278 ff. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, betonte Hoffmann, kein Kolonialenthusiast zu sein. Er habe immer die Meinung vertreten, dass der deutsche Handel und die deutschen Staatsbürger im Ausland besser durch zahlreiche Kriegsschiffe als durch Landerwerb geschützt werden könnten. Allerdings bedinge der hohe Kohlenverbrauch der modernen Schiffe den Besitz von Marinestützpunkten im Ausland. Vgl. Hoffmann an Knorr, 13,4,1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 16-21, hier Bl. 18. Hoffmann an Knorr, 26.8.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 26-32, hier Bl. 28; desgleichen: Hoffmann an Knorr, 13.4.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 16-21, hier Bl. 21.

III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

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»wenn die Arbeit der deutschen Kaufleute [in China] nicht England allein zugute kommen soll«254. Während das Auswärtige Amt aus politischen Gründen von Anfang an Kiautschou favorisierte, plädierte Hoffmann, ebenso wie das Reichsmarineamt, aus wirtschaftlichen und militärstrategischen Gründen nachdrücklich für Amoy255. Sein Fazit lautete: »Ebenso wie die englische Stellung in China ohne Hongkong, ist der deutsche Einfluß ohne einen Stützpunkt unzureichend und in der Luft schwebend. Eine ganz andere Stellung würde der deutsche Handel in China, welcher sich bisher in allem Wettstreit behauptet hat, erlangen, wenn das Abhängigkeitsverhältniß, in welchem die Vertragshäfen zu England stillschweigender Maßen stehen, durch einen Besitztitel des Deutschen Reiches verschoben u[nd] das deutsche Interesse damit äußerlich markiert würde256.«

Deshalb, forderte er im April 1895, solle die Reichsleitung nun alles daran setzen, in China einen Stützpunkt »auf diplomatischem Wege«257 zu erwerben, zumal die anderen Mächte dies von Deutschland geradezu erwarten würden. Außerdem kritisierte Hoffmann in diesem Zusammenhang zum wiederholten Male die strategische Schwäche seines Verbandes: Mit den ihm zur Verfügung gestellten Schiffen, einschließlich der avisierten Verstärkung durch das Panzerschiff »Kaiser« sowie die Kreuzer »Prinzeß Wilhelm« und »Cormoran«258, sei kein Kreuzerkrieg zu führen, da ihr Aktionsradius wegen des hohen Kohlenverbrauches viel zu gering sei. Zwar seien sie »stark genug [um] gegen feindliche Kriegsschiffe zu kämpfen«, aber »ohne Basis sind sie dabei im besten Falle im Stande Waffenruhe im ersten Treffen zu erlangen«259. Dann hätten sie »ihre Rolle ausgespielt«260 oder seien sie auf die Unterstützung ihrer Verbündeten Frankreich und Russland angewiesen. In einem späte253 254 255

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Hoffmann an Knorr, 13.4.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 16-21, hier Bl. 19; siehe dazu auch: Hoffmann an Knorr, 29.11.1895, ebd., Bl. 115-118. Hoffmann an Knorr, 26.8.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 26-32, hier Bl. 28. Hoffmann, der ganz auf Amoy fixiert war, hielt die Kiautschou-Bucht als Flottenstützpunkt für unbrauchbar und wirtschaftlich für bedeutungslos. Bei dieser Bewertung bezog er sich vor allem auf einen Bericht von Korvettenkapitän Erich von Dresky, dem Kommandanten der »Irene«, der im Oktober 1895 die Kiautschou-Bucht innerhalb von drei Tagen auf ihre Tauglichkeit als Flottenstation hin untersucht hatte. Nach Dresky waren die Wassertiefen in der Bucht nicht ausreichend, um eine Flotte dort gut geschützt stationieren und kostengünstig versorgen zu können. Zwar biete die Bucht gute Ankerplätze, aufgrund ihrer Größe aber keinen eigentlichen Hafen. Günstig sei, dass man die Bucht gut ansegeln, dort viele Schiffe versammeln und bei Stürmen Schutz finden könne. Ihre Größe jedoch erschwere die Verteidigung, vor allem weil die Einfahrt etwa zwei Seemeilen breit und deshalb kaum zu sperren sei. Auch als Handelsstützpunkt sei die Bucht ungeeignet, da sie viel zu weit von den allgemeinen Fahrstraßen und von den Haupthandelsplätzen an der chinesischen Küste, wie etwa dem Yangtsedelta, entfernt liege. Auch sei der lokale Handel nur von geringer Bedeutung. Deshalb, resümierte Dresky, eigne sich die Bucht nur als vorübergehender Aufenthaltsort, nicht aber als Stützpunkt für eine Flotte. Vgl. Hoffmann an Knorr, 18.10.1895, BArch, RM 5/5928, Bl. 44; Hoffmann an Knorr, 20.10.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 53-58, hier Bl. 54 f.; Dresky an Hoffmann (mit Anlagen), 15.10.1895, ebd., Bl. 59-64. Hoffmann an Knorr, 13.4.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 16-21, hier Bl. 18 f. Ebd., Bl. 21. Die drei Schiffe trafen zwischen Juli und Oktober 1895 in Hongkong ein. Dort löste das Panzerschiff »Kaiser« die »Irene« als neues Flaggschiff der Kreuzerdivision ab. Der »Cormoran« war bereits am 8.10.1894, im Zuge der Bildung der Kreuzerdivision, als Ersatz für das Kanonenboot »Wolf« bestimmt, dann jedoch zunächst vorübergehend in Ostafrika eingesetzt worden. Zitate aus: Hoffmann an Knorr, 26.8.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 26-32, hier Bl. 29. Ebd.

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ren Bericht bemängelte Hoffmann zudem die große Abhängigkeit der Kreuzerdivision von den Werften in Hongkong und Nagasaki, wodurch diese, sollte »das bestehende gute Verhältnis« zu Großbritannien und Japan getrübt werden, leicht »in eine peinliche Lage gerathen« könne261. Am 1. September 1895 setzte der Kaiser, in der Annahme, dafür die persönliche Zustimmung des Zaren zu haben262, einen neuen Impuls in der Stützpunktfrage: »Sollte Russland eine Besetzung von koreanischem Gebiet bezw. eines Seehafens vornehmen«, instruierte er den Reichskanzler, »so ist für uns der Moment gekommen, unverzüglich Wei-hai-wei zu besetzen, damit uns nicht wie in Afrika der Engländer und Franzose zuvorkomme. Ein fait accompli«, davon war er fest überzeugt, »wird immer von anderen Staaten mehr respektiert als Rekriminationen263.« Zwar wurde die Kreuzerdivision daraufhin in den Golf von Chihli beordert, wo sie sich bereithalten sollte, »auf telegraphischen Befehl Wei-hai-wei umgehend zu besetzen«264, aber zu einer entsprechenden militärischen Aktion kam es nicht. Aufgrund der drohenden politischen Verwicklungen vor allem mit Japan, das diesen Ort als Pfand für die Begleichung der chinesischen Kriegsentschädigung weiterhin besetzt hielt, und der Gefahr, durch ein solches Vorgehen die Aufteilung Chinas zu provozieren, insistierten der Reichskanzler, das Auswärtige Amt und die obersten Marinebehörden gemeinsam gegen dieses Unterfangen265. Angesichts dieses breiten Widerstandes verzichtete der Kaiser schließlich auf die Besitzergreifung Weihaiweis, signalisierte aber unmissverständlich sein weiteres Interesse an der Stützpunktfrage durch den Vorbehalt, stattdessen »ein anderes geeigneteres Objekt namhaft zu machen«266. Nachdem ein Gewaltstreich gegen Weihaiwei abgewendet worden war, ergriff das Auswärtige Amt am 25. Oktober die Initiative. Es wies den deutschen Gesandten in Peking, Gustolf Freiherr Schenck zu Schweinsberg, an, der chinesischen 261

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Zitate aus: Hoffmann an Knorr, 7.1.1896, BArch, RM 3/6692, Bl. 165 ff., hier Bl. 166; siehe dazu auch: Hoffmann an Knorr, 1.10.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 78 f., hier Bl. 79; Diederichs an Hollmann, 21.4.1895, BArch, RM 3/6692, 195 ff.; Knorr an Marschall, 21.4.1896, BArch, RM 5/5928, Bl. 174 ff.; Hollmann an Marschall, 2.6.1896, ebd., Bl. 259 f.; Scheer, Vom Segelschiff zum U-Boot, S. 176 f. Hoffmanns vehemente Kritik an der Abhängigkeit der Kreuzerdivision von den britischen und japanischen Werften in Ostasien zeigte Wirkung. Kurz nachdem sein entsprechender Bericht im OKM eingetroffen war, warb dieses Ende April 1896 beim Auswärtigen Amt dafür, mittels der Bereitstellung von staatlichen Zuschüssen den Aufbau einer deutschen Werft in Amoy durch ein privates Unternehmen zu initiieren – allerdings ohne Erfolg. Vgl. u.a. Deutscher Konsul in Tientsin an Hohenlohe, 30.6.1896, PAAA, R 2231 (ohne Paginierung); Heyking an Hohenlohe, 26.5.1897, PAAA, R 2233 (ohne Paginierung); Deutscher Konsul in Amoy an Hohenlohe, 14.7.1896, ebd.; Diederichs an Marschall, 21.4.1896, PAAA, R 15488 (ohne Paginierung). Siehe dazu: Hohenlohe an Marschall, 1.9.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3648, Anm. **, S. 12; Tagebuchaufzeichnungen Hohenlohes vom 11.9.1895, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 521 f.; siehe auch: Wilhelm II. an Nikolaus II., 26.4.1895, zit. in: Wilhelm II., Briefe, S. 10-13. Hohenlohe an Marschall, 1.9.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3648, S. 12. Knorr an Hoffmann, 24.9.1895, BArch, RM 5/5915, Bl. 4. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 280 ff. Senden-Bibran an Hollmann, 30.10.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 99; siehe auch: Senden-Bibran an Knorr, 30.10.1895, BArch, RM 5/5928, Bl. 56.

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Regierung gegenüber bei geeigneter Gelegenheit außeramtlich die »Nothwendigkeit einer deutschen Kohlenstation [gemeint ist Flottenstation – H.H.] von unserem und deren Zweckmäßigkeit vom chinesischen Standpunkt«267 darzulegen. Im Gegensatz zum Deutschen Reich hatten Frankreich und Russland zu diesem Zeitpunkt bereits von der Shimonoseki-Intervention profitiert. Sie hatten mit China einen Anleihevertrag zur Begleichung der chinesischen Kriegsschulden abschließen und die Einräumung wirtschafts- und handelspolitischer Vorrechte in Nord- beziehungsweise Südchina durchsetzen können268. Vor diesem Hintergrund nun sollte Schenck das Deutsche Reich der chinesischen Regierung gegenüber als uneigennützigen Hüter des Gleichgewichts der Mächte in Ostasien präsentieren und diese, unter Verweis auf ihr eigenes Interesse, zur freiwilligen Überlassung einer Flottenstation als »Dankeszoll« für die deutsche Intervention in Shimonoseki zugunsten Chinas animieren. Welcher Platz konkret in Besitz genommen werden sollte, musste Marschall in der Instruktion offen lassen, da in den Verhandlungen mit den Marinebehörden noch keine Entscheidung darüber gefallen war269. Einige Wochen bevor Schenck diesen Auftrag erhielt, war es in Yenchowfu (Provinz Shantung) und in Moilim (Provinz Kwangtung) zu Übergriffen auf Missionare der Steyler Mission gekommen. In früheren Zeiten wären die Franzosen für deren Schutz zuständig gewesen, seit November 1890 jedoch standen sie unter deutscher Protektion270. Deshalb hatte Wilhelm II. sofort sämtliche Schiffe der Kreuzerdivision und die beiden Stationäre »zum Schutz deutscher Missionsanstalten«271 nach Chefoo und Swatow beordert. Während die internationale Presse in China bereits ausgiebig über das mögliche Ausmaß und Ziel einer deutschen Süh267

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Marschall an Radolin, 25.10.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3653, S. 17. Marschall war der Unterschied zwischen den Begriffen Kohlen- und Flottenstation offenbar nicht bewusst, denn er verwendete diese Begriffe synonym. Im hiesigen Zusammenhang sprach er zwar von Kohlenstation, meinte aber Flottenstation. Das wird an einer anderen Stelle im selben Dokument deutlich: Dort heißt es, dass »das Erfordernis einer deutschen Kohlenstation in China als Stützpunkt für die Flotte unabweisbar geworden« sei. Nach zeitgenössischer Definition diente eine Kohlenstation lediglich der raschen Kohlenaufnahme und verblieb territorialer Besitz des verpflichteten Staates. Eine Flottenstation hingegen wurde allen Bedürfnissen eines Marinegeschwaders gerecht und war Hoheitsgebiet des berechtigten Staates. Zitat aus: ebd. Zu den Begriffen Kohlenstation und Flottenstation allgemein siehe: Wahl, Die Kohlenstation, S. 9-12. Die Reichsleitung hatte bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die Errichtung von deutschen Niederlassungen in Hankow und Tientsin durchsetzen können. In den darauffolgenden Monaten versuchte die chinesische Regierung, die Unterstützung des Deutschen Reiches im Rahmen der Tripleintervention durch größere Zugeständnisse auf wirtschaftlichem Gebiet zu vergelten, namentlich durch eine Beteiligung an Eisenbahnanleihen und an der Kriegskostenentschädigungsanleihe. Ihr Ziel jedoch, die Reichsleitung von ihrer Stützpunktforderung abzubringen, konnte sie mit diesen Kompensationsversuchen nicht erreichen. Vgl. Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 103-113. Marschall an Radolin, 25.10.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3653; Radolin an Hohenlohe, 29.10.1895. In: Ebd., Nr. 3654. Siehe dazu: Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus, S. 258-270; Stoecker, Deutschland und China im 19. Jahrhundert, S. 242-254. Knorr an Hollmann, 5.10.1895, BArch, RM 3/3166, Bl. 48; siehe auch: Wilhelm II. an AA, 23.9.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3652.

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neaktion spekulierte, hatte Schenck beim Tsungli Yamen272 vehement die Bestrafung der Täter eingefordert, damit weiteren Übergriffen dieser Art vorgebeugt werde. Seinerzeit war unter den ausländischen Diplomaten in Peking allgemein die Sorge weit verbreitet, dass die anti-christliche Tonghak-Bewegung273 von Korea nach China übergreifen könnte. Aus diesem Grund hatten die Briten im September eine größere Anzahl Kriegsschiffe vor der Küste Kwangtungs zusammengezogen, wo die anti-christliche Stimmung besonders gärte. Unmittelbar nachdem Schenck Ende Oktober seinen neuen Auftrag empfangen hatte, bei der chinesischen Regierung außeramtlich auf die Überlassung einer Flottenstation hinzuwirken, informierte er den Chef der Kreuzerdivision darüber und wies ihn gleichzeitig darauf hin, dass die beim Tsungli Yamen eingeforderte Verhaftung der Räuber von Moilim noch immer nicht erfolgt sei. Hoffmann war wie elektrisiert, als er diese Nachricht erhielt: »Neues Telegramm aus Peking veranlasst mich [sofort] mit allen Schiffen nach Swatau und Amoy zu gehen«274, telegrafierte er hastig aus Chefoo an den Kommandierenden Admiral. Nur wenige Stunden später gingen der »Kaiser«, die »Irene« und die »Prinzeß Wilhelm« Anker auf und nahmen unter Volldampf Kurs auf Amoy. Im Zuge der diplomatischen Initiative wollte Hoffmann die Angriffe auf die Missionare unbedingt nutzen, um einen Platz an der chinesischen Küste pfandweise zu besetzen, »wenn nöthig sogar Kiau Chau, besser [die] Inseln vor Amoy«275. Schenck jedoch bremste Hoffmanns Elan, denn er wollte die Stützpunktfrage zunächst weisungsgemäß auf inoffiziellem Wege mit dem Tsungli Yamen verhandeln. Zwang solle »eventuell spaeter«276 angewendet werden, ließ er Hoffmann wissen, wenn ein geeigneter Platz für eine Flottenstation ermittelt worden sei. Allerdings dürften jegliche Zwangsmaßregeln nur einen vorübergehenden Charakter haben, »damit nicht die übrigen Mächte zu irgendwelchen Schritten gereizt werden«277. Deutschland dürfe keinesfalls durch eine vorschnelle militärische Aktion das Signal zur Aufteilung Chinas geben, denn »das Bestreben Deutschlands ist [...] darauf gerichtet[,] den Bestand des Chinesischen Reiches zu erhalten«278. Davon unbeirrt drängte Hoffmann ihn weiter zur Aktion, ordnete diverse Vorbereitungen für eine militärische Besetzung der Inselgruppe Quemoy an und ließ auf Befehl von Knorr weitere Plätze an der ost- und nordchinesischen Küste auf ihre Eignung als Flottenstation erkunden. Dazu gehörte auch ein Ankerplatz zwischen den Inseln Klein- und Groß-Quemoy279. Um diesen zu vermessen, ließ er temporär einige Truppen landen, was Furcht und Unruhe bei der örtlichen Bevölkerung sowie großes Misstrauen und Protest bei den lokalen 272 273 274 275 276 277 278 279

Kaiserlich-chinesische Behörde für auswärtige Angelegenheiten. Siehe dazu Kap. III, Anm. 140. Hoffmann an Knorr, 27.10.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 70. Hoffmann an das deutsche Konsulat in Tientsin, 17.10.1895, ebd., Bl. 50. Mit den Inseln vor Amoy meinte Hoffmann die Inselgruppe Quemoy. Schenck an Hoffmann, 1.11.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 73. Jaeschke an Hoffmann: Ergebnisse der Besprechung mit dem Gesandten Schenck, 20.10.1895, BArch, RM 5/5928, Bl. 111-114, hier Bl. 113. Ebd., Bl. 112. Lee irrt, dass die Kreuzerdivision Klein-Quemoy im November 1895 besetzte. Vgl. Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 118.

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chinesischen Behörden hervorrief, weil die Aktion zuvor nicht angekündigt worden war. Knorr hielt zwar nichts von einer Besetzung Quemoys und plädierte entschieden für die Erwerbung der Chusan-Inseln, zeigte sich aber mit Hoffmanns forschem Vorgehen zufrieden280. Jedenfalls berichtete er dem Kaiser einige Wochen später: »Admiral Hoffmann hat die politische Verantwortung der Schiffe in Ostasien gut gehandhabt281.« Die Rädelsführer der Bande, die den Raubüberfall auf die Missionsstation in Moilim durchgeführt hatte, wurden schließlich Anfang Dezember festgenommen und vor Gericht gestellt. Zur selben Zeit erhielt die Missionsanstalt von den lokalen chinesischen Behörden eine Entschädigung in Höhe von 1000 Taëls, etwa 3850 Mark. Der im Gerichtsverfahren als Bandenchef identifizierte Mann wurde zum Tode verurteilt, Ende Dezember hingerichtet und sein Kopf als warnendes Beispiel öffentlich in Moilim ausgestellt, was Schenck als »genügende Sühne« akzeptierte. Marschall behauptete später im Reichstag, dies sein kein diplomatischer Erfolg gewesen, sondern »eine Folge des Umstandes, daß wir eine starke Flottenmacht in jenen Gewässern [haben]«282. Tatsächlich ausschlaggebend für das harte Durchgreifen der chinesischen Regierung in dieser Angelegenheit war jedoch – nachdem Schenck das deutsche Begehren nach einer Flottenstation beim Tsungli Yamen vorgebracht und Hoffmann den Ankerplatz zwischen Klein- und GroßQuemoy mit großem Tamtam hatte vermessen lassen – die Furcht gewesen, dem Deutschen Reich einen Vorwand für die Okkupation eines Küstenortes zu liefern, was ihrer Auffassung nach weitere Gebietsforderungen der anderen Großmächte zur Folge gehabt hätte. Die Entsendung der beiden deutschen Kriegsschiffe nach Swatow hingegen hatte bei ihr keinen nennenswerten Eindruck hinterlassen. Das war auch Marschall vollkommen bewusst. Dennoch versuchte er, diesen Einsatz bei den Marineetatsverhandlungen im März 1897 für neuerliche Kreuzerforderun280

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Ebd., S. 117 f.; Denkschrift von Admiral Knorr betreffend den Stützpunkt in Ostasien, 8.11.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 115-128; Jaeschke an Hoffmann: Ergebnisse der Besprechung mit dem Gesandten Schenck, 20.10.1895, BArch, RM 5/5928, Bl. 111-114; Bericht über mögliche Aktionen der Kreuzerdivision infolge des Angriffs auf die deutsche Missionsanstalt in Moilim, in: Shanghai Mercury, 8.10.1895 (enthalten in: BArch, RM 5/5928, Bl. 153); Schenck an Hoffmann (teils mit Anlagen), 21.10., 26.10., 1.11.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 65-68, 69, 73; Hoffmann an Knorr, 27.10., 3.11., 12.11., 15.11., 19.11., 23.11.1895, ebd., Bl. 70, 75, 83-87, 90 f., 94; Hoffmann an Schenck, 3.11., 4.11., 26.11.1895, ebd., Bl. 75, 80, 110 f.; Hoffmann an Dresky, 2.11.1895, ebd., Bl. 78 f.; Ordreentwurf für die Besitzergreifung von Klein-Quemoy, o.D. [November 1895], ebd., Bl. 92 f.; Hoffmann an Holtzendorff (Segelordre), 26.11.1895, ebd., Bl. 105 f.; Sarnow an Hoffmann, 11.12.1895, ebd., Bl. 122 f.; Plan zur Einnahme von Amoy durch die Kreuzerdivision, 30.11.1895, ebd., Bl. 126-130; Hoffmann an Knorr, 1.12.1895, BArch, RM 3/3166, Bl. 53 f.; Knorr an Marschall, 17.12.1895, ebd., Bl. 55 ff.; Rotenhan an Knorr, 21.9.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 25 ff.; Zusammenfassung der Berichte der Kreuzerdivision in Ostasien von Oktober bis Dezember 1895 (von Konteradmiral von Diederichs), 9.1.1896, BArch, RM 5/913, Bl. 161-164; Wilhelm II. an AA, 23.9.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3652; Schenck an AA, 30.11.1895. In: Ebd., Nr. 3657; Marschall an Hohenlohe, 6.12.1895. In: Ebd., Nr. 3658. Entwurf zum Immediatbericht des Kommandierenden Admirals am 13.1.1896 betreffend die Berichte der Kreuzerdivision in Ostasien, 9.1.1896, BArch, RM 5/5915, Bl. 9 ff., hier Bl. 9. Marschall, 18.3.1897. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 149, S. 5151.

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gen zu instrumentalisieren, indem er den Reichstag gezielt falsch informierte: »Da haben sich zwei Kriegsschiffe vor den Hafen von Swatau gelegt, und nach wenigen Tagen war das gegeben, was wir verlangt hatten«, behauptete er, und fügte emphatisch hinzu: »Wir sehen also, daß die deutsche Flotte im Ausland doch auch für ideale Interessen eine sehr kräftige Wirksamkeit entfalten kann283.« Überzeugen konnte er das Plenum damit nicht284. Die chinesische Regierung hatte sich im Laufe des Jahres 1895 zunehmend Russland angenähert, das sie seit dem Einspruch von Shimonoseki für die mächtigste Großmacht in Ostasien hielt. Als Schenck Anfang Dezember erfuhr, dass die russische Pazifikflotte mit Genehmigung der Chinesen in der KiautschouBucht überwintern durfte285, wurde ihm klar, dass seine diplomatische Initiative gescheitert war. Jetzt plädierte auch er für die Anwendung militärischer Gewalt. Am 3. Dezember schlug er der Reichsleitung vor, »Quemoy als Pfand fuer unerfüllte Versprechungen [zur Sühnung des Übergriffes auf den Bischof der Steyler Mission und seine Diener in] Yenchowfu«286 von der Kreuzerdivision besetzen zu lassen. Ein solches Vorgehen sei notwendig »zur Aufrechterhaltung unseres Prestige, nachdem wir mit Selbsthülfe den Chinesen einmal gedroht haben«287. Die Reichsleitung reagierte unentschlossen. Sie fürchtete die Konsequenzen eines militärischen Alleinganges, der das Risiko in sich barg, die Aufteilung Chinas unter den Großmächten einzuleiten und damit die wirtschaftlichen Interessen des Deutschen Reiches in Ostasien empfindlich zu schädigen. In diesem Sinne wies auch die Leitung des Tsungli Yamen am 14. Dezember die – noch immer inoffizielle – deutsche Stützpunktforderung zurück: Selbst die pachtweise Überlassung eines geeigneten Platzes zur Errichtung einer Kohlenstation sei »bei aller Freundschaft, die man für Deutschland hege«, unmöglich, weil infolgedessen »unzweifelhaft andere Staaten mit ähnlichem Antrag hervortreten [würden] und China dadurch in eine sehr schwierige und gefährliche Lage«288 käme289. 283 284

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Marschall, 18.3.1897. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 149, S. 5151. Hoffmann an Knorr, 10.12.1895, BArch, RM 3/3155, Bl. 91; Ingenohl an Hoffmann, 21.12.1895, ebd., Bl. 96 f.; Marschall, 18.3.1897. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 149, S. 5151; Vollmar, 19.3.1897. In: Ebd., S. 5170. Russland verfügte im Fernen Osten über keinen eisfreien Hafen. Deshalb hatte die russische Pazifikflotte bis 1895 stets in Nagasaki überwintert. Im Zuge des Chinesisch-Japanischen Krieges jedoch war den Russen bewusst geworden, dass sie zukünftig im Winter nicht länger frei auf japanische Häfen würden zurückgreifen können, deshalb suchten sie nach einer Alternative an der nordchinesischen Küste. Vgl. Hoffmann an Knorr, 26.8.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 26-32, hier Bl. 30; Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 19; siehe auch: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 116. Winzen irrt mit der Annahme, dass das russische Pazifikgeschwader auch vor dem Winter 1895/96 seit mehreren Jahren regelmäßig in der Kiautschou-Bucht überwinterte. Vgl. Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 179. Schenck an Hoffmann, 3.12.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 124. Zum Übergriff auf Bischof Anzer und die Steyler Missionare in Yenchowfu siehe: Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus, S. 271-275. Schenck an Hoffmann, 3.12.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 124. Zitate aus: Schenck an Hohenlohe, 15.12.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3659, S. 23.

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Damit war der Versuch, eine Flottenstation auf friedlich-diplomatischem Wege zu erlangen, gescheitert. Nun reiften in Berlin die Pläne zu einer gewaltsamen Aneignung heran. Zunächst jedoch musste der Kaiser um die Jahreswende 1895/96 davon abgebracht werden, die Kreuzerdivision durch einen Teilabzug der Schiffe aus Ostasien erneut für die Durchsetzung von Kreuzerneubauten im Reichstag zu instrumentalisieren290. Marschall und Holstein waren zunehmend verärgert über das ungebremste persönliche Regiment291 Wilhelms II., besonders über seine permanenten impulsiven Eingriffe in die deutsche Außenpolitik292. In diesem Fall jedoch gelang es ihnen, sich erfolgreich dagegen zu wehren und eine Reduzierung der Seestreitkräfte in den fernöstlichen Gewässern zu verhindern, indem sie geschickt auf den drohenden Prestigeverlust in Ostasien hinwiesen. Namentlich in Shantung genieße das Deutsche Reich, wie Hohenlohe konstatierte, nach dem noch immer ungesühnten Übergriff auf den Steyler Bischof Johann Baptist Anzer und seine Diener in Yenchowfu »schon jetzt keine Achtung [mehr] bei Bevölkerung und Behörden. Diese sagen: Deutschland droht nur, es hat große Worte, aber keine Taten. Bischof Anzer verlangt [deshalb] stürmisch im Interesse seiner Mission ein energisches Vorgehen, um den Chinesen wieder Respekt einzuflößen«293. Für den Reichskanzler war bereits Ende Januar eine militärische Strafaktion in Shantung »zur Wahrung unserer eigenen Würde in nähere Möglichkeit gerückt«294. Zugleich würde eine solche Aktion, wie er gegenüber dem Kaiser und seinen Kabinettskollegen äußerte, »wohl die nächste Möglichkeit bieten zur Verwirklichung unserer auf Erwerb einer Flottenstation in China gerichteten Wünsche«295. Tatsächlich war es dafür noch zu früh, weil sich das Auswärtige Amt und die obersten Marinebehörden noch nicht auf einen zu besetzenden Platz geeinigt hat289

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Schenck an Hoffmann, 3.12.1895, BArch, RM 38/28a, Bl. 124; Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 118 f.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 284 f. Siehe dazu: Hallmann, Krügerdepesche und Flottenfrage, S. 41; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 163; Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 1121-1127; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 284. Den Reichstagsabgeordneten blieb diese Taktik nicht verborgen, dementsprechend wurde sie kritisiert. Vgl. u.a. Vollmar, 19.3.1897. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 149, S. 5170. Diese Formulierung geht auf Wolfgang J. Mommsen zurück, der die deutsche Politik der Jahre 1894 bis 1897 prägnant als die »Ära des ungebremsten ›persönlichen Regiments‹ Wilhelms II.« titulierte. Zitat aus: Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 123. Holstein an Hohenlohe, 17.11.1894, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 15; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 130; Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 369 f.; Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 819; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 145-153. In der Zeit des ungebremsten persönlichen Regiments Wilhelms II. kam es mehrfach zu Kraftproben zwischen dem Kaiser und seinen Ministern, infolge derer mehrere leitende Regierungsbeamte entlassen wurden. Siehe dazu ausführlich: Cecil, Wilhelm II., vol. 1, S. 240-262; Clark, Wilhelm II., S. 112-118; Mommsen, Bürgerstolz und Weltmachtstreben, S. 173-197; Röhl, Deutschland ohne Bismarck, S. 112-219; Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 793-813, 888-934; Wilke, Political Decadence in Imperial Germany. Aufzeichnung Klehmets, 18.3.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3662, S. 26. Zur Yenchowfu-Angelegenheit siehe Kap. III, Anm. 286. Hohenlohe an Knorr, 31.1.1896, BArch, RM 3/3166, Bl. 61 f., hier Bl. 61. Ebd.

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ten, aber die von Hoffmann und Schenck angeregte Marschroute war damit quasi festgelegt. Jedenfalls sollte einige Monate später ein Übergriff auf eine Steyler Missionsanstalt in Süd-Shantung als Vorwand für die Besetzung der KiautschouBucht benutzt werden, auf die noch näher einzugehen sein wird. Neuerlichen Aufwind erhielt das deutsche Stützpunktbegehren im Februar 1896 durch einen Konflikt innerhalb des Tsungli Yamen. Während die ministeriale Führung in Peking die Annäherung an Russland forcierte, wollte der für Berlin und St. Petersburg akkreditierte chinesische Gesandte Hsü Ching-ch’eng – ebenso wie die Japaner – die Stellung des Deutschen Reiches in Ostasien stärken, um den russischen Einfluss im Fernen Osten einzudämmen. Anfang Februar ließ er deshalb seinen deutschen Amtskollegen in St. Petersburg wissen, dass in der Abtretungsfrage eines Küstenortes die Anwendung von »ein wenig Gewalt«296 gegen seine Regierung nicht schaden könne. Diese Äußerung stärkte die »Falken« in der Reichsleitung, die, mit dem Kaiser an der Spitze, längst schon für ein hartes Durchgreifen anstelle von Verhandlungen auf Augenhöhe mit einer aus ihrer Sicht »noch nicht einmal auf gleicher Zivilisationsstufe stehenden Nation«297 plädiert hatten. Bis zur internen Verständigung über die Frage, welcher Platz an der chinesischen Küste besetzt werden sollte, hielt die Reichsleitung allerdings (notgedrungen) am Primat der Politik fest und versuchte weiterhin, einen Stützpunkt auf friedlichem Wege durch bilaterale Verhandlungen mit China zu erlangen298. Dabei schlug sie deutlich schärfere Töne an als im Vorjahr. In einer Unterredung mit Li Hung-chang Mitte Juni bezeichnete Marschall den »Besitz einer deutschen Flottenstation« an der chinesischen Küste als »eine unabweisliche Forderung Deutschlands«299. Um den »Dankeszoll« für die Shimonoseki-Intervention wurde nun nicht mehr gebeten, er wurde eingefordert und teilweise unter Androhung von Gewalt zu erpressen versucht. Nach außen hin markierten zwei personalpolitische Entscheidungen den Übergang zur energischeren deutschen Chinapolitik: Im Frühjahr 1896 berief Wilhelm II. den aus seiner Sicht zaudernden Gesandten Schenck aus Peking ab und ersetzte ihn durch den draufgängerischen Edmund Freiherrn von Heyking. Fast gleichzeitig ernannte er Konteradmiral Alfred Tirpitz zum neuen Chef der Kreuzerdivision. Damit hatte der Kaiser »seinen besten Gesandten und seinen besten Admiral hinausgeschickt«300, von denen er, wie Heykings Ehefrau Elisabeth in ihrem Tagebuch prägnant vermerkte, nichts Geringeres erwartete, als

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Radolin an Hohenlohe, 15.2.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3661, S. 24 f. In der Forschung ist umstritten, ob sich Hsü tatsächlich in dieser Weise äußerte, oder es sich dabei um einen Übersetzungsfehler handelt. Vgl. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 286, Anm. 63. Jedenfalls hatte Hsü bis Ende 1895 keine klare Haltung zu dieser Frage. Vgl. Hsü an Tsungli Yamen, 30.12.1895, zit. in: »Musterkolonie Kiautschou«, Nr. 9, S. 89 f. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 286. Siehe dazu ausführlich: Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 711-722; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 285-297. Zitate aus: Aufzeichnungen Marschalls über zwei Unterredungen mit Li Hung-chang, 19.6.1896, PAAA, R 17972, Bl. 209-250, hier Bl. 229. Tirpitz, Erinnerungen, S. 63.

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in China »das deutsche Prestige [zu] heben, der deutschen Industrie Beteiligung [zu] schaffen und eine Flottenstation [zu] erwerben«301. Kurz bevor Hoffmann von Tirpitz als Divisionschef abgelöst wurde, plädierte sein Chef des Stabes, Kapitän zur See Paul Jaeschke, in einer ausführlichen Denkschrift zum wiederholten Male für die Besetzung Amoys, das inzwischen auch vom Kaiser favorisiert wurde, und trat darin nachdrücklich für eine kraftvolle, expansive Politik des Deutschen Reiches in Ostasien ein. Wolle »Deutschland mit der Zeit in der Reihe der Großmächte, vielleicht in der der selbstständigen Staaten nicht ausgelöscht werden«, mahnte er, »dann muß es sich zur Weltmacht aufschwingen, es muß expansirte Politik weitertreiben, wie sie begonnen ist, mit unbeugsamer Energie, ohne Furcht vor Conflicten mit Concurrenten und Widersachern. Conflicte sind dabei unausweichlich; wir werden sie um so besser überstehen«, lautete sein Fazit, »je stärker die Marine ist. Mit dem starken Heere haben wir uns Sicherheit für die Landesgrenzen in Europa geschaffen, mit dem Ausbau der Marine müssen wir die Entwicklung Deutschlands zur Weltmacht sichern302.« Das waren Forderungen ganz nach dem Geschmack des Kaisers. Nachdem Tirpitz am 15. Juni in Yokohama das »in unserer Marine [...] höchst begehrenswerte«303 Kommando über die Kreuzerdivision übernommen hatte, verschaffte er sich umgehend selbst ein Bild von den Plätzen, die aus Sicht der Reichsleitung als mögliche Flottenstation noch in Frage kamen: Neben Amoy waren dies die Samsa-Bucht und die Chusan-Inseln304. Wichtigstes Kriterium bei seinen Inspektionen war »die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit« dieser Orte, denn »eine rein militärische Basis zu schaffen schien mir nicht geraten«305. Tirpitz teilte Hoffmanns und Jaeschkes Begeisterung für Amoy nicht. Infolge der japanischen Okkupation Formosas, konstatierte er in einem Bericht an das Oberkommando der Marine, werde der Vertragshafen, dessen wirtschaftliche Entwicklung in den Vorjahren bereits stagniert habe, weiter an Bedeutung für den internationalen Chinahandel verlieren. Auch die Chusan-Inseln und die Samsa-Bucht hielt er aus wirtschaftlichen Gründen als Stützpunkte für ungeeignet. Zudem lagen diese drei Plätze alle in der britischen Einflusssphäre und Auseinandersetzungen mit Großbritannien wollte Tirpitz wegen dessen erdrückender maritim-militärischer Übermacht in Ostasien unbedingt vermeiden. Vor diesem Hintergrund entschied er, auch die von ihm seit Längerem favorisierte Kiautschou-Bucht zu inspizieren, 301 302 303 304

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Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 198 (Aufzeichnung von Anfang Dezember 1896). Denkschrift von Kapitän zur See Jaeschke zur Stützpunktfrage in Asien, o.D. [Mai 1896], BArch, RM 5/5928, Bl. 214-253, hier Bl. 215. Franzius, Kiautschou. Deutschlands Erwerbung in Ostasien, S. 25. Aufgrund der militärstrategisch günstigen Lage hatten die Briten die Chusan-Inseln während des Ersten Opiumkrieges besetzt und dort ihren ersten Marinestützpunkt auf chinesischem Boden errichtet, dann jedoch im Juni 1846, nachdem China die geforderte Kriegsentschädigung vollständig an Großbritannien gezahlt hatte, den Archipel gemäß den Bestimmungen des Vertrages von Nanking zugunsten einer dauerhaften Besetzung Hongkongs wieder an die Chinesen zurückgegeben. Vgl. Munn, The Chusan Episode, S. 82-112. Zitate aus: Tirpitz, Erinnerungen, S. 62. Siehe dazu ausführlich: Bericht von Tirpitz über die Stützpunktfrage (nicht abgeschickt), o.D. [August 1896], BArch, N 253/45, Bl. 17-21.

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offiziell »wegen des andauernden Interesses, welches die ev[entuelle] Eröffnung der Kiau-tschau Bucht in den Geschäftskreisen und im custom office verursacht«306. Diesen Auftrag erteilte er zunächst dem Kanonenboot »Iltis«, das jedoch auf der Überfahrt von Chefoo in einen Taifun geriet und in der Nacht zum 24. Juli bei Flat Rocky Point auf die felsige Küste Shantungs geworfen und zerschmettert wurde. Fast die gesamte Besatzung ertrank in der aufgepeitschten See, darunter alle Offiziere. Als Tirpitz drei Tage später davon erfuhr, leitete er sofort Bergungsmaßnahmen ein und schickte die »Arcona« und die »Cormoran« zur Strandungsstelle. Mitte August begab er sich selbst mit dem Flaggschiff von Chefoo nach Kiautschou307. Unterwegs machte er einen zweistündigen Zwischenstopp beim Wrack des »Iltis«, für den aus Etatsgründen kein Ersatz bereitgestellt wurde, und informierte sich über den Stand der Bergungsarbeiten. Anschließend inspizierte er am 13. und 14. August für eineinhalb Tage die Kiautschou-Bucht308. In einem ausführlichen Bericht an den Kommandierenden Admiral vom 5. September pries er die »ungefaßte Perle Tsingtau«309 als den einzigen Ort an der chinesischen Küste, der sowohl in wirtschaftlicher als auch militärstrategischer Hinsicht als Stützpunkt gut geeignet und noch nicht von einer fremden Macht besetzt sei oder beansprucht werde310. Hollmann hatte stets behauptet, dass die

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Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, BArch, N 253/45, Bl. 22-32, hier Bl. 24; siehe dazu auch: Tirpitz an Knorr, 2.8.1896, BArch, RM 5/5928, Bl. 271 f. Mit dieser Formulierung wollte Tirpitz nicht nur sein eigenmächtiges Vorgehen hinsichtlich der Inspizierung von Kiautschou – das sogar zum Verlust des »Iltis« geführt hatte – legitimieren, sondern auch das Interesse der Reichsleitung für Kiautschou nachhaltig stimulieren. Abmachungen zwischen Tirpitz und Heyking über das Vorgehen beim Stützpunkterwerb, 6.8.1896, BArch, N 253/43, Bl. 6 f.; Bericht von H. Augustesen über den Untergang von S.M.S. »Iltis«, 10.8.1896, BArch, N 253/130, Bl. 2 f., und BArch, N 253/394, Bl. 1 f.; Hollmann an Knorr, 28.11.1896, BArch, RM 3/3012, Bl. 21 ff.; Tirpitz an Knorr (mit Anlage), 24.8.1896, BArch, RM 3/3108, Bl. 86-89; Knorr an Hollmann, 15.6.1896, BArch, RM 3/3155, Bl. 125; Tirpitz an Knorr, 8.8.1896, ebd., Bl. 163-167; Tirpitz an Knorr, 24.8.1896, ebd., Bl. 168 ff.; Zusammenstellung des OKM für den Immediatvortrag von Admiral Knorr am 12.10.1896, 3.10.1896, BArch, RM 5/913, Bl. 220-231; Tirpitz an Braun (Segelordre), 22.7.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 2 f.; Brief des Matrosen Priebe über den Untergang des »Iltis« an seine Eltern, 3.8.1896, BArch, RM 93/2253, Bl. 1 f.; Lenz an Prittwitz, 19.8.1886, PAAA, Peking II/1221, Bl. 155-164; Heyking an Hohenlohe, 22.8.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3664; Langenberg, Der Untergang S.M. Kanonenboot »Iltis«; Tirpitz, Erinnerungen, S. 61 ff.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 290-294; siehe auch: Richter, Sr. Maj. Kanonenboot »Iltis«, S. 54-64. Wippich irrt mit der Aussage, dass Tirpitz die Kiautschou-Bucht am 11. August inspizierte. An diesem Tag brach er mit S.M.S. »Kaiser« von Chefoo aus dorthin auf. Vgl. Tirpitz an Knorr, 24.8.1896, BArch, RM 3/3155, Bl. 168 ff., hier Bl. 168; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 293; ebenso falsch: Heyking an Hohenlohe, 22.8.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3664, S. 36. Tirpitz, Erinnerungen, S. 62. Zwar hatte die russische Pazifikflotte im Winter 1895/96 in der Kiautschou-Bucht überwintert, aber nach Informationen des Gesandten Schenck vom Mai erhob Russland darauf für den bevorstehenden Winter keinen Anpruch. Vgl. Schenck an Hohenlohe (mit Anlage), 23.5.1896, BArch, RM 3/6692, Bl. 282-288; Tirpitz, Tirpitz’s letztes Frontkommando, S. 326 f.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 293 f.

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Kiautschou-Bucht nicht eisfrei sei311, so dass Marschall sich schließlich gegen eine Besitzergreifung dieses, von ihm aus politischen Gründen lange präferierten Küstenortes entschieden hatte. Tirpitz jedoch widersprach ausdrücklich Hollmanns Beurteilung: »Tatsächlich ist die Kiau tschau Bucht nach den ziemlich sorgsamen Erkundigungen, die ich in dieser Beziehung eingezogen habe, in seemännisch praktischem Sinne eisfrei«, konstatierte er, »nur die Ränder der flachen Uferstrecken bedecken sich mitunter mit dünner Eiskruste und auf den tieferen Stellen trifft man zeitweise Museis. Niemals aber in einem Grade, dass das Ankern der Schiffe dadurch würde behindert werden können312.« Bei seiner Argumentation für die Kiautschou-Bucht stützte sich Tirpitz nicht nur auf eigene Beobachtungen und lokale Recherchen, sondern vor allem auf die Ausführungen des bekannten Ostasien-Forschers Ferdinand Freiherr von Richthofen in dessen voluminösem Hauptwerk »China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien«313, welches das deutsche Chinabild in der Kaiserzeit maßgeblich geprägt hat. In seinem Bericht an Knorr skizzierte Tirpitz zudem bereits die Grundzüge für den Aufbau eines Stützpunktes in der Kiautschou-Bucht in administrativer, ökonomischer und militärischer Hinsicht314. Darin ging er auch kurz auf die Stärke der chinesischen Garnison in dem lokalen Hauptort Tsingtau und dessen unmittelbarer Umgebung ein. Diese bestehe aus etwa 1500 Soldaten, resümierte er, die allesamt »einen erheblich schlechteren Eindruck machen, als die Soldaten in Port Arthur und Tschifu«315. Sein Fazit lautete militärisch-knapp: Die Truppen könnten problemlos vom Landungskorps der Kreuzerdivision vertrieben werden316. Kurz bevor Tirpitz nach Kiautschou ging, hatte er sich Anfang August mit Heyking darüber verständigt, dass prinzipiell nur diese Bucht oder, trotz aller Nachteile, Amoy als mögliche Stützpunkte in Frage kämen317. Als sich in den da311

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Siehe u.a.: Hollmann an Marschall, 17.4.1895. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3646, S. 10; Aufzeichnungen Admiral Knorrs, 9.11.1896. In: Ebd., Nr. 3665, S. 38. Hoffmann ging in seinen Berichten, anders als es der Historiker Arthur Irmer suggeriert, auf diesen Sachverhalt nicht ein. Vgl. Irmer, Die Erwerbung von Kiautschou, S. 25. Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, BArch, N 253/45, Bl. 22-32, hier Bl. 25 f. Richthofen beschrieb im zweiten Band dieses opulenten Werkes, den er im Jahre 1888 publizierte, unter anderem das wirtschaftliche Potenzial der Provinz Shantung und hob in diesem Zusammenhang auch die günstige Lage und Beschaffenheit der Kiautschou-Bucht hervor. Gleichzeitig regte er die Öffnung des Gebietes an, um die Reichtümer der Region zu erschließen. Vgl. Richthofen, China, Bd 2, S. 262-266. Hoffmann hatte im Juni 1895 Vorschläge für die militärische und administrative Übernahme von Amoy beim OKM eingereicht, die allerdings nicht so weitreichend waren wie Tirpitz’ Vorschläge gut ein Jahr später für die Übernahme und Entwicklung von Kiautschou. Vgl. Hoffmann an Knorr, 26.6.1895, BArch, RM 3/6692, Bl. 105 ff.; Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, BArch, N 253/45, Bl. 22-32, hier Bl. 30 f. Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, BArch, N 253/45, Bl. 22-32, hier Bl. 28. Insgesamt waren etwa 3000 Soldaten im Kiautschou-Gebiet stationiert, rund die Hälfte davon in Tsingtau. Vgl. ebd.; Lenz an Schenck, 16.5.1886, PAAA, Peking II/1221, Bl. 84-91, hier Bl. 86. Tirpitz an Knorr (mit Anlage), 5.9.1896, BArch, N 253/45, Bl. 22-37. Der Bericht ist vollständig abgedruckt in: Irmer, Die Erwerbung von Kiautschou, S. 29-34. Abmachungen zwischen Tirpitz und Heyking über das Vorgehen beim Stützpunkterwerb, 6.8.1896, BArch, N 253/43, Bl. 6 f. Nach Wolfgang Petter war Tirpitz strikt gegen eine Inbesitznahme von Amoy, da es in der britischen Einflusssphäre lag und er bereits im Hinblick auf den

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rauffolgenden Wochen die – falschen – Informationen zu verdichten begannen, die Kiautschou-Bucht sei der russischen Pazifikflotte dauerhaft als Winterstation überlassen worden, blieb aus Heykings Sicht die Abmachung mit dem Divisionschef, dass Amoy besetzt werden solle. Tirpitz stimmte dieser Auffassung zu. Allerdings wollte er keine militärische Aktion vor dem Frühjahr 1897 unternehmen, wie er den Gesandten Ende September wissen ließ, weil zuvor noch einige seiner Schiffe instandgesetzt werden mussten318. Heyking ignorierte diesen Einwand. Ohne vorherige Rücksprache mit Tirpitz telegrafierte er am 23. November auf eine entsprechende Anfrage des Auswärtigen Amtes nach Berlin, er habe sich mit dem Divisionschef darüber verständigt, dass Amoy der geeignetste Stützpunkt an der chinesischen Küste sei. Als Vorwand für ein sofortiges rücksichtsloses Vorgehen in der Stützpunktfrage empfahl er die »völlig ablehnende Haltung«319 der chinesischen Regierung bezüglich einer deutschen Beteiligung am Eisenbahnbau in China. Damit setzte er den Divisionschef vor vollendete Tatsachen. »Ich wollte gar nicht dran gehen, eine Antwort [ans Auswärtige Amt] zu telegraphieren, ohne Sie vorher konsultiert zu haben«, entschuldigte sich Heyking später scheinheilig bei Tirpitz, »aber ich wußte nicht, wo Sie waren«320. Um »nicht den Schein des Zauderns hervor[zu]rufen«321, so Heyking weiter, habe er sich entschlossen, offiziell in ihrer beider Namen für Amoy zu plädieren. Zu dieser Zeit hatte Tirpitz den südchinesischen Vertragshafen noch nicht einmal inspiziert. Er fühlte sich durch Heykings eigenmächtiges Vorpreschen düpiert, unterließ es aber, bei der Reichsleitung entsprechend zu intervenieren322. Der Kaiser hatte lange auf eine konkrete Entscheidung in der Stützpunktfrage gewartet. Ungeduldig ordnete er an: »Wir müssen jetzt rasch und entschlossen handeln. Amoy muss sofort besetzt werden323.« Das Auswärtige Amt jedoch hatte schwerwiegende politische Bedenken, den Vertragshafen durch einen Gewaltstreich in Besitz zu nehmen. Beim Immediatvortrag am 29. November konnte Hohenlohe den Kaiser überzeugen, erst noch abzuwarten und die Pläne zur gewaltsamen Besetzung Amoys zurückzustellen. Gezielt lenkte er dessen Augenmerk wieder auf die Kiautschou-Bucht, denn kurz zuvor hatte Gustav Detring324, der als Seezolldirektor in chinesischen Diensten stand, der

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Schlachtflottenbau jegliche Konfrontation mit Großbritannien vermeiden wollte. Diese These lässt sich anhand der Akten nicht belegen. Vgl. Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 169. Tirpitz an Heyking, 28.9.1896, BArch, N 253/43, Bl. 25 f. Heyking an AA, 23.11.1896, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 279 f., hier S. 279. Heyking an Tirpitz, 5.12.1896, BArch, N 253/43, Bl. 45-52, hier Bl. 45. Ebd. Deutliche Kritik äußerte er lediglich in einem privatdienstlichen Brief an Senden-Bibran. Vgl. Tirpitz an Senden-Bibran, 20.1.1897, BArch, N 160/5, Bl. 16-19, hier Bl. 17, 19. Wilhelm II. an Hohenlohe, 27.11.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3668, S. 43. Detring gehörte zu einer Delegation, die Li Hung-chang auf einer Europareise im Sommer 1896 begleitete. Als Li Ende Juni aus Deutschland abreiste, wo dieser unter anderem mit Otto von Bismarck und Friedrich Alfred Krupp zusammengetroffen war, blieb Detring einige Monate in seiner alten Heimat, um dort über eine Erhöhung der chinesischen Seezölle zu verhandeln. Außerdem versuchte er, die Reichsleitung von ihren Okkupationsgelüsten in China durch Kompensationen auf wirtschaftlichem Gebiet abzubringen. Im Zuge dessen ventilierte er den Vorschlag, die deut-

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Reichsleitung glaubhaft versichert, dass die Bucht keinesfalls, wie Heyking behauptete, von China an Russland abgetreten worden sei. Nachhaltig überzeugt hatte den Kaiser, dass auch sein Protegé Tirpitz einige Wochen zuvor »so warm für Kiautschou eingetreten«325 war326. Tirpitz hat in seinen Memoiren behauptet, er habe aufgrund von Heykings Vorpreschen Ende November »aus Berlin den Befehl bekommen, vor Amoy zu bleiben, das Dock [für S.M.S. ›Kaiser‹ in Hongkong] abzubestellen, die Ablösung bei mir zu behalten und zu einer Aktion fertig zu machen«327. Tatsächlich jedoch lässt sich anhand der Akten klar belegen, dass Tirpitz zu keiner Zeit einen Befehl erhielt, sich für eine Aktion in Amoy fertig zu machen. Als er am 28. November aus Berlin die lapidare Anweisung bekam, vorläufig in Amoy zu bleiben, war er zunächst irritiert. Da der Befehl nicht chiffriert war, bat er Knorr, diesen zu legitimieren, und fragte gleichzeitig nach, ob das seit Langem vorbestellte Dock für den »Kaiser« in Hongkong abbestellt werden solle. Tirpitz hatte erhebliche Bedenken gegen die Abbestellung, denn das Schiff musste dringend instandgesetzt werden,

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sche Regierung möge sich dafür einsetzen, dass die Kiautschou-Bucht als Vertragshafen eröffnet werde. Im Gegenzug würde China den Deutschen Vorzugsrechte bei der kommerziellen Erschließung und militärischen Nutzung der Bucht einräumen. Die Reichsleitung ging auf dieses Angebot nicht ein. Vgl. Heyking an Hohenlohe, 21.2.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 8-11; Aufzeichnungen Admiral Knorrs, 9.11.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3665; Heyking an Hohenlohe, 12.1.1897, PAAA, R 17973, Bl. 87-113; Memorandum des Seezolldirektors Detring über die von China gewünschte Revision des Zolltarifs, 12.10.1896, zit. in: » Musterkolonie Kiautschou«, Nr. 12, S. 95-99; Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 122 ff., Li, Memoiren, S. 125-134; Schmidt, Aufgabe und Einfluß der europäischen Berater in China, S. 73-90; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 291-294. Senden-Bibran an Tirpitz, 22.11.1896, BArch, N 253/45, Bl. 72 f., hier Bl. 72. Tirpitz’ Bericht über die Kiautschou-Bucht traf in der ersten Oktoberhälfte in Berlin ein. Zwar wurde das genaue Datum des Posteingangs nicht vermerkt, aber die Laufzeit von Schiffspost zwischen Ostasien und Deutschland betrug seinerzeit zwischen vier und sechs Wochen. In seinen Memoiren behauptet Tirpitz, dass dieser Bericht erst Ende November 1896 in Berlin eingetroffen und ausschlaggebend für die Entscheidung des Kaisers gewesen sei, sich in der Stützpunktfrage auf Kiautschou zu fokussieren. Diese Darstellung ist falsch. Vgl. Jaeschke an Tirpitz, 19.12.1896, BArch, N 253/45, Bl. 74-77, hier Bl. 74; Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 13-32, hier Bl. 13, 32; Tirpitz, Erinnerungen, S. 65. Abmachungen zwischen Tirpitz und Heyking über das Vorgehen beim Stützpunkterwerb, 6.8.1896, BArch, N 253/43, Bl. 6 f.; Heyking an Tirpitz, 24.8.1896, ebd., Bl. 17-24; Tirpitz an Heyking, 28.9.1896, ebd., Bl. 25 f.; Heyking an Tirpitz, 5.12.1896, ebd., Bl. 45-52; Tirpitz an Heyking, 20.12.1896, ebd., Bl. 55 f. Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, BArch, N 253/45, Bl. 22-32, hier Bl. 27; Jaeschke an Tirpitz, 19.12.1896, ebd., Bl. 74-77; Heyking an Marschall, 22.8.1896, BArch, RM 3/6693, Bl. 27-29; Knorr an Marschall, 9.11.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 48; Tirpitz an Knorr (mit Anlagen), 7.12.1896, ebd., Bl. 104-130; Aufzeichnungen Admiral Knorrs, 9.11.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3665; Radolin an Hohenlohe, 19.11.1896. In: Ebd., Nr. 3666; Wilhelm II. an Hohenlohe, 27.11.1896. In: Ebd., Nr. 3668; Aufzeichnungen Klehmets, 28.11.1896. In: Ebd., Nr. 3669; Hollmann an Marschall, 8.12.1896. In: Ebd., Nr. 3670; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 197 (Aufzeichnung o.D. [Ende November 1896]); Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 716 f.; Tirpitz, Erinnerungen, S. 64 f.; Tirpitz, Tirpitz’s letztes Frontkommando, S. 324-328. Tirpitz, Erinnerungen, S. 64. In der historischen Forschung ist diese – falsche – Darstellung bislang ungeprüft übernommen worden: Vgl. u.a. Ganz, The Role of the Imperial German Navy in Colonial Affairs, S. 104; Irmer, Die Erwerbung von Kiautschou, S. 37 ff.; Hubatsch, Auslandsflotte und Reichspolitik (1955), S. 33 f.

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und die Buchungsfrist für einen neuen Werftaufenthalt betrug seinerzeit bis zu neun Monate. Noch am selben Tag erhielt er ein Telegramm von Heyking. Darin informierte ihn dieser über sein eigenmächtiges Vorgehen, dem Reichskanzler in ihrer beider Namen die Besitzergreifung Amoys empfohlen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt musste Tirpitz annehmen, dass zwischen dem Befehl von Knorr und der Empfehlung von Heyking an die Reichsleitung ein unmittelbarer Zusammenhang bestand. Deshalb wollte er die »Arcona« und die »Irene« nach Amoy beordern, was allerdings einige Tage dauern würde, wie er Heyking mitteilte. Zwei Tage später dann herrschte Klarheit: Nachdem Tirpitz entsprechende Instruktionen aus Berlin erhalten hatte, telegrafierte er am 29. November von Amoy an den Kommandanten der »Irene«, Korvettenkapitän Georg du Bois, er solle das Dock für den »Kaiser« abbestellen und dessen Ablösungsmannschaft schleunigst von Hongkong nach Amoy schicken. Außerdem solle Bois die Fertigstellung der »Irene«, die sich gerade in der Hongkonger Werft befand, »auf das Äußerste beschleunigen«328 und sofort Meldung erstatten, wenn das Schiff wieder einsatzbereit war. Als Grund für seine Befehle gab Tirpitz an, der »kaiser soll wegen manila [!] vorlaeufig nicht docken«329, sich also für einen Einsatz auf den Philippinen bereithalten, wo ein schwerer Aufstand der Einheimischen gegen die spanischen Kolonialherren ausgebrochen war und wohin Tirpitz bereits wenige Tage zuvor – gegen seinen telegrafischen Einspruch – die »Arcona« hatte entsenden müssen330. Tirpitz dürfte seine Memoiren hier bewusst gefälscht haben, um Heyking, den er nicht besonders mochte, nachhaltig zu diskreditieren, wie er es seinerzeit bereits, im Dezember 1896, in einem Privatbrief an Korvettenkapitän Georg Alexander Müller, dem späteren Marinekabinettschef, getan hatte331. Am 2. Dezember revidierte Tirpitz seine Befehle an Bois, denn das Oberkommando der Marine hatte ihm freigestellt, nach eigenem Ermessen zu docken. Daraufhin verlegte er den »Kaiser« zur Instandsetzung nach Hongkong und fuhr Mitte Dezember mit der »Irene« nach den 328

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Tirpitz an Bois, 29.11.1896, BArch, RM 92/2732, Bl. 305. In den Bordakten des Kreuzergeschwaders (Bestand RM 38 im BArch) befindet sich keine Abschrift dieses Telegramms. Es ist der Bordakte des Kreuzers »Irene« entnommen. Ebd. Die »Arcona« war vom 24.11. bis 28.12.1896 in Manila stationiert, um die Flagge zu zeigen und die Lage zu sondieren. Zu Jahresbeginn 1896 war sie schon einmal für einige Tage mit dem gleichen Auftrag dorthin detachiert worden. Seinerzeit hatte Hoffmann den Kommandanten allerdings noch zusätzlich eine Beschreibung der Philippinen, des Sulu-Archipels und der Karolinen-Inseln »mit Bezug auf ihren militärischen und wirthschaftlichen Werth im Falle einer Besitzergreifung durch Deutschland« ausarbeiten und eine kurze Studie über die militärische Stärke der spanischen See- und Landstreitkräfte in Asien anfertigen lassen. Zitat aus: Dresky an Hoffmann (mit Anlagen), 9.5.1896, BArch, RM 92/2732, Bl. 150-169, hier Bl. 151. Vgl. ebd., Bl. 150-169; Sarnow an Hoffmann, 6.2.1896, BArch, RM 3/3176, Bl. 169; Sarnow an Hoffmann, 28.1.1896, ebd., Bl. 171 f.; OKM an Hollmann (mit Anlagen), 23.1.1897, BArch, RM 3/3177, Bl. 1-7; Becker an Tirpitz, 31.12.1896, ebd., Bl. 10; Tirpitz an Knorr, 21.11.1896, BArch, RM 38/29, Bl. 17 ff.; Sarnow an Hoffmann, 2.2.1896, PAAA, R 19463 (ohne Paginierung). Zur philippinischen Revolution 1896 bis 1898 siehe u.a.: Dahm, Emanzipationsversuche von kolonialer Herrschaft in Südostasien, S. 21-60; Martinez, A Historical Analysis of the Philippine Revolution; Zaide, The Philippine Revolution; siehe auch: Aguinaldo, My Memoirs, S. 23-188. Tirpitz an Müller, 11.12.1896, zit. nach: Tirpitz, Tirpitz’s letztes Frontkommando, S. 325 f. Allerdings behauptete er darin nicht, von Knorr einen Befehl zur Besetzung Amoys erhalten zu haben.

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Philippinen, um dort die Lage zu sondieren. Als er auf der Reede von Manila eintraf, schickte er die »Arcona« sofort zurück an die chinesische Küste. Nachdem am 30. Dezember der Anführer der Aufständischen, José Rizal, von den Spaniern hingerichtet worden war, befand Tirpitz, dass der Aufstand für die Stadt Manila und die dort lebenden Deutschen »augenblicklich keine Gefahr«332 darstelle, und ging nach nur zehntägigem Aufenthalt mit der »Irene« ebenfalls zurück nach China333. Kurz nachdem Tirpitz die chinesischen Gewässer mit Kurs auf Manila verlassen hatte, lehnte es die chinesische Regierung kategorisch ab, dem Deutschen Reich einen Stützpunkt auch nur pachtweise zu überlassen334. Damit waren sämtliche Bemühungen des Auswärtigen Amtes gescheitert, von China eine Kohlenoder Flottenstation auf diplomatischem Wege zu erpressen. »Keine Anfrage mehr!«, verfügte der Kaiser, »sobald der Platz feststeht, gleich besetzen335.« Infolge dieser Entscheidung blieb die Kreuzerdivision als geschlossener Verband in den fernöstlichen Gewässern stationiert. Alle Pläne für eine bereits anvisierte Reduzierung der Seestreitkräfte in Ostasien zugunsten der unbesetzten Westamerikanischen Station im Frühjahr 1897 waren damit vom Tisch336. Tirpitz war erleichtert. »Ich bin durchdrungen davon, daß unsere ganze politische Position in Ostasien Chimäre ist«, hatte er im September an Heyking geschrieben, »wenn wir nicht soviel haben, daß unser hiesiges Geschwader wenigstens etwas in die Waagschale fällt. Dazu ist bei der Anhäufung von russischen, englischen und japanischen Streitkräften unser Geschwader jetzt schon zu klein«, hatte er anschließend konstatiert, »zieht man auch nur ein Schiff zurück, so würde ich selbst die Besetzung von Amalie [Codename für Amoy – H.H.] ablehnen. Ich meinerseits werde also Alles 332 333

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Zusammenstellung des OKM zum Immediatvortrag für Admiral Knorr am 4.1.1897, 2.1.1897, BArch, RM 5/914, Bl. 37 ff., hier Bl. 37. Tirpitz an Heyking, 20.12.1896, BArch, N 253/43, Bl. 55 f.; Marschall an Knorr, 5.11.1895, BArch, RM 3/2991, Bl. 44; Knorr an Hollmann, 4.12.1896, ebd., Bl. 48; Tirpitz an Knorr, 10.1.1897, BArch, RM 3/3156, Bl. 3 ff.; Bois an Tirpitz, 27.12.1896, BArch, RM 3/3180, Bl. 126 f.; Bois an Tirpitz, 10.1.1897, ebd., Bl. 132, Diederichs an Knorr, 21.8.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 82-104, hier Bl. 88 f.; Knorr an Tirpitz, 27.11., 29.11., 2.12.1896, BArch, RM 38/28b, Bl. 231, 233, 234; Tirpitz an Knorr, 28.11.1896, ebd., Bl. 231; Heyking an Tirpitz, 27.11., 2.12.1896, ebd., Bl. 232, 235; Tirpitz an Heyking, 1.12.1896, ebd., Bl. 232; OKM an Hollmann, 15.12.1896, BArch, RM 3/3080, Bl. 86; Zeye an Hoffmann, 5.12.1896, ebd., Bl. 96; Denkschrift des OKM zum Immediatvortrag über die Lage auf den Philippinen, 27.2.1897, BArch, RM 5/914, Bl. 126-129; Tirpitz an Bois, 29.11.1896, BArch, RM 92/2732, Bl. 305; Tirpitz, Erinnerungen, S. 63 ff.; Tirpitz, Tirpitz’s letztes Frontkommando, S. 325-329; siehe auch: Becker an Tirpitz, 11.12.1897, BArch, RM 3/3156, Bl. 9-14; Tirpitz an Knorr, 26.1.1897, ebd., Bl. 40 f.; Denkschrift des OKM zum Immediatvortrag über die Lage in Manila, 28.1.1897, BArch, RM 5/914, Bl. 64-68; Becker an Tirpitz, 2.1.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 26 f.; Tirpitz an Knorr, 18.1.1897, ebd., Bl. 28-40; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 19-25. Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 720; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 296 f. Allerdings irren Lensen und Wippich sich im Datum. Die Ablehnung erfolgte nicht am 27. Dezember, sondern einen Tag zuvor. Vgl. Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 199 (Aufzeichnungen vom 26.12.1896). Randbemerkung Wilhelms II. zu einem Schreiben von Marschall, 19.2.1897, zit. nach: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 297. Siehe dazu u.a.: Hollmann an Knorr, 28.11.1896, BArch, RM 3/3012, Bl. 21 ff., hier Bl. 23; Hollmann an Marschall (mit Anlage), 20.7.1896, PAAA, R 2231; Marschall an Hollmann, 27.8.1896, ebd. (ohne Paginierung).

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thun, um das Geschwader u[nd] damit die reale Basis unserer politischen Stellung hier zu verstärken u[nd] kann Sie nur bitten[,] das Gleiche zu thun337.« Tirpitz dachte also keineswegs eurozentristisch, wie etwa Wolfgang Petter suggeriert338, sondern in weltpolitischen Kategorien. Auch die Schlachtflotte, deren planmäßigen Ausbau er nur wenige Monate später als Staatssekretär des Reichsmarineamts einleiten sollte, war für Tirpitz primär ein Instrument der Weltpolitik339. Am 28. Dezember befahl Wilhelm II., hier einer Empfehlung von Tirpitz und Hohenlohe folgend, die Entsendung des Marinebaurats Georg Franzius nach China, der binnen vier Wochen »in unauffälliger Weise«340 die Kiautschou-Bucht, aber auch Amoy, die Samsa-Bucht und Changtau341 »auf ihre Geeignetheit als Stützpunkt für S.M. Schiffe vom Standpunkt der Hafen- und Wasserbautechnik«342 untersuchen und die bis dahin vorliegenden Informationen überprüfen sollte. Gleichzeitig drängte der Kaiser weiter zur Aktion. Er war nun ganz auf Kiautschou fixiert, Amoy war für ihn nur noch zweite Wahl. Bereits am 30. November hatte er den Kommandierenden Admiral beauftragt, einen Plan zur Besitzergreifung der nordchinesischen Bucht auszuarbeiten und die Bereitstellung der notwendigen Mittel für die militärische Aktion vorzubereiten, »damit der Plan, sobald der Zeitpunkt dazu gekommen sein wird, ungesäumt ausgeführt werden kann«343. Von seiner Entscheidung, einen Stützpunkt an der chinesischen Küste gewaltsam in Besitz zu nehmen, ließ sich Wilhelm II. nicht mehr abbringen. »Die Chinesen glauben nur an diejenige Macht«, hatte ihm Heyking eingeflüstert, »die im Hori-

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Tirpitz an Heyking, 28.9.1896, BArch, N 253/43, Bl. 25 ff., hier Bl. 25. Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 169. Siehe Gollwitzer, Geschichte des weltpolitischen Denkens, Bd 2, S. 238-241; Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 135, 191-296. Hollmann an Franzius, 28.12.1896, BArch, RM 38/28b, Bl. 240 ff., hier Bl. 242. Tirpitz hatte sich Anfang Dezember von seiner Empfehlung für Kiautschou distanziert, weil er glaubte, dass Russland die Bucht für sich beanspruchte. Gleichzeitig hatte er versucht, das Augenmerk auf Woosung und Changtau als mögliche alternative Stützpunkte zu lenken. Letzteres wurde auch vom Kommandierenden Admiral präferiert. Der Hafen von Changtau wird von zwei kleinen Inseln gebildet, die nördlich des Chusan-Archipels liegen. Anders als Woosung betrachtete die Reichsleitung Changtau als ernsthafte Option, solange unklar war, welche Ansprüche Russland tatsächlich auf Kiautschou erhob, auch wenn dort nur ein rein militärischer Stützpunkt ohne wirtschaftliches Entwicklungspotential hätte angelegt werden können. Knorr jedenfalls konnte unter Berufung auf Tirpitz im Januar 1897 durchsetzen, dass Franzius’ Untersuchungsauftrag für Amoy, Kiautschou und die Samsa-Bucht nachträglich um Changtau erweitert wurde. In seinen Memoiren verdrehte Tirpitz bewusst diese Zusammenhänge und versuchte dadurch, seinen Zickzackkurs in der Stützpunktfrage zu verschleiern. Vgl. Denkschrift des OKM über die Erweiterung der dem Geheimen Marinebaurat Franzius erteilten Instruktion zur Untersuchung von ostasiatischen Häfen auf Changtau, 16.1.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 121 ff.; Tirpitz an Knorr (mit Anlagen), 7.12.1896, ebd., Bl. 104-130 (ergänzend zu diesem Bericht siehe: Tirpitz an Knorr (mit Anlage), 23.1.1897, BArch, RM 5/5929, Bl. 180-211); Hollmann an Franzius, 3.2.1897, ebd., Bl. 135 ff.; Tirpitz an Senden-Bibran, 20.1.1897, BArch, N 160/5, Bl. 16-19; Tirpitz, Erinnerungen, S. 64; siehe auch Ganz, The Role of the Imperial German Navy in Colonial Affairs, S. 109, Anm. 47. Hollmann an Franzius, 28.12.1896, BArch, RM 38/28b, Bl. 240 ff., hier Bl. 240. Knorr an Tirpitz, 15.12.1896, ebd., Bl. 243, ebenso in: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3670, Anm. *, S. 47. Für die Besetzung von Amoy lag bereits ein Plan vor. Vgl. u.a. Knorr an Wilhelm II., 28.11.1896, BArch, RM 3/6693, Bl. 72-79, hier Bl. 76-78.

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zonte ihrer Küsten aus den Geschützen unserer Kriegsschiffe spricht344.« Sobald der Bericht von Franzius vorliege und zweifelsfrei geklärt sei, dass Russland keinen Anspruch auf die Kiautschou-Bucht erhebe, instruierte er den Kommandierenden Admiral, solle nur noch »das Eintreten von Differenzen mit der chinesischen Regierung abgewartet«345 und dann sofort zugegriffen werden. »Verhandelt ist genug worden!«, bestimmte er, »jetzt heißt es Schiffe conzentrirt, Amoy oder Kiao-chou genommen, Flagge gehisst und dann verhandelt346!« Nur zwei Wochen später, beim Immediatvortrag am 15. Dezember, legte Admiral Knorr dem Kaiser seinen Plan zur Besetzung der Kiautschou-Bucht vor, der weitestgehend auf Tirpitz’ Vorschlägen basierte347. Demnach sollten die Kreuzerdivision und der ostasiatische Stationär »Cormoran« die Kiautschou-Bucht durch Proklamation und Flaggenhissung in Besitz nehmen, nachdem die dort stationierten chinesischen Truppen möglichst ohne Blutvergießen vertrieben worden waren, und den Platz, unter Nutzung der bereits vorhandenen Verteidigungsanlagen, solange halten, bis Verstärkung aus der Heimat eingetroffen war. Bereits wenige Tage nach dem Immediatbericht erhielt Knorr den kaiserlichen Befehl, in Abstimmung mit dem Reichsmarineamt und den sonst in Betracht kommenden Behörden »Weiteres [...] in die Wege zu leiten, damit der Plan, sobald der Zeitpunkt dazu gekommen ist, ungesäumt ausgeführt werden kann348.« Dieser Prozess wurde noch kurz vor dem Jahreswechsel durch erste Konsultationen zwischen den obersten Marinebehörden und entsprechende Anweisungen an den Chef der Kreuzerdivision eingeleitet349. Elf Monate später schließlich sollte Knorrs Eroberungsplan die Grundlage für die militärische Besitzergreifung Kiautschous bilden350. Als der Kaiser die grundsätzliche Entscheidung zur gewaltsamen Besitzergreifung eines Stützpunktes in China fällte, neigte sich Tirpitz’ letztes »Frontkomman344 345 346 347 348 349

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Heyking an Hohenlohe, 19.8.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 49 f., hier Bl. 50. Knorr an Tirpitz, 31.12.1896, BArch, RM 38/28b, Bl. 243 und 249, hier Bl. 243 (der Bericht verteilt sich auf zwei lose Blätter, die getrennt voneinander abgelegt wurden). Randbemerkung Wilhelms II. zu einer Promemoria des AA, 25.11.1896, zit. in: HohenloheSchillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 280 ff., hier S. 281 f. Plan von Admiral Knorr zur Besetzung der Kiautschou-Bucht, 15.12.1896, BArch, RM 3/6693, Bl. 31-44. Senden-Bibran an Knorr, 22.12.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 77 f., hier Bl. 77. Dabei stand von Anfang an im Mittelpunkt die Bildung einer Kolonialtruppe, die Kiautschou nach der Besetzung durch die Kreuzerdivision sichern sollte. Auch der Kaiser sprach sich dafür aus. Allerdings hatte das Auswärtige Amt sowohl praktische als auch staatsrechtliche Bedenken dagegen, so dass schließlich ab dem Frühjahr 1897 von der Bildung einer solchen Truppe Abstand genommen wurde. Vgl. Senden-Bibran an Knorr, 28.1.1897, BArch, RM 5/5929, Bl. 136; Anmerkung zu Hollmann an Marschall, 8.12.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, S. 47. Senden-Bibran an Knorr, 22.12.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 77 f.; Plan von Admiral Knorr zur Besetzung der Kiautschou-Bucht, 15.12.1896, BArch, RM 3/6693, Bl. 31-44; Knorr an Wilhelm II., 28.11.1896, ebd., Bl. 72-79; Knorr an Hollmann, 6.1.1896, ebd., Bl. 88-94; Protokoll der ersten Besprechung von OKM und RMA über die geplante Besitzergreifung Kiautschous, 29.12.1896, BArch, RM 5/5929, Bl. 79 f.; Knorr an Tirpitz, 31.12.1896, ebd., Bl. 82 f.; Hollmann an Franzius, 28.12.1896, BArch, RM 38/28b, Bl. 240 ff.; Knorr an Tirpitz, 31.12.1896, ebd., Bl. 243 und 249 (der Bericht verteilt sich auf zwei lose Blätter, die getrennt voneinander abgelegt wurden).

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III. Intervention und »Neuer Kurs« (1890-1897)

do«351 bereits dem Ende zu. Am 31. März 1897 wurde er aus Ostasien abberufen und nach Berlin zurückbeordert352. Nach seiner Rückkehr übernahm er dort Mitte Juni offiziell die Leitung des Reichsmarineamts. Ihm war sehr bewusst, dass nun eine harte und arbeitsreiche Zeit vor ihm liegen würde. Kurz nach der Amtsübernahme schrieb er an Knorr, er habe »gute Hoffnung mit unserer [Flotten-]Vorlage, wenn nicht in diesem Jahre so im nächsten. Ich bin so durchdrungen von deren Nothwendigkeit[,] daß ich mit äußerster Zähigkeit derer gestalten werde, hoffentlich giebt mir der liebe Herrgott auch das erforderliche Geschick hierfür. Freilich[,] Admiral in Ostasien ist schöner«353. Heyking und seine Frau freuten sich sehr über Tirpitz’ Beförderung, »da wir an ihm jemand in Berlin haben werden«, wie sie glaubten, »der sich für China interessiert, und dem wir unsere Wünsche werden direkt mitteilen können«354. Beide hofften nämlich nichts sehnlicher, als nach dem Erwerb eines deutschen Stützpunktes an der chinesischen Küste das ihnen verhasste Peking – Admiral Diederichs bezeichnete es zynisch als »Perle des Unrats«355 – rasch wieder verlassen zu können und an einen angenehmeren Ort versetzt zu werden. Vier Monate nachdem Tirpitz das Reichsmarineamt übernommen hatte, wurde Bernhard Graf von Bülow zum neuen Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ernannt. Mit diesen beiden personalpolitischen Entscheidungen leitete Wilhelm II. eine neue Phase in der deutschen Außenpolitik ein: »Weltpolitik als Aufgabe, Weltmacht als Ziel, Flottenbau als Instrument«356 lautete jetzt die imperiale Devise. Den Auftakt zur aggressiven Weltmachtpolitik markiert die Besetzung Kiautschous durch die Kreuzerdivison im November 1897.

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Tirpitz, Tirpitz’s letztes Frontkommando, S. 321. Wilhelm II. an Knorr, 31.3.1897, BArch, RM 4/163, Bl. 64. Tirpitz an Knorr, 27.6.1897, BArch, N 578/12, Bl. 140 ff., hier Bl. 142. Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 215 f. (Aufzeichnung vom 6.4.1897). Diederichs an seine Frau Henni, 5.4.1898, BArch, N 255/4 (ohne Paginierung). Herzfeld, Die moderne Welt 1789-1945, Bd 2, S. 35.

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901) Schon als der Kaiser den greisen Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst Ende Oktober 1894 zum Reichskanzler ernannte, verfügte das Deutsche Reich nicht mehr über das breite Spektrum außenpolitischer Alternativen der Ära Bismarck. Doch unter Hohenlohe setzte eine Entwicklung ein, in deren Folge sich Deutschlands internationale Lage binnen weniger Jahre drastisch verschlechtern sollte: gemeint ist die zunehmend antibritische Ausrichtung der gesamten deutschen Politik. Ihre Ursachen waren ebenso komplex wie ihre Auswirkungen, die sich in vielen verschiedenen Bereichen bemerkbar machten. Besonders augenfällig waren sie in der Außenpolitik, der Wirtschaft, der öffentlichen Meinung und, vielleicht am deutlichsten, in der Marinepolitik. Bernhard von Bülow, der die deutsche Außenpolitik zwischen 1897 und 1909 maßgeblich gestaltete, reflektierte die Verschlechterung der deutsch-britischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg in seinen Memoiren. Ähnlich wie der Historiker Paul Kennedy, der sich einige Jahrzehnte später ausführlich mit dieser Thematik befasst hat1, unterteilte Bülow diese in drei Phasen2: Die erste sei von einer zunehmenden Handelsrivalität geprägt gewesen, hervorgerufen durch die rasant wachsende deutsche Exportindustrie. Den Ausgangspunkt der zweiten Phase habe die Krüger-Depesche gebildet. Das dritte und entscheidende Stadium aber sei durch den deutschen Schlachtflottenbau eingeleitet worden. Seit Wilhelm II. im Juni 1888 die Regierung übernommen hatte, versuchte er, die deutsche Flotte zu verstärken, allerdings mit geringem Erfolg. Seine alljährlichen Forderungen nach Kriegsschiffsneubauten waren plan- und konzeptlos, deshalb wurden sie von den Reichstagsabgeordneten regelmäßig zusammengestrichen. Während des »verlorenen Jahrzehnts« (Tirpitz) von 1888 bis 1897 blieb die Kaiserliche Marine relativ klein und konnte letztlich weder der französischen noch der russischen, geschweige denn der britischen Flotte ernsthaft etwas entgegen setzen. Im Frühjahr 1897, als der Reichstag erneut die Marineforderungen gekürzt hatte, zog der Kaiser bekanntlich die Konsequenzen: Er entließ den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Vizeadmiral Friedrich von Hollmann, der im Reichstag häufig ungeschickt agiert hatte, und ersetzte ihn durch den ehrgeizigen, zielstrebigen Konteradmiral Tirpitz, dem er zutraute, seine Flottenpläne im Parlament endlich durchsetzen zu können. Tirpitz hatte in seiner Zeit als Chef des Stabes im Oberkommando der Marine zwischen 1892 und 1895 ein Schlachtflottenkonzept ausgear1 2

Siehe dazu besonders: Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860-1914. Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 411-414.

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beitet, dessen Umsetzung er nun rasch und konsequent in Angriff nahm, getreu nach seinem Wahlspruch: »Ziel erkannt, Kraft gespannt!« Tatsächlich gelang es ihm, durch geschicktes Verhandeln und eine bis dahin beispiellose öffentliche Propagandakampagne, den Reichstag bereits im April 1898 zur Annahme eines Flottengesetzes zu bewegen, das wesentliche Elemente seines Konzeptes beinhaltete: eine einheitliche Baurate für festgelegte Kriegsschiffstypen und den planmäßigen Ersatz für veraltetes Schiffsmaterial. Zwar präferierte Wilhelm II. als Anhänger der »Jeune École« den Bau einer großen Kreuzerflotte3, aber Tirpitz hatte ihn davon überzeugen können, dass im Falle eines Krieges der für Deutschland »zur Zeit [...] gefährlichste Gegner zur See«4, namentlich Großbritannien und erst in zweiter Linie der russischfranzösische Zweibund, nicht durch einen aufwendigen Kreuzerkrieg, sondern besser durch eine große Seeschlacht in der Deutschen Bucht zu schlagen sei5. Deutschland mangele es an überseeischen Stützpunkten, konstatierte Tirpitz im Juli 1897, ein »Kreuzerkrieg und transozeanischer Krieg gegen England«, das weltweit Stützpunkte im Überfluss besitze, seien deshalb »aussichtslos«; vielmehr müsse die deutsche Flotte »so eingerichtet werden, daß sie ihre höchste Kriegsleistung zwischen Helgoland und Themse entfalten kann«6. Mit dem bald darauf eingeleiteten Bauprogramm wollte Tirpitz eine Schlachtflotte schaffen, die »leistungsfähig und stark genug [ist], um die Seeinteressen des Reichs wirksam zu vertreten«7. Sein Ziel war die Äternisierung der Flottenstärke auf einen Kernbestand von mindestens sechzig Linienschiffen und Großen Kreuzern mittels eines gesetzlich festgelegten Dreiertempos, das heißt den jährlichen Bau von drei Kriegsschiffen, das er jedoch nicht vollständig erreichen sollte. Das Flottengesetz von 1898 legte dafür nur den Grundstein; bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges wurde es viermal novelliert8. 3

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Wilhelm II. träumte auch nach der Implementierung des Tirpitz-Plans weiterhin von einer großen Kreuzerflotte. Ideal war aus seiner Sicht die Verquickung dieser beiden Konzepte, die er durch die von ihm forcierte Entwicklung eines »schnellen Linienschiffes« beziehungsweise »Kreuzerlinienschiffes« zu verwirklichen hoffte. Vgl. Grießmer, Große Kreuzer der Kaiserlichen Marine 1906-1918, passim; König, Wilhelm II. und die Moderne, S. 25-37. Denkschrift von Tirpitz über »Allgemeine Gesichtspunkte bei der Feststellung unserer Flotte nach Schiffsklassen und Schiffstypen«, Juli 1897, zit. in: Rüstung im Zeichen der wilhelminischen Weltpolitik, S. 122-127, hier S. 122. Das aber hieß: »der deutschen Marine war mit dem Tirpitzschen Konzept das Ziel des Seekrieges, die Kontrolle der Seewege, aus dem Blick geraten«. Zitat aus: Wegener, Die Tirpitzsche Seestrategie, S. 245. Siehe dazu auch: Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 315-320. Zitate aus: Denkschrift von Tirpitz über »Allgemeine Gesichtspunkte bei der Feststellung unserer Flotte nach Schiffsklassen und Schiffstypen«, Juli 1897, zit. in: Rüstung im Zeichen der wilhelminischen Weltpolitik, S. 122-127, hier S. 122. Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 115. Zum Begriff »Seeinteressen« siehe u.a.: Seeinteressen. In: Nauticus, 2 (1899), S. 319-322. Über diesen fundamentalen Umschwung in der deutschen Außen- und Marinepolitik gibt es eine gewaltige Menge Literatur. Hier sei deshalb in erster Linie auf folgende, wichtige Werke verwiesen: Berghahn, Der Tirpitz-Plan; Brézet, Le plan Tirpitz; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik; Hobson, Maritimer Imperialismus; Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 107-205; Rödel, Krieger, Denker, Amateure; Steinberg, Yesterday’s Deterrent; Winzen, Bülows Weltmachtkonzept; siehe außerdem: Epkenhans, Die wilhelminische Flottenrüstung 1908-1914.

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Mit der politischen Entscheidung, den planmäßigen Ausbau der Schlachtflotte gegen Großbritannien zu richten, läutete Tirpitz »die große Revolution des Jahres 1897«9 ein. In der Öffentlichkeit wurde diese Zielrichtung so gut wie möglich verschleiert. Tirpitz wollte unbedingt vermeiden, dass die Briten die noch unfertige deutsche Flotte durch einen Präventivschlag vernichteten, so wie einst die dänische Flotte im Jahre 180710. Demzufolge musste die Flottenrüstung auch politisch flankiert werden. Deshalb erhielt Bülow schon bei seiner Ernennung zum Staatssekretär des Äußeren im Oktober 1897 den Auftrag, »das deutsche Schiff sicher durch die Gefahrenzone [zu] leiten«, wie es Wilhelm II. und Tirpitz formulierten, das heißt die »Verstärkung unserer Flotte zu ermöglichen, ohne daß dieser Ausbau zu einem Krieg mit England führte«11. Gleichwohl war die anti-britische Tendenz des Tirpitz-Plans von Anfang an unübersehbar. Besonders deutlich trat diese hervor im Rahmen der Verabschiedung der ersten Flottennovelle im Reichstag Mitte Juni 1900, die den Bestand der gesetzlich vorgesehenen Schlachtflotte verdoppelte. Infolge des Burenkrieges, der die anti-britische Stimmung in der deutschen Bevölkerung anheizte12, passierte die Novelle das Parlament auf einer Woge der Anglophobie. Zwar nutzte Tirpitz diese Stimmung gezielt aus, vermied es aber in der öffentlichen Debatte, Großbritannien direkt ins Visier zu nehmen, und betonte stattdessen den defensiven Charakter seiner Flottenpolitik. Vor dem Reichstag begründete er die Notwendigkeit der Novelle mit der sogenannten Risikotheorie: »Deutschland muß eine so starke Schlachtflotte besitzen«, argumentierte er, »daß ein Krieg auch für den seemächtigsten Gegner mit derartigen Gefahren verbunden ist, daß seine eigene Machtstellung in Frage gestellt wird13.« Intern äußerte Tirpitz sich präziser: Um der heimischen Schlachtflotte Großbritanniens mit Erfolg entgegentreten zu können, heißt es in einer Aufzeichnung aus der Etatsabteilung des Reichsmarineamts vom Februar 1900, müsse das Verhältnis der deutschen zur britischen Schlachtflotte mindestens 2:3 betragen14. Diese Relation wurde »zum Dreh- und Angelpunkt seiner Politik«15. Den Zeitraum, der zum Bau einer solchen »Zwei-Drittel-Flotte« nötig war, bezifferte er auf etwa zwanzig Jahre. Für Tirpitz stand jedoch nicht die militärische, sondern die politische Bedeutung von Seemacht im Vordergrund. Im Rahmen seiner Seemachtideologie war die Schlachtflotte vor allem ein machtpolitisches Instrument, um dem Deutschen Reich Seegeltung zu verschaffen. Durch die planmäßige Aufrüstung der Kaiserlichen Marine sollte die führende Seemacht Großbritannien nicht hegemonial her9 10 11 12 13

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Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 326. Zum sogenannten Kopenhagen-Komplex siehe u.a.: Steinberg, The Copenhagen Complex. Zitate aus: Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 413. Siehe dazu neuerdings: Bender, Der Burenkrieg und die deutschsprachige Presse. Auszüge aus einer Begründung zum Entwurf der Novelle zum Flottengesetz vom 10.4.1898 (1900), zit. in: Rüstung im Zeichen der wilhelminischen Weltpolitik, S. 285 f., hier S. 286. Zur Risikotheorie siehe ausführlich: Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 283-296. Auszüge aus dem Entwurf einer Aufzeichnung aus der Etatsabteilung des Reichsmarineamts betreffend die Sicherung Deutschlands gegen einen englischen Angriff, Februar 1900, zit. in: Rüstung im Zeichen der wilhelminischen Weltpolitik, S. 128 f., hier S. 128. Epkenhans, Die wilhelminische Flottenrüstung 1908-1914, S. 17.

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ausgefordert, sondern mittelfristig zu weltpolitischen Konzessionen gezwungen werden. Der Tirpitz-Plan war demzufolge primär eine politische Erpressungsstrategie gegen das »perfide Albion«. Doch wieso verfiel die Reichsleitung auf diese abenteuerliche Erpressungsstrategie? Um diese Frage beantworten zu können, muss der Blick auf eine weitere, eng mit dem Tirpitz-Plan verknüpfte Wendung der deutschen Außenpolitik gerichtet werden: die Weltpolitik. Welche Intentionen hinter diesem Schlagwort für die »deutsche Version des Imperialismus«16 standen, wurde schon von den Zeitgenossen kontrovers diskutiert. Eine prägnante Definition gab der linksliberale Reichstagsabgeordnete Eugen Richter: Weltpolitik bedeute, erläuterte er im September 1897 auf einem Parteitag der Freisinnigen Volkspartei, »daß man überall dabei sein will, wo etwas los ist«17. Folglich zielte die Weltpolitik nicht primär auf den Erwerb konkreter überseeischer Territorien, sondern vor allem auf gleichberechtigte Mitsprache des Deutschen Reiches in allen weltpolitischen Fragen. Zu diesem Fazit kommt auch die bisherige historische Forschung. Konrad Canis etwa, einer der profiliertesten Historiker auf dem Gebiet des deutschen Imperialismus, charakterisierte die wilhelminische Weltpolitik als »die Entschlossenheit, Möglichkeiten und Gelegenheiten für weltpolitische Aktivitäten [...] zu nutzen«18. Canis’ Analyse zufolge war für die Einleitung der deutschen Weltpolitk – und damit auch für die Einleitung des Schlachtflottenbaus als deren »harter Kern«19 – die Kombination von vier komplexen, eng miteinander verflochtenen Triebkräften ausschlaggebend20: Zum einen habe die Weltpolitik (1) dem von machtpolitischen und sozialdarwinistischen Grundvorstellungen geprägten Zeitgeist21 entsprochen, der alle Schichten des Kaiserreiches, insbesondere das Bürgertum, erfasst hatte. Zum anderen erschien sie (2) als erforderliches Mittel sowohl für die nachhaltige Stabilisierung der Konjunktur durch vermehrten Export nach Übersee als auch (3) zur Konsolidierung der Großmachtstellung des Deutschen Reiches auf globaler Ebene. Außerdem sollte sie (4) mittels außenpolitischer Prestigeerfolge zur Festigung des monarchischen Herrschaftssystems beitragen. Für Bülow und Tirpitz war die Weltpolitik nicht nur eine außenpolitische Option, sondern eine existenzielle Notwendigkeit. In ihrer Zukunftsvorstellung, die auch im nationalkonservativen Bürgertum und speziell unter den radikalen Nationalisten22 weit verbreitet war, gab es für das Deutsche Reich nur eine Alternative:

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Geiss, »Weltpolitik«, S. 148. Eugen Richter, 13.9.1897, zit. nach: Kehr, Schlachtflottenbau und Parteipolitik, S. 125. Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 255. Geiss, »Weltpolitik«, S. 149. Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 223-256. Siehe dazu allgemein: Hawkins, Social Darwinism in European and American Thought; Koch, Der Sozialdarwinismus. Zur Weltanschauung und politischen Praxis der radikalen Nationalisten im deutschen Kaiserreich und ihrer Verbände wie des Flottenvereins und des Alldeutschen Verbandes siehe neuerdings die exzellente Studie von: Walkenhorst, Nation – Volk – Rasse.

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Weltmacht oder Untergang23. »In dem kommenden Jahrhundert«, prognostizierte Bülow im Dezember 1899, »wird das deutsche Volk Hammer oder Ambos sein24.« Den ideologischen Kern dieser Vorstellung bildete die sogenannte Weltreichstheorie, derzufolge das europäische Mächtesystem im heraufziehenden 20. Jahrhundert durch ein nummerisch reduziertes Weltstaatensystem abgelöst werde25. »Das Zusammenballen von Riesennationen Panamerika, Greater Britain, das Slawentum und möglicherweise der mongolischen Rasse an der Spitze«, erläuterte Tirpitz im Juli 1897 seiner Tochter Blanca, »werden [sic] Deutschland im kommenden Jahrhundert vernichten oder doch ganz zurückdrängen, wenn Deutschland nicht eine politische Macht auch über die Grenzen des europäischen Kontinents hinaus wird. Die unerlässliche Grundlage hierfür«, resümierte er, »in dieser Welt, wo die Dinge hart aufeinanderstoßen – ist eine Flotte26.« Um das vermeintlich drohende Herabsinken des Deutschen Reiches »auf die Stufe einer Macht höchstens zweiten Ranges«27 zu verhindern, erschienen der preußisch-deutschen Machtelite der Schlachtflottenbau und die imperialistische Expansion als zwingend notwendig. Hierbei handelte es sich keineswegs um ein isoliert deutsches, sondern um ein internationales Phänomen. Ein überseeisches Kolonialreich und eine schlagkräftige Schlachtflotte galten um die Jahrhundertwende als integrale Bestandteile, mithin als Insignien und Statussymbole einer Weltmacht. Basierend auf den Theorien von Alfred Thayer Mahan hatte sich in den 1890er Jahren in vielen größeren und kleineren Staaten eine expansionistische Seemachtideologie durchgesetzt, aus der sich der sogenannte neue Navalismus entwickelte: die Forderung nach oder die Umsetzung von »einer Politik der maritimen Aufrüstung, welche als Mittel nationalen Aufstiegs dienen sollte und welche die Anforderungen an die Landesverteidigung in den Kontext einer angeblichen Notwendigkeit zur Expansion stellte«28. Walther Hubatsch hat die Wesensmerkmale dieses »neuen Navalismus« prägnant zusammengefasst:

»Träger der staatlichen Macht ist das Schiff, ein technisches Instrument, ausgerüstet mit Waffen und Antrieb, ausgewiesen in seinem Auftrag durch Flagge und uniformierte, in der Rangliste öffentlich erkennbare Kommandogewalt. Voraussetzung ist die unbegrenzte Bewegungsfreiheit zu jedem Punkt der Wasseroberfläche und der Küsten. Die Reichweite der Machtausdehnung auf das Land hin ist durch die Grenze des Feuerschutzes gegeben, der zahlenmäßig beschränkten Landungseinheiten gewährt werden kann. Seestreitkräfte können schneller und mit größerer Kampfkraft weiträumige Bewegungen durchführen, konzentriert oder disloziert auftreten. Diese Möglichkeiten eines soeben erreichten technischen Entwicklungsstandes bleiben nicht Theorie; sie werden sofort ergriffen und eingesetzt, und auf empirischem Wege werden Lehren von der Anwendung der Seemacht gewonnen. ›Naval-ismus‹: das Kennwort ›Schiff‹ verbindet sich mit dem doktrinären Anspruch der Endsilben, die den Ausschließlichkeitscharakter sig-

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Zu den allgemeinen Zukunftsvorstellungen im Deutschen Reich um die Jahrhundertwende siehe: Neitzel, Außenpolitische Zukunftsvorstellungen in Deutschland um 1900. Bülow, Fürst Bülows Reden, Bd 1, S. 107 (Rede vom 11.12.1899). Siehe dazu ausführlich: Neitzel, Weltmacht oder Untergang. Tirpitz an Blanca Tirpitz, 18.7.1897, zit. nach: Salewski, Tirpitz, S. 52. Zur Jahreswende. In: Alldeutsche Blätter, 10 (1900), 1, S. 1 f., hier S. 2. Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 175.

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nalisieren. Eine Grundweisheit der Staatslehre scheint gefunden zu sein: Kein moderner Staat könne existieren ohne direkten Zugang zum Meer, ohne Teilhaberschaft an der global wirksamen Wasserfläche29.«

Zweifellos stellte sich für die deutschen Imperialisten die Alternative »Weltmacht oder Untergang« mit besonderem Nachdruck, da das Deutsche Reich als imperialistischer Spätkömmling Ende der 1890er Jahre weder über eine schlagkräftige Schlachtflotte noch umfassenden überseeischen Kolonialbesitz verfügte. Doch anders als in der historischen Forschung über viele Jahrzehnte hinweg postuliert, »sticht als einzig bemerkenswerter Aspekt des deutschen Navalismus hervor«, wie Rolf Hobson präzise nachgewiesen hat, »daß dieser sich relativ spät durchsetzte, dafür dann aber durch den steten, systematischen und langfristig angelegten Charakter des Flottenprogramms mit voller Wucht einschlug«30. Der Tirpitz-Plan als politische Erpressungsstrategie gegen Großbritannien resultierte aber nicht allein aus dem Minderwertigkeitskomplex und den sozialdarwinistisch geprägten Zukunftsvorstellungen der deutschen Machtelite um 1900, sondern auch aus der seit Mitte der 1890er Jahre stetig schwindenden Schlagkraft des »ägyptischen Knüppels«31, dem bis dahin de facto einzigen effektiven Druckmittel der Reichsleitung zur Durchsetzung eigener weltpolitischer Interessen gegen Großbritannien. Die Schlachtflotte, von den Zeitgenossen auch als »großer Knüppel« bezeichnet32, sollte den morschen »ägyptischen Knüppel« ersetzen und der Reichsleitung dazu verhelfen, die Bismarcksche Erpressungspolitik gegen Großbritannien in kolonialund weltpolitischen Fragen mit anderen Mitteln fortzusetzen und schließlich die Anerkennung des Deutschen Reiches als gleichgestellte Weltmacht durch Großbritannien zu erzwingen. Dieser Aspekt des Tirpitz-Plans ist in der bisherigen historischen Forschung nicht gewürdigt worden, was daran liegen mag, dass es in den Quellen keine unmittelbaren Bezüge zwischen dem »ägyptischen Knüppel« und dem »großen Knüppel« Schlachtflotte gibt33. Dennoch ist diese Korrelation evident. Um die Flottenrüstung nicht zu gefährden, darauf ist bereits hingewiesen worden, sollte Bülow mit seiner Außenpolitik dafür Sorge tragen, dass bis zur Fertigstellung der Schlachtflotte jede ernsthafte weltpolitische Konfrontation vermieden wurde. Seine Außenpolitik zielte auf die Erhaltung der »freien Hand« gegenüber 29 30 31 32

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Hubatsch, Navalismus und Technik, S. 9 (Hervorhebung im Original). Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 329. Siehe dazu u.a.: Kröger, »Le bâton égyptien«, S. 143-185. Diese Bezeichnung geht zurück auf Theodore Roosevelts außenpolitisches Credo: »Speak softly and carry the big stick«, denn mit dem Begriff »big stick« (großer Knüppel) war meist die amerikanische Schlachtflotte gemeint. Vgl. Sea Power, S. 188-196. Zur amerikanischen Kanonenbootpolitik in der Ära Roosevelt allgemein siehe neuerdings: Hendrix, Theodore Roosevelt’s Naval Diplomacy. In der historischen Forschungsliteratur ist lediglich indirekt auf diesen Zusammenhang hingewiesen worden, ohne ihn klar zu benennen. Vgl. u.a. Epkenhans, Otto von Bismarck und Alfred von Tirpitz, S. 524 f. Kontinuitäten zwischen der Bismarckschen Kolonialpolitik und der wilhelminischen Weltpolitik mit dem Schlachtflottenbau als deren harter Kern sind in der historischen Forschung bislang nur unter innenpolitischen Aspekten hinsichtlich der Herrschaftssicherung der preußisch-deutschen Machteliten postuliert worden. Vgl. u.a. Berghahn, Flottenrüstung und Machtgefüge, S. 378-396.

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Russland und Großbritannien, bis die Schlachtflotte als »politischer Machtfaktor« (Tirpitz) wirksam werden und ein Bündnis mit Russland gegen Großbritannien ermöglichen würde. Tirpitz hingegen kam es nur darauf an, möglichst unauffällig die Gefahrenzone zu durchlaufen. Diese außenpolitische Leitlinie stand jedoch in einem disparaten Verhältnis zum Prestigebedürfnis großer Teile der deutschen Gesellschaft, die auf sofortige weltpolitische Erfolge drängten. Um dieses Dilemma zu überbrücken, verfiel die Reichsleitung auf einen konzeptlosen »Imperialismus der Gelegenheiten«34, der vor allem während der Implementierung des Tirpitz-Plans zum Tragen kam. Angeheizt vom Niedergang der alten Kolonialmächte, namentlich Spanien, durchlief die deutsche Weltpolitik zwischen 1897 und 1901 gewissermaßen eine Sturm-und-DrangPeriode. Diese manifestierte sich in einem weltweiten Aktionismus, der den anderen Großmächten zunehmend bedrohlich erschien und im Verein mit der einsetzenden Flottenrüstung entscheidend dazu beitrug, dass sich das Deutsche Reich ab Ende der 1890er Jahre sukzessive in die außenpolitische Isolation manövrierte. Zu nennen sind hier vor allem die Besitzergreifung Kiautschous (1897/98), die deutsche Haltung im Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898), die deutsche Politik in der Samoa-Frage (1899) und während des Boxeraufstandes (1900/01), aber auch die Orientreise Kaiser Wilhelms II. und dessen Engagement für den Bau der Bagdadbahn unter deutscher Leitung (1898). Bei einigen dieser Aktionen kam der Kreuzerdivision in Ostasien, die infolge der Besetzung Kiautschous zum Kreuzergeschwader verstärkt wurde, eine besondere Rolle zu, die im Folgenden näher untersucht werden soll. 1. Vom Primat der Politik zum Primat des Militärs a) »Eine mannhafte Tat«: Admiral Diederichs besetzt Kiautschou

Im Laufe des Jahres 1897 sondierte die Reichsleitung auf diplomatischer Ebene, wie sich die anderen Mächte verhalten würden, sollte das Deutsche Reich einen Platz an der chinesischen Küste militärisch besetzen. Im Mittelpunkt dabei stand Russland, denn das anvisierte Gebiet lag in der russischen Interessensphäre. »Die Kiautschou-Bucht sei in Petersburg u[nd] nicht in Peking zu haben«35, brachte es Arthur von Cassini, der russische Gesandte in Peking, im Frühjahr des Jahres auf den Punkt. Bereits Ende Januar führte Marschall von Bieberstein erste, vorsichtige Sondierungsgespräche in dieser Sache mit seinem russischen Amtskollegen Michail N. Muravjov, vermied es allerdings, dabei explizit auf Kiautschou einzugehen. In 34 35

Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 26. Jaeschke an OKM, 16.3.1897, BArch, RM 5/5929, Bl. 177 f., hier Bl. 178. Wippich führt dieses Zitat ebenfalls an und suggeriert, dass Cassini damit der Reichsleitung die russische Schlüsselstellung in der Kiautschou-Frage erst richtig deutlicht gemacht habe. Vgl. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 326. Tatsächlich jedoch war ihr dieser Umstand bereits seit einigen Monaten vollkommen bewusst.

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den darauffolgenden Monaten kam es zu weiteren Gesprächen zwischen der deutschen und der russischen Regierung auf verschiedenen diplomatischen Kanälen. Daran beteiligte sich auch der Chef der Kreuzerdivision, indem er diese Frage bei Zusammenkünften mit dem Befehlshaber der russischen Pazifikflotte, Admiral Evgenij I. Alekseev, thematisierte. Bis zum Sommer kristallisierte sich heraus, dass Russland dem deutschen Vorhaben, einen Stützpunkt an der chinesischen Küste zu erwerben, grundsätzlich positiv gegenüberstand. Nachdem sich die Reichsleitung definitiv für die Okkupation der Kiautschou-Bucht entschieden hatte, konzentrierten sich die deutschen diplomatischen Bemühungen darauf, das russische Einverständnis für eine solche Aktion zu erlangen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war aus deutscher Sicht die sogenannte Petershofer Deklaration36, auf die sich Wilhelm II. persönlich mit dem Zaren in St. Petersburg Anfang August verständigte. Demnach wollte Russland sich nur so lange den Zutritt zur Kiautschou-Bucht erhalten, bis es über einen alternativen eisfreien Hafen an der nordchinesischen Küste verfügen könne. Allerdings dürfe die deutsche Kreuzerdivision »im Bedürfnißfalle und nach eingeholter Erlaubniß der Russischen Marinebehörden [dort] vor Anker gehen«37. Tatsächlich besaßen die Russen keinerlei Anspruch auf die Kiautschou-Bucht, denn die chinesische Regierung hatte ihnen dort ausdrücklich nur ein »temporary anchorage« im Winter 1895/96 erlaubt, mit der strikten Auflage »to depart immediately«38, sobald der Frühling einsetze. Das jedoch war der Reichsleitung nicht bekannt39. Von den anderen europäischen Großmächten und Japan brauchte das Deutsche Reich wenig Widerstand zu fürchten. Frankreich, das galt als relativ sicher, würde als Bündnispartner Russlands letztlich dessen Entscheidung mittragen. Die britische Regierung schien eine deutsche Okkupation Kiautschous sogar zu begrüßen, denn es lag – aus ihrer Sicht – zwischen der russischen und der britischen Interessensphäre in China. Auf einen Schlag wären damit der russisch-britische Konflikt im Fernen Osten großenteils entschärft und dem russischen Expansionismus in Ostasien Grenzen gesetzt. Auch die japanische Regierung, die sich wegen der russischen Übermacht in Ostasien Sorgen machte, schien »nach Äußerungen ihrer Staatsmänner«40 eine Festsetzung der Deutschen an der Küste Shantungs nicht ungern zu sehen41. Während die Reichsleitung erste Sondierungsgespräche in der Stützpunktfrage mit der russischen Regierung aufnahm, traf Marinebaurat Georg Franzius am 13. Februar auf einem Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd in Hongkong ein. Dort nahm ihn der Kommandant des »Kaiser«, Kapitän zur See Hugo Zeye, in 36 37 38 39

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Bülow an AA, 11.8.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3679. Bülow an Hollmann, 10.9.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 241 f., hier Bl. 241. Zit. nach: Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 19. Siehe dazu ausführlich: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3674-3680; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 721-724; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 325-334. Aufzeichnung Klehmets, 18.3.1896. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3662, S. 26. Ebd., S. 25 f.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 326-331.

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Empfang. Anschließend wurde Franzius mit dem Flaggschiff der Kreuzerdivision nach Amoy, in die Samsa-Bucht und nach Chang-tau gebracht, um diese Plätze primär unter wasserbaulichen Aspekten zu untersuchen42. Im März musste er seine Inspektionsreise unterbrechen, da sich die Kreuzerdivision für einige Tage im Hafen von Yokohama versammelte, wo sie feierlich den einhundertsten Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. beging43. Der knapp bemessene Untersuchungszeitraum von vier Wochen war zu dieser Zeit bereits verlängert worden. Nach dem Abgang von Japan wollte Franzius die Kiautschou-Bucht untersuchen. Heyking jedoch untersagte ihm dies mehrere Wochen lang aus vorgeschobenen politischen Gründen, um so das von ihm präferierte Amoy zu begünstigen. Erst Ende April konnten Franzius und Zeye den Gesandten in persönlichen Gesprächen davon überzeugen, dass die Bucht unbedingt untersucht werden müsse, da sich die anderen drei Orte als wenig brauchbar erwiesen hätten. Nachdem der Marinebaurat schließlich auch Kiautschou inspiziert hatte, meldete er seine Präferenz für diese Bucht am 12. Juni telegrafisch nach Berlin. Sie sei wasserbautechnisch und militärisch nicht ungenügender zu beurteilen als die anderen drei Plätze, besitze aber zweifellos von allen »die größte Aussicht auf wirthschaftliche Entwicklung«44. Diesen Aspekt betonte er auch in seinem ausführlichen Bericht an das Reichsmarineamt zwei Monate später und in seiner Buchpublikation über »Kiautschou. Deutschlands Erwerbung in Ostasien«, die bereits im Erscheinungsjahr 1898 drei Auflagen erlebte. Seine Expertise überzeugte die Reichsleitung. Von Amoy, das Heyking bis zuletzt präferiert hatte, war nun keine Rede mehr. Somit war es de facto Marinebaurat Franzius, der die Entscheidung für die Besitzergreifung der Kiautschou-Bucht fällte45. 42

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Hollmann hatte Mitte Januar angeordnet, dass sich Franzius vor dem Beginn der Untersuchungen mündlich mit Heyking ins Benehmen setzen sollte. Davon wurde allerdings aus organisatorischen Gründen Abstand genommen, denn dieses Prozedere war mit der Reiseplanung für die Kreuzerdivision nicht vereinbar. Die Unterredung sollte deshalb erst nach dem Abgang der Schiffe von Japan Ende März stattfinden und Franzius bis dahin, auf dem Transit von Hongkong nach Yokohama, die oben genannten Häfen besuchen, um erste Informationen zu sammeln. Tatsächlich nahm er dort schon in diskreter Weise die notwendigen Untersuchungen vor. Vgl. Hollmann an Franzius, 3.2.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 135 ff.; Hollmann an Knorr, 20.1.1897, BArch, RM 5/5929, Bl. 133 f.; Knorr an Hollmann, 23.1.1897, ebd., Bl. 135; Hollmann an Knorr, 29.1.1897, ebd., Bl. 138; Knorr an Tirpitz, 5.2.1897, ebd., Bl. 140; Knorr an Tirpitz, 6.1.1897, BArch, RM 38/28b, Bl. 252. Zeye an Knorr, 29.3.1897, BArch, RM 3/3156, Bl. 68-71; Denkschrift des OKM zum Immediatbericht über die Feiern des 22.3. seitens der Schiffe im Ausland, 17.5.1897, BArch, RM 5/915, Bl. 21 ff., hier Bl. 21 f. Franzius an Tirpitz, 27.8.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 247-252, hier Bl. 252; siehe auch: Franzius und Zeye an Knorr, 12.6.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 13. Heyking an Tirpitz, 12.8.1897, BArch, N 253/43, Bl. 75-79; Knorr an Wilhelm II., 6.1.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 116-121; Zeye an Knorr, 14.3.1897, BArch, RM 3/3156, Bl. 50-53; Hollmann an Franzius, 3.2.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 135 ff.; Knorr an Hollmann, 12.6.1897, ebd., Bl. 180; Franzius an Tirpitz (mit Anlagen), 27.8.1897, ebd., Bl. 247-339; Hollmann an Knorr, 20.1., 2.2., 3.2.1897, BArch, RM 5/5929, Bl. 133 f., 141, 142; Knorr an Hollmann, 3.2.1897, ebd., Bl. 142 f.; Franzius und Zeye an Knorr, 12.6.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 13; Zeye an Knorr (mit Anlagen), 10.6.1897, ebd., Bl. 21-66; Diederichs an Knorr, 21.8.1897, ebd., Bl. 82-104, hier Bl. 88; Knorr an Tirpitz, 2.1.1897, BArch, RM 38/28b, Bl. 238 f.; Heyking an Tirpitz, 31.3.1897, ebd., Bl. 255; Tirpitz an Heyking, 30.3.1897, ebd., Bl. 255; Tirpitz an Zeye,

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IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

Am 11. Juni übernahm Konteradmiral Otto von Diederichs auf der Reede von Shanghai das Kommando über die Kreuzerdivision. Eigentlich hätte der Kommandowechsel schon einen Tag früher stattfinden sollen, aber Kapitän zur See Zeye verzögerte bewusst seine Ankunft in Woosung, um noch unter seinem Namen den Bericht über die Untersuchungen der Hafenplätze, die er gemeinsam mit Marinebaurat Franzius durchgeführt hatte, fertigstellen und abschicken zu können46. Zeye, der zur Tirpitzschen »Torpedobande« gehörte47, erhoffte sich davon Vorteile für seine weitere Karriere. Unmittelbar nach seiner Ankunft in Shanghai hatte Diederichs ein ausführliches Gespräch mit Franzius geführt. Daran schlossen sich Ende Juni ausführliche Gespräche unter anderem mit Heyking und Li Hungchang in Peking an. Diederichs spürte, dass die Stützpunktfrage nun in eine entscheidende Phase treten würde; deshalb wollte er die Kiautschou-Bucht so rasch wie möglich persönlich in Augenschein nehmen. Angetrieben von diffusen sozialdarwinistischen Vorstellungen und deutschen Weltmachtsphantasien, war er fest entschlossen, »jede Gelegenheit zu entschiedenem Vorgehen zu benutzen«48. Außerdem brauchte er nach seinem unrühmlichen Abgang als Chef des Stabes im Oberkommando der Marine49 dringend einen persönlichen Prestigeerfolg, um seine Karriere in der Marine fortsetzen zu können. Deshalb meldete er dem Kommandierenden Admiral Mitte August, dass »die Division zu jeder Zeit im

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25.4.1897, ebd., Bl. 256; Zeye an Franzius: Fragebögen zu den Häfen von Amoy und Chang-tau sowie zur Samsa- und zur Kiautschou-Bucht (insgesamt vier Fragebögen mit detaillierten Antworten von Franzius), 27.2.-11.5.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 88-96; Heyking an Hohenlohe, 5.5.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3674; Franzius, Kiautschou. Deutschlands Erwerbung in Ostasien, S. 1-120; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 216 f. (Aufzeichnungen vom 22./23.4.1897); siehe auch: Bericht des MarineBaurats Franzius über das Ergebnis seiner im Sommer 1897 vorgenommenen Untersuchung der Kiautschou-Bucht, o.D. [Januar 1898], BArch, RM 3/6695, Bl. 24-28; Franzius, Kiautschou [in: Marine-Rundschau], S. 411-426. Wippich irrt, wenn er behauptet, dass der vorgenannte Beitrag von Franzius in der Marine-Rundschau ein Abdruck seines amtlichen Berichtes vom 27.8.1897 ist. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen Vortrag zum Thema, den dieser im Frühjahr 1898 in der Berliner Kolonialgesellschaft gehalten hat. Vgl. ebd.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 329, Anm. 31. Otto von Diederichs, Die Besetzung von Tsingtau am 14.XI.1897, Baden-Baden 1906/08, S. 8, BArch, RM 3/11938, ebenso in: BArch, N 255/24, Bl. 68-113, hier Bl. 73 (fortan: Diederichs, Die Besetzung); Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 146 f. In seiner Erinnerung datierte Diederichs den Kommandowechsel irrtümlich auf den 13. Juni. Vgl. Diederichs, Die Besetzung, S. 8 (wie oben); ebenso im handschriftlichen Original: Ebd., N 255/24, Bl. 68-113, hier Bl. 73. Gottschall hat diesen Fehler übernommen. Vgl. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 147. Siehe dazu: Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 186 f. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 8. In Diederichs’ Korrespondenz finden sich zahlreiche Beispiele für sein diffuses sozialdarwinistisches Weltbild und seine Weltmachtsphantasien. Ein prägnantes Beispiel dafür ist ein Brief, den er am 18.5.1898 aus Nagasaki an Senden-Bibran schrieb. Er plädiert darin lauthals für die Flottenvorlage und für eine große deutsche Schlachtflotte, von der allein Deutschlands zukünftige Großmachtstellung abhänge, entwirft hochtrabende Pläne für eine Eindämmung der »gelben Gefahr« und eine Eroberung halb Chinas durch das Deutsche Reich mit Hilfe von christianisierten Chinesen, und romantisiert den Ostasiatischen Dreibund als ein, wenn auch tendenziell fragiles Bollwerk gegen das kriegstreiberische »perfide Albion«. Vgl. Diederichs an Senden-Bibran, 18.5.1898, BArch, N 160/7, Bl. 18-21. Siehe dazu Kap. II, Anm. 105.

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Stande [ist], die vorläufige Besitzergreifung [...] [Kiautschous] auszuführen«50, und schlug ihm vor, ein oder zwei Kriegsschiffe dort überwintern zu lassen, um »die Chinesen an den Aufenthalt unserer Schiffe in dieser Gegend zu gewöhnen und um unsere Kenntnisse der [dortigen] Winterverhältnisse zu erweitern«51. Sowohl das Oberkommando der Marine als auch das Auswärtige Amt befürworteten den Vorschlag. Allerdings war eine Abstimmung mit Russland notwendig, bevor ein entsprechender Befehl an den Divisionschef übermittelt werden konnte, und das dauerte einige Wochen52. Frustriert von »der Trägheit und Gleichgültigkeit unserer politischen Leitung bei den ostasiatischen Fragen«53 ging Diederichs schließlich Ende September in die Offensive. In einem privatdienstlichen Brief an den Chef des Marinekabinetts plädierte er offen für einen Primat des Militärs in der Kiautschou-Frage: »Was soll die Nation sich für die Marine erwärmen«, fragte er Senden-Bibran, »wenn die Marine nichts für die Nation thut? Ich fürchte[,] daß die Diplomatie ihre Kunst zeigen will und dadurch der Augenblick zum Zugreifen [in Kiautschou] schon verloren ist. Man soll mir doch den Auftrag geben, in der Kiautschou Bucht zu überwintern, dann will ich schon für einen dauernden Winterschutz für unsere Schiffe dort sorgen54.« Kurz bevor Diederichs diese Zeilen schrieb, hatte die Reichsleitung sein Ansinnen dem russischen Außenminister avisiert. Muravjov nahm die Mitteilung freundlich, aber kommentarlos entgegen, was von deutscher Seite als Zustimmung bewertet wurde. Kurz darauf setzte Heyking das Tsungli Yamen davon in Kenntnis, dass Deutschland beabsichtige, »im Laufe des kommenden Winters im Notfall zeitweilig kaiserliche Kriegsschiffe in der Kiautschoubucht vor Anker gehen zu lassen«55, was dort »einen tiefen Eindruck machte«56. Heyking erfuhr zudem, »daß 50 51

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Diederichs an Knorr, 21.8.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 82-104, hier Bl. 90. Diederichs an Knorr, 30.8.1897, ebd., Bl. 69 f., hier Bl. 70. In seinen Erinnerungen, ebenso in einem Bericht an Knorr vom Januar 1898, schreibt Diederichs, er habe beim OKM beantragt, im Herbst 1897 fällige Schießübungen in der Kiautschou-Bucht absolvieren zu dürfen, was auch genehmigt worden sei. Er nimmt dabei Bezug auf seine telegrafische Anfrage an das OKM vom 30. August und den daraus resultierenden Befehl des Kommandieren Admirals vom 14. Oktober. In beiden Dokumenten jedoch ist von Schießübungen nirgends die Rede. Vgl. ebd., Bl. 69 f.; Koester an Diederichs, 14.10.1897, ebd., RM 3/6693, Bl. 350; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 12; Diederichs an Knorr, 10.1.1898, BArch, RM 5/5932, Bl. 141-146, hier Bl. 141. Gottschall führt in seiner Diederichs-Biografie zwar das amtliche Schreiben als Quelle an, gibt aber nicht dessen Inhalt wieder, sondern das, was Diederichs in seinen Erinnerungen geschrieben hat. Vgl. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 154. Gottschalls Darstellung der Okkupation Kiautschous basiert überwiegend auf diesem Text, den Diederichs etwa zehn Jahre später verfasste. Bülow an Tirpitz, 10.9.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 241 f.; Tirpitz an Bülow, 10.9.1897, ebd., Bl. 243-246; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 8-11; Diederichs an Knorr, 30.8.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 69 f.; AA an Knorr, 12.10.1897, ebd., Bl. 71 ff.; Diederichs an Knorr, 21.8.1897, ebd., Bl. 82-104; Diederichs an Heyking, 11.6.1897, PAAA, Peking II/1221, Bl. 227; Knorr an Bülow, 13.10.1897, PAAA, R 18167, Bl. 40 f.; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 147-154. Diederichs an Senden-Bibran, 21.9.1897, BArch, N 160/7, Bl. 1 ff., hier Bl. 3. Ebd. Bülow an Heyking, 25.9.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3683, S. 61. Heyking an AA, 1.10.1807. In: Ebd., Nr. 2684, S. 61.

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Russland an Kiautschou keine Ansprüche habe«57. Vor diesem Hintergrund genehmigte die Reichsleitung dem Chef der Kreuzerdivision am 14. Oktober, mit ein oder zwei Schiffen in der Kiautschou-Bucht zu überwintern58. Abweichend von der Petershofer Deklaration, nach der in einem solchen Fall zunächst das Einverständnis der russischen Marinebehörden hätte eingeholt werden müssen, zeigte die Reichsleitung diese Entscheidung der russischen Regierung an. Der stellvertretende russische Außenminister Graf Vladimir N. Lamsdorf verwies denn auch auf diese Vereinbarung, fügte aber hinzu, dass ihm scheine, »als ob sich ein Mißverständnis in der vorliegenden Frage eingeschlichen habe, indem die deutsche Regierung annehme, daß Rußland von China das Recht erlangt hätte, definitiv und auf immerwährende Zeit über die Kiautschoubucht zu verfügen. Dies sei nicht der Fall«59. Russland habe während des Chinesisch-Japanischen Krieges die Erlaubnis der chinesischen Regierung erhalten, die Bucht im Winter 1895/96, »also nur temporär und vorübergehend«60, als Hafen für seine Pazifikflotte zu nutzen, weil die japanischen Häfen dafür nicht wie üblich zur Verfügung standen. Daher sei Russland »gar nicht in der Lage, über den Hafen zu disponieren«61, zumal die chinesische Regierung Kiautschou selbst als Kriegshafen nutzen wolle. Als diese Informationen in Berlin eintrafen, machte sich innerhalb der Reichsleitung sofort ein euphorischer Optimismus breit. Nichts mehr schien nun einer Besitzergreifung Kiautschous im Wege zu stehen. Es fehlte nur noch ein geeigneter Vorwand, um die Bucht besetzen zu können, aber dieser ließ nicht lange auf sich warten. Einzig Tirpitz erhob mahnend seine Stimme und warnte davor, dass aus einem deutschen fait accompli in der Kiautschou-Frage sehr wohl Kompli-

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Ebd. Bereits vier Tage zuvor hatte die »Prinzeß Wilhelm« mit Heyking und dessen Frau an Bord die Kiautschou-Bucht außerplanmäßig angelaufen. Diese Stippvisite war weder den deutschen noch den chinesischen Behörden amtlich avisiert worden, da sie »privater Natur« war. Heyking hatte sich Anfang Oktober gemeinsam mit seiner Frau auf eine Dienstreise von Peking nach Hankow begeben, um der dortigen deutschen Niederlassung und dem lokalen Generalgouverneur einen Besuch abzustatten. Unmittelbar zuvor hatten sie mit der »Prinzeß Wilhelm« eine Dienstreise nach Taku unternommen. Da in Chefoo der Dampfer, mit dem sie hatten weiterreisen wollen, nicht rechtzeitig bereitgestellt werden konnte, erklärte sich der Kommandant der »Prinzeß Wilhelm« auf Bitten Heykings bereit, ihn und seine Frau über Kiautschou nach Shanghai zu bringen. Mitte Oktober wechselten diese in Woosung auf einen Flussdampfer und fuhren auf dem Yangtse weiter nach Hankow. Diederichs schickte ihnen dorthin für repräsentative Zwecke den Kreuzer »Cormoran« nach, der den Gesandten und seine Frau Ende Oktober von Hankow ins nahegelegene Wuchang brachte, wo Heyking mit dem lokalen Generalgouverneur Chang Chih-tung zusammentraf. Zitat aus: Thiele an Diederichs, 15.10.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 115-122, hier Bl. 118. Vgl. ebd., Bl. 115-122; Thiele an Diederichs, 13.10.1897, BArch, RM 3/3199, Bl. 23 ff.; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 226-232 (Aufzeichnungen vom 5.10. bis 29.10.1897). Tschirschky an Hohenlohe, 14.10.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3685, S. 62. Ebd. Zitate aus: Ebd.

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kationen vor allem mit Russland erwachsen könnten, aber er fand kein Gehör. Alea iacta erat! Der Würfel war gefallen62! Noch im März 1896 hatte Marschall der Haushaltskommission des Reichstages versichert: »An keiner Stelle im Reich bestehe die Absicht [...] eine Weltpolitik zu inauguriren63.« Kurz darauf bekräftigte er diesen Standpunkt auch öffentlich im Parlament64. Gleichzeitig verwahrte er sich dort – ebenso wie Hollmann – gegen den Vorwurf, »uferlose Flottenpläne« zu hegen65. Er wolle Weltpolitik nur in dem Sinne betreiben, erläuterte Marschall, dass der deutsche Handel und rechtschaffene Reichsangehörige im Ausland den nötigen Schutz des Deutschen Reiches erfahren. Letztere seien ein großes wirtschaftliches und politisches Kapital, das durch eine solchermaßen konzipierte Weltpolitik dem Mutterland erhalten bleiben und nutzbar gemacht werden könne. Zwar ging es Marschall bei seiner Argumentation primär um außen- und innenpolitische Schadensbegrenzung infolge der »Krügerdepesche«, aber er vertrat dabei durchaus den Standpunkt der Amtsleitung des Auswärtigen Amtes66. Damit stand diese jedoch in diametralem Gegensatz zur Marineleitung und zum Kaiser, die unter Weltpolitik eine »Politik des größeren Deutschland«67 verstanden. Gerade erst hatte Wilhelm II. anlässlich des 25. Jahrestages der Reichsgründung großspurig verkündet:

»Aus dem Deutschen Reiche ist ein Weltreich geworden. Überall in fernen Teilen der Erde wohnen Tausende unserer Landsleute. Deutsche Hüter, deutsches Wissen, deutsche Betriebsamkeit gehen über den Ozean. Nach Tausenden von Millionen beziffern sich die Werte, die Deutschland auf See fahren hat. An Sie, Meine Herren, tritt die ernste Pflicht heran, Mir zu helfen, dieses größere Deutsche Reich auch fest an unser heimisches zu gliedern68.«

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Knorr an Bülow, 9.10.1897, BArch, RM 3/6693, Bl. 347; Bülow an Knorr, 12.10.1897, ebd., Bl. 347 f.; Koester an Diederichs, 14.10.1897, ebd., Bl. 350; Denkschrift des OKM zum Immediatvortrag über den militärpolitischen Bericht des Chefs der Kreuzerdivision vom 21.8.1897, 30.10.1897, BArch, RM 5/915, Bl. 153-176; Hohenlohe an Radolin, 13.10.1897, PAAA, R 18167, Bl. 42 ff.; Hohenlohe an Radolin, 9.9.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3681; Radolin an Hohenlohe, 21.9.1897, ebd., Nr. 3682; Bülow an Heyking, 25.9.1897, ebd., Nr. 3683; Heyking an AA, 1.10.1897, ebd., Nr. 3684; Tschirschky an Hohenlohe, 14.10.1897, ebd., Nr. 3685; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 154; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 333 f. Zit. nach: Lieber, 18.3.1896. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 144, S. 1532. Marschall sprach sich am 18. März ausdrücklich gegen eine chauvinistische Weltpolitik aus. Vgl. Marschall, 18.3.1896. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 144, S. 1537-1540; siehe auch: Marschall, 18.3.1897. In: Ebd., Bd 149, S. 5148-5151. Siehe dazu u.a.: Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 1109-1128; Kehr, Schlachtflottenbau und Parteipolitik, S. 51-62. Siehe dazu u.a.: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 184-193; Geppert, Pressekriege, S. 91-123; Hallmann, Krügerdepesche und Flottenfrage, S. 34-45; Laufer, Die deutsche Südafrikapolitik 1890-1898, S. 113-123. Zur allgemeinen Haltung der Amtsleitung des Auswärtigen Amtes in der Ära Marschall bezüglich der deutschen Kolonial- und Weltpolitik siehe u.a.: King, Marschall von Bieberstein and the New Course, S. 84-92; siehe auch: Hallgarten, Imperialismus vor 1914, Bd 1, S. 380-384. Schoenlauf, 6.12.1897. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 159, S. 50. Wilhelm II., Reden, Bd 2, S. 9 (Rede vom 18.1.1896).

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Wenige Monate später, im Herbst 1897, entließ Wilhelm II. den ihm unliebsamen Marschall und ersetzte ihn durch den opportunistischen Karrieristen Bülow69. Anschließend setzte er in kurzer Zeit genau das durch, was Marschall stets hatte verhindern wollen: eine chauvinistische Weltpolitik. Bülow war erst wenige Tage offiziell im Amt, als sich in Ostasien die Chance zur Aktion bot. Am 30. Oktober waren der Kommandant und einige Offiziere des Kreuzers »Cormoran«, der Heyking und dessen Frau für repräsentative Zwecke auf einer Yangtsereise nach Hankow zur Verfügung gestellt worden war70, in Wuchang »vom Pöbel unter Geschrei mit Steinen und Schmutz beworfen«71 worden. Im Gegensatz zu Diederichs war Heyking jedoch nicht geneigt, den Vorfall als Vorwand für die Besetzung Kiautschous zu nutzen. Bülow und Tirpitz waren der gleichen Ansicht72. Deshalb wies das Auswärtige Amt Heyking am 2. November an, Satisfaktionsforderungen mit dem Admiral zu vereinbaren. Falls ein militärisches Eingreifen doch nötig würde, sollte der Gesandte zuvor erneut Rücksprache mit der Reichsleitung halten. Gleichzeitig wurde der Divisionschef in seinem Elan gebremst und vom Oberkommando der Marine angewiesen, nichts alleine zu unternehmen, sondern die nächsten Schritte mit Heyking abzustimmen. Von einer Besetzung Kiautschous sei zunächst abzusehen. Noch galt der Primat der Politik! Am 5. November erfuhr Heyking, dass vier Tage zuvor zwei deutsche Missionare der Steyler Mission in Chang-chia-chuang, einem kleinen Dorf im Kreis Juye in Süd-Shantung, von Chinesen ermordet worden waren73. Diese Nachricht leitete er umgehend an den Chef der Kreuzerdivision und die Reichsleitung weiter. Wäh69 70 71 72

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Zu den Umständen von Marschalls Entlassung siehe u.a.: King, Marschall von Bieberstein and the New Course, S. 205-225. Siehe Kap. IV, Anm. 58. Brussatis an Diederichs, 31.10.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 137-140, hier Bl. 139. Canis meint, Bülow habe den Vorfall in Wuchang zur Besetzung Kiautschous ausnutzen wollen. Er beruft sich dabei auf folgende Äußerung Wilhelms II. vom 7.11.1897 über ein Gespräch, das dieser drei Tage zuvor mit Bülow geführt hatte: »Unser Gespräch, Kiautschou betreffend, am Tage meiner Abreise nach Piersdorf [am 4.11. – H.H.], am Ende dessen Sie betonten, daß es höchste Zeit sei, unsere schwankende und laue Politik in Ostasien energischer zu gestalten, hat eine schnelle Folge gehabt, schneller als wir es dachten. Gestern erhielt ich die amtliche Meldung von Überfall und Mord und Raub der deutschen Missionsstation Jentschoufu [sic] auf Schantung. Also endlich haben uns die Chinesen den schon von Marschall, ihrem Vorgänger, so lange ersehnten ›Zwischenfall‹ geboten«. Zitat aus: Wilhelm II. an Bülow, 7.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3690, S. 69. Dieses Zitat belegt genau das Gegenteil von Canis’ These: Bülow hielt den Vorfall in Wuchang als Vorwand für die Besetzung Kiautschous für ungeeignet. Zwar hatte er sich grundsätzlich für eine härtere Ostasienpolitik ausgesprochen, aber er wollte einen schwerwiegenderen Zwischenfall abwarten, um die Okkupation der KiautschouBucht sowohl gegenüber China als auch gegenüber den anderen Großmächten besser rechtfertigen und legitimieren zu können. Heyking an Hohenlohe, 6.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 126. Der Missionszwischenfall in Chang-chia-chuang wird ausführlich in den Tagebuchblättern des Missionars Georg Stenz geschildert, der den Überfall unverletzt überlebte: Stenz, Erlebnisse eines Missionars in China, S. 70-77; siehe auch: Provikar Freinademetz an Heyking, 4.11.1897, PAAA, R 18182, Bl. 131-142; Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou, S. 20 f. Zur Vorgeschichte des Missionszwischenfalls in Changchia-chuang siehe: Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der »Musterkolonie« Kiautschou, S. 371-378. Zur Rolle der Steyler Mission bei der Besetzung Kiautschous allgemein siehe: Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus, S. 276-286.

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rend Diederichs jetzt offensiv zur Aktion drängte, entschied Heyking im Alleingang, allerdings formal auch im Namen des Divisionschefs, die Affäre von Wuchang durch milde und leicht erfüllbare Sühneforderungen an die lokalen Behörden rasch beizulegen74, denn angesichts des Ereignisses in Shantung, »das unsere gesamte Haltung gegenüber China beeinflussen musste«75, rechnete er damit, ebenso wie das Kriegsschiff jederzeit aus Wuchang abberufen werden zu können76. Diederichs fühlte sich zutiefst düpiert, als er am 7. November davon erfuhr, und beschwerte sich umgehend telegrafisch über den Vorgang beim Kommandierenden Admiral. Aus seiner Sicht hatte Heyking vorschnell und vorschriftswidrig gehandelt und den Druck auf die chinesische Regierung unnötig vermindert77. Dennoch ließ er die bereits eigenständig begonnenen Vorbereitungen für eine militärische Aktion gegen Kiautschou78 unvermindert fortsetzen, denn er hoffte auf eine entsprechende Direktive aus Berlin79. 74

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Heyking forderte am 5. November von der lokalen Provinzialbehörde binnen 24 Stunden eine schriftliche Entschuldigung des örtlichen Generalgouverneurs, einundzwanzig Schuss Salut für die deutsche Flagge und die Bestrafung der Schuldigen. Diese Sühneleistung wurde fristgerecht erbracht. Vgl. Brussatis an Diederichs (mit Anlagen), 8.11.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 141-160, hier Bl. 150-160. Heyking an Hohenlohe, 11.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 145-149, hier Bl. 147. Elisabeth von Heyking notierte in ihrem Tagebuch, dass ihr Mann sich vor dieser Entscheidung mit dem Kommandanten des »Cormoran«, Korvettenkapitän Reinhold Brussatis, abgestimmt, es jedoch aufgrund des umständlichen Telegrafieverkehrs unterlassen habe, sich auch mit Diederichs darüber ins Einvernehmen zu setzen. Brussatis dagegen betonte in seinem amtlichen Bericht über diesen Vorgang, dass der Gesandte ihn mit seiner Entscheidung im Nachhinein konfrontiert habe, also nachdem dieser seine Forderungen bereits an den lokalen Generalgouverneur übermittelt hatte. Das räumte Heyking auch in seinem amtlichen Bericht an den Reichskanzler ein. Heyking rechtfertigte sein eigenmächtiges Vorgehen später gegenüber Diederichs mit dem Hinweis auf ein Telegramm vom 1. November, in dem der Divisionschef ihm erste Vorschläge für Sühneforderungen in der Wuchang-Affäre übermittelt hatte. Von diesen Vorschlägen, so Heyking, sei er kaum abgewichen. Damit hatte der Gesandte insofern sehr pragmatisch, aber nicht formal korrekt gehandelt. Vgl. Heyking an Hohenlohe, 11.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 145-149; Diederichs an Heyking, 1.11.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 125; Brussatis an Diederichs, 8.11.1897, ebd., Bl. 161 f., hier Bl. 162; Diederichs an Heyking, 10.11.1907, ebd., Bl. 163; Heyking an Diederichs, 10.11.1897, ebd., Bl. 164 f. Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 233 (Aufzeichnungen vom 6.11.1897); siehe auch: Auszug aus der Verfügung des Kommandierenden Admirals vom 19.3.1894, BArch, RM 2/1835, Bl. 124 f.; Koester an Bülow, 9.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 132; Diederichs an Knorr, 21.2.1898, BArch, RM 5/5932, Bl. 316 f. Nach eingehender Prüfung des Vorfalls wies Knorr die Beschwerde des Divisionschefs Anfang Januar 1898 als unbegründet zurück. Vgl. Knorr an Bülow, 9.1.1898, BArch, RM 2/1835, Bl. 281 ff.; siehe außerdem: Senden-Bibran an Knorr, 31.1.1898, BArch, RM 5/5932, Bl. 41. Erste Vorbereitungen zur Besetzung Kiautschous hatte Diederichs schon kurz nach der Übernahme des Kommandos über die Kreuzerdivision eingeleitet. Vgl. u.a. Diederichs an den deutschen Konsul in Tientsin, 22.7.1897, RM 38/30, Bl. 12 f.; Diederichs an den deutschen Konsul in Shanghai, 3.11.1897, ebd., Bl. 21 f. Zudem hatte er mit einem Agenten der Firma Carlowitz & Co. in Shanghai, Carl Schmidt, Ende Oktober vereinbart, dass dieser die wichtigsten Uferstrecken der Kiautschou-Bucht verdeckt für die Marine erwerben solle, allerdings kam dieser Plan nicht mehr zur Ausführung. Siehe dazu: Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 12 ff.; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 154 f. Schmidt, der exzellent Chinesisch sprach, beteiligte sich auf Wunsch von Diederichs als Dolmetscher für die Landungstruppen an der Besetzung Kiautschous. Für seine hervorragenden Leistungen schlug ihn der Geschwaderchef Ende Dezember 1897 für die Verleihung des Königlichen Kronenordens 4. Klasse vor. Vgl. Diederichs an Knorr,

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Dort war schon tags zuvor, am 6. November, Bewegung in die Sache gekommen, nachdem der Kaiser aus der Presse (!) von der Ermordung der deutschen Missionare in Shantung erfahren hatte80. Verärgert über die bisherige, »hypervorsichtige« deutsche Ostasienpolitik verlangte er: »Hierfür muß ausgiebig Sühne durch energisches Eingreifen der Flotte geschafft werden81.« Die Kreuzerdivision müsse augenblicklich nach Kiautschou fahren, die dortige chinesische Ortschaft besetzen und der chinesischen Regierung mit Repressalien drohen. Er sei fest entschlossen, »mit voller Strenge und wenn nötig mit brutalster Rücksichtslosigkeit den Chinesen gegenüber endlich zu zeigen, daß der Deutsche Kaiser nicht mit sich spaßen lässt und es übel ist, denselben zum Feind zu haben«82. Hohenlohe von Schillingsfürst reagierte rasch und konnte gerade noch verhindern, dass Wilhelm II. dem Divisionschef befahl, Kiautschou sofort militärisch zu besetzen. Zuvor, insistierte er, müsse dazu gemäß der Petershofer Deklaration noch das russische Einverständnis eingeholt oder, falls sofort gehandelt werden solle, ein anderer Platz, etwa die Chusan-Inseln, besetzt werden83. Der Kaiser empfand es als »tief erniedrigend«, in St. Petersburg »quasi Erlaubnis«84 für eine solche Aktion einholen zu müssen, gleichwohl hielt er Hohenlohes Bedenken für berechtigt. Von der Idee, einen anderen Ort als Kiautschou in Besitz zu nehmen, hielt er nichts. Deshalb erging an Heyking und Diederichs zunächst nur die Direktive, dass die Vorfälle in Wuchang und Shantung zwar »zur Verfolgung weiterer Ziele ausgenutzt werden« dürften, sie aber zuvor erst einmal »im Einverständnis« miteinander »scharfe Genugtuungsforderungen«85 an die chinesische Regierung stellen sollten. Am nächsten Morgen wandte sich der Kaiser an den Zaren und schrieb ihm, recht unverbindlich, dass er beabsichtige, die Kreuzerdivision für eine Sühneaktion nach Kiautschou zu schicken, »as it is the only port available to operate from as a base

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27.12.1897, BArch, RM 5/5932, Bl. 4-8, hier Bl. 4 f.; siehe auch: Diederichs an Carlowitz &. Co., Niederlassung Shanghai, 4.12.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 172. Diederichs an Knorr, 3.11., 6.11. und 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 124; Heyking an AA, 7.11.1897, ebd., Bl. 138; Brussatis an Diederichs, 9.11.1897, BArch, RM 3/3219, Bl. 138 f.; Diederichs an Knorr, 17.11.1897, BArch, RM 3/3156, Bl. 173 ff.; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 14-18; Koester an Diederichs, 2.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 110; Koester an Bülow, 2.11.1897, ebd., Bl. 114; Koester an Tirpitz, 2.11.1897, ebd., Bl. 114 f.; Heyking an Hohenlohe, 1.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 101 ff.; Heyking an Hohenlohe, 11.11.1897, ebd., Bl. 145-149; Brussatis an Diederichs (mit Anlagen), 31.10. und 8.11.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 136-160; Brussatis an Diederichs (mit Anlage), 6.1.1898, ebd., Bl. 167-170; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 155 ff.; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 232 f. (Aufzeichnungen vom 30.10. bis 6.11.1897). Der rege telegrafische Verkehr zwischen Heyking, Brussatis und Diederichs in der Zeit vom 31.10. bis 7.11. ist in den Bordakten des Kreuzergeschwaders dokumentiert. Vgl. BArch, RM 38/29, Bl. 123-135. Wilhelm II. an AA, 6.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3686. Zitate aus: Wilhelm II. an AA, 6.11.1897. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3686, S. 67. Ebd. Hohenlohe an Wilhelm II., 6.11.1897. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3688. Zitate aus: Wilhelm II. an Bülow, 7.11.1897. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3690, S. 70. Zitate aus: Koester an Diederichs, 7.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 125. Das Telegramm wurde um 13 Uhr abgeschickt.

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against marauders«86. Nikolaus II. antwortete nur wenige Stunden später, dass er gegen eine solche Strafexpedition nichts einzuwenden hätte, zumal er erst kürzlich erfahren habe, dass Kiautschou »nur zeitweise unser gewesen ist, und zwar von 1895-1896«87. Allerdings war er besorgt, dass allzu harte Strafen die Kluft zwischen Christen und Chinesen vergrößern könnten. Wilhelm II. teilte diese Besorgnis nicht. Im Gegenteil: Nachdem er das Antwortschreiben des Zaren am 7. November nachmittags erhalten hatte, telegrafierte er um 18 Uhr euphorisch an den in Rom weilenden Bülow:

»Tausende von deutschen Christen werden aufatmen, wenn sie des Deutschen Kaisers Schiffe in ihrer Nähe wissen, Hunderte von deutschen Kaufleuten werden aufjauchzen in dem Bewusstsein, daß endlich das Deutsche Reich festen Fuß in Asien gewonnen hat, Hunderttausende von Chinesen werden erzittern, wenn sie die eiserne Faust des Deutschen Reichs schwer in ihrem Nacken fühlen werden, und das ganze Deutsche Volk wird sich freuen, daß seine Regierung eine mannhafte Tat getan [...] Möge die Welt [...] aus diesem Vorfall ein für alle Mal die Moral ziehen, daß es bei mir heißt: Nemo me impune lacessit [Niemand greift mich ungestraft an]88.«

Obwohl bei genauer Betrachtung des Depeschenwechsels der beiden Monarchen klar ersichtlich war, dass der Kaiser vom Zaren keineswegs die Zustimmung für eine dauerhafte Besitzergreifung der Kiautschou-Bucht erhalten hatte, wertete Wilhelm II. dessen Antwortschreiben als uneingeschränkte Einverständniserklärung für die geplante Militäraktion und gab sich der Illusion hin, dass Russland »doch großen Wert darauf [legt], uns in Ostasien auf seiner Seite zu haben und uns bei guter Laune zu erhalten«89. Als er dann noch im Laufe desselben Tages die Beschwerde des Divisionschefs über Heykings eigenmächtiges Vorgehen in der Wuchang-Affäre vorgelegt bekam90, erteilte er schließlich Diederichs – ohne weitere Rücksprache mit seiner Regierung – um 18 Uhr persönlich den Befehl, Kiautschou zu besetzen:

»Admiral v. Diederichs, Wusung. Gehen Sie augenblicklich mit dem ganzen Geschwader [nach] Kiautschou, besetzen Sie geeignete Punkte und Ortschaften daselbst und erzwingen Sie von dort in Ihnen geeignet scheinender Weise vollkommen Sühne. Größte Energie geboten. Zielpunkt Ihrer Fahrt geheim halten. Wilhelm I.R.91.«

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Nikolaus II. an Wilhelm II., 7.11.1897, zit. nach: Wilhelm II. an Bülow, 7.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3690, S. 70. Ebd. Siehe auch Nikolaus II. an Wilhelm II., 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 139. Wilhelm II. an Bülow, 7.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3690, S. 70 f., ebenso in: PAAA, R 18232, Bl. 13-19, hier Bl. 17 ff. In der Akte ist nur ein Reinkonzept dieses Telegramms enthalten, auf dem nicht vermerkt wurde, wann genau es am 7. November expediert worden ist. Da jedoch sowohl der Reichskanzler als auch das Marinekabinett um 18 Uhr telegrafisch über den kaiserlichen Okkupationsbefehl für Kiautschou informiert wurden, ist davon auszugehen, dass das entsprechende Telegramm an Bülow ebenfalls um 18 Uhr abgeschickt wurde, zumal es an einigen Stellen einen annähernd gleichen Wortlaut aufweist. Wilhelm II. an Bülow, 7.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3690, S. 71. Koester an Wilhelm II., 7.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 128 f. Wilhelm II. an Diederichs, 7.11.1897, ebd., Bl. 130. Um 18 Uhr wies der Kaiser das Marinekabinett an, Diederichs den obigen Befehl in seinem Namen zu übermitteln. Gleichzeitig informierte er Hohenlohe über diesen Vorgang. Expediert wurde die Depesche viereinhalb Stunden später durch Admiral Hans Koester als Vertreter des erkrankten Kommandierenden Admirals Knorr.

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Somit war es der Kaiser, dessen persönliches Regiment nach einem Prestigeerfolg in Ostasien lechzte, der sich wiederum als treibende Kraft in der Stützpunktfrage erwies. In diesem Fall setzte er seinen Willen gegen die Empfehlungen von Holstein, Hohenlohe und Tirpitz durch. Alle drei waren entschieden gegen einen solchen fait accompli, denn sie befürchteten dadurch negative Konsequenzen für den geplanten Schlachtflottenbau und die deutsch-russischen Beziehungen. Wolfgang J. Mommsens These, Bülow habe dafür gesorgt, dass Wilhelm II. bei der Besetzung Kiautschous »in aller Form das Prävenire zufiel«92, lässt sich anhand der Akten nicht belegen. Der Kaiser setzte seinen Außenstaatssekretär, der ebenfalls gegen eine handstreichartige Besitzergreifung Kiautschous war, am 7. November als einziges Mitglied der Reichsleitung umfassend über den gesamten Vorgang in Kenntnis, bis hin zum Wortlaut des Depeschenwechsels mit dem Zaren93. Bülow erkannte die politische Brisanz des kaiserlichen Alleingangs sofort, der das Potenzial für einen ernsthaften Konflikt mit Russland barg, vermied es allerdings um seiner Karriere willen, dagegen Stellung zu beziehen. Stattdessen schickte er dem Kaiser lieber ein opportunistisches Glückwunschtelegramm:

»Euerer Kaiserlichen und Königlichen Majestät sage ich allerunterthänigst Dank für [die] gnädige, so sachinteressante und mich sachbeglückende Mittheilung. Mit raschem Blick haben Eure Majestät [den] richtigen Augenblick erkannt, kraftvoll und entschlossen denselben umgesetzt. Indem Euere Majestät über deutsche Missionare die schützende Hand halten und unserem Handel neue Wege und Gebiete eröffnen, werden Allerhöchstdieselben gleichzeitig unser Ansehen nicht nur in Asien machtvoll heben. Ich zweifle nicht daran, daß Euerer Majestät Direktiven entsprechend, Seine Durchlaucht

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Tirpitz wurde erst tags darauf durch das OKM über den Vorgang in Kenntnis gesetzt. Vgl. ebd.; Koester an Diederichs, 30.12.1897, BArch, N 255/8, Bl. 70 ff., hier Bl. 70; Wilhelm II. an Marinekabinett, 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 130; Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897, ebd., Bl. 131 f.; Koester an Tirpitz, 8.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 6; Koester an Diederichs, 7.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 130. Ratenhof irrt mit der Aussage, dass Diederichs den Befehl zur Besetzung Kiautschous in doppelter Ausführung, sowohl vom Kaiser als auch vom OKM, bekommen hat. Der Befehl kam direkt vom Kaiser, der Kommandierende Admiral war als unmittelbarer Vorgesetzter des Chefs der Kreuzerdivision lediglich mit dessen Übermittlung an Diederichs beauftragt worden. Vgl. Ratenhof, Die Chinapolitik des Deutschen Reiches 1871-1945, S. 154. Im Nachlass des Großadmirals Koester befinden sich keine Unterlagen zur »KiautschouAffäre«. Nach telefonischer Auskunft des Enkels, Hans-G. von Koester, vom 6. und 12. Februar 2008 enthält der Nachlass nur eine Akte mit Dokumenten aus Koesters aktiver Dienstzeit, der restliche Bestand umfasst rein private Unterlagen aus der Zeit nach seiner Pensionierung. Alle anderen Privatakten aus seiner aktiven Dienstzeit wurden nach Auskunft des Enkels während des Zweiten Weltkrieges durch Kriegseinwirkungen vernichtet. Der Einblick in das Findbuch und eine umfassende Auswertung des noch von keinem Historiker gesichteten Nachlasses wurden dem Verfasser nicht gestattet, sondern lediglich die Durchsicht der o.g. Akte. Sie enthält fast ausschließlich Abschriften diverser offizieller Dokumente der Kaiserlichen Marine aus den Jahren 1883 bis 1907, die auch in den amtlichen Marineakten enthalten sind. Vgl. BArch, N 728/6. Mommsen, War der Kaiser an allem Schuld?, S. 95. Mommsen irrt zudem, wenn er annimmt, dass die Besetzung Kiautschous »ohne das Zutun des Kaisers von langer Hand vorbereitet worden war«. Vielmehr war das Gegenteil der Fall: Wilhelm II. war, im Verein mit der Marineleitung, die treibende Kraft auch bei der Vorbereitung der Kiautschou-Aktion. Zitat aus: Ebd. (Hervorhebung durch den Verfasser). Wilhelm II. an Bülow, 7.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3690.

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der Herr Reichskanzler mit bewährter Geschicklichkeit es verstehen wird, unsere Festsetzung in der Kiaotschou-Bucht ohne Störung unserer diplomatischen Beziehungen zu den anderen in China interessierten Mächten und insbesondere zu Rußland durchzuführen. Gott segne Euerer Majestät für [den] unsere wirthschaftliche und politische Zukunft bedeutsamen und glückverheißenden Entschluß [zur Besetzung Kiautschous]94.«

Bülow war nicht bereit, die politische Verantwortung für einen ernsthaften Konflikt mit Russland zu übernehmen, deshalb delegierte er sie an den Reichskanzler. Gleichzeitig zog er mit Rückendeckung seines Freundes Philipp zu EulenburgHertefeld, einem Intimus des Kaisers, seine Abschiedsformalitäten als deutscher Botschafter in Rom in die Länge und ließ sich derweil von Holstein als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes vertreten. Bülow »ging gewissermaßen auf Tauchstation«, wie es sein Biograf Gerd Fesser pointiert formuliert, »und schwieg sich hartnäckig aus«95. Obwohl ihn der Kaiser und seine Stellvertreter im Auswärtigen Amt über den Fortgang der Kiautschou-Aktion laufend unterrichteten, äußerte er sich nicht dazu. Seine Amtsgeschäfte in Berlin nahm Bülow erst wieder am 26. November auf, als sich die Lage schon etwas beruhigt hatte96. Hohenlohe erhielt am 7. November gegen 14 Uhr ein Telegramm von Heyking aus Hankow, in dem dieser meldete, die chinesische Provinzverwaltung habe Genugtuung für den Vorfall in Wuchang geleistet. Der Reichskanzler leitete diese Nachricht umgehend an den Kaiser weiter. Er informierte ihn auch, dass Heyking unterwegs von Hankow nach Shanghai sei und deshalb die Sühneforderungen für den Mord an den beiden Missionaren erst in einigen Tagen, nach dessen Ankunft in Woosung stellen könne. Hohenlohe versuchte, die »uns [dadurch] aufgedrängte unerwünschte Frist«97 – tatsächlich unerwünscht war diese »Fristverlängerung« nur aus der Sicht des Monarchen; dem Reichskanzler und dem Auswärtigen Amt hingegen war sie sehr recht – zu benutzen, um Wilhelm II. von einem fait accompli in der Kiautschou-Frage abzuhalten. Deshalb verband er diesen Hinweis mit der erneuten, dringlichen Bitte, sich vor der Besetzung Kiautschous Gewissheit »über die Stellung [verschaffen zu können], welche die russische Regierung in Wirklichkeit 94 95 96

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Bülow an Wilhelm II., 8.11.1897, zit. nach: Rotenhan an Wilhelm II., 8.11.1897, PAAA, R 18232, Bl. 24 f. Fesser, Reichskanzler Fürst von Bülow, S. 60. Wilhelm II. an Senden-Bibran, 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 130; Tirpitz an Hohenlohe, 10.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 9; Koester an Hohenlohe, 6.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 118-121; Rothenhan an Koester, 6.11.1897, ebd., Bl. 125; Holstein an Eulenburg, 10.11.1897, zit. in: Eulenburg-Hertefeld, Bd 3, Nr. 1352; Holstein an Eulenburg, 23.11.1897. In: Ebd., Nr. 1353; Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3686-3691; Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 184; Ganz, The Role of the Imperial German Navy in Colonial Affairs, S. 122-125; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 156 f.; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 169 f.; Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 32 f.; Winzen, Bülows Weltmachtkonzept, S. 130-133; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 334 ff. Lee stellt die Vorgänge sowohl in China als auch in Berlin überwiegend falsch dar. Vgl. Lee, Die chinesische Politik zum Einspruch von Shimonoseki, S. 138 ff. Tirpitz geht in seinen Memoiren bezeichnenderweise nicht auf seine damalige ablehnende Haltung zur Okkupation Kiautschous ein. Vgl. Tirpitz, Erinnerungen, S. 65. Hohenlohe an Wilhelm II., 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 140 f., ebenso in: PAAA, R 18167, Bl. 320 ff., hier Bl. 321; Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3691, S. 71.

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zu der Besitzfrage von Kiautschou einnimmt«98. Die vorgenannte Depesche hat Hohenlohe an den Kaiser abgeschickt, bevor er von dessen Anfrage an den Zaren, geschweige denn vom Antworttelegramm Nikolaus’ II. erfahren hatte. In der Sammlung der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes ist die Reihenfolge der abgedruckten Dokumente an dieser Stelle nachweislich falsch. Die Formulierung »in Wirklichkeit«, die sich auf die Petershofer Deklaration bezog99, ermöglichte es den Herausgebern der Aktensammlung, Hohenlohes Depesche an den Kaiser vom 7. November bewusst in einen falschen Kontext zu stellen. Durch diese gezielte Manipulation erscheint Hohenlohe besonnener, als er es während der »Kiautschou-Affäre« tatsächlich war100. Auf der Abschrift des Telegramms, das sich in den Akten des Marinekabinetts befindet, also jener Behörde, bei der in der »Kiautschou-Affäre« alle Fäden zusammen liefen, vermerkte Senden-Bibran: »Anfrage ist schon erfolgt. Russland erhebt keinen Anspruch mehr auf Kiautschou101.« Dieser Vermerk bezieht sich eindeutig auf das Antworttelegramm des Zaren, das gegen 15.30 Uhr in Berlin eingetroffen war. Wilhelm II. informierte Hohenlohe zweieinhalb Stunden später über die Depesche seines russischen Amtskollegen, übermittelte ihm daraus allerdings nur den aus seiner Sicht entscheidenden Satz: »Cannot approve nor disapprove Your sending German squadron to Kiautschou, as I have lately learned that this harbour only had been tempor[ar]ily ours in 1895-1896102.« »Wir müssen diese vorzügliche Gelegenheit umgehend benutzen, 98 99

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Hohenlohe an Wilhelm II., 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 140 f., ebenso in: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3691, S. 71. Konkret bezog sich diese Formulierung auf folgende Passage der Petershofer Deklaration: »Seine Majestät haben den Kaiser Nikolaus gefragt, ob Rußland Absichten auf die genannte Bucht habe. Der russische Kaiser erwiderte, Rußland habe ein Interesse daran, sich den Zutritt zu dieser Bucht solange zu sichern, bis es über einen anderen, nördlicher gelegenen und schon ins Auge gefaßten Hafen Pingjang (nicht weit von Port Arthur) disponieren werde«. Zitat aus: Bülow an AA, 11.8.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3679, S. 58. Dieses verfälschte Bild wurde in der bisherigen Historiografie weiter zementiert. Vgl. u.a. Grote, Untersuchungen zur deutschen Kolonialpolitik, S. 35 f.; Irmer, Die Erwerbung von Kiautschou, S. 48; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 727; Möller, Deutschlands Chinapolitik, S. 76-81; Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 1062 f.; Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou, S. 24; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 335 f.; Wippich, Der deutsche »Platz an der Sonne«, S. 475-489, hier S. 477; Zachau, Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenlohe, S. 478 f. Randbemerkung von Senden-Bibran zu Hohenlohe an Wilhelm II., 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 140 f., hier Bl. 140. Offenbar war Senden-Bibran der erste Vertreter der Reichsleitung, dem der Kaiser den vollständigen Wortlaut des Antworttelegramms des Zaren übermittelte, was ein besonderer Beleg für das große Vertrauen ist, das er bei Wilhelm II. genoss. Jedenfalls ist das Antworttelegramm des Zaren in den Akten des Marinekabinetts dokumentiert. Vgl. Nikolaus II. an Wilhelm II., 7.11.1897, ebd., Bl. 139. Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 131 f., ebenso in: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3689, S. 69. Den vollständigen Wortlaut der Depesche des Zaren erfuhr Hohenlohe nur wenig später durch Senden-Bibran, nicht aber den der vorangegangenen Anfrage des Kaisers. Das ist einem privatdienstlichen Brief Senden-Bibrans an Diederichs vom 9. November zu entnehmen: »Am Sonntag Morgen [den 7.11.1897] war die Anfrage [Wilhelms II. an den Zaren] abgegangen«, berichtete er dem Divisionschef, »am Sonntag Nachmittag war die Antwort da. Als ich sie dem Reichskanzler brachte, fielen die dortigen Bedenken u[nd] nach um 10 Uhr Ab[en]ds, nachdem ich Barandon u[nd] Holtzendorff zusammen getrommelt hatte, konnte die Depesche des Kaisers an Sie abgehen.« Merkwürdig ist allerdings, dass der Chef des Marinekabinetts in dieser Sache eigenmächtig an den Reichskanzler herantrat,

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ehe ein anderer Großstaat China noch aufreizt oder zu Hilfe kommt!«, fügte der Kaiser erregt hinzu. »Jetzt oder nie103.« Deshalb habe er das Marinekabinett bereits angewiesen, dem Chef der Kreuzerdivision die sofortige Besetzung Kiautschous zu befehlen. Hohenlohe, der das kaiserliche Telegramm sofort an seinen außenpolitischen Spiritus Rector Holstein weiterleitete, erfuhr darin nichts über den konkreten Inhalt der Anfrage, die Wilhelm II. zuvor an den Zaren gerichtet hatte. Vor diesem mangelhaften Informationshintergrund gaben Hohenlohe und Holstein nachträglich ihr Einverständnis zur sofortigen Okkupation Kiautschous, der Reichskanzler beglückwünschte den Kaiser sogar zu diesem Entschluss104. Obwohl weder Hohenlohe noch Holstein den Okkupationsbefehl hätten stoppen können, fühlten sie sich nicht übergangen, da sie das Telegramm des Zaren ebenso wie der Kaiser als Einverständniserklärung Russlands zur Besetzung Kiautschous interpretierten. Aus ihrer Sicht schien somit der Primat der Politik gewahrt und ein militärischer fait accompli abgewendet. Für sie war die Kreuzerdivision lediglich der verlängerte Arm der Reichsleitung in Übersee, der – in diesem Kontext – ihrer Erpressungspolitik gegenüber China den nötigen Nachdruck verleihen und die Okkupation vor Ort auf ihr Geheiß exekutieren sollte, keineswegs aber ein selbstständiger politischer Akteur. Der Kaiser jedoch hatte durch seinen persönli-

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denn der Kaiser hatte ihn telegrafisch lediglich beauftragt, den Okkupationsbefehl an Diederichs zu übermitteln, und ihn zudem gleichzeitig informiert, dass Hohenlohe über die jüngste Entwicklung in der Kiautschou-Frage schon im Bilde sei (der Kaiser schickte ihm sogar noch eine Kopie seines entsprechenden Telegramms an den Reichskanzler). Anhand der Akten klar widerlegbar ist Senden-Bibrans implizite Darstellung, der Kaiser habe Hohenlohe quasi noch ein Vetorecht gegen den Okkupationsbefehl eingeräumt. Ebenso wenig war eine Gegenzeichnung dieses Befehls durch den Reichskanzler notwendig, da die Kommandogewalt über die Marine zu den Prärogativen der Krone gehörte, die der Kaiser seit der Neuordnung der obersten Marinebehörden im Frühjahr 1889 auch uneingeschränkt durch das OKM ausüben konnte. Vermutlich war SendenBibran die Angelegenheit politisch zu heikel, so dass er sich, auch um seine Stellung als Chef des Marinekabinetts nicht zu gefährden, vor der Übermittlung des Okkupationsbefehls an den Divisionschef eigenmächtig noch einmal beim Reichskanzler als dem politisch Verantwortlichen für diesen Vorgang über die Richtigkeit desselben rückversicherte. Zitat aus: Senden-Bibran an Diederichs, 9.11.1897, BArch, N 255/8, Bl. 51 f., hier Bl. 51. Vgl. ebd., Bl. 51 f.; Wilhelm II. an SendenBibran, 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 130; Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897, ebd., Bl. 131 f.; Hubatsch, Der Admiralstab, S. 50 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd 3, S. 820, 1005, und Bd 4, S. 566 f., Anm. 1417. Zitate aus: Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3689, S. 69. Rotenhan an Bülow, 8.11.1897, PAAA, R 18232, Bl. 23; Aufzeichnung Hohenlohes, 7.11.1897, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 409. Wippich missinterpretiert Hohenlohes Haltung in dieser Frage, da er dessen Informationsstand bei der Erteilung seiner nachträglichen Zustimmung für die kaiserliche Direktive an Diederichs zur Okkupation Kiautschous am 7. November nicht berücksichtigt. Ebenso wie Holstein hegte er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich keine Bedenken mehr gegen die Besetzung der Bucht und hielt die befohlene Besitzergreifung nicht mehr für übereilt und handstreichartig. Vgl. Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 335 f.; Wippich, Der deutsche »Platz an der Sonne«, S. 477. Ebenso nicht korrekt, mit Bezug auf die Haltung sowohl von Hohenlohe als auch von Holstein: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 261; Irmer, Die Erwerbung von Kiautschou, S. 48; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 33; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 727; Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 34; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 179 f.; Zachau, Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenlohe, S. 478 f.

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chen Befehl an den Chef der Kreuzerdivision, Kiautschou unverzüglich zu besetzen, allen weiteren diplomatischen Initiativen von vornherein einen Riegel vorgeschoben und somit bewusst den Primat der Politik zugunsten des Militärs ausgehebelt. Vermutlich werden Hohenlohe und Holstein – ebenso wie Bülow – Zweifel am russischen Einverständnis zur Besetzung Kiautschous gekommen sein, nachdem sie den genauen Wortlaut des Depeschenwechsels zwischen Wilhelm II. und Nikolaus II. erfahren haben. Allerdings behielten sie diese Zweifel für sich105. Sehr wahrscheinlich, das war ihnen sicher bewusst, hätte ihr nachträglicher Einspruch ohnehin kein Gehör beim Kaiser gefunden, so dass sie nur darauf hoffen konnten, dass die Russen in dieser Angelegenheit zurückstecken und die Lage nicht eskalieren lassen würden106. Zudem wollte sich Hohenlohe, wie er einige Jahre später rückblickend äußerte, nicht »dem bekannten Vorwurf [aussetzen], daß ich ›die Hosen voll hätte‹«107. Diederichs war hocherfreut, dass der Kaiser ihm »die Verantwortung für die Durchführung [der Militäraktion] übertragen«108 hatte. »Sofort Kiautschou besetzen mit größter Energie«109, bestätigte er sogleich telegrafisch dem Kommandierenden Admiral. Doch das war leichter gesagt als getan, denn Knorr verfügte zu dieser Zeit nur über drei Kriegsschiffe, den »Kaiser«, die »Prinzeß Wilhelm« und den »Cormoran«. Letzterer befand sich noch mit Heyking und dessen Frau an Bord auf dem Transit von Hankow nach Woosung, wo Diederichs mit den beiden anderen Schiffen auf Reede lag, und sollte erst am nächsten Tag dort eintreffen. Auf die 105

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Sowohl Hohenlohe als auch Holstein revidierten ihre Haltung in der Kiautschou-Frage nachweislich erst nach dem Bekanntwerden von Muravjovs Einspruch gegen die Besetzung Kiautschous in der Nacht vom 9. auf den 10. November. Siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen in diesem Kapitel. Holsteins spätere, vielzitierte Polemik gegen Senden-Bibran als den vermeintlichen »Haupthetzer zum Vorgehen um jeden Preis« in der Kiautschou-Frage ist unglaubwürdig. Zitat aus: Holstein an Hatzfeldt, 13.11.1897, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 4, Nr. 630. Zu Holsteins Polemik gegen Senden-Bibran im Zuge der »Kiautschou-Affäre« siehe: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 338 f. Klaus Mühlhahn erwähnt in seiner Dissertation über »Herrschaft und Widerstand in der ›Musterkolonie‹ Kiautschou« Muravjovs Einspruch mit keinem Wort und erweckt dadurch den falschen Eindruck, als ob Hohenlohe und Holstein aus eigenem Antrieb nach der Erteilung des kaiserlichen Okkupationsbefehls gegen die Besetzung Kiautschous opponiert hätten. Vgl. Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der »Musterkolonie« Kiautschou, S. 95 f., ebenso in: »Musterkolonie Kiautschou«, S. 108 f. (Herausgeberin dieser Quellensammlung ist Mechthild Leutner, bearbeitet wurde sie von Klaus Mühlhahn). Diederichs an seinen Sohn Fritz, 4.4.1898, BArch, N 255/6 (ohne Paginierung); Senden-Bibran an Diederichs, 9.11.1897, BArch, N 255/24, Bl. 54 f., hier Bl. 54; Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 131 f., ebenso in: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3689; Nikolaus II. an Wilhelm II., 7.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 139; Hohenlohe an Wilhelm II., 7.11.1897, ebd., Bl. 140 f., ebenso in: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3691; Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3689; Holstein an Hatzfeldt, 13.11.1897, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 1, S. 179, Bd 4, Nr. 630. Hohenlohe an seinen Sohn Alexander, 8.7.1900, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 578. Das erklärt auch seine zögerliche Haltung gegenüber dem Kaiser unmittelbar nach Bekanntwerden von Muravjovs Einspruch gegen die Besetzung Kiautschous. Vgl. Hohenlohe an Rothenhan, 10.11.1897, zit. in: Ebd., S. 412. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 16. Diederichs an Knorr, 8.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 141.

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»Irene« und die »Arcona« konnte der Divisionschef nicht zurückgreifen, die beiden Schiffe befanden sich zur Instandsetzung im Dock in Hongkong und Shanghai. Diederichs sorgte dafür, dass die drei verfügbaren Schiffe innerhalb von 48 Stunden einsatzbereit waren. Die Besitzergreifung Kiautschous plante er für den 14. November. Vor dem Auslaufen beschaffte er im Verein mit dem örtlichen deutschen Generalkonsul Otto Stübel zwei Dolmetscher und einen chinesischen Schreiber; außerdem organisierte er alles notwendige Material für die Militäraktion110, von ausreichend Kohlen für die Schiffe über Proviant, Zelte und Pferde für die Landungs- und Besatzungstruppen bis hin zu Dampfern, die das Material nach Kiautschou liefern und notfalls die Kommunikation mit dem Gesandten und dem Kommandierenden Admiral über die Telegrafenstation in Shanghai sicherstellen sollten. Alle Vorbereitungen unterlagen strikter Geheimhaltung. Diederichs befürchtete, dass China seine Verteidigungsstellung in Kiautschou kurzfristig verstärken oder die anderen europäischen Großmächte zugunsten Chinas intervenieren könnten, falls sein Auftrag vor der Ausführung bekannt würde. In beiden Fällen hätte er mit seinen drei Kriegsschiffen kaum etwas dagegen ausrichten können. Allerdings blieben die Vorbereitungen nicht vollständig verborgen. Ein britischer Zeitungsreporter konfrontierte Heyking am Nachmittag des 10. November sogar explizit mit der Frage, ob die Kreuzerdivision den Auftrag habe, die KiautschouBucht zu besetzen. Dieser wiegelte ab und streute das Gerücht, der »Kaiser« gehe planmäßig zu Schießübungen nach Kiautschou111, während der »Comoran« und die »Prinzeß Wilhelm« zur Piratenbekämpfung nach Süden in die Samsa-Bucht verlegt würden. Sorgen bereitete dem Divisionschef die chinesische Marine. Trotz ihrer Schwächung während des Chinesisch-Japanischen Krieges war sie im Kriegsfall sehr wohl ein gefährlicher Gegner für die dezimierte Kreuzerdivision. Deshalb befahl Diederichs den Kommandanten der »Irene« und der »Arcona«, die Reparaturarbeiten abzubrechen, ihre Schiffe »mit äußerster Beschleunigung wieder seeklar zu machen«112 und ihm nach Kiautschou zu folgen113. 110

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Nachdem Diederichs am 10. November mit dem »Kaiser«, der »Prinzeß Wilhelm« und dem »Cormoran« von Woosung nach Kiautschou abgegangen war, übernahm der Kommandant der »Arcona«, die im Dock in Shanghai lag, gemeinsam mit Stübel die weitere Beschaffung des benötigten Materials vor Ort und dessen Übersendung ins Zielgebiet. Am 13. November ging die »Arcona« selbst von Shanghai nach Kiautschou. In einem mehrere Jahre später verfassten Bericht über die Kiautschou-Aktion erwähnt Diederichs mehrfach, dass er zu Schießübungen nach Kiautschou habe gehen wollen, und dies in Shanghai »überall, der Wahrheit gemäß, [...] erwähnt hatte«, unter anderem gegenüber dem britischen Admiral Sir Arthur Buller. In seinen amtlichen Berichten jedoch findet sich keinerlei Hinweis darauf, ebenso wenig in seinen Privatbriefen an Buller, die allerdings nur für das Jahr 1898 in Diederichs’ Nachlass dokumentiert sind (vgl. BArch, N 255/9). Zitat aus: Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 17; siehe dazu auch: Kap. IV, Anm. 51. Diederichs an Becker, 7.11.1897, BArch, RM 38/29, Bl. 24; siehe auch: Diederichs an Thiele, 7.11.1897, ebd., Bl. 24. Diederichs an Knorr, 15.12.1897, BArch, RM 3/3156, Bl. 184 f.; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 16 ff.; Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 158; Deutsches Generalkonsulat in Shanghai an Diederichs, 10.11.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 35 f.; Kommando S.M.S. Arcona an Diederichs, 12.11.1897, ebd., Bl. 39; Die Besetzung von Kiautschau. In: Deutsche Marine-Zeitung, 5 (1898), 2; Gottschall, By Order of the Kai-

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Heyking erfuhr von dem Okkupationsbefehl für Kiautschou und dem vermeintlichen russischen Einverständnis zu dieser Aktion erst am 9. November, nachdem er mit dem »Cormoran« in Woosung eingetroffen war. Gleichzeitig erhielt er die Anweisung von Hohenlohe: »Kehren Sie sofort nach Peking zurück und ziehen Sie [die] Verhandlungen über [die] Sühne bis dahin hinaus114.« Am Nachmittag konferierte Heyking mit Diederichs über die weitere Vorgehensweise. Da der Divisionschef kein Kriegsschiff entbehren konnte, sollten der Gesandte und seine Frau mit dem nächsten Frachtdampfer nach Tientsin und von dort aus mit der Bahn weiter nach Peking reisen. Beide hatten vor ihrer Zusammenkunft unabhängig voneinander einen Katalog an Sühneforderungen aufgestellt. Heykings Vorschläge waren moderater formuliert, aber nach dem Gespräch mit Diederichs verschärfte er diese115. Kurz bevor der Divisionschef mit dem »Kaiser« am späten Abend des 10. November Woosung in Richtung Kiautschou verlassen wollte, ersuchte Heyking ihn, die Aktion um zwei Tage bis zum 16. November zu verschieben, da er vorher nicht in Peking ankommen würde. Aber Diederichs war zu keinem Aufschub bereit, er drängte zur Aktion. Heyking sollte Peking schließlich erst am 18. November erreichen, weil der Frachtdampfer, mit dem er von Shanghai nach Tientsin fuhr, unterwegs in einen schweren Sturm geriet116. Unterdessen hatte sich in Berlin die Lage grundlegend verändert. Hohenlohe hatte den deutschen Botschafter in St. Petersburg am 8. November angewiesen, den russischen Außenminister über die geplante Besetzung Kiautschous als Sühneaktion für die Ermordung der beiden deutschen Missionare in Shantung zu informieren. Völlig unerwartet machte Muravjov umgehend Vorbehalte gegen dieses Vorhaben geltend und reklamierte für Russland das »Recht des ersten Ankerns« in der Bucht117. Um diesen – schimärischen118 – Rechtsanspruch zu wahren, erhielt das russische Pazifikgeschwader den Befehl, ebenfalls Schiffe dorthin zu entsenden, sobald die deutsche Kreuzerdivision dort eingelaufen war, allerdings sollten sich diese nicht an der deutschen Sühneaktion gegen China beteiligen. Zudem wurde der russische Gesandte in Peking angewiesen, die chinesische Regierung im Sinne einer friedlichen Lösung des deutsch-chinesischen Konfliktes dazu zu drängen, die deutschen Sühneforderungen anzunehmen – noch bevor Heyking diese überhaupt offiziell gestellt hatte119. Für den Fall, dass der Konflikt nicht friedlich

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ser, S. 157 f.; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 233 ff. (Aufzeichnungen vom 6.11. bis 12.11.1897). Hohenlohe an Heyking, 8.11.1897, PAAA, R 18167, Bl. 310. Siehe dazu: Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 16 ff. Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 158; Heyking an AA, 17.11.1897, PAAA, R 18169, Bl. 157 ff.; Heyking an Bülow, 26.11.1897, PAAA, R 18132, Bl. 158-169; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 234-238 (Aufzeichnungen vom 9.11. bis 18.11.1897). Rotenhan an Wilhelm II., 10.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3693. Promemoria des Auswärtigen Amtes betreffend die priorité de mouillage und die völkerrechtliche Berechtigung des darauf gegründeten russischen Einspruchs gegen die Besetzung von Kiautschou durch S.M. Kriegsschiffe, 28.12.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 236-242. Heyking an Bülow, 23.11.1897, PAAA, R 18182, Bl. 146-157; Rotenhan an Bülow, 9.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3694. Heyking machte die deutschen

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verlaufen sollte, drohte Muravjov unverhohlen mit »einer Intervention anderer Mächte«120. Bei der Reichsleitung löste Muravjovs »brutale Art der Zurückweisung«121 sowohl Bestürzung als auch Empörung aus. Jegliche Hochstimmung, die noch am 8. November im Auswärtigen Amt vorgeherrscht hatte122, war mit einem Male verflogen. Noch in der Nacht vom 9. auf den 10. November, unmittelbar nachdem Muravjovs Einspruch bekannt geworden war, versuchte das Auswärtige Amt über das Oberkommando der Marine den Abgang der Kreuzerdivision von Shanghai zu verhindern. Der stellvertretende Kommandierende Admiral Hans Koester jedoch lehnte dieses Ansinnen ab, da er sich nicht befugt sah, einen unmittelbaren Befehl des Kaisers aufzuheben123. Während die meisten Vertreter der Reichsleitung, allen voran Holstein und Tirpitz, das Schlimmste befürchteten und nach Wegen suchten, die sich anbahnende schwere Krise ohne allzu großen Prestigeverlust für Kaiser und Reich zu entschärfen, in diesem Rahmen sogar einen Rückzug aus Kiautschou erwogen, hielt der Kaiser unbeirrt an seinem Okkupationsbeschluss fest, darin bestärkt durch den äußerst einflussreichen Chef des Marinekabinetts124 und den Kommandierenden Admiral sowie den gerade in Deutschland weilenden Steyler Bischof Johann Baptist Anzer125. »Das berüchtigte Recht du premier mouillage«, konstatierte Wilhelm II., »wird durch unsere Besetzung und spätere Besitzergreifung in keiner Weise geschädigt. Die Russen können ja solange da liegen und ankern bis sie schwarz oder gelb werden. Das kann uns aber nicht hindern[,] dort eine Kohlenstation und Docks zu erbauen126.« Im Gegensatz zum Auswärtigen Amt und zum Reichsmarineamt war der Kaiser davon überzeugt, dass die Russen wegen Kiaut-

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Forderungen an die chinesische Regierung erst am 20. November offiziell geltend, zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Peking. Vgl. Heyking an Bülow, 26.11.1897, PAAA, R 18132, Bl. 158-169. Rotenhan an Bülow, 9.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3694, S. 75. Holstein an Hatzfeldt, 13.11.1897, zit. in: Holstein, Die geheimen Papiere, Bd 4, Nr. 630. Siehe Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 33; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 180; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 336. Norman Rich hält Holsteins positive Haltung zur Okkupation Kiautschous nach dessen Zustimmung zu der Aktion am Abend des 7. November bis zum Bekanntwerden von Muravjovs Einspruch zwei Tage später für reinen Opportunismus. Vgl. Rich, Friedrich von Holstein, Bd 2, S. 561. Aktenvermerk des OKM vom 9.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 135; Rotenhahn an Hohenlohe, 9.11.1897, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 410. Senden-Bibrans Wirken in der »Kiautschou-Affäre« ist anhand der amtlichen Akten kaum greifbar, da er in dieser Phase, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht primär schriftlich, sondern überwiegend mündlich mit den anderen Behörden und Amtsträgern kommunizierte. Vgl. Senden-Bibran an Wilhelm II., 6.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 133; Holstein an Eulenburg, 10.11.1897, zit. in: Eulenburg-Hertefeld, Bd 3, Nr. 1352. Senden-Bibran hatte als langjähriger Chef des Marinekabinetts und persönlicher Adjudant des Kaisers (1889-1906) einen großen Einfluss auf Wilhelm II., der weit über marinespezifische Fragen hinausging. Obwohl er ohne Zweifel eine der Schlüsselfiguren innerhalb der Reichsleitung von 1889 bis 1906 gewesen ist, liegt bis heute keine Biografie über ihn vor. Vgl. Steinmetz, Admiral Freiherr von Senden-Bibran; siehe auch: Winzen, Freundesliebe am Hof Kaiser Wilhelms II., S. 11-37. Siehe dazu: Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus, S. 279-282. Randbemerkung Wilhelms II. zu Hohenlohe an Wilhelm II., 18.11.1897, PAAA, R 18169, Bl. 107-110, hier Bl. 110.

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schou keinen Krieg beginnen würden. Diese Annahme begründete er – ganz in Bismarckscher Manier – mit Russlands (vermeintlicher) außenpolitischer Abhängigkeit vom Deutschen Reich in der Orientalischen Frage: »Vor absoluten Fakten wird auch Russland sich beugen und wegen Kiautschou bestimmt keinen Krieg anfangen, da es uns notwendig im Orient braucht127.« Gleichwohl ließ sich Wilhelm II. von Hohenlohe überzeugen, dass es angesichts des scharfen russischen Vetos besser sei, den eigenen diplomatischen Spielraum wieder etwas zu erweitern. Deshalb erhielt der Chef der Kreuzerdivision am 12. November nachmittags telegrafisch folgende Anweisung: »In Abänderung Allerhöchsten Befehls vom 7ten [November 1897] soll Proklamation und Besetzung chinesischen Gebiets aufgeschoben werden[,] bis chinesische Antwort auf Sühneforderungen eintrifft und unbefriedigend lautet. In allen Fällen[,] auch wenn Besetzung schon erfolgt, ist sie als Pfandnahme bis nach verlangter Sühne hinzustellen. Hoheitsrechte sind nicht auszuüben. Zu ihrer Information Folgendes: Russische Regierung hat nachträglich Vorrechte auf Kiautschou geltend gemacht, über die noch verhandelt wird128.«

Diese Depesche wurde nach Kiautschou, in Kopie auch nach Shanghai geschickt. Zu dieser Zeit befand sich Diederichs bereits mit dem »Kaiser«, der »Prinzeß Wilhelm« und dem »Cormoran« auf dem Weg ins Zielgebiet. Seinen Abgang aus Shanghai hatte er dem Kommandierenden Admiral kurz vor dem Auslaufen am 10. November telegrafisch angezeigt129. Trotzdem hoffte die Reichsleitung, Diede127

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Rotenhan an Bülow, 11.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3695, S. 78. Auch Hohenlohe glaubte nicht, dass Russland wegen der Kiautschou-Bucht ernsthaft einen Krieg mit dem Deutschen Reich riskieren werde. Vgl. Stalmann, Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 352. Knorr an Diederichs, 12.11.1897, zit. nach: Knorr an Bülow, 12.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 14. Nach Ansicht des Auswärtigen Amtes bot dieser Befehl dem Divisionschef immer noch zu viel politischen Spielraum, den es ihm keinesfalls zubilligen wollte. Deshalb verlangte es vom OKM zwei Tage später, die Ordre folgendermaßen zu präzisieren: »Auch im Falle unbefriedigender oder keiner chinesischen Antwort [auf die deutschen Sühneforderungen] ist vor Proclamation Befehl von hier einzuholen.« Als diese Anfrage den Kommandierenden Admiral erreichte, war sie bereits Makulatur, denn Diederichs hatte in Kiautschou schon vollendete Tatsachen geschaffen. Zitat aus: Rotenhan an Knorr, 14.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 152 f., hier Bl. 152 (Hervorhebung im Original). Vgl. ebd., Bl. 152 f.; Knorr an Hohenlohe, 15.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 153. Prinz Heinrich behauptete einige Monate später gegenüber Heyking, dass der Kaiser »das zweite Telegramm an Diederichs erst dann abgeschickt [habe], als er sicher gewesen, daß es zu spät ankommen müsse und daß die Besetzung bereits erfolgt sei«. Olav Zachau hält diese Behauptung für plausibel. Tatsächlich jedoch hat Hohenlohe dem Kaiser die Absendung dieses Telegramms nachweislich erst nach dem Auslaufen des Geschwaders vorgeschlagen. Diederichs meldete den Abgang des Geschwaders von Shanghai nach Tsingtau am 10. November an das OKM. Am selben Tag telegrafierte Hohenlohe, der sich zu dieser Zeit im Stettiner Vorort Grabowo aufhielt, an Rotenhan: »Ich werde an den Kaiser nicht schreiben und nicht telegraphieren, sondern abwarten, bis er selbst die Sache zur Sprache bringt.« Kurz darauf begab sich der Reichskanzler nach Berlin, wo er dem Kaiser am nächsten Tag zu einem behutsameren Vorgehen in der Kiautschou-Frage riet. Zitate aus: Hohenlohe an Rotenhan, 10.11.1897, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 412; Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 263 (Aufzeichnung vom 13.5.1898). Vgl. Hohenlohe an Wilhelm II., 11.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3696; Hohenlohe an Hatzfeldt, 13.11.1897, ebd., Nr. 3698; Rotenhan an Hohenlohe, 10.11.1897, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzler-

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richs werde die neuen Instruktionen noch rechtzeitig erhalten, bevor er Kiautschou tatsächlich für das Deutsche Reich formal in Besitz nahm. Derweil versuchte sie, ihr bisheriges Vorgehen gegenüber der russischen Regierung mit der vermeintlichen Einverständniserklärung des Zaren zu rechtfertigen130. Diederichs hatte Woosung am späten Abend des 10. November mit dem »Kaiser« verlassen. Die beiden anderen Schiffe folgten ihm erst am Vormittag des nächsten Tages nach, »um möglichst wenig Argwohn aufkommen zu lassen«131. Auf dem Transit nach Kiautschou stellte der Divisionschef den Text für die Übergabeforderung an den chinesischen General und die Proklamation an die chinesische Bevölkerung fertig und ließ sie ins Chinesische übersetzen132. Nachdem sich die drei Schiffe am 12. November abends auf hoher See vereinigt hatten, dampften sie geschlossen nach Kiautschou. Schon am nächsten Morgen gingen sie auf der Reede von Tsingtau vor Anker. Tatsächlich war es Diederichs gelungen, die Operation geheim zu halten. Jedenfalls schöpften die chinesischen Truppen im Kiautschou-Gebiet, insgesamt etwa 3000 Mann unter der Führung von General Chang Kao-yuan, von denen rund die Hälfte im Küstenort Tsingtau (Grüne Insel) stationiert war, keinerlei Verdacht und ergriffen somit auch keine Abwehrmaßnahmen gegen den bevorstehenden Angriff. General Chang, der an Besuche ausländischer Kriegsschiffe in seinem Kommandobezirk gewohnt war, nahm Diederichs herzlich in Empfang. Zunächst ließ der Divisionschef nicht erkennen, was die wahren Absichten seines Besuches waren. Vielmehr nutzte er den ganzen Tag, um mit seinem Stab und den Führern der Landungsabteilungen die Verteidigungsanlagen und Wehrkraft der Chinesen auszuspionieren und die Besitzergreifung vorzubereiten. Arglos gewährte ihnen Chang Zutritt zu allen militärischen Einrichtungen, bis hin zu den Pulvermagazinen. Offenbar fühlten sich Diederichs und seine Stabsoffiziere sehr sicher, denn sie gaben sich kei-

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zeit, S. 412; Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der »Musterkolonie« Kiautschou, S. 95, Anm. 261; Zachau, Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenlohe, S. 480. Koester an Tirpitz, 10.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 8; Wilhelm II. an Hohenlohe, 11.11.1897, ebd., Bl. 10 f.; Hohenlohe an Wilhelm II., 12.11.1897, ebd., Bl. 10 f.; Rotenhan an Tirpitz, 12.12.1897, ebd., Bl. 12; Knorr an Bülow, 12.12.1897, ebd., Bl. 14; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 24-28; Denkschrift des OKM zum Immediatbericht betreffend den Befehl zur Besetzung Kiautschous, 11.11.1897, BArch, RM 5/915, Bl. 148 ff.; Rotenhan an Bülow, 11.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3695; Hohenlohe an Wilhelm II., 11.11.1897, ebd., Nr. 3696 und 3697; Holstein an Eulenburg, 10.11.1897, zit. in: Eulenburg-Hertefeld, Bd 3, Nr. 1352; Holstein an Eulenburg, 23.11.1897. In: Ebd., Nr. 1353; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 729-732; Röhl, Wilhelm II., Bd 2, S. 1063 f.; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 337-340. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 18. Ein erster Entwurf der Proklamation an die Bevölkerung des Kiautschou-Gebietes war bereits von Heyking nach dessen Unterredung mit Zeye und Franzius Ende April 1897 aufgesetzt worden. Drei Monate später hatte Diederichs den ersten Entwurf einer Übergabeforderung an den General der dort stationierten chinesischen Truppen verfasst. Beide Texte waren kurz darauf in der deutschen Gesandtschaft in Peking übersetzt worden. Auf diese Grundlagendokumente griff Diederichs im November 1897 zurück, als die Okkupation Kiautschous unmittelbar bevorstand. Vgl. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 9; Diederichs an Knorr, 21.8.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 82-104, hier Bl. 90; Diederichs an Heyking (mit Anlagen), 22.7.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 8-11.

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nerlei Mühe, bei ihren Erkundungen besondere Vorsicht oder Zurückhaltung walten zu lassen. So nahmen sie etwa einem chinesischen Soldaten im Artillerie-Lager, der vom Exerzieren zurückkehrte, einfach seine Waffe ab, um sie zu untersuchen. Das Gewehr »zeigte sich vernachlässigt u[nd] verrostet«133. Der chinesische Soldat erhob keinen Widerspruch gegen dieses dreiste Vorgehen, sondern machte anschließend, »mit offenbarem Stolz, einige Griffe nach dem alten deutschen Exerzier-Reglement u[nd] grinste vergnügt, als Kap[i]t[än] Zeye ihm einige Kommandos zurief, die er ziemlich vergnügt, doch etwas zögernd, ausführte. Wir hatten es wohl mit einem der Leute zu tuen«, vermutete Diederichs, »die Ende der 70er Jahre von dem deutschen Instrukteur Schnell in Tschifu ausgebildet waren134.« Diederichs stellte fest, dass die Verteidigungsanlagen und die Garnison in Kiautschou immer noch im gleichen, desolaten Zustand waren, wie sie Tirpitz gut ein Jahr zuvor vorgefunden und beschrieben hatte135. »Nach diesen Besichtigungen«, resümierte er einige Jahre später mit zynischem Unterton, »konnte die Besetzung für den nächsten Tag wie eine Komödie vorbereitet werden136.« Tatsächlich war die Okkupation der Kiautschou-Bucht eine filmreife Inszenierung: Nachdem sich die Kriegsschiffe noch am Vorabend so in der Bucht verteilt hatten, dass sie mit ihren Geschützen die militärischen Einrichtungen der Chinesen gezielt unter Beschuss nehmen konnten, ließ Diederichs am nächsten Morgen bei klarem, schönen Wetter um Punkt 6.30 Uhr die Boote zum Gefecht armieren und die Landungsabteilungen einschiffen. »Im Interesse des Vermeidens jeden Blutvergießens« wollte er Chang »vor eine vollendete Thatsache, d.h. vor eine vollständige Uebermacht in überraschender Form«137 stellen. Zuerst ließ er deshalb die eiserne Landungsbrücke von Tsingtau besetzen und seine Truppen dort sammeln. Anschließend richtete er auf einer nahegelegenen Bergkuppe eine Signalstation ein. Dabei wurden die deutschen Truppen sogar bereitwillig von einigen chinesischen Zuschauern unterstützt, die offenbar nicht ahnten, was dort gerade vor sich ging. Um Punkt 8 Uhr bekamen die einzelnen Landungabteilungen schließlich den Befehl zum Abmarsch. Unter den Klängen des Preußen-Marsches und in Begleitung einer großen Menge schaulustiger Chinesen marschierten sie durch das »ansehnliche Dorf Tsingtau mit seinen strohgedeckten Stein- und Lehmhäusern«138 und verteilten sich auf die ihnen zugewiesenen Stellungen. Chang wurde von dem Angriff vollkommen überrascht. Angesichts des raschen Vorgehens der deutschen Truppen, das er anfangs wohl noch für ein Manöver gehalten hatte, war er nicht in der Lage, effektive Gegenmaßnahmen einzuleiten. Innerhalb von nur fünfundvier133 134 135

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Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 19. Ebd., S. 20. Zur Tätigkeit des Kruppschen Generalvertreters in China Friedrich Peil und seines Militärberaters Theodor Schnell siehe u.a.: Jing, Mit Barbaren gegen Barbaren, S. 73-87. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 18 ff.; Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 158 f.; Diederichs an Becker, 9.11.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 27 f.; Diederichs an Brussatis, 9.11.1897, ebd., Bl. 29; Diederichs an Thiele, 9.11.1897, ebd., Bl. 30; Kriegstagebuch S.M.S. Prinzeß Wilhelm, BArch, RM 38/33, Bl. 2 ff. (Aufzeichnungen vom 12.11. bis 13.11.1897); Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 159 f. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 20. Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 159 f. Briefe aus der Kautschau-Bucht, S. 2 (Brief vom 3.12.1897).

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zig Minuten nach dem Abmarsch aus dem Brückenlager hatte das 717 Mann starke Landungskorps unter dem Kommando von Kapitän zur See Zeye Tsingtau und die umliegenden chinesischen Garnisonen, inklusive des mit vierzehn Kruppschen Feldgeschützen bestückten Artillerie-Lagers, kampflos unter seine Kontrolle gebracht. Außerdem war die Telegrafenverbindung zwischen Tsingtau und der Stadt Kiautschou von den deutschen Soldaten gekappt worden, so dass Chang nicht mehr in der Lage war, mit seinen Vorgesetzten in Verbindung zu treten. Diederichs »Blitzkriegstrategie« war ein voller Erfolg: Ohne auch nur einen Schuss abzufeuern, hatten seine Landungstruppen das Kiautschou-Gebiet innerhalb von gut zwei Stunden vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Dem überrumpelten chinesischen General blieb nichts anderes übrig, als zu kapitulieren, den sofortigen, ultimativ geforderten Abzug seiner Truppen aus Tsingtau und Umgebung anzuordnen und sich anschließend in deutsches Asyl zu begeben, um der sicher geglaubten Hinrichtung zu entgehen139. Zur Mittagszeit übernahmen die Angehörigen des Landungskorps sämtliche Forts und Quartiere von den chinesischen Soldaten. Um 14.20 Uhr ließ Diederichs »als Zeichen der Besetzung«140 auf dem Ostlager feierlich die Kriegsflagge setzen, die von der »Prinzeß Wilhelm« unter Hurra-Gejubel der Mannschaft mit einundzwanzig Schuss salutiert wurde. Die Proklamation der Schutzherrschaft141 war bereits einige Stunden zuvor durch Patrouillen des Landungskorps an zentralen Plätzen in Tsingtau angeschlagen worden. Etwa vierzig Minuten nach der Flaggenhissung kehrte Diederichs in sein vorläufiges Hauptquartier, die ehemalige Residenz des Generals Chang, zurück. Dort übergab ihm ein Telegrafist, der kurz zuvor die Telegrafenleitung repariert hatte, zwei verschlüsselte Depeschen aus Berlin, deren Inhalt ihn in »eine erklärliche Spannung«142 versetzte: In doppelter Ausführung erhielt er den Befehl des Kommandierenden Admirals vom 12. November, die Kiautschou-Aktion abzubrechen143. Doch der Divisionschef ließ sich davon nicht beirren: Telegrafisch meldete er Knorr die Vorgänge des Tages und bestätigte den Empfang des neuen Befehls mit dem Zusatz: »Proklamation war schon veröffentlicht, spricht Besetzung, nicht Besitzergreifung aus [...] Zurücknahme nicht mehr möglich144.« Knorr stimmte dieser Auffassung uneingeschränkt zu. Eine Zurücknahme der proklamierten Besetzung hielt auch er »nicht mehr für möglich«; deshalb, argumentierte er gegenüber Wilhelm II. und Tirpitz, »muß [ich] mich im militärischen Interesse auf denselben Standpunkt [wie der Divisionschef] stel139

140 141 142 143 144

Diederichs an seine Frau Henni, 15.11.1897, BArch, N 255/4 (ohne Paginierung); Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 20 ff.; Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 160 ff.; Kriegstagebuch S.M.S. Kaiser, BArch, RM 38/31, Bl. 8 f. (Aufzeichnungen vom 14.11.1897); Kriegstagebuch S.M.S. Prinzeß Wilhelm, BArch, RM 38/33, Bl. 4 ff. (Aufzeichnungen vom 14.11.1897); Die Besetzung von Kiautschau. In: Deutsche Marine-Zeitung, 5 (1898), 23; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 161 f.; Huguenin, Geschichte des III. See-Bataillons, S. 3-8. Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 162. Die Proklamation ist im Wortlaut abgedruckt in: »Musterkolonie Kiautschou«, Nr. 22, S. 120 f. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 23. Siehe Kap. IV, Anm. 128. Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 161.

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len«145. Durch sein rasches Handeln hatte Diederichs vollendete Tatsachen geschaffen. Ohne einen erheblichen internationalen Prestigeverlust des Deutschen Reiches war die Okkupation Kiautschous nicht mehr rückgängig zu machen146. Durch die vollzogene Besetzung geriet die Reichsleitung unter Zugzwang. Für Wilhelm II. war ein Zurückweichen nunmehr ausgeschlossen. Trotz großer Bedenken vor allem von Holstein und Tirpitz setzte er, gemeinsam mit SendenBibran und Knorr, eine harte Haltung der Reichsleitung gegenüber Russland in der Kiautschou-Frage durch. Rückendeckung erhielt er dabei durch die britische Zurückhaltung in dieser Angelegenheit, die auf Salisburys Kalkül beruhte, dass durch eine »Besetzung von Kiautschou durch Deutschland [...] der ausschließlich russischen Herrschaft an der nördlichen chinesischen Küste ein Riegel vorgeschoben werden würde«147. Während Heyking angewiesen wurde, die Sühneforderungen an China »so hoch zu spannen, daß sie nicht erfüllt werden können und daher die weitere Besitzergreifung rechtfertigen«148, konnte Knorr schließlich am 18. November an Diederichs telegrafieren: »Gratuliere zur Besetzung« und »Proclamation bleibt so bestehen«149. Unterdessen setzte Russland die chinesische Regierung unter Druck, die deutschen Sühneforderungen, die Heyking zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Peking am 20. November offiziell geltend machte, zu akzeptieren, um dem Deutschen Reich den moralischen Vorwand für die Besetzung Kiautschous zu nehmen. Die Forderungen lauteten: 1. Absetzung des Gouverneurs der Provinz Shantung und Verbot seiner Wiederanstellung in öffentlichen Ämtern; 145 146

147

148 149

Zitate aus: Knorr an Tirpitz, 17.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 16 f., hier Bl. 16, ebenso in: Knorr an Wilhelm II., 17.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 162 f. Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 21 ff.; Diederichs an Knorr, 15.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 158-164, hier Bl. 162 ff.; Kriegstagebuch S.M.S. Prinzeß Wilhelm, BArch, RM 38/33, Bl. 4 ff. (Aufzeichnungen vom 14.11.1897); Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 162 f. Hatzfeldt an AA, 17.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3708, S. 94. Zur britischen Ostasienpolitik 1897/98 infolge der Kiautschou-Aktion allgemein siehe u.a.: Otte, Great Britain, Germany, and the Far-Eastern Crisis of 1897-98. Gottschall behauptet, dass auch Admiral Buller sich in ähnlicher Weise gegenüber Diederichs geäußert habe, als dieser ihn im Rahmen seiner Abschiedstour als Chef des britischen »China Squadron« am 14.1.1898 in der Kiautschou-Bucht besuchte. Als Beleg dafür gibt Gottschall die nachträglichen autobiografischen Aufzeichnungen über die Kiautschou-Aktion und einen Bericht von Diederichs an Knorr vom 12. Januar (!) an. Tatsächlich findet sich weder dort noch anderswo in Diederichs’ amtlicher oder privater Korrespondenz irgendein Hinweis, der Gottschalls Darstellung bestätigen würde. Vgl. Diederichs an Knorr, 3.12.1898, BArch, RM 3/6697, Bl. 145-154, hier Bl. 145; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 42; Diederichs an seine Frau Henni, 15.1.1897, BArch, N 255/4 (ohne Paginierung); Buller an Diederichs, 14.1.1898, BArch, N 255/9, Bl. 5; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 173. Unsignierte Aufzeichnung vom 15.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3701, S. 86. Zitate aus: Knorr an Diederichs, 18.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 169. Diederichs erhielt noch zahlreiche weitere Glückwünsche zur Besetzung Kiautschous, vor allem aus seinem privaten Umfeld und von ranghohen Marineoffizieren. Einer jedoch gratulierte ihm bezeichnenderweise nicht: Alfred Tirpitz. Vgl. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 165.

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2. Vollendung des von Bischof Anzer begonnenen Baus einer Kathedrale in Yenchowfu auf chinesische Staatskosten und unter Anbringung einer deutschen Schutztafel; 3. strenge Bestrafung der Mörder der deutschen Missionare und voller Ersatz des Schadens an die Steyler Mission; 4. sichere Bürgschaft gegen eine Wiederholung ähnlicher Vorfälle; 5. Entschädigung des Deutschen Reiches für alle durch den Vorfall entstandenen Kosten; 6. Bevorzugung deutscher Unternehmen für den Bau einer Bahn in der Provinz Shantung mit Bergbaubetrieb entlang der Gleise150. Das Tsungli Yamen jedoch weigerte sich hartnäckig, über die deutschen Sühneforderungen überhaupt zu verhandeln, bevor nicht das von Diederichs besetzte Gebiet wieder geräumt worden sei151. Hohenlohe lehnte »dieses unverschämte Ansinnen«152 umgehend ab. Ihm kam die chinesische Hinhaltetaktik entgegen, denn so war die Reichsleitung der Notwendigkeit enthoben, »unsere Karten früher aufzudecken, als es uns passt«153. Kaiser Wilhelm II., der hauptverantwortlich für den deutsch-russischen Konflikt in Ostasien war, nutzte den gewonnenen diplomatischen Spielraum, um die Wogen etwas zu glätten. Pathetisch erklärte er am 22. November vor dem versammelten Offizierkorps eines russischen Kriegsschiffes in Kiel, »daß der Russische Kaiser sicher sein könne, wie 1895 so allezeit meine Schiffe an der Seite der seinen zu sehen, wenn es gelte, Gefahr und Not von denselben, woher sie auch kommen möge, abzuwenden«154. Daran anknüpfend, gelang es Bülow einige Tage später, durch einen geschickten diplomatischen Winkelzug das Eis zwischen Russland und dem Deutschen Reich zu brechen. Am 30. November, fünf Tage nach seiner Rückkehr aus Rom, traf er den russischen Botschafter in Berlin, Nikolai Graf Osten-Sacken, und erklärte ihm,

»daß Deutschlands Festsetzung in Kiautschou grade im russischen Interesse läge, denn dadurch, daß wir uns nicht in, sondern neben die russische Interessensphäre begeben hätten, würde es uns ja erleichtert, Rußland gegen Japan und andere Gegner, woher sie auch kommen möchten, zur Seite zur stehen. Wir hätten uns an sich auch ebenso gut an einem anderen Punkte der chinesischen Küste festsetzen können, wären dann aber ebenso naturgemäß genötigt gewesen, unsere Anlehnung an England zu suchen. Bis auf weiteres wollten wir aber das Schwergewicht unserer Macht und unseres Einflusses lieber Russland als einer anderen Macht zugute kommen lassen. In diesem Sinne habe sich auch Seine Majestät der Kaiser, mein allergnädigster Herr, noch kürzlich in Kiel gegenüber dem Kapitän des [russischen Kriegsschiffes] ›Wladimir Monomach‹ ausgesprochen155.«

150

151 152 153 154 155

Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 16 ff.; Knorr an Bülow, 18.11.1897, PAAA, R 18169, Bl. 189 f.; Heyking an Hohenlohe, 21.11.1897, PAAA, R 18170, Bl. 92 ff.; Heyking an AA, 10.11.1897, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 412; Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou, S. 46-49. Heyking an AA, 21.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 65 f. Hohenlohe an Wilhelm II. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3713, S. 100. Ebd. Wilhelm II. an Hohenlohe, 22.11.1897. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3715, S. 101. Aufzeichnung Bülows, 30.11.1897. In: Ebd., Bd 14, Nr. 3717, S. 104 (Hervorhebungen im Original).

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Faktisch hatte die Reichsleitung damit der russischen Regierung einen Blankoscheck für ihre Ostasienpolitik erteilt. Dieses Angebot verfehlte seine Wirkung nicht. Hatte die russische Regierung bis dahin noch die Okkupation eines nordchinesischen Hafens als Kompensation für die deutsche Besetzung Kiautschous aus Sorge vor einem Russisch-Japanischen Krieg abgelehnt, so schienen ihr diese Bedenken nun weitestgehend ausgeräumt. Am 6. Dezember gab Muravjov das ohnehin unhaltbare »Recht des ersten Ankerns« auf. Damit stand der dauerhaften Besitzergreifung Kiautschous durch das Deutsche Reich prinzipiell nichts mehr im Wege156. Nach der Übereinkunft mit Russland gab es aus Sicht der Reichsleitung nur noch einen Gegenspieler, der ihr in der Kiautschou-Frage gefährlich werden konnte: Japan. Vorsorglich wies deshalb Admiral Knorr auf Befehl des Kaisers am 12. Dezember die Operationsabteilung im Oberkommando der Marine an, einen Operationsplan für einen potenziellen Krieg gegen Japan auszuarbeiten157. Zwei Tage später besetzte das russische Pazifikgeschwader überraschend Port Arthur auf der Liaotung-Halbinsel – ausgerechnet jenen Hafen, den die Japaner infolge der Tripleintervention 1895 wieder hatten räumen müssen. Für Japan war das ein ungeheuerlicher Affront, aber da es einen Krieg gegen die Ostasiatischen Dreibundmächte nicht wagen konnte, blieb der japanischen Regierung keine andere Wahl, als, abgesehen von ein bisschen diplomatischem Säbelrasseln, die deutschrussischen Landnahmen an der nordchinesischen Küste zähneknirschend hinzunehmen. Als sich schließlich im März 1898 sowohl Russland als auch das Deutsche Reich ihre neuen ostasiatischen Besitzungen durch Pachtverträge gesichert und ihre Einflusssphären in China voneinander abgegrenzt hatten, schrieb Wilhelm II. triumphierend an den Zaren: »Wir beide werden ein gutes Paar Schildwachen am Eingange des Golfs von Petschili abgeben, die gebührend, insbesondere von den Gelben, respektiert werden158!« Zwar sollte er sich mit dieser Prognose gewaltig täuschen, wie sieben Jahre später die vernichtende Niederlage des Zarenreiches im Russisch-Japanischen Krieg offenbarte, aber unmittelbar nach der Besetzung von Liaotung, infolgedessen sich der Schwerpunkt der russischen Politik 156 157

158

Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 42-53; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 734-745; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 337-358. Promemoria des OKM zum Immediatvortrag betreffend Entwicklung Kiautschous zum Flottenstützpunkte in Ostasien, 11.2.1898, BArch, RM 5/916, Bl. 31-35; Promemoria des OKM zum Immediatvortrag betreffend Vorbereitungen zum Kriege gegen Japan, 18.12.1897, BArch, RM 5/5914, Bl. 3-6; Knorr an Jaeschke, 12.12.1897, ebd., Bl. 9; Ordre de Bataille der deutschen Seestreitkräfte gegen Japan, 15.12.1897, ebd., Bl. 11 f. Siehe dazu ausführlich: Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 371-384. Weil es bis dahin keine systematischen Planungen im Hinblick auf eine teilweise Mobilmachung zu außereuropäischen Expeditionen der Marine gegeben hatte, verfügte Knorr im April 1898, dass die Mobilmachungsbestimmungen für einen potenziellen Krieg gegen Japan als Musterbeispiel für außereuropäische Feldzüge dienen sollten und deshalb halbjährlich zu aktualisieren seien, »damit auch auf diesem Gebiete – für außereuropäische Expeditionen – die Bereitschaft und Schlagfertigkeit der Marine dauernd gesichert wird«. Zitat aus: Denkschrift des OKM zum Immediatvortrag betreffend Mobilmachungsbestimmungen für den Fall eines Krieges mit Japan, 21.4.1898, BArch, RM 5/916, Bl. 137 f., hier Bl. 137. Wilhelm II. an Nikolaus II., 28.3.1898, zit. in: Wilhelm II., Briefe, S. 48.

40

Wei-hsien

20

A

N

T

Ling-shan-wei

Kiautschou

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TSINGTAU

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NEUTRALE ZONE

Ma-lao-ki

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100 km

S

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80

Chang-kia-lou

60

Weihaiwei (brit.)

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0

5

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15 km

06687-07

© MGFA

Gelbes Meer

Fu-tao

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Litsun

T‘ai-tung-chen TSINGTAU

Pei-chuang

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KOREA

Mecklenburg-Haus Tsung-kou

Lin-ting

Cheng-yang

Tsingtau

Ssu-fang

PEKING

KAISERREICH CHINA

Kiautschou Bucht

Ta-pu-tou

NEUTRALE ZONE

Gelbes Meer

Chefoo

Wang-tsun

Yi-tschau Quellen: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd 10; Deutsches Kolonial-Lexikon.

0

Das deutsche Schutzgebiet Kiautschou 1897 – 1914

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901) 289

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»erheblich nach Osten« verschob, befürchteten die anderen Großmächte unisono, dass Russland zukünftig »politisch der mächtigste Staat in Ostasien sein« werde, »wenn erst in einigen Jahren der gewaltigste Schienenweg der Erde, die Bahn Petersburg-Wladiwostok, den Einfluß seines Betriebes offenbaren wird«159. Durch diese Entwicklung aufgerüttelt, zogen auch Frankreich und Großbritannien nach und sicherten sich ihrerseits weitere Gebiete und Einflusssphären in China. Damit waren die tatsächlichen Ziele der Tripelintervention von Shimonoseki entlarvt; die Aufteilung Chinas unter den europäischen Großmächten schritt immer weiter voran160. Ende April 1898 fasste Max von Brandt die aktuelle Lage im »Scramble for China« prägnant zusammen: »Wenn also eine Aufteilung [Chinas] stattgefunden hat, so ist es geschehen in der Weise, daß jede Macht versucht, die anderen, ihr unbequemen Mächte von den Teilen Chinas fernzuhalten, aus denen sie hofft, in Zukunft in der einen oder anderen Form Vorteil ziehen zu können161.« b) Die »gepanzerte Faust« des Deutschen Reiches: Formierung des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders

Unmittelbar nach der Besetzung Kiautschous ergriff Diederichs diverse Maßnahmen, »um den Bewohnern die deutsche Macht vor Augen zu führen und unseren späteren Ansprüchen eine feste Grundlage zu schaffen«162. Zunächst ließ er 450 Mann seines Landungskorps durch das ganze Schutzgebiet marschieren und die Proklamation der deutschen Schutzherrschaft auch auf den vorgelagerten Inseln der Bucht, dem Tsingtau gegenüberliegenden Ufer und in der Distrikthauptstadt Kiautschou anschlagen. Parallel dazu leitete er mit dem Ausbau der Befestigungen und der Einrichtung von Winterquartieren für die Besatzungstruppen den Aufbau Tsingtaus als erster deutscher Marinebasis außerhalb Europas ein. Außerdem erarbeitete er Vorschläge für die Verwaltung des Schutzgebietes und legte durch erste bodenpolitische Verordnungen die Grundlagen für dessen spätere Landordnung163. Wenige Tage nach der Besetzung traf neben der »Arcona« auch der von Diederichs in Shanghai gecharterte Dampfer »Longmoon« mit einer ersten Lieferung diverser Baumaterialien und Ausrüstungsgegenstände in der KiautschouBucht ein. Der Dampfer lieferte in den darauffolgenden Monaten nicht nur regel159 160

161 162 163

Zitate aus: Werner, Der Entscheidungskampf der europäischen Völker gegen China, S. 22. Geyer, Der russische Imperialismus, S. 147-154; Lensen, Balance of Intrigue, vol. 2, S. 750-834; Leroy-Beaulieu, Die chinesische Frage, S. 138-147; Malozemoff, Russian Far Eastern Policy 1881-1904, S. 99-112; Nish, The Anglo-Japanese Alliance, S. 49-53; Semjonow, Sibirien, S. 379-388; Otte, The China Question, S. 94-132; Wippich, Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898, S. 359-400; Witte, Erinnerungen, S. 80-91; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 43-99; Zepelin, Port Arthur und Talienwan, S. 159-182. Der russisch-chinesische Pachtvertrag ist abgedruckt in: Treaties and Agreements with and concerning China, S. 119-122. Brandt, Die politische und commercielle Entwicklung Ostasiens, S. 18. Knorr an Tirpitz, 26.1.1898, BArch, RM 3/6697, Bl. 32 f., hier Bl. 32. Zur Entwicklung der Verwaltung und der Bodenpolitik in Kiautschou allgemein siehe: Matzat, Die Tsingtauer Landordnung des Chinesenkommissars Schrameier; Schrameier, Aus Kiautschous Verwaltung; Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 59-84; Warner, Der Aufbau der Kolonialstadt Tsingtau.

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mäßig Nachschub aller Art nach Tsingtau, sondern wickelte auch den Postverkehr der Kreuzerdivision über Shanghai ab, bis dieser Mitte April 1898 von einem Postdampfer der Reederei Jebsen übernommen wurde. Die »Loyal«, ein weiterer Frachter, den Diederichs noch in Shanghai gechartert hatte, fungierte als Kohlendampfer164. Nach der Besetzung Kiautschous heuerten Diederichs und das deutsche Konsulat in Shanghai noch einige weitere Dampfer an, um den Nachschub für die Kreuzerdivision sicherzustellen. In Chefoo gelang das nicht. »Keine der hiesigen Dampfer-Agenturen«, meldete der örtliche Konsul Philipp Lenz dem Geschwaderchef, »wollte ohne speziellen Erlaubnisschein des Zollamts, [den nicht geöffneten Hafen – H.H.] Kiauchou anlaufen und dort Ladung absetzen lassen, weil dies nach den Verträgen mit Konfiskation des Schiffes bestraft werden kann«165. Am 3. Dezember traf schließlich auch die »Irene« auf der Reede von Tsingtau ein, so dass nun die gesamte Kreuzerdivision dort versammelt war. Zum ersten Militärgouverneur des jungen Schutzgebietes ernannte Diederichs Kapitän zur See Zeye, für den er beim Kommandierenden Admiral umgehend die Gerichtsbarkeit über das ausgeschiffte Personal beantragte und auch bewilligt bekam166. Diederichs war sich seiner prekären militärischen Lage sehr bewusst. Im Falle eines umfassenden chinesischen Gegenschlages zur Rückeroberung Kiautschous, geschweige denn eines Krieges mit Russland oder einer anderen Großmacht, die über nennenswerte Streitkräfte in Ostasien verfügte, war der gerade erst eroberte Stützpunkt kaum zu verteidigen. Dafür hatte er zu wenige Soldaten und zu wenige Kriegsschiffe. Außerdem fehlten ihm gesicherte Nachschubwege und der unmittel164

165 166

Die Kreuzerdivision hatte einen sehr hohen Bedarf an Kohlen. Allein in der Zeit von Anfang Dezember bis Anfang März, als die Schiffe überwiegend in der Kiautschou-Bucht vor Anker lagen, mussten insgesamt 5100 tons Kohlen beschafft werden, um den Dienstbetrieb aufrechterhalten zu können. Diese wurden von verschiedenen Frachtern aus Shanghai, Nagasaki, Hongkong und – aufgrund von temporären Lieferengpässen im ostasiatischen Raum – sogar aus Singapur nach Kiautschou geliefert. Vgl. Promemoria des OKM zum Immediatvortrag betreffend Kohlenversorgung des Kreuzergeschwaders, 11.2.1898, BArch, RM 5/916, Bl. 29 ff.; Diederichs an Knorr, 8.5.1898, BArch, RM 5/5932, Bl. 401-408. Die »Longmoon« gehörte der Chinesischen Küstenfahrtgesellschaft, die »Loyal« dem Chinahandelshaus Carlowitz & Co. – beides deutsche Firmen. Vgl. Stuebel an Diederichs, 10.11.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 35 f. Lenz an Diederichs, 29.11.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 84-87, hier Bl. 84. Wilhelm II. an Hohenlohe, 29.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 171; Diederichs an Knorr, 9.12., 22.11., 30.12.1897, 12.1., 3.2.1898, BArch, RM 3/6697, Bl. 26-31, 34 ff., 61-74, 106-112, 145-154; Zeye an Diederichs, 25.12.1897, ebd., Bl. 119-134; Diederichs, Besetzung, S. 31 ff., BArch, RM 3/11938; Diederichs an Knorr, 27.12.1897, BArch, RM 5/5932, Bl. 11-17 (Leutner irrt mit der Annahme, dass sich dieser Bericht über die Verwaltung Kiautschous nicht in den Akten befindet. Vgl. »Musterkolonie Kiautschou«, S. 194, Anm. 10); Tirpitz an Knorr (mit Anlage), 23.2.1898, ebd., Bl. 164-168; Diederichs an Knorr (mit Anlagen), 15.2.1898, ebd., Bl. 281-314; Diederichs an Knorr, o.D. [vermutlich 15.11.1897], BArch, RM 5/5930, Bl. 160; Diederichs an Knorr (mit Anlagen), 30.11.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 263-279; Diederichs an Knorr (mit Anlagen), 10.1.1898, BArch, RM 5/5932, Bl. 141-155; Lenz an Diederichs (mit Anlagen), 29.11.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 84-99; Lenz an Diederichs, 1.12.1897, ebd., Bl. 101-109; Kriegstagebuch S.M.S. Kaiser, BArch, RM 38/31, Bl. 7-13 (Aufzeichnungen vom 14.11. bis 5.12.1897); Kriegstagebuch S.M.S. Irene, BArch, RM 38/32, Bl. 2-28 (Aufzeichnungen vom 3.12. bis 23.12.1897); Kriegstagebuch S.M.S. Prinzeß Wilhelm, BArch, RM 38/33, Bl. 6-40 (Aufzeichnungen vom 15.11.1897 bis 18.2.1898); Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 164-167; Huguenin, Geschichte des III. See-Bataillons, S. 9 ff.; »Musterkolonie Kiautschou«, S. 172-176.

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bare Zugang zu Werftanlagen. Deshalb hatte Diederichs bereits von Shanghai aus beim Oberkommando der Marine angefragt: »Wann ist Nachschub zu erwarten und wie stark167?« Weil er keinerlei Antwort darauf bekam, erneuerte er diese Anfrage kurz nach der Okkupation168. Knorr teilte ihm am 18. November mit, dass die Kreuzerdivision durch den Kreuzer II. Klasse »Kaiserin Augusta« verstärkt und weiterer Nachschub folgen werde169. Zwei Tage später, als in der Presse bereits über den tatsächlichen Umfang der Verstärkung spekuliert wurde, ergänzte er, dass auch der Kreuzer »Deutschland« und Prinz Heinrich als zweiter Admiral nach Kiautschou geschickt würden170. Eigentlich war die vorgesehene Unterstützung für Diederichs noch umfangreicher, aber aus Geheimhaltungsgründen konnte Knorr den Divisionschef nicht sofort umfassend darüber informieren. Am 15. November hatte ein eilig einberufener Kronrat auf der Basis von Knorrs Okkupationsplan aus dem Vorjahr171 die Entsendung einer Kolonialtruppe und drei weiterer Kriegsschiffe zur Sicherung des neuen Stützpunktes beschlossen. Nur wenige Stunden später hatte Knorr die »Kaiserin Augusta« quasi als Vorauskommando von Kreta172 nach Kiautschou befohlen, wo diese am 30. Dezember eintraf. Als weitere Verstärkung waren der Kreuzer I. Klasse »Deutschland« und der Kreuzer III. Klasse »Gefion« vorgesehen. Die beiden Schiffe konnten allerdings erst Mitte Dezember nach Ostasien abgehen, weil sie zunächst noch für den Einsatz ausgerüstet werden mussten. Unmittelbar nach der Erteilung des Okkupationsbefehls an Diederichs war vom Oberkommando der Marine die Bildung einer Kolonialtruppe initiiert worden, forciert wurde sie allerdings erst infolge des Kronratsbeschlusses vom 15. November. Anfangs waren mit dieser Aufgabe neben den Marinebehörden vor allem die Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt und das Oberkommando der Schutztruppen173 167 168 169 170

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Diederichs an Knorr, 10.11.1897, zit. nach: Koester an Tirpitz, 10.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 8. Diederichs an Knorr, o.D. [15.11.1897], BArch, RM 5/5930, Bl. 161. Knorr an Diederichs, 18.11.1897, ebd., Bl. 169. Knorr an Diederichs, 20.11.1897, ebd., Bl. 172; Eine zweite Kreuzerdivision für Ostasien? In: Der Hamburgische Correspondent, 24.11.1897 (enthalten in: PAAA, R 1871, Bl. 23 f.). Knorrs Depesche vom 20. November erreichte den Divisionschef nur in Bruchstücken, weil der Telegrafieverkehr von und nach Tsingtau durch die Chinesen gestört wurde, so dass Knorr einige Teile der Nachricht am 24. November noch einmal übermitteln musste. Vgl. Diederichs an Knorr, 22.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 175; Knorr an Diederichs, 24.11.1897, ebd., Bl. 180. Siehe: Plan von Admiral Knorr zur Besetzung der Kiautschou-Bucht, 15.12.1896, BArch, RM 3/6693, Bl. 31-44. Die »Kaiserin Augusta« befand sich seit dem Frühjahr 1897 in Kreta, um dort die deutschen Interessen während des griechischen Aufstandes gegen die Türkenherrschaft zu wahren. Nach ihrem Abgang nach Ostasien wurde sie durch das »für solche Zwecke eigentlich ganz ungeeignete« Panzerschiff III. Klasse »Oldenburg« ersetzt. Zitat aus: Koch, Geschichte der Marine, S. 135. Zur Kretafrage siehe: Dülffer, Die Kreta-Krise und der griechisch-türkische Krieg 1890-1898, S. 24-59; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 127-145; Verosta, Kollektivinterventionen der Mächte des Europäischen Konzerts (1886-1914), S. 34-184; Zachau, Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenlohe, S. 308-319. Das Oberkommando der Schutztruppen war erst wenige Monate zuvor, im Juli 1896, geschaffen und der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt unterstellt worden. Bis dahin hatte das Reichsmarineamt die kolonialen Schutztruppen verwaltet. Vgl. Ganz, The Role of the Imperial German

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befasst. Dies änderte sich, als Hohenlohe Ende November aus »gewichtige[n] Gründe[n] der politischen Taktik nach innen und außen«174 dafür plädierte, anstelle einer regulären Schutztruppe zunächst Marineinfanterie in Kiautschou zu stationieren. Durch ein solches Vorgehen, erläuterte er Wilhelm II., könne die Absicht der dauerhaften Besetzung Kiautschous gegenüber der Öffentlichkeit verschleiert werden, »bis wir uns mit Rußland verständigt haben«175. Zudem »bieten wir dritten Mächten weniger Angriffsflächen und wir erleichtern besonders der russischen Regierung den Rückzug von ihrem augenblicklichen Standpunkt«176. Hohenlohes Argumentation überzeugte den Kaiser, der Anfang Dezember verfügte, dass Kiautschou durch Einheiten der Marineinfanterie zu sichern sei. Innerhalb weniger Tage wurde nun unter der organisatorischen Leitung des Reichsmarineamts aus Angehörigen der beiden Seebataillone und Freiwilligen der Armee ein »Auslandsseesoldatendetachement«177 gebildet, das gemeinsam mit einer Kompanie Matrosenartillerie, insgesamt 1460 Mann, Mitte Dezember mit zwei Dampfern des Norddeutschen Lloyd von Wilhelmshaven nach China verschifft wurde178. Zum Befehlshaber dieser Truppen und zum neuen Gouverneur von Kiautschou ernannte der Kaiser Kapitän zur See Carl Rosendahl179. Mit der Leitung des Trup-

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Navy in Colonial Affairs, S. 55-58. Zum Oberkommando der Schutztruppen allgemein siehe: Zeller/Zimmerer, Das Oberkommando der Schutztruppen. Zitate aus: Hohenlohe an Wilhelm II., 27.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 166 ff., hier Bl. 167. Ebd., Bl. 168. Ebd. Diese Initiative von Hohenlohe flankierte die Bemühungen des Kaisers und Bülows, den deutsch-russischen Konflikt zu entschärfen. Siehe Kap. IV.1.a. Inspektion der Marineinfanterie an Knorr, 5.12.1897, BArch, RM 4/107, Bl. 169. Diese, im behördlichen Schriftverkehr auch häufig als »Auslandsbataillon« bezeichnete MarineinfanterieTruppe wurde am 13.6.1898 offiziell in III. Seebataillon umbenannt. Seine Mannschaftsstärke wuchs bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges auf 2500, im Zuge der Mobilmachung im August 1914 sogar auf fast 4700 Soldaten an. Vgl. Marineverordnungsblatt, 29 (1898), 15, Verordnung Nr. 141; Haupt, Die deutsche Schutztruppe 1889/1918, S. 144-147; Huguenin, Geschichte des III. See-Bataillons, S. 51, 128-139. Das III. Seebataillon war kein neben der Armee und Marine selbstständig organisierter Teil der kaiserlichen Streitkräfte wie die Schutztruppen in den deutschen Kolonien in Afrika, sondern ein Teil der aktiven Marine. Vgl. Haupt, Die deutsche Schutztruppe 1889/1918, S. 143; Köbner, Einführung in die Kolonialpolitik, S. 124 ff. Im Gegensatz zu den Armee- und Polizeieinheiten in den anderen Schutzgebieten verfügte das III. Seebataillon auch über eine eigene Truppenfahne, ebenso wie die beiden Seebataillone in der Heimat. Vgl. Karaschewski, Flaggen in den deutschen Schutzgebieten, S. 64 ff. Gemeinsam mit den Truppen wurde ein Großteil ihrer Ausrüstung verschifft, darunter 1400 Infanterie-Gewehre und 1 500 000 (sic!) scharfe Patronen, außerdem 16 Feldgeschütze vom Kaliber 8 cm mit dazugehöriger Munition, darunter 16 320 schwere Feldkartätschen und 13 600 Feldschrapnells. Vgl. Verzeichnis der Ausrüstungsgegenstände und Materialien für die nach China zu entsendenden Truppen, o.D. [Mitte Dezember 1897], BArch, RM 4/106, Bl. 162; siehe auch: RMA an Knorr (mit Anlage), 12.12.1897, BArch, RM 4/107, Bl. 110-147. Koester an Wilhelm II., 10.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 144; Knorr an Wilhelm II., 17.11.1897, ebd., Bl. 151 f.; Wilhelm II. an Tirpitz (Kabinettsordre), 3.12.1897, ebd., Bl. 177; Knorr an Wilhelm II., 26.1.1898, ebd., Bl. 269; Koester an Tirpitz, 8.11.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 6; Knorr an Tirpitz, 18.11.1897, ebd., Bl. 19; Knorr an Bülow, 18.11.1897, ebd., Bl. 20 f.; Knorr an Tirpitz, 4.12.1897, BArch, RM 3/6696, Bl. 32; Denkschrift des RMA betreffend Entsendung von Truppen nach der Kiautschou-Bucht, 27.11.1897, ebd., Bl. 75-78; Knorr an die Inspektion der Marineartillerie, 29.11.1897, BArch, RM 4/106, Bl. 4 f.; Knorr an Diederichs, 11.12.1897, ebd., Bl. 128 f.; Inspektion der Marineartillerie an Knorr (mit Anlagen), 27.12.1897, BArch, RM 4/107, Bl. 157 ff.; Wilhelm II. an Knorr, 1.3.1898, BArch, RM 4/108, Bl. 27 f.; Wilhelm II. an Knorr,

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pentransportes wurde Korvettenkapitän Oskar Truppel beauftragt, der nach der Ankunft in Tsingtau das Kommando über die »Prinzeß Wilhelm« übernahm und bis zu Rosendahls Amtsantritt am 15. April 1898 als Gouverneur und Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte des Schutzgebietes fungierte180. Im Zuge der Verstärkung der Kreuzerdivision verfügte der Kaiser auf Initiative von Knorr einige organisatorische Veränderungen, um die Handlungsfähigkeit des vergrößerten Verbandes sicherzustellen. Aus den insgesamt sieben Kriegsschiffen wurde ein Kreuzergeschwader gebildet, untergliedert in zwei Divisionen181. Per Kabinettsordre vom 23. November beförderte der Kaiser Diederichs zum überzähligen Vize-Admiral und ernannte ihn gleichzeitig zum Chef des Kreuzergeschwaders. Als Befehlshaber der II. Division, die aus den drei zusätzlich nach Ostasien entsandten Kreuzern mit der »Deutschland« als Flaggschiff formiert wurde, ernannte Wilhelm II. seinen Bruder, Konteradmiral Heinrich Prinz von Preußen, der »nichts weniger als vergnügt«182 darüber war. Da dieser neue Verband bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Ostasien stationiert blieb, zunächst mit Hongkong, dann mit Tsingtau als Basis, wird er bis heute gemeinhin als Ostasiatisches Kreuzergeschwader bezeichnet. Unabhängig davon blieb die Ostasiatische Station

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7.3.1898, ebd., Bl. 31; Wilhelm II. an Knorr (Kabinettsordre), 3.1.1898, BArch, RM 4/165, Bl. 7; Koester an Bülow, 9.11.1897, BArch, RM 5/5930, Bl. 133 f.; Senden-Bibran an Knorr, 18.11.1897, ebd., Bl. 168; Knorr an Diederichs, 18.11.1897, ebd., Bl. 169; Diederichs an Knorr, o.D. [vermutlich Ende November 1897], BArch, RM 5/5931, Bl. 5; Knorr an die Inspektionen der Marineinfanterie in Kiel und Wilhelmshaven, 29.11.1897, BArch, RM 31/513, Bl. 2, 9 ff.; Knorr an Truppel (mit Anlagen), 13.12.1897, ebd., Bl. 97-113; Kriegstagebuch S.M.S. Kaiserin Augusta, BArch, RM 38/34, Bl. 2 (Aufzeichnungen vom 30.12.1897); Wilhelm II. an AA, 26.11.1897, PAAA, R 18171, Bl. 13 ff.; Rotenhan an Bülow, 1.12.1897, PAAA, R 18172, Bl. 177; Unsignierte Aufzeichnung vom 15.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3701; Huguenin, Geschichte des III. See-Bataillons, S. 13-21; Prittwitz und Gaffron, Geschichte des I. Seebataillons, S. 75-83. Gottschalls Darstellung, Diederichs habe explizit die »Kaiserin Augusta« und ein Marineinfanterie-Batallion zur Sicherung Kiautschous angefordert, ist falsch. Auch wurde der Kreuzer »Cormoran« nicht Bestandteil der II. Division des Kreuzergeschwaders, sondern verblieb weiterhin als Stationär der Ostasiatischen Station. Vgl. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 165; Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine, 1898, S. 22 f. Kriegstagebuch des Korvettenkapitäns Truppel, BArch, N 224/6, Bl. 2-10 (Aufzeichnungen vom 11.2. bis 16.4.1898); Marinekabinett an Knorr, 6.12.1897, BArch, RM 4/106, Bl. 85; SendenBibran an Knorr, 4.2.1898, BArch, RM 5/5932, Bl. 44. Truppel war von Juni 1901 bis August 1911 erneut Gouverneur von Kiautschou. Obwohl er eine zentrale Rolle in der Geschichte der Marinekolonie spielte und umfangreiches Material über ihn und sein Wirken vor allem in seinem Nachlass (BArch, N 224) und in den Akten der obersten Marinebehörden überliefert ist, wurde seine Biografie bislang nicht wissenschaftlich aufgearbeitet. Erste Ansätze dazu finden sich lediglich bei: Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou, S. 81-87. Die Schiffe der bisherigen Kreuzerdivision, die Kreuzer »Arcona«, »Irene«, »Kaiser« und »Prinzeß Wilhelm«, bildeten fortan die I. Division, die neu nach Ostasien entsandten Kreuzer »Deutschland«, »Gefion« und »Kaiserin Augusta« die II. Division des Kreuzergeschwaders. Diederich ging davon aus, »daß die erste Division den politischen und militärischen Dienst, die 2te Division die Repräsentationspflichten dadurch übernimmt, daß der Prinz sich die Huldigungen an den größeren Plätzen gefallen läßt[,] so lange die klimatischen Verhältnisse dies günstig erscheinen lassen«. Allerdings war eine solche Arbeitsteilung später in der Praxis nicht durchzuhalten, da immer wieder Schiffe der I. Division aufgrund von Instandsetzungsarbeiten ausfielen und im politischen Dienst entsprechend durch Schiffe der II. Division ersetzt werden mussten. Zitat aus: Diederichs an seine Frau Henni, 8.5.1898, BArch, N 255/4 (ohne Paginierung). Holstein, Lebensbekenntnisse, S. 186 (Brief vom 24.11.1897).

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bis 1914 weiterhin mit eigenen Kriegsschiffen, überwiegend Kanonenbooten besetzt. Formal waren die Stationäre »in einer eher zufälligen Verteilung«183 den Marinestationen der Nord- und Ostsee unterstellt und nur zum Kreuzergeschwader kommandiert, solange sich dieses in den ostasiatischen Gewässern aufhielt. In der Praxis jedoch war das offizielle Unterstellungsverhältnis nur in administrativen Fragen von Bedeutung, vor allem bei der Bereitstellung von Ersatzschiffen und beim Austausch der Schiffsbesatzungen. Im alltäglichen Dienst und in operativen Angelegenheiten spielte es kaum eine Rolle184. Anlässlich der Verabschiedung des Prinzen Heinrich und der beiden Kreuzer »Deutschland« und »Gefion« nach China hielt der Kaiser am 15. Dezember im Kieler Schloss eine seiner berüchtigten, großspurigen Reden, die noch lange nachhallen sollte. In dieser prägte er das bald geflügelte Wort: »Reichsgewalt bedeutet Seegewalt«. Seinem Bruder gab er mit auf den Weg:

»Als ein Zeichen der Reichs- und Seegewalt wird nun das durch deine Division verstärkte Geschwader aufzutreten haben [...] Möge einem jeden Europäer draußen, dem deutschen Kaufmann draußen, und vor allen Dingen dem Fremden draußen, auf dessen Boden wir sind, oder mit dem wir zu tun haben werden, klar sein, daß der deutsche Michel seinen mit dem Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden gestellt hat, um dem, der ihn um Schutz angeht, ein für allemal diesen Schutz zu gewähren. [...] Sollte es aber je irgend einer unternehmen, uns an unserem guten Recht zu kränken oder schädigen zu wollen, dann fahre darein mit gepanzerter Faust! Und, so Gott will, flicht dir den Lorbeer um deine junge Stirn, den niemand im ganzen Reich dir neiden wird185.«

Voller Einsatzeifer antwortete Heinrich: »Das eine versichere ich Eurer Majestät: mich lockt nicht Ruhm, mich lockt nicht Lorbeer, mich zieht nur eines: das Evangelium Eurer Majestät geheiligter Person im Auslande zu künden, zu predigen jedem, der es hören will, und auch denen, die es nicht hören wollen186.« An Peinlichkeit waren diese Reden, »die in der gesamten Kulturwelt«, vor allem in Großbritannien187, »ungemeines Aufsehen [und Anstoß – H.H.] erregten«188, kaum noch zu überbieten. »Alles ist nun wieder außer sich über die Kieler Reden«, notierte die Gräfin Hildegard von Spitzemberg in ihrem Tagebuch, »besonders die völlig unsinnige des Prinzen Heinrich189.« Wie ernst dieser seine Worte nahm, verrät sein 183 184

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Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 156. Ebd., S. 155 f.; Knorr an Wilhelm II., 19.11.1897, BArch, RM 2/1835, Bl. 154 f.; Senden-Bibran an Knorr, 20.11.1897, ebd., Bl. 156; Wilhelm II. an Tirpitz (Kabinettsordre), 23.11.1897, ebd., Bl. 161; Knorr an Prinz Heinrich (Segelordre), 29.11.1897, BArch, RM 3/3081, Bl. 28 f.; Wilhelm II. an Knorr (Kabinettsordre), 23.11.1897, BArch, RM 4/164, Bl. 112. Wilhelm II., Reden, Bd 2, S. 79 f. (Rede vom 15.12.1897). Ebd., S. 80 f. Prinz Heinrich hatte am 11. Dezember in Kiel das Kommando der II. Division des Kreuzergeschwaders übernommen und sich auf deren Flaggschiff eingeschifft. Fünf Tage später trat er mit der »Deutschland« und der »Gefion« die Reise nach Ostasien an. Vgl. OKM an Tirpitz, 16.12.1897, BArch, RM 3/3081, Bl. 34; Prinz Heinrich an Knorr, 11.12.1897, ebd., Bl. 36. Siehe dazu u.a.: Raeder, Mein Leben, Bd 1, S. 32 ff. Der spätere Großadmiral Erich Raeder diente von November 1897 bis Dezember 1899 zunächst als Signaloffizier, dann als Adjutant des Chefs der II. Division des Kreuzergeschwaders an Bord der »Deutschland«. Vgl. Bird, Raeder, S. 6 f. Zitate aus: Bebel, 8.2.1898. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 160, S. 900. Spitzemberg, Tagebuch, S. 362 (Aufzeichnung vom 19.12.1898).

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privates Tagebuch aus der Dienstzeit in Ostasien. Zwar reflektierte Heinrich darin kaum politische oder militärische Angelegenheiten190, aber bezeichnend ist, dass er seinen persönlichen Aufzeichnungen die Karikatur »Völker Chinas, wahret eure heiligsten Güter!« aus der Satirezeitschrift Kladderadatsch voranstellte191. Dabei handelte es sich um eine Persiflage auf die fast gleichnamige Zeichnung Wilhelms II. aus dem Jahr 1895192, die nicht asiatische Horden als Bedrohung für die europäische Kultur, sondern den Deutschen Kaiser und sein Kreuzergeschwader – die »gepanzerte Faust« – als Bedrohung für China und die Stellung der anderen Großmächte in Ostasien darstellte. Tatsächlich jedoch, anders als es die martialische Rhetorik vermuten ließ, war die Reichsleitung bestrebt, den »dauernde[n] Besitz der Kiautschou-Bucht auf dem Wege freundschaftlicher Vereinbarung mit China und unter Vermeidung feindseliger Zwischenfälle«193 zu erreichen. Nichts fürchtete sie mehr als einen Krieg mit dem Reich der Mitte – auch wenn der Kaiser selbst einen solchen für »höchst unwahrscheinlich«194 hielt –, weil infolgedessen der deutsche Chinahandel stark geschädigt worden und vermutlich auch eine Intervention der anderen Großmächte zugunsten Chinas nicht zu verhindern gewesen wäre195. »Hiernach bedeutet unser Nachschub [gemeint sind die Marineinfanterie-Einheiten und die II. Division des Kreuzergeschwaders – H.H.] China gegenüber hauptsächlich unseren festen Entschluß, die Bucht zu besetzen«, schärfte Knorr dem Chef des Kreuzergeschwaders ein, »und ist bei der nöthigen militärischen Sicherung Ihrer Stellungen im Uebrigen dort möglichst versöhnlich zu verfahren196.« Nach der Besetzung kam es zwar vereinzelt zu Scharmützeln zwischen dem Landungskorps und chinesischen Truppen im Kiautschou-Gebiet, aber zu keinen größeren Kampfhandlungen. An diesen Scharmützeln war auch General Chang beteiligt, der entgegen seiner Zusicherung versuchte, das Kiautschou-Gebiet mit seinen ehemaligen Truppen zurückzuerobern. Diederichs ließ ihn deshalb verhaften und auf der »Prinzeß Wilhelm« internieren, musste ihn jedoch wenig später auf Befehl des Oberkommandos der Marine wieder freilassen. Zuvor hatte die chinesische Regierung beim deutschen Gesandten in Peking nachdrücklich auf Changs 190

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Ausführlich Stellung zu politischen und militärischen Angelegenheiten nahm Prinz Heinrich während seines Einsatzes in Ostasien nur in seiner privatdienstlichen Korrespondenz mit dem Kaiser. Anders als bei seiner Verabschiedung in Kiel, schlug er darin einen wesentlich moderateren Ton an und bekundete sogar seinen Respekt gegenüber der Jahrtausende alten chinesischen Kultur. Vgl. Eschenburg, Prinz Heinrich von Preußen, S. 62-66. Heinrichs Briefe aus Ostasien an Wilhelm II. sind dokumentiert in: BArch, RM 2/121. Sammlung Peter Tamm: Kaiserliche Marine 9, Nachlaß Prinz Heinrich, Tagebücher 1877-1929; siehe auch: Völker Chinas, wahret eure heiligsten Güter! (Karikatur). In: Beiblatt zum Kladderadatsch, 50 (1897), 51, S. 1. Die Karikatur ist ebenfalls abgedruckt in: Herold, Deutsche Kolonialund Wirtschaftspolitik in China, S. 77. Siehe Kap. III.2.b. Knorr an Diederichs, 4.12.1897, zit. nach: Knorr an Bülow, 4.12.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 98. Wilhelm II. an AA, 24.11.1897, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 418 f., hier S. 418. Hohenlohe an Wilhelm II., 11.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3697. Ebd.

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Freilassung insistiert. Die Reichsleitung erhoffte sich durch dieses Zugeständnis, dass die Verhandlungen mit dem Tsungli Yamen über die Modalitäten der Abtretung Kiautschous beschleunigt würden. Am 6. Dezember meldete Zeye, dass sich auf dem vom Deutschen Reich beanspruchten Territorium keinerlei chinesische Soldaten mehr befänden. Dennoch hielt Diederichs seine Truppen bis zur Unterzeichnung des Kiautschou-Vertrages Anfang März 1898 in ständiger Alarmbereitschaft. Mehrfach meldeten ihm sowohl die deutschen Konsulate in Chefoo und Shanghai als auch einheimische Angestellte, dass ein chinesischer Gegenschlag zur Rückeroberung Kiautschous vorbereitet werde oder unmittelbar bevorstehe. Tatsächlich handelte es sich um substanzlose Gerüchte197. Während Diederichs die deutsche Herrschaft in Kiautschou militärisch konsolidierte, verhandelte Heyking in Peking mit dem Tsungli Yamen über die Konditionen, zu denen China den Deutschen ihren »Platz an der Sonne«198 formal überlassen sollte199. Mehrere Wochen lang verliefen die Verhandlungen ergebnislos. In dieser Zeit versuchte die chinesische Regierung, sich gegen die deutsche Aggression zu wehren und die anderen Großmächte für eine Intervention zugunsten Chinas zu bewegen, allerdings ohne Erfolg. All ihre Hoffnungen auf internationalen Beistand schwanden dahin, als Russland am 14. Dezember Port Arthur besetzte. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, drohte Heyking dem Tsungli Yamen zwei Wochen später, nachdem es erneut zu einem Übergriff auf deutsche Missionare in Shantung gekommen war, mit dem Abbruch der diplomatischen Verhandlungen und veranlasste die Besetzung der Städte Kiautschou und Tsimo durch deutsche Truppen200. Diese Aktion zeigte Wirkung: Nur wenige Tage später konnte Heyking, unter Androhung von weiteren militärischen Zwangsmaßnahmen, die Verpachtung Kiautschous an das Deutsche Reich erzwingen. Anschließend folgten noch Verhandlungen über deutsche Sonderrechte in der Provinz 197

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Diederichs an Knorr, 30.12.1897, BArch, RM 3/6697, Bl. 61-74; Diederichs an Knorr, 3.2.1898, ebd., Bl. 145-154; Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 34-48; Diederichs an Knorr, 26.12.1897, BArch, RM 5/5932, Bl. 27 ff.; Zeye an Diederichs, 15.12.1897, ebd., Bl. 29-32; Knorr an Bülow, 1.12.1897, PAAA, R 18172, Bl. 179-182; Biener, Das deutsche Pachtgebiet Tsingtau, S. 33-37; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 164-180. Bezug nehmend auf die Besetzung Kiautschous, prägte Bernhard von Bülow am 6.12.1897 das heute geflügelte Wort vom »Platz an der Sonne« in seiner ersten Reichstagsrede als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Vgl. Bülow, Fürst Bülows Reden, Bd 1, S. 32-36. Zum Verlauf der Verhandlungen, auf die neben dem Auswärtigen Amt auch die obersten Marinebehörden, vor allem das Reichsmarineamt, und der Chef des Kreuzergeschwaders großen Einfluss ausübten, siehe u.a.: Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 238-258 (Aufzeichnungen vom 20.11.1897 bis 10.3.1898); »Musterkolonie Kiautschou«, S. 111 ff.; Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 35-39; Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou, S. 47-61; siehe auch: Franke, Erinnerungen aus zwei Welten, S. 98 ff. Heyking erteilte nicht direkt den Befehl, die beiden Städte zu besetzen. Dazu wäre er auch nicht befugt gewesen. Vielmehr bat er Diederichs, »eine demonstrative Bewegung aus[zu]führen«. Dieser Bitte entsprechend, beschloss der Geschwaderchef, die Städte Kiautschou und Tsimo zu besetzen. Zitat aus: Heyking an Diederichs, 30.12.1897, BArch, RM 38/30, Bl. 142. Vgl. Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904, S. 248 f. (Aufzeichnungen vom 30.12.1897); Diederichs, Die Besetzung (wie Kap. IV, Anm. 46), S. 41. Nach der Unterzeichnung des Pachtvertrages wurden die Truppen auf Befehl des Kaisers in die engeren Grenzen des Pachtgebietes zurückgezogen. Vgl. Bülow an Tirpitz, 7.3.1898, BArch, RM 3/6697, Bl. 86 f.

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Shantung, bevor am 6. März der sogenannte Kiautschou-Vertrag in Peking unterzeichnet wurde201. Formal regelte dieser Vertrag die Pacht eines rund 550 Quadratkilometer großen Gebietes an den Ufern der Kiautschou-Bucht durch das Deutsche Reich für einen Zeitraum von 99 Jahren. In Wahrheit jedoch war das Pachtverhältnis »nichts als eine verschleierte Abtretung«202. Deutschland übte die volle Souveränität über dieses Gebiet aus. Zu den weiteren Bestimmungen des Vertrages gehörte die Errichtung einer 50 Kilometer tiefen »neutralen Zone« im Umkreis der KiautschouBucht, in der sich deutsche Truppen frei bewegen und in der keinerlei Maßnahmen oder Anordnungen ohne die Zustimmung der Reichsleitung getroffen werden durften. Außerdem erhielt das Deutsche Reich Konzessionen für den Bau von zwei Eisenbahnlinien in der Provinz Shantung und zum Kohlenbergbau in einer 15 Kilometer breiten Zone entlang dieser Bahnstrecken203. Dadurch wurde de facto die gesamte Provinz Shantung zur deutschen Einflusssphäre, mit Kiautschou als »Eingangspforte«204. Bereits am 26. Januar war, mit dem Eintreffen der etwa 1200 Mann starken Marineinfanterie-Truppe in Tsingtau205, die Verwaltung der neuen Kolonie »bis auf Weiteres«206 dem Reichsmarineamt übertragen worden. Dabei blieb es, bis die Japaner das Schutzgebiet im November 1914 als »Rache für Shimonoseki«207 eroberten und okkupierten. An der Spitze der Verwaltung musste, gemäß einer kaiserlichen Kabinettsordre, stets ein Seeoffizier stehen, der zugleich oberster Befehlshaber der Besatzungstruppe war208. Tirpitz hatte sich intensiv darum bemüht, 201 202 203

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Der Vertragstext ist abgedruckt in: Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou, S. 1-6. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd 4, S. 624. Diese Konzessionen waren von der Marineleitung eingefordert worden, um das Schutzgebiet für deutsche Investoren wirtschaftlich attraktiv zu machen und die Ansiedlung deutscher Unternehmen zu befördern. Marinestrategische Aspekte, etwa eine autarke Kohlenversorgung für das Kreuzergeschwader, spielten nur eine untergeordnete Rolle. Ohne die Bergbau- und Eisenbahn-Konzessionen, hatte das OKM befürchtet, würden »die deutschen Kapitalisten [...] längere Untersuchungen, genaueren Rentabilitätsnachweis verlangen, darüber würde soviel Zeit vergehen, daß unternehmungslustigere Engländer uns zuvorkommen. Deswegen wird das Reich nicht umhin können«, so der Kommandierende Admiral, »der Unternehmungslust in Deutschland zur Kapitalanlage in China in geeigneter Weise Vorschub zu leisten.« Zitat aus: Koester an Hohenlohe, 6.11.1897, PAAA, R 18167, Bl. 275-282, hier Bl. 278 f. Vgl. ebd.; siehe auch: Hohenlohe an Hatzfeldt, 13.11.1897. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3698, Anm. **, S. 82. Den Begriff »Eingangspforte« in diesem Zusammenhang prägte der bekannte Ostasien-Forscher Ferdinand Freiherr von Richthofen. Vgl. Richthofen, Schantung und seine Eingangspforte Kiautschou. Nur wenige Tage später traf auch die Kompanie Matrosenartillerie in Tsingtau ein. Marineverordnungsblatt, 29 (1898), 5, Verordnung Nr. 73. Mackay, Ostasiatische Politik und ihre Lehren, S. 559. Nach Meinung von Ben Lawrence von Mackay war der Verlust der Liaotung-Halbinsel für Russland infolge des Russisch-Japanischen Krieges 1904/05 der erste, die Eroberung Tsingtaus von den Deutschen zu Beginn des Ersten Weltkrieges der zweite Teil der japanischen »Rache für Shimonoseki«; offen sei noch die Abrechnung mit Frankreich. Im März 1916 argumentierte die japanische Regierung tatsächlich in genau dieser Weise bei Verhandlungen mit der Reichsleitung über einen Sonderfrieden. Vgl. ebd., S. 556-559; Hayashima, Die Illusion des Sonderfriedens, S. 93-96. Wilhelm II. an Tirpitz (Kabinettsordre), 1.3.1898, zit. in: Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou, S. 7 f. Gegenüber den in Tsingtau stationierten Schiffen des Kreuzergeschwaders hatte der

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dass die Verwaltung Kiautschous nicht dem Oberkommando der Marine oder, wie üblich, der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt, sondern seiner Behörde übertragen wurde209. Was ihn zu diesem Schritt bewog, enthüllt ein internes, unsigniertes Positionspapier des Reichsmarineamts von Anfang Januar 1898. Darin heißt es:

»Deutschland steht jetzt im Beginn seiner Entwicklung zur überseeischen Weltmacht. Mit der Erwerbung Kiautschous ist der erste Schritt gethan, welcher unserem Handel und Industrie eine feste Basis für die Aufschließung Chinas eröffnet und hoffentlich vielen Ertrag aus den neuen Absatzgebieten bringen wird. Es ist meine feste Überzeugung, daß diejenige Stelle, welche diese Aufschließung Chinas leitet und durch zweckentsprechende Organisationen und Maßnahmen stützt, im deutschen Vaterlande ungeheuer an Autorität und Prestige gewinnen wird. Tritt die Marine an die Spitze der kolonialen Bewegung, so werden auch die kolonialen Errungenschaften in das Credit der Marine eingetragen werden und in ihren Folgen der Marine zu Gute kommen210.«

Für Tirpitz war Kiautschou ein wertvolles Prestigeobjekt, das sich hervorragend als Mittel zur Durchsetzung und Popularisierung seiner Flottenpolitik eignete. An diesem Beispiel demonstrierte er dem deutschen Volk plakativ die Notwendigkeit zum Aufbau einer starken Schlachtflotte. In der Flottenpropaganda fungierte Kiautschou als »Beweis für die breiteren Volksmassen, daß Marine nicht Selbstzweck, daß sie berufen und befähigt ist, nicht allein Schutz und damit indirekten Nutzen zu bieten, sondern direkt Handel und Industrie, die allgemeinen Seeinteressen zu heben und zu fördern«211. Nur eine große, starke und deshalb teure Schlachtflotte, das war die Botschaft, könne das Deutsche Reich befähigen, auch in Zukunft seinen überseeischen Besitz und seine Stellung als globale Industrie- und Handelsmacht gegenüber den anderen Großmächten, vor allem Großbritannien, zu behaupten und auszubauen. Daneben erfüllte Kiautschou noch eine zweite Funktion: Es wurde zu einem Symbol stilisiert, hinter dem sich die Auslandsdeut-

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Gouverneur keinerlei Weisungsbefugnisse. Für den Fall, dass gemeinsame Operationen der Landund Seestreitkräfte notwendig waren, oblag der Oberbefehl dem rangältesten Befehlshaber, das heißt entweder dem Gouverneur von Kiautschou oder dem Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. Vgl. ebd. Zur Stellung und zu den Machtbefugnissen des Gouverneurs von Kiautschou allgemein siehe: Hövermann, Kiautschou, S. 12-20. Bülow an Knorr, 23.12.1897, BArch, RM 3/6694, Bl. 159 f.; Hohenlohe an Knorr, 14.1.1898, ebd., Bl. 210 f.; Tirpitz an Bülow, 4.1.1898, BArch, RM 3/6699, Bl. 29; Bülow an Tirpitz, 15.1.1898, ebd., Bl. 33; Tirpitz an Bülow, 22.1.1898, ebd., Bl. 40; Aufzeichnungen von Tirpitz zum Immediatvortrag betreffend Übertragung der Verwaltung von Kiautschou an das RMA, 16.1.1898, zit. in: »Musterkolonie Kiautschou«, Nr. 43, S. 182 ff. Internes, unsigniertes Positionspapier des RMA über die Regelung der militärischen, verwaltungstechnischen und rechtlichen Verhältnisse in Kiautschou, o.D. [Anfang Januar 1898], BArch, RM 3/6699, Bl. 1-10, hier Bl. 7. Mühlhahn schreibt dieses Positionspapier Tirpitz zu. Das ist jedoch auszuschließen, da der Verfasser das Dokument einleitet mit den Worten: »Seine Excellenz der Herr Staatssekretär [des Reichsmarineamts] hat Erörterungen darüber befohlen, in welcher Weise die militärischen und rechtlichen Verhältnisse der deutschen Erwerbung in der Kiautschou Bucht zu regeln sind«. Zitat aus: Ebd., Bl. 1. Vgl. ebd.; Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der »Musterkolonie« Kiautschou, S. 201, Anm. 53. Aufzeichnungen von Tirpitz zum Immediatvortrag betreffend Übertragung der Verwaltung von Kiautschou an das RMA, 16.1.1898, zit. in: »Musterkolonie Kiautschou«, Nr. 43, S. 182 ff., hier S. 183.

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schen versammeln sollten, um gemeinsam für den Aufbau der deutschen Weltmacht zu arbeiten212. Allerdings stand die deutsche Kolonialpolitik in China unter der gleichen Prämisse wie die deutsche Chinapolitik insgesamt: sie »legitimierte sich, in der offiziellen Propaganda wie in ihrem Selbstverständnis, als Politik des Kassennutzens, sie sollte Geld bringen, nicht kosten«213. Darum richtete Tirpitz von Anfang an sein Hauptaugenmerk auf die wirtschaftliche Entwicklung des neuen Schutzgebietes. Er war bestrebt, an den Ufern der Kiautschou-Bucht eine »Musterkolonie« zu errichten, die nicht nur als Flottenbasis, sondern vor allem als Handelsstützpunkt fungieren sollte214, »gewissermaßen ein großes Musterlager deutschen Könnens und deutscher Leistungen zur Auswahl und Nacheiferung für die Chinesen«215. Unmissverständlich heißt es in der ersten Denkschrift über die Entwicklung des Kiautschou-Gebietes von Oktober 1898: »Entscheidend für die Zukunft des Platzes ist – unbeschadet seiner militärisch-maritimen Bedeutung als Flottenstation – in erster Linie seine Entwickelung als Handelskolonie216.« Rasch begann Tirpitz deshalb mit dem Aufbau der Stadt Tsingtau, die nach seinen Vorstellungen ein zweites Hongkong217 werden sollte. Es galt, so schrieb er in seinen Memoiren, »mit großem Zug in kleinem Rahmen zu zeigen, wozu Deutschland imstande wäre«218. 212

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Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 129-138; »Musterkolonie Kiautschou«, S. 43 f.; Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der »Musterkolonie« Kiautschou, S. 200-203; Mühlhahn, Kolonialer Raum und symbolische Macht, S. 470-474; Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou, S. 70-73; Tirpitz, Erinnerungen, S. 65-74. Zur Organisation und Durchführung der Flottenpropaganda siehe: Deist, Flottenpolitik und Flottenpropaganda. Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, Bd 1, S. 330. Zu dieser Form der Kolonisation, der Stützpunktkolonie, allgemein siehe: Osterhammel, Kolonialismus, S. 15 ff.; siehe auch: Köbner, Einführung in die Kolonialpolitik, S. 20 ff. Wilhelm II., Ereignisse und Gestalten, S. 65. Denkschrift betreffend die Entwickelung von Kiautschou. Hrsg. vom Reichsmarineamt, Berlin 1898, S. 5 (Hervorhebung im Original; enthalten in: BArch, RM 4/109, Bl. 114-138). Bereits einen Monat vor der Verwaltungsübernahme hatte Tirpitz auf einer Sitzung der Führungsriege des Reichsmarineamts klargestellt, »daß es sich keinesfalls um [die] Gründung einer eigentlichen Flottenbasis handeln könne«, wie sie dem Kommandierenden Admiral vorschwebte, sondern dass »die militärischen und Marine-Interessen [...] in Kiautschou völlig hinter die Industrie- und Handels-Interessen zurücktreten« müssten. Nur wenige Tage später hatte er dann auch den Kaiser davon überzeugen können, dass es besser sei, statt der militärischen in erster Linie die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung des neuen Schutzgebietes zu fördern. Zitate aus: Aufzeichnungen über eine Sitzung der Führungsriege des RMA, 27.12.1897, BArch, RM 3/6699, Bl. 22 f., hier Bl. 23. Vgl. ebd., Bl. 22 f.; Knorr an Wilhelm II., 27.12.1897, BArch, RM 5/5931, Bl. 55 f.; Tirpitz an Knorr, 3.1.1898, ebd., Bl. 117 f.; Aufzeichnung Jaeschkes vom 4.1.1895, ebd., Bl. 118; Knorr an Tirpitz, 5.1.1898, ebd., Bl. 119-122; Tirpitz an Knorr, 5.1.1898, ebd., Bl. 135 f.; Aktenvermerk des OKM vom 8.1.1898, ebd., Bl. 136; Senden-Bibran an Knorr, 27.1.1898, ebd., Bl. 318; Bülow an Hohenlohe, 31.12.1897, PAAA, R 18180, Bl. 178-181. Tirpitz, Erinnerungen, S. 61. Nach Wilhelm Schrameier, der als Kommissar für chinesische Angelegenheiten eine zentrale Rolle beim Aufbau der Verwaltung Kiautschous spielte und unter anderem eine Land- und Steuerordnung für das Schutzgebiet entwarf, war es »bei dem Mangel an allen praktischen Vorbildern [...] selbstverständlich, dass von Anfang an Hongkong als Vorbild ins Auge gefasst war«. Zitat aus: Schrameier, Die Grundlagen der wirtschaftlichen Entwicklung in Kiautschou, S. 33. Was den Hafenbetrieb und die Hafenverwaltung anbetrifft, orientierte sich Schrameier aber vor allem am Hamburger Modell. Vgl. Schrameier, Hafenbetrieb und Hafenverwaltung zu Tsingtau. Tirpitz, Erinnerungen, S. 66.

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Kiautschou als Ausgangspunkt für den Erwerb weiterer Kolonien zu nutzen oder auch nur das Pachtgebiet selbst zu vergrößern, lehnte er strikt ab, weil eine solche expansive Politik fast schon zwangsläufig zu ernsthafter Konfrontation mit Großbritannien führen und somit sein Schlachtflottenprojekt gefährden musste.219 Sein Ziel war vielmehr »der Ausbau informeller Herrschaft im Wege navaler, kommerzieller und kultureller Vorherrschaft«220. Tirpitz hielt bis 1914 konsequent an diesen Zielvorstellungen fest, auch wenn sich bald schon zeigte, dass Kiautschou kein besonders gut geeigneter Stützpunkt für die ökonomische Durchdringung Chinas war und auch die Eisenbahn- und Bergbaukonzessionen in Shantung nicht die erhofften Erträge brachten221. Auf dem Papier verfügte das Deutsche Reich nach der Entsendung der II. Division des Kreuzergeschwaders über eine durchaus respektable Streitmacht in den ostasiatischen Gewässern, auch wenn ihr die russischen, japanischen und britischen Seestreitkräfte in der Region weiterhin teilweise deutlich überlegen waren222. Tatsächlich bildeten die ab dem Frühjahr 1898 in Ostasien stationierten deutschen Kriegsschiffe den bis dahin schlagkräftigsten Verband, den das Deutsche Reich jemals nach Übersee entsandt hatte. Bei genauerer Betrachtung jedoch ist festzustellen, dass es sich auch bei den neu bereitgestellten Kreuzern nur um zweit- und drittklassige Modelle handelte. Trotz ihrer weltpolitischen Ambitionen und all dem großmannssüchtigen Gehabe war weder die politische noch die militärische Reichsleitung bereit, Kriegsschiffe aus dem Kernbestand der Heimatflotte für überseeische Abenteuer bereitzustellen und dadurch den Schutz der deutschen Küsten zu verringern. Vor allem die »Deutschland«, das Flaggschiff der II. Division, war in einem äußerst desolaten Zustand. Auf dem alten »Kohlenfresser« (Baujahr 1874) fielen während der Überfahrt nach Ostasien mehrfach die Maschinen aus, was die Reise erheblich verzögerte und zudem einen rund fünfwöchigen Aufenthalt in Hongkong zur Instandsetzung der defekten Antriebsanlage notwendig machte223. »Es 219

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222

223

Ebd., S. 65-70; Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 188 f.; Herold, Deutsche Kolonial- und Wirtschaftspolitik in China, S. 36-44; »Musterkolonie Kiautschou«, S. 43 ff., 170 f.; Salewski, Die preußische und die Kaiserliche Marine in den ostasiatischen Gewässern, S. 80 f. Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 189. Auf die weitere Entwicklung des Schutzgebietes Kiautschou kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden, daher sei hier auf folgende Studien verwiesen: Artelt, Tsingtau; Biener, Das deutsche Pachtgebiet Tsingtau; Alltagsleben und Kulturaustausch; Tsingtau. Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1897-1914; Huang, Qingdao; Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der »Musterkolonie« Kiautschou; Seelemann, The Social and Economic Development of the Kiaochou Leasehold; Stichler, Das Gouvernement Jiaozhou; siehe auch: Schmidt, Die deutsche Eisenbahnpolitik in Shantung 1898-1914. Während das Deutsche Reich im Jahre 1898 insgesamt 8 Kriegsschiffe, darunter 3 Panzerschiffe und Große Kreuzer in Ostasien stationiert hatte, verfügten die Briten dort zur selben Zeit über 27 und die Russen über 18 Kriegsschiffe, darunter jeweils 8 Panzerschiffe und Große Kreuzer. Das deutsche Kreuzergeschwader und die ihm unterstellten Stationäre waren lediglich der französischen Division navale de l’extrême Orient überlegen, die zwar insgesamt 10 Kriegsschiffe umfasste, darunter aber nur ein Panzerschiff und keine Großen Kreuzer. Vgl. The Naval Annual, 13 (1898), S. 60. Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 2, S. 232. Siehe auch: Briefe des Prinzen Heinrich an Wilhelm II., 20.12.1897 bis 8.5.1898, BArch, RM 2/121, Bl. 2-30 (insgesamt

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war für seine Zwecke ein äußerst ungeeignetes Schiff, da es nur Einschraubenschiff war mit einer alten, unzuverlässigen Trunk-Maschine, die fortwährend Reparaturen benötigte und einen phantastischen Kohlenverbrauch hatte«, grollte Georg Alexander Müller, seinerzeit persönlicher Adjudant des Prinzen Heinrich, in seinen Memoiren. »Um Kohlen zu sparen, mußten wir uns [sogar] lange Strecken von der ›Gefion‹ schleppen lassen«224 – so wie einige Jahre zuvor das Flaggschiff des Fliegenden Kreuzergeschwaders auf der Überfahrt von Japan nach Chile225. Zweckmäßig für den Einsatz in Übersee war nur das martialische Erscheinungsbild des alten Panzerschiffes: »Der kurze, aber hohe und massige Bau der ›Deutschland‹ sah doch recht imponierend aus«, befand etwa der Forschungsreisende Johannes Wilda, »[und] das breite Oberdeck, die hohen Batterieräume, die saalartige Offiziersmesse wirkten desgleichen226.« Als die »Deutschland« und die sie begleitende »Gefion« schließlich mit gut dreimonatiger Verspätung Anfang Mai 1898 im Zielgebiet eintrafen, war die Besitzergreifung Kiautschous bereits vollzogen, so dass es dort für Prinz Heinrich keinen Lorbeer mehr zu verdienen gab. c) Prestigepolitischer Hahnenkampf in der Manila-Bucht

Um die Jahreswende 1894/95 war bei der Reichsleitung nicht nur das Interesse an der Errichtung einer Flottenstation an der chinesischen Küste angefacht worden, sondern auch die Hoffnung entbrannt, vom drohenden Zerfall des spanischen Kolonialreiches zu profitieren, der »rasche und bequeme Beute zu verheißen schien«227. Deshalb unterlief sie in den darauffolgenden Monaten gezielt die interna-

224 225 226 227

neun Briefe); Reiseberichte des Korvettenkapitäns Müller, 28.12.1897 bis 8.5.1898, BArch, RM 2/403, Bl. 4-32 (insgesamt zwölf Berichte); Müller Tagebuch, BArch, N 159/2, Bl. 334-351 (Aufzeichnungen vom 10.12.1897 bis 9.5.1898); Briefe des Prinzen Heinrich an Diederichs, 9.3. bis 8.4.1898, BArch, N 255/11, Bl. 1-6 und 9-14 (insgesamt fünf Briefe); siehe außerdem die offiziellen Reiseberichte des Prinzen Heinrich an den Kommandierenden Admiral, enthalten in den Akten BArch, RM 3/3156 und 3157. Gottschalls Darstellung, Diederichs habe sich in den Briefen an seine Frau darüber beklagt, dass Prinz Heinrich »refused to cooperate [with him], prefering instead to undertake a triumphal tour of Asian ports«, ist nicht korrekt. Der Geschwaderchef war zweifellos frustriert, dass Heinrich aufgrund der Maschinenschäden der »Deutschland« – deren Instandsetzung in Hongkong war im Übrigen von Diederichs selbst angeordnet worden – erst mit dreimonatiger Verspätung in Kiautschou eintraf und er deshalb viel länger als geplant dort ausharren musste, aber solch ein Vorwurf, wie Gottschall ihn herausgelesen haben will, findet sich in keinem seiner Briefe, nicht einmal andeutungsweise. Vgl. Diederichs an seine Frau Henni, 20.2. bis 8.5.1898, BArch, N 255/4 (insgesamt elf Briefe, ohne Paginierung); Diederichs an Prinz Heinrich, 5.3.1898, BArch, N 255/11, Bl. 7 f., hier Bl. 7; Diederichs an Prinz Heinrich, 21.1.1898, BArch, RM 38/30, Bl. 252; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 178 f. Als es in den darauffolgenden Monaten tatsächlich zu Auseinandersetzungen zwischen Diederichs und Prinz Heinrich kam, berichtete er davon nicht seiner Frau, wohl aber – offiziell streng vertraulich – dem Chef des Marinekabinetts. Vgl. Diederichs an Senden-Bibran, 16.12.1898, BArch, N 160/7, Bl. 28-39; siehe dazu auch: Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 220; Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Bd 4, S. 248, Anm. 20. Müller, Der Kaiser ..., S. 18. Siehe Kap. III.1.a. Wilda, Von Hongkong nach Moskau, S. 123. Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 312.

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tionalen Bemühungen der spanischen Regierung, ihren durch Volksaufstände gefährdeten karibischen und pazifischen Kolonialbesitz zu retten. Auch in diesem Fall war Wilhelm II. die treibende Kraft. Sein Augenmerk richtete sich primär auf Spaniens Besitzungen in Südostasien und in der Südsee, namentlich die Philippinen sowie die Karolinen-, Marianen- und Palau-Inseln. Ökonomische Faktoren spielten dabei anfangs keine Rolle, sondern ausschließlich militärstrategische und prestigepolitische Erwägungen. Der Marineführung schien vor allem die Erwerbung der Philippinen erstrebenswert als ein wichtiger Baustein für die Errichtung einer Stützpunktkette auf dem Weg nach Ostasien228. Im Herbst 1896 trat ein neuer Aspirant auf die Übernahme der spanischen Kolonien auf den Plan, mit dem zuvor keine der europäischen Großmächte gerechnet hatte: die Vereinigten Staaten von Amerika. Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt hatte der neu gewählte amerikanische Präsident William McKinley, der sich rasch an die Spitze der imperialistischen Bewegung in den USA stellte, die spanische Regierung aufgefordert, den Volksaufstand in Kuba zügig niederzuschlagen, andernfalls würden amerikanische Truppen intervenieren. Infolge dieser Lageveränderung erwog Wilhelm II. im Laufe des Jahres 1897 einen Kurswechsel in der deutschen Spanien-Politik. Ihn plagte die Sorge vor einem spanisch-amerikanischen Krieg, denn noch verfügte das Deutsche Reich über keine ausreichende Seemacht, um seine Interessen bei einer Aufteilung des spanischen Kolonialbesitzes wirksam durchsetzen zu können. Deshalb wollte der Kaiser nun offensiv für die territoriale Integrität des spanischen Kolonialreiches bei der US-Regierung eintreten und eine antiamerikanische Koalition der europäischen Großmächte initiieren. Nur mit äußerster Mühe gelang es Bülow, den Kaiser von diesem Vorhaben abzubringen, das dem Reich »in politischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht erhebliche Nachtheile«229 eingebracht hätte. Dementsprechend lehnte die Reichsleitung im Frühjahr 1898 eine Anfrage aus Madrid, ob nicht Deutschland sich an die Spitze einer antiamerikanischen Koalition zugunsten Spaniens stellen könne, ab. Zu diesem Zeitpunkt schien ein spanisch-amerikanischer Krieg bereits so gut wie unvermeidlich. Da die Reichsleitung keine Möglichkeit sah, den Eintritt der Vereinigten Staaten in die Weltpolitik zu verhindern, ohne ihre Freihandpolitik und damit den Schlachtflottenbau zu gefährden, setzte sie fortan auf ein freundschaftliches Verhältnis zu den USA, in der Hoffnung, dadurch die eigene Stellung im erweiterten Kreis der Großmächte zu verbessern230.

228 229 230

Ebd., S. 302-345, 351 f.; Kaikkonen, Deutschland und die Expansionspolitik der USA, S. 93-98; siehe auch: Herwig, Politics of Frustration, S. 24 ff. Bülow an Eulenburg, 29.9.1897, zit. nach: Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 358. Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 346-377. Zu den Anfängen der imperialistischen Expansion der USA im ausgehenden 19. Jahrhundert allgemein siehe: LaFerber, The New Empire; Wehler, Der Aufstieg des amerikanischen Imperialismus. Zur nordamerikanischen Expansion speziell im pazifischen Raum siehe u.a.: Battistini, The Rise of American Influence; Pletcher, The Diplomacy of Involvement.

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Die Philippinen im Jahre 1898 Batan Inseln 0

100

200

300

400

Ballintang-Kanal

500 km

Laoag Aparri Vigan

Luzon Bolinao Lingayor Baler Bongabong

S. Cruz

PA Z I F I S C H E R O Z E A N

Iba

Polillo

MANILA Cavite

Catanduanes Batangas

Südchinesisches Meer

Tibi Mamburao

Mindoro Calavite

Palapa

Mangarin

Tubigo

Masbate

Cabanlogan

Samar

Calivo

Calamian

Panay Ilollo

Taylay

Tanauan

Leyte

Canloon

Ilongos Cebu

Cebu Bohol

Cartagena

Palawan

Poerto Princess

Negros

Tagbilaran Butuan

Bacon

Liangan Cagayan

Jolo See

Misamis

Mindanao

S. Maria

Balabac-Straße

Davao

Siocon Mindanao Isabela Maruda

Leno

Qaya

Brit.Nord-Borneo

Elopara

Quelle: Halstead, The Story of the Philippines.

Celebes See

© MGFA

06688-04

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Unmittelbar vor Kriegsbeginn im April 1898 prognostizierte Tirpitz, dass die amerikanischen Streitkräfte Spanien »in Grund und Boden bohren«231 würden. Er sollte Recht behalten. Die entscheidenden Schlachten des Spanisch-Amerikanischen Krieges wurden in der Karibik, vor allem auf Kuba geschlagen. Ihren ersten überragenden Sieg über die Spanier errangen die Amerikaner allerdings in Südostasien: Nur sechs Tage nach Kriegsbeginn vernichtete das amerikanische »Asiatic Squadron« unter dem Kommando von Kommodore George Dewey in den frühen Morgenstunden des 1. Mai den Großteil der spanischen Pazifikflotte bei Cavite in der Manila-Bucht und damit de facto die spanische Herrschaft über die Philippinen232. Aus amerikanischer Sicht war die Inselgruppe nur ein Nebenkriegsschauplatz, nichts mehr als »ein strategischer Punkt auf der Landkarte«233. Deweys Auftrag lautete zunächst nur, die spanische Pazifikflotte auszuschalten. An eine Eroberung der spanischen Kolonien im Ost- und Südpazifik war angesichts der geringen Anzahl von Landungstruppen, die ihm zur Verfügung standen, ohnehin nicht zu denken. Erst nach Deweys überragendem Sieg über das spanische Pazifikgeschwader rückten auch die Philippinen als strategisch günstig gelegene Zwischenstation auf dem Weg nach China ins Blickfeld der amerikanischen Imperialisten. Mitte Mai bekundeten die USA schließlich mit der Entsendung eines rund 13 000 Mann starken Expeditionskorps ihren Willen, sich dauerhaft dort festzusetzen234. Unterdessen errichtete Dewey, der nun zum Konteradmiral befördert wurde, mit seinen vier geschützten Kreuzern und zwei Kanonenbooten eine – wenig effiziente – Seeblockade des Hafens von Manila. Allerdings machte er den ortsansässigen ausländischen Konsuln davon keine offizielle Mitteilung, weshalb es sich nicht um eine Blockade im völkerrechtlichen Sinne handelte235. Dieser Umstand sollte schon bald zu gravierenden Verstimmungen vor allem in den deutschamerikanischen Beziehungen führen, auf die noch näher einzugehen sein wird. Seinen einzigen Aviso musste Dewey zur Abwicklung des Nachrichtenverkehrs über Hongkong abstellen, weil er die einzige Telegrafenverbindung – ein Seekabel zwischen Manila und Hongkong – während der Kampfhandlungen hatte kappen lassen. Hilfsweise setzte er zusätzlich einige kleinere Kriegsschiffe, die er von den Spaniern erbeutet hatte, als Blockade- und Postschiffe ein. 231 232

233 234

235

Bülow an Wilhelm II., 7.4.1898, zit. nach: Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 374. Über den Spanisch-Amerikanischen Krieg, auf dessen weiteren Verlauf im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden kann, gibt es eine gewaltige Menge Literatur. Eine gute Übersicht bietet: Venzon, America’s War with Spain. Speziell zur Seeschlacht von Cavite siehe u.a.: Bericht des Admirals Montojo über die Seeschlacht bei Cavite, o.D. [Anfang Mai 1898], BArch, RM 38/47, Bl. 58-61; Dewey, Autobiography, S. 174-205; Johnson, Far China Station, S. 252-266; Spector, Admiral of the New Empire, S. 47-63; Wilson, The Downfall of Spain, S. 121-157. Glaser-Schmidt, »Die Philippinen den Filipinos!«, S. 35. Diederichs an Knorr, 25.6.1898, BArch, RM 3/4263, Bl. 277-284, hier Bl. 277; Diederichs, Darstellung der Vorgänge vor Manila, S. 261; Kaikkonen, Deutschland und die Expansionspolitik der USA S. 69 ff.; Wilson, The Downfall of Spain, S. 157-162. Siehe u.a.: Knorr an Wilhelm II., 17.8.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 202 ff.; Diederichs an Knorr, 7.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 215 f.

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Die Tagalen, das malaiischstämmige Hauptvolk der Filipinos, nutzten die Gunst der Stunde und erhoben sich zum wiederholten Male gegen die spanische Kolonialherrschaft. Dewey unterstützte die Rebellen, da er nicht über ausreichend Landstreitkräfte verfügte, um auch die Stadt Manila zu erobern. Mitte Mai ließ er den erst 29-jährigen Anführer des Aufstandes, Emilio Aguinaldo, der sich selbst als »Dictator der Philippinen«236 bezeichnete, mit einigen Getreuen aus Hongkong einschiffen. Die Aufständischen setzten aber nicht allein auf die Unterstützung der USA. Friedrich von Krüger, der deutsche Konsul in Manila, berichtete Anfang Mai telegrafisch nach Berlin, dass die Rebellen Deutschland sehr zugeneigt seien und vielmehr ein Königreich als eine Republik gründen wollten. Möglicherweise, spekulierte er, ende die Angelegenheit »mit Angebot des Thrones an einen deutschen Prinzen«237. In ähnlicher Weise, allerdings nicht so konkret, hatte sich auch Prinz Heinrich, basierend auf den Ausführungen eines deutschen Kaufmannes in Hongkong, etwa einen Monat zuvor geäußert238. Allerdings betonte Krüger, dass die Insurgenten »keinesfalls nur [ihre] Herren wechseln und etwa Amerikaner gegen Spanier eintauschen, sondern selbstständig werden [wollen]«239. Bülow reagierte mit nüchternem Realismus auf diese Nachrichten. Krügers Telegramm bestätige, wie er dem Kaiser in einem Immediatbericht Mitte Mai erläuterte, dass die Tagalen nach Unabhängigkeit strebten und sich sicherlich mit allen Mitteln gegen jede andere direkte oder indirekte Fremdherrschaft wehren würden, sobald sie das spanische Joch abgeschüttelt hätten. Es wäre »voraussichtlich keine leichte Aufgabe«240, eine solche Fremdherrschaft gegen den Willen der Einheimischen durchzusetzen. Um die örtlichen Verhältnisse besser überblicken zu können, plädierte Bülow dafür, »daß der Admiral Diederichs möglichst bald die Sachlage an Ort und Stelle prüft, damit wir nicht nur über die wirklichen Gesinnungen der Eingeborenen, sondern auch über die Aussichten des Bürgerkrieges uns ein klares und richtiges Bild machen können«241. Es sei zu riskant, auf das Angebot der Rebellen einzugehen, bevor diese nicht namhafte Erfolge erzielt hätten. »Ein unvorsichtiges deutsches Vorgehen«, warnte er, »könnte eine mit der Spitze gegen uns gerichtete allgemeine Koalition hervorrufen«242, da nicht nur die USA, sondern auch Großbritannien, Frankreich, Russland und Japan großes Interesse an der Zukunft der Philippinen zeigten. Daher sei es ratsam, sich mit einer oder mehreren erstklassigen Seemächten entweder auf die gemeinsame Sicherung der Unabhängigkeit des Inselreiches oder auf dessen Aufteilung zu verständigen. Bülow ließ keinen Zweifel daran, dass er die Neutralisierung der Philippinen für den besten 236 237 238 239 240 241 242

Diederichs an Knorr, 25.6.1898, BArch, RM 3/4263, Bl. 277-284, hier Bl. 284. Bülow an Wilhelm II., 14.5.1898. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 15, Nr. 4145, S. 33. Kaikkonen, Deutschland und die Expansionspolitik der USA, S. 95-98; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 25 ff. Bülow an Wilhelm II., 14.5.1898. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 15, Nr. 4145, S. 33. Ebd., S. 34. Ebd., S. 35. Ebd.

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Weg hielt, weil das Deutsche Reich sich auf diese Weise die Option für eine mögliche spätere Annexion der Inselgruppe bewahren könne, bis »ein zum Zugreifen geeigneter Moment«243 eintrete. Wilhelm II. pflichtete dieser Einschätzung uneingeschränkt bei244. Bereits am 20. April, nur wenige Tage nach der ersten entsprechenden Meldung an die Reichsleitung, hatte Krüger den Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders darüber informiert, dass der wieder aufflammende Aufstand der Tagalen das Leben von deutschen Reichsangehörigen gefährde. Zwei deutsche Bergbauingenieure hatten »dem Drängen der Banden weichen müssen«245 und sich von einem Minengebiet im Landesinnern der philippinischen Hauptinsel Luzon zu dem nördlich gelegenen Küstenort Mambulao durchgeschlagen. Von dort aus hatten sie einen Hilferuf nach Manila telegrafiert. Angesichts der prekären Lage, in der sich die philippinische Hauptstadt infolge des Aufstandes und des unmittelbar bevorstehenden Spanisch-Amerikanischen Krieges befand, bat Krüger den Geschwaderchef drei Tage später um die Entsendung eines Kriegsschiffes »zum Schutze der hiesigen deutschen Interessen«246. Kurz nach Kriegsbeginn genehmigte der Kaiser den Einsatz und befahl am 28. April, »daß unsere Schiffe des Kreuzergeschwaders sofort nach Manila gehen sollen, und daß für Kiautschou die Anwesenheit eines Schiffes bis auf Weiteres genüge«247. Dieser Befehl war jedoch so nicht ausführbar. Der »Kaiser« sollte ab Anfang Mai in Nagasaki instandgesetzt werden, anschließend sollte dort auch die »Prinzeß Wilhelm« docken. Beide Schiffe waren dringend überholungsbedürftig. Die »Arcona« war als Stationsschiff für Kiautschou vorgesehen. Prinz Heinrich befand sich mit der II. Division des Kreuzergeschwaders noch auf dem Weg nach Kiautschou, von wo aus er Anfang Mai zu einem Besuch beim chinesischen Kaiser in Peking und anschließend zu einer Tour durch verschiedene ost- und südostasiatische Häfen aufbrechen wollte. Diederichs schickte schließlich »die einzigen Schiffe, die ich noch verfügbar habe«248, nach Manila: den »Cormoran« und die »Irene«. Mit dieser Maßnahme stand das Deutsche Reich nicht allein. Auch die anderen Seemächte schickten ihrerseits Kriegsschiffe nach Manila, da sie ihre regionalen Handelsinteressen gefährdet sahen. Neben den beiden Kreuzern erteilte Diederichs auch dem Truppentransporter »Darmstadt«, der sich mit etwa 1400 Mann Ablösungsmannschaften für das Kreuzergeschwader auf dem Weg nach Tsingtau befand, den Befehl, zunächst nach Manila zu gehen, um dort den turnusmäßigen Besatzungsaustausch mit dem »Cormoran« und der »Irene« durchzuführen249. 243 244 245 246 247 248 249

Ebd., S. 38. Ebd., S. 33-38; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 43 ff.; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 26 ff.; Winzen, Bülows Weltmachtkonzept, S. 86-90. Krüger an Diederichs, 20.4.1898, BArch, RM 38/29, Bl. 172. Krüger an Diederichs, 23.4.1898, ebd., Bl. 173 f., hier Bl. 173. Knorr an Tirpitz, 28.4.1898, BArch, RM 3/3156, Bl. 236; siehe dazu auch: Randbemerkung Wilhelms II. zu Bülow an Wilhelm II., 12.5.1898, PAAA, R 19468 (ohne Paginierung). Diederichs an seine Frau Henni, 30.4.1898, BArch, N 255/4 (ohne Paginierung). Ebd.; Knorr an Tirpitz, 28.4.1898, BArch, RM 3/3156, Bl. 236; Knorr an Tirpitz, 10.5.1898, ebd., Bl. 240; Brussatis an Diederichs, 11.5.1898, BArch, RM 3/3219, Bl. 154 ff.; Krüger an Diederichs, 20.4.1898, BArch, RM 38/29, Bl. 172; Krüger an Diederichs, 23.4.1898, ebd., Bl. 173 f.; Auf-

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Nachdem die beiden deutschen Kreuzer in den ersten Maitagen kurz nacheinander in Manila eingetroffen waren und neben einigen Kriegsschiffen anderer neutraler Mächte geankert hatten, ergriff Korvettenkapitän August Obenheimer, der Kommandant der »Irene«, sofort diverse Maßnahmen zum Schutz der ortsansässigen deutschen Reichsangehörigen. Außerdem entwarf er in Kooperation mit Konsul Krüger und der deutschen Gemeinde einen Evakuierungsplan und charterte einige kleine Dampfer, mit denen er im Notfall die ihm Schutzbefohlenen – dazu zählten neben den insgesamt 225 Deutschen auch noch mehrere Dutzend Österreicher-Ungarn, Schweizer, Italiener, Holländer und Portugiesen – evakuieren wollte. Die von Krüger erbetene Entsendung des »Cormoran« nach Mambulao zur Evakuierung der zwei deutschen Ingenieure lehnte Obenheimer ab, da sich nach seiner Einschätzung »die beiden fraglichen Herren z.Zt. nicht in Lebensgefahr befinden«250. Zudem würde ein solcher Einsatz etwa eine Woche dauern, »was unter den augenblicklichen Umständen bei den viel wichtigeren Aufgaben S.M. Schiffe hier am Orte [in Manila] durch diesen Anlaß nicht gerechtfertigt erscheint«251. Den Geschwaderchef hielt Obenheimer mit regelmäßigen Berichten über seine Aktivitäten und die allgemeine Lageentwicklung auf dem Laufenden, die er mit zivilen Dampfern über Hongkong zu Diederichs nach Nagasaki schickte. Als Vermittlungsstelle für den Nachrichtenaustausch fungierte das deutsche Konsulat in Hongkong252. Obenheimer trat zur Erfüllung seines Auftrages sowohl mit der spanischen Kolonialverwaltung als auch mit dem amerikanischen Geschwaderchef in Kontakt. Während er sich strikt aus allen politischen Fragen herauszuhalten versuchte, begann die Presse in Manila, aber auch die in Hongkong, in einigen europäischen Ländern, vor allem Großbritannien, und in den USA, eifrig über mögliche deutsche Annexionspläne für die Philippinen zu spekulieren. Mehrere spanische Zeitungen in Manila verbreiteten gezielt Falschmeldungen und Gerüchte über eine vermeintliche Unterstützung Spaniens durch das Deutsche Reich. Manche Blätter gingen sogar so weit, dass sie Obenheimer persönlich Solidaritätsbekundungen für die Spanier andichteten. Zwar protestierte dieser gegen solche Diffamierungen, aber es war nicht zu verhindern, dass sich die spanische Propaganda negativ auf sein Verhältnis zu Dewey auswirkte. Der amerikanische Geschwaderchef war von Anfang an skeptisch gegenüber dem Auftritt der deutschen Kriegsschiffe in den philippini-

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zeichnung Klehmets, 26.4.1898, PAAA, R 2236 (ohne Paginierung); Krüger an Hohenlohe, 14.4.1898 (mit Anlagen), PAAA, R 19468 (ohne Paginierung); Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 183 ff. Obenheimer an Krüger, 17.5.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 28 f., hier Bl. 28. Ebd. Knorr an Wilhelm II., 6.6.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 65; Obenheimer an Diederichs, 12.6.1898, BArch, RM 3/4264, Bl. 15-18; Obenheimer an Diederichs, 8.5.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 6 ff.; Krüger an Obenheimer, 15.5.1898, ebd., Bl. 23-26; Obenheimer an Diederichs, 27.5.1898, ebd., Bl. 41 ff.; Obenheimer an Diederichs, 3.6.1898, ebd., Bl. 43-46; Befehl von Diederichs zur Evakuierung der Schutzbefohlenen, 8.8.1898, BArch, RM 38/44a, Bl. 140 f.; Diederichs, Darstellung der Vorgänge vor Manila, S. 261; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 185 f.; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 51 ff.; Pohl, Die Thätigkeit S.M.S. »Irene« in den Gewässern der Philippinen, S. 760 ff.

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schen Gewässern gewesen. Zudem hegte er eine persönliche Antipathie gegen Deutsche, die nur wenige Wochen zuvor durch einen Zwischenfall in Hongkong noch verstärkt worden war, als Prinz Heinrich Dewey die Auslieferung eines vor zwei Jahren von seinem Flaggschiff desertierten deutsch-amerikanischen Marinesoldaten, der inzwischen auf der »Gefion« angeheuert hatte, verweigerte. Die einschlägigen Berichte in den ihm zugänglichen Medien aus Manila und Hongkong verschärften Deweys Misstrauen, weil er annahm, dass die Reichsleitung nicht nur ihre Staatsangehörigen auf den Philippinen vor Kriegseinwirkungen schützen wollte, sondern ernsthafte Ambitionen hegte, die Inselgruppe zu okkupieren. Seine Hauptsorge jedoch galt einem Gegenschlag der Spanier. Trotz seines überragenden Sieges über die spanische Pazifikflotte verfügte sein Gegner, Admiral Patricio Montojo, noch immer über einige Kanonenboote, mit denen er dem amerikanischen Geschwader durchaus erheblichen Schaden zufügen konnte. Zudem hatten die Spanier, wie Dewey Ende Mai erfuhr, ein schlagkräftiges Entsatzgeschwader von zwölf Kriegsschiffen nach den Philippinen entsandt, während ihm das Navy Department im Gegenzug lediglich zwei weitere geschützte Kreuzer schickte, außerdem rund 13 000 Soldaten zur Eroberung Manilas. Deweys prekäre Lage verschärfte sich noch durch die nur eingeschränkte und unregelmäßige Kommunikation mit seinen Vorgesetzten, so dass er bei fast all seinen Handlungen weitestgehend auf sich allein gestellt blieb253. Unterdessen war in Berlin, wo Tirpitz gerade das erste Flottengesetz durch den Reichstag gebracht hatte, ein regelrechtes Kolonialfieber ausgebrochen. Es wurde nicht nur intensiv darüber diskutiert, welche Teile des spanischen Kolonialreiches sich Deutschland einverleiben sollte. Gierig wie Aasgeier stürzten sich Bülow, Knorr und Tirpitz in ihren Gedankenspielen auch auf die Kolonien anderer siechender Kolonialmächte, namentlich Dänemark, Holland und Portugal. Sie wollten die Gunst der Stunde nutzen, um überall auf der Welt, in Afrika, in Asien, in der Karibik und in der Südsee, billig neuen Kolonialbesitz, Kohlenstationen und Marinestützpunkte für das Deutsche Reich zu erwerben. »Die Manie, neue Kolonien um jeden Preis zu erwerben«, resümierte der Diplomat Hermann von Eckardstein einige Jahre später in seinen Memoiren, »gleichviel ob sie ein reelles Wertobjekt darstellen oder nicht und ungeachtet der internationalen Komplikationen, welchen das Deutsche Reich dadurch ausgesetzt wurde, wuchs damals von Tag zu Tag«254. Zwar kam die Aufteilung der alten Kolonialreiche aus Tirpitz’ Sicht politisch zu früh, da die Schlachtflotte noch nicht entwickelt genug war, um dabei eine entscheidende Rolle spielen zu können, aber auch er wollte diese Chance auf kolonialen Zugewinn nicht ungenutzt verstreichen lassen, versprach er sich davon doch, ebenso wie Bülow, positive innenpolitische Rückwirkungen vor allem auf das Flottenbauprogramm255. 253

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Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 186-189; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 53-60; Pohl, Die Thätigkeit S.M.S. »Irene« in den Gewässern der Philippinen, S. 760 ff.; Spector, Admiral of the New Empire, S. 68-75; Wilson, The Downfall of Spain, S. 157-163. Eckardstein, Lebenserinnerungen, Bd 1, S. 306. Siehe Kaulisch, Zur überseeischen Stützpunktpolitik, S. 588 f.

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Bei der Auswahl der Gebiete war Tirpitz bestrebt, »systematisch vorzugehen«256 mit dem Ziel, eine »Kette von maritimen Stützpunkten im Auslande«257 zu schaffen, konnte dieses Prinzip aber nicht durchsetzen. Stattdessen optierte die Reichsleitung unter der Ägide des prestigesüchtigen Kaisers für einen konzeptlosen »Imperialismus der Gelegenheiten«, wie ihn Knorr dem Monarchen wenige Tage vor dem Beginn des Spanisch-Amerikanischen Krieges in einem Immediatbericht dargelegt hatte:

»Die Welt ist so ziemlich vergeben und wir sind nicht in der Lage uns, wie seiner Zeit die Engländer, überall an den überseeischen Verkehrsstraßen festzusetzen [...] Wir müssen [deshalb] froh sein, wenn sich Gelegenheiten ergeben[,] dem Bedürfnisse an irgend einer, nicht zu ungünstig gelegenen Stelle abzuhelfen, unbedingt aber zugreifen, wenn eine sobald nicht wiederkehrende Gelegenheit den Erwerb eines Stützpunktes an durchaus günstiger Stelle ermöglicht258.«

Dadurch verlor die überseeische Stützpunktpolitik des Deutschen Reiches ihre seestrategische Zielsetzung und diente fortan bis zum Ersten Weltkrieg »mehr dem Bedürfnis nach Weltgeltung als dem Streben nach Stärkung unserer Seemacht«259. Maßgebend für die engere Auswahl der Gebiete waren nicht mehr militärstrategische, sondern überwiegend wirtschaftliche und prestigepolitische Erwägungen, ferner die Frage, ob eine realistische Chance bestand, dass sich Deutschland die jeweiligen Territorien ohne das Risiko, dadurch schwerwiegende Konflikte mit den anderen Seemächten auszulösen, aneignen könnte. Beim spanischen Kolonialbesitz richtete die Reichsleitung ihr Augenmerk besonders auf die Karolinen, den Suluarchipel und die beiden Philippineninseln Mindanao und Palawan260. Deren Erwerb, argumentierte Knorr, würde »unsern Kolonialbesitz in Oceanien und Neuguinea in wunderbarer Weise arrondiren und wertvoll machen«261. Das Interesse der Reichsleitung richtete sich außerdem auf Ferdinand Po an der westafrikanischen Küste sowie einige der Kanarischen und der Kapverdischen Inseln. Wilhelm II. hatte schon seit Monaten vor allem mit einer Besitzergreifung der Philippinen geliebäugelt. Nach eingehenden Beratungen vor allem mit Bülow und Knorr, der ihn in wöchentlichen Immediatberichten ausführlich über den Verlauf des Spanisch-Amerikanischen Krieges unterrichte-

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Denkschrift von Tirpitz betreffend Erwerbung von militärischen Stützpunkten im Ausland, 11.5.1898, BArch, RM 3/4262, Bl. 59 ff., hier Bl. 60. Tirpitz an Wilhelm II., 24.4.1898, zit. in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 441 ff., hier S. 442. Zitate aus: Knorr an Wilhelm II., 20.4.1898, BArch, RM 2/1834, Bl. 48-53, hier Bl. 49. Schüddekopf, Die Stützpunktpolitik des Deutschen Reiches, S. 8. Gottschall behauptet, dass Knorr die Erwerbung der Insel Luzon vorgeschlagen habe. Tatsächlich hielt er diese Insel für besonders gut geeignet, um dort einen Stützpunkt zu errichten, ihre Erwerbung allerdings hielt er für aussichtslos, da sie im Interessenbrennpunkt der anderen Seemächte lag. Vgl. Anlage zu Knorr an Wilhelm II., 1.7.1898, BArch, RM 2/1834, Bl. 66-77, hier Bl. 73; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 183 f. Anlage zu Knorr an Wilhelm II., 1.7.1898, BArch, RM 2/1834, Bl. 66-77, hier Bl. 76. Tirpitz verbreitete später gezielt die unwahre Behauptung, dass es in der Reichsleitung zu keiner Zeit Bestrebungen gegeben habe, die deutschen Marineinteressen auch auf die Philippinen auszudehnen. Vgl. Tirpitz, Erinnerungen, S. 159.

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te262, entschied der Kaiser schließlich Anfang Juni, den deutschen Interessen im Ost- und Südpazifik mehr Nachdruck zu verleihen, und befahl:

»Geschwaderchef soll sich ein persönliches Urteil über die spanische Lage bilden; die Stimmung der Eingeborenen und Fremden, [deren] Einfluss auf die politische Umgestaltung kurz telegraphisch melden. Fahren mit Kaiser oder mit Postdampfer und Kaiser später nachkommen. Mit dem Geschwader auch deutsche Interessen wahrnehmen auf West Carolinen Inseln. Palaos Inseln Schiff hinschicken, sobald Americaner dies thun263.«

Dies war die letzte Instruktion, die Diederichs bis zum Ende des SpanischAmerikanischen Krieges erhalten sollte264. Für Diederichs kam der neue Befehl des Kaisers zu einer ungünstigen Zeit, denn weder sein Flaggschiff noch die »Prinzeß Wilhelm« waren einsatzbereit. Deshalb zog er die »Kaiserin Augusta«, die gerade in Tsingtau lag, von der II. Division des Kreuzergeschwaders ab und ging mit ihr von Nagasaki nach Manila. Infolge der neuen Befehlslage entschied er, dass nicht nur das Flaggschiff »Kaiser« mit seinem persönlichen Stab, sondern auch die »Prinzeß Wilhelm« nach der Instandsetzung sofort nach Manila verlegen sollte, um dort ihren turnusmäßigen Austausch von Teilen der Besatzung durchzuführen. Unter logistischen Aspekten war diese Entscheidung sinnvoll, politisch jedoch höchst ungeschickt, denn die Zusammenziehung der Kriegsschiffe im Krisengebiet heizte die Spekulationen über die deutschen Ambitionen in den Philippinen unnötig an. »Das Fehlen von Telegraphen- und guten Postverbindungen neben wirtschaftlichen Rücksichten war es«, rechtfertigte sich Diederichs einige Jahre später, »was die Heranziehung von drei weiteren Schiffen nach Manila veranlaßte265.« Anhand der Akten lässt sich die 262 263

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Knorrs Immediatberichte über den Spanisch-Amerikanischen Krieg sind vollständig dokumentiert in den Akten des Marinekabinetts. Vgl. BArch, RM 2/1855. Knorr an Diederichs, 3.6.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 9. Volker Schult behauptet, dass der Kommandierende Admiral dem Geschwaderchef bei der Übermittlung des kaiserlichen Befehls strengste Neutralität nach allen Seiten auferlegt habe. In den Akten findet sich dafür kein Beleg. Vgl. ebd.; Knorr an Bülow, 3.6.1898, PAAA, R 19472 (ohne Paginierung); Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 29. Nach offizieller Darstellung war für die Entsendung des Geschwaderchefs nach Manila »kein anderes Motiv maßgebend [...] als die legitime Verpflichtung, deutsches Leben und Eigentum zu schützen«, wie Bülow im Februar 1899 »mit ganz besonderem Nachdruck« im Reichstag betonte. Zitate aus: Bülow, Reden, Bd 1, S. 70 f. (Rede vom 11.2.1899). Knorr an Wilhelm II., 20.4.1898, BArch, RM 2/1834, Bl. 48-53; Knorr an Wilhelm II. (mit Anlage), 1.7.1898, ebd., Bl. 56-76; Bülow an Tirpitz, 18.5.1898, BArch, RM 3/2992, Bl. 11 f.; Baradon an Bülow, 3.6.1898, ebd., Bl. 14; Denkschrift von Tirpitz betreffend Erwerbung von militärischen Stützpunkten im Ausland, 11.5.1898, BArch, RM 3/4262, Bl. 59 ff.; Denkschrift des OKM betreffend Entsendung des Vizeadmirals von Diederichs nach den Philippinen und Heimkehr S.M.S. Oldenburg, 1.6.1898, BArch, RM 5/916, Bl. 179-183; Jaeschke an Bendemann, 6.4.1898, BArch, RM 5/5954, Bl. 3 f.; Bülow an Hatzfeldt (mit Anlage), 8.6.1898. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 14, Nr. 3806; Bülow an Holleben, 1.7.1898, ebd., Bd 15, Nr. 4151; Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 188 f.; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 277-280; Hase, Lateinamerika als Konfliktherd, Bd 1, S. 431-446; Herwig, »Luxury« Fleet, S. 99-102; Kaulisch, Alfred von Tirpitz und die imperialistische deutsche Flottenrüstung, S. 120-123; Kaulisch, Zur überseeischen Stützpunktpolitik, S. 587 f.; Lennert, Kolonisationsversuche Brandenburgs, Preußens und des Deutschen Reiches in der Karibik, S. 26 ff.; Schüddekopf, Die Stützpunktpolitik des Deutschen Reiches, S. 57-64; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 27 f., 35. Diederichs, Darstellung der Vorgänge vor Manila, S. 254.

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Richtigkeit dieser Darstellung zweifelsfrei belegen. Die Zusammenziehung der fünf Kriegsschiffe in Manila erfolgte ausschließlich aus pragmatischen Gründen. Hätte Diederichs tatsächlich einen aggressiven Plan zur Okkupation der Philippinen verfolgt, dann hätte er sicherlich auch die II. Division des Kreuzergeschwaders noch herangezogen. Diederichs traf mit der »Kaiserin Augusta« am 12. Juni in Manila ein, die beiden anderen Schiffe folgten im Abstand von sechs und acht Tagen. Doch der Truppentransporter »Darmstadt« war bereits am 9. Juni nach einem dreitägigen Aufenthalt im Hafen von Manila wieder ausgelaufen und planmäßig nach Tsingtau gedampft. Anstatt von dort aus weiter nach Nagasaki zu gehen, kehrte der Norddeutsche Lloyd-Dampfer nun Ende Juni noch einmal für ein paar Tage zu den Philippinen zurück, um den Besatzungswechsel abzuschließen266. Als Diederichs dem amerikanischen Geschwaderchef nach seiner Ankunft den obligatorischen Höflichkeitsbesuch abstattete, trat er – für Deweys Empfinden – äußerst schneidig auf und soll im Hinblick auf die Präsenz der deutschen Kriegsschiffe vor Ort demonstrativ gesagt haben: »I am here by order of the Kaiser, Sir267!« Dewey betrachtete den Aufmarsch der deutschen Kreuzer mit großem Misstrauen. Nach dem Eintreffen des »Kaiser« und der »Prinzeß Wilhelm« verfügte Diederichs über einen schlagkräftigeren Verband als er selbst. Seine größte Sorge allerdings galt weiterhin dem starken spanischen Entsatzgeschwader, das sich im Anmarsch auf die Philippinen befand, zumal er nicht sicher sein konnte, ob bis zu dessen Ankunft, mit der er jederzeit rechnete, auch die von ihm angeforderte Verstärkung aus der Heimat eintreffen würde268. Dementsprechend war Dewey sehr nervös. In seinen Memoiren beschreibt er diese Phase als eine »period of anxiety«269. Das Verhältnis zwischen den beiden ambitionierten Admiralen war von Anfang an spannungsgeladen, und es dauerte nicht lange, bis sich diese Spannungen in einem prestigepolitischen Hahnenkampf270 entluden. Dewey fühlte sich durch die starke militärische Präsenz der Deutschen zumindest latent bedroht und zudem durch wiederholte Missachtung seiner Blockaderegeln und damit seiner Autorität von ihnen provoziert. Allerdings war er an den Blockadebrüchen, die nicht nur 266

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Ebd., S. 253 f.; Diederichs an seinen Sohn Fritz, 8.10.1898, BArch, N 255/6 (ohne Paginierung); Diederichs an Knorr, 25.6.1898, BArch, RM 3/4263, Bl. 277-284; Obenheimer an Diederichs, 9.6.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 76-79; Diederichs an Knorr, 23.6.1898, ebd., Bl. 86-89; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 189-196; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 60-64; Pohl, Die Thätigkeit S.M.S. »Irene« in den Gewässern der Philippinen, S. 762. Dewey, Autobiography, S. 224. Das spanische Entsatzgeschwader sollte die Philippinen nicht erreichen, denn kurz nach dem Beginn der Schlacht um Santiago wurde es Anfang Juli in die Heimat zurückbeordert. Vgl. Braisted, The United States Navy, S. 28-32; Wilson, The Downfall of Spain, S. 162-165. Zur Schlacht um Santiago siehe u.a.: Wilson, The Downfall of Spain, S. 297-380; Bendemann, Der Seekrieg, S. 166-170. Dewey, Autobiography, S. 220. Hahnenkämpfe, das sei hier kurz erwähnt, sind auf den Philippinen äußerst populär und haben den Status eines Nationalsports. Im Zuge des philippinischen Unabhängigkeitskampfes gegen die spanische Kolonialherrschaft in den 1890er Jahren gewann die Jahrhunderte alte Tradition auch eine politische Dimension, »cockfighting increasingly acquired explicitly political connotations and cockpits became political as well as avian arenas«. Zitat aus: Guggenheim, Cock or Bull, S. 142.

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von deutschen Schiffen begangen wurden, nicht ganz unschuldig, denn er zeigte den Neutralen die Seeblockade Manilas erst Anfang Juni offiziell an und war bis zu ihrer Aufhebung nicht in der Lage, sie effektiv durchzusetzen271. Deweys Misstrauen verstärkte sich noch infolge zahlreicher Erkundungsfahrten der deutschen Kriegsschiffe nach verschiedenen Orten auf der philippinischen Hauptinsel Luzon, der relativ häufigen, aber durchaus legitimen Besuche von deutschen Offizieren bei spanischen Militärs und Regierungsbeamten und der fortgesetzten spekulativen Presseberichterstattung über deutsche Annexionsabsichten in den Philippinen. Diederichs war sich seiner Rolle als Unruhestifter durchaus bewusst. Mitte Juni etwa schrieb er seinem Sohn Fritz mit Bezug auf die Vorgänge in Manila: »Die Sache ist im Übrigen ganz interessant, wenngleich ich mir hier sehr überflüssig erscheine und kein Mensch begreift, was der deutsche Admiral jetzt hier sucht272.« Anstatt jedoch darauf hinzuwirken, die zunehmenden Spannungen im Verhältnis zu Dewey abzumildern, reagierte Diederichs zunehmend genervt auf dessen Blockadebestimmungen und stellte insbesondere die Legitimität der Identitätsorder und des Visitationsrechtes für alle Schiffe in Frage273. Auf den ersten Blick mag es plausibel erscheinen, dass Diederichs durch dieses Verhalten seinen Aktionsspielraum gegenüber den Amerikanern ausloten wollte. Dafür gibt es allerdings keine konkreten Anhaltspunkte. Zwar wünschte sich Diederichs lebhaft den Erwerb eines Flottenstützpunktes in den Philippinen, auch signalisierte er der Marineführung seine Einsatzbereitschaft für eine etwaige Aktion, aber die Möglichkeiten dafür erachtete er schon vor seiner Beorderung nach Manila als sehr unwahrscheinlich274, und nach seiner Ankunft dort war er rasch desillusioniert275. Bereits 271

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Durch diese Umstände war die Gültigkeit der Blockade nach internationalem Seerecht tatsächlich anfechtbar. Siehe Perels, Das internationale öffentliche Seerecht der Gegenwart, S. 265-272; Liszt, Das Völkerrecht systematisch dargestellt, S. 320 ff. Diederichs benutzte in seinen amtlichen Berichten statt eines harten Begriffes wie Ineffizienz meist den euphemistischen Terminus »milde Handhabung« der Blockade. Diederichs an seinen Sohn Fritz, 17.6.1898, BArch, N 255/6 (ohne Paginierung). Gottschall zieht aus diesem Kommentar den merkwürdigen Schluss, dass sich Diederichs in seiner Rolle als Unruhestifter gefallen habe. Vgl. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 193. Im damaligen Standardwerk zum internationalen Seekriegsrecht, das gemäß einer amtlichen Verordnung in der Bordbibliothek eines jeden Schiffes der Kaiserlichen Marine vorhanden war, heißt es dazu unmissverständlich: »Kriegsschiffe und andere Staatsschiffe der Neutralen sind dem Visitationsrecht nicht unterworfen«. Zitat aus: Perels, Das internationale öffentliche Seerecht der Gegenwart, S. 281. Somit war Diederichs’ von Beginn an ablehnende Haltung zum Visitationsrecht zwar formal korrekt, aber diplomatisch höchst ungeschickt. An seine Frau Henni etwa schrieb er am 14. Mai: »Sollte aber der [Spanisch-Amerikanische] Krieg sich in die Länge ziehen, gegen meine Erwartung, oder sollten bei der Theilung der Beute (Philippinen) Streitigkeiten unter den Großstaaten auftreten, so könnte mich das im Juli nach Manila führen.« Und in einem privatdienstlichen Brief an Senden-Bibran, den er vier Tage später verfasste, heißt es unter anderem: »Das[s] eine Zwischenstation, etwa auf den Philippinen, die Sicherheit [unserer Stellung in Ostasien], namentlich Rußland u[nd] Japan gegenüber, wesentlich unterstützen würde, liegt auf der Hand. England scheint aber schon ein festes Abkommen mit Amerika zu haben, wonach die Inselgruppe der Lohn des hochherzigen Löwen sein soll dafür, daß er dem Wolf Cuba zur Beute gibt. [...] Wenn [jedoch] für uns irgend eine Ausicht vorhanden [ist], in den Philippinen eine, wenn auch bescheidene Station zu gewinnen, so würde ich trotz Hitze u[nd] Taifunen gern mit der ganzen 1ten Division [des Kreuzergeschwaders] nach Manila gehen.« Zitate

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nach seiner ersten Unterredung mit Dewey wurde ihm klar, dass dieser trotz seiner Versicherung, Amerika wolle »die Philippinen nicht besetzen«, auf jeden Fall »das Recht der Eroberung unzweifelhaft für die Vereinigten Staaten sichern will«276. Nachdem Diederichs auch mit spanischen Regierungsvertretern und Rebellenführern gesprochen hatte, gelangte er Ende Juni zu der Ansicht, dass ernsthafte Chancen für die Errichtung einer deutschen Flottenbasis in dem Archipel nur für den Fall bestünden, dass die Rebellen eine eigenständige Regierung bildeten. »Es müsste dann dahin gestrebt werden«, berichtete er an den Kommandierenden Admiral, »den guten Ruf deutscher Uneigennützigkeit und Regierungskunst bei den Eingeborenen zu erhalten und zu steigern, um bei einem unvermeidlichen Zusammenbruch des Selbstregiments auf Ansuchen helfend eingreifen zu können277.« Anschließend, das impliziert sein Vorschlag, könne die Reichsleitung die Überlassung einer Flottenbasis als Dankeszoll erpressen, ähnlich wie sie es in China nach dem Einspruch von Shimonoseki versucht hatte. An dieser Einschätzung sollte sich bis zu Diederichs Abberufung aus Manila Mitte August nichts ändern278. Anfang Juli eskalierte die schwelende Auseinandersetzung zwischen den beiden Geschwaderchefs und drohte, sich zu einem ernsthaften deutsch-amerikanischen Konflikt hochzuschaukeln. Auf einer Erkundungsfahrt in der Subic Bay279 war die »Irene« zufällig auf den Rebellendampfer »Compania de Filipinas« getroffen, der gerade zum Angriff auf die von den Spaniern gehaltene Insel Isla Grande ansetzen wollte280. Obenheimer verhinderte den Angriff. Er informierte die Rebellen, dass er

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aus: Diederichs an Senden-Bibran, 18.5.1898, BArch, N 160/7, Bl. 18-21, hier Bl. 20 f.; Diederichs an seine Frau Henni, 14.5.1898, BArch, N 255/4 (ohne Paginierung). Gottschall ist gegenteiliger Ansicht, kann diese aber nicht belegen. Jedenfalls wird in der von ihm als Beleg angeführten Passage in Diederichs’ apologetischem Beitrag über die Manila-Krise, den er 1914 als Reaktion auf Deweys Autobiographie in der Marine-Rundschau veröffentlichte, die Stützpunktfrage nicht einmal andeutungsweise thematisiert. Allerdings konstatiert auch Gottschall, dass Diederichs Ende Juni definitiv jegliche Hoffnung verloren hatte, dass Deutschland im Zuge des Spanisch-Amerikanischen Krieges noch einen Stützpunkt auf den Philippinen erwerben könne. Vgl. Diederichs, Darstellung der Vorgänge vor Manila, S. 254 ff.; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 192, 199. Zitate aus: Diederichs an Knorr, 25.6.1898, BArch, RM 3/4263, Bl. 277-284, hier Bl. 278. Ebd., Bl. 284. Diederichs an Knorr, 25.6.1898, BArch, RM 3/4263, Bl. 277-284; Diederichs an Knorr, 2.8.1898, BArch, RM 3/4264, Bl. 90-106, hier Bl. 105 f.; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 191-199; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 29-33; siehe auch: Diederichs an Knorr, 9.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 242 f. Die Subic Bay lag auf der philippinschen Hauptinsel Luzon und damit im Interessenbrennpunkt der anderen Seemächte. Deshalb war sie von der Reichsleitung, anders als Gottschall und Schult behaupten, zu keiner Zeit als potenzieller deutscher Stützpunkt gehandelt worden. Diederichs ließ durch Obenheimer lediglich eruieren, ob das Geschwader dort während drohender Taifune sicher liegen würde. Vgl. Diederichs an Obenheimer (Segelordre), 3.7.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 115; Anlage zu Knorr an Wilhelm II., 1.7.1898, BArch, RM 2/1834, Bl. 66-77, hier Bl. 72; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 184; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 31; siehe auch: Obenheimer an Diederichs, 7.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 244 f. Bei der »Compania de Filipinas« handelte es sich um einen Handelsdampfer einer spanischen Tabakgesellschaft, dessen philippinische Mannschaft Ende Juni gegen ihre spanischen Offiziere gemeutert, anschließend das Schiff übernommen und sich den Aufständischen angeschlossen hatte. Vgl. Krüger an Hintze, 11.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 291 f.; Diederichs an Knorr,

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eine Beschießung der Insel gemäß dem internationalen Seerecht als einen Akt der Piraterie bewerten und dementsprechend intervenieren müsse, da ihre Flagge international nicht anerkannt sei281. Die Aufständischen hatten den Geschützen der »Irene« nichts entgegenzusetzen, deshalb holten sie rasch die Flagge nieder und brachen den Angriff ab. Während Obenheimer weiter nach Olongapos fuhr, um dort nach deutschen Reichsangehörigen zu suchen und diese zu evakuieren282, dampfte die »Compania de Filipinas« nach Cavite. Dort beschwerte sich der Kommandant bei Aguinaldo, dass »the Germans were friends of Spain and would not allow the Spaniards in that place to be molested and that if [the insurgents] persisted in trying to land they would be shelled by Irene«283. Aguinaldo informierte umgehend den amerikanischen Geschwaderchef, dass die Deutschen durch ihre Einmischung den Angriff auf Isla Grande verhindert hätten. Dewey bewertete diesen Vorfall als Bruch der Neutralität. Er zögerte nicht lange, sondern schickte gleich zwei Kriegsschiffe nach Isla Grande mit dem Auftrag, die Insel zu erobern. Zu diesem Zeitpunkt war die »Irene« gerade dabei, einige Zivilisten und einen schwerverwundeten Soldaten von dort zu evakuieren. Tags darauf, im Morgengrauen des 7. Juli, erreichten die beiden amerikanischen Kriegsschiffe die Subic Bay und postierten sich gefechtsklar in der Einfahrt der Bucht. Vollkommen überrascht entschloss sich Obenheimer, die Subic Bay umgehend zu verlassen und nach Manila zurückzukehren. Kaum war die »Irene« am Horizont verschwunden, eröffneten die amerikanischen Kriegsschiffe das Feuer auf die spanischen Stellungen. Die Spanier leisten keinerlei Gegenwehr, sondern hissten sofort die weiße Fahne und ergaben sich den Amerikanern284.

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14.7.1898, ebd., Bl. 317-323, hier Bl. 322; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 97, Anm. 6. Diese Haltung wurde von der Marineleitung nicht geteilt. Als Anfang September zwei Schiffe unter tagalischer Flagge Hongkong mit Kurs auf die Philippinen verließen, wünschte die spanische Regierung, dass diese von Kriegsschiffen anderer Nationen als Piraten behandelt würden. Kapitän zur See Jaeschke, Chef des Stabes im OKM, sah dafür keinen Grund. Nach einer entsprechenden Anfrage des Auswärtigen Amtes stellte er klar, »daß die [Kaiserliche] Marine [zwar] daran forthalte, die Flagge der Philippinen-Insurgenten nicht anzuerkennen. Deswegen liege aber noch keine Veranlassung vor, Schiffe, welche solche Flagge führen, direkt als Piraten zu behandeln, so lange sie nicht deutsche Interessen verletzen«. Wenige Tage später erledigte sich die Angelegenheit von selbst, als die beiden tagalischen Schiffe von spanischen Kanonenbooten versenkt wurden. Zitat aus: Aktennotiz des Auswärtigen Amtes vom 5.9.1898, PAAA, R 19470. Vgl. ebd.; Radowitz an AA, 4.9.1898, PAAA, R 19470; Radowitz an AA, 14.9.1898, ebd.; Aktennotiz des Auswärtigen Amtes vom 17.8.1898, ebd.; siehe dazu auch das entsprechende Gutachten der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, o.D. [6.12.1898], ebd. (ohne Paginierung). Die »Irene« besuchte verschiedene Orte in der Subic Bay, fand aber nirgends deutsche Reichsangehörige. Vgl. Diederichs an Krüger, 7.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 218 f. Chichester an Holland, 9.7.1898, zit. nach: Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 97, Anm. 8. Diederichs an Obenheimer (Segelordre), 3.7.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 115; Obenheimer an Diederichs (mit Anlagen), 7.7.1898, ebd., Bl. 119-129; Obenheimer an Prinz Heinrich, 22.7.1898, ebd., Bl. 133 f.; Obenheimer an Diederichs, 7.7.1898, ebd., Bl. 238; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 199-206; Pohl, Die Thätigkeit S.M.S. »Irene« in den Gewässern der Philippinen, S. 763 f.; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 77-87; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 30 f.

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Nachdem Obenheimer über die Vorgänge in der Subic Bay Bericht erstattet hatte, war Diederichs sofort klar, dass der Vorfall mit der »Compania de Filipinas« seinen Konflikt mit Dewey spürbar verschärfen werde285. Deshalb befahl er umgehend, dass die deutschen Kriegsschiffe ab sofort »Alles [zu] vermeiden [haben], was Admiral Dewey berechtigten Anlaß zur Verschärfung der Blockade geben würde, das heißt: im Rahmen der anerkannten Bestimmungen des Blockaderechts, unter Wahrung der Rechte Neutraler möglichstes Entgegenkommen dem Blockierenden gegenüber286.« An seiner ablehnenden Haltung zu einigen Blockaderegeln, besonders der Identitätsorder, änderte das nichts. Durch diese Maßnahme erhoffte sich Diederichs einerseits eine gewisse Entspannung in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, denn er wollte keinesfalls einen ernsthaften Zusammenstoß mit den Amerikanern provozieren, andererseits aber sollte sie ihn auch »in die Lage [versetzen], bei etwaiger Verletzung des Blockaderechts seitens des Blockierenden unser Recht mit größtem Nachdruck wahrzunehmen«287. Als demonstratives Zeichen seines guten Willens, aber auch aus praktischen Gründen, detachierte er kurz darauf die »Irene« für einige Wochen nach Kiautschou, wo sie die »Arcona« als Stationsschiff ablöste. Gleichzeitig beorderte er die »Arcona« in die Südsee, denn Anfang Juli hatte der amerikanische Kreuzer »Charleston«, eines der Schiffe, die Deweys Geschwader in der Manila-Bucht verstärken sollten, auf dem Transit nach den Philippinen die bislang von Spanien annektierte Insel Guam besetzt288. »Über den Marianen weht heute also das Sternenbanner«, hatte Krüger ihm einige Tage später theatralisch berichtet, »und dann sagen die Herren immer noch, daß Amerika keine Annexionsgelüste habe«289. Diederichs ließ die »Arcona« bis auf Weiteres im Karolinen- und MarianenArchipel patrouillieren, mit dem Auftrag, sich auf friedlichem Wege, im Verein mit den dort lebenden Auslandsdeutschen, aktiv für die Wahrung der deutschen Interessen einzusetzen290. Formal besaß er dafür keine Handlungsgrundlage. Im kaiser285

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Gottschall meint, dass Diederichs auch die Evakuierung der spanischen Zivilisten von Isla Grande als einen relevanten Faktor für die weitere Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehungen angesehen habe. Diese These ist fragwürdig, denn Diederichs hatte Obenheimer zuvor genau das ausdrücklich befohlen. Abgesehen davon zeigte sich Dewey mit dieser humanitären Hilfeleistung vollkommen einverstanden, das galt sogar für die Evakuierung des schwerverwundeten spanischen Soldaten. Vgl. Diederichs an Knorr, 9.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 242 f.; Diederichs an Obenheimer (Segelordre), 3.7.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 115; Gottschall, Spanish-American War, S. 87. Knorr an Wilhelm II., 17.8.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 202 ff., hier Bl. 204. Siehe auch: Diederichs an Knorr, 7.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 216 f. In seinem apologetischen Beitrag für die Marine-Rundschau aus dem Jahre 1914 behauptete Diederichs, er habe von Anfang an nach diesem Prinzip gehandelt. Diese Darstellung ist nicht korrekt. Vgl. Diederichs, Darstellung der Vorgänge vor Manila, S. 256. Knorr an Wilhelm II., 17.8.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 202 ff., hier Bl. 204. Zur amerikanischen Besetzung von Guam siehe: Walker, Guam’s Seizure by the United States in 1898. Krüger an Hintze, 4.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 189 f., hier Bl. 190. Diederichs hatte bereits Mitte Juni erwogen, die »Arcona« zum Schutz der deutschen Interessen nach den Karolinen zu entsenden, weil dort laut Zeitungsmeldungen ein Aufruhr gegen die spanischen Kolonialherren ausgebrochen war. Zu dieser Zeit jedoch stand ihm kein Kriegsschiff zur Verfügung, das die »Arcona« als Stationsschiff in Kiautschou hätte ablösen können. Diese Aufgabe übernahm nun die »Irene«. Vgl. Knorr an Wilhelm II., 21.6.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 82 ff.

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lichen Befehl vom 3. Juni hieß es ausdrücklich: »Mit dem Geschwader auch deutsche Interessen wahrnehmen auf West Carolinen Inseln. Palaos Inseln Schiff hinschicken sobald Americaner dies thun291.« Weil Diederichs seitdem keine neuen Befehle aus Berlin erhalten hatte und die Telegrafenverbindung nach Manila noch immer unterbrochen war, entschied er nach der Besetzung von Guam durch die Amerikaner eigenmächtig: »Dieser Hinweis [des Kaisers auf die westlichen Karolinen- und die Palauinseln – H.H.] schließt nicht aus, daß das K[aiserliche] K[ommando des Kreuzergeschwaders] sich auch der vorhandenen oder auf Anregung zu schaffenden deutschen Interessen auf den Ost Carolinen und den Ladronen (Marianen) Inseln annimmt«; deshalb, lautete seine Anweisung an den Kommandanten der »Arcona«, seien »die Deutschen und ihre Interessen [nicht nur] auf den Carolinen, [sondern auch auf den] Marianen und Pelewinseln zu schützen«292. Diederichs hatte zu diesem Zeitpunkt längst jede Hoffnung verloren, im Zuge des Spanisch-Amerikanischen Krieges einen Stützpunkt in den Philippinen zu erwerben, aber er sah noch gute Chancen, zumindest große Teile der spanischen Südsee-Kolonien für das Deutsche Reich in Besitz zu nehmen, da diese nicht im Interessenbrennpunkt der USA lagen. Mit der Entsendung der »Arcona« in den Karolinen- und Marianen-Archipel sollten diese Chancen gewahrt werden293. Nachdem Dewey am 8. Juli gegen einige Verletzungen der Blockaderegeln durch deutsche Schiffe, vor allem gegen die vermeintliche Neutralitätsverletzung durch die »Irene«, förmlich protestiert hatte, schickte Diederichs seinen Flaggleutnant Paul Hintze zur Klärung der Vorfälle auf das amerikanische Flaggschiff »Olympia«294. Anfangs verlief das Gespräch ruhig und sachlich, bis Hintze sich – auftragsgemäß – über die Identitätsorder und das Visitationsrecht für alle Schiffe innerhalb der Blockadezone beschwerte, wobei er einen Zwischenfall mit der »Irene« vom 27. Juni hervorhob, als diese beim Einlaufen in die Manila-Bucht ohne besonderen Grund gestoppt und visitiert worden war295. Dewey empfand diese 291 292 293 294

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Knorr an Diederichs, 3.6.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 9. Die Palauinseln sind die westlichste Inselgruppe der Karolinen. Zitate aus: Diederichs an Becker (Segelordre), 8.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 234 ff., hier Bl. 235 f. Diederichs an Obenheimer (Segelordre), 8.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 234; Diederichs an Becker (Segelordre), 8.7.1898, ebd., Bl. 234 ff.; Krüger an Diederichs, 9.7.1898, ebd., Bl. 249 f. Diederichs wollte die mündlich durch den amerikanischen Flaggleutnant überbrachte Protestnote zuerst schriftlich entgegnen. Ein entsprechender Entwurf ist in den Bordakten des Kreuzergeschwaders enthalten. Dann jedoch entschloss sich der Geschwaderchef, wie Hintze auch in einer Randnotiz auf dem vorgenannten Dokument vermerkt hat, aus diplomatischen Gründen seine Entgegnung ebenfalls mündlich durch seinen Flaggleutnant überbringen zu lassen. Vgl. Diederichs an Dewey, o.D. [10.7.1898], BArch, RM 38/43, Bl. 251 ff. Gottschalls Darstellung, Diederichs habe Deweys Protestnote schriftlich entgegnet, ist falsch. Vgl. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 207; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 90. Zur Person Paul Hintze siehe Kap. II, Anm. 318. Siehe dazu: Diederichs an Knorr, 14.7.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 238-244, hier Bl. 239; Dewey an Diederichs, 11.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 279 f.; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 77 f.; Pohl, Die Thätigkeit S.M.S. »Irene« in den Gewässern der Philippinen, S. 763. Dieser Zwischenfall wurde in der amerikanischen und deutschen Presse vollkommen übertrieben dargestellt, was die öffentliche Meinung in beiden Ländern aufheizte. Angeblich sei die »Irene« nur durch einen Schuss vor den Bug zu stoppen gewesen. Diederichs dementierte die-

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Beschwerde, zumal vor dem Hintergrund der jüngsten Vorfälle, als eine neuerliche Missachtung seiner Autorität und geriet darüber »in einen Zustand hochgradiger Erregung«296. Mit Nachdruck reklamierte er für sich das Recht, in der Blockadezone jedes Schiff, egal ob Handels- oder Kriegsschiff, zur Feststellung der Identität kontrollieren lassen zu können. Dann sagte er, laut Hintze: »Why, I shall stop each vessel, whatever may be her colors! And if she does not stop, I shall fire at her! And this means war, do you know, Sir! And I tell you, if Germany wants war, all right, we are ready297!« Kurz darauf war die Unterredung beendet. Hintze meldete Diederichs, er habe den Eindruck gehabt, »als ob bei diesem an und für sich geringfügigen Anlaß ein seit Langem bei Admiral Dewey aus Argwohn, Gerüchten und Zeitungsnachrichten zusammengehäufter Zündstoff zur Explosion gekommen wäre«298. Der Geschwaderchef teilte diese Einschätzung. Zwar befahl er seinen Schiffen, ab sofort vor dem Ein- und Auslaufen aus der Manila-Bucht präventiv Gefechtsbereitschaft herzustellen299, insgesamt aber reagierte er besonnen. Bei der Entscheidungsfindung war er ganz auf sich allein gestellt, denn er hatte weder klare politische Instruktionen für den Konfliktfall erhalten, noch konnte er seine unmittelbare Reaktion mit der Reichsleitung telegrafisch abstimmen. Er habe diesen Vorfall »mit der Unreife und Unerzogenheit der amerikanischen Nation entschuldigen [...] müssen«, begründete er sein weiteres Vorgehen gegenüber dem Kommandierenden Admiral, »welche keine Zeit gehabt hat, neben den materiellen Fortschritten ihre Söhne auch Takt und gute Sitte zu lehren«300. Diese arrogante Attitüde zeigt deutlich, dass sich Diederichs durch die rüde Kriegsdrohung des amerikanischen Geschwaderchefs in seiner soldatischen Ehre zutiefst verletzt gefühlt hat. Da sich jedoch das Kräfteverhältnis nach dem Eintreffen der ersten Verstärkung aus den USA bereits Ende Juni zugunsten der Amerikaner verschoben hatte, und eine

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se Darstellung offiziell gegenüber der Reichsleitung und verfasste eine apologetische Gegendarstellung, die über das deutsche Konsulat in Hongkong an den Ostasiatischen Lloyd lanciert wurde. Vgl. Diederichs an das deutsche Konsulat in Hongkong, 20.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 392 ff.; Prinz Heinrich an Knorr, 22.7.1898, BArch, RM 38/48, Bl. 135; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 89; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 32. Diederichs an Knorr, 14.7.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 238-244, hier Bl. 241. Ebd., Bl. 240. Ebd., Bl. 240 f. Diederichs schickte am 11. Juli die »Prinzeß Wilhelm« und die »Kaiserin Augusta« vor die Bucht von Manila, um dort den von einer Erkundungsfahrt zurückkehrenden »Cormoran« abzufangen, damit dessen Kommandant nicht, unwissend über die jüngste Eskalation im Konflikt mit Dewey, den Amerikanern die Identifizierung, hierbei vor allem das Visitationsrecht, verweigerte, was die Auseinandersetzung zwischen den beiden Admiralen unweigerlich weiter angeheizt hätte. Da weitere Zwischenfälle dennoch nicht auszuschließen waren, verfügte Diederichs, dass alle deutschen Kriegsschiffe, die von oder nach Manila gehen wollten, sich innerhalb der Blockadezone nur gefechtsklar bewegen durften. Diese Verfügung wurde nach der Verständigung zwischen Diederichs und Dewey am 16. Juli wieder aufgehoben. Vgl. Diederichs an Brussatis, Köllner, Stubenrauch und Truppel, 11.7.1898, BArch, RM 38/43, Bl. 275 f.; Diederichs an Köllner und Truppel, 11.7.1898, ebd., Bl. 283 f.; Diederichs an Brussatis, Köllner, Stubenrauch und Truppel, ebd., 16.7.1898, Bl. 354. Diederichs an Knorr, 14.7.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 238-244, hier Bl. 241. Wilhelm II. pflichtete dieser Einschätzung vollumfassend bei. Vgl. ebd., Randbemerkung Wilhelms II.

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formale Kriegserklärung ohnehin zu den Prärogativen der politischen Regierung zählte, blieb ihm letztlich keine andere Wahl, als den Konflikt möglichst rasch zu entschärfen. Nach einem umfangreichen Schriftwechsel gelangte er schließlich wenige Tage später mit Dewey zu einer Verständigung301. Immerhin konnte sich Diederichs, unterstützt von den anderen Neutralen, mit seiner Auffassung durchsetzen, dass die Identität der Schiffe problemlos durch ihr Äußeres und ihre Flagge festzustellen und ein Visitationsrecht von Kriegsschiffen neutraler Staaten nicht durch das internationale Seerecht legitimiert sei302. Fortan beschränkte sich Dewey auf das Recht zur Kommunikation mit allen in die Blockadezone einlaufenden Schiffen. Diederichs registrierte diesen diplomatischen Erfolg mit Genugtuung. Für ihn war die Angelegenheit damit erledigt. Zwar blieb das Verhältnis der beiden Admirale auch weiterhin stark angespannt, aber zu schwerwiegenden Zwischenfällen kam es bis zum Ende des Spanischen-Amerikanischen Krieges nicht mehr. Dem Kommandierenden Admiral meldete Diederichs: »Unsere Beziehungen zu den Amerikanern sind förmlich, aber nicht unfreundlich«303. Dewey hingegen, und das ist bezeichnend, hielt die Zwischenfälle mit den Deutschen im Verhältnis zum restlichen Kriegsgeschehen letztlich für so unwichtig, dass er seinen Vorgesetzten darüber nicht einmal Bericht erstattete304. Der Zwischenfall in der Subic Bay fand auch sein Echo in der Presse. Mitte Juli kolportierten mehrere internationale Zeitungen in China den Vorwurf des Neutralitätsbruches durch die Deutschen. Als Prinz Heinrich, der sich zu dieser Zeit in Kiautschou aufhielt und sich über die Vorgänge informieren ließ, davon Kenntnis erlangte, veranlasste er zur Schadensbegrenzung sofort eine entsprechende Gegendarstellung im Ostasiatischen Lloyd. Die »Irene« sei »nur im Dienste der Menschlichkeit thätig [gewesen]«, heißt es darin, »ohne im geringsten gegen die Regeln der Neutralität zu verstossen. Eine andere Auslegung dieser Thatsachen kann nur als ein Versuch, Missstimmung zwischen Deutschen und Amerikanern zu säen, aufgefasst werden«305. Allerdings kam die Gegendarstellung zu spät, um das Meinungsbild noch signifikant beeinflussen zu können. Im »Pressekrieg« waren die Deutschen den Amerikanern deutlich unterlegen, was Diederichs im Rückblick heftig kritisierte: 301

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Der Schriftwechsel ist vollständig dokumentiert in: BArch, RM 38/43. Während beim Kreuzergeschwader noch sämtlicher Schriftverkehr handschriftlich abgewickelt werden musste, stand dem »Asiatic Squadron« dafür bereits eine Schreibmaschine zur Verfügung. Bei der Kaiserlichen Marine wurden Schreibmaschinen im Bordbetrieb erst ab 1904 eingesetzt. Vgl. Wiechmann, Die Überlieferung von deutschen Marineakten, S. 400. Siehe dazu Kap. IV, Anm. 273. Dieser Grundsatz wurde auch in eine Geheim-Verfügung des Reichsmarineamts über das »Verhalten neutraler Kriegsschiffe beim Anlaufen blockirter Häfen« vom 24.6.1901 aufgenommen, die an alle Schiffskommandanten ausgehändigt wurde. Vgl. Geheim-Verfügungen zur Mitgabe an S.M. Schiffe, Nr. 20, S. 57. Knorr an Wilhelm II., 30.7.1898, BArch, RM 2/1898, Bl. 170. Diederichs an Knorr (mit Anlagen), 14.7.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 238-251; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 206-211; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 88-96; Hintze, Marineoffizier, S. 23 ff.; Schult, Rebellion und Revolution in den Philippinen, S. 30 ff.; Spector, Admiral of the New Empire, S. 75-79. S.M.S. »Irene« vor Manila. In: Der Ostasiatische Lloyd, 12 (1898), S. 43.

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»Die neue Zeit hat dem Zeitungskrieg einen Platz unter den Waffen, mit denen die Völker ihre Fehden austragen, zuerkannt, und damit werden wir uns abfinden müssen. Recht bedauerlich ist es, daß wir unseren Gegnern hier [in Ost- und Südostasien] in der Publizistik so schlecht gewappnet gegenüberstehen. Den zahlreichen Englischen und Amerikanischen Organen – was augenblicklich gleichbedeutend ist – setzen wir ein einziges Blatt von einiger Bedeutung, noch dazu eine Wochenschrift, den Ostasiatischen Lloyd, entgegen. Dazu kommt, daß das englisch sprechende Publikum ihn wohl nur zum allergeringsten Theil liest. Freilich übernehmen die englisch schreibenden Zeitungen hervorragende Artikel aus dem Lloyd. Aber die Parade kommt zu spät, der Hieb hat schon gesessen. Die widerwärtigen Verläumedungen und Schmähungen, deren Opfer wir in den letzten 4 Monaten nahezu widerstandslos gewesen sind, hätten nicht solchen Umfang annehmen und so verderblich wirken können, wären wir dem Angriff mit der Vertheidigung oder, noch besser, mit dem Angriff begegnet. An Material fehlte es uns wahrlich nicht, wohl aber an Mitteln. Hätten wir eine einzige englische Zeitung zur Verfügung gehabt, so würden wir nicht, wie es jetzt geschieht, – darüber sollen wir uns nicht täuschen – von fast der gesammten englisch redenden Welt, Ehrliche wie Unanständige, als schuldig angesehen werden306.«

Diederichs’ Vorschlag, eine englischsprachige Zeitung in Ostasien zu kaufen und für deutsche Propagandazwecke zu instrumentalisieren307, wurde von der Reichsleitung nicht aufgegriffen. Infolge der Besitzergreifung Kiautschous jedoch verbesserte sich die publizistische Stellung der Deutschen zunehmend308. Ab Oktober 1904 verfügten sie schließlich auch über eine Tageszeitung, die »Tsingtauer Neuesten Nachrichten«, die rasch zum wichtigsten deutschen Presseorgan in Ostasien neben dem Wochenblatt »Der Ostasiatische Lloyd« avancierte. Aufgrund der beschädigten Seekabelverbindung erhielten sowohl die Reichsleitung als auch die amerikanische Regierung Nachrichten von den Philippinen immer erst mit einigen Tagen Verspätung über die Telegrafenstation in Hongkong. Während sich der prestigepolitische Hahnenkampf der beiden Admirale zunehmend verschärfte, waren ihre Regierungen um Mäßigung bemüht. Auf beiden Seiten galt ein Krieg wegen der Philippinen als inopportun. Deshalb zeigte sich die Reichsleitung erleichtert, dass Diederichs den Konflikt mit Dewey nach der Eskalation von sich aus konsequent entschärfte. Selbst der Kaiser war voll des Lobes und befand: »Diederichs hat seine Sache mit ebensoviel Takt wie Ernst und Energie geführt309.« Mit keinem Wort hingegen wurde kritisiert, dass der Geschwaderchef durch sein unkooperatives – und damit aus Deweys Sicht zu Recht provokatives – Auftreten gegenüber den Amerikanern in den Wochen zuvor erheblich zur Eskala306 307 308

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Diederichs an Knorr, 28.8.1898, BArch, RM 3/4264, Bl. 144-178, hier Bl. 155 f. Ebd., Bl. 156. Bislang ist weder die Geschichte der deutschen Presse noch die deutsche Pressepolitik in Ostasien umfassend historisch aufgearbeitet worden. Einige Anhaltspunkte bieten: Otto Corbach, Deutsche Zeitungen und deutsche Interessen in Ostasien. In: Koloniale Zeitschrift, 6 (1905), 21, S. 369 ff., 23, S. 409 ff., 25, S. 444 f.; Kreissler, L’action culturelle allemande en Chine, S. 82-90; Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd 3, S. 95-101; Seelemann, The Social and Economic Development of the Kiaochou Leasehold, S. 32-38; siehe auch: Pöppinghege, »Mit mittelmaessigen Geistesgaben und Vorkenntnissen ausgerüstet«, S. 157-169. Randbemerkung Wilhelms II. zu Diederichs an Knorr, 14.7.1898, BArch, RM 2/1855, Bl. 238-244, hier Bl. 238.

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tion des Konfliktes beigetragen und zudem die Chancen zur Erwerbung eines deutschen Stützpunktes in den Philippinen zunichte gemacht hatte. Nach der Kapitulation von Havanna Mitte Juli und dem Fall von Manila310 knapp einen Monat später war der Spanisch-Amerikanische Krieg beendet. Mit dem Waffenstillstand und den bald darauf eingeleiteten Friedensverhandlungen zwischen Spanien und den USA war Diederichs’ Präsenz in den Philippinen überflüssig. Knorr beorderte ihn deshalb Mitte August nach Batavia, wo er mit seinem Flaggschiff an den Feierlichkeiten anlässlich der Thronbesteigung der niederländischen Königin Wilhelmina I. teilnahm311. Die restlichen Schiffe des Kreuzergeschwaders wurden im Einsatzgebiet der Ostasiatischen Station verteilt. Allerdings blieb bis zur formalen Annexion der Philippinen durch die USA im Frühjahr 1899 immer ein Schiff des Kreuzergeschwaders in Manila stationiert, um die weitere Lageentwicklung zu beobachten312. Nach der Okkupation Manilas durch die Amerikaner war bei der Reichsleitung auch die letzte Hoffnung auf den Erwerb einer Flottenstation in den Philippinen geschwunden. Immerhin jedoch gelang es Bülow durch geschickte diplomatische Verhandlungen mit den USA, Spanien und Großbritannien, zumindest einen kleinen Teil des spanischen Kolonialbesitzes als »Kompensation« zu erwerben313. Am 17. Februar 1899 kaufte das Deutsche Reich von Spanien für 17 Millionen Mark die Karolinen- und Palauinseln sowie den Marianen-Archipel mit Ausnahme von Guam, das von den Amerikanern annektiert wurde314. Die formale Besitzergreifung der drei Inselgruppen erfolgte einige Monate später durch das Kanonenboot »Jaguar«, das im Spätherbst 1899 auf den jeweiligen Hauptinseln Ponape, Yap und Saipan die deutsche Flagge hisste315. Wirtschaftlich waren diese Archipele bedeutungslos, 310 311

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Zum Fall von Manila siehe u.a.: Diederichs an Knorr, 18.8.1898, BArch, RM 3/4264, Bl. 109 ff.; Diederichs an Knorr, 28.8.1898, ebd., Bl. 144-178. Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 218 f.; Gottschall, Germany and the Spanish-American War, S. 119 ff.; siehe auch: Diederichs an Köllner, 20.8.1898, BArch, RM 38/46, Bl. 4-7; Knorr an Marschall, 30.8.1898, PAAA, R 19470 (ohne Paginierung); S.M.S. »Kaiser« in Batavia. In: Deutsche Marine-Zeitung, 5 (1898), S. 43. Nebenbei sondierte Diederichs die Möglichkeit, einen Stützpunkt für das Deutsche Reich auf den Niederländischen Antillen zu erwerben. Vgl. Diederichs an Knorr, 19.10.1898, PAAA, R 2534 (ohne Paginierung). Zunächst hielt die »Prinzeß Wilhelm«, dann die »Arcona« und zuletzt die »Irene« die Stellung in Manila. Sämtliche Lageberichte und Korrespondenz der Schiffskommandos aus dieser Zeit sind dokumentiert in: BArch, RM 38/44b, 45 und 46. Dazu gehört auch eine umfangreiche Artikelsammlung über die Lageentwicklung auf den Philippinen, überwiegend aus zeitgenössischen philippinischen Tageszeitungen. Vgl. BArch, RM 38/49. Zu den teilweise parallel geführten Verhandlungen zwischen Großbritannien, Deutschland und Portugal über die Zukunft der portugiesischen Kolonien, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, siehe u.a.: Tschapek, Bausteine eines künftigen deutschen Mittelafrika, S. 25-128; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 201-235; siehe auch: Wipperfürth, Von der Souveränität zur Angst, S. 103-111. Siehe dazu u.a.: Brown, The German Acquisition, S. 137-155; Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 378-410; Kaikkonen, Deutschland und die Expansionspolitik der USA, S. 110-129; Pommerin, Der Kaiser und Amerika, S. 87-95. Der Vertragstext ist abgedruckt in: Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890-1911, S. 201 f. Kinderling an Prinz Heinrich, 20.11.1899, BArch, RM 3/3260, Bl. 64-74; Immediatbericht des Admiralstabes zur Rundreise von S.M.S. Jaguar durch die Karolinen-, Palau- und Marianen-Inseln zur Besitzergreifung, 8.1.1900, BArch, RM 5/879, Bl. 24 ff.

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auch ihr militärstrategischer Wert war gering316. Nüchtern betrachtet handelte es sich somit nur um eine schmale Beute, vor allem, wenn man die anfangs hochtrabenden Annexionswünsche der Reichsleitung bedenkt, aber Bülow freute sich dennoch über den neuen »Stein«, den er »für den stolzen Bau des ›größeren Deutschland‹«317 hatte legen können, und vor allem über den daraus resultierenden Prestigegewinn für Kaiser und Reich. Zudem gelang es ihm im Laufe des Jahres 1899, den gordischen Knoten in der Samoa-Frage zu lösen und sich mit den USA und Großbritannien auf eine Teilung der Inselgruppe zu verständigen318. Das Deutsche Reich erhielt den weitaus größten Teil, während die USA lediglich die kleineren Inseln zugesprochen bekamen. Großbritannien verzichtete auf seine Ansprüche und erhielt als Entschädigung die Tonga-Inseln. Von der deutschen Presse wurde Bülow für sein diplomatisches Geschick vor allem in der Samoa-Frage einhellig gelobt. Den größten Prestigegewinn verzeichnete letztlich Bülow selbst, was seiner Karriere sehr förderlich war: Nur wenige Monate später sollten ihm diese und andere weltpolitische Achtungserfolge, namentlich der Abschluss des Yangtse-Abkommens im Oktober 1900319, den Weg ins Reichskanzleramt ebnen. Im Gegensatz zur Reichsleitung hatte die amerikanische Regierung unter William McKinley zur Jahrhundertwende genau das erreicht, was Tirpitz auch für das Deutsche Reich angestrebt hatte: Nach der Eroberung von Guam, den Philippinen320, Wake und Hawaii321 verfügten die USA über eine zusammenhängende Stützpunktkette nach Ostasien und damit über eine Verbindung, die »Amerikas vorrangiges Ziel im Pazifik – die Durchdringung und schließlich die Beherrschung des legendären chinesischen Marktes – verwirklichen helfen«322 sollte. Die Reichsleitung hingegen hatte in der Philippinen-Frage hoch gepokert und – verloren. Nach dem Manila-Zwischenfall, der durch Fehleinschätzungen, Missverständnisse und die Eitelkeiten der »men on the spot« ausgelöst worden war, blieb das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und den USA lange Zeit von Misstrauen geprägt. 316 317 318

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Zur wirtschaftlichen und militärstrategischen Bedeutung der deutschen Südsee-Kolonien allgemein siehe u.a.: Hiery, Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 20-26. Zitate aus: Bülow an Wilhelm II., 11.9.1898, zit. nach: Havemann, Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik, S. 409. Siehe dazu u.a.: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 313-323; Kennedy, The Samoan Tangle, S. 189-239; Pommerin, Der Kaiser und Amerika, S. 95-103; Winzen, Bülows Weltmachtkonzept, S. 198-202. Der Vertragstext ist abgedruckt in: Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890-1911, S. 229 f. Siehe Kap. IV.2.d. Zwar hatten sich die Amerikaner im Frieden von Paris die Philippinen von Spanien abtreten lassen, ihre Herrschaft über den Archipel jedoch konnten sie erst nach einem mehrjährigen Krieg gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Filipinos durchsetzen. Siehe dazu u.a.: Linn, The Philippine War, 1899-1902. Zur amerikanischen Hawaiipolitik bis zur Okkupation im August 1898 siehe u.a.: Wehler, Sprungbrett nach Ostasien, S. 153-181. McCormick, Inselimperialismus und »Offene Tür«, S. 400. Allerdings gelang es den USA nicht, auch einen Stützpunkt auf chinesischem Territorium zu errichten. Zu den amerikanischen Bestrebungen, einen solchen Stützpunkt zu erlangen, siehe: Livermore, American Naval Base Policy in the Far East 1850-1914.

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In einem Immediatbericht benannte Vizeadmiral Wilhelm Büchsel Anfang Mai 1903 unverblümt den nachhaltigen Schaden für die deutsch-amerikanischen Beziehungen: »Seit Manila besteht tatsächlich eine scharfe Abneigung gegen Deutschland im gesamten Offizierskorps der Vereinigten Staaten«, konstatierte er, »besonders dem der Marine und bei vielen einflußreichen Persönlichkeiten323.« Somit war es weniger der Manila-Zwischenfall an sich, der historisch von Bedeutung ist, sondern vielmehr seine langfristige politische Wirkung, und zwar »als unterschwellige Belastung«324 im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Für Vizeadmiral Diederichs hatte der Manila-Zwischenfall keinerlei negative Konsequenzen. Im Gegenteil: Anfang 1899 informierte ihn Senden-Bibran, der Kaiser beabsichtige das Oberkommando der Marine aufzulösen und einige von dessen Kompetenzen einer neuen Behörde, dem Admiralstab, zu übertragen, dessen Leitung Diederichs alsbald übernehmen solle. Dieser Entscheidung war ein monatelanger Ressortstreit zwischen Tirpitz und Knorr vorausgegangen, der ab dem Sommer 1898 dermaßen eskalierte, dass jede produktive Kooperation zwischen dem Reichsmarineamt und dem Oberkommando der Marine zum Erliegen kam. Während der Kommandierende Admiral die Entlassung seines Kontrahenten verlangte, forderte dieser die Auflösung des Oberkommandos der Marine. Der Kaiser war lange Zeit unschlüssig, wem er den Vorzug geben sollte. Schließlich konnte Tirpitz seine Position durchsetzen, weil er Wilhelm II. davon zu überzeugen vermochte, dass das Oberkommando der Marine überflüssig sei und es besser wäre, wenn der Kaiser den Oberbefehl unmittelbar ausüben würde. »Nur Eure Majestät können bei der Offensive die großen, verantwortungsvollen Entscheidungen treffen und die Operationen der Flotte mit den Operationen der Armee in dauernder Übereinstimmung halten«, argumentierte Tirpitz. »Nur Eure Majestät können – beispielsweise in einem Koalitionskriege – das militärische Vorgehen der politischen Situation jederzeit anpassen325.« Es mangelte nicht an warnenden Stimmen, die in der von Tirpitz propornierten Behördenorganisation der Marine weniger eine Stärkung als eine Schwächung des kaiserlichen Oberbefehls sahen. Dennoch verfügte der Kaiser am 14. März 1899 die Auflösung des Oberkommandos der Marine per Allerhöchster Kabinettsordre. Admiral Knorr hatte kurz zuvor ein Abschiedsgesuch eingereicht und wurde nun in den Ruhestand versetzt. Die Aufgaben des Oberkommandos der Marine wurden auf verschiedene Behörden, Dienststellen und Kommandos aufgeteilt. Nur die Admiralstabsabteilung blieb erhalten, nunmehr als selbstständige Kommandobehörde unter der Leitung eines Chefs des Admiralstabes, der unmittelbar dem Kaiser unterstellt war. Ihm oblagen fortan »die Disziplinar- und Urlaubsbefugnisse, wie sie bisher dem Kommandierenden Admiral zustanden«, außerdem sollte er neben den bisherigen Geschäften auch »die militärpolitischen Angelegenheiten der

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Immediatbericht des Admiralstabes, 4.5.1903, zit. in: Herwig/Trask, Naval Operations Plans, S. 9, Anm. 25. Wippich, »War with Germany is imminent«, S. 525. Tirpitz an Wilhelm II., 12.3.1899, zit. in: Hubatsch, Der Admiralstab, S. 82.

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im Ausland befindlichen Schiffe«326 bearbeiten. Gemeinhin galt er als »operatives Beratungsorgan der Krone«327. Infolge der Auflösung des Oberkommandos der Marine wurden mehrere Dienststellen und Kommandos aufgewertet, indem sie immediat gestellt wurden und die gleichen disziplinarischen Befugnisse erhielten, die zuvor dem Kommandierenden Admiral zugestanden hatten. Dazu zählte auch der Chef des Kreuzergeschwaders, dem allerdings die Befehle des Kaisers in militärpolitischen Angelegenheiten nicht direkt, sondern, wie bei allen anderen selbstständigen Auslandskommandos, durch den Admiralstab zugingen328. »Das Ganze stellte sich als eine verheerende Zersplitterung dar«, urteilte der Historiker Walther Hubatsch, denn »die kaiserliche Kommandogewalt konnte sich nicht mehr an eine, dem Monarchen voll verantwortliche Stelle halten, sondern war angesichts der recht selbstbewußten Immediatstellen bis zur Wirkungslosigkeit geschwächt«329. Trotzdem blieb diese Organisationsform bis zum Ende des Ersten Weltkrieges erhalten330. Auf den Tag genau einen Monat nach der Auflösung des Oberkommandos der Marine, am 14. April 1899, trat Diederichs seine Heimreise an. In ausländischen Zeitungen wurde wild spekuliert, dass der Admiral »in Ungnade gefallen sei und wegen Mangels an Takt und Unkenntniß der Höflichkeiten im internationalen Flottengebrauche getadelt werde«, so dass sich die Reichsleitung schließlich genötigt sah, diese Spekulationen in der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung als »völlig unbegründet«331 zurückzuweisen und den Wechsel als Routinevorgang darzustellen. Zum neuen Chef des Kreuzergeschwaders hatte der Kaiser seinen Bruder, Prinz Heinrich, ernannt. Dieser wollte eine offensive Expansionsund Marinepolitik im Fernen Osten betreiben, scheiterte damit jedoch am Widerstand des Reichsmarineamts332, weil Tirpitz darin eine Gefahr für den Schlachtflottenbau sah. Deshalb kümmerte sich Heinrich vor allem um repräsentative Angelegenheiten. Auf seinen diversen Reisen im ost- und südostasiatischen Raum besuchte er unter anderem die Monarchen von China, Japan, Korea und Siam und konnte dadurch tatsächlich, wie einige deutsche Zeitungen resümierten, »dazu beitragen,

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Kabinettsorde Wilhelms II. betreffend die Auflösung des OKM, 14.3.1899, zit. nach: Hubatsch, Der Admiralstab, S. 237 ff., hier S. 238. Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 221. Hubatsch, Der Admiralstab, S. 90 f. Ebd., S. 83 Zur Neuorganisation der Marinebehörden 1899 siehe ausführlich: Ebd., S. 76-85; Gottschall, By Order of the Kaiser, S. 224-233; Petter, Deutsche Flottenrüstung, S. 219 ff. Zitate aus: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 1899, S. 59. Korvettenkapitän Müller verfasste 1896 als persönlicher Adjudant des Prinzen Heinrich ein Positionspapier mit dem Titel »Zukunftspolitik«, dessen Zweck es war, »die eigenen und des Prinzen Aussichten über die große Linie unserer Politik zu klären«. Anhand der Aufzeichnungen wird deutlich, wie stark sich beide eine offensive deutsche Weltpolitik wünschten. Das Deutsche Reich solle sich »mit der ganzen Kraft der Nation [für die Marine- und Kolonialentwicklung] einsetzen«, heißt es darin, »rücksichtslos, auch den großen Krieg nicht scheuend«. Zudem plädierte Müller – 1896 – für eine starke Vermehrung der deutschen Kreuzerflotte, hoffte aber gleichzeitig auf eine Verständigung mit Großbritannien, »neben dem noch viel Platz ist oder freigemacht werden kann auf dieser Erde«. Angesichts dieser Einstellung waren die späteren Friktionen zwischen Müller und Tirpitz faktisch schon programmiert. Zitate aus: Müller, Der Kaiser, S. 36-41. Vgl. ebd.

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Ostasien im Jahre 1900 (russ.)

Irkutsk

RUSSLAND Sachalin

Urga

Mandschurei (russ.) (russ.)

Hokkaido

MONGOLEI

Kirin Wladiwostok

Besitz und Einflussbereich ausländischer Mächte

Mukden

Dolon-nor

Hondo

PEKING Tientsin

Pjöngjang Port Arthur (russ.)

K‘ai-feng

KOREA J A PA N Shikoku

Gelbes Meer

Kiushiu

Nanking (brit.) Ch‘eng-tu

TOKIO

Seoul

Weihaiwei (brit.) Tsingtau (deutsch)

Lan-chou

Japanisches Meer/ Ostmeer

Shanghai (brit.) Hankow

CHINA

Ningpo (ital.)

Kuei-yang

Ta-li

Fu-chou (jap.)

Liu-ch‘iu-Inseln (jap.)

Kuei-lin Amoy (jap.)

Yunnan (franz.) Mandalay

Formosa (jap.)

Macao (port.) Hongkong (brit.)

BURMA (brit.)

Kwang-chow Wan (franz.)

Hanoi

PA Z I F I S C H E R O Z E A N Hainan (franz.) Rangoon

Südchinesisches Meer

SIAM

Manila

FRZ.INDOCHINA

Bangkok

Philippinen (USA)

Saigon

0

500

1000 km

Nord-Borneo (brit.) (brit.) Menado

Singapur

Sumatra (niederl.) Muntok

Benkoelen

Pontianak

Süd-Borneo (niederl.)

Neu-Guinea (niederl.) Molukken (niederl.)

Bandjermasin

Quellen: Preston, Rebellion in Peking; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900 – 1901.

© MGFA

06686-07

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Deutschlands Ehre und Ansehn bei den Mächten des Ostens zu erhöhen«333. Zudem setzte er eine Umstrukturierung des Geschwaders durch. Auf Heinrichs Antrag hin hob der Kaiser dessen Unterteilung in zwei Divisionen auf, so dass der Geschwaderchef fortan die ihm zur Verfügung stehenden Schiffe flexibler für politische Aufgaben einsetzen konnte334. Parallel dazu erfolgte im Laufe des Jahres 1899 eine Modernisierung des Kreuzergeschwaders, die notwendig geworden war, »da dasselbe sonst den Anforderungen, die im Ernstfalle und vielleicht ganz plötzlich hervortreten, nicht gewachsen [gewesen] wäre«335. Die »Arcona«336, die »Prinzeß Wilhelm« und die »Deutschland« wurden aus Ostasien abgezogen und durch die modernen Großen Kreuzer »Hertha« und »Hansa« ersetzt. Gemeinsam mit der »Arcona« wurde auch der ostasiatische Stationär »Cormoran« in die Heimat zurückbeordert, dessen Aufgaben nun das frisch vom Stapel gelaufene Kanonenboot »Iltis« übernahm. Heinrich forderte neben der Modernisierung auch eine signifikante Verstärkung der in Ostasien stationierten deutschen Seestreitkräfte, um die deutschen Interessen und die deutsche Machtstellung im Fernen Osten nachhaltig zu sichern337. Doch auch diese Forderung wurde abschlägig beschieden, weil sie dem Tirpitz-Plan zuwiderlief338. Anfang Januar 1900 trat Prinz Heinrich schließlich die Heimreise an und übergab das Kommando über den Verband interimistisch an Konteradmiral Ernst Fritze. Sechs Wochen später traf Heinrichs Nachfolger in Ostasien ein, Vizeadmiral Felix Bendemann, der bis zu seiner Ablösung durch Diederichs am 20. Dezember 1899 den neugebildeten Admiralstab geleitet hatte339. 333 334

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Zur Heimkehr des Prinzen Heinrich, in: Die Post, 12.2.1900 (enthalten in: BArch, MSg 2/1014). Wilhelm II. an Prinz Heinrich, 16.5.1899, BArch, RM 5/6075, Bl. 15; Prinz Heinrich an Wilhelm II., 18.5.1899, ebd., Bl. 20-32; Walle, Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien 1897 bis 1914, S. 45. Zum Ausscheiden des Kreuzers »Arcona« aus dem politischen Auslandsdienst. In: Deutsche Marine-Zeitung, 5 (1898), S. 26. Im Herbst 1898 hatte Prinz Heinrich in einem Schreiben an Tirpitz ausdrücklich davor gewarnt, dass dem Kreuzergeschwader, sollte es nicht mit modernen Kreuzern ausgestattet werden, »in einem Konflikt gegen England, Rußland oder selbst Japan« das gleiche Schicksal drohen würde wie der spanischen Pazifikflotte während des SpanischAmerikanischen Krieges. »Mit unseren sogenannten Kreuzern«, lautete sein vernichtendes Urteil, »können wir keinen Staat machen!« Zitate aus: Prinz Heinrich an Tirpitz, 7.9.1898, BArch, N 253/39, Bl. 138-141, hier Bl. 141. Vgl. ebd. Die »Arcona« wurde gegen den ausdrücklichen Wunsch des Kommandierenden Admirals aus Ostasien abgezogen. Vgl. Denkschrift von Knorr zum Immediatbericht betreffend die Belassung S.M.S. »Arcona« in Ostasien und Entsendung S.M.S. »Hertha« nach Amerika, 4.12.1898, BArch, RM 5/917, Bl. 47-50. Denkschrift des Prinzen Heinrich über den Ausbau des Kreuzergeschwaders, 26.6.1899, BArch, RM 38/41, Bl. 61-74. Offiziell wurde Heinrichs Forderung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die angeforderten zusätzlichen Kriegsschiffe in der Heimat nicht zu entbehren seien. Vgl. Bendemann an Prinz Heinrich, 28.9.1899, BArch, RM 5/6076, Bl. 32 ff. Müller Tagebuch, BArch, N 159/2, Bl. 351-382 (Aufzeichnungen vom 10.5.1898 bis 31.3.1899) und BArch, N 159/3, Bl. 3-51 (Aufzeichnungen vom 1.4.1899 bis 16.1.1900); Briefe des Prinzen Heinrich an Senden-Bibran, 25.7. 1898 bis 26.11.1899, BArch, N 160/4, Bl. 12-27 und 30 f. (insgesamt sechs Briefe); Prinz Heinrich an Tirpitz, 7.9.1898, BArch, N 253/39, Bl. 138-141; Prinz Heinrich an Tirpitz, 21.4.1899, ebd., Bl. 159 f.; Tirpitz an Prinz Heinrich, 1.7.1899, ebd., Bl. 161-164; Tirpitz an Prinz Heinrich, 15.11.1898, ebd., Bl. 142; Briefe des Prinzen Heinrich an Wilhelm II.,

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2. »Pardon wird nicht gegeben«: Die Niederschlagung der chinesischen Boxerbewegung a) »The Germans to the front«: Die Seymour-Expedition

Nur wenige Monate nach der Besetzung der Kiautschou-Bucht durch das Deutsche Reich entwickelte sich in der Provinz Shantung die Boxerbewegung, chinesisch Yihetuan (Faust für Recht und Einigkeit). Dabei handelte es sich um eine radikale sozioökonomische Bewegung mit den wesentlichen Zielen, die konservative Ch’ing-Regierung zu unterstützen, die »Fremden« zu vertreiben und die einfache Bevölkerung vor christlich-westlicher Überfremdung zu schützen. Ihre Entstehung hatte vielfältige Gründe, die »bis heute nicht vollständig einzuschätzen sind«340. Letztlich resultierte sie aus diversen politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Krisen, von denen die ländliche Bevölkerung in Shantung besonders hart betroffen war341. Das aggressive Vordringen der Deutschen in diesen Raum wirkte dabei als Katalysator und hat maßgeblich zur Radikalisierung beigetragen. Obwohl sich die Bewegung bereits im Laufe des Jahres 1898 formierte, wurde sie von den ausländischen Mächten erst ab Ende 1899 wahrgenommen, als sie auf die Provinz Chihli überzugreifen begann. Nachdem Anfang 1900 ein erster Ausländer von Boxern getötet worden war, verlangten die Großmächte von der chinesischen Regierung, die Bewegung energisch zu unterdrücken. Zwar verfügte die Kaiserinwitwe Tz’u hsi einige Maßnahmen zu deren Eindämmung, diese blieben jedoch halbherzig und inkonsequent; daran konnte auch die Androhung militärischen Zwanges seitens der Großmächte nichts ändern342. Infolge des weiteren Vordringens der Boxerbewegung nach Peking und ihrer wachsenden Militanz begann sich die Lage schließlich im Frühsommer 1900 dramatisch zuzuspitzen. Ende Mai versammelte Bendemann das gesamte Kreuzergeschwader – die Großen Kreuzer »Hansa«, »Hertha« und »Kaiserin Augusta« sowie die kleinen Kreuzer »Irene« und »Gefion« – und das Kanonenboot »Iltis« auf der Reede von

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23.5.1898 bis 3.2.1900, BArch, RM 2/121, Bl. 30-117 (insgesamt 23 Briefe); Reiseberichte des Korvettenkapitäns Müller, 12.5.1898 bis 3.1.1900, BArch, RM 2/403, Bl. 33-105 (insgesamt 29 Berichte); Knorr an Bülow, 29.1.1899, PAAA, R 2237 (ohne Paginierung); Eschenburg, Prinz Heinrich von Preußen, S. 59-69; Hubatsch, Der Admiralstab, S. 103-107; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 137-142; Müller, Der Kaiser, S. 18-23; Ratenhof, Die Chinapolitik des Deutschen Reiches 1871-1945, S. 157. Siehe auch die umfangreiche Sammlung von internationalen Presseartikeln über die Reise des Prinzen Heinrich nach Ostasien aus dessen fragmentiertem Nachlass, die in einem opulenten Album mit reich verziertem Ledereinband in der Militärgeschichtlichen Sammlung des Bundesarchivs-Militärarchivs in Freiburg aufbewahrt wird: BArch, MSg 2/1014. Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 96. Die Ursachen und die Entstehung der Boxerbewegung können im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtet werden. Deshalb sei hier auf folgende, grundlegende Studien verwiesen: Xiang, The Origins of the Boxer War; Esherick, The Origins of the Boxer Uprising; siehe auch: Dabringhaus, Die Boxer; Sun, Die religiösen und sozialen Ursprünge der Boxerbewegung. Siehe dazu u.a. Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 155-195.

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Tsingtau, wo die Schiffsbesatzungen einige taktische und Schießübungen absolvieren sollten. Noch bevor das Übungsprogramm begonnen hatte, meldeten ihm der Gouverneur von Kiautschou, Kapitän zur See Jaeschke, und der deutsche Gesandte in Peking, Clemens Freiherr von Ketteler, dass »aufrührerisches Gesindel«343 die beiden Bahnlinien nach Peking besetzt habe und nun sengend, plündernd und mordend auf dem Vormarsch nach Tientsin und Peking sei. Die chinesische Regierung stand dieser Entwicklung ohnmächtig gegenüber. Ketteler war der Auffassung, dass sie »weder den Willen noch die Möglichkeit erkennen ließ, diesen fremdenfeindlichen Ausschreitungen Einhalt zu thun«344. Vor dem Hintergrund der zunehmend bedrohlichen Lage und analog zu den Maßnahmen seiner internationalen Amtskollegen bat Ketteler den Geschwaderchef, eine Schutzwache für die deutsche Gesandtschaft in Peking bereitzustellen. Obwohl Bendemann noch keinerlei entsprechende Instruktionen aus Berlin erhalten hatte, schickte er am 30. Mai in Absprache mit Jaeschke fünfzig Marineinfanteristen des III. Seebataillons unter dem Kommando von Oberleutnant zur See Alfred Graf von Soden mit der »Kaiserin Augusta« nach Taku, wo sie sich zum Abmarsch nach Peking bereithalten sollten. Tags darauf billigte der Kaiser den Einsatz. Allerdings dauerte die Übermittlung des Einsatzbefehls von Berlin über Peking nach Taku aufgrund der überlasteten Telegrafenleitungen vier Tage, so dass Soden mit seiner Truppe erst am 3. Juni aufbrechen konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle anderen Nationen, mit Ausnahme von Österreich-Ungarn, bereits ihre Schutzwachen nach der chinesischen Hauptstadt entsandt. Die deutschen Soldaten hatten Glück, denn sie konnten für den Transfer nach Peking die Bahnstrecke benutzen, die zwischenzeitlich von Boxern beschädigt worden war, aber noch rechtzeitig hatte wiederhergestellt werden können. Die Fahrt verlief reibungslos und dauerte nur wenige Stunden. Als sich kurz darauf auch die Lage rund um Tientsin immer bedrohlicher entwickelte, folgte Bendemann dem Beispiel der Briten, Amerikaner und Japaner und stellte dem örtlichen deutschen Konsul Arthur Zimmermann auf dessen Anfrage hin ebenfalls eine – rund sechzig Mann starke – Schutzwache zur Verfügung345. Während die Gesandten der ausländischen Mächte in Peking ihr Vorgehen bereits seit Ende Mai untereinander abstimmten, agierten die Befehlshaber ihrer Streitkräfte in Ostasien zunächst noch vollkommen eigenständig. Deren Kooperation wurde erst Anfang Juni infolge einer Gesandtenkonferenz initiiert, auf der sich die diplomatischen Vertreter darauf verständigten, ihre Regierungen zu bitten, die 343 344 345

Ketteler an Bendemann, 29.5.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 9. Ketteler an Bendemann, 29.5.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 130 f., hier Bl. 130. Ebd., Bl. 130 f.; Diederichs an Bendemann, 31.5.1900, BArch, RM 5/5599, Bl. 6; Bülow an Diederichs, 31.5.1900, ebd., Bl. 20; Jaeschke an Tirpitz, 13.6.1900, BArch, RM 5/5602, Bl. 34-37; Bendemann an Wilhelm II., 11.7.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 170-189, hier Bl. 170 ff.; Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 1-5 (Aufzeichnungen vom 28.5. bis 4.6.1900); Ketteler an Bendemann, 31.5.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 18; Diederichs an Bendemann, 31.5.1900, ebd., Bl. 21; Ketteler an Bendemann, 1.6.1900, ebd., Bl. 22; Bendemann an Diederichs, 5.6.1900, ebd., Bl. 32; Bülow an Wilhelm II., 29.5.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4511; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 15-18; Lehner/Lehner, Österreich-Ungarn und der »Boxeraufstand« in China, S. 289 f.; Zabel, Deutschland in China, S. 109 f.

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

329

»Geschwaderchefs anzuweisen sich zu vereinigen, um sich über geeignete Maßregeln zur eventuellen Entsetzung Pekings zu verständigen«346. Nachdem Bendemann diese Nachricht erhalten hatte, begab er sich mit der »Hertha« unverzüglich von Tsingtau über Chefoo nach Taku, wo sich bereits der »Iltis« und die »Kaiserin Augusta« befanden, und beorderte auch die »Hansa« und die »Gefion« dorthin. Nur die »Irene« blieb als Stationsschiff in Tsingtau zurück. In Chefoo versicherte sich Bendemann, dass er nicht der dienstälteste Offizier vor Taku sein würde, denn er wollte vermeiden, »in die Zwangslage der Uebernahme der führenden Rolle bei einem ev[entuellen gemeinsamen] Vorgehen [der internationalen Mächte] gegen China zu kommen«347, was zu dieser Zeit von der Reichsleitung politisch unerwünscht war. Ketteler erfüllte der Aufmarsch der deutschen Kriegsschiffe »mit großer Genugtuung«, hoffte er doch, dass »dies einen ausgezeichneten moralischen Effekt machen und beweisen wird, daß S.M. Schiffe stets rechtzeitig den bedrohten Punkten so nahe als möglich sind«348. Als Bendemann am Vormittag des 8. Juni auf der Taku-Reede eintraf, lagen dort und in der nahen PeihoMündung bereits 28 Kriegsschiffe anderer Nationen: neben 5 chinesischen insgesamt 7 britische, 6 russische, 4 französische, 2 italienische und 2 japanische Linienschiffe, Kreuzer und Kanonenboote, ferner 1 amerikanischer und 1 österreichischungarischer Kreuzer. Zu diesem Zeitpunkt war die »allgemeine Lage höchst unsicher«349. Nach Peking bestand keine Bahnverbindung mehr, wenige Tage später unterbrachen die Rebellen auch die Telegrafenleitungen350. Anfang Juni wurde die Umgebung von Peking und Tientsin bereits weitgehend von den Boxern kontrolliert. Die ausländischen Staatsangehörigen rechneten täglich mit einem Angriff auf die beiden Städte. Sämtliche Bemühungen der chinesischen Regierung, die Boxerbewegung mit militärischen Mitteln einzudämmen, waren gescheitert. Deshalb entschloss sich die Kaiserinwitwe Tz’u hsi am 3. Juni, von der weiteren Unterdrückung der Rebellen abzusehen und mit ihnen in Verhandlungen einzutreten. Sie hoffte dabei, die Konfrontation mit den Boxern abbauen und die Selbstauflösung ihrer Organisation erreichen zu können, so dass den ausländischen Mächten der Vorwand für eine Intervention genommen war. Bereits nach wenigen Tagen wurde ein Kompromiss erzielt und schon am 7. Juni zogen erste Abteilungen der Boxer, nunmehr als Angehörige einer staatlich anerkannten legalen Organisation, unbehelligt in Peking ein. Dort zerstörten sie in den darauffolgenden Tagen zahlreiche ausländische Besitztümer, brannten mehrere christliche Kirchen nieder und verfolgten all diejenigen, von denen sie annahmen, 346 347 348 349 350

Ketteler an Bendemann, 4.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 31. Beantragt wurde dieser Beschluss vom französischen Gesandten. Vgl. Ketteler an AA, 5.6.1898, BArch, RM 5/5599, Bl. 12. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 6 (Aufzeichnung vom 5.6.1900). Ketteler an Bendemann, 29.5.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 130 f. Gülich an Bendemann, 5.6.1900, ebd., Bl. 39. Bendemann an Wilhelm II., 11.7.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 170-189, hier Bl. 172; Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 5-8 (Aufzeichnungen vom 5.6 bis 7.6.1900); Gülich an Bendemann (mit Anlagen), 4.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 33-36; Ketteler an Bendemann, 6.6.1900, ebd., Bl. 38; Gülich an Bendemann (mit Anlagen), 6.6.1900, ebd., Bl. 50-61; Bendemann an Lans, 9.6.1900, ebd., Bl. 63 f.; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 18 f.

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dass sie mit den ausländischen Mächten kollaborierten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Meinungen über den weiteren Umgang mit den Boxern am chinesischen Kaiserhof noch gespalten. Während einige einflussreiche Berater der Kaiserinwitwe für eine Kooperation mit den Boxern warben, forderten vor allem die Vizekönige aus den südlichen Provinzen des Landes, aber auch einige leitende Beamte weiterhin vehement die Niederschlagung der Bewegung. Tz’u hsi reagierte unentschlossen, obwohl sie den Boxern bereits zugeneigt war, bis schließlich die ausländischen Mächte wenige Tage später durch ihr Vorgehen eine Entscheidung erzwangen351. Unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Lage hatte der Chef des britischen »China Squadron«, Vizeadmiral Sir Edward Seymour, als ältester anwesender Seebefehlshaber bereits am 4. Juni durch eine Zirkularnote alle kommandierenden Offiziere der vor Taku versammelten Kriegsschiffe zu Beratungen auf sein Flaggschiff, das Linienschiff »Centurion«, eingeladen. Bis zum Eintreffen des späteren Oberkommandierenden der alliierten Expeditionstruppen, Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, Mitte September plante und koordinierte dieses Gremium, die sogenannte Befehlshaberkonferenz (Council of Admirals), sämtliche Aktionen und Operationen der verbündeten Streitkräfte in China. Auf dessen erster Sitzung am 5. Juni wurden als politische Richtlinien bis auf Weiteres festgelegt: »1. 2.

3.

4. 5.

Die Mission der Befehlshaber sei eine friedliche und hat den Schutz von Leben und Eigenthum der eigenen Connationalen zum Zwecke. Diese Mission sei gegenwärtig durchaus nicht gegen die chinesische Regierung gerichtet, mit welcher die einzelnen Staaten im Frieden stehen, richte sich vielmehr gegen eine Horde von Rebellen, Boxer genannt, welche die chinesische Regierung einzuschüchtern und stärker als letztere zu sein scheine. Sollten sich die Rebellen stärker als die Regierung zeigen, dann sei es zum Schutze von Leben und Eigenthum nothwendig, die chinesische Regierung, soweit eben möglich, in der Aufrechterhaltung von Frieden, Gesetz und Ordnung zu unterstützen, oder falls die chinesische Regierung unthätig bleiben sollte, auch ohne deren Mithilfe zu handeln. Alle Schritte sollten in diesem Falle auf Wunsch oder mit Zustimmung der respectiven Gesandten und, da die Interessen der Fremden im Allgemeinen bedroht seien, von den Befehlshaben in gegenseitigem Zusammenwirken erfolgen. Vom Einvernehmen mit den Gesandten wäre nur im Falle[, dass] sie in Peking eingeschlossen seien, abzusehen und statt dessen auf Grund directer Anfragen bei den Heimatsbehörden und nur in sehr ernsten und dringlichen Fällen auch ohne letztere nach vorheriger gegenseitiger Aussprache vorzugehen352.«

Am 7. Juni bestätigte die Reichsleitung diese Richtlinien als verbindlich für das weitere Vorgehen der deutschen Streitkräfte in China. Bendemann konnte erst an 351

352

Felber/Rosteck, Der »Hunnenkrieg« Kaiser Wilhelms II., S. 13-19; Felber, Die Kriegserklärung der Kaiserinwitwe, S. 65-69; Leutner, Die Belagerung der Gesandtschaften, S. 102-106; Tan, The Boxer Catastrophe, S. 63-70; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 224-254. Sitzungsprotokoll der Befehlshaberkonferenz vom 5.6.1900, zit. nach: Winterhalder, Kämpfe in China, S. 58 f. Ein Großteil der überwiegend in französischer Sprache abgefassten Sitzungsprotokolle der Befehlshaberkonferenz ist dokumentiert in: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 236-263.

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der dritten Befehlshaberkonferenz am 9. Juni teilnehmen. Auf den beiden ersten Sitzungen vertrat ihn Kapitän zur See Ernst Gülich, der Kommandant der »Kaiserin Augusta«353. Während Bendemann nach dem 6. Juni keine Nachrichten mehr von Ketteler erhielt, war Seymour durch den britischen Gesandten in Peking, Sir Claude McDonald, weiterhin bestens über die Vorgänge in der chinesischen Hauptstadt informiert, bis am 12. Juni sämtliche Telegrafenverbindungen nach der chinesischen Hauptstadt von den Boxern gekappt wurden354. Auf den Befehlshaberkonferenzen gab Seymour die Informationen zur allgemeinen Lageentwicklung an seine Amtskollegen weiter. Als Bendemann auf der Sitzung am 9. Juni vom raschen Vormarsch der Boxer auf Peking und Tientsin erfuhr, entschloss er sich noch am selben Tag, die Schutzwache in Tientsin um rund 300 Mann und vier Maschinengewehre zu verstärken. Nur wenige Stunden später, gegen halb eins in der Nacht, erreichte ihn eine dringende Anfrage des britischen Geschwaderchefs. Nach einer jüngsten Nachricht von McDonald war die Lage in der chinesischen Hauptstadt »äußerst ernst. Wenn nicht Anordnungen zum sofortigen Vormarsch auf Peking getroffen werden«, warnte dieser, »wird es zu spät sein«355. Seymour hatte daraufhin sofort »alle verfügbaren Mannschaften«356 landen lassen und wollte mit diesen noch vor Tagesanbruch nach Peking abmarschieren. »Ich hoffe selbstverständlich«, wandte er sich an Bendemann, »daß sie sich imstande fühlen, ebenso zu verfahren und in Übereinstimmung mit mir zu handeln357.« Seymour richtete die gleiche Anfrage auch an die Seebefehlshaber der anderen Nationen. Bendemann zögerte keinen Augenblick, dem britischen Geschwaderchef seine Unterstützung zuzusichern. Nur eine halbe Stunde, nachdem er den Hilferuf erhalten hatte, informierte er die Kommandanten der vier auf der Taku-Reede versammelten Schiffe des Kreuzergeschwaders, dass aufgrund der »beunruhigende[n] Nachrichten über die Lage in Peking« der »Marsch einer starken Abteilung nach Peking zum Entsatz der Reichsangehörigen [...] wahrscheinlich nothwendig [ist]«, und erteilte ihnen den Befehl, »die vollständigen Landungskorps – also nicht nur die bereit gehaltenen 100 pp. Mann [zur Verstärkung der Schutzwache in Tientsin] – bis 9h vormittags klar zum Ausschiffen zu machen«358. Die Führung des deutschen Kontingentes übernahm der 353

354

355 356 357 358

Bendemann an Wilhelm II., 11.7.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 170-189, hier Bl. 172-175; Gülich an Bendemann (mit Anlagen), 6.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 50-61; Diederichs an Bendemann, 7.6.1900, ebd., Bl. 95; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 18 f.; Otte, »Dash to Peking«, S. 88; Seymour, My Naval Career and Travels, S. 342 f. Kriegstagebuch des Oberleutnants Graf von Soden, BArch, RM 121 I/404 (Aufzeichnung vom 12.6.1900; ohne Paginierung). Die telegrafische Verbindung von Peking nach Tientsin wurde bereits am 10. Juni unterbrochen. Vgl. Randbemerkung von Bendemann zu Bendemann an Ketteler, 10.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 107; Bendemann an Diederichs, 10.6.1900, ebd., Bl. 109. Seymour an Bendemann, 10.6.1900, zit. nach: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 20. Ebd. Ebd. Zitate aus: Tagesbefehl für das Kreuzergeschwader, 10.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 103 (Hervorhebungen im Original). Im Admiralstabswerk über den Boxerkrieg heißt es, Bendemann habe Bedenken gegen das plötzliche und unvorbereitete Vorgehen gehabt und einen kurzen Aufschub zur besseren Vorbereitung für angebracht gehalten, sich angesichts der prekären Lage der Ge-

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IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

Kommandant der »Hertha«, Kapitän zur See Guido von Usedom. Auch die anderen Geschwaderchefs entsprachen Seymours Anfrage und stellten Truppen bereit, darunter der russische und der französische Admiral, obwohl diese offen Bedenken gegen das ad hoc durchgeführte Unternehmen vorbrachten. Sowohl die Russen als auch die Franzosen wollten vor der Entsendung einer solchen Entsatzexpedition lieber die Ankunft größerer Truppenverbände aus Russisch-Ostasien abwarten. Ihre Haltung war allerdings weniger militärisch als politisch motiviert. Die offensichtliche Dominanz der Briten bei dieser Unternehmung lief ihren Interessen diametral zuwider. Umgekehrt wollten die Briten – und auch die Deutschen – ihrerseits unbedingt so rasch wie möglich handeln und sich an die Spitze der Entsatzexpedition setzen, um eine russisch-französische Dominanz in Nordchina zu verhindern359. Insgesamt stellten die acht Verbündeten der sogenannten Seymour-Expedition 2129 Marinesoldaten mit 17 Geschützen und Maschinengewehren zur Verfügung. Die multinationale Streitmacht setzte sich zusammen aus 915 Briten, 512 Deutschen, 312 Russen, 157 Franzosen, 111 Amerikanern, 54 Japanern, 42 Italienern und 26 Österreicher-Ungarn. Ihre Ausrüstung war nicht für einen längeren Marsch, sondern für einen Bahntransport und einen längeren Aufenthalt in der chinesischen Hauptstadt vorgesehen. Als diese »bunten Kolonnen«360 sich im Laufe des 10. Juni von Tangku auf den Weg in das etwa einhundert Kilometer entfernte Peking machten, kam das einer Kriegserklärung an die chinesische Regierung gleich, denn im Gegensatz zur Verstärkung der Schutzwachen im Gesandtschaftsviertel etwa zwei Wochen zuvor, war sie mit dieser Maßnahme nicht einverstanden.

359

360

sandten in Peking und Seymours raschem Entschluss zum Handeln dagegen entschieden. Vgl. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 20. Zwar hat Bendemann sich in einem Immediatbericht am 11. Juli rückblickend in dieser Weise geäußert, aber in den Akten finden sich keine Hinweise, die diese Darstellung bestätigen würden. Im Gegenteil: Denn nur eine halbe Stunde nach dem Empfang von Seymours Hilferuf sicherte Bendemann diesem seine volle Unterstützung für die Aktion zu und mobilisierte seine Landungskorps. Bedenken kamen ihm erst nach dem Abmarsch der Expeditionstruppen: »Der englische Admiral [Seymour] hofft, daß sie am 11ten [Juni] abends Peking erreichen«, telegrafierte er am frühen Nachmittag des 11. Juni von Tientsin an Diederichs nach Berlin und fügte mit süffisantem Unterton hinzu: »Kenner der Lage sind nicht so sicher«. Zitat aus: Bendemann an Diederichs, 11.6.1900, zit. nach: Diederichs an Wilhelm II., 11.6.1900, BArch, RM 2/1860, Bl. 5; siehe auch: Bachmann an Tirpitz, 11.6.1900, BArch, RM 3/4748, Bl. 4. Vgl. Bendemann an Wilhelm II., 11.7.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 170-189, hier Bl. 175 f.; Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 14 f. (Aufzeichnungen vom 10.6.1900); Bendemann an Seymour, 10.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 102; Tagesbefehl für das Kreuzergeschwader, 10.6.1900, ebd., Bl. 103. Bendemann an Wilhelm II., 11.7.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 170-189, hier Bl. 175 ff.; Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 8-16 (Aufzeichnungen vom 8.6 bis 10.6.1900); Bendemann an Lans, 9.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 63 f. und 65 ff.; Anlage zum Tagesbefehl für das Kreuzergeschwader, 9.6.1900, ebd., Bl. 69; Sitzungsprotokoll der Befehlshaberkonferenz vom 9.6.1900, ebd., Bl. 79 ff.; Bendemann an Ketteler, 9.6.1900, ebd., Bl. 94; Seymour an Bendemann, 9.6.1900, ebd., Bl. 101; Bendemann an Seymour, 10.6.1900, ebd., Bl. 102; Tagesbefehle für das Kreuzergeschwader, 10.6.1900, ebd., Bl. 103 ff. (insgesamt drei Befehle); Bendemann an Diederichs, 10.6.1900, ebd., Bl. 106; Lans an Bendemann, 13.6.1900, ebd., Bl. 156; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 20 ff.; Pontevès, Souvenirs de la Colonne Seymour, S. 25-29; Seymour, My Naval Career and Travels, S. 343 f.; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 120 f.; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 241-258. Schlieper, Meine Kriegs-Erlebnisse in China, S. 70.

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333

Militärischer Verlauf der Seymour-Expedition im Juni 1900 Stärke/Ausrüstung des Expeditionskorps am 11.6.1900, Bhf. Lofa, 16.00 Uhr Oberbefehlshaber des Expeditionskorps: Vizeadmiral Sir Edward H. Seymour Chef des Stabes: Captain Jellicoe

Mo-chi-ying

4

Bahnhof Langfang »Fort Gefion« 6 3 7

Ch‘ên-ko-chuang

Nation

Führer

Deutschland USA Großbritannien

Kapitän z.S. v. Usedom Captain McCalla Vizeadmiral Seymour

Offz. Msch.

Frankreich Italien Japan Österreich-Ungarn Russland

Capitaine de vaisseau de Marolles Tenente di vascello Giovannini Fregattenkapitän Mori Seekadett Prohaska Kapitän II. Ranges Čagin

Wu tsinghsien

Gesamt

23 3 62

489 108 853

4 2 2 1 6

153 40 52 25 306

103 2 026

2

Ausrüstung 4 Maschinengewehre 1 Landungsgeschütz 3 Landungsgeschütze 6 Maschinengewehre 1 Landungsgeschütze 2 Landungsgeschütze 17

Dörfer Eisenbahnlinie Marschweg der Expedition per Eisenbahn Fußmarsch nach Zurücklassung der Eisenbahnzüge

0

5

10

1

15 km

Bahnhof Lofa »Fort Endymion« Pe

PEKING

ih

o

Tung anhsien Tientsin Taku

Ki

Port Arthur (russ.)

en

Weihaiwei (brit.)

ho

-K

al

o

an

Fen gh

KAISERREICH CHINA Tsingtau (deutsch)

1 11.06. 15.30 Uhr Boxer-Angriff auf Bahnhof Lofa 2 11.06. 18.00 Uhr Boxer-Angriff

Wang-tsun

5 8

Bahnhof Yang-tsun

3 14.06. 10.00 Uhr Boxer-Angriff 4 14.06. 5 15.06.

6 18.06. 13.45 Uhr Hu nh o 7 18.06.

8 19.06. 16.30 Uhr 9 20.06. 08.00 Uhr 10 20.06. 10.30 Uhr 11 20.06. 15.30 Uhr 12 21.06. 13 21.06. 06.45 Uhr 14 21.06. 12.45 Uhr 15 21.06. 12.45 Uhr 16 21.06. 17 22.06. 04.00 Uhr 18 22. – 25.06. 19 25.06. 10.00 Uhr

Aufklärung in Richtung An-ting-chuang 9 Expeditionskorps aufgrund von Lao-mi-chuang zerstörter Brücke vom Nachschub abgeschnitten Bahnhof Lang fang wird von Pei-hsin-chuang chin. Truppen und Boxern 10 angegriffen Vizeadmiral Seymour bricht 11 Liu kia pu Expedition ab und befiehlt Rückzug nach Tientsin Zurücklassen der Eisenbahnzüge vor zerstörter Brücke 12 Angriff auf chin. Stellungen bei Lao-mi-chuang Wang-chin-chuang Angriff auf chin. Stellungen Bahnhof 13 nordwärts Pei-hsin-chuang Pei-tsang Pei-tsang Angriff auf chin. Stellungen 16 südlich Pei-hsin-chuang 14 Wang-tsang Nan-tsang Teile des Expeditionskorps überqueren den Peiho 15 Angriff auf chin. Stellungen auf 17 beiden Seiten des Peiho o Tatsi ngh HsikuAngriff auf chin. Stellungen bei Arsenal Nan-tsang 19 18 Angriff auf chin. Stellungen südlich Wang-tsang Expeditionskorps vereinigt sich am Ostufer destien Peiho San kio Eroberung des Hsiku-Arsenals Tientsin Pei-tang-lou Chin. Angriffe auf das Arsenal Verbündete Entsatztruppen Quelle: Die Kaiserliche Marine während © MGFA treffen am Arsenal ein der Wirren in China 1900 – 1901. 06690-06

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Somit markiert der Aufbruch der Seymour-Expedition de facto den Beginn eines internationalen Angriffskrieges gegen China. Dementsprechend reagierte die Kaiserinwitwe wenige Tage später, am 13. Juni, mit einem Befehl an General Nieh Shih-ch’eng, dem Kommandeur der Armeeeinheiten in der Region Tientsin, sich dem ausländischen Expeditionskorps entgegenzustellen und es zur Umkehr zu zwingen. Auf der Grundlage dieses Befehls gingen die regulären chinesischen Streitkräfte in den darauffolgenden Tagen gemeinsam mit den Boxern gegen die Seymour-Expedition vor – und das sehr erfolgreich. Gleichzeitig erhielt General Lo Jung-kuang den Befehl, die ihm unterstellten Taku-Forts unter allen Umständen zu halten und jede weitere Landung von Truppen der Verbündeten zu unterbinden. »If foreign soldiers should enter Beijing again«, fügte sie nachdrücklich hinzu, »Yu Lu [Viceroy of Chihli], Nie Sicheng [Nieh Shih-ch’eng] and Luo Rongguang will be court-martialed361.« Als die Kaiserinwitwe vier Tage später vom Ultimatum der Verbündeten zur Übergabe der Taku-Forts erfuhr362, wurde ihr klar, dass jegliche Verständigung mit den ausländischen Mächten gescheitert war. Angesichts der bedrohlichen Lage befahl sie Yu Lu am 19. Juni, »die Einheit mit der Stimmung des Volkes herzustellen und Kämpfer für Gerechtigkeit [gemeint sind Boxer – H.H.] zu rekrutieren, damit diese den regulären Truppen bei der Verteidigung helfen«363. Noch am selben Tag forderte sie die ausländischen Gesandten auf, Peking gemeinsam mit allen anderen Ausländern binnen 24 Stunden zu verlassen, da sie nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren könne, und sich unter dem Schutz der Gesandtschaftswachen und einer chinesischen Eskorte nach Tientsin zu begeben. Durch die Ausweisung der Diplomaten hoffte sie, die Verbündeten vom weiteren Vormarsch auf die chinesische Hauptstadt abhalten zu können. Mit einer offiziellen Kriegserklärung zögerte die Kaiserinwitwe, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass die Taku-Forts bereits gefallen waren364. Seymour hatte sich in den Kopf gesetzt, seine Truppen und deren Material mit der Eisenbahn nach Peking zu bringen. Der französische Generalkonsul in Tientsin, Comte Georges du Chaylard, hielt das für illusorisch und kritisierte das Vorhaben offen als »enfantillage«365 (Kinderei). Seymour jedoch war der festen Überzeugung, dass die beschädigten Bahnlinien unterwegs ohne allzu große Mühen wieder repariert werden könnten – eine gravierende Fehleinschätzung, die maßgeblich für das spätere Scheitern der Expedition verantwortlich war. Für die Instandsetzung der Bahnlinie hatte Seymour eigens rund einhundert chinesische Bahnarbeiter rekru-

361 362 363 364

365

Tz’u hsi an Yu Lu, 13.6.1900, zit. nach: Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 250 f. Zum Angriff der Verbündeten auf die Taku-Forts in den frühen Morgenstunden des 17. Juni siehe die Ausführungen in Kap. IV.2.b. Tz’u hsi an Yu Lu, 19.6.1900, zit. nach: Felber, Die Kriegserklärung der Kaiserinwitwe, S. 66. Felber, Die Kriegserklärung der Kaiserinwitwe, S. 65-69; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 23 f.; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 23-27; Leutner, Die Belagerung der Gesandtschaften, S. 102 ff.; Tan, The Boxer Catastrophe, S. 70-75; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 120 f.; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 245-251, 262-265, 290-300, 306-310. Pontevès, Souvenirs de la Colonne Seymour, S. 28.

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tiert und zahlreiches Reparaturmaterial auf die vier Züge verladen lassen, mit denen das Expeditionskorps transportiert werden sollte366. Neben dem Schutz der ausländischen Gesandten galt die Wiederherstellung der Bahnverbindung zwischen Peking und Tientsin als Hauptziel und -zweck der Seymour-Expedition. Rasch jedoch erwies sich die Abhängigkeit von der Eisenbahn als eine große Bürde für die Truppen. Die Bahnfahrt war mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da die Schienenstränge an zahlreichen Stellen von Boxern beschädigt worden waren. Als großes Problem erwies sich auch die Wasserversorgung der Lokomotiven, denn die Rebellen hatten fast alle Wassertürme entlang der Strecke gesprengt. Am 11. Juni wehrte das Expeditionskorps einen ersten Angriff der Boxer bei Lofa ohne eigene Verluste ab. Zwei Tage später erreichte es die etwa fünfzig Kilometer südöstlich von Peking gelegene Bahnstation Langfang, wo Seymour einen neuerlichen Hilferuf des britischen Gesandten per Kurier erhielt. Hinter Langfang waren die Gleise so umfassend zerstört, dass für deren Reparatur ein Zeitraum von mindestens drei Tagen veranschlagt wurde. Dennoch entschied Seymour, mit dem Gros des Expeditionskorps zunächst in Langfang abzuwarten, bis die Gleise repariert waren, da die ihm zur Verfügung gestellten Marinesoldaten weder über die Ausrüstung noch über die Erfahrung für einen längeren Marsch verfügten und er sich nicht von den Eisenbahnzügen, seinen »Schiffen«367, trennen wollte. Diese Entscheidung erwies sich rasch als fataler taktischer Fehler, denn in den darauffolgenden Tagen wurde das Expeditionskorps von mehreren Tausend Boxern und Regierungssoldaten langsam eingekreist und durch umfangreiche Zerstörungen der Bahnlinie jenseits von Lofa vom Nachschub aus Tientsin abgeschnitten. Infolgedessen riss auch die Verbindung sowohl zu den Seebefehlshabern in Taku als auch zu den Gesandten in Peking ab368. Am 16. Juni erwog Seymour erstmals den Rückzug, zögerte jedoch mit dieser Entscheidung und verlegte zunächst nur einen Teil seiner Truppen zurück nach Lofa. Noch hoffte er, die Bahnverbindung mit Tientsin wiederherstellen und nach Peking vorstoßen zu können. Diese Illusion zerplatzte, als am frühen Nachmittag des 18. Juni – einen Tag nach der Eroberung der Taku-Forts durch die alliierten Mächte369 – etwa 5000 Boxer und chinesische Regierungssoldaten die bei Langfang verbliebenen Einheiten des Expeditionskorps angriffen. Während des mehrstündi366

367

368

369

Der Transport des Expeditionskorps erfolgte überwiegend in Güterwaggons, vor allem in offenen Kohle- und Viehwagen. Vgl. Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 25; Schlieper, Meine Kriegs-Erlebnisse in China, S. 14. In den Augen der Teilnehmer der Seymour-Expedition, allesamt Marinesoldaten, waren die Eisenbahnzüge tatsächlich ihre »Schiffe«. Vgl. u.a. Schlieper, Meine Kriegs-Erlebnisse in China, S. 14, 76; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 257 f. Kriegstagebuch des Kapitäns zur See von Usedom, BArch, RM 5/5605, Bl. 196-213 und 298-319, hier Bl. 196-210 (Aufzeichnungen vom 10.6. bis 15.6.1900); Aufzeichnungen des Obermatrosen Röhl, BArch, RM 38/89, Bl. 10-25, hier Bl. 11-16 (Aufzeichnungen vom 10.6. bis 15.6.1900); Die Betheiligung der Marine, 11, S. 1158-1162; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 23-28; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 27-32; Müller, Unsere Marine in China, S. 36-50; Pontevès, Souvenirs de la Colonne Seymour, S. 31-88; Schlieper, Meine Kriegs-Erlebnisse in China, S. 9-42; Seymour, My Naval Career and Travels, S. 344 ff.; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 257-262. Siehe dazu die Ausführungen in Kap. IV.2.b.

336

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

gen Gefechts verloren die Verbündeten 52 Mann, von denen sieben getötet wurden. Die Verluste der Chinesen waren fast achtmal so hoch. Als Seymour, der sich zu dieser Zeit in Lofa aufhielt, erfuhr, dass sich nicht allein paramilitärische Verbände der Boxer, sondern auch Einheiten der regulären, modern ausgerüsteten chinesischen Armee seiner Expedition entgegenstellten, gab er die Hoffnung auf einen erfolgreichen Vorstoß nach Peking endgültig auf und entschloss sich zum Rückzug. »Success was only possible on the assumption«, rechtfertigte er sich einige Tage später in einem Bericht an die Admiralty, »that the Imperial troops [...] would at least be neutral«370. Inzwischen hatte ein Teil der Bahnstrecke jenseits von Lofa wiederhergestellt werden können, so dass die Truppen mit den Eisenbahnzügen immerhin bis nach Yang-tsun, einer etwa dreißig Kilometer nordwestlich von Tientsin, an den Ufern des Peiho gelegenen Stadt, befördert werden konnten. In Ermangelung anderer Alternativen beschlossen die kommandierenden Offiziere, von dort aus entlang des Peiho nach Tientsin zurückzumarschieren. Alle Verwundeten und ein Großteil der Ausrüstungsgegenstände wurden im Laufe des 19. Juni von den Zügen auf vier Dschunken umgeladen, die tags zuvor von einer Kompanie des deutschen Kontingents beschlagnahmt worden waren. Der Rückmarsch nach Tientsin dauerte acht Tage und musste wegen der sich »immer mehr vor uns ansammelnden chinesischen Truppen«371 überwiegend nachts durchgeführt werden. Unterwegs wurde das zunehmend erschöpfte Expeditionskorps mehrfach von Boxer- und Armeeeinheiten angegriffen und erlitt dabei relativ hohe Verluste. Bis zur Ankunft in Tientsin am 26. Juni erhöhte sich die Zahl der Gefallenen auf 65 und die Zahl der Verletzten auf 210 Mann. Bei einem der Rückzugsgefechte, am 22. Juni, erteilte Seymour dem deutschen Kontingentführer den taktischen Befehl: »The Germans to the front«372, der rasch von der deutschen Propaganda aufgegriffen, mythologisiert und zwei Jahre später in einem Gemälde des Schlachtenmalers Carl Röchling verherrlicht wurde. Während es den Deutschen auf diese Weise gelang, ihren Anteil an der militärischen Niederlage erfolgreich zu kaschieren, geriet das Scheitern der Seymour-Expedition für die Briten zu einem weltpolitischen Fiasko. Durch die groben militärischen Fehlleistungen Seymours, den die Ausländer in Peking fortan als »Admiral See-No-More«373 titulierten, hatten sie nicht nur einen herben Prestigeverlust erlitten, sondern auch ihren Führungsan370 371 372

373

Seymour an Admiralty, 27.6.1900, zit. nach: Young, British Policy in China 1895-1902, S. 121. Kriegstagebuch des Kapitäns zur See von Usedom, BArch, RM 5/5605, Bl. 196-213 und 298-319, hier Bl. 308 (Aufzeichnung vom 21.6.1900). Dieser Befehl wurde von Kapitän zur See Usedom, dem Führer des deutschen Kontingents, im Kriegstagebuch besonders hervorgehoben, wodurch er – vermutlich absichtlich – die Grundlage für dessen spätere Glorifizierung und Mythologisierung legte. Vgl. Kriegstagebuch des Kapitäns zur See von Usedom, BArch, RM 5/5605, Bl. 196-213 und 298-319, hier Bl. 309 (Aufzeichnungen vom 22.6.1900). Für seine Leistungen während der Seymour-Expedition erhielt Usedom zunächst den Königlichen Kronenorden 2. Klasse mit Schwertern und zwei Jahre später, als in der deutschnationalen Propaganda die Glorifizierung seines Einsatzes mit der Veröffentlichung von Carl Röchlings heroischem Gemälde »The Germans to the front« ihren Höhepunkt erreichte, nachträglich noch den Pour le mérite. Vgl. Wilhelm II. an Bendemann (Kabinettsordre), 30.6.1900, BArch, RM 2/1299, Bl. 13; Wilhelm II. an Usedom (Kabinettsordre), 5.4.1900, BArch, RM 2/1302, Bl. 124. Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 265.

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

337

spruch bei der Niederschlagung der Boxerbewegung verwirkt. Jetzt nahmen die Russen das Zepter in die Hand374. b) Die Eroberung der Taku-Forts und die Kämpfe um Tientsin

Nach dem Abmarsch der Seymour-Expedition hatte sich Bendemann am 11. Juni vormittags mit der Eisenbahn nach Tientsin begeben, um sich persönlich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Fieberhaft bereiteten die dort stationierten Schutzwachen der verbündeten Mächte die Verteidigung der Fremdenniederlassung vor375. Diese lag im Süden der Stadt, an den Ufern des Peiho. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses befand sich der Bahnhof, der von der französischen Konzession aus über eine Ponton-Brücke bequem zu erreichen war und nach der Flucht des chinesischen Betriebspersonals am 14. Juni von den internationalen Truppen besetzt wurde. Jedes Truppenkontingent bekam einen bestimmten Bereich der Siedlung zugeteilt, für dessen Sicherung und Verteidigung es verantwortlich war. Die deutsche Schutzwache deckte im Verein mit den ÖsterreicherUngarn und den Italienern den südlichen Teil. Ihr Bereich grenzte unmittelbar an den japanischen und den britischen Sektor. Im Nordwesten standen die Amerikaner, den nördlichen Teil schützten die Russen gemeinsam mit den Franzosen. Betrachtet man den Plan genau, erscheint er wie ein Spiegel der damaligen politischen Verhältnisse in Ostasien: Die Briten waren für den größten, zentral gelegenen Sektor der Siedlung verantwortlich, gemeinsam mit den Japanern als »Juniorpartner«. Etwas abseits, an den Flanken, standen die Amerikaner, Deutschen, Österreicher-Ungarn und Italiener, während die Russen gemeinsam mit den Franzosen den strategisch wichtigsten Teil der Siedlung mit der Brückenverbindung zum anderen Ufer des Peiho und damit zum Bahnhof schützten376. Zur Sicherung der Seymour-Expedition und der Schutzwachen in Tientsin war die Aufrechterhaltung der Bahnverbindung in beiden Richtungen von besonderer Bedeutung. Deshalb übernahmen die internationalen Truppen im Verein mit den europäischen Direktoren und Angestellten der chinesischen Bahngesellschaft am 11. Juni die Kontrolle über die Strecke Tientsin–Peking und vier Tage später, nachdem 374

375 376

Kriegstagebuch des Kapitäns zur See von Usedom, BArch, RM 5/5605, Bl. 196-213 und 298-319, hier Bl. 210-213 und 298-319 (Aufzeichnungen vom 16.6. bis 26.6.1900); Aufzeichnungen des Obermatrosen Röhl, BArch, RM 38/89, Bl. 10-25, hier Bl. 16-25 (Aufzeichnungen vom 16.6. bis 26.7.1900); Seymour an Admiralty, 29.6.1900, zit. in: Das Staatsarchiv, Bd 65 (1902), Nr. 12337, S. 202 f.; Die Betheiligung der Marine, Nr. 11, S. 1163-1177; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 28-31; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 32-54; Müller, Unsere Marine, S. 50-70; Pontevès, Souvenirs de la Colonne Seymour, S. 88-258; Schlieper, Meine Kriegs-Erlebnisse in China, S. 42-116; Seymour, My Naval Career and Travels, S. 346-354; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 121 f.; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 262-265; Zabel, Deutschland in China, S. 136-143; siehe auch: Seymour an Bendemann, 27.6.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 175-178. Siehe dazu u.a.: Kühne an Lans (mit Anlagen), 7.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 84-92; Kühne an Lans, 10.6.1900, ebd., Bl. 110-115. Der Plan ist enthalten in: Die Kaiserliche Marine, Plan Nr. 7; siehe auch: BArch, RM 38/51, Bl. 91 f.

Rückzug der Chinesen

Angriffe der Chinesen

Stellungen der Chinesen

Marschweg der Verbündeten

Rückzug der Verbündeten

Angriffe der Verbündeten

Stellungen der Verbündeten

Straßen

Eisenbahnlinie

Stadtflächen und Ortschaften

Sold.Lag.

Liangchia-tsui

Shao-kung-chuang Tung-chia-lou

Österreich-Ungarn

Deutsches Reich

Italien

Japan

Frankreich

Russland

Erneute Eroberung des Westarsenals und Vorstoß zum Stadttor am 13.7.1900

-

6.7.

Franz. Kirche

Fremden-

.6.

.

17.6. . 18.6

21.6

22

Bahnhof

Pagoda Fort (Schwarzes Fort)

Gelbe Forts

Chinesischer Rückzug auf die gelben Forts 13.7.1900

18.6. 4.7.

Eroberung des Westarsenals anschl. Rückzug in alte Stellung Niederlassung am 9.7.1900 21.6.

Stadt

mauer

Yüho

T‘i-tou

Entsatzkolonne für Hsin- die Seymour-Expedition chuang am 25.6.1900

19.6

.

iho

Universität

Tiau-chiachuang

Chinesische Schule

Militär-Schulen

Mandschu-Schule

Angriff am 5.7.1900 misslungen

Wang-chiachuang

Mun.- Magazin

Pe

Quelle: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900 – 1901, Plan 7.

USA

Großbritannien

P‘ao-t‘aichuang

Westarsenal

Eroberung der Tataren-Stadt am 14.7.1900

Tataren

Stadt

Hung-chiao

Hsi-yü-chuang

4.7.

Truppenteile aus:

Huo-chia-fêng

Hsin-chuang

nho

Chinesischer Rückzug nach Nordwesten 13./14.7.1900

Hu

iho Pe

Tung-yü-chuang

all .

Eroberung des Hsiku-Arsenal Hsiku-Arsenals durch Seymour-Expedition am 22.6.1900, Hsiku dort verschanzt

tai

-K

an

al

Chinesischer Rückzug hinter den Lutai-Kanal 27.6.1900

1

Eintreffen der Entsatztruppen am 23.6.1900

Ostarsenal

Eroberung des Ostarsenals am 27.6.1900

0

2 km

06691-06

© MGFA

Chia-chiata-chiao

SoldatenLager

Ch‘ao-li-chuang-tse Angriff auf chinesische Stellungen am Lutai-Kanal am 13.7.1900

Lu

Kämpfe bei der Verteidigung und Rückeroberung von Tientsin im Juni 1900

Außenw 19.6

338 IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

339

Gefechtsskizze zur Eroberung der Taku-Forts im Juni 1900 1

1.30 Uhr Kaperung der chin. Torpedoboots-Zerstörer durch Fame und Whiting

2 2.00 Uhr Iltis und Algerine beginnen Feuerkampf gegen Nordwest-Fort, restliche Boote gegen Nord- und Süd-Fort 3 2.00 Uhr Fame und Whiting verlegen nach Tangku und sichern mit Monocacy und Atago Hafen und Bahnhof 4

Tangku

2.30 Uhr Sturmtruppen der Verbündeten sammeln sich in Deckung vor dem Nordwest-Fort

5 4.30 Uhr Erstürmung des Nordwest-Forts 6 anschl. kampflose Besetzung des Nord-Forts 7 6.00 Uhr Lion, Korejez und Bobr beziehen Position südlich des Nord-Forts; Algerine und Iltis nördlich des Süd-Forts und konzentrieren Feuer auf das Süd-Fort 8 7.00 Uhr Sturmtruppen setzen über den Peiho

Bahnhof

Fame Whiting Monocacy

9 7.30 Uhr kampflose Besetzung des Süd-Forts 10 nachm.

kampflose Besetzung der Strandbatterie und des Südwest-Forts; nach dessen Zerstörung Rückzug

11 21.6.

deutscher Erkundungsmarsch zu den unbesetzten Land-Forts A und B und dem Pulvermagazin Taku

3

Atago NordwestFort 4

5 Algerine

Lion

Iltis 2

Korejez

Bobr

7

Lion

Gedeckter Weg

Bobr

Korejez Giljak Lootsenhäuser

Algerine 6 7 Iltis

Pe iho

Taku

NordFort

8

Depots

Peih

Whiting Fame 1

ca. 5.00 Uhr Chin. Besatzung räumt das Nord-Fort kampflos

o

Pulvermagazin 1750 m

11

Land-Fort B

Watt

11

Tempel

1500 m

9

SüdFort

Chin. TorpedobootsZerstörer

Stadtflächen und Gebäude Eisenbahnlinie ca. 7.00 Uhr Chin. Besatzung räumt das Süd-, Südwest-, Land-Fort A sowie die Strand-Batterie kampflos

Straßen Mauer Militärische Anlagen Marschweg der Verbündeten am 17.6.

0

Gedeckter Weg

10 Watt

Südwest-Fort

Marschweg der Deutschen am 21.6. 1 km

StrandBatterie

10

Land-Fort A 11 Mauer

Quelle: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900 – 1901, Plan 6.

© MGFA

06692-05

340

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

es den Boxern gelungen war, die Bahnlinie nach Peking umfassend zu zerstören, auch über die Strecke Tangku–Tienstin. Von besonderer strategischer Bedeutung für die Sicherung des Nachschubes waren die Taku-Forts im Mündungsgebiet des Peiho. Dieses moderne Festungssystem war nicht nur der Schlüssel für den Zugang zum wichtigsten schiffbaren Fluss in Nordchina, der zudem an Peking vorbeiströmt, sondern auch die »Pforte für den Verkehr mit den [internationalen] Truppen«377 sowohl der Seymour-Expedition als auch in Tientsin. Bendemann vertrat deshalb schon am 11. Juni die Ansicht, dass »eine militärische Besetzung von Taku [...] für vorübergehende Zeit erforderlich« sei, und wies den Kommandanten des »Iltis«, Korvettenkapitän Wilhelm Lans, an, »die noch an Bord befindlichen[,] zu der ›verstärkten Landungsabteilung‹ rechnenden Leute dauernd zu einer Landung in Taku in Kürze nach erhaltenem Befehle bereit zu halten«378. Nachdem Bendemann von seiner eintägigen Erkundungsfahrt nach Tientsin wieder an Bord seines Flaggschiffes zurückgekehrt war, verdichteten sich in den darauffolgenden Tagen die Anzeichen für eine mögliche Konfrontation mit regulären chinesischen Truppen379. Als darüber hinaus die Besatzung der Taku-Forts nicht nur signifikant verstärkt wurde, sondern sich zudem anschickte, eine Minensperre in der Peiho-Mündung zu errichten, drängte er die Seebefehlshaber der anderen Mächte zu einem sofortigen Einschreiten. Auf der Befehlshaberkonferenz am 15. Juni plädierte er nachdrücklich dafür, dass die verbündeten Mächte die TakuForts unter ihre Kontrolle brächten, und legte »die schon früher betonten Gründe für seine Ansicht«380 noch einmal ausführlich dar. Seine Argumentation wurde im Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders381 protokolliert: »Vor allem sei die Verbindung der Schiffe mit Tangku und die Bahn von Tangku mit Tientsin zu sichern; letztere sei die Operationsbasis, die unter allen Umständen gehalten werden müsse, selbst wenn die Verbindung mit den vormarschierenden Truppen [der Seymour-Expedition] unterbrochen und vorläufig nicht wiederherzustellen sei. Die im Laufe des Tages einlaufenden Nachrichten müssten zu dem Schluß führen, daß die Chinesen die Eisenbahn [zwischen Tangku und Tientsin] besetzen wollten; wenn dieses geduldet würde, so sei unsere Operationsbasis nicht mehr in unseren Händen und nach dem Vorgehen der Chinesen in Taku bedeute dieses, daß wir auch von den Truppen in Tientsin abgeschnitten seien. Eine gewaltsame Zurückeroberung der wahrscheinlich bald demolierten Eisenbahn [zwischen Tangku und Tientsin] werde nachher sehr

377 378 379 380 381

Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 8-18 (Aufzeichnungen vom 15.6.1900.) Zitate aus: Bendemann an Lans, 11.7.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 116. Siehe dazu: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 57-61. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 26 (Aufzeichnung vom 15.6.1900). Weil das Kreuzergeschwader nur in der ersten Kriegsphase aktiv an der Niederschlagung der Boxerbewegung beteiligt war, umfasst dessen Kriegstagebuch auch nur diesen Zeitraum. Der erste Eintrag ist auf den 28.5., der letzte auf den 15.10.1900 datiert. Bei dem Exemplar des Kriegstagebuches, das sich im Bestand der Bordakten des Kreuzergeschwaders im Bundesarchiv-Militärarchiv befindet, handelt es sich um eine von Bendemann autorisierte, undatierte Abschrift. Der Verbleib des Originals ist unklar. Vgl. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50.

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

341

schwierig sein, man müsse also zuvorkommen. Vorbedingung dazu aber sei, daß die Taku Befestigungen in unseren Händen seien382.«

Zwar stimmten die anderen Geschwaderchefs Bendemanns Auffassung unter militärischen Gesichtspunkten zu, aber es gelang ihnen nicht, einen Konsens über das weitere Vorgehen zu erzielen. Der französische Geschwaderchef, Konteradmiral Charles Courréjolles, bezweifelte, dass die verbündeten Mächte über ausreichende Streitkräfte zur Eroberung der Taku-Forts verfügten, und der russische Vizeadmiral Jakow Hiltebrandt, der die Sitzung leitete383, machte völkerrechtliche Bedenken gegen die Strategie eines präventiven Erstschlages mit Waffengewalt geltend. Immerhin jedoch konnte Bendemann die Besetzung des Bahnhofes von Tangku als erste und wichtigste Sicherungsmaßnahme durchsetzen. Diese Aufgabe übernahmen rund 300 japanische Soldaten. Gewalt sollten sie ausdrücklich nur im Falle eines Angriffes chinesischer Truppen anwenden, und zwar dadurch, dass »die Bahnanlagen gehalten, die Taku-Forts aber angegriffen und unschädlich gemacht werden«384. Bendemann ließ diese Schutzwache am nächsten Morgen sicherheitshalber durch 140 deutsche und österreichisch-ungarische Soldaten unter dem Kommando von Kapitän zur See Hugo Pohl verstärken, nachdem Lans ihn noch in der Nacht darüber informiert hatte, dass 2000 chinesische Soldaten auf dem Vormarsch nach Tangku seien. Zwar hatte Lans diese Meldung wenig später korrigiert und ihm mitgeteilt, die Truppen befänden sich »im Marsche auf die Eisenbahnlinie voraussichtlich nach [der Stadt] Chung-liang-cheng«385, die auf halbem Wege zwischen Tientsin und Peking liegt, aber Bendemann sah dennoch Gefahr im Verzug. Deshalb drängte er auf einer eilig einberufenen Befehlshaberkonferenz am Morgen des 16. Juni seine Amtskollegen zu raschem und bestimmtem Handeln. In der Sitzung schürte er noch einmal kräftig die Angst vor der »gelben Gefahr« – das populistische Schlagwort wurde während des Boxerkrieges trotz des gemeinsamen Vorgehens mit Japan vor allem in der deutschen Propaganda häufig verwendet – und warnte davor, die Chinesen würden »durch das Zögern der Verbündeten übermüthig werden«386. Auf diese Weise gelang es ihm, seine Ansicht durchzusetzen und alle Bedenken, die am Vortag gegen eine Besetzung der Taku-Forts vorgebracht worden waren, beiseite zu schieben. Als Übergabefrist wurde einvernehmlich punkt zwei Uhr morgens in der nächsten Nacht bestimmt, weil die auf dem Peiho stationierten Kriegsschiffe bis dahin unter Ausnutzung der steigenden Flut eine günstige Angriffsposition einnehmen konnten. 382 383

384 385

386

Ebd., Bl. 26 f. (Aufzeichnungen vom 15.6.1900). Hiltebrandt war nach Seymour der älteste Seebefehlshaber der verbündeten Mächte in Ostasien und hatte dementsprechend nach dem Abmarsch der Seymour-Expedition die Leitung der Befehlshaberkonferenz übernommen. Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Befehlshaberkonferenz vom 15.6.1900, zit. nach: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 61. Lans an Bendemann, 15.6.1900, BArch, RM 38/189. Bezeichnenderweise wurde die hier zitierte Meldung im Admiralstabswerk nicht angeführt. Vgl. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 62. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 32 (Aufzeichnung vom 16.6.1900).

342

IV. Intervention und Weltpolitik (1897-1901)

Die Geschwaderchefs schätzten die Wehrkraft der Chinesen keineswegs als gering ein, wie im offiziellen deutschen Admiralstabswerk über den Boxerkrieg suggeriert wird387, deshalb sollte der Angriff möglichst überraschend erfolgen, um zu verhindern, dass sich die Fortbesatzungen adäquat darauf vorbereiten konnten. Courréjolles fragte, »ob man die Chinesen [überhaupt] erst benachrichtigen solle, oder ohne Weiteres schießen«388. Bendemann hielt es für ratsam, ein gewisses Maß an Form zu bewahren, und empfahl »um 12h Nachts einen Boten nach den Forts zu schicken und eine Erklärung der von China vorbereiteten feindseligen Maßregeln zu fordern«389. Diese kurze Frist sei ausreichend, »da die Erklärung doch ungenügend ausfallen werde«, so dass »dann um 2h N[achts] die Beschießung beginnen [könne]«390. Courréjolles plädierte nun ebenfalls für die Stellung eines Ultimatums, hielt allerdings Mitternacht als Übergabezeitpunkt »wegen der schlechten Verkehrseinrichtungen [in der Peiho-Mündung] für zu spät«391, weshalb der Termin schließlich um drei Stunden auf 21 Uhr vorverlegt wurde. Nach ausgiebiger Diskussion formulierte Courréjolles das Ultimatum an den Kommandanten der TakuForts, General Lo Jung-kuang, und den Gouverneur von Tientsin, Yu Lu, das in Form eines Sitzungsprotokolls schriftlich niedergelegt wurde. Darin heißt es unmissverständlich: »Die verbündeten Mächte haben seit dem Beginn der Wirren ohne Widerstand Truppenabteilungen gelandet, um ihre Landsleute und das diplomatische Korps gegen die unter dem Namen ›Boxer‹ bekannten Aufrührer zu schützen. Zu allererst haben die Vertreter der Kaiserlichen Gewalt scheinbar verstanden, ihre Pflichten zu erfüllen und offenkundige Anstrengungen zur Wiederherstellung der Ordnung gemacht. Aber jetzt zeigen sie deutlich ihre Sympathien für die Feinde der Fremden, indem sie Truppen gegen die Eisenbahnlinien führen und durch Minen die Einfahrt des Pei ho sperren. Diese Handlungen beweisen, daß die Regierung ihre feierlichen Verpflichtungen den Fremden gegenüber vergisst, und da die Befehlshaber der verbündeten Streitkräfte die Verpflichtung haben, in beständiger Verbindung mit ihren Abteilungen am Lande zu bleiben, haben sie beschlossen, zeitweilig, mit Güte oder Gewalt, die Forts von Taku zu besetzen. Die letzte Frist für deren Übergabe an die verbündeten Streitkräfte ist 2h morgens den 17. [Juni] (2h V[ormittags])392.«

Dieses Protokoll wurde von allen Geschwaderchefs unterzeichnet, mit Ausnahme des amerikanischen Konteradmirals Louis Kempff, dessen Regierung ihm nur Selbstverteidigungsmaßnahmen erlaubt hatte393. Auch wenn den Chinesen noch eine be387 388 389 390 391 392 393

Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 66. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 34 (Aufzeichnungen vom 16.6.1900). Ebd. Zitate aus: Ebd. Ebd. Protokoll der Befehlshaberkonferenz vom 16.6.1900, zit. nach: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 62 f. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 22-37 (Aufzeichnungen vom 16.6.1900, mit Anlagen); Bendemann an Diederichs, 17.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 209; Braisted, The United States Navy, S. 81-90; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 57-63; Plaschka, Matrosen, Offiziere, Rebellen, Bd 1, S. 87-92; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 122 f.; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 281-288.

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scheidene Frist zur Räumung der Taku-Forts gewährt wurde, besaß letztlich der ganze Vorgang den Charakter eines Überraschungsangriffes, wie der Historiker Xiang Lanxin zu Recht in seiner hervorragenden Studie über »The Origins of the Boxer War« konstatiert394. Die Geschwaderchefs waren sich im Klaren über die Risiken und Konsequenzen, die mit einem solchen Präventivschlag verbunden waren. Zwar erklärte keine der acht verbündeten Mächte China offiziell den Krieg, aber zweifellos entsprachen das Ultimatum und der spätere Sturm auf die Taku-Forts einer »definitiven Erklärung des Kriegszustandes«395. Im völkerrechtlichen Sinne war das antizipierte Vorgehen eine illegitime Verletzung der territorialen Integrität des chinesischen Staates. Den Geschwaderchefs war auch bewusst, dass die Wegnahme der TakuForts das Todesurteil für alle Ausländer im Landesinneren Chinas bedeuten konnte, doch selbst das wurde billigend in Kauf genommen. Mit zynischem Unterton rechtfertigte der britische Konteradmiral James Bruce, der Seymour auf der Befehlshaberkonferenz vertrat, das Risiko eines solchen Opfers mit den Erfahrungen, die Großbritannien während der Opiumkriege gemacht hatte: »Jedenfalls spräche die Geschichte zu Gunsten der Ueberzeugung«, resümierte er, »daß nach Wegnahme der Taku-Forts China einlenken werde396.« Auch den Konsuln der verbündeten Mächte in Tientsin, die stellvertretend für die von der Außenwelt abgeschnittenen Gesandten in Peking agierten, waren die Risiken und Konsequenzen des Ultimatums bewusst. Trotzdem stimmten sie dem Beschluss der Admirale zu, da auch sie angesichts der immer bedrohlicheren Lageentwicklung die Zeit zum Handeln gekommen sahen397. In einem jüngst publizierten Aufsatz über den Beginn des Boxerkrieges vertritt die Sinologin Mechthild Leutner die Auffassung, dass »territoriale Eroberung das treibende Motiv« zur Besetzung der Taku-Forts gewesen sei, »da ein Landgang der Marine und deren mehrtägiger Marsch auf die Hauptstadt auch ohne Übergabe der Forts möglich gewesen wäre«398. Dieser Erklärungsansatz greift zu kurz. Territoria394 395

396 397 398

Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 283, 288. Zabel, Deutschland in China, S. 136. Bereits kurz nach Beginn der Kämpfe entfaltete sich eine aus heutiger Perspektive absurd anmutende Debatte, ob es sich bei dem Boxerkrieg tatsächlich um einen Krieg handelte, weil die alliierten Mächte China formal nie den Krieg erklärt haben und auch die chinesische Kriegserklärung vom 21. Juni formaljuristisch keine Kriegserklärung war. Der zeitgenössische Jurist Fritz Kleine etwa vertrat 1913 die Auffassung, dass »die Unterdrückung des Boxeraufstandes einer in Krieg ausgearteten Intervention sehr nahekommt«, diese letztlich jedoch kein Krieg gewesen sei und deshalb am Besten als »Kollektivintervention« zu bezeichnen wäre. In der jüngsten historischen Forschung hingegen wird der Boxerkrieg als das bezeichnet, was er tatsächlich war: ein »Small War« beziehungsweise Kolonialkrieg. Zitate aus: Kleine, Die Unterdrückung der Boxerunruhen in China 1900, S. 46, 48. Vgl. u.a. ebd., S. 7-47; Klitzing, Die Unterdrückung der Boxerunruhen in China 1900; Eberspächer, »Germans to the front«, S. 9; Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 101 f.; Klein, Straffeldzug im Namen der Zivilisation, S. 146; Kuß, Deutsche Strafexpeditionen im Boxerkrieg, S. 135 f.; Leutner/Mühlhahn, Vorwort; siehe auch zu der Problematik allgemein: Wolff, Kriegserklärung und Kriegszustand nach Klassischem Völkerrecht. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 33 (Aufzeichnung vom 16.6.1900). Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 283 ff. Zitate aus: Leutner, Die Belagerung der Gesandtschaften, S. 105 f.

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le Eroberung war nicht das Motiv, sondern das Ziel. Um Entsatztruppen für einen Marsch auf Peking zu landen, war die Übernahme der Taku-Forts als Brückenkopf tatsächlich nicht notwendig, wohl aber für die Sicherung der Detachements in Tientsin und zur Rettung der Seymour-Expedition. Gleichzeitig brachten die Verbündeten damit auch den, besonders aus der Sicht eines Marinesoldaten strategisch wichtigen Zugang zum Peiho unter ihre Kontrolle, der ihnen den Zugang nach Tientsin und Peking auf dem Wasserwege ermöglichte. Darüber hinaus sollte der chinesischen Regierung durch die Wegnahme ihrer wichtigsten Festungsanlage im Norden des Landes symbolisch ihre eigene Schwäche gegenüber den verbündeten Mächten demonstriert werden, um sie auf Linie zu bringen, wie es Vizeadmiral Bruce auf der Befehlshaberkonferenz sinngemäß formuliert hatte, und sie in eine konsequente Allianz mit den ausländischen Alliierten zur Bekämpfung der Boxerbewegung zu zwingen – ein Effekt, der allerdings durch das endgültige Scheitern der Seymour-Expedition verpuffen sollte. Dabei war die militärische Eroberung der Taku-Forts keineswegs eine leichte Aufgabe. Das ausgeklügelte, moderne Festungssystem umfasste vier geschlossene, aus Erde und Mauerwerk hergestellte Forts und eine offene Strandbatterie, die nach der Schleifung der Anlage im Zweiten Opiumkrieg sukzessive wieder aufgebaut, verstärkt und mit modernen Waffensystemen, darunter mehrere Kruppsche Schnellfeuerkanonen, ausgerüstet worden waren. Ihre Besatzung bestand aus rund 3000 gut ausgebildeten Soldaten. Zudem lagen noch vier moderne chinesische Torpedobootzerstörer deutscher Bauart im nahegelegenen Hafen von Tangku. Gegen 21 Uhr wurde das Ultimatum der Geschwaderchefs sowohl dem Gouverneur von Tientsin als auch dem Oberbefehlshaber der Taku-Forts übermittelt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Angriffsvorbereitungen der verbündeten Mächte bereits begonnen. Der verabredete Angriffsplan sah zunächst eine Beschießung der Forts durch die kleineren Kriegsschiffe und anschließend deren Erstürmung durch Landungstruppen vor. Die größeren Kriegsschiffe waren aufgrund ihres Tiefganges nicht in der Lage, in die bevorstehenden Kämpfe einzugreifen. Auf dem Peiho waren insgesamt sieben Kriegsschiffe versammelt, die für den Angriff in Frage kamen: die modernen britischen Torpedobootzerstörer »Fame« und »Whiting«, das moderne britische Kanonenboot »Algerine« und das annähernd baugleiche deutsche Kanonenboot »Iltis«, drei russische Kanonenboote, die relativ veraltete »Bobr« und die annähernd baugleiche »Korejez« sowie die moderne »Giljak«, und das veraltete französische Kanonenboot »Lion«. Im Hafen von Tangku lagen noch zwei weitere Schiffe der Verbündeten, die allerdings nicht zum Einsatz kamen: Der amerikanische Aviso »Monocacy«, ein fast vierzig Jahre alter Raddampfer, war mangels neuer Instruktionen aus Washington zur Neutralität verpflichtet; das japanische Kanonenboot »Atago« hatte große Mengen an Sprengstoff geladen und wurde deshalb nur zur Sicherung des Bahnhofs von Tangku eingesetzt. Die für den Angriff vorgesehenen Schiffe standen unter dem Oberbefehl des russischen Kapitäns I. Ranges Dobrovol’skij (Dobrowolski). Sie verfügten – mit Ausnahme der »Lion«, »Bobr« und »Korejez« – allesamt nur über kleinkalibrige, noch dazu ungeschützt aufgestellte Bordfeuerwaffen mit einem beschränkten Bestreichungswinkel, weshalb sie für den Kampf mit Küstenbefestigungen nicht optimal geeignet waren.

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Dennoch oblag ihnen die Hauptlast des Angriffes. Unterstützt wurden sie durch ein rund 800 Mann starkes multinationales Landungskorps unter dem Oberbefehl von Kapitän zur See Pohl als dessen ältestem Offizier, der später von der deutschen Propaganda zur »Seele des Landangriffs«399 stilisiert wurde. Bendemann machte Pohl explizit darauf aufmerksam, »daß an Land die Japaner die numerisch stärksten sein werden«400. Deren Anteil an den Landungstruppen lag mit 330 Mann bei etwa 40 Prozent. Auch die Briten stellten ein annähernd so großes Truppenkontingent bereit. Weil Bendemann das gesamte Landungskorps des Kreuzergeschwaders der Seymour-Expedition zur Verfügung gestellt hatte, konnte er für den Angriff auf die Taku-Forts lediglich das in Tientsin stationierte, 120 Mann starke Reservelandungskorps einsetzen. Ergänzend kamen noch ein paar Dutzend Italiener, Österreicher-Ungarn und Russen hinzu401. Bereits eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang verlegten die »Algerine« und die russischen Kanonenboote bei klarem Wetter und relativ hellem Mondschein auf ihre verabredete Angriffsposition402. Bis spätestens 4 Uhr morgens sollten auch der »Iltis« und die »Lion« ihre Gefechtsposten einnehmen. Aus Sicht der Verbündeten lief alles planmäßig, bis plötzlich um 0.50 Uhr – mehr als eine Stunde vor Ablauf des Ultimatums – ein Kanonenschuss die Stille der Nacht zerriss und den Kampf um die Taku-Forts eröffnete. Bis heute ist unklar, wer diesen ersten Schuss abgefeuert hat. Während in allen westlichen Quellen wie selbstverständlich behauptet wird, dass eines der Forts das Feuer eröffnet habe, zeichnen die meisten chinesischen Quellen einschließlich General Los amtlichem Bericht ein gegenteiliges Lagebild, dass nämlich der Schuss von einem der alliierten Kriegsschiffe abgegeben worden sei. In der historischen Forschung klar widerlegt werden konnte der seinerzeit von den verbündeten Mächten erhobene Vorwurf, die Kaiserinwitwe Tz’u hsi habe die vorzeitige Eröffnung der Kampfhandlungen persönlich angeordnet; einen solchen Befehl hat es nachweislich nicht gegeben403. Nach Ansicht des Historikers Xiang Lanxin, der sich über viele Jahre intensiv mit dem Boxerkrieg in internationaler Perspektive beschäftigt hat, ist es plausibel, dass der Kanonenschuss aus Versehen – keinesfalls absichtlich – von einem nervösen chinesischen Artillerieoffizier während der hastig durchgeführten Gefechtsvorbereitungen in den Forts abgefeuert wurde404. Restlos aufklären lässt sich der Vorfall heute nicht mehr. Zweifellos jedoch profitierten davon nur die Verbündeten, die nun ihre eigene Aggression in der Propaganda als Reaktion auf eine Provokation der Chinesen darstellen konnten, frei nach dem Motto: »Seit 0.50 Uhr wird jetzt zurückgeschossen. Und von jetzt ab wird Granate mit Granate vergolten.« 399 400 401 402 403 404

Plüddemann, Der Krieg in China, 8./9., S. 961. Bendemann an Pohl, 16.6.1900, zit. nach: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 64. Lans an Bendemann, 16.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 199; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 58, 66 ff.; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 283-288. Clowes, The Royal Navy, vol. 7, S. 533; Dix, The World’s Navies in the Boxer Rebellion, S. 33 f. Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 290. Ebd., S. 288. Xiang stützt diese These auf eine zeitgenössische chinesische Quelle, in der dieser Vorfall beschrieben wird. Vgl. ebd., S. 304, Anm. 16.

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Als der Kampf um die Taku-Forts begann, lagen nur die »Algerine« und die russischen Kanonenboote auf ihrem Gefechtsposten. Die »Algerine« erwiderte sofort das Feuer. Wenige Minuten später zogen auch die russischen Kanonenboote nach und lieferten sich ebenfalls erste Feuerwechsel mit dem Nordwestfort. Im offiziellen Gefechtsbericht, den Hiltebrandt als Vorsitzender der Befehlshaberkonferenz einige Wochen später publizierte, heißt es lapidar: »Les canonnières russes et l’Algerine riposent aussitôt405.« Bei den Deutschen dauerte das länger: Obwohl der »Iltis« seit dem späten Abend gefechtsklar mit angefeuerten Kesseln im Hafen von Tangku lag, benötigte die Besatzung unter dem einsetzenden Dauerbeschuss des Nordwestforts volle vierzig Minuten, bevor das Kanonenboot den Anker lichten und sich auf seinen Gefechtsposten begeben konnte. Die Franzosen allerdings waren noch langsamer. Als der »Iltis« gegen 1.30 Uhr den Hafen von Tangku verließ, hatten die »Whiting« und die »Fame« bereits die vier ganz in der Nähe ankernden chinesischen Torpedobootzerstörer genommen, gerade noch rechtzeitig, bevor es diesen gelang, die ersten Torpedos abzufeuern406. Gemäß dem vereinbarten Angriffsplan konzentrierten die Verbündeten ihr Feuer zunächst auf das Nordwestfort, um es für das Landungskorps sturmreif zu schießen. Mit allen Geschützen, die nicht auf diese Festung gerichtet werden konnten, wurden die beiden südlicher gelegenen Festungswerke beschossen. Während der Nacht waren die Geschütze der Forts kaum zu erkennen, deshalb feuerten die Kanonenboote mit möglichst geringem Munitionsaufwand in großen Pausen auf die Brustwehrkanone des Nordwestforts, weil diese sich ziemlich deutlich im Mondlicht abhob. Als es im Morgengrauen ab etwa 3.45 Uhr hell genug war, wurden dann alle Geschütze der Forts einzeln unter Feuer genommen. Bedingt durch die Fahrwasserverhältnisse war die Gefechtsentfernung sehr gering. Für den »Iltis« betrug sie nur etwa 1000 Meter zum Nordwestfort und zwischen 2000 und 2500 Metern zum Südfort407. Bis zum Morgengrauen behielten die Forts die Oberhand im Gefecht. General Lo glaubte kurzzeitig sogar, ein Sieg sei möglich. Im Verlauf der Kampfhandlungen gelang es den Chinesen, dem »Iltis« und der »Korejez« schwere Treffer beizufügen sowie die »Giljak«, die »Algerine« und selbst die am Gefecht unbeteiligte »Monocacy« leicht zu beschädigen408. Doch gegen 4.30 Uhr morgens begann die Lage zu 405 406

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Prise des Forts de Takou par les Forces Alliées le 17 Juin 1900, S. 3 (enthalten in: BArch, RM 5/5611, Bl. 136-142). Die chinesischen Torpedobootzerstörer wurden kurz nach der Eroberung der Taku-Forts in die Geschwader der Verbündeten integriert. Die Deutschen erhielten das Boot »Hai lung«, das nach umfangreichen Instandsetzungsarbeiten unter dem Namen »Taku« in Dienst gestellt wurde und fortan die deutsche Yangtse-Patrouille verstärkte. Lans an Bendemann, 28.6.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 220-227, hier Bl. 220 ff.; Dix, The World’s Navies in the Boxer Rebellion, S. 33-38; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 66-70; Keyes, Adventures Ashore & Afloat, S. 216-222; Müller, Unsere Marine, S. 74-82; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 288; siehe auch: Richter, Sr. Maj. Kanonenboot »Iltis«, S. 85-91. Die »Monocacy« wurde schon kurz nach Beginn des Gefechtes getroffen und hätte daraufhin im Rahmen der Selbstverteidigung in die Kämpfe um die Taku-Forts eingreifen können. Der Kommandant jedoch hielt ein solches Vorgehen für unklug und verblieb deshalb tatenlos im Hafen von Tangku. Konteradmiral Kempff erteilte ihm dafür zwar eine scharfe Rüge, wurde aber dennoch

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kippen. Das Nordwestfort war von den Verbündeten sturmreif geschossen worden. Kurz darauf setzten die Landungstruppen unter dem Kommando von Kapitän zur See Pohl zum Sturm auf das Festungswerk an und eroberten es innerhalb von rund dreißig Minuten. Nur wenig später kapitulierte auch das Nordfort. Anschließend konzentrierten die Kanonenboote, unterstützt von zwei unbeschädigten Geschützen des Nordforts nach dessen Einnahme durch das Landungskorps, ihre gesamte Feuerkraft auf das Südfort. Obwohl dort bereits kurz nach 4.30 Uhr ein Munitionslager im südlichen Flügel explodiert war, hielten die Chinesen weiter die Stellung. Sie gaben erst auf, als knapp zwei Stunden später ein Munitionsdepot und zwei weitere Pulvermagazine explodierten, wodurch das Fort weitgehend zerstört und ein Großteil der Fortbesatzung getötet wurden. Gegen 6.50 Uhr morgens vernichteten die Verbündeten auch die Strandbatterie. Damit war der Kampf um die Taku-Forts entschieden. Auf Seiten der Verbündeten hatte er 31 Tote und 107 Verwundete gefordert, von denen bezeichnenderweise der überwiegende Anteil auf die Kanonenboote entfiel409. Unter den Verletzten befand sich auch ein »embedded correspondent« des Ostasiatischen Lloyd, Josef Herrings, der sich extra für das Gefecht auf dem »Iltis« eingeschifft hatte410. Die Zahl der getöteten und verwundeten Chinesen betrug annähernd 1000 Mann. Wilhelm II. war mit den Leistungen seiner Marinesoldaten hoch zufrieden. Zahlreiche Besatzungsmitglieder des »Iltis« erhielten Auszeichnungen. Eine besondere Ehrung erfuhr der schwer verwundete Kommandant des Kanonenbootes, Korvettenkapitän Lans: Ihm verlieh der Kaiser »voller Freude über die Bravour des ›Iltis‹ und seiner Besatzung bei Taku«411 die höchste militärische Auszeichnung, den Orden Pour le mérite. Im Januar 1903 bestimmte er nachträglich, dass auch das Schiff selbst »als besondere äußere Auszeichnung«412 am Bug und im Flaggenknopf ein Abbild dieses Ordens zu führen habe413.

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kurz darauf als Chef des »Asiatic Squadron« abberufen und durch Konteradmiral George Remey ersetzt, der bis dahin die amerikanischen Seestreitkräfte in den Philippinen befehligt hatte. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 77 f. Aufgrund seiner Verwundung konnte Herrings keinen Artikel über die Eroberung der TakuForts für die wenige Tage später erscheinende Ausgabe des Ostasiatischen Lloyd verfassen. Das Wochenblatt behalf sich deshalb mit dem Abdruck eines Erlebnisberichts von Felix Schmellitscheck, der die Schlacht von einem Dampfer im Hafen von Tangku aus beobachtet hatte. Allerdings verfasste Herrings einige Monate später ein Buch über seine Erlebnisse an Bord des »Iltis«, in dem er vollkommen distanzlos, unkritisch und unreflektiert die deutschen »Heldentaten« während des Kampfes um die Taku-Forts in den schillerndsten Farben glorifizierte. Jedenfalls hatte es nichts mit »genaue[r], zuverlässige[r] Berichterstattung« zu tun, wie es Carl Fink, der Herausgeber des Ostasiatischen Lloyd, in seinem Empfehlungsschreiben für Herrings an den deutschen Geschwaderchef versprochen hatte. Aus Sicht der Marineleitung jedoch war das kein Makel, im Gegenteil, denn das patriotische Buch fügte sich gut in die Marinepropaganda ein und wich in den wesentlichen Inhalten nicht von der überwiegend militärisch-nüchternen Darstellung im Admiralstabswerk ab. Zitat aus: Fink an Bendemann, 9.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 221. Vgl. Herrings, Taku; Felix Schmellitscheck, Die Beschiessung der Forts von Taku. In: Der Ostasiatische Lloyd, 14 (1900), S. 25. Diederichs an Bendemann, 24.6.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 64. Wilhelm II. an Geißler (Kabinettsordre), 27.1.1903, BArch, RM 2/1303, Bl. 14. Mit dieser besonderen Ehrung bezweckte Wilhelm II., »daß das Andenken an die That Meines Kanonenbootes ›Iltis‹ im Kampfe um die Takuforts fort und fort in Meiner Marine lebendig erhalten bleibe«, ebenso

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Trotz der geringen Vorbereitungszeit war es General Lo mit Hilfe eines improvisierten Verteidigungsplans gelungen, die Taku-Forts mehr als sechs Stunden lang erfolgreich zu verteidigen. Den chinesischen Soldaten mangelte es somit nicht an Ausdauer und Standhaftigkeit, wie in zahlreichen Gefechtsberichten der Verbündeten zu lesen ist. Selbst im deutschen Admiralstabswerk finden sich an einigen Stellen, wenn auch sachlich kaschiert, lobende Worte über die Wehrkraft der Fortbesatzungen: Anerkennend wurde etwa vermerkt, »daß der Gegner über Erwarten gut schoß« und »daß in den Forts für die gefallenen Mannschaften sofort Ersatz eintrat; z.B. wurde bei einem Geschütz anscheinend dreimal die Bedienungsmannschaft weggeschossen und jedes Mal nach wenigen Minuten wieder ergänzt, bis das Geschütz, wahrscheinlich infolge einer Beschädigung der Höhenrichtmaschine, unbrauchbar geworden war«414. Auch waffentechnisch waren die Chinesen keineswegs unterlegen. Die Forts waren mit modernen Geschützen ausgerüstet, die es ohne weiteres mit den Kanonenbooten aufnehmen konnten. Korvettenkapitän Lans betonte in einer Gefechtsanalyse, die er einige Monate später für den Admiralstab verfasste, dass beim Kampf um die Taku-Forts »zum ersten Male moderne Schnellfeuerartillerie auf Schiffen gegen gleiche Artillerie in einer Küstenbefestigung zur Verwendung gelangte«415. In diesem Bericht verdeutlichte Lans auch die glücklichen Umstände, die den Verbündeten den Sieg beschert hatten, wobei allerdings sein Hinweis auf die ungenügende Ausdauer und Standhaftigkeit der Chinesen im oben erläuterten Sinne zu relativieren ist:

»Die Taku Forts galten bei den Chinesen als uneinnehmbar und waren es in einem gewissen Sinne von der Seeseite aus. Die Einnahme ist nur dem glücklichen Umstande zu verdanken, dass die Kanonenboote noch zu Friedenszeiten in den Fluss dampfen konnten und so der Angriff vom Rücken aus erfolgen konnte. Ein Angriff von der Seeseite durch grosse Schiffe war wegen des flachen Wassers nicht möglich; ein Angriff von der Seeseite durch Kanonenboote hätte aller Wahrscheinlichkeit nach die Vernichtung aller

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wie er »durch das Gemälde ›The Germans to the front‹, welches den ehrenvollen Anteil der Offiziere und Mannschaften Meiner Schiffe an dem Seymour-Zuge gegen Peking zur Darstellung bringt, diese Leistungen geehrt und ihnen ein dauerndes Anzeichen geliefert [hatte]«. Zitate aus: ebd. Wilhelm II. an Bendemann (Kabinettsordre), 25.6.1900, BArch, RM 2/1299, Bl. 11; Lans an Bendemann (mit Anlagen), 28.6.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 220-235, hier Bl. 222-232; Pohl an Bendemann, 28.6.1900, ebd., Bl. 236-248, hier Bl. 242-248; Pohl an Bendemann, 18.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 216 f.; Geschwaderarzt Dannemann an Bendemann, 18.6.1900, ebd., Bl. 322 f.; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 70-82; Keyes, Adventures Ashore & Afloat, S. 222-227; Müller, Unsere Marine, S. 83-107; Ueber die Theilnahme S.M.S. »Iltis« und des deutschen Landungskorps an den Kämpfen um die Taku-Forts; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 288 f.; siehe auch: Richter, Sr. Maj. Kanonenboot »Iltis«, S. 91-107. Bernd Martin irrt mit der Aussage, dass Lans beim Kampf um die Taku-Forts gefallen und der Erste Offizier mit dem Pour le mérite ausgezeichnet worden sei. Ebenso falsch ist, dass einige Monate später die gesamte Besatzung mit dem Pour le mérite ausgezeichnet wurde. Vgl. Martin, Die Ermordung des deutschen Gesandten, S. 87, Anm. 31, und S. 94. Zitate aus: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 70 f. Bericht des Korvettenkapitäns Lans über einige bei dem Taku-Gefecht gewonnene Erfahrungen in Bezug auf das Material und auf die taktische Verwendung der Artillerie, o.D. [August 1901], BArch, RM 5/2075, Bl. 37-41, hier Bl. 37.

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Kanonenboote zur Folge gehabt. Ein allgemeines Urteil über die Chancen von Schiffen gegen Küstenbefestigungen kann also trotz des entschiedenen Sieges aus dem TakuGefecht nicht gewonnen werden. [...] Es kann im Gegenteil nur vor dem Schlusse gewarnt werden, dass auch leichte und ungeschützte Schiffe erfolgreich einen Kampf gegen Küstenwerke aufnehmen können. Es darf, trotzdem der Gegner für chinesische Verhältnisse sich recht brav geschlagen hat, doch nicht vergessen werden, dass unsere Gegner Chinesen waren. Bei nur etwas mehr Ausdauer und Standhaftigkeit auf Seite der Chinesen wären die Befestigungen mit den vorhandenen Angriffsmitteln nicht niederzukämpfen gewesen, aller Wahrscheinlichkeit nach aber wären alsdann die Kanonenboote vernichtet worden416.«

Ausschlaggebend für den Sieg der Verbündeten waren letztlich nicht überlegene Kampfkraft oder Waffentechnik, sondern »a dirty diplomatic trick, incredible luck and blind audacity«417. Unmittelbar nachdem die Taku-Forts erobert worden waren, wurden sie von den verbündeten Truppen besetzt und provisorisch wieder instandgesetzt. Bendemann konnte dafür auf die Ablösungsmannschaften des Kreuzergeschwaders zurückgreifen, die turnusgemäß Mitte Juni in Tsingtau eingetroffen und ihm wenige Tage zuvor aufgrund der eskalierenden Lage in China »bis auf Weiteres zur Verfügung«418 gestellt worden waren. Als die rund 1200 Mann im Laufe des 18. Juni auf der Taku-Reede anlangten, ließ der Geschwaderchef den Großteil sofort zur Verstärkung des völlig überlasteten Reservelandungskorps ausschiffen. Am späten Vormittag des nächsten Tages traf auch der II. Admiral des Kreuzergeschwaders, Kapitän zur See Hermann Kirchhoff, mit dem Kanonenboot »Jaguar« von Shanghai kommend in Taku ein, wo er am 21. Juni den Oberbefehl über die deutschen Land- und Seestreitkräfte in Tangku und Tientsin übernahm419. Während die Kanonenboote und die Landungstruppen bereits Kampfeinsätze absolviert hatten, konnte die Hauptstreitmacht der Verbündeten, die rund drei Dutzend auf der Taku-Reede versammelten größeren Kriegsschiffe, nicht wirkungsvoll zum Einsatz gebracht werden. Aufgrund ihres Tiefganges waren sie nicht in der Lage, auf den Flüssen und somit im Landesinneren zu operieren. Ihr Wirkungsradius beschränkte sich daher auf die hohe See und die tieferen Küstengewässer sowie an Land auf die küstennahen Gebiete, soweit die Schiffsgeschütze reichten. Eine ernsthafte Bedrohung waren sie letztlich nur für die chinesische Marine. Als die Taku-Forts von den Verbündeten erobert wurden, befand sich der geschützte Kreuzer »Hai Tien«, das Flaggschiff der Pei’yang-Flotte, bei den alliierten Kriegsschiffen auf der nahegelegenen Reede. Angesichts der erdrückenden Übermacht versuchte der chinesische Geschwaderchef nicht einmal, auf irgendeine Weise in 416

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Zitate aus: ebd., Bl. 39, 41 (Hervorhebungen im Original). Bezeichnenderweise wurden keinerlei Erkenntnisse aus dieser Gefechtsanalyse in das Admiralstabswerk übernommen. Die dortigen Ausführungen stützen sich fast ausschließlich, teilweise wörtlich, auf Lans’ amtlichen Bericht, den er elf Tage nach den Kämpfen verfasste. Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 286. Diederichs an Wilhelm II., 12.6.1900, BArch, RM 2/1860, Bl. 3. Bendemann an Wilhelm II., 28.7.1900, BArch, RM 5/5606, Bl. 151-171; Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 38-47 (Aufzeichnungen vom 17.6. bis 21.6.1900); Tagesbefehl für das Kreuzergeschwader (2. Ausgabe), 20.6.1900, BArch, RM 38/51, Bl. 247 f.; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 85 f.

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die Kämpfe einzugreifen. Er verhielt sich durchweg zurückhaltend und kooperativ, selbst dann noch, als er und sein Schiff am 17. Juni auf Initiative Bendemanns unter Arrest gestellt wurden. Die restlichen Schiffe der Pei’yang-Flotte, die sich zu dieser Zeit im Golf von Chihli aufhielten, vermieden ebenfalls jede Konfrontation mit den weit überlegenen Seestreitkräften der verbündeten Mächte und zogen sich lieber bis Kriegsende hinter die Befestigungen von Kiang-yin im Mündungsgebiet des Yangtse zurück. Zwangsläufig fiel somit den größeren Kriegsschiffen der alliierten Ostasiengeschwader die Rolle einer »fleet-in-being« zu, deren Aktivitäten sich im Wesentlichen auf die seeseitige Sicherung des Brückenkopfes in Taku und logistische Aufgaben zur Unterstützung der Landungstruppen konzentrierten420. Unmittelbar nach dem Fall der Taku-Forts gingen Yu Lu und General Nieh zum Gegenangriff auf die verbündeten Truppen in Tientsin über. Sie hofften, durch die Eroberung der Fremdenniederlassung ihre Reputation gegenüber Tz’u hsi wiederherstellen zu können. Um Zeit zu gewinnen, berichte Yu der Kaiserinwitwe am 20. Juni lediglich, dass die Taku-Forts angegriffen worden, nicht jedoch, dass sie bereits gefallen waren421. In den knapp vierwöchigen Kämpfen um Tientsin lag »mehr oder weniger der Schwerpunkt der militärischen Ereignisse«422 des Boxerkrieges. Zu Beginn der Kämpfe wurde die dortige Fremdenniederlassung von rund 2700 ausländischen Soldaten geschützt, darunter 1800 Russen, knapp 400 Briten und 189 Deutsche. Ihnen standen bis zu 8000 chinesische Soldaten unter dem Kommando von General Nieh und – Yus amtlichem Bericht zufolge – annähernd 30 000 Boxer gegenüber. Im Laufe des 17. Juni zerstörten die chinesischen Truppen die Eisenbahn-, Telegrafen- und Telefonverbindung zwischen Tangku und Tientsin. Außerdem versenkten sie einige große Dschunken und andere Fahrzeuge hinter Tangku an verschiedenen Stellen im Peiho, so dass selbst die wendigen Kanonenboote nicht mehr in das bedrängte Tientsin vordringen konnten. Parallel dazu legten sie einen Belagerungsring um die Fremdenniederlassung und gingen zum Angriff über. Von den alliierten Kriegsschiffen konnten keine Entsatztruppen bereitgestellt werden, da sie bereits sämtliche Landungstruppen ausgeschifft hatten. Allerdings trafen wenige Tage nach dem Fall der Taku-Forts mehrere Tausend alliierte Soldaten in Tangku ein, die aus Manila, Hongkong, Port Arthur, Kiautschou und Tonkin herangeholt wurden. Am 21. Juni machte sich eine etwa 2000 Mann starke Entsatztruppe, darunter zwei deutsche Kompanien des III. Seebataillons, auf den Weg nach Tientsin, die allerdings auf halbem Wege von etwa 3000 chinesischen Soldaten unter Niehs Kommando angegriffen und mehrere Tage am weiteren Vormarsch gehindert wurde. Gleichzeitig versuchte General Nieh, die auf dem Rückzug befindliche Seymour-Expedition zu vernichten, allerdings ohne Erfolg. Unterdessen setzten die Boxereinheiten im Verein mit einigen Regierungstruppen unter Yus Kommando zum Sturm auf die Fremdenniederlassung an. Sieben Tage 420 421 422

Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 88; siehe auch: Boy, Die Leistungsfähigkeit der chinesischen Marine, S. 944-949. Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 327 ff. Zabel, Deutschland in China, S. 118.

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lang attackierten sie todesmutig die alliierten Stellungen, zu Hunderten fielen sie im Maschinengewehrfeuer der Verteidiger. Zwar richtete die chinesische Artillerie erheblichen Schaden an, aber die Schutzwachen wehrten alle Angriffe erfolgreich ab. Als schließlich die Seymour-Expedition am 23. Juni das Hauptarsenal der chinesischen Armee für Waffen und Munition im Großraum Tientsin eroberte, war die erste Phase im Kampf um die Stadt de facto abgeschlossen. Die Chinesen gingen in die Defensive. Kurz darauf gelang sowohl der Seymour-Expedition als auch den Entsatztruppen der Durchbruch nach Tientsin423. Nun ging der Kampf um die Stadt in seine zweite Phase, in der die Verbündeten ihrerseits versuchten, die chinesischen Stadtviertel zu erobern. Während die anderen Nationen, allen voran die Russen und Japaner, ihre Streitkräfte in Tientsin sukzessive verstärkten, mussten die Deutschen ihr Truppenkontingent erheblich reduzieren. Anfang Juli beorderte Jaeschke die beiden Kompanien des III. Seebataillons nach Kiautschou zurück, weil die Lage in der Umgebung des deutschen Schutzgebietes »ernst zu werden droht«424 und er die rund 250 Soldaten für dessen Verteidigung benötigte. Im Umfeld des deutschen Schutzgebietes und in der Provinz Shantung insgesamt richtete sich die Wut der Boxer vor allem gegen die deutschen Missionare der Steyler Mission und die Aktivitäten des deutschen Schantung-Syndikats, der Schantung-Eisenbahn-Gesellschaft und der SchantungBergbau-Gesellschaft. Allerdings erreichten die Ausschreitungen zu keiner Zeit ein solches Ausmaß wie in der Nachbarprovinz Chihli. Dem Provinzgouverneur Yüan Shih-k’ai gelang es, die Boxerbewegung in Shantung weitestgehend unter Kontrolle zu halten, so dass die Maßnahmen des III. Seebataillons im Wesentlichen auf die temporäre Besetzung der Stadt Kiautschou und zwei Strafexpeditionen in die nahegelegenen Städte Tsimo und Kaomi beschränkt blieben425. 423

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Kühne an Bendemann (mit Anlagen), 25.6.1900, BArch, RM 5/5605, Bl. 274-281; Bericht von Major Christ über die Tätigkeit des III. Seebataillons vom 19. bis 23. Juni 1900, o.D. [Juli 1900], ebd., Bl. 290-297; Kriegstagebuch des Seesoldaten-Detachements in Tientsin, BArch, RM 121 I/406 (Aufzeichnungen vom 17.6. bis 28.7.1900; ohne Paginierung); Dix, The World’s Navies in the Boxer Rebellion, S. 95-129; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 42-45; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 90-107; Müller, Unsere Marine, S. 108-156; Plaschka, Matrosen, Offiziere, Rebellen, S. 102-105; Trotha, Die Vertheidigung von Tientsin, 12, S. 1263-1283; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 300-303; Zabel, Deutschland in China, S. 118-133. Bendemann an Kirchhoff, 1.7.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 238. Parallel zu den beiden Kompanien des III. Seebataillons forderte der Gouverneur noch ein zweites Kriegsschiff zur Sicherung Kiautschous an, worauf ihm Bendemann umgehend die »Kaiserin Augusta« zur Verfügung stellte. Jaeschke betonte ausdrücklich den präventiven Charakter dieser Maßnahmen. Vgl. ebd.; Jaeschke an Bendemann, 3.7.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 267 f.; siehe auch: Gülich an Bendemann, 3.7.1900, ebd., Bl. 273 f. Im offiziellen Kriegstagebuch des III. Seebataillons wurden diese Einsätze nicht einmal vermerkt; die Einträge beziehen sich ausschließlich auf die Aktivitäten der beiden nach Tientsin kommandierten Kompanien in der Zeit vom 19.6. bis 7.7.1900. Vgl. Kriegstagebuch des III. Seebataillons, BArch, RM 121/403 (Aufzeichnungen vom 19.6. bis 7.7.1900; ohne Paginierung); Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 192-197; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 202-211; »Musterkolonie Kiautschou«, S. 490-493; Schrecker, Imperialism and Chinese Nationalism, S. 85-103, 130-139; Zhu, Deutsche Truppeneinsätze in Shandong, S. 320-331. Zum Einsatz des III. Seebataillons während des Boxerkrieges allgemein siehe: Huguenin, Geschichte

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Im weiteren Verlauf des Boxerkrieges spielten deutsche Truppen keine Rolle mehr. Der Kampf um die Tientsiner Chinesenstadt währte insgesamt drei Wochen. Am 14. Juli gaben sich die chinesischen Armee- und Boxereinheiten endgültig geschlagen und zogen sich aus der Stadt in nordwestlicher Richtung entlang des Peiho zurück. Beide Seiten hatten hohe Verluste zu beklagen: mindestens 10 000 Tote und Verwundete auf chinesischer und etwa 2000 Tote und Verwundete auf alliierter Seite. Nach dem Rückzug der Verteidiger wurde die Tientsiner Chinesenstadt rasch von den verbündeten Truppen besetzt. Dabei kam es erstmals zu heftigen Exzessen gegen die Zivilbevölkerung, die im weiteren Verlauf des Boxerkrieges zur Regel und noch gesteigert werden sollten: Zwei Tage lang zogen die Eroberer hemmungslos plündernd und marodierend durch die Straßen und Gassen der Stadt, die sie großenteils niederbrannten. Kapitän zur See Guido von Usedom versicherte der Reichsleitung, dass sich keine Deutschen an der Plünderung beteiligt hätten426. Nach der Eroberung blieb Tientsin noch gut zwei Jahre unter alliierter Militärverwaltung427. »Die Abhängigkeit europäischer Truppen von Launen chinesischer Mandarine erscheint mir als eine Unmöglichkeit«, begründete Waldersee die Militärverwaltung, »und würde fortlaufend zu Konflikten führen, welche die Diplomatie schlichten müsse. Die internationale Verwaltung Tientsins«, befand er, »bildet ein wirksames Druckmittel auf die Chinesen428.« c) Die Eroberung Pekings und der Einsatz des Ostasiatischen Expeditionskorps

Nachdem die chinesische Frage Ende Mai 1900 durch den raschen Vormarsch der Boxer auf Peking und Tientsin schlagartig in den Brennpunkt der Weltpolitik gerückt war, agierte die Reichsleitung zunächst zurückhaltend. »Wir beteiligen uns an allen gemeinsamen Schritten der übrigen Mächte zur Wahrung der gemeinsamen Interessen«, gab Bülow am 8. Juni als Devise aus, »haben aber keine Absicht, unsererseits weiterzugehen als die anderen429.« In den Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit gerieten die Vorgänge in China erst gut eine Woche später, nachdem

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des III. See-Bataillons, S. 73-112; Kleist, Die Kämpfe des III. Seebataillons während der Wirren 1900/01. Usedom an Waldersee, 9.12.1900, BArch, RM 5/5911, Bl. 219 f., hier Bl. 220. Bericht von Major Christ über die Tätigkeit des III. Seebataillons vom 24.6. bis 5.7.1900, o.D. [Juni 1900], BArch, RM 5/5605, Bl. 282-289; Kriegstagebuch des Kapitäns zur See von Usedom, BArch, RM 5/5606, Bl. 176-194 (Aufzeichnungen vom 28.6. bis 14.7.1900); Afflerbach, Falkenhayn, S. 39-44; Bernstein, After the Fall; Dix, The World’s Navies in the Boxer Rebellion, S. 130-192; Felber/Rosteck, Der »Hunnenkrieg« Kaiser Wilhelms II., S. 25; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 107-119; Müller, Unsere Marine, S. 156-173; Scheibert, Der Krieg in China 1900-1901, Bd 2, S. 140-155; Trotha, Die Vertheidigung von Tientsin, 1, S. 12-25; Zabel, Deutschland in China, S. 144-149. Waldersee an Wilhelm II., o.D. [Ende Mai 1901], BArch, RM 5/5613, Bl. 343; siehe auch: BArch, RM 121 I/399 (ohne Paginierung). Bülow an Holleben, 8.6.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4518, S. 8.

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die Presse über Kettelers Ermordung und die Zerstörung der Gesandtschaften in Peking berichtet hatte. Diese Nachrichten, die sich schon bald als falsch erweisen sollten430, waren am 16. Juni von der Londoner »Exchange Telegraph Company« verbreitet worden. Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt weder das Gesandtschaftsviertel von den Chinesen angegriffen, geschweige denn zerstört, noch Ketteler ermordet worden. Allerdings begann sich die Lage in Peking in den darauffolgenden Tagen dramatisch zuzuspitzen. Am 19. Juni forderte Tz’u hsi die Ausländer schließlich auf, die chinesische Hauptstadt binnen 24 Stunden mit Geleitschutz in Richtung Tientsin zu verlassen, da sie nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren konnte431. Die Gesandten waren mit der Maßnahme grundsätzlich einverstanden, baten aber im Tsungli Yamen darum, die Frist um einen Tag zu verlängern. Anders als sonst blieb ihr Gesuch dieses Mal unbeantwortet, ein Gespräch am nächsten Tag wurde verweigert. Obwohl seine Amtskollegen ihn davon abzuhalten versuchten, ließ sich der deutsche Gesandte am Morgen des nächsten Tages dennoch mit seiner Sänfte zum Tsungli Yamen tragen, um das beantragte Gespräch einzufordern. Ketteler war ein Draufgänger, der die Chinesen verachtete. In den Tagen zuvor hatte er sich bereits mehrfach in rüder Weise exponiert und mehrere Boxer, die der deutschen Gesandtschaft aus seiner Sicht zu nahe gekommen waren, erschießen lassen432. Als er sich am 20. Juni auf den Weg zum Tsungli Yamen machte, verzichtete er auf eine bewaffnete Eskorte. Das sollte ihm zum Verhängnis werden: Kaum hatte er das Gesandtschaftsviertel verlassen, wurde er von einem chinesischen Wachposten auf einer Straßenkreuzung erschossen. In der neueren Forschung wird nicht mehr davon ausgegangen, dass Ketteler einem gezielten Attentat zum Opfer fiel. Seine Tötung resultierte offenbar aus einem »Missverständnis oder Ungeschick, das zu einem Schusswechsel führte zwischen den Bannersoldaten, der Sänfte und den Soldaten der belgischen Gesandtschaft, die auf der anderen Straßenseite Wache hielten«433. Nur wenige Stunden nach dem Mord eskalierte die Lage in Peking, denn fast gleichzeitig hatte die Kaiserinwitwe vom Angriff der verbündeten Mächte auf die Taku-Forts erfahren. Noch im Laufe des 20. Juni leitete sie deshalb die Belagerung des Gesandtschaftsviertels durch Regierungs-

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Aufzeichnungen des Kapitän zur See von Usedom, 29.6.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 138 f. Siehe Kap. IV.2.a. Ketteler ordnete diese willkürlichen Erschießungen persönlich an. Zwar erschossen auch Schutzwachen einiger anderer Gesandtschaften bereits in den Tagen unmittelbar vor Beginn der Belagerung mehrere Boxer, aber nicht aus Willkür, sondern bei der Abwehr von Übergriffen. Vgl. u.a. Tagebuch des Unteroffiziers Loos vom III. Seebataillon, BArch, RM 38/88, Bl. 1-26, hier Bl. 4-7 (Aufzeichnungen vom 11.6. bis 20.6.1900); Kriegstagebuch des Oberleutnants Graf von Soden, BArch, RM 121 I/404 (Aufzeichnungen vom 11.6. bis 20.8.1900; ohne Paginierung); Rogge, Deutsche Seesoldaten bei der Belagerung der Gesandtschaften in Peking, S. 15-20; Rosthorn, Peking 1900, S. 28-40. Nowak, Der Tod des deutschen Gesandten Clemens von Ketteler, S. 116. Siehe dazu auch: Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 331-352.

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truppen und Boxereinheiten ein, die fast zwei Monate andauern sollte434. Tags darauf erklärte sie den verbündeten Mächten offiziell den Krieg435. Unmittelbar nach der Eroberung der Taku-Forts verstärkten Russland und Japan ihre dort stationierten Streitkräfte um mehrere Tausend Mann. Bülow begrüßte den Truppenaufmarsch, schien dieser doch den möglichen Auftakt für die langersehnte Konfrontation zwischen »der anglo-japanischen und der frankorussischen Gruppe«436 zu bilden. Deshalb wollte er, trotz der mutmaßlichen Ermordung Kettelers, weiterhin an seiner Freihandpolitik in der chinesischen Frage festhalten und erst dann seine zurückhaltende Position aufgeben, wenn sich die Spannungen zwischen den beiden Mächtegruppen entluden und er die Unterstützung des Deutschen Reiches möglichst teuer an die eine oder die andere Fraktion verkaufen konnte. Doch mit Wilhelm II. war eine solch wohldurchdachte Politik nicht zu machen. Der Kaiser geriet durch die Nachrichten aus China in allerhöchste Erregung437, die sofort in einen hektischen Aktionismus mündete: »Nach letzten Meldungen aus China kein Zweifel mehr [...], daß China im ganzen entschlossen ist, Europäer hinauszuwerfen. Daher muß sofort auf große Militäraktion gemeinsamer Natur vorbereitet werden. Berufen Sie sofort Botschafter zusammen«, wies er Bülow am 18. Juni an,

»die ihre Regierungen um Instruktionen bitten behufs Einleitung der Aktion. Es müssen starke [deutsche] Kontingente zu gemeinsamen Heer hinausgehen. Peking muß regelrecht angegriffen und dem Erdboden gleich gemacht werden. Dazu muß [das internationale] Heer mit Schnellfeuer- und Belagerungsartillerie ausgerüstet werden. Organisation des Verpflegungsnachschubs sehr wichtig, da zwischen Peking und Taku nichts mehr zu holen ist. Ich werde eventuell den Oberbefehl gern stellen. Denn es muß die ganze Aktion in eine feste Hand gelegt werden, und zwar in europäische. Wir dürfen uns nie dem aussetzen, daß Rußland und Japan die Sache allein machen und Europa heraushauen. Der deutsche Gesandte wird durch meine Truppen gerächt. Peking muß rasiert werden. England kann ja bei Aktion zur See Leitung übernehmen. [Unsere] Marineinfanterie muß gleich hinaus. Es ist der Kampf Asiens gegen das ganze Europa438!«

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Zum Verlauf der Belagerung siehe u.a.: Tagebuch des Unteroffiziers Loos vom III. Seebataillon, BArch, RM 38/88, Bl. 1-26, hier Bl. 6-24 (Aufzeichnungen vom 20.6. bis 14.8.1900); Kriegstagebuch des Oberleutnants Graf von Soden, BArch, RM 121 I/404 (Aufzeichnungen vom 20.6. bis 14.8.1900; ohne Paginierung); The Siege of the Peking Embassy, S. 141-283; Fleming, Die Belagerung zu Peking; Mabire, Blutiger Sommer in Peking, S. 109-242; Rogge, Deutsche Seesoldaten bei der Belagerung der Gesandtschaften in Peking, S. 33-72; Rosthorn, Peking 1900, S. 41-86. Felber/Rosteck, Der »Hunnenkrieg« Kaiser Wilhelms II., S. 2 ff., 22 f.; Leutner, Die Belagerung der Gesandtschaften, S. 102-108; Martin, Die Ermordung des deutschen Gesandten, S. 81-89; Xiang, The Origins of the Boxer War, S. 318-352. Die Kriegserklärung der Kaiserinwitwe an die verbündeten Mächte ist im Wortlaut abgedruckt in: Felber, Die Kriegserklärung der Kaiserinwitwe, S. 73 ff. Bülow an Wilhelm II., 19.6.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4528, S. 17. In seinen Memoiren vermerkte Bülow, er habe Wilhelm II. »niemals in einer solchen Erregung gesehen wie während der ersten Phase der chinesischen Wirren«. Zitat aus: Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd 1, S. 358. Vgl. ebd., S. 358 f.; Röhl, Wilhelm II., Bd 3, S. 107 f. Wilhelm II. an Bülow, 19.6.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4527, S. 14 (Hervorhebungen im Original).

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Bülow versuchte den kaiserlichen Aktionismus umgehend zu bremsen. Bei einer Zusammenkunft am 22. Juni in Kiel warnte er den Monarchen: Sollte sich Deutschland in der chinesischen Frage zu sehr exponieren, würden das britischrussische Misstrauen abgebaut und sich alle Mächte gegen das Reich verbünden. Angesichts der äußerst nervösen Erregung Wilhelms II. sah sich Bülow jedoch genötigt, ihm teilweise nachzugeben. Zwar konnte er den Kaiser davon abbringen, unverzüglich ein Armeekorps in das Krisengebiet zu schicken, aber mit der sofortigen Mobilmachung der Marineinfanterie erklärte er sich einverstanden439 und den deutschen Oberbefehl über ein internationales Expeditionskorps hielt er nun sogar als für das deutsche Prestige nützlich440. Da seit dem 11. Juni keinerlei Kontakt mehr zum deutschen Gesandten in Peking bestand, dieser mutmaßlich sogar getötet worden war, übertrug Bülow schließlich am 30. Juni dessen politische Funktionen offiziell auf den Chef des Kreuzergeschwaders441. Dieser Schritt war längst überfällig, denn faktisch fungierte Bendemann zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast drei Wochen auch als höchster diplomatischer Vertreter des Deutschen Reiches in China. Seit dem Abbruch der Telegrafenverbindung nach Peking wurden alle relevanten Entscheidungen zur Niederschlagung der Boxerbewegung, egal ob militärischer oder politischer Natur, in der Befehlshaberkonferenz gefällt. Die politischen Instruktionen, die Bülow über den Admiralstab an Bendemann übermitteln ließ, verpflichteten den Geschwaderchef, zurückhaltend zu agieren. Als deutsche Kriegsziele definierte er »die energische Wahrung der künftigen Sicherheit der Europäer und ihrer wirtschaftlichen Unternehmungen«442. Ungeachtet diverser prestigepolitischer Machtdemonstrationen wurde der Kurs der deutschen Chinapolitik während des gesamten Boxerkrieges überwiegend durch die Handelsinteressen der deutschen Wirtschaft bestimmt. Bülow wies den Geschwaderchef ausdrücklich darauf hin, dass »unnötige Erschütterungen oder gar eine Aufteilung des Chinesischen Reiches [...] als unseren Interessen nicht entsprechend zu vermeiden [sind]«443. Er war nicht prinzipiell gegen eine Aufteilung Chinas unter den Großmächten. Im Gegenteil, aber er wollte diesen Zeitpunkt mög439

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Der Kaiser hatte die Mobilmachung der rund 2570 Mann starken Truppe bereits am 19. Juni befohlen. Vgl. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 164 f. Bereits eine Woche zuvor hatte Bülow zugestimmt, dass die rund 1200 Mann Ablösungsmannschaften für das Kreuzergeschwader, die turnusmäßig Mitte Juni in Tsingtau eintrafen, dem Geschwaderchef bis auf Weiteres zur Verfügung gestellt werden. Vgl. Bülow an Diederichs, 12.6.1900, BArch, RM 5/5599, Bl. 48. Wilhelm II. an Bülow, 18.6.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4525; Metternich an AA, 18.6.1900. In: Ebd., Nr. 4526; Wilhelm II. an Bülow, 19.6.1900. In: Ebd., Nr. 4527; Bülow an Wilhelm II., 19.6.1900. In: Ebd., Nr. 4528; Bülow an AA, 22.6.1900. In: Ebd., Nr. 4529; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 260-263. Bülow an Diederichs (mit Anlage), 30.6.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4538. Bendemann behielt die politische Leitung der deutschen Beziehungen zu China bis zum Eintreffen des neuen deutschen Gesandten, Alfons Freiherr Mumm von Schwarzenstein, in Peking im Oktober 1900. Vgl. Bülow an Diederichs, 20. Juli 1900, BArch, RM 5/5601, Bl. 144. Anlage zu Bülow an Diederichs, 30.6.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4538, S. 25. Ebd.

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lichst so lange hinauszögern, bis die Schlachtflotte schlagkräftig genug war, um dabei eine entscheidende Rolle spielen zu können. Deshalb schärfte er Bendemann ein: »Die Parole des Augenblicks muß vielmehr sein: Wiederherstellung des Status quo vor den gegenwärtigen Wirren, gemeinsam zwischen den Mächten zu vereinbarende Garantie der Ruhe und möglichste Aufrechterhaltung des Prinzips der offenen Tür444.« Einzelmandaten durfte Bendemann nicht zustimmen. Er sollte ausschließlich gemeinsam mit den anderen Mächten agieren, neben den europäischen Staaten ausdrücklich auch mit Japan und den USA. Dabei durfte er sich allen Maßnahmen anschließen, in denen sich Großbritannien und Russland einig waren. In anderen Fällen sollte er keinesfalls selbstständig handeln, sondern die Reichsleitung kurz, schnell und genau über die Sachlage informieren, um sie in den Stand zu setzen, ihm für jeden einzelnen konkreten Fall spezifische Weisungen zu erteilen445. Kurz bevor Bendemann diese Instruktionen erhielt, war es einem chinesischen Boten gelungen, einen dringenden Hilferuf der eingeschlossenen Ausländer in Peking nach Tientsin zu schmuggeln. Dieses erste Lebenszeichen seit knapp zwei Wochen entlarvte die zuvor kolportierte Nachricht von der Zerstörung des Gesandtschaftsviertels als Falschmeldung. Allerdings bestätigte der Bote die Ermordung des deutschen Gesandten, was Bendemann umgehend nach Berlin drahtete446. Gleichzeitig empfahl der Geschwaderchef dem Kaiser die »Heraussendung einer kombinierten [Heeres-]Division«447 zur Unterstützung eines nunmehr als notwendig erachteten Feldzuges der verbündeten Streitkräfte gegen Peking. Als Wilhelm II. diese Nachrichten am 2. Juli erhielt, ärgerte er sich, dass Bülow ihm knapp zwei Wochen zuvor die sofortige Entsendung eines Armeekorps in das Krisengebiet ausgeredet hatte. Nun war sein Aktionismus nicht mehr zu bremsen. Zufällig war für diesen Tag die Verabschiedung der mobilisierten Marineinfanterie nach China angesetzt. Unter dem Eindruck der jüngsten Nachrichten aus Fernost gab der Kaiser seinen Soldaten, die in Khakiuniform vor ihm paradierten, ganz bewusst markige Worte mit auf den Weg:

»Mitten in den tiefsten Frieden hinein, für Mich leider nicht ganz unerwartet, ist die Brandfackel des Krieges geschleudert worden. Ein Verbrechen, unerhört in seiner Frechheit, schaudererregend durch seine Grausamkeit, hat Meinen bewährten Vertreter getroffen und dahingerafft [...] Die deutsche Fahne ist beleidigt und dem Deutschen Reiche Hohn gesprochen worden. Das verlangt exemplarische Bestrafung und Rache [...] So sende Ich euch hinaus, um das Unrecht zu rächen, und Ich werde nicht eher ruhen, als bis die deutschen Fahnen vereint mit denen der anderen Mächte siegreich über den chinesischen wehen und, auf den Mauern von Peking aufgepflanzt, den Chinesen den Frieden diktieren448.«

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Ebd. Ebd., S. 24 ff. Aufzeichnungen des Kapitän zur See von Usedom, 29.6.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 138 f.; Bendemann an Lenz, 30.6.1900, ebd., Bl. 143; Bendemann an Diederichs, 30.6.1900, ebd., Bl. 148. Bendemann an Wilhelm II., 30.6.1900, BArch, RM 5/5600, Bl. 8. Wilhelm II., Reden, Bd 2, S. 203 f. (Rede vom 2.7.1900).

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Bülow war entsetzt über diese polemische Rede, denn sie konterkarierte seine defensive Politik in der chinesischen Frage und musste zwangsläufig das Misstrauen der anderen Mächte gegen die Ziele der deutschen Chinapolitik steigern, zumal der Kaiser noch am selben Tag die Bildung eines Expeditionskorps aus Freiwilligen des Heeres initiierte, das so schnell wie möglich nach Taku ausgeschifft werden sollte449. Dem Außenstaatssekretär war klar: Er musste jetzt rasch und pragmatisch handeln, wollte er nicht die Gunst des Monarchen verlieren und von führenden Militärs wie Generalfeldmarschall Waldersee ausgebootet werden, die ein »kraftvolles« Auftreten des Deutschen Reiches im Boxerkrieg befürworteten450. In dieser für ihn prekären Lage erwies sich Bülow einmal mehr als gewiefter Taktiker: Anstatt gegen die rigorose Aktionspolitik des Kaisers zu opponieren, machte er sich diese selbst zu eigen und forcierte sie sogar, um nicht dem Militär die Initiative zu überlassen. Neben seinen persönlichen Motiven gab es dafür auch handfeste politische Gründe: Mit Unbehagen beobachtete Bülow den rasant anschwellenden Truppenaufmarsch der Alliierten im Großraum Taku–Tientsin451, denn er befürchtete, dass einige Mächte, namentlich die mit Abstand größten Truppensteller Russland und Japan, in Versuchung geraten könnten, sich im Zuge der Intervention territoriale Vorteile auf chinesischem Gebiet zu verschaffen und dadurch die Aufteilung Chinas einzuleiten452. Genau das jedoch wollte die Reichsleitung unbedingt verhindern. Eine Aufteilung des Chinesischen Reiches, das bekräftigte Bülow während des Boxerkrieges mehrfach, lag nicht im deutschen Interesse. Deshalb trat die Reichsleitung nachdrücklich für das Open-door-Prinzip ein. Das galt in besonderem Maße für das britisch dominierte Yangtsetal, weil sich dort der deutsche Chinahandel konzentrierte453. Vor dem Hintergrund der jüngsten Lageentwicklung hatte Bülow nichts mehr gegen die Entsendung des Expeditionskorps einzuwenden. Vielmehr vertrat er nun die Auffassung, dass diese Maßnahme »sehr zur Stärkung unserer Stellung in 449

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Kriegstagebuch des Marinekabinetts, BArch, RM 2/1857, Bl. 48-51 (Aufzeichnungen vom 2./3.7.1900); Einem, Erinnerungen eines Soldaten 1853-1933, S. 52 f.; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 263 f. Waldersee befürwortete zwar prinzipiell ein kraftvolles Auftreten des Deutschen Reiches in China, begegnete dem kaiserlichen Aktionismus aber mit Skepsis. Vgl. Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 2, S. 447 ff. (Aufzeichnungen vom 25.6. bis 13.7.1900). Ende Juni waren im Großraum Taku–Tientsin bereits über 15 000 alliierte Soldaten konzentriert, davon nur rund zehn Prozent deutsche. Zahlreiche weitere Bataillone befanden sich im Anmarsch. Vgl. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 66 (Aufzeichnungen vom 5.7.1900); Bendemann an Diederichs, 30.6.1900, BArch, RM 38/52, Bl. 149 f. Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 268 f. Winzen sieht darin fälschlicherweise die treibende Kraft für Bülows plötzlichen Kurswechsel in der Chinapolitik am 2. Juli: »Bülow wollte aber nun einmal das Deutsche Reich zu einem der Haupterben Chinas machen«, argumentiert er, »und so setzte er Anfang Juli alles daran, um möglichst viele Schiffe und Truppen nach Ostasien hinüberzuwerfen«. Winzen übersieht, dass Bülow um seine politische Zukunft rang. Zitat aus: Ebd., S. 269. Shantung allerdings betrachtete Bülow mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit als exklusive deutsche Einflusssphäre. Deshalb versuchte er mit allen Mitteln, die Provinz vor dem Einfluss unliebsamer Konkurrenten abzuschirmen. Siehe dazu: Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 269-272.

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Ostasien beitragen werde«454. Außerdem puschte er die Entsendung einer Panzerdivision nach Ostasien, für die der Kaiser noch am 2. Juli den Mobilmachungsbefehl erteilte455. Über berechtigte Bedenken seitens der Marine, dass dadurch die »heimischen Küsten degarnieren«456 würden, setzte er sich forsch hinweg. Diese Maßnahme sei notwendig, bügelte er die Kritiker ab, »um das Schwergewicht unserer Aktion in Ostasien zu verstärken und zur See namentlich Amerika und Japan gegenüber nicht zu schwach zu sein«457, mit denen das Deutsche Reich in Shantung um die Vormachtstellung rang458. Während Bülow die Aktionspolitik des Kaisers absorbierte und damit die Grundlagen für ein offensiveres Auftreten in China legte, versuchte er gleichzeitig diesen Kurswechsel nach außen hin, so gut es ging, zu verschleiern und das wachsende Misstrauen der anderen Mächte zu zerstreuen. Deshalb bestimmte er: »Auch nach der Ermordung des Freiherrn von Ketteler wird unsere [offizielle] Politik in Ostasien eine besonnene, ruhige und nüchterne bleiben. Wir werden insbesondere vermeiden, was die Eintracht unter den Mächten stören könnte, weiter Fühlung mit Rußland halten, England nicht abstoßen, auch Japan und Amerika freundlich behandeln459.« Um diese Position demonstrativ zu untermauern, wurde Bende454 455

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Bülow an AA, 3.7.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4546, S. 32. Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 270. Bei der sogenannten Panzerdivision, die am 11. Juli von Wilhelmshaven nach China in Marsch gesetzt wurde, handelte es sich um die 1. Division des I. Geschwaders, bestehend aus den vier Linienschiffen »Kurfürst Friedrich Wilhelm«, »Brandenburg«, »Weißenburg« und »Wörth« sowie dem kleinen Kreuzer »Hela«. Sie wurde für die Dauer ihres Einsatzes in den chinesischen Gewässern in 2. Division des I. Geschwaders umbenannt. Vgl. Diederichs an Bendemann, 12.7.1900, BArch, RM 38/53, Bl. 94. Bülow an AA, 3.7.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4546, S. 32. Ebd. Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 270; siehe auch: Diederichs an Bendemann, 14.7.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 34-37, hier Bl. 36. Bülow an AA, 3.7.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4546, S. 31. Entgegen dieser Richtlinie ordnete der Kaiser auf Bülows Geheiß am 2. Juli die Besetzung Chefoos an, die offiziell als Vergeltungsmaßnahme für die Ermordung Kettelers dargestellt werden sollte. Tatsächlich jedoch war diese Aktion gegen amerikanische und japanische Bestrebungen gerichtet, in die deutsche Einflusssphäre in Shantung einzudringen. Nach der Besetzung Chefoos sollte das Kreuzergeschwader als weitere Vergeltungsmaßnahme in die Yangtse-Mündung verlegt werden und gegen die dorthin zurückgezogene chinesische Flotte vorgehen. Diese Aktion war klar gegen die (vermeintlichen) Hegemonialbestrebungen Großbritanniens im Yangtsetal gerichtet. Beide Maßnahmen scheiterten jedoch, da Bendemann am 5. Juli meldete, dass er nicht genügend Seestreitkräfte für ein solches Vorgehen zur Verfügung habe. Mit der gleichen Begründung hatte der Geschwaderchef bereits zwei Wochen zuvor die Anfrage einiger deutscher Kaufleute abgelehnt, ein Kriegsschiff zum Schutz der deutschen Interessen nach Shanghai zu schicken. Während sich der Kaiser über die gescheiterte Besetzung Chefoos aufregte, beglückwünschte Tirpitz Bendemann zu dessen mutiger Entscheidung, die Durchführung der Aktion zu verhindern. Vgl. Diederichs an Senden-Bibran, 8.7.1900, BArch, N 160/7, Bl. 56-60, hier Bl. 56 f.; Bendemann an Diederichs, 24.6.1900, BArch, RM 5/5599, Bl. 146; Bendemann an Diederichs, 1.7.1900, BArch, RM 5/5600, Bl. 15; Bülow an Diederichs, 1.7.1900, ebd., Bl. 22 f.; Bendemann an Diederichs, 5.7.1900, BArch, RM 5/5606, Bl. 67 f.; Bülow an Tirpitz, 1.7.1900, BArch, RM 5/5618, Bl. 18; Diederichs an Bendemann, 14.7.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 34-37, hier Bl. 36; Tirpitz an Bendemann, 20.10.1900, ebd., Bl. 67 f.; Bülow an AA, 3.7.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4546; Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik,

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mann angewiesen, »bis zum Eintreffen von Verstärkungen sich der Landoperationen in Richtung auf Peking thunlichst [zu] enthalten«460. Das Hauptbestreben der deutschen Chinapolitik war und blieb die Herstellung des Status quo ante vor dem Boxerkrieg. Unter diesen politischen Prämissen mobilisierte die Reichsleitung im Sommer 1900 die größte Streitmacht, die Deutschland jemals auf einen überseeischen Kriegsschauplatz entsendet hat: 19 Kriegsschiffe und 22 212 Soldaten der Landstreitkräfte – zweifellos eine eindrucksvolle »Demonstration deutscher Weltgeltung«461. Von der Heimatflotte wurden die 1. Division des I. Geschwaders, bestehend aus den vier Linienschiffen »Kurfürst Friedrich Wilhelm«, »Brandenburg«, »Weißenburg« und »Wörth« – der »schlagkräftigste Verband der Kaiserlichen Marine zu diesem Zeitpunkt«462 –, außerdem der als neues Flaggschiff des Kreuzergeschwaders vorgesehene Große Kreuzer »Fürst Bismarck«, der kleine Kreuzer »Hela«, die zwei Kanonenboote »Tiger« und »Luchs«, die drei Torpedoboote »S 90«, »S 91« und »S 92«463, das Flusskanonenboot »Vorwärts«, die Flussbarkasse »Schamien« sowie das Lazarettschiff »Gera«464 in die chinesischen Gewässer entsandt. Hinzu kamen noch die vier kleinen Kreuzer »Bussard«, »Geier«, »Schwalbe« und »Seeadler«, die vorübergehend von den Auslandsstationen in Ostafrika, der Südsee und Südamerika abgezogen wurden. All diese Schiffe, die zwischen Mitte Juli und Mitte Oktober im Zielgebiet eintrafen, traten dort unter den Oberbefehl von Vizeadmiral Bendemann als Chef des Kreuzergeschwaders, der wiederum Generalfeldmarschall Waldersee unterstellt war nach dessen Eintreffen auf dem Kriegsschauplatz. An Landstreitkräften wurde neben dem 2568 Mann starken Kontingent der Marineinfanterie, der sogenannten Seebrigade, noch ein Freiwilligenkorps von

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S. 341 f.; Röhl, Wilhelm II., Bd 3, S. 109; Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, Bd 1, S. 332-336; Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 3, S. 57-60 (Aufzeichnung aus dem Jahre 1902); Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 269 f. Kriegstagebuch des Marinekabinetts, BArch, RM 2/1857, Bl. 51 (Aufzeichnung vom 3.7.1900). Siehe dazu auch: Bülow an Diederichs, 1.7.1900, BArch, RM 5/5600, Bl. 27. Petter, Die deutsche Marine auf dem Weg nach China, S. 145. Ebd. Die drei Torpedoboote, die als Depeschenboote fungierten, und die beiden Kanonenboote wurden der Ostasiatischen Station zugeteilt. Bei der »Gera« handelte es sich um einen Norddeutschen Lloyd-Dampfer, der als Lazarettschiff eingerichtet worden war. Vgl. Transportvertrag zwischen dem RMA und dem Norddeutschen Lloyd über die Nutzung des Dampfers »Gera« als Lazarettschiff für das Marine-Expeditionskorps und das Kreuzergeschwader, 19.7.1900, BArch, RM 3/4771, Bl. 1-4; siehe auch: Das HochseeLazarethschiff »Gera«. Während des Boxerkrieges kam zeitweise noch ein weiteres Lazarettschiff unter der Leitung eines deutschen Marinearztes zum Einsatz. Dabei handelte es sich um einen Handelsdampfer der »China Merchant Steam Navigation Company«, der von einer Gruppe südchinesischer Kaufleute zum »Hospitalschiff« umgerüstet und im Oktober 1900 durch Vermittlung des belgischen Eisenbahn-Ingenieurs Paul de Hees an die Alliierten vermietet wurde. Zur weiteren Versorgung von Verwundeten schickte das Reichsmarineamt zudem ein Marinefeldlazarett nach China und errichtete ein Genesungsheim auf dem Gelände des Marinelazarettes in Yokohama. Vgl. Bendemann an Diederichs, 30.8.1900, BArch, RM 38/55, Bl. 120; Knappe an Bendemann, 24.9.1900, BArch, RM 38/56, Bl. 5; Bendemann an Geißler (Entwurf), 29.9.1900, ebd., Bl. 6; Hees an Knappe, 18.9.1900, ebd., Bl. 7 f.; Schlick, Das von der Marine in Yokohama errichtete Genesungsheim. In: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene, 6 (1902), 2, S. 56-64.

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19 644 Heeressoldaten unter dem Kommando von Generalleutnant Emil von Lessel nach Nordchina geschickt465. Die Entsendung des Ostasiatischen Expeditionskorps stellte ein Novum in der deutschen Militärgeschichte dar: Niemals zuvor hatte ein deutscher Staat neben Seestreitkräften auch Armeeteile zur Wahrung und Durchsetzung seiner Interessen in Übersee eingesetzt466. Lessels Truppen gliederten sich in 55 Kompanien Infanterie, 4 Eskadronen Kavallerie mit 5591 Pferden467, 10 Batterien mit 60 Geschützen sowie 3 Pionier- und 3 Eisenbahn-Kompanien. Von den Haupttruppenstellern im Kriegsgebiet stand das Deutsche Reich vor den größten logistischen Herausforderungen, denn es konnte weder, wie Großbritannien und Frankreich, auf im Großraum Asien stationierte Kolonialtruppen zurückgreifen468, noch verfügte es, wie Russland und Japan, über große Truppenkontingente in der Region. Sämtliche Soldaten und ein Großteil ihres Materials mussten deshalb von Deutschland aus nach China verschifft werden. Dabei waren die Deutschen auf die wohlwollende Kooperation vor allem der Briten angewiesen, die über nahezu alle Kohlenstationen und Marinestützpunkte entlang der Transitstrecke von Wilhelmshaven nach Tsingtau, über Gibraltar, Port Said, Aden, Colombo, Singapur und Hongkong469, verfügten. Obwohl es an britischer Unterstützung nicht mangelte, kam es einigenorts – entgegen der Versicherung des Reichsmarineamts470 – dennoch zu erheblichen Problemen bei der Kohlenversorgung, was den Kommandeur der Panzerdivision, Konteradmiral Richard Geißler, 465

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Die Seebrigade wurde zunächst dem Chef des Kreuzergeschwaders, später dann, nach dessen Eintreffen in China, dem Befehlshaber des Ostasiatischen Expeditionskorps unterstellt. Vgl. Wilhelm II. an Lessel, 27.7.1900, BArch, RM 2/1860, Bl. 309; Wilhelm II. an Diederichs (Kabinettsordre), 25.6.1900, BArch, RM 5/290 (ohne Paginierung); siehe auch: RMA an Bendemann, 9.7.1901, BArch, RM 5/5614, Bl. 386. Die Durchführbarkeit überseeischer Invasionskriege, S. 617 f.; Überseeische Expeditionen. In: Nauticus, 3 (1901), S. 71-113, hier S. 71; Siehe auch: Michels, Eine deutsche Kolonialarmee?, S. 202 f. Tirpitz lehnte den Einsatz des Ostasiatischen Expeditionskorps ab, denn dahinter verbarg sich der Versuch der Heeresleitung, den Primat der Marine in Rüstungsfragen zu brechen und »auf dem Umwege über China zu einer als Kolonialarmee drapierten Heeresvermehrung zu gelangen«. Zitat aus: Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 297. Vgl. ebd., S. 297 f.; siehe dazu auch: Edelsheim, Operationen über See. Die Pferde und Maultiere wurden durch Agenten in Australien und Kalifornien angekauft und von dort nach China verschifft, weil sie den Schiffstransport durch das Rote Meer nicht überlebt hätten. Das Deutsche Reich verfügte lediglich über eine rund 120 Mann starke Chinesenkompanie im Schutzgebiet Kiautschou. Während des Boxeraufstandes wurden Teile der gut ausgerüsteten Truppe, die von Offizieren und Unteroffizieren des III. Seebataillons befehligt wurde, in der außerhalb des Schutzgebietes liegenden Stadt Kiautschou eingesetzt. Vorwürfe der Erpressung und der Korruption, des Verrates und der Spionage führten jedoch im Herbst 1901 zur Auflösung der Chinesenkompanie und der Eingliederung ihrer Soldaten in die Chinesen-Polizei des Schutzgebietes. Zur Geschichte der Chinesenkompanie allgemein siehe: Biener, Das deutsche Pachtgebiet Tsingtau, S. 53-58; Huang, Qingdao, S. 137-144; Huguenin, Geschichte des III. See-Bataillons, S. 68-72, 108; Kuß, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen, S. 156-159; Leupold, Chinesen in deutscher Uniform, S. 120-128; Morlang, Askari und Fitafita, S. 137-146. Reisepläne der ausgehenden Schiffe nach China, o.D. [11.7.1900], BArch, RM 5/5600, Bl. 172. Das Reichsmarineamt war verantwortlich für die Versorgung der Schiffe mit Proviant, Waffen, Munition, Kohlen etc. Tirpitz hatte dem Kaiser vor dem Auslaufen der Panzerdivision gemeldet, dass für diese »die Kohlenzufuhr auf der Ausreise bis nach Tsingtau sicher gestellt« sei. Zitat aus: Tirpitz an Wilhelm II., 8.7.1900, BArch, RM 3/2, Bl. 149-154, hier Bl. 152.

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zu dem scharfen Resümee veranlasste, »daß das jetzige System der Kohlenergänzung in den auf dem Weg nach Ostasien liegenden Häfen unhaltbar ist, weil es selbst unter den gewöhnlichen Friedensverhältnissen jede energische militärische Aktion lahmlegen kann«471. Trotz dieser Umstände gelang es, die Expeditionstruppen bereits Ende Oktober vollzählig auf der Taku-Reede einzuschiffen, während die vollständige Anlieferung des Materials bis Anfang Dezember dauerte472. Nach dem Eintreffen aller Verstärkungen verfügte das Deutsche Reich über das größte Kontingent an Landstreitkräften in der Provinz Chihli. Nach dem offiziösen Gedenk- und Erinnerungswerk »Deutschland in China 1900-1901«, das kurz nach dem Boxerkrieg von Waldersees Generalstabschef, Generalmajor Georg Freiherr von Gayl, herausgegeben wurde, umfassten die im Herbst 1900 in Chihli zusammengezogenen Kampfverbände ungefähr: 17 000 Deutsche, 15 000 Franzosen, 11 500 Briten (überwiegend Inder), 10 000 Russen, 6400 Japaner, 4000 Amerikaner, 2100 Italiener und 400 Österreicher-Ungarn473. Auch bei den Seestreitkräften war das Deutsche Reich führend vertreten. Zwischen Mitte August und Mitte Oktober 1900 setzten die Verbündeten bei Operationen auf den Flüssen und in den Küstengewässern Chinas insgesamt 246 Kriegsschiffe aller Klassen ein, vom Linienschiff bis zum Torpedoboot. Es war »eine der gewaltigsten internationalen Flottenkonzentrationen der Weltgeschichte«474. Nach dem offiziellen Admiralstabswerk »Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901« umfasste die alliierte Armada: 101 japanische, 57 britische, 26 deutsche, 23 russische, 14 französische, 13 amerikanische, 6 italienische, 4 österreichisch-ungarische und 2 niederländische Kriegsschiffe475. Bei den Zeitgenossen, vor allem bei den Teilnehmern des Boxerkrieges auf beiden Seiten, hinterließ dieser gewaltige Aufmarsch an internationalen See- und Landstreitkräften tiefe Eindrücke. Für die alliierten Soldaten war besonders die Ankunft auf der Taku-Reede ein eindrucks471

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Admiralstab an AA, 1.10.1900, zit. nach: Petter, Die deutsche Marine auf dem Weg nach China, S. 147. Um diese Problematik zu umgehen, setzten die Russen bei der Reise der Baltischen Flotte von Kronstadt nach Ostasien während des Russisch-Japanischen Krieges 1904/05 auf ein alternatives Versorgungssystem: sie ließen ihre Kriegsschiffe an bestimmten Stationen entlang der Reiseroute durch Kohlendampfer, die sie für diesen Zweck von der HAPAG gechartert hatten, mit dem notwendigen Brennmaterial versorgen. Allerdings war Russland dabei auf die (wohlwollende) Neutralität der übrigen Mächte angewiesen. Vor diesem Hintergrund resümierte Konteradmiral z.D. Eduard Holzhauer einige Jahre später: »Die Fahrt der deutschen Schiffe [gemeint ist die Reise der deutschen Panzerdivision nach China im Spätsommer 1900 – H.H.] zeigt, daß der Besitz eigener Stützpunkte, besonders aber ›Kohlenstationen‹ im Frieden wünschenswert, die Fahrt der russischen Schiffe, daß ein solcher Besitz im Kriege notwendig ist, wenn der Kriegsschauplatz durch ganze Erdteile und große Meere von der Heimat getrennt ist.« Zitat aus: Holzhauer, Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte, S. 12 (Hervorhebungen im Original). Vgl. ebd., S. 9-12; Cecil, Coal for the Fleet that Had to Die; Hallgarten, Imperialismus vor 1914, Bd 1, S. 582-586. Nachtrag zur Rang- und Quartierliste der Kaiserlich Deutschen Marine, 1900, S. 14-18; Rangund Quartierliste der Kaiserlich Deutschen Marine, 1901, S. 28-31; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 73-96, 447-455; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 164-184, 224-235; Lessel, Böhmen, Frankreich, China 1866-1901, S. 170-228; Petter, Die deutsche Marine auf dem Weg nach China, S. 145-159. Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 455. Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 109. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 223-228.

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volles Spektakel, das sich nachhaltig in ihr Gedächtnis eingeprägte. Oberleutnant zur See Reinhard, der Chronist des II. Seebataillons, hielt in seiner offiziösen Darstellung über den Einsatz seiner Truppe im Boxerkrieg fest, was viele seiner Kameraden empfanden, als sie erstmals den »Wald von Masten«476 erblickten: »Nachmittags (15. August) kamen wir auf Takureede an, wo einige 40 Kriegsschiffe und eine Menge Dampfer aller Nationen ankerten. Diese vielfarbigen Flaggen, das ununterbrochene Salutschießen, man hat nicht Augen genug für dieses großartige Schauspiel, das eine Machtentfaltung der ganzen Welt bedeutet, die wohl einzig dasteht in der Geschichte477.« Während die militärische Reichsleitung die zusätzlichen Seestreitkräfte und das Ostasiatische Expeditionskorps, dessen erste Staffel Wilhelm II. am 27. Juli mit der berühmt-berüchtigten »Hunnenrede« in Bremerhaven verabschiedete478, nach Nordchina in Marsch setzte, verhandelte das Auswärtige Amt mit den alliierten Großmächten die prestigeträchtige Frage des Oberkommandos über die verbündeten Truppen für den Marsch nach Peking. Bülow und Holstein nutzten dabei gezielt die Spannungen und das gegenseitige Misstrauen zwischen der britischamerikanisch-japanischen und der französisch-russischen Gruppe aus, um ihren Wunschkandidaten, den Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, als Oberbefehlshaber durchzusetzen479. Gegenüber Großbritannien, das sich lange sträubte, überhaupt einen Oberbefehlshaber einzusetzen, griff die Reichsleitung auf bewährte Mittel aus dem Arsenal der Erpressungspolitik zurück: Bülow drohte Salisbury, den Ostasiatischen Dreibund wiederzubeleben und die britische Politik in China zu isolieren, sollte die britische Regierung in dieser Frage nicht auf die Position der Reichsleitung einschwenken. Da Großbritannien durch den Burenkrieg militärisch gebunden war, konnte Bülow mit dieser Drohung reüssieren. Ausschlaggebend für die Ernennung Waldersees zum »Oberbefehlshaber über die 476 477 478

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Tagebuch des Leutnants Franz Westermayer über seine Erlebnisse während des Boxeraufstandes in China, BArch, MSg 2/5196 (Aufzeichnung vom 22.9.1900). Reinhard, Mit dem II. Seebataillon nach China! 1900-1901, S. 49. In der vielzitierten Schlüsselpassage dieser Rede heißt es: »Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hand fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch heute in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.« Zit. in: »... da und dort ein junges Deutschland gründen«, S. 168, Nr. 52. Zur »Hunnenrede« allgemein siehe u.a.: Sösemann, Die sog. Hunnenrede Wilhelms II., S. 342-358; Sösemann, »Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht«. Zu den diplomatischen Verhandlungen in der Oberbefehlsfrage siehe ausführlich: Otte, The China Question, S. 188-196; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 275-300; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 149-159; Mombauer, Wilhelm, Waldersee, and the Boxer Rebellion, S. 99-104. Auf eine Initiative von Senden-Bibran hin hatte der Kaiser zeitweise auch erwogen, das Oberkommando über die alliierten Truppen einem Marineoffizier, namentlich Admiral Koester zu übertragen. Schon bald jedoch kamen ihm Bedenken, auch die Landtruppen einem Marineoffizier zu unterstellen, und er gab deshalb Generalfeldmarschall Waldersee den Vorzug. Vgl. Diederichs an Bendemann, 14.7.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 34-37, hier Bl. 34; Diederichs an Bendemann, 16.11.1900, ebd., Bl. 55-60, hier Bl. 55 f.

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verbündeten Truppen in Ostasien«480 war allerdings ein zustimmendes Votum des Zaren vom 6. August481, dem sich in den darauffolgenden Tagen alle verbündeten Mächte anschlossen482. Doch die Freude der Reichsleitung über diesen diplomatischen Prestigeerfolg sollte nicht lange währen. Ende Juli waren erneut Hilferufe der Gesandten aus Peking in Tientsin eingetroffen, die alle zwischenzeitlichen Spekulationen über deren Schicksal beendeten. Obwohl die Verbündeten nach ihrem eigenen Ermessen noch immer nicht genügend Truppen im Großraum Taku–Tientsin konzentriert hatten, um Peking entsetzen zu können, drängten die Briten, namentlich der frisch in Tientsin eingetroffene Befehlshaber der britischen Landstreitkräfte, General Sir Alfred Gaselee, auf einen raschen Vormarsch auf die chinesische Hauptstadt483. Aus Sicht der Reichsleitung war diese Lageentwicklung äußerst ungünstig. Nach ihrer Wunschvorstellung sollte das Gesandtschaftsviertel in Peking unter der Beteiligung eines starken deutschen Truppenkontingentes und – idealerweise – eines deutschen Oberbefehlshabers befreit werden. Nun aber stand zu befürchten, wie Holstein dem deutschen Botschafter in London übermittelte, dass »der Zeitpunkt des Vormarsches durch die an Ort und Stelle befindlichen militärischen Führer lediglich nach technischen Rücksichten bestimmt«484 werde. Deshalb befahl der Kaiser dem MarineExpeditionskorps, »seine Reise [nach Taku] in jeder Weise zu beschleunigen«, denn er legte »höchsten Wert darauf, daß das ganze Detachement [...] an dem Vormarsch auf Peking theilnimmt«485. Gleichzeitig instruierte er Bendemann, die 480

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Wilhelm II. an das Kommando des Ostasiatischen Expeditonskorps (Kabinettsordre), 6.8.1900, BArch, RH 18/1856. Durch diese Kabinettsordre erhielt Waldersee – anders als die oben daraus zitierte Titulierung vermuten lässt – zunächst nur den Oberbefehl über die deutschen und die russischen Landstreitkräfte in Nordchina. Nachdem die anderen verbündeten Mächte Waldersee ebenfalls als Oberbefehlshaber akzeptiert hatten, wurde die Kabinettsordre schließlich am 17. August entsprechend aktualisiert. Vgl. ebd.; Wilhelm II. an das Kommando des Ostasiatischen Expeditonskorps (Kabinettsordre), 17.8.1900, BArch, RH 18/1857. Wilhelm II. an Bülow, 6.8.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4602. Waldersee führte den nominellen Oberbefehl über Einheiten aus acht Nationen, nämlich der Amerikaner, Briten, Deutschen, Franzosen, Italiener, Japaner, Österreicher-Ungarn und Russen. Gaselee hatte am 27. Juli das Kommando von Seymour übernommen, der bereits einige Tage zuvor Tientsin verlassen und sich mit einigen Schiffen in das Yangtsegebiet begeben hatte. Nach und nach stellten all jene verbündeten Mächte, die größere Kontingente von Landstreitkräften nach Nordchina geschickt hatten, also Großbritannien, Japan, Russland, Frankreich, die USA und das Deutsche Reich, diese unter das Kommando eines eigenen Landbefehlshabers. Nachdem der jeweilige General auf dem Kriegsschauplatz eingetroffen war, übernahm dieser auch die gesamtmilitärische Leitungsfunktion, die bis dahin der Geschwaderchef ausgeübt hatte. Letzterer behielt lediglich die Befehlsgewalt über die Seestreitkräfte seines Landes in den chinesischen Gewässern. Infolge dieser Umstrukturierung verlor die Befehlshaberkonferenz – analog zu der Rolle der Seestreitkräfte im Boxerkrieg allgemein – nach dem Eintreffen der ersten Generale Ende Juli bis zur Ankunft des alliierten Oberbefehlshabers Ende September sukzessive an Bedeutung, bevor sie Mitte Oktober schließlich aufgelöst wurde. Holstein an Hatzfeldt, 31.7.1900, zit. nach: Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 288. Zitate aus: Wilhelm II. an Bendemann, 3.8.1900, BArch, RM 38/54, Bl. 267. Siehe auch: Kriegstagebuch des Marine-Expeditionskorps, BArch, RM 121 I/400, Bl. 6 (Aufzeichnungen vom 3.8.1900).

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Frage des Vormarsches seinen Amtskollegen gegenüber dilatorisch zu behandeln, so dass möglichst auch dem Ostasiatischen Expeditionskorps noch eine tragende Rolle beim Kampf um Peking zukommen konnte:

»Zu Ihrer ausschließlich persönlichen Orientierung und Direktive bemerke Ich, daß ein Vormarsch auf Peking vor dem Eintreffen unserer Verstärkungen, also vor (frühestens) der zweiten September-Hälfte unserem Interesse nicht entspricht. Selbstverständlich dürfen Sie gegenüber den übrigen Admiralen und Generalen diesen Gesichtspunkt nicht in den Vordergrund stellen oder auch nur durchblicken lassen, werden aber mit Erfolg nachstehendes Argument verwerten können: Ein nochmaliger erfolgloser Vorstoß nach Peking müßte mehr als Alles das Ansehen der Mächte in China erschüttern, das Feuer der Boxerbewegung entfachen und überall sie verbreiten. Ein neuer militärischer Mißerfolg müßte den russischen und französischen Besitzstand, den englischen und amerikanischen Handel, den japanischen Einfluß auf’s Äußerste gefährden. Alle Chinakenner hätten sich mit Bezug auf den Umfang und die Tragweite der Bewegung von Anfang an täuschen lassen. Darum sei es im Interesse aller Mächte geboten, den Vormarsch erst nach dem Eintreffen wirklich genügender Verstärkungen und den Eintritt der guten Jahreszeit [gemeint ist nach dem Ende der Regenzeit – H.H.], d.h. (frühestens) in etwa 8 Wochen zu beginnen486.«

Bendemann versuchte »auf das Entschiedenste«487, die anderen Befehlshaber in diesem Sinne zu beeinflussen. Unterstützung für seine Haltung fand er bei den Russen und Franzosen, die ebenfalls das Eintreffen weiterer Verstärkungen abwarten wollten, während Großbritannien im Verein mit Japan und den USA weiter auf ein rasches Vorgehen gegen Peking drängte. Schließlich gelang es Gaselee, seine Position durchzusetzen, indem er mit einem britischen Alleingang drohte. Nur wenige Tage später, am 4. August, setzten die Alliierten eine Entsatztruppe für Peking in Marsch, bestehend aus 5400 Japanern, 2400 Briten (überwiegend Inder), 1900 Amerikanern, 3500 Russen, 1600 Franzosen (überwiegend Vietnamesen) und 300 Deutschen, Österreicher-Ungarn und Italienern, insgesamt 15 100 Mann mit 46 Geschützen und Maschinengewehren488. Als die multinationale Truppe zwei Tage später nach schweren Kämpfen Yangtsun erreichte, kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen den Verbündeten über das weitere Vorgehen. Während der russische und der französische Kontingentführer zunächst in der Stadt verharren und weitere Truppen heranholen wollten, drängten ihre britischen, japanischen und amerikanischen Amtskollegen zum weiteren Vormarsch auf die chinesische Hauptstadt. In dieser Situation zeigte das fragile militärische Zweckbündnis der Großmächte erstmals deutliche Risse: Am 7. August beschloss die »Koalition der Willigen«, allein weiterzumarschieren. Während die Russen ihnen mürrisch folgten, kehrten die vollkommen erschöpften und schlecht ausgerüsteten Kontingente der Franzosen und der Dreibundmächte nach Tientsin zurück489. Gaselee triumphierte: Wenige Tage später, am 14. August, er486 487 488 489

Wilhelm II. an Bendemann, 30.7.1900, BArch, RM 5/5618, Bl. 104. Bendemann an Diederichs, 3.8.1900, BArch, RM 5/5602, Bl. 210. Bendemann an Diederichs, 5.8.1900, BArch, RM 38/54, Bl. 266. Die Franzosen schickten den auf Peking vorrückenden Truppen kurze Zeit später zwei Kompanien Freiwilliger hinterher, die am Abend des 12. August das Gros erreichten – gerade noch rechtzeitig, um am Sturm auf die chinesische Hauptstadt teilzunehmen. Nach Einschätzung des

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oberten die verbündeten Truppen Peking und entsetzten das Gesandtschaftsviertel. Aus britischer Sicht war damit die schmachvolle Niederlage der SeymourExpedition getilgt. Von den etwa 1000 Ausländern, die in Peking ausgeharrt hatten, waren während der Belagerung 66 getötet und 150 verwundet worden. Die Kaiserinwitwe war kurz vor dem Fall der Hauptstadt mit ihrem Hofstaat nach Hsian in Shensi geflohen. Nach dem Einmarsch der alliierten Truppen ereilte Peking das gleiche Schicksal wie Tientsin: Die gesamte Stadt wurde von den Eroberern exzessiv geplündert und teilweise niedergebrannt490. Auch die Verbotene Stadt und der Kaiserpalast wurden nicht verschont. »Russische, englische, indische, japanische Truppen haben alle Orte an [den] Marschstrassen nach Peking verwüstet und dort wie in Peking in rohester Weise geplündert«, berichtete Waldersee nach seiner Ankunft in Taku Ende September nach Berlin. »[Die] Russen [haben] offiziell [den] Sommerpalast ausgeräumt [–] angeblich zur Gründung eines NationalMuseums in Port Arthur [–] dabei auch Geschenke Preussischer S[o]uveräne. Zwischen Tientsin und Peking sind mindestens 300 000 Menschen [sic!] obdachlos und brotlos491.« Zwar kam es in den darauffolgenden Monaten bis zur Ratifizierung des Friedensvertrages, des sogenannten Boxerprotokolls, im September 1901 noch zu mehreren Gefechten zwischen den alliierten Truppen und versprengten Einheiten der Boxer sowie der chinesischen Armee, faktisch jedoch war der Boxerkrieg mit dem Fall der chinesischen Hauptstadt beendet492. Sehr zum Verdruss der Reichsleitung waren an der Eroberung Pekings keinerlei deutsche Soldaten beteiligt. Zwar schickte Bendemann den vorrückenden Truppen am 9. August ein kleines Kontingent von rund 100 Marineinfanteristen hinterher, dem sich noch ein paar Dutzend Österreicher-Ungarn und Italiener anschlossen, aber diese erreichten Peking erst vier Tage nach dem Fall493. Die deutschen Verstärkungen aus der Heimat erreichten den Kriegsschauplatz zu spät, um noch eine entscheidende Rolle bei der Niederschlagung der Boxerbewegung spielen zu können494. Auch für den alliierten Oberbefehlshaber, den bald ironisch als »Weltmar-

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britischen Militärattachés in Tokio, die später vom französischen Kontingentführer, General Henri Frey, bestätigt wurde, war dies »unzweifelhaft nur geschehen, um die französische Flagge bei der Einnahme Pekings zu vertreten«. Zitat aus: Gühler an Tirpitz, 18.9.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 69 ff., hier Bl. 69. Vgl. ebd., Bl. 69 ff.; Frey, Français et Alliés au Pé-tchi-li, S. 207 f. Siehe dazu u.a.: Hevia, English Lessons, S. 195-240; Hevia, Looting and Discontents, S. 93-113; Hevia, Ein »Volksfest«, S. 147-152; Preston, Rebellion in Peking, S. 359-373; Spurny, Die Plünderung von Kulturgütern in Peking 1900/1901; Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 3, S. 35-39 (Bericht vom 22.10.1900). Waldersee an Wilhelm II., 25.9.1900, BArch, RM 5/5607, Bl. 30. Dix, The World’s Navies in the Boxer Rebellion, S. 211-246; Felber/Rosteck, Der »Hunnenkrieg« Kaiser Wilhelms II., S. 25-34; Frey, Français et Alliés au Pé-tchi-li, S. 133-342; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 152-155; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 152-162. Pohl an Kirchhoff, 25.9.1900, BArch, RM 5/5615, Bl. 58-87, hier Bl. 71-87; Kriegstagebuch des Kapitäns zur See Pohl, 8.8.-10.9.1900, BArch, RM 38/64, Bl. 180-200, hier Bl. 181-189 (Aufzeichnungen vom 9.8. bis 20.8.1900). Die Seebrigade traf erst am 15. August auf der Taku-Reede ein, die ersten Einheiten des Ostasiatischen Expeditionskorps knapp einen Monat später.

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schall« titulierten Grafen Waldersee, gab es nach seinem Eintreffen in Tientsin am 27. September keine Möglichkeit, sich militärisch zu profilieren. Seine Aufgabe beschränkte sich auf Okkupationskriegführung in der Provinz Chihli. Vollkommen frustriert, gingen die ihm unterstellten Truppen in den vereinzelten Nachhutgefechten äußerst brutal auf versprengte Boxer- und Armeeeinheiten los. Teils getrieben von Rachegelüsten und blinder Zerstörungswut, verübten sie im Rahmen zahlreicher Strafexpeditionen, an denen deutsche Soldaten überproportional beteiligt waren495, unzählige Gräueltaten an der chinesischen Zivilbevölkerung: Dutzende Dörfer und Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht, Hunderte Chinesen als vermeintliche Boxer standrechtlich exekutiert, Tausende Zivilisten massakriert und Frauen massenhaft vergewaltigt. Nebenbei raubten die Soldaten allerhand Kunstund andere Wertgegenstände. Je mehr Details in Deutschland über diese Okkupationspolitik bekannt wurden, desto lauter wurde auch die Kritik, so dass sich Bülow Mitte März 1901 schließlich dazu genötigt sah, die Strafexpeditionen im Reichstag allen Ernstes zu verteidigen als »das einzige Mittel, um Ruhe und Ordnung in Petschili, also das, was wir mit unserer Aktion in China in erster Linie erstreben, wiederherzustellen«496. Die »Terrorherrschaft«497 der Alliierten währte bis zum Frühsommer 1901, als China die wichtigsten Friedensbedingungen akzeptierte, und stürzte die gesamte Provinz Chihli in Chaos und Elend498. Zu Recht wurde Waldersee wegen dieser schlimmen Exzesse, für die er als Oberbefehlshaber verantwortlich war, von sowjetischen Historikern als ein »echter Vorläufer der deutsch-faschistischen Barbaren«499 bezeichnet. Als der glücklos agierende Feldmarschall schließlich im August 1901 nach Deutschland zurückkehrte, war er »politisch ›ein toter Mann‹«500.

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Insgesamt unternahmen die Alliierten unter Waldersees Oberbefehl 75 Strafexpeditionen in der Provinz Chihli. An 48 von ihnen waren deutsche Soldaten ausschließlich, an den meisten anderen überwiegend beteiligt. Vgl. Felber/Rosteck, Der »Hunnenkrieg« Kaiser Wilhelms II., S. 31. Susanne Kuß hat diese Zahlen jüngst in Zweifel gezogen. Ihren Recherchen zufolge gab es nur 53 Strafexpeditionen, davon 35, an denen ausschließlich deutsche Soldaten teilnahmen. Vgl. Kuß, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen, S. 66. Bülow, 15.3.1901. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 180, S. 1882. Hevia, Ein »Volksfest«, S. 127. Dabringhaus, An Army on Vacation?, S. 459-476; Felber/Rosteck, Der »Hunnenkrieg« Kaiser Wilhelms II., S. 31-34; Hevia, Krieg als Expedition; Kuß, Deutsche Strafexpeditionen im Boxerkrieg; Kuß, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen, S. 65-77; Wünsche, Feldpostbriefe aus China, S. 130-146; siehe auch: Binder-Krieglstein, Die Kämpfe des Deutschen Expeditionskorps in China; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900-1901, S. 103-417; Lessel, Böhmen, Frankreich, China 1866-1901, S. 186-281; Loch, Die imperialistische deutsche Chinapolitik 1898-1901, S. 93-114 (mit amüsanter Rhetorik); Löffler, Die China-Expedition 1900-1901; Martin, Soldatische Radikalisierung und Massaker; Müller, Unsere Marine, S. 259-281. Shukow, Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, S. 99. Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 306.

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d) Vom deutsch-britischen Yangtse-Abkommen bis zum Friedensschluss in Peking

Nach dem Sturm auf die Taku-Forts gab es auch für die Kaiserliche Marine keine nennenswerte Gelegenheit mehr, sich im Kampf mit den Chinesen zu profilieren. Kurz nachdem Peking von den Verbündeten erobert worden war, verteilte Bendemann die ihm unterstellten Kriegsschiffe auf drei verschiedene Operationsgebiete entlang der chinesischen Küste: das Gelbe Meer, das Yangtsegebiet und Südchina bis Fu-chou501. Ihre primären Aufgaben beschränkten sich auf die Wahrung der deutschen Interessen, den Schutz des Lebens und Eigentums deutscher Reichsangehöriger502, die Observation, zeitweise auch die Blockade der chinesischen Kriegsschiffe503 und die Beobachtung der Aktivitäten der anderen Mächte, was de facto »eine Rückkehr zur ›normalen‹ Kanonenbootpolitik bedeutete«504. Am 17. Oktober konstatierte Bendemann in einer Verfügung505, dass mit China amtlich Frieden bestehe, und ordnete an, dass die deutschen Kriegsschiffe an den Küsten Chinas – mit Ausnahme von Chihli – nur noch einschreiten dürften auf Grundlage der Bestimmungen zur Unterdrückung der Piraterie in den chinesischen Gewässern506 und des Paragrafs 10 der Instruktion für Schiffskommandanten, der lautete: »Er hat im Verein mit den Konsuln den Angehörigen des Deutschen Reiches und deren Handel, Verkehr und Schifffahrt Schutz zu gewähren und Hülfe zu leisten, dabei aber stets die am Orte geltenden Landesgesetze zu achten und zu befolgen507.« 501

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Bendemann an Diederichs, 29.3.1901, BArch, RM 5/5614, Bl. 49 ff. Eine Übersichtskarte über die Verteilung der deutschen Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern im Oktober 1900 ist abgedruckt in: Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 113; siehe auch die Karte auf Seite 368 in diesem Buch. In den Bordakten des Kreuzergeschwaders befinden sich für die Zeit vom 8.10.1900 bis 22.2.1901 zahlreiche, meist wöchentlich erstellte Dislokationslisten der deutschen Kriegsschiffe in den ostasiatischen Gewässern. Vgl. BArch, RM 38/56 und 57, passim. Gemäß einer Verfügung des Chefs des Kreuzergeschwaders galt dieser Schutz prinzipiell auch »allen, die darum bitten und dessen würdig sind, und ferner unaufgefordert allen Europäern, Amerikanern und Japanern in China [...], soweit eine solche Ausdehnung der Tätigkeit S.M. Schiffe ohne Beeinträchtigung des Schutzes und der Hilfeleistung für Deutsche geschehen kann. Letztere haben selbstverständlich den ersten Anspruch darauf«. Zitat aus: Bendemann an die Kommandanten der ihm unterstellten Kriegsschiffe, 17.10.1900, zit. in: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 212 ff., hier S. 214 (Hervorhebung im Original). Die Blockade der chinesischen Kriegsschiffe erfolgte Ende August auf Befehl des Kaisers, um die Transportdampfer des Ostasiatischen Expeditionskorps zu schützen. Vgl. Diederichs an Bendemann, 24.8.1900, BArch, RM 38/65, Bl. 64; Diederichs an Bendemann, 29.8.1900, ebd., Bl. 87; Diederichs an Bendemann, 30.8.1900, ebd., Bl. 90; Bendemann an Diederichs, 31.8.1900, ebd., Bl. 96 f.; siehe auch: Diederichs an Bendemann, 11.8.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 43-45, hier Bl. 43 f. Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 122. Bendemann an die Kommandanten der ihm unterstellten Kriegsschiffe, 17.10.1900, zit. in: Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 212 ff. Vorläufige Instruktion für die Kommandanten Deutscher Kriegsschiffe in Betreff der Unterdrückung der Seeräuberei in den chinesischen Gewässern, 20.9.1877, zit. in: Bütow, Die Kaiserlich Deutsche Marine, T. II, Abt. 4, S. 311 ff. Diese Bestimmungen datierten noch aus dem Jahre 1877 und wurden erst 1904 – auf Anregung von Vizeadmiral Geißler als Chef des Kreuzergeschwaders – durch eine neue Instruktion ersetzt. Vgl. Büchsel an Tirpitz, 29.11.1902, BArch, RM 3/3910, Bl. 62; Instruktion für die Kommandanten deutscher Kriegsschiffe über ihr Verhalten gegenüber chinesischen Seeräubern, 8.11.1904, ebd., Bl. 120 f. Instruktion für den Kommandanten eines von S.M. Schiffen oder Fahrzeugen, 28.9.1872, zit. in: Bütow, Die Kaiserlich Deutsche Marine, T. II, Abt. 4, S. 1-50, hier S. 5, § 10.

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Die Verteilung deutscher Kriegsschiffe in China im Oktober 1900 o Peih

PEKING

Hunh o

Pjöngjang

4

Tientsin 1

KOREA

Port Arthur (russ.)

Taku 2

Taku: 1. Kleiner Kreuzer SMS Gefion 2. Großer Kreuzer SMS Kaiserin Augusta 3. Kanonenboot SMS Jaguar 4. Torpedoboot Taku (Ex. Haitscheng)

SEOUL

3

Tsingtau: 5. Großer Kreuzer SMS Hansa 6. Kleiner Kreuzer SMS Irene 7. Kleiner Kreuzer SMS Geier

Weihaiwei (brit.)

Tsingtau (deutsch) 5

GELBES MEER

w

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6 7 Ka

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na Ka

Schanghai: 8. Großer Kreuzer SMS Fürst Bismarck 9. Kleiner Kreuzer SMS Hela 10. Kanonenboot SMS Iltis 11. Linienschiff SMS Weißenburg 12. Linienschiff SMS Kurfürst Fr. Wilhelm 13. Linienschiff SMS Brandenburg 14. Torpedoboot S 90 15. Torpedoboot S 91 16. Torpedoboot S 92 17. Lazarettschiff Gera

l

Ostasiatisches Kreuzergeschwader Vizeadmiral von Bendemann Flaggschiff SMS Fürst Bismarck Quelpart-Insel

o Hwa i h

8 9

ia g Hank n

Nanking

10

Shanghai

Hankow Ya

18

tse ng

11 20

12 13

19

14

O S TCHINESISCHES MEER

15

KAISERREICH CHINA

16

17

Ka

n kian

Auf dem Jangtse Kiang: 18. Kleiner Kreuzer SMS Seeadler 19. Flusskanonenboot Vorwärts g Schwalbe 20. Kleiner Kreuzer SMS Amoy: 21. Kanonenboot SMS Tiger Hongkong: 22. Linienschiff SMS Wörth 23. Großer Kreuzer SMS Hertha 24. Kleiner Kreuzer SMS Bussard 25. Kanonenboot SMS Luchs Auf dem Perlfluss: 26. Flusskanonenboot Schamien

Liu-ch‘iu-Inseln (jap.)

Amoy 21

26

Kanton Macao (port.)

Formosa 0

Hongkong (brit.)

22

24

23

25

SÜDCHINESISCHES MEER

100

200

300 km

Quellen: Eberspächer, Die deutsche YangtsePatrouille; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900 – 1901; Gayl [u.a.], Deutschland in China 1900 – 1901; Gröner, Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945.

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Noch bevor das Ostasiatische Expeditionskorps die Kriegführung in Nordchina übernahm, verlagerte sich das Aktionsfeld der deutschen analog zu dem der britischen Seestreitkräfte nach Südchina, vor allem in das ökonomisch bedeutende Yangtsegebiet508. Mitte Juli schickte Bendemann zunächst die »Gefion« nach Shanghai, um dort telegrafisch gemeldete Waffentransporte für China abzufangen und die deutschen Interessen zu wahren509. Nach dem Fall von Peking ging er dann persönlich für einige Wochen mit seinem neuen Flaggschiff »Fürst Bismarck« von Taku nach Woosung. Dort konzentrierte er auch einen Großteil der Panzerdivision, die Anfang September in der Yangtse-Mündung eintraf510. Sicherheitspolitische Erwägungen spielten dabei keine Rolle. Zwar hatten sich kurz nach dem Fall der Taku-Forts die chinesischen Kriegsschiffe in diese Region zurückgezogen, sie stellten aber keinerlei Bedrohung für die Alliierten dar. Eine akute Gefährdung der in Südchina ansässigen Ausländer durch fremdenfeindliche Übergriffe gab es nicht, auch wenn sich diese um ihre persönliche Sicherheit sorgten. Anders als im Norden, gelang es den Provinzgouverneuren im Süden bis zuletzt, die Boxerbewegung erfolgreich einzudämmen und unter Kontrolle zu halten. Hinter der Verlagerung des Einsatzschwerpunktes steckten andere Gründe: Durch die Entsendung mehrerer Kriegsschiffe nach Shanghai und Hankow wollte die Reichsleitung das bis dahin de facto bestehende britische Sicherheitsmonopol für Ausländer im Yangtsegebiet demonstrativ brechen und verhindern, dass Großbritannien, wie Bülow befürchtete, im Zuge des Boxerkrieges das gesamte Yangtsetal okkupierte. Die anderen Großmächte, vor allem Frankreich, hegten ähnliche Befürchtungen und schickten deshalb ebenfalls Kriegsschiffe dorthin511. Eine Aufteilung Chinas lag nicht im Interesse der Reichsleitung. Zu groß waren aus ihrer Sicht die Risiken, dabei zu kurz zu kommen. Deshalb hegte sie auch keinerlei Ambitionen, die deutsche Einflusssphäre in Shantung zu vergrößern, denn ein solches Vorgehen barg das Risiko, den Prozess der Aufteilung Chinas einzuleiten. Die Reichsleitung strebte vielmehr nach der Herstellung des Status vor dem Boxerkrieg und einer Garantie des Open-door-Prinzips: »Es empfiehlt sich auch vom größerpolitischen Standpunkte aus nicht«, konstatierte Tirpitz gegenüber Wilhelm II., »uns den Anschein zu geben, als ob wir in der Provinz Schantung weiter um uns greifen wollten. Andere Theile Chinas, vor allem das Yangtsegebiet, sind für den deutschen Handel viel wichtiger; die Politik der offenen Thür ist für seine Förderung das einzig

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Bezeichnenderweise endet das Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders kurz nachdem Waldersee in Tientsin eingetroffen war und das Oberkommando über die alliierten Streitkräfte in der Provinz Chihli übernommen hatte. Der letzte Eintrag datiert auf den 15.10.1900 und enthält das Protokoll der letzten Befehlshaberkonferenz. Vgl. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, BArch, RM 38/50, Bl. 144-148 (Aufzeichnungen vom 15.10.1900). Bendemann an Rollmann (Segelordre für »Gefion«), 11.7.1900, BArch, RM 38/82, Bl. 24 f. Geißler an Bendemann, 6.9.1900, BArch, RM 5/5608, Bl. 92 ff., hier Bl. 94. Bendemann an Diederichs (mit Anlagen), 29.3.1901, BArch, RM 5/5614, Bl. 49-99; Eberspächer, Die Operationen der Kaiserlichen Marine im Yangzigebiet, S. 128-144; Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 103-132; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 212-219; Rosendahl, Unsere Panzerdivision im Boxerkriege, S. 43-56; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 160-192.

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Richtige. England würde uns Schantung gern überlassen, wenn wir dafür auf den Yangtse verzichten wollten. Wir müssen unseren politischen Einfluß in ganz China ausbreiten und dürften uns nicht auf diese kleine Ecke beschränken lassen. Schantung wird uns später sowieso als reife Frucht in den Schoß fallen, deshalb brauchen wir jetzt nicht die Hände danach auszustrecken512.«

In diesem Sinne instruierte Bülow am 22. Juli auch den neuen deutschen Gesandten in Peking, Alfons Freiherr Mumm von Schwarzenstein:

»Eine Aufteilung Chinas oder selbst nur eine Aufteilung in Interessen- oder Einflusszonen liegt gegenwärtig nicht in unserem Interesse. Man würde sonst versuchen uns auf Schantung zu beschränken und England würde bestrebt sein, uns vom Yangtsebecken auszuschließen, während der deutsche Handel am Yangtse von Jahr zu Jahr festeren Fuß faßt und mehr und mehr dort die englische Konkurrenz verdrängt, so daß wir, je später die Aufteilung erfolgt, um so größere Chancen haben513.«

Um die deutschen Interessen im Yangtsegebiet nachhaltig zu sichern, begann die Reichsleitung schließlich Ende August 1900 – kurz nachdem britische und französische Kolonialtruppen in Shanghai gelandet waren514 – Verhandlungen mit Großbritannien zur Garantie sowohl der territorialen Integrität des Chinesischen Reiches als auch des Open-door-Prinzips in ganz China, die schließlich am 16. Oktober zum Abschluss einer entsprechenden deutsch-britischen Vereinbarung, des sogenannten Yangtse-Abkommens, führten515. Großbritannien stimmte diesem Vertrag vor allem deshalb zu, weil es infolge des gleichzeitig stattfindenden Burenkrieges militärisch gebunden und somit nicht in der Lage war, seine Interessen allein gegenüber China und den anderen Mächten durchzusetzen. Der Vertrag selbst war »zwar nach Inhalt und Bedeutung eher mager«, gleichwohl aber »signalisierte das Abkommen, dass das Deutsche Reich nun endgültig den Rang einer 512 513 514

515

Tirpitz an Wilhelm II., 20.8.1900, zit. nach: Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, Bd 1, S. 334 f. Denkschrift Bülows betreffend die deutsche Politik in China, 22.7.1900, zit. in: Klein, Über die Verfälschung der historischen Wahrheit in der Aktenpublikation, S. 324. Das britische Kontingent umfasste ca. 3000, das französische nur rund 750 Mann. Anfang September landeten zudem 475 deutsche und 600 japanische Soldaten in Shanghai, um das große britische Truppenaufgebot »auszugleichen«. Während die anderen Nationen in den darauffolgenden Monaten ihre Kontingente gleichstark erhielten oder reduzierten, erhöhte das Deutsche Reich im Gegenzug das seinige auf 1200 Mann. Shanghai blieb fast zweieinhalb Jahre von den alliierten Truppen besetzt, die letzten Einheiten wurden erst Anfang 1903 abgezogen. Vgl. u.a. Ordre de Bataille der Landungs- und Reservelandungsabteilung S.M.S. Fürst Bismarck, 5.9.1900, BArch, RM 38/84, Bl. 58; Knappe an Bülow, 23.12.1902, PAAA, Peking II/166, Bl. 148-155; Knappe an Bülow (mit Anlage), 18.1.1903, ebd., Bl. 164-167; Delcassé an die französischen Botschafter in St. Petersburg, London, Wien, Rom, Washington, Tokio und Berlin, 3.10.1902, zit. in: Documents Diplomatique Français: Évacuation de Shanghai 1900-1903, Nr. 30, S. 14 f. (enthalten in: PAAA, Peking II/166, 184-202); Otte, The China Question, S. 200 f.; Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 215 f.; siehe auch: Young, British Policy in China 1895-1902, S. 169-192. Siehe dazu ausführlich: Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 155-160; George Monger, Ursachen und Entstehung der englisch-französisch-russischen Entente 1900-1907, S. 21-25; Otte, The China Question, S. 196-213; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 306-370; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 193-213; Zühlke, Die Rolle des Fernen Ostens in den politischen Beziehungen der Mächte 1895-1905, S. 182-201. Das Abkommen ist abgedruckt in: Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890-1911, S. 250, Nr. 124.

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Weltmacht erlangt hatte«516. Wilhelm II. honorierte diesen großen diplomatischen Prestigeerfolg umgehend: Nur einen Tag nach dem Vertragsschluss ernannte er Bülow zum Reichskanzler517. Das Yangtse-Abkommen war auch eine Reaktion auf die rücksichtslose russische Interessenpolitik in Ostasien. Nur zwei Wochen nach dem Fall von Peking hatte der russische Außenminister Vladimir N. Graf Lamsdorf den alliierten Mächten in einem Zirkular den Vorschlag unterbreitet, »zur Förderung der Wiederherstellung geordneter Zustände im Chinesischen Reiche die Gesandtschaften sowie alle übrigen Fremden demnächst aus Peking zu entfernen und unter militärischer Bedeckung nach Tientsin übersiedeln zu lassen«518. Anschließend sollten sämtliche alliierte Truppen aus Peking abgezogen werden, »weil niemand dort mehr zu beschützen wäre«519. Holstein durchschaute rasch, welche Absichten hinter diesem Vorschlag steckten: »Rußland, insbesondere der Minister [Sergej N. Witte (= Vitte)]«, konstatierte er, »möchte das Budget für Ostasien möglichst einschränken, möchte erreichen, daß die Provinz Tschili und speziell Peking nicht mehr der Tummelplatz für die Truppen aller Mächte des Erdballs ist, und möchte endlich last not least sich den Chinesen als Beschützer Chinas darstellen520.« Als »Vater des ganzen Projekts« identifizierte er jedoch den »russische[n] Wunsch, sich dem deutschen Oberbefehl zu entziehen«521. Zwar konnte Bülow durch geschickte Diplomatie erreichen, dass die anderen Mächte den russischen Vorschlag ablehnten, und so eine Entmilitarisierung der Provinz Chihli verhindern, die Waldersees Oberkommando zur Farce gemacht hätte, aber die Russen zogen dennoch ihre Truppen bis Ende September 1900 fast vollständig von dort zurück; sie beließen lediglich eine 1200 Mann starke Gesandtschaftswache in Peking. Mit dieser Aktion begann das Zarenreich demonstrativ aus der Phalanx der verbündeten Mächte auszuscheren. Von nun an verfolgte die russische Regierung primär ihre eigenen Interessen in Ostasien. Diese zielten vor allem auf eine Stärkung der russischen Stellung in der Mandschurei, wo Einheiten der Boxer und der chinesischen Armee das für Russland strategisch wichtige Bauprojekt der Ostchinesischen Bahn, ein integrales Teilstück der Transsibirischen Eisenbahn, bedrohten522. Erste militärische Operationen zu dessen Schutz hatten die Russen bereits in den letzten Julitagen unternommen. Anfang August, als die zweite alliierte Entsatztruppe unter General Gaselee von Tientsin nach Peking aufbrach, gingen sie in die Offensive. Fast auf den Tag genau zwei Monate später, 516 517

518 519 520 521 522

Zitate aus: Mommsen, War der Kaiser an allem Schuld?, S. 106. Siehe dazu auch: Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 155 ff. Hohenlohe hatte zu diesem Zeitpunkt kaum noch politischen Einfluss. In den letzten Monaten seiner Kanzlerschaft war er kaum mehr als ein Schattenkanzler. Siehe u.a.: Zachau, Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenlohe, S. 518-536. Bülow an Hatzfeldt, 28.8.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4623, S. 105. Ebd. Aufzeichnung von Derenthalls, 27.8.1900. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4622, S. 103. Zitate aus: Ebd., S. 104. Zur Geschichte der Ostchinesischen Bahn siehe neuerdings: Urbansky, Kolonialer Wettstreit.

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am 6. Oktober, war schließlich die gesamte Mandschurei von russischen Truppen okkupiert523. Unterdessen wurde der Abschluss des Yangtse-Abkommens sowohl von der deutschen Presse als auch von den Fraktionen im Reichstag mehrheitlich begrüßt, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Bülow nutzte diesen Zuspruch, um sich Mitte November vom Parlament nachträglich die Kosten für die Chinaexpedition genehmigen zu lassen. Obwohl ihm der Vertrag große innenpolitische Erfolge bescherte, bewertete Bülow diesen primär in außenpolitischer Hinsicht als einen »erheblichen politischen Erfolg«524. Zunächst sah es so aus, als sollte er mit dieser Einschätzung Recht behalten, denn nachdem der Vertrag publik gemacht worden war, wurde das Open-door-Prinzip in China sukzessive von den anderen Mächten anerkannt, formal sogar von Russland, obwohl dort wie erwartet Politik und Presse entrüstet auf die deutsch-britische Vereinbarung reagierten. Gleichzeitig jedoch weckte die Aufwertung der deutschen Stellung in China auch neues Misstrauen besonders bei den Russen und Briten, das anfangs nur deshalb kaum zum Tragen kam, weil es von britisch-russischen Spannungen in Eisenbahnfragen und vor allem in der Mandschureifrage525 überlagert wurde526. Während das Yangtse-Abkommen in Deutschland bejubelt wurde, die Russen ihre Machtstellung in der Mandschurei konsolidierten und alliierte Truppen unter Waldersees Oberkommando in Chihli die ersten blutigen Strafexpeditionen durchführten, begannen im Schatten dieser Ereignisse in Peking die Vertreter der alliierten Mächte sowie Belgiens, Spaniens und der Niederlande am 26. Oktober 1900 ihre Verhandlungen über die an China zu richtenden Sühneforderungen. Grundlage dafür war eine französische Note vom 4. Oktober, die bereits viele wesentliche Bestimmungen des Boxerprotokolls beinhaltete: Bestrafung der Hauptverantwortlichen, Waffeneinfuhrverbot nach China, Entschädigungszahlungen an die verbündeten Mächte und erhöhte Sicherheitsmaßnahmen für die ausländischen Gesandtschaften in der chinesischen Hauptstadt. Da jedoch die chinapolitischen Rivalitäten der alliierten Mächte infolge der Eroberung Pekings zunehmend wieder aufflammten, dauerte es fast zwei Monate, bevor sie sich auf eine Kollektivnote mit den in zwölf Punkten zusammengefassten Forderungen verständigten und diese der chinesischen Regierung am 22. Dezember zuleiten konnten. Der chinesische Kaiser erklärte sich Ende Januar 1901 prinzipiell dazu bereit, die Friedensbestimmungen zu akzeptieren. Allerdings dauerte es dann noch weitere acht Monate, bevor die »in ihrer Art in der Weltgeschichte bisher wohl einzig dastehenden, zum Theil höchst merkwürdigen Verhandlungen«527 zwischen den alliierten Mächten und der chinesischen Regierung am 7. September mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages, des sogenannten Boxerprotokolls, ihren Abschluss fanden und der Boxerkrieg offiziell beendete wurde. China wurden darin harte und demüti523 524 525 526 527

Malozemoff, Russian Far Eastern Policy 1881-1904, S. 133-144; Winzen, Die Englandpolitik Friedrich von Holsteins, S. 325-331. Zit. nach: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 347. Siehe dazu ausführlich: Otte, The China Question, S. 216-268. Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 345-350. Mumm von Schwarzenstein, Ein Tagebuch in Bildern, S. VI.

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gende Friedensbedingungen diktiert, zusammengefasst in zwölf Artikeln: Während die Bestimmungen in den Artikeln I bis IV auf die »symbolische Unterwerfung Chinas und die sogenannte moralische Wiedergutmachung«528 zielten, schränkten die Auflagen in den Artikeln V bis XII die Souveränität des chinesischen Staates stärker ein als jemals zuvor und garantierten den alliierten Mächten weitreichende Sonderrechte. Aus deutscher Sicht waren von besonderer Bedeutung vor allem zwei der Bestimmungen, die auch zu ihren wichtigsten Ausgangszielen zu Beginn der Friedensverhandlungen gezählt hatten, nämlich zum einen die Entsendung einer »Sühnemission« unter dem Prinzen Ch’un Tsai-feng nach Deutschland529 (Artikel I) und zum anderen ein Anteil von rund zwanzig Prozent an der gewaltigen Entschädigungssumme in Höhe von insgesamt 450 000 Taels (Artikel VI)530. e) Vorwärts in die Isolation: Die Rückberufung der deutschen Panzerdivision aus Ostasien und ihre Folgen

Als die Panzerdivision unter dem Kommando von Konteradmiral Geißler Ende August 1900 in Hongkong eintraf, verfügte das Deutsche Reich neben Japan, Großbritannien und Russland über den schlagkräftigsten Verband von Kriegsschiffen in den chinesischen Gewässern531. »Noch niemals war Deutschland im Auslande durch eine ähnliche Flottenmacht vertreten worden«, resümierte Konteradmiral Carl Rosendahl einige Jahre später, »welche aller Welt vor Augen führte, daß unser Vaterland entschlossen war, im Rate der Völker in Zukunft ein gewichtiges Wort mitzusprechen532.« Die Panzerdivision bildete im Verein mit dem bald darauf eintreffenden Ostasiatischen Expeditionskorps nicht nur das notwendige militärische Rückgrat für die Durchsetzung der deutschen Forderungen bei den Friedensverhandlungen mit China533, sondern begünstigte auch den Abschluss des Yangtse-Abkommens mit Großbritannien. Der gewaltige Truppenaufmarsch im Fernen Osten sicherte dem Deutschen Reich die angestrebte gleichberechtigte Stellung unter den Großmächten und machte es in Ostasien zu einem militärisch ernstzunehmenden Machtfaktor. Aus Sicht der Marineleitung waren diese Aspekte zweitrangig. Tirpitz stand nicht nur dem Einsatz der Linienschiffe, sondern der gesamten Chinaexpedition von Anfang an ablehnend gegenüber, weil sie den ohnehin strapazierten Reichshaushalt zusätzlich belastete und er infolgedessen negative Auswirkungen auf die

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Leutner, Das Boxerprotokoll, S. 201. Siehe dazu u.a.: Butz, Kniefall und Geschenke; Mühlhahn, Kotau vor dem deutschen Kaiser? Kelly, A Forgotten Conference; Lehner/Lehner, Österreich-Ungarn und der »Boxeraufstand« in China, S. 439-519; Leutner, Das Boxerprotokoll, S. 200-203; Petersson, Das Boxerprotokoll als Abschluss einer imperialistischen Intervention, S. 229-244. Das Boxerprotokoll ist abgedruckt in: Treaties and Agreements with and concerning China, S. 278-285. Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 223-226. Rosendahl, Unsere Panzerdivision im Boxerkriege, S. 51. Siehe dazu u.a.: Bendemann an Waldersee, 3.3.1901, BArch, RM 38/63, Bl. 182-185; Waldersee an Bendemann, 22.3.1900, BArch, RM 38/63, Bl. 290 f.

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Flottenrüstung befürchtete534. Auf keinen Fall wollte er noch weitere Kriegsschiffe für den Boxerkrieg bereitstellen. Ebenso wie Diederichs vertrat er nach dem Abgang der Panzerdivision die Auffassung, »daß Bendemann jetzt so viel hat als er irgend braucht«535. Senden-Bibran hielt die Entsendung der Panzerdivision nach Ostasien für einen politischen Fehler, wie er dem Chef des Kreuzergeschwaders privatim mitteilte, »denn ohne Englands Wohlwollen ist sie schädlich«536. Mit dieser Formulierung verwies er implizit auf das gravierende geostrategische Defizit der Kaiserlichen Marine bei Einsätzen in Übersee: ihre Abhängigkeit von britischen Kohlenstationen und Flottenstützpunkten. Offenbar sorgte sich SendenBibran besonders vor einem herben Prestigeverlust, der dem Deutschen Reich drohte, falls der Einsatz der Panzerdivision – etwa infolge von Kohlenmangel – scheitern sollte. Diederichs wiederum sorgte sich vor allem um die »Aktionsbereitschaft unserer Schlachtflotte in der Heimath«537, deren Schlagkraft nach dem Abgang der vier Linienschiffe beeinträchtigt war538. Für den Admiralstab hatte der Schutz der deutschen Küsten absolute Priorität. Deshalb wollte Diederichs die Panzerdivision so rasch wie möglich in die Heimat zurückholen, und zwar »um Mitte oder Ende Dezember«, also nur knapp drei Monate nach deren Ankunft im Zielgebiet, wie er dem Auswärtigen Amt Anfang November mitteilte, »falls dann«, was er hoffte, »für sie keine besonderen militärischen Aufgaben mehr in China vorliegen«539 sollten. Oswald von Richthofen, der neue Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, war nicht prinzipiell gegen eine rasche Rückholung der Schiffe, hielt aber den Zeitpunkt angesichts »der augenblicklichen politischen Lage und dem [sic] gegenwärtigen Stand der Friedensverhandlungen«540 für inadäquat und lehnte das Ansinnen vorläufig ab. Trotz des Yangtse-Abkommens schien ihm zu diesem Zeitpunkt die Panzerdivision noch immer als der sicherste Garant für die Offenhaltung des Yangtsetals541. Zudem war er der festen Überzeugung, »daß die Möglichkeit von Complikationen – welche ja nicht blos mit China allein denkbar wäre – um so geringer wird, je stärker wir dort auftreten«542.

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Siehe dazu: Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 296-304. Tirpitz an Senden-Bibran, 15.7.1900, BArch, N 160/5, Bl. 20 f., hier Bl. 21. Senden-Bibran an Bendemann, 14.7.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 32 f., hier Bl. 33. Diederichs an Bülow, 1.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 15. Diederichs an Bendemann, 28.12.1900, BArch, RM 38/62, Bl. 310; Wilhelm II. an Waldersee, 11.5.1900, zit. in: Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 3, S. 138, Anm. 1. Zitate aus: Diederichs an Bülow, 1.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 15. Prinz Heinrich und Admiral Koester unterstützten Diederichs bei dieser Forderung. Vgl. Diederichs an Bendemann, 16.11.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 55-60, hier Bl. 59 f. Richthofen an Diederichs, 3.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 39 f., hier Bl. 39. Mumm an Waldersee, 4.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 99 ff. Richthofen an Mumm, 23.11.1900, PAAA, R 2241. Richthofen versuchte Waldersee – mit Erfolg – derart zu beeinflussen, dass dieser seine oben auszugsweise zitierte Lagebeurteilung übernahm, denn nur Waldersee verfügte als Oberbefehlshaber aller deutschen Streitkräfte in Ostasien über die Befugnis und die Autorität, die Panzerdivision entgegen des ausdrücklichen Wunsches des Admiralstabes bis auf Weiteres in China zu belassen. Vgl. ebd.; Mumm an Richthofen, 25.11.1900, PAAA, R 2241 (ohne Paginierung).

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Aber Diederichs gab nicht nach. Am 16. November erwirkte er einen kaiserlichen Befehl, dass der Generalstab unverzüglich prüfen solle, »ob bezw. wann die genannte Panzerschiffs-Division in China entbehrlich sein wird«543. Unterdessen plante Bendemann – mit Rückendeckung von Waldersee – ein gemeinsames Vorgehen mit den Briten im Yangtsegebiet, um dem nach Hsi-an geflüchteten chinesischen Kaiserhof die Zufuhr von Geld, Lebensmitteln und Truppen aus Südchina abzuschneiden. Dies wollte er einerseits mittels »der gütlichen Ueberredung, der Berathung, der fortgesetzten Betonung guter Absichten, endlich auch Bestechung«544 der lokalen chinesischen Beamten, andererseits durch die temporäre Besitzergreifung der Yangtse-Forts und der im Fluss liegenden chinesischen Kriegsschiffe erreichen. Obwohl die Gouverneure der Yangtse-Provinzen sich bis dahin den Alliierten gegenüber sehr kooperativ gezeigt hatten, rechnete er nicht mit einer friedlichen Übergabe der Festungswerke. Deshalb wies er Geißler an, alle Vorbereitungen für eine gewaltsame Okkupation der Yangtse-Forts zu treffen, und zwar derart, dass eine solche Aktion von den deutschen Kriegsschiffen sowohl allein als auch im Verein mit anderen Mächten, namentlich Großbritannien, durchgeführt werden könnte. Der Chef des Generalstabes, General der Kavallerie Alfred Graf von Schlieffen, befürwortete diese Pläne, wobei er nicht nur die Wegnahme der Befestigungen von Woosung bis Nanking, sondern auch die Inbesitznahme von Chefoo545 für prinzipiell notwendig erachtete, »um eine sichere Grundlage für etwa erforderlich werdende weitere Operationen in China zu schaffen«546. In beiden Fällen hielt er die Mitwirkung der Panzerdivision für zwingend erforderlich, falls eine kampflose Übergabe der Festungswerke durch gemeinsame Schritte mit Großbritannien bei den betreffenden chinesischen Generalgouverneuren nicht zu erreichen sei. »Die Rückberufung der Schiffe kann ich daher nur dann für zulässig erachten«, ließ er Diederichs wissen, »wenn die genannten Befestigungen im Besitz der verbündeten Mächte sind547.« Bülow war entsetzt, als er von diesen Plänen erfuhr. Ein aktives Vorgehen deutscher Streitkräfte im Yangtsegebiet lehnte er strikt ab, weil dadurch alle süd543

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Diederichs an Schlieffen, 16.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 42 f., hier Bl. 42. Jung irrt mit der Annahme, dass Diederichs in dieser Frage auch direkt in Kontakt mit Waldersee getreten ist. Das von ihm angeführte Dokument vom 18. November, in dem sich Diederichs persönlich an Waldersee wendet, bezog sich auf eine anvisierte Fahrt der Panzerdivision den Yangtse hinauf, nicht jedoch auf die Frage, ob oder wann die Linienschiffe aus Ostasien abgezogen werden könnten. Vgl. Diederichs an Waldersee, 18.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 45; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 161. Bendemann an Geißler, 31.10.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 130-135, hier Bl. 134. An gleicher Stelle fügte er noch hinzu: »Drohungen, denen der Schlag nicht unmittelbar folgen kann, sind erfahrungsgemäß schädlich und daher verwerflich. Die Chinesen im Yangtze müssen die Zuversicht gewinnen, daß unsere Absichten nicht auf Landerwerb gerichtet sind, sondern auf Aufrechterhaltung der Ruhe am Yangtze und Wiederherstellung der Ordnung in Nordchina; daß wir unsere Ziele zwar bestimmt und ausdauernd, aber ohne Missbrauch der Gewalt und höflich verfolgen.« Zitat aus ebd. Der Kaiser hatte Anfang Juli die Besetzung Chefoos angeordnet, aber seinerzeit scheiterte die Durchführung an Bendemanns ablehnender Haltung. Vgl. Kap. IV, Anm. 459. Schlieffen an Diederichs, 18.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 49. Ebd.

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chinesischen Provinzen destabilisiert und die Grundlage für das deutsch-britische Yangtse-Abkommen gefährdet werden würden. Der »springende Punkt« dieses Abkommens sei, wie er Diederichs in einem Schreiben ausführlich erläuterte, »daß England dadurch verhindert wird, sich an strategischen Punkten festzusetzen. Wir machen das Abkommen illusorisch«, konstatierte er, »wenn wir selber jetzt die Engländer auffordern, strategische Punkte zu nehmen. [...] Deshalb ist es meine Ueberzeugung«, resümierte er, »daß wir bei dem geplanten gemeinsamen Vorgehen, sei es gegen Tschifu [oder] sei es gegen die Yangtse-Befestigungen, mehr zu verlieren als zu gewinnen haben«548. Diederichs beurteilte das anvisierte Vorgehen im Yangtsetal zwar weniger skeptisch, beugte sich aber dem Primat der Politik549. Dem Kaiser berichtete er am 27. November: »Der Chef des Generalstabes ist der Ansicht, die ich vollkommen theile, daß ein Zurückberufen [der Panzerdivision] nicht eher zuläßig ist, als bis die Chinesischen Küstenbefestigungen am Yangtse Fluß und die Forts bei Tschifu in unseren Händen sind, da deren Besetzung für uns militärisch von höchster Bedeutung ist, solange kein gesicherter Friede mit China erreicht ist550.« Allerdings fügte er daran unter Bezugnahme auf die von Bülow vorgebrachten Bendenken an:

»Da bei den eigenthümlichen verwickelten Verhältnissen in der ganzen Chinesischen Angelegenheit meines Erachtens die militärischen Maßnahmen sich der Politik anpassen müssen, wird auch der Ansicht des Grafen Bülow entsprechend, – obwohl ich dessen Bedenken nach meiner Kenntniß der Chinesen nicht in allen Punkten theilen kann – ein Vorgehen gegen Tschifu und die Yangtse Befestigungen vorläufig nicht zu erwarten sein. Ob die Verhältnisse uns aber nicht doch über kurz oder lang zu solchem Vorgehen zwingen werden, läßt sich jetzt kaum übersehen551.«

Diederichs schlug dem Kaiser schließlich »pflichtmäßig« vor, dass die Panzerdivision »noch bis auf Weiteres in den Chinesischen Gewässern bleibt und ihrer Rückberufung erst dann näher getreten wird, wenn sich übersehen läßt, daß eine Aktion gegen die Küstenbefestigungen nicht mehr in Frage kommt«552. Wilhelm II. folgte

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Zitate aus: Bülow an Diederichs, 23.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 87 f., hier Bl. 88. Jung irrt, wenn er behauptet, dass sich Diederichs den Ansichten Schlieffens gebeugt, geschweige denn, dass er dies unwillig getan hätte. Vielmehr beugte er sich unwillig dem Primat der Politik, weil dadurch eine rasche Rückholung der Panzerdivision de facto ausgeschlossen war, wie sie infolge einer raschen militärischen Aktion zur Besitzergreifung der Befestigungen am Yangtse und in Chefoo vermutlich möglich gewesen wäre. Vgl. Denkschrift von Diederichs zum Immediatbericht über die Zurückberufung der Panzerdivision, 27.11.1900, BArch, RM 5/880, Bl. 243 f.; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 162; siehe auch: Diederichs an Bendemann, 7.4.1901, BArch, RM 38/179, Bl. 141-146, hier Bl. 143. Denkschrift von Diederichs zum Immediatbericht über die Zurückberufung der Panzerdivision, 27.11.1900, BArch, RM 5/880, Bl. 243 f., hier Bl. 243. Ebd., Bl. 244. Einen Monat später schrieb er diesbezüglich privatim an Bendemann: »Der Generalstab drängt auf ein Vorgehen im Yangtse und auch ich bin der Ansicht, daß dieses uns genützt hätte. Ich glaube aber, jetzt ist es zu spät, uns fehlt die Handhabe, welche die Ermordung v[on] Ketteler’s gab, nachdem die Friedensverhandlungen begonnen haben«. Zitat aus: Diederichs an Bendemann, 26.12.1900, BArch, RM 37/179, Bl. 61-64, hier Bl. 61 f. Zitate aus: Denkschrift von Diederichs zum Immediatbericht über die Zurückberufung der Panzerdivision, 27.11.1900, BArch, RM 5/880, Bl. 243 f., hier Bl. 244.

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diesem Vorschlag553. Anfang Dezember und Ende Februar ließ der Kaiser überprüfen, ob eine Rückholung der Linienschiffe schon möglich sei. Beide Male bekräftigte Waldersee, dem auch Bendemann und die deutschen Seestreitkräfte in Ostasien unterstellt waren554, dass der Verbleib der Panzerdivision als Druckmittel gegen die Chinesen weiterhin notwendig sei. Diese Lagebeurteilung hatte Bestand bis Mitte Mai 1901, deshalb blieben die Linienschiffe ein halbes Jahr länger in den chinesischen Gewässern stationiert, als die Marineleitung zunächst gehofft hatte555. Letztlich jedoch kamen die deutschen Eroberungspläne für Chefoo und die Yangtse-Befestigungen nicht über das Planungsstadium hinaus, denn die Briten zeigten keinerlei Interesse, sich an solchen Aktionen zu beteiligen. Während ihres Einsatzes in Ostasien fungierte die Panzerdivision ausschließlich als »fleet-inbeing«. Obwohl die Linienschiffe nicht aktiv in das Kriegsgeschehen eingriffen, hatte ihre Präsenz am Yangtse einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Friedensverhandlungen mit China556. Dabei beschränkte sich ihr Einsatz keineswegs nur auf das Mündungsgebiet bei Woosung. Im November schickte Bendemann das Linienschiff »Kurfürst Friedrich Wilhelm« den Yangtse hinauf bis nach Nanking, wo das Flussbett für solch große, tiefgehende Schiffe gerade noch be553

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Randbemerkung Diederichs’ vom 27.11.1900 zum Entwurf der Denkschrift zum Immediatbericht über die Zurückberufung der Panzerdivision vom 24.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 66 f., hier Bl. 66. Bis zum Eintreffen Waldersees in China erfolgte die Befehlserteilung an das Kreuzergeschwader auf dem üblichen Weg vom Kaiser durch den Admiralstab, anschließend vom Kaiser durch Waldersee. Allerdings berichtete Bendemann auch nach dem Eintreffen des Oberkommandierenden weiter an den Admiralstab, insofern er sich nicht mit Waldersee am selben Ort befand, was während der gesamten Chinaexpedition fast nie der Fall war. Damit sowohl der Admiralstab als auch der Generalstab ein umfassendes Bild von der Lage in China erhielten, vereinbarte Diederichs mit Schlieffen im Juli 1900 einen regelmäßigen Austausch der relevanten Informationen. Vgl. Diederichs an Senden-Bibran, 22.8.1900, BArch, N 160/7, Bl. 40-45, hier Bl. 40. Waldersee an Wilhelm II., 16.5.1901, BArch, RM 2/1863, Bl. 209; Denkschrift von Diederichs zum Immediatbericht über die Zurückberufung der Panzerdivision, 27.11.1900, BArch, RM 5/880, Bl. 243 f.; Knappe an AA, 7.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 38; Diederichs an Schlieffen, 16.11.1900, ebd., Bl. 42 f.; Schlieffen an Diederichs, 18.11.1900, Bl. 49; Bülow an Diederichs, 23.11.1900, ebd., Bl. 88 f.; Bendemann an Waldersee, 18.10.1900, ebd., Bl. 97 ff.; Mumm an Waldersee, 4.11.1900, ebd., Bl. 99 ff.; Bendemann an Geißler, 31.10.1900, ebd., Bl. 130-135; Geißler an Bendemann, 7.11.1900, BArch, RM 38/62, Bl. 72; Waldersee an Bendemann, 7.11.1900, ebd., Bl. 77; Seymour an Geißler, 7.11.1900, ebd., Bl. 94 f.; Diederichs an Bendemann, 14.11., 28.11.1900, ebd., Bl. 93, 180; Schwarzhoff an Bendemann, 6.11.1900, ebd., Bl. 115; Geißler an Bendemann, 12.12.1900, ebd., Bl. 204-207; Diederichs an Bendemann, 28.11.1900, BArch, RM 38/63, Bl. 7; Bendemann an Waldersee, 3.3., 2.3.1901, BArch, RM 38/63, Bl. 182-185, 193; Waldersee an Bendemann, 4.3., 22.3.1901, Bl. 194, 290 f.; Verfügung Bendemanns betreffend die Vernichtung des chinesischen Geschwaders auf dem Yangtse, 5.1.1901, BArch, RM 38/80, Bl. 94 ff.; Richthofen an Mumm, 6.12.1900, PAAA, R 2241; Diederichs an Richthofen, 5.12.1900, ebd.; Mumm an Richthofen, 9.12.1900, ebd. (ohne Paginierung); Bülow an Wilhelm II., 17.1., 10.5.1901. In: Die Große Politik der Europäischen Kabinette, Bd 16, Nr. 4778, 4911; Bülow an Mumm, 27.2.1901. In: Ebd., Nr. 4872; Mumm an AA, o.D. [28.2.1901]. In: Ebd., Nr. 4873; Wilhelm II. an Waldersee, 19.1.1901, zit. in: Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 3, S. 102 ff.; Eberspächer, Die Operationen der Kaiserlichen Marine im Yangzigebiet, S. 134-142; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 161 f.; Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 3, S. 57-60 (Aufzeichnung aus dem Jahre 1902). Siehe dazu u.a.: Bendemann an Waldersee, 3.3.1901, BArch, RM 38/63, Bl. 182-185; Waldersee an Bendemann, 22.3.1900, BArch, RM 38/63, Bl. 290 f.

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fahrbar war, und im Frühjahr 1901 stationierte er dort zeitweise die Linienschiffe »Weißenburg« und »Wörth«557. Zwar waren Kanonenboote für Operationen in den chinesischen Binnengewässern wesentlich besser geeignet, aber die imposanten Linienschiffe hinterließen zweifellos einen größeren Eindruck bei der chinesischen Bevölkerung558. Neben ihrer Funktion als Druckmittel gegen die Chinesen erfüllte die Panzerdivision, darauf ist bereits hingewiesen worden, noch eine zweite wichtige Rolle: Sie sollte ein maritim-militärisches Gleichgewicht zu den Seestreitkräften der anderen Großmächte in den ostasiatischen Gewässern herstellen, um dem Deutschen Reich eine auch politisch gleichberechtigte Stellung unter den Hauptakteuren in Ostasien zu sichern. »Durch die Anwesenheit der Panzerdivision«, konstatierte Diederichs kurz nach deren Abgang von Wilhelmshaven, »geben wir unser Wollen, die ganze Kraft für eine angemessene Stellung in China einzustehen, deutlichen Ausdruck; mit ihr sind wir im Stande, mit allen Nationen dort gleichberechtigt aufzutreten559.« Diese Strategie erwies sich schon bald als erfolgreich. Der Abschluss des deutsch-britischen Yangtse-Abkommens resultierte nicht zuletzt aus der starken maritim-militärischen Machtstellung, die das Deutsche Reich ab Ende August 1900 in Ostasien einnahm – auch wenn diese bis zu einem gewissen Grad vom Wohlwollen Großbritanniens abhängig war, was die Nutzung von dessen Kohlenstationen und Flottenstützpunkten betraf. Darüber hinaus trug die Präsenz der Panzerdivision in den ostasiatischen Gewässern mit dazu bei, ein Eindringen der Japaner und Amerikaner in Shantung zu verhindern, so dass diese chinesische Provinz bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges eine de facto exklusiv deutsche Einflusszone blieb. Somit greift die Einschätzung von Wolfgang Petter, der den Einsatz der Panzerdivision als eine reine »Demonstration deutscher Weltgeltung«560 beurteilt, zu kurz, denn in der letzten Phase des Boxerkrieges leisteten die Linienschiffe als »fleet-in-being« einen signifikanten Beitrag zur Wahrung und Durchsetzung der deutschen Interessen in Ostasien. Bendemann war die militärische und politische Bedeutung der Panzerdivision vollkommen bewusst, wobei für ihn deren Funktion als Druckmittel gegen die Chinesen deutlich im Vordergrund stand561. Er hoffte, dass zumindest zwei der Linienschiffe auch nach dem Friedensschluss mit China beim Kreuzergeschwader verbleiben würden, aber diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen562. Waldersee teilte zwar Bendemanns Ansicht, dass auch nach dem Boxerkrieg ein starkes Geschwader in Ostasien stationiert bleiben sollte, aber er meinte damit nicht die Panzerdivision, sondern das Kreuzergeschwader563. Obwohl die Panzerdivision zweifellos das Rückgrat der deutschen Machtstellung in Ostasien bildete, erwog die 557 558 559 560 561 562 563

Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900-1901, S. 217 f. Siehe dazu u.a.: Bendemann an Diederichs, 23.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 63. Diederichs an Senden-Bibran, 12.7.1900, BArch, N 160/7, Bl. 22-27, hier Bl. 27. Petter, Die deutsche Marine auf dem Weg nach China, S. 145. Siehe u.a.: Bendemann an Waldersee, 3.3.1901, BArch, RM 38/63, Bl. 182-185. Bendemann an Senden-Bibran, 29.5.1901, BArch, N 160/8, Bl. 1-4, hier Bl. 1. Waldersee an Wilhelm II., 21.3.1901, zit. in: Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd 3, S. 109 ff.

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Reichsleitung zu keiner Zeit, sie dauerhaft dort zu belassen. Nachdem die chinesische Regierung den wichtigsten Bestimmungen des Boxerprotokolls, namentlich den Entschädigungsforderungen der Alliierten, im Frühjahr 1901 zugestimmt hatte, zog sie den Verband Anfang Juni geschlossen aus China ab. Bald darauf wurden auch Waldersee und ein Großteil des Ostasiatischen Expeditionskorps in die Heimat zurückbeordert. Während die anderen Großmächte nach dem Ende des Boxerkrieges weiterhin eine starke Marinepräsenz in Ostasien aufrechterhielten564, beließ das Deutsche Reich dort lediglich das – im Vergleich zur Vorkriegszeit – leicht verstärkte Kreuzergeschwader und die während des Krieges eingerichtete Yangtse-Patrouille565. Der Historiker Sang Su Jung behauptet, dass Bendemann sich vehement dafür eingesetzt habe, die Panzerdivision bis zur Unterzeichnung des Boxerprotokolls und auch darüber hinaus in Ostasien zu belassen. Bendemann plädierte lediglich einmal, nämlich Anfang März 1901, als eine baldige Rückholung der Linienschiffe immer wahrscheinlicher wurde, (erfolgreich) bei Waldersee dafür, diese weiterhin in Ostasien zu belassen, da sie noch als Druckmittel gegen die Chinesen gebraucht würden. Jung behauptet zudem, dass Diederichs Ende Dezember 1900 auf eine Rückberufung der Panzerdivision gedrängt habe. Richtig ist: Nachdem der Kaiser Ende November den Verbleib der Linienschiffe im Hinblick auf eine mögliche Besitzergreifung der Yangtse-Befestigungen bis auf Weiteres befohlen hatte, informierte Diederichs den Geschwaderchef Ende Dezember, dass nun der für das Frühjahr geplante Besatzungswechsel auf diesen Schiffen aus organisatorischen Gründen um einige Wochen vorgezogen werden müsse, um die Schlagfertigkeit der Heimatflotte im Sommer 1901 nicht zu gefährden. Zwar hegte Bendemann Bedenken gegen dieses Vorhaben, da er die Schlagfertigkeit der Panzerdivision vor dem Hintergrund eines möglichen Eingreifens am Yangtse für wesentlich wichtiger hielt, aber letztlich stimmte er der Entscheidung des Admiralstabes widerspruchslos zu. Jung irrt ferner mit der Aussage, dass Bendemann sich um die Schwäche der Seestreitkräfte in China gegenüber denjenigen der anderen Mächte sorgte, sollte die Panzerdivision abgezogen werden. Zwar erkannte Bendemann zweifellos den militärischen und politischen Wert der Linienschiffe und hoffte, wie er Senden-Bibran privatim mitteilte, dass die Reichsleitung zwei von diesen auch nach dem Ende des Boxerkrieges in China belassen würde, aber bis zur Abberufung der Panzerdivision betonte er immer wieder – auch in dem o.g. Privatbrief an Senden-Bibran –, dass diese aus seiner Sicht vor allem deshalb weiter in Ostasien verbleiben solle, um Druck auf die Chinesen auszuüben und die chinesische Pei’yang-Flotte in Schach zu halten. Jung will außerdem aus einem Bericht Bendemanns an Waldersee von Anfang März 1901 herausgelesen haben, dass der Ge564 565

Siehe u.a.: Besetzung der ostasiatischen Station Ende März 1902. In: Nauticus, 4 (1902), S. 25 f. Schlieffen hatte am 18.11.1900 vorgeschlagen, die Yangtse-Patrouille nach dem Abzug der Panzerdivision aufzustocken. Diederichs lehnte diesen Vorschlag ab, da seiner Ansicht nach bereits genug Schiffe in China zur Wahrung der deutschen Interessen im Yangtsegebiet stationiert waren. Vgl. Schlieffen an Diederichs, 18.11.1900, BArch, RM 5/5619, Bl. 62; Diederichs an Schlieffen, 24.11.1900, ebd., Bl. 62. Zur Geschichte der deutschen Yangtse-Patrouille siehe die hervorragende Studie von: Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille.

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schwaderchef Tsingtau zu einem reinen Flottenstützpunkt machen und dort die Panzerdivision stationieren wollte, weil diese von Tsingtau aus als Angriffsgeschwader binnen 36 Stunden in das Yangtsegebiet vorstoßen könne. Tatsächlich hob Bendemann in dem Bericht lediglich die Bedeutung Tsingtaus als Flottenstützpunkt hervor und vertrat die Auffassung, dass man dort ein starkes deutsches Geschwader stationieren solle, womit er zweifellos das – seinem o.g. Privatschreiben an Senden-Bibran zufolge vielleicht noch um zwei Linienschiffe verstärkte – Kreuzergeschwader meinte. Die Erfahrungen der letzten Wochen hätten gezeigt, dass man in der Kiautschou-Bucht in Ruhe ein Angriffsgeschwader zusammenziehen und diese als günstige Ausfallpforte nach dem Yangtse hin nutzen könne, da die Yangtsemündung für einen solchen Verband von dort aus binnen 36 Stunden erreichbar sei. Seiner Ansicht nach besaß keine andere Nation einen derart günstig gelegenen Flottenstützpunkt in China, und würde Tsingtau als solcher auch dann noch Geltung haben, falls sich die Hoffnungen und Erwartungen hinsichtlich seiner Entwicklung als Handelsstützpunkt nicht erfüllen sollten566. Die rasche Preisgabe der deutschen Weltmachtstellung im Fernen Osten hatte nicht nur marinepolitische567, sondern vor allem finanzielle Gründe568. Nach Berechnungen des Auswärtigen Amtes beliefen sich die Kosten der deutschen Chinaexpedition bis Ende April 1901 auf circa 240 Millionen Mark; jeder weitere Monat schlug mit durchschnittlich rund 7,67 Millionen Mark zu Buche569. Allein der Einsatz der Seestreitkräfte in Ostasien belastete den Reichshaushalt monatlich mit etwa einer Million Mark570. Hatten sich vor allem die deutschen Kaufleute und Politiker anfangs noch große Profite durch die Intervention in China erhofft, so mussten sie nun mit Ernüchterung feststellen, dass die von China zu zahlende Entschädigungssumme gerade einmal die Ausgaben für den Militäreinsatz abdeck566

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Bendemann an Senden-Bibran, 29.5.1901, BArch, N 160/8, Bl. 1-4; Diederichs an Bendemann, 28.12.1900, BArch, RM 38/62, Bl. 310; Randbemerkung Bendemanns zu Diederichs an Bendemann, 28.12.1900, ebd., Bl. 310; Bendemann an Diederichs, 30.12.1900, ebd., Bl. 310 f.; Bendemann an Waldersee, 30.12.1900, ebd., Bl. 311; Bendemann an Waldersee, 3.3.1901, BArch, RM 38/63, Bl. 182-185; Bendemann an Waldersee, 2.3.1901, ebd., Bl. 193; Waldersee an Bendemann, 4.3.1901, ebd., Bl. 194; Waldersee an Bendemann, 22.3.1900, ebd., Bl. 290 f.; Geißler an Bendemann, 20.3.1901, ebd., Bl. 367; Bendemann an Geißler, 10.4.1901, ebd., Bl. 367; Diederichs an Bendemann, 26.12.1900, BArch, RM 38/179, Bl. 61-64, hier Bl. 61; Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 163 f. Zu den oben bereits angeführten marinepolitischen Gründen kam Anfang 1901 noch ein weiterer hinzu: Im Frühjahr 1901 waren Flottenmanöver mit der russischen Marine in der Ostsee anberaumt worden, zu denen der Kaiser den Zaren eingeladen hatte. Da Wilhelm II. bei diesen Manövern keine geschwächte, sondern eine möglichst eindrucksvolle Flotte zeigen wollte, übermittelte er Waldersee am 11. Mai seinen ausdrücklichen Wunsch, dass die Panzerdivision spätestens Ende Mai nach Deutschland zurückgesendet werde. Vgl. Röhl, Wilhelm II., Bd 3, S. 120 ff. Weil die Linienschiffe auch für die jährlichen Herbstmanöver der Schlachtflotte eingeplant waren, hatte der Kaiser dem Geschwaderchef bereits Mitte Januar telegrafiert, dass sie voll einsatzfähig in die Heimat zurückkehren müssten und eine längere Werftliegezeit für eventuelle Reparaturen ausgeschlossen sei. Vgl. Wilhelm II. an Bendemann, 14.1.1901, BArch, RM 38/62, Bl. 48. Berghahn, Der Tirpitz-Plan, S. 299 f. Loch, Die imperialistische deutsche Chinapolitik 1898-1901, S. 90. Richter, 15.3.1901. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd 180, S. 1874.

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te571. Hinzu kam noch, dass sich das Verhältnis zu Russland und damit die Stellung des Deutschen Reiches auf dem europäischen Kontinent durch die deutsche Haltung in der Mandschureifrage signifikant verschlechtert hatte572. Letztlich blieb die Offenhaltung des chinesischen Absatzmarktes für den deutschen Handel das einzige positive Resultat, auf das Bülow nach dem Friedensschluss mit China verweisen konnte. Einige Wochen nach der Unterzeichnung des Boxerprotokolls, am 30. Januar 1902, schloss Großbritannien ein Defensivbündnis mit Japan, das explizit gegen die russische Expansion in Ostasien gerichtet war. Das Deutsche Reich hätte an den britisch-japanischen Allianzgesprächen teilnehmen können, doch Bülow lehnte die Idee eines neuen Ostasiatischen Dreibundes ab. Er setzte auf die Politik der »freien Hand«. Sein Kalkül lautete: »Wenn es England einmal schlechter geht, und daß muß kommen, wird man einen höheren Preis fordern können573.« Deshalb sah er den britisch-japanischen Bündnisvertrag »nicht als ein Abkommen an, dem Deutschland eigentlich auch angehören oder beitreten müßte, nicht als versäumte Chance der deutschen Außenpolitik, sondern als nützliches Korrelat derselben«574. Doch Bülow sollte sich gewaltig täuschen: Rückblickend betrachtet, war das britisch-japanische Bündnis der erste Markstein auf dem Weg der internationalen Isolierung des Deutschen Reiches575. Weil die erwarteten Erfolge im Boxerkrieg ausgeblieben waren, wich in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung die anfängliche Begeisterung über die Weltpolitik einer zunehmenden Desillusionierung. Bülow geriet infolgedessen innenpolitisch unter Druck576. Vergeblich versuchte er, vor allem das angespannte Verhältnis zu Russland zu relativieren, aber es dauerte nicht lange, bis sich in der öffentlichen Debatte die Sorgen vor einem Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland wieder mehrten und die Rufe nach einer alternativen Außenpolitik im Stile Bismarcks lauter wurden. Rückblickend markiert das Ende des Boxerkrieges auch das Ende der Sturm-und-Drang-Periode der deutschen Weltpolitik, die nun, wie überhaupt die gesamte deutsche Außenpolitik, weitgehend dem Primat des Tirpitz-Plans unterworfen wurde. Insofern ist dem Urteil von Sang Su Jung zuzustimmen, dass Bülows Weltpolitik, oder besser gesagt die chauvinistische Variante der deutschen Weltpolitik, die in Ostasien begonnen hatte, auch dort endete577.

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Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, S. 331 f. Siehe dazu u.a.: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 347-355; Vogel, Deutsche Rußlandpolitik, S. 104-111. Stingl, Der Ferne Osten in der deutschen Politik, Bd 1, S. 346. Ebd., S. 361. Ebd., S. 338-376; Monger, Ursachen und Entstehung der englisch-französisch-russischen Entente 1900-1907, S. 57-83; Nish, The Anglo-Japanese Alliance, S. 163-228; Young, British Policy in China 1895-1902, S. 295-318. Siehe dazu u.a.: Canis, Von Bismarck zur Weltpolitik, S. 355 f. Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 175.

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3. Ausblick: Einsatz und Funktion des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders unter dem Primat des Tirpitz-Plans 1902-1914 Unter dem Primat des Tirpitz-Plans fungierte das Kreuzergeschwader primär als »fleet-in-being«, das heißt: es wirkte allein durch seine Präsenz und nicht durch Aktionen. Dementsprechend trat der Verband zwischen 1902 und 1914 militärisch kaum in Erscheinung. Nennenswert sind lediglich die Niederschlagung eines Kolonialaufstandes auf der Karolinen-Insel Ponape 1910/11578 und die Beteiligung an diversen maritim-militärischen Sicherungsmaßnahmen der ausländischen Mächte zum Schutz der Ausländer in China während der chinesischen Revolution 1911/12579. Außerdem kam es Ende August 1913, während des mehrwöchigen Bürgerkrieges in China, indem Yüan Shih-k’ai die Macht im Land an sich riss, infolge eines Missverständnisses zu einem kurzen, aber folgenlosen Feuergefecht zwischen dem kleinen Kreuzer »Emden« und einem Yangtse-Fort bei Wuhu580. Das Kreuzergeschwader wurde bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ausschließlich in den fernöstlichen Gewässern eingesetzt. An Marineeinsätzen im afrikanischen und amerikanischen Raum, wie etwa die Venezuela-Blockade von 1902/03, war es nicht beteiligt. Bisweilen wurden aber Schiffe des Geschwaders zu solchen Einsätzen detachiert, wie etwa der Kleine Kreuzer »Nürnberg«, den die Marineleitung im Oktober 1913 für neun Monate an die mexikanische Westküste beorderte, um die dort ansässigen deutschen Reichsangehörigen während des mexikanischen Bürgerkrieges zu schützen581. Primäres Operationsgebiet des Kreuzergeschwaders blieb die Ostasiatische Station, welche die Ost- und Südküste Asiens mit den vorgelagerten Inselgruppen einschließlich des Malaiischen Archipels umfasste. Sie blieb damit die am besten ausgestattete Auslandsstation der Kaiserlichen Marine, auch wenn Anzahl und Qualität der für das Kreuzergeschwader bereitgestellten Kriegsschiffe im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg teils erheblich schwankten582. Hin und wieder unterstützte der Verband auch die nur gering besetzte Australische Station, die den gesamten Südpazifik einschließlich Australien und Neuseeland umfasste583. Als Stützpunkt des Kreuzergeschwaders diente die Kiautschou-Bucht, die nach der Besitzergreifung rasch befestigt und zum Flottenstützpunkt ausgebaut wurde. Schon ab Ende der 1890er Jahre konnte der Verband sie als »Exerzierhafen« nut578 579 580 581

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Siehe dazu die entsprechenden Literaturhinweise in Kap. I, Anm. 49; siehe außerdem: Gartzke, Der Aufstand in Ponape, S. 703-738; Peckelsheim, Kriegsbilder aus Ponape. Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 286-301; Der militär-politische Dienst des ostasiatischen Kreuzergeschwaders in China, S. 1578-1583. Militärpolitischer Bericht S.M.S. »Emden« (mit Anlagen), 31.8.1913, BArch, RM 5/6002, Bl. 117-127; Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 309 f. Zum Einsatz der »Nürnberg« im Mexikanischen Bürgerkrieg siehe: Baecker, Die deutsche Mexikopolitik 1913/14, passim; Schönberg, Vom Auslandsdienst in Mexiko zur Seeschlacht von Coronel, S. 61-132. Rangliste der Kaiserlichen Marine, 1904-1914, passim; Walle, Das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien 1897 bis 1914, S. 47-50. Siehe dazu u.a.: Die Südsee-Reise des Kreuzergeschwaders.

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zen, etwa für »Schießübungen in See und an Land, Rudern und Segeln, und besonders Landungsmanöver«584. Allerdings blieb das Geschwader noch mehrere Jahre auf die Nutzung fremder Kohlenstationen und Flottenstützpunkte angewiesen. Erst nachdem die Hafen- und Werftanlagen in Tsingtau fertiggestellt waren, konnten die Kriegsschiffe dort von der Bekohlung bis zur Instandsetzung vollständig autark versorgt werden, was ihren Wert als außenpolitisches Instrument in Friedenszeiten erheblich steigerte585. Zu den wichtigsten Aufgaben der in Ostasien stationierten deutschen Marinestreitkräfte zählten der Schutz und die Förderung des deutschen Handels- und Schifffahrtsverkehrs in den fernöstlichen Gewässern und ihre Funktion als Drohmittel gegen die Chinesen. Eine wichtige Rolle spielten hierbei die Kanonen- und Flusskanonenboote der Ostasiatischen Station, speziell die Yangtse-Patrouille586, die dem Kreuzergeschwader unterstellt und dauerhaft in bestimmten Küstengebieten und Flüssen Chinas stationiert waren. Im Zuge der Besitzergreifung Kiautschous nahmen Kriegsspiele, Operationsplanungen und Operationsvorarbeiten mit Blick auf die Verwendung des Kreuzergeschwaders im Rahmen eines eventuellen Krieges gegen andere Seemächte einen zunehmend größeren Raum im Aufgabenspektrum der Offiziere und Mannschaften ein587. Jedenfalls ist ein Großteil der Geschwaderakten zwischen 1902 und 1914 diesem Aufgabenbereich gewidmet588. Darüber hinaus absolvierten die Schiffe jedes Jahr zahlreiche Manöver, um die Besatzungen auszubilden und zu trainieren, und nahmen diverse repräsentative Pflichten im Stationsgebiet wahr. Der Chef des Kreuzergeschwaders war verpflichtet, regelmäßig militärpolitische und Tätigkeitsberichte an den Admiralstab zu übermitteln. Diese Berichte sind eine reiche Fundgrube nicht nur für Marinehistoriker, sondern für jeden Historiker, der sich mit der Geschichte Ostasiens, besonders Chinas, in der Phase des Hochimperialismus beschäftigt, denn sie enthalten detaillierte Informationen über sämtliche Aspekte der Tätigkeit des Kreuzergeschwaders und des Dienstbetriebes an Bord der Kriegsschiffe sowie politische, militärische und wirtschaftliche Informationen über die Einsatzregionen589. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges befand sich das Kreuzergeschwader auf einer Reise durch die deutschen Südsee-Kolonien. Eine Rückkehr zum Stützpunkt Tsingtau war ausgeschlossen, da sich schon in den ersten Augusttagen abzeichnete, dass auch Japan dem Deutschen Reich den Krieg erklären würde; die formale 584 585

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Zitate aus: Klein, Ein Jahr beim Kreuzergeschwader in Ostasien, Nr. 34, S. 737. Der Tsingtauer Hafen war seinerzeit der bestausgestattete und modernste in ganz Ostasien. Vgl. Zhu, Deutsche Wirtschaft, S. 279 f. Eine ausführliche und anschauliche Beschreibung des Hafens und seiner Anlagen enthält: Bökemann, Der Hafen von Tsingtau, S. 363-376. Siehe dazu: Eberspächer, Die deutsche Yangtse-Patrouille, S. 133-330. Siehe dazu ausführlich die entsprechenden Arbeiten von Peter Overlack. Für eine detaillierte Auflistung der entsprechenden Akten siehe das Findbuch zum Bestand RM 38 im Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv in Freiburg. Der überwiegende Teil der militär-politischen und Tätigkeitsberichte des Kreuzergeschwaders aus dem Zeitraum Januar 1902 bis Juli 1914 ist (passim) dokumentiert in: BArch, RM 2/1686, BArch, RM 3/3159-3165 und BArch, RM 5/5995-6002. Darüber hinaus gibt es mehrere Bände der Bordakten des Kreuzergeschwaders, die ausschließlich Berichte über den Russisch-Japanischen Krieg enthalten. Vgl. BArch, RM 38/148-157.

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Kriegserklärung erfolgte am 23. August 1914. In den ersten Kriegswochen operierte der Verband im Südpazifik, wo er einige punktuelle Angriffe auf gegnerische Kommunikationseinrichtungen und Handelsschiffe unternahm, anschließend ging er – mit Ausnahme der »Emden«590 – nach Südamerika an die chilenische Küste. Bei seinen Operationen konnte das Kreuzergeschwader auf ein logistisches Netz von Vertrauensmännern zurückgreifen. Dieses war nach der Jahrhundertwende mit Blick auf einen möglichen Kreuzerkrieg gegen andere Seemächte systematisch als Ersatz für fehlende überseeische Stützpunkte aufgebaut worden591. Die Vertrauensmänner versorgten die Kriegsschiffe vor allem mit Kohlen, aber auch mit Proviant und anderem notwendigen Material. Nach der Ankunft in den chilenischen Gewässern suchte der Chef des Kreuzergeschwaders, Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee, die Konfrontation mit dem Gegner. »Die Anwesenheit starker feindlicher Streitkräfte an der [chilenischen] Küste macht es dem Verbande einstweilen unmöglich, seine ursprüngliche Aufgabe, den Kreuzerkrieg, durchzuführen«, begründete er seinen Entschluss im Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders. »Diese ist damit außer Geltung gesetzt; Niederkämpfung der feindlichen Streitkräfte tritt an seine Stelle592.« Am 1. November 1914 gelang es Spee, ein britisches Geschwader bei Coronel zu schlagen und die beiden Panzerkreuzer »Good Hope« und »Monmouth« zu versenken. Doch nur wenige Wochen nach diesem erfolgreichen Seegefecht wurde durch ein überlegenes britisches Geschwader das Kreuzergeschwader selbst am 8. Dezember 1914 bei den Falkland-Inseln vernichtet.

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Die »Emden« führte ab Mitte August selbstständig Kreuzerkrieg im Südpazifik und im Indischen Ozean, bis sie am 9.11.1914 in einem Gefecht mit dem australischen Kreuzer »Sydney« bei den Keeling-Inseln kampfunfähig geschossen und deshalb vom Kommandanten auf ein Korallenriff vor der Nord-Keeling-Insel gesetzt wurde. Overlack, The Imperial German Navy in the Pacific 1900-1914, S. 159-172. Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders, 8.10.1914, zit. nach: Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern, Bd 1, S. 147.

V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Ziel dieser Untersuchung war es, am Beispiel der Einsätze der Kreuzergeschwader die politisch-militärischen Praktiken zur Wahrung und Durchsetzung der deutschen Interessen in Übersee in der Phase des Hochimperialismus zwischen 1885 und 1901 herauszuarbeiten. Das Fliegende Kreuzergeschwader war primär ein Instrument der deutschen Kolonialpolitik, das manchmal auch weltpolitische Aufgaben wahrnahm. Beim Einsatz in den Schutzgebieten überwog eindeutig seine militärische Funktion als »Kolonialpolizei«. Der einzige Kolonialeinsatz, bei dem das politische Element dominierte, war die Blockade der ostafrikanischen Küste 1888/89 im Verein mit britischen und italienischen Kriegsschiffen. Bei Einsätzen außerhalb der Schutzgebiete hingegen überwog die politische Funktion des Fliegenden Kreuzergeschwaders zur Wahrung und Durchsetzung der deutschen Interessen in Übersee. Seine Nachfolgeverbände, die Kreuzerdivision in Ostasien und das Ostasiatische Kreuzergeschwader, waren primär ein Instrument der wilhelminischen Weltpolitik, die nur vereinzelt zu kolonialpolizeilichen Aufgaben herangezogen wurden. Bei ihren Einsätzen überwog eindeutig die politische Funktion zur Wahrung und Durchsetzung der deutschen Interessen in Ostasien. Das gilt sogar für die Beteiligung an den multinationalen Kampfeinsätzen im Rahmen des Boxerkrieges. Anhand der überseeischen Einsätze der Kreuzergeschwader lassen sich keine Interventionsmuster nachweisen, weil sie meist ad hoc erfolgten und jeder Einsatz einer eigenen Einsatzdynamik unterlag. Deshalb macht es auch wenig Sinn, die Einsätze in eine allgemeine Klassifizierung einordnen zu wollen, wie sie etwa Ken Booth, James Cable, Edward Luttwak und Lennart Souchon für den Einsatz von Seestreitkräften als Instrument der Politik vorgenommen haben1. Edward Wegener hat zu Recht konstatiert, dass »sich für den Friedenseinsatz von Seestreitkräften keine allgemeingültige, an übergeordneten Gesichtspunkten orientierte Systematik entwickeln [lässt]«, weil »die Einsatzformen und die Einsatzmöglichkeiten [...] zu vielfältig, die jeweiligen politischen, geographischen und militärischen Umstände zu unterschiedlich [sind]«2. Allerdings lassen sich anhand der Einsätze der Kreuzergeschwader – angelehnt an das entsprechende Modell von Edward Wegener3 – vier Eskalationsstufen für den Einsatz von Seestreitkräften als Instrument der deutschen Außenpolitik zur Wahrung und Durchsetzung deutscher Interessen in Übersee 1 2 3

Booth, Navies and Foreign Policy; Cable, Gunboat Diplomacy 1919-1991; Luttwak, The Political Uses of Sea Power; Souchon, Seestreitkräfte und maritime Machtpolitik, S. 12-31. Zitate aus: Wegener, Die Elemente von Seemacht und maritimer Macht, S. 47. Ebd., S. 45-58. Ergänzend dazu siehe: Till, Seapower, S. 253-285; Stenzel, Kriegführung zur See, S. 93 ff.; siehe auch: Kahn, Eskalation, S. 72-115.

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V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

unterhalb der Kriegsschwelle (gemeint ist hier der klassische Staatenkrieg) in der Phase des Hochimperialismus bestimmen: 1. Maritime Machtdemonstration durch Friedenspräsenz: Die häufigste Form maritimer Machtdemonstration war das Flaggezeigen, das heißt die demonstrative Selbstdarstellung maritim-militärischer Macht durch häufiges Anlaufen ausländischer oder kolonialer Häfen und Reeden; mitunter wurden im Rahmen solcher Besuche auch Schießübungen und Landemanöver absolviert. Auf diese Weise sollte den lokalen Eliten und der lokalen Bevölkerung ein Eindruck von der Seemacht des Deutschen Reiches vermittelt werden, wobei in der Regel Aspekte wie Werbung, Prestige, Respekt und Unterstützung außen- und handelspolitischer Interessen im Vordergrund standen. Gleichzeitig diente das Flaggezeigen auch der Patriotisierung der Auslandsdeutschen. 2. Maritime Machtdemonstration mit Signalwirkung: Durch die Entsendung eines möglichst imposanten Kriegsschiffsverbandes in ein überseeisches Krisen- oder Konfliktgebiet demonstrierte die Reichsleitung ihre Entschlossenheit, die deutschen Interessen vor Ort zu wahren. Eine solche Flottendemonstration beziehungsweise Show of Force beinhaltete bereits Elemente des Druckes, denn sie signalisierte die grundsätzliche Fähigkeit des Deutschen Reiches, das Zielgebiet mit militärischen Machtmitteln zu erreichen und dort gegebenenfalls militärisch einzugreifen. Hier fungierten die Kreuzergeschwader als instrumentelle Macht4. 3. Maritime Machtdemonstration mit Gewaltandrohung: Im Falle von Interessenkonflikten mit überseeischen Staaten, die sich nicht auf diplomatische Weise lösen ließen, wurden Kriegsschiffe dorthin entsandt, um unter Androhung von Zwangsmaßnahmen die Durchsetzung deutscher Interessen zu erzwingen. Auch hier fungierten die Kreuzergeschwader als instrumentelle Macht. 4. Maritime Machtdemonstration mit Gewaltanwendung: Die Ultima Ratio der Eskalation unterhalb der Kriegsschwelle war der begrenzte Machteinsatz von Seestreitkräften gegen überseeische Staaten oder in den Kolonien, der – entweder allein oder zur Unterstützung von Landstreitkräften – auf verschiedene Weise und mit unterschiedlicher Intensität erfolgen konnte: a) Errichtung einer Seeblockade; b) Okkupation von Küstenorten durch Landungseinheiten; c) Bombardement von Küstenorten durch die Schiffsartillerie; d) Strafexpedition von Landungseinheiten in meist küstennahe Gebiete. Diese Formen des begrenzten Machteinsatzes wurden nur selten separat, sondern meist unterschiedlich kombiniert angewendet. Hier fungierten die Kreuzergeschwader als bloße, in den Kolonien bedingt auch als bindende Aktionsmacht5. Auslöser für die überseeischen Einsätze der Kreuzergeschwader waren meist: (1) Aufstände in den Kolonien, (2) Bedrohung ökonomischer Interessen in überseeischen Gebieten oder (3) Übergriffe auf respektive eine Bedrohungslage für deutsche Reichsangehörige in überseeischen Gebieten. In vielen Fällen akkumulierten sich mehrere dieser Faktoren und häufig dienten sie nur als Vorwand, um die ag4 5

Siehe dazu: Popitz, Phänomene der Macht, S. 22-39, 79-103. Siehe dazu: Ebd., S. 22-39, 43-78.

V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

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gressive Durchsetzung machtpolitischer, ökonomischer und kolonialer Ansprüche gegen überseeische Länder und Hoheitsgebiete oder ein hartes Durchgreifen gegen Aufständische in den Kolonien zu legitimieren. Die Einsätze in den Kolonien dienten überwiegend der Sicherung und Durchsetzung der deutschen Kolonialherrschaft gegenüber der indigenen Bevölkerung. Die Erfolge jedoch waren mäßig, weil die Kriegsschiffe und ihre Landungseinheiten nur punktuell in küstennahen Gebieten eingreifen und nicht dauerhaft präsent sein konnten; gleiches gilt im Übrigen für die Kolonialeinsätze der afrikanischen und australischen Stationäre, meist Kanonenboote oder kleinere Kreuzer, die für ein mehrere Tausend Seemeilen umfassendes Gebiet zuständig und deshalb mit ihren kolonialen Sicherungsaufgaben häufig überfordert waren. Infolgedessen flammten lokale Erhebungen gegen die deutschen Kolonialherren meist wieder auf, kaum dass das Kreuzergeschwader oder die Stationäre die örtlichen Gewässer verlassen hatten. Deshalb wurde die Aufgabe der Sicherung und Durchsetzung der deutschen Kolonialherrschaft ab Ende der 1880er Jahre sukzessive auf Polizeieinheiten und sogenannte Schutztruppen übertragen, die auch in der Lage waren, im Landesinneren der Schutzgebiete zu operieren. Bei den Einsätzen in überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten stand die Durchsetzung machtpolitischer, ökonomischer und kolonialer Ansprüche im Vordergrund. Ab den frühen 1890er Jahren spielten auch zunehmend Prestigefragen eine Rolle. Einen besonderen regionalen Einsatzschwerpunkt der Kreuzergeschwader bildete von Anfang an Ostasien, vor allem China. Ihr dortiger Einsatz zielte primär darauf, den deutschen Anteil am Chinahandel sicherzustellen und auszubauen. Die Erfolgsbilanz ihrer Einsätze in überseeischen Ländern und Hoheitsgebiete ist gemischt. Vor allem in Ostasien waren die Kreuzergeschwader und die ihnen unterstellten Stationäre den Seestreitkräften der anderen Seemächte meist deutlich unterlegen. Bis 1893 setzte das Deutsche Reich ausschließlich veraltete, ungepanzerte Segelschiffe mit Dampfantrieb in Übersee ein, während die anderen Seemächte bereits in den 1880er Jahren teilweise moderne Panzerschiffe in ausländischen Gewässern stationierten, denen jedes ungepanzerte Kriegsschiff im Gefecht hoffnungslos unterlegen war. Erst ab 1894 begann das Deutsche Reich sukzessive Panzerschiffe in Übersee einzusetzen, doch war deren Anzahl und Qualität bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges meist zu gering, um im Kriegsfall den Seestreitkräften anderer Seemächte in ihrem Operationsgebiet ernsthaft etwas entgegensetzen zu können. Somit galt Gustav Erdmanns etwas überspitzte Kritik aus dem Jahre 1903 letztlich für die gesamte Kaiserzeit: »So, wie die Dinge liegen, haben wir zwar Schiffe in ausländischen Gewässern, aber keineswegs eine Auslandsflotte, die im gegebenen Augenblick auch nur annähernd eine ihrer Aufgaben zu lösen vermöchte6.« Der Großteil der deutschen Flotte blieb stets in den Heimatgewässern stationiert, weil für die Reichsleitung die Verteidigung der deutschen Küsten in einem jederzeit erwarteten europäischen Krieg oberste Priorität hatte. Infolgedessen blieb die Einsatzwirkung der Kreuzergeschwader überall dort begrenzt, wo es galt, die 6

Erdmann, Eine deutsche Auslands-Flotte, S. 36 (Hervorhebung im Original).

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V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

deutschen Interessen nicht nur gegen die Regierung eines schwachen überseeischen Landes oder Hoheitsgebietes, sondern auch gegen die Interessen anderer Seemächte durchzusetzen. Wirksam eingreifen konnten sie nur dort, wo militärische Aktionen diplomatisch gut vorbereitet waren, beispielsweise beim »Regime Change« 1887 in Samoa, oder wo sie im Verein mit den Seestreitkräften anderer Seemächte agierten, um ein gemeinsames militärpolitisches Ziel zu erreichen, wie etwa 1900/01 bei der Niederschlagung der chinesischen Boxerbewegung. Einzige Ausnahme war die Okkupation Kiautschous, die diplomatisch schlecht vorbereitet worden war, anschließend jedoch durch robuste Diplomatie, die einen Krieg namentlich mit Russland und Japan prinzipiell in Kauf nahm, abgesichert werden musste. Bei den Auslandseinsätzen der Kreuzergeschwader sahen sich sowohl die Marineleitung als auch die Geschwaderchefs mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Besonders problematisch war die Versorgung der Kriegsschiffe. Vor der Besitzergreifung Kiautschous verfügte das Deutsche Reich über keinerlei eigene Marinestützpunkte in Übersee. Die Häfen in den afrikanischen und pazifischen Schutzgebieten waren für die Anlage solcher Einrichtungen ungeeignet. Deshalb waren die deutschen Kriegsschiffe auf die Nutzung fremder, meist britischer Marinestützpunkte und Häfen angewiesen, um notwendige Reparaturen vornehmen, Kohlen, Proviant und Vorräte aller Art auffüllen, Besatzungswechsel durchführen und den Postverkehr abwickeln zu können. Nur wenige Nachschubgüter wurden mit Frachtern aus der Heimat herangeführt, vor allem Kleidung und Munition. Besatzungswechsel erfolgten turnusmäßig alle 24 bis 30 Monate. Anschließend mussten die Geschwaderchefs und die ihnen unterstellten Schiffskommandanten, die häufig längere Stehzeiten als die restliche Besatzung hatten, ein umfangreiches Übungsprogramm absolvieren, um die volle Einsatzbereitschaft des Geschwaders wiederherzustellen. Ein weiteres Problem war die Kommunikation zwischen dem Geschwaderchef und den Heimatbehörden. Auch hier waren die Deutschen großenteils abhängig von der Nutzung fremder, meist britischer Telegrafen- und Postdampferverbindungen, was unter Geheimhaltungsaspekten höchst problematisch war. Aus diesem Grund übermittelte die Reichsleitung streng geheime Befehle und Materialien bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ausschließlich per FeldjägerKurier in die überseeischen Einsatzgebiete, auch wenn es teilweise mehrere Wochen dauerte, bis diese den Geschwaderchef erreichten. Zwar verbesserten sich die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Heimatbehörden und dem Geschwaderkommando innerhalb des Untersuchungszeitraumes merklich infolge des kontinuierlichen Ausbaus des weltweiten Seekabelnetzes, aber dieses blieb überwiegend in britischer Hand7. Die große Abhängigkeit der Kreuzergeschwader und 7

Siehe dazu u.a.: Kennedy, Imperial Cable Communications, S. 728-752. Ergänzend sei hier bemerkt, dass sich auch die Kommunikationsmöglichkeiten der Kriegsschiffe untereinander verbesserten. Während die Geschwaderchefs in den 1880er und 1890er Jahren noch auf Depeschenboote und optische Signalgeräte angewiesen waren, um auf See mit den ihnen unterstellen Schiffskommandos zu kommunizieren, konnten sie im Rahmen des Boxerkrieges erstmals die Funkentelegrafie nutzen – eine junge, innovative Technologie, mit der in den darauffolgenden Jahren fast alle Schiffe der Kaiserlichen Marine ausgerüstet wurden. Sie ermöglichte dem Ge-

V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

389

anderer in Übersee eingesetzter Kriegsschiffe von britischen Flotten- und Kohlenstationen war einer der Hauptgründe, weshalb die Reichsleitung Ende der 1890er Jahre für den Bau einer Schlachtflotte und nicht für den Bau einer Kreuzerflotte optierte. Der Chef des Kreuzergeschwaders unterstand anfangs unmittelbar dem Chef der Admiralität, wurde dann im Zuge der ersten Umorganisation der Marineleitung 1889 unmittelbar dem Kommandierenden Admiral und schließlich bei der zweiten Umorganisation der Marineleitung 1899 immediat dem Kaiser unterstellt. Es war ein besonderes Kommando. Auf keinem anderen Dienstposten in der Kaiserlichen Marine wurde ein Stabs- oder Flaggoffizier intensiver mit Fragen der internationalen Politik konfrontiert. Hier waren nicht nur seine militärischen Führungsqualitäten, sondern auch sein diplomatisches Geschick gefragt. Anders als ein Stabsoffizier auf einem Kommando in der Nord- oder Ostsee, war er nicht nur Soldat und Seemann, sondern stets auch Diplomat und Repräsentant »einer schwimmenden Mission des Deutschen Reiches«8 in Übersee. Allerdings war sein Handlungsspielraum begrenzt. Bei jedem Auslandseinsatz erhielt der Geschwaderchef im Vorfeld politische Instruktionen vom Auswärtigen Amt und militärische Instruktionen von der Marineleitung, beides vermittelt durch seinen unmittelbaren Vorgesetzten (ab 1899 durch den Admiralstab). Nähere Informationen über seine konkreten politisch-militärischen Aufgaben im Einsatzgebiet erhielt er von einem leitenden Kolonialbeamten oder vom örtlichen diplomatischen Vertreter des Deutschen Reiches. Diese hatten keine Befehlsgewalt über das Kreuzergeschwader, konnten es aber für spezifische Einsätze requirieren, für welche sie dann die staatsrechtliche und politische Verantwortung trugen. Auf diese Weise übten sie erheblichen Einfluss auf die Einsätze der Kreuzergeschwader aus. Der Geschwaderchef war verpflichtet, die Requisition eines leitenden Kolonialbeamten oder diplomatischen Vertreters auszuführen, wenn dieser nachweisen konnte, dass ihn das Auswärtige Amt dazu ermächtigt hatte, oder wenn Gefahr für das Leben und Eigentum deutscher Reichsangehöriger bestand. In solchen Fällen trug der Geschwaderchef für sein Handeln lediglich die militärische Verantwortung. Waren diese Vorbedingungen jedoch nicht erfüllt, war er zur Prüfung des Falles verpflichtet und befugt, Requisitionen auf seine Verantwortung abzulehnen. Ein selbstständiges Einschreiten des Geschwaderchefs war nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn ein deutsches Handelsschiff Schutz und Hilfe benötigte9. Zwischen den Geschwaderchefs und den diplomatischen Vertretern kam es im Rahmen von Auslandseinsätzen des Öfteren zu Kompetenzstreitigkeiten, weshalb die Vorschriften, die das Verhältnis zwischen ihnen regelten, in den 1880er und 1890er Jahren kontinuierlich modifiziert wurden. In Ausnahmefällen übernahm der Geschwaderchef auch die Funktion des obersten diplomatischen Vertreters im

8 9

schwaderchef eine effizientere operative Führung seines Verbandes im Einsatz. Vgl. Tirpitz an die Kaiserliche Inspektion des Torpedowesens, 15.7.1900, BArch, RM 3/4217, Bl. 143 f.; Rosendahl, Unsere Panzerdivision im Boxerkriege, S. 39. Hintze, Marineoffizier, S. 21. Siehe dazu: Ferber, Organisation und Dienstbetrieb der Kaiserlich deutschen Marine, S. 207-212; König, Handbuch des Deutschen Konsularwesens, S. 345-352.

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V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Einsatzgebiet, und zwar dann, wenn es vor Ort keine konsularische Vertretung des Deutschen Reiches gab oder wenn es dem Auswärtigen Amt zweckmäßig schien, ihn dazu zu bevollmächtigen. Letzteres erfolgte beispielsweise bei der Intervention in Sansibar 1885, wo der örtliche deutsche Gesandte kurz vor dem Einsatz wegen wiederholter Verstöße in seiner Amtsführung abgelöst und ersetzt werden musste, und zeitweise während des Boxerkrieges, nachdem die Telegrafenverbindung nach Peking infolge der Belagerung des Gesandtschaftsviertels zusammengebrochen und der örtliche deutsche Gesandte getötet worden war. Während des Untersuchungszeitraumes engte sich der Handlungsspielraum des Geschwaderchefs – Ähnliches gilt im Übrigen für den Handlungsspielraum der diplomatischen Vertreter vor Ort10 – sukzessive ein, da die Kommunikationsmöglichkeiten stetig verbessert wurden. Der rasche Ausbau des weltweiten Seekabelnetzes und die stetige Verbesserung dieser Technologie ermöglichten es der Reichsleitung, immer mehr Einfluss auf laufende Einsätze der Kreuzergeschwader zu nehmen. Während die Instruktionen für den Geschwaderchef in den 1880er Jahren meist nur vorgeben konnten, welche politischen Ziele unter welchen Umständen mit welchen maximalen militärischen Mitteln erreicht werden sollten, hatte die Marineleitung während des Boxerkrieges 1900/01 bereits die – aufgrund der hohen Einsatzdynamik allerdings kaum genutzte – Möglichkeit, aktiv in die Operationsführung einzugreifen, da sie in permanentem telegrafischen Kontakt mit dem Geschwaderchef stand und von diesem kontinuierlich über den Verlauf des Einsatzes unterrichtet wurde. Neben den »men on the spot« und den zuständigen Reichsbehörden in der Heimat spielte auch der Deutsche Kaiser als alleiniger Oberbefehlshaber der Marine11 eine besondere Rolle beim Einsatz der Kreuzergeschwader als Instrument der deutschen Außenpolitik in Übersee. Nach Bismarcks Entlassung als Reichskanzler im März 1890 begann Wilhelm II. zunehmend direkten Einfluss auf ihre Verwendung zu nehmen und sie für marinepolitische Zwecke zu instrumentalisieren. Er verzögerte mehrfach gezielt Auslandseinsätze dieser Verbände und ließ im Frühjahr 1893 sogar das Fliegende Kreuzergeschwader auflösen, um der deutschen Öffentlichkeit eine vemeintliche »Kreuzernot« zu demonstrieren und dadurch den Reichstag zur Bewilligung seiner Kreuzerbaupläne zu zwingen – allerdings ohne Erfolg. 10

11

Max von Brandt, der langjährige deutsche Gesandte in Peking, bemerkte dazu kritisch in seinen 1901 veröffentlichten Memoiren: »Heutzutage beschränkt sich die Aufgabe eines Diplomaten darauf, zu beobachten, zu berichten und die ihm erteilten Aufträge mit mehr oder weniger Geschick und Takt auszuführen; in weit entfernten Ländern, wie China, Japan u.a., von denen in den meisten Auswärtigen Ämtern nur sehr schattenhafte Begriffe zu herrschen pflegen – wie sollte das auch anders möglich sein – muß dem Vertreter natürlich eine größere Freiheit gelassen werden, obgleich auch dorthin der Telegraph seine Fäden gesponnen hat und die in ihnen gefangene diplomatische Fliege auf den elektrischen Strom warten muss, der ihr sich zu bewegen gestattet.« Zitat aus: Brandt, Dreiunddreissig Jahre in Ost-Asien, Bd 3, S. 282. Wilhelm Deist hat sich ausführlich mit den Einflussmöglichkeiten Wilhelms II. in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Streitkräfte beschäftigt, wobei er sich allerdings auf militärpolitische Aspekte konzentrierte. Vgl. Deist, Kaiser Wilhelm II, S. 169-192. Ergänzend dazu siehe auch: Busch, Der Oberbefehl, S. 19-48.

V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

391

In der historischen Forschung sind die effektive Macht Wilhelms II. innerhalb des preußisch-deutschen Herrschaftssystems und sein effektiver Einfluss auf die deutsche Politik zwischen 1890 und 1914 bis heute umstritten. Die Bewertungen reichen von annähernd universal bis weitgehend marginal12. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung war vor allem sein Einfluss auf die deutsche Überseepolitik von besonderem Interesse. Erstaunlicherweise nimmt John Röhl dieses Politikfeld in seiner monumentalen Biografie über Wilhelm II. nur rudimentär in den Blick und handelt Themen wie etwa die Besitzergreifung Kiautschous und den Boxeraufstand auf wenigen Seiten oberflächlich ab13. Dabei kam gerade bei überseeischen Aktionen das »persönliche Regiment« des Kaisers beziehungsweise der »Königsmechanismus«14, wie Röhl diesen Herrschaftsstil bezeichnet, besonders zum Tragen. Hier war Wilhelm II., wie im Rahmen dieser Studie hinlänglich nachgewiesen wird, in vielen Fällen die treibende Kraft und die zentrale Machtfigur. Somit findet Röhls umstrittene These15 vom »Königsmechanismus« im Bereich der deutschen Überseepolitik eine Bestätigung, gleichwohl lässt sich daraus keinesfalls eine Allgemeingültigkeit dieser These ableiten. Interessante Befunde liefert die vorliegende Studie auch für die Genesis und Praxis der großmannssüchtigen Erpressungspolitik des wilhelminischen Deutschland gegen Großbritannien. Ihre Entstehung ist eng verbunden mit dem Beginn der deutschen Kolonialexpansion Mitte der 1880er Jahre. Um die deutschen Kolonialinteressen gegenüber Großbritannien, teilweise auch Frankreich durchsetzen zu können, bediente sich Bismarck sehr erfolgreich erpresserischer Methoden, indem er geschickt das durch Spannungen bestimmte Engagement der Großmächte in der kolonialen Peripherie für seine Zwecke ausnutzte. Meist reichte allein der Einsatz des »ägyptischen Knüppels«, das heißt eine Drohung der Reichsleitung an die britische Regierung, sie in der ägyptischen Frage nicht mehr zu unterstützen, um britische Unterstützung für deutsche Kolonialprojekte in Übersee zu erzwingen. »Bismarcks Politik könnte man in alltäglicher Sprache Erpressung nennen«, konstatierte der britische Premierminister Lord Salisbury im Jahre 1887:

»Er pflegt uns beständig zu erzählen, daß Frankreich ihm Versöhnung auf der Basis eines Angriffes auf England in Ägypten anbiete, und die Opfer zu betonen, die Deutschland bringe, indem es diese Vorschläge zurückweise, Opfer, für welche Großbritannien wenigstens Gegenleistungen erbringen müsse, und er verlangt dann dieses oder jenes. Ich wünsch[t]e mir von Herzen, daß wir niemals nach Ägypten gegangen wären. Hätten wir dies nicht getan, so könnten wir überall in der Welt territoriale Erwerbungen machen16.«

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13 14 15 16

Siehe dazu u.a.: Clark, Wilhelm II., S. 200-209; Frie, Das Deutsche Kaiserreich, S. 69-81; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd 2, S. 475-485; Ullmann, Politik im deutschen Kaiserreich, S. 80 ff. Röhl, Wilhelm II., Bd 2 und Bd 3, passim. Speziell zur Besitzergreifung der Kiautschou-Bucht und zum Boxeraufstand siehe: Ebd., Bd 2, S. 1060-1067, Bd 3, S. 107-122. Neben Röhls dreibändiger Biografie Wilhelms II. siehe dazu auch: Röhl, Der »Königsmechanismus« im Kaiserreich. Eine konzise Übersicht zur Kritik an Röhls These vom »Königsmechanismus« bietet: Frie, Das Deutsche Kaiserreich, S. 77-81. Zit. in: Mommsen, Großmachtstellung und Weltpolitik, S. 88.

392

V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Das Rückgrat dieser Erpressungspolitik bildeten die gesicherte diplomatische Stellung des Reiches in Europa und die schlagkräftige deutsche Armee. Der Marine fiel lediglich die Aufgabe zu, die auf diplomatischem Wege erpressten kolonialen Konzessionen vor Ort gegen die indigenen Herrscher durchzusetzen. Diese Aufgabe übernahm großenteils das Fliegende Kreuzergeschwader, so dass sich im Vorfeld mehrerer Einsätze dieses Verbandes frühe Beispiele von Erpressungspolitik gegen Großbritannien belegen lassen. Hervorzuheben sind hier die Interventionen in Sansibar 1885 und 1886/87 und der »Regime Change« in Samoa 1887. Zudem lässt sich anhand einer Flottendemonstration des Fliegenden Kreuzergeschwaders in den australischen Gewässern im Frühjahr 1886 belegen, dass auch die militärisch-politische Selbstüberschätzung und Großmannssucht des Deutschen Reiches bereits in der späten Bismarck-Zeit auf Regierungsebene einsetzte, denn diese Flottendemonstration hatte erklärtermaßen das primäre Ziel, die britischen Kolonialbehörden in Australien und Neuseeland »an die Machtmittel zu erinnern, welche uns zum Schutze unserer Südsee-Interessen zu Gebote stehen«17. Dabei war das deutsche Kreuzergeschwader mit seinen 3 ungepanzerten Segelschiffen den britischen Seestreitkräften im südpazifischen Raum, die insgesamt 14 Kriegsschiffe, darunter die beiden Panzerkreuzer »Nelson« und »Triumph«, umfassten18, hoffnungslos unterlegen und aus Sicht der Briten alles andere als ein eindrucksvolles Machtmittel. Als der »ägyptische Knüppel« in den 1890er Jahren zunehmend an Wirkung verlor und die gesicherte diplomatische Stellung des Deutschen Reiches in Europa infolge der Außenpolitik des »Neuen Kurses« zu bröckeln begann, suchte die Reichsleitung nach einem neuen Druckmittel, mit dem sie weltpolitische Konzessionen und die Anerkennung als gleichgestellte Weltmacht von der britischen Regierung erpressen konnte. Dem navalistischen Zeitgeist folgend, optierte die Reichsleitung schließlich für den Bau einer großen Schlachtflotte. Dieser »große Knüppel«, wie die Zeitgenossen sagten, sollte den morschen »ägyptischen Knüppel« ersetzen und der Reichsleitung dazu verhelfen, die Bismarcksche Erpressungspolitik gegen Großbritannien in kolonial- und weltpolitischen Fragen mit anderen Mitteln fortzusetzen und schließlich die Anerkennung des Deutschen Reiches als gleichgestellte Weltmacht durch Großbritannien zu erzwingen.

17 18

H.v. Bismarck an Monts, 27.12.1885, BArch, RM 1/2732, Bl. 10 f., hier Bl. 11. The Naval Annual, 1 (1886), S. 423-426.

Anhang

Übersicht über die Chefs der Kreuzergeschwader 1885 –1914 Ostafrikanisches Kreuzergeschwader 1885 –1886 28.7.1885 – 9.1.1886 Konteradmiral Eduard Knorr Fliegendes Kreuzergeschwader 1886 – 1893 9.1.1886 – 15.4.1887 Konteradmiral Eduard Knorr 15.4.1887 – 21.7.1888 Kapitän zur See und Kommodore Carl Eduard Heusner 21.7.1888 – 30.8.1888 Kapitän zur See Franz Strauch (b.m.W.d.G.) 30.8.1888 – 16.3.1890 Konter-/Vizeadmiral Carl-August Deinhard 16.3.1890 – 20.5.1890 Kapitän zur See Max Plüddemann (b.m.W.d.G.) 20.5.1890 – 22.2.1892 Konteradmiral Viktor Valois 22.2.1892 – 6.4.1893 Konteradmiral Friedrich von Pawelsz Kreuzerdivison in Ostasien 1894 – 1897 25.11.1894 – 15.6.1896 Konteradmiral Paul Hoffmann 15.6.1896 – 12.4.1897 Konteradmiral Alfred Tirpitz 12.4.1897 – 11.6.1897 Kapitän zur See Hugo Zeye (b.m.W.d.G.) 11.6.1895 – 22.11.1897 Konteradmiral Otto von Diederichs Ostasiatisches Kreuzergeschwader 1897 – 1914 23.11.1897 – 13.4.1899 Vizeadmiral Otto von Diederichs 13.4.1899 – 4.1.1900 Konter-/Vizeadmiral Prinz Heinrich von Preußen 4.1.1900 – 16.2.1900 Konteradmiral Ernst Fritze (i.V.m.d.F.b.) 16.2.1900 – 14.2.1902 Vizeadmiral Felix Bendemann 14.2.1902 – 14.11.1903 Vizeadmiral Richard Geißler 14.11.1903 – 10.11.1905 Konter-/Vizeadmiral Kurt von Prittwitz und Gaffron 10.11.1905 – 12.5.1907 Konter-/Vizeadmiral Alfred Breusing 12.5.1907 – 17.5.1909 Vizeadmiral Carl Coeper 17.5.1909 – 5.6.1910 Konter-/Vizeadmiral Friedrich von Ingenohl 5.6.1910 – 21.1.1911 Konteradmiral Erich Gühler 21.1.1911 – 24.3.1911 Kapitän zur See Hugo Kraft (b.m.W.d.G.) 24.3.1911 – 3.12.1912 Konter-/Vizeadmiral Günter von Krosgik 3.12.1912 – 8.12.1914 Konter-/Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee Quelle: Rang- und Quartierlisten der Kaiserlich Deutschen Marine, Berlin 1885 – 1914; Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine, Bd 1, S. 319 f., 325, 328.

© MGFA

06813-06

394

Anhang

Schiffe des Ostafrikanischen und Fliegenden Kreuzergeschwaders 1885 –1893 (Teil 1)

Einsatzzeitraum

1885 2 662 t 10 RK – 15 cm, 2 RK – 10,5 cm, 6 Rev. 268– 293 Mann Korvettenkapitän K.v. Prittwitz und Gawron ab 10.1890: Korvettenkapitän H. Schneider (i.V.) ab 2.1891: Kapitän zur See E. v. Frantzius 9.1890 – 4.1893

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1885 2 662 t 10 RK – 15 cm, 4 RK – 10,5 cm, 6 Rev. 268– 293 Mann Korvettenkapitän Draeger 4.1892 – 4.1893

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

1877 3 386 t 16 RK – 15 cm, 2 TR – 35 cm 404 Mann Kapitän zur See G. Karcher ab 10.1885: Kapitän zur See F. Kuhn ab 4.1888: Kapitänleutnant G. Schmidt (i.V.) ab 6.1888: Kapitän zur See E. Aschmann 7.1885 – 7.1888

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kreuzerkorvette Alexandrine

Kreuzerkorvette Arcona

Kreuzerfregatte Bismarck

Einsatzzeitraum

Einsatzzeitraum

1880 2 424 t 10 RK – 15 cm, 2 RK – 8 cm, 6 Rev., 1 TR 256– 270 Mann Korvettenkapitän E. Aschmann ab 6.1888: Korvettenkapitän M. v. Raven ab 4.1889: Korvettenkapitän J. Valette 8.1886 – 1.1890

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1868 2 912 t 17 RK – 15 cm, 2 RK – 12,5 cm, 2 Rev. 380 Mann Kapitän zur See R. Schering 7 – 10.1885

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1879 2 994 t 16 RK – 15 cm, 2 SK – 8,8 cm, 6 Rev. 404 Mann Kapitän zur See V. Valois 7.1885 – 6.1886

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kreuzerkorvette Carola

Kreuzerfregatte Elisabeth

Kreuzerfregatte Gneisenau Quelle/Legende: Siehe Zeichnung 06816-04.

© MGFA

06814-06

Anhang

395

Schiffe des Ostafrikanischen und Fliegenden Kreuzergeschwaders 1885 –1893 (Teil 2)

Kanonenboot Hyäne

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1878 570 t 2 RK – 12,5 cm, 2 RK – 8,7 cm, 2 Rev. 106 Mann Korvettenkapitän A. Langemak 8.1885 – 1.1886

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Einsatzzeitraum

1875 4 626 t 12 RK – 17 cm, 4 TR – 35 cm, 4 Rev. 425 Mann Korvettenkapitän E. Hartog ab 8.1888: Kapitän zur See F. Strauch ab 2.1889: Kapitänleutnant H. da Fonseca Wollheim (i.V.) ab 3.1889: Kapitän zur See M. Plüddemann ab 11.1890: Kapitän zur See F. Rötger ab 10.1892: Kapitän zur See R. Hornung 7.1888 – 4.1893

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1881 2 424 t 10 RK – 15 cm, 2 SK – 8,8 cm, 10 Rev. 269 – 298 Mann Korvettenkapitän E. v. Lyncker 12.1892 – 4.1893

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1879 1 005 t 5 RK – 12,5 cm, 5 Rev. 127 – 133 Mann Korvettenkapitän P. Hoffmann 7.1885 – 1.1886

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Einsatzzeitraum

1880 2 424 t 10 RK – 15 cm, 2 RK – 8,7 cm, 6 Rev. 250 – 270 Mann Korvettenkapitän F. Bendemann ab 4.1887: Korvettenkapitän H. v. Reichenbach ab 6.1887: Kapitänleutnant L. Fischer (i.V.) ab 8.1887: Korvettenkapitän F. Strauch ab 8.1888: Korvettenkapitän E. Hartog ab 9.1888: Korvettenkapitän A. v. Erhardt 12.1885 – 9.1888

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1876 4 626 t 2 lange RK – 17 cm, 10 kurze RK – 17 cm 414 – 432 Mann Kapitän zur See F. Mensing 7 – 12.1885

Kreuzerfregatte Leipzig

Kreuzerkorvette Marie

Kreuzer Möwe

Kreuzerkorvette Olga

Kreuzerfregatte Prinz Adalbert

Quelle/Legende: Siehe Zeichnung 06816-04.

© MGFA

06815-06

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Anhang

Schiffe des Ostafrikanischen und Fliegenden Kreuzergeschwaders 1885 –1893 (Teil 3)

Kreuzer Schwalbe

Kreuzerkorvette Sophie

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1887 1 359 t 8 RK – 10,5 cm, 5 Rev. 117 – 120 Mann Korvettenkapitän H.Hirschberg 12.1888 – 1.1890

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

1881 2 424 t 10 RK – 15 cm, 2 RK – 8,7 cm, diverse Rev. 256 – 270 Mann Korvettenkapitän Cochius ab 3.1888: Korvettenkapitän Kohlhauer (i.V.) ab 9.1888: Korvettenkapitän E. Hartog ab 3.1889: Korvettenkapitän Draeger (i.V.) ab 4.1889: Kapitän zur See Herbing ab 2.1891: Korvettenkapitän H. Kirchhoff 11.1886 – 4.1889 3.1890 – 3.1892

Einsatzzeitraum

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Einsatzzeitraum

1877 2 994 t 16 RK – 15 cm 404 Mann Kapitän zur See G. v. Nostitz ab 8.1885: Korvettenkapitän R. Geißler (i.V.) ab 9.1885: Korvettenkapitän O. v. Diederichs 7 – 12.1885

Kreuzerfregatte Stosch Quelle/Legende: Diese Auflistung berücksichtigt nur die zum Kernbestand der Kreuzergeschwader gehörenden Kriegsschiffe, nicht jedoch die temporär unterstellten Tender und Stationäre auf den Auslandsstationen. Zusammengestellt anhand von: Rang- und Quartierlisten der Kaiserlich Deutschen Marine 1885 – 1914; Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945; Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe; Gröner, Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945, Bd 1; © MGFA RK = Ringkanone, SK = Schnellfeuerkanone, TR = Torpedorohr, MK = Maschinenkanone.

06816-05

Anhang

397

Schiffe der Kreuzerdivision in Ostasien 1894 –1897 Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1885 2 662 t 10 RK – 15 cm, 2 RK – 10,5 cm, 6 Rev. 268– 293 Mann Kapitän zur See G. Schmidt 11.1894 – 2.1895

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

1885 2 662 t 10 RK – 15 cm, 4 RK – 10,5 cm, 6 Rev. 282– 293 Mann Korvettenkapitän G. Sarnow ab 9.1896: Korvettenkapitän G. Becker 11.1894 – 12.1897

Kreuzer III. Klasse Alexandrine

Einsatzzeitraum Kreuzer III. Klasse Arcona Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Kreuzer II. Klasse Irene Einsatzzeitraum

1887 5 027 t 4 RK – 15 cm, 8 SK – 10,5 cm, 6 SK – 5 cm, 3 TR – 35 cm 365– 374 Mann Korvettenkapitän E. v. Dresky ab 6.1896: Korvettenkapitän G. du Bois ab 11.1897: Korvettenkapitän A. Obenheimer 1.1895 – 12.1897

Einsatzzeitraum

1884 8 736 t 1 RK – 15 cm, 8 RK – 26 cm, 6 SK – 10,5 cm, 9 SK – 8,8 cm, 4 Rev. bzw. 12 MK, 5 TR – 35 cm 600– 656 Mann Kapitän zur See P. Jaeschke ab 6.1897: Kapitän zur See H. Zeye 6.1895 – 12.1897

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1881 2 424 t 10 RK – 15 cm, 2 SK – 8,8 cm, 10 Rev. 269 – 298 Mann Korvettenkapitän Credner 11.1894 – 6.1895

Stapellauf Deplacement Bewaffnung

1887 5 027 t 4 RK – 15 cm, 8 SK – 10,5 cm, 6 SK – 5 cm, 3 TR – 35 cm 365– 374 Mann Korvettenkapitän H. v. Holtzendorff ab 8.1896: Korvettenkapitän A. Thiele 6.1895 – 12.1897

Stapellauf Deplacement Bewaffnung

Besatzung Kommandanten

Panzerschiff II. Klasse Kaiser

Kreuzer III. Klasse Marie

Besatzung Kommandanten Kreuzer II. Klasse Prinzeß Wilhelm

Einsatzzeitraum

Quelle/Legende: Siehe Zeichnung 06856-01.

© MGFA

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398

Anhang

Schiffe des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders 1897 –1914 (Teil 1) Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1885 2 662 t 10 RK – 15 cm, 4 RK – 10,5 cm, 6 Rev. 282– 293 Mann Korvettenkapitän G. Becker 12.1897 – 1.1899

Stapellauf Deplacement Bewaffnung

1874 8 736 t 8 RK – 26 cm, 8 SK – 15 cm, 8 SK – 8,8 cm, 5 TR – 35 cm, 12 MK – 3,7 cm, 4 Rev. 600– 656 Mann Korvettenkapitän H. Plachte ab 9.1898: Kapitän zur See G. A. Müller 12.1897 – 1.1900

Kleiner Kreuzer Arcona (bis 1899 Kreuzer III. Klasse)

Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum Kleiner Kreuzer Deutschland (bis 1899 Kreuzer III. Klasse) Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Emden Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung

Besatzung Kommandanten

Großer Kreuzer Fürst Bismarck Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1908 4 268 t 10 SK – 10,5 cm, 8 SK – 5,2 cm, 5 TR – 45 cm 361 Mann Fregattenkapitän W. Vollertun ab 11.1911: Fregattenkapitän H.K. v. Restorff ab 5.1913: Korvettenkapitän K. v. Müller 7.1910 – 12.1914 1897 11 461 t 4 SK – 24 cm, 12 SK – 15 cm, 10 SK – 8,8 cm, 10 MK – 3,7 cm, 6 TR – 45 cm 621 Mann Kapitän zur See H. v. Moltke ab 11.1901: Kapitän zur See C. Friedrich ab 12.1903: Fregattenkapitän M. Prowe ab 11.1905: Fregattenkapitän M. Wilken ab 11.1907: Fregattenkapitän O. Wurmbach 8.1900 – 4.1909 1898 2 963 t 10 SK – 10,5 cm, 10 MK – 3,7 cm, 3 TR – 45 cm 259 – 272 Mann Korvettenkapitän J. v. Oriola 10.1901 – 11.1902

Kleiner Kreuzer Gazelle Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Kleiner Kreuzer Gefion (bis 1899 Kreuzer III. Klasse) Einsatzzeitraum Quelle/Legende: Siehe Zeichnung 06856-01.

1893 4 275 t 10 SK – 10,5 cm, 6 SK – 5 cm, 2 TR – 45 cm 302 Mann Korvettenkapitän F. Follenius ab 12.1898: Fregattenkapitän M. Rollmann ab 1.1901: Korvettenkapitän H. Bredow 12.1897 – 6.1901 MGFA

©

06818-08

Anhang

399

Schiffe des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders 1897 –1914 (Teil 2) Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Geier Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Großer Kreuzer Gneisenau

Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung

Besatzung Kommandanten

Großer Kreuzer Hansa

Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Großer Kreuzer Hertha Einsatzzeitraum

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Irene (bis 1899 Kreuzer II. Klasse) Einsatzzeitraum Quelle/Legende: Siehe Zeichnung 06856-01.

1884 1 918 t 8 SK – 10,5 cm, 2 TR – 45 cm, 6 Rev. 161– 166 Mann Korvettenkapitän W. Peters ab 2.1901: Korvettenkapitän H. Bauer ab 9.1901: Korvettenkapitän P. Hilbrand ab 9.1902: Korvettenkapitän R. Berger ab 2.1903: Korvettenkapitän G. Wuthmann ab 12.1903: Korvettenkapitän E. v. Studnitz 7.1900 – 1.1905 1906 12 985 t 8 SK – 21 cm, 6 SK – 15 cm, 18 SK – 8,8 cm, 4 TR – 45 cm 764 Mann Kapitän zur See L. v. Ußlar ab 6.1912: Kapitän zur See F.W. Brüninghaus ab 6.1914: Kapitän zur See J. Maerker 3.1911 – 12.1914 1898 6 705 t 2 SK – 21 cm, 8 SK – 15 cm, 10 SK – 8,8 cm, 10 MK – 3,7 cm, 3 TR – 45 cm 477 Mann Fregattenkapitän H. Pohl ab 2.1901: Fregattenkapitän A. Paschen ab 12.1902: Fregattenkapitän E. v. Semmern ab 3.1903: Korvettenkapitän L. Persius (i.V.) ab 6.1903: Fregattenkapitän J. Schröder ab 6.1904: Fregattenkapitän E. Weber 10.1899 – 7.1906 1897 6 491 t 2 SK – 21 cm, 8 SK – 15 cm, 10 SK – 8,8 cm, 3 TR – 45 cm 471– 477 Mann Kapitän zur See G. v. Usedom ab 9.1900: Kapitänleutnant M. Hecht (i.V.) ab 10.1900: Fregattenkapitän C. Dirzewski ab 3.1902: Kapitän zur See F. Ingenohl ab 11.1903: Kapitän zur See M. v. Schimmelmann 5.1899 – 12.1904

1887 5 027 t 4 RK – 15 cm, 8 SK – 10,5 cm, 6 SK – 5 cm, 3 TR – 35 cm 365– 374 Mann Korvettenkapitän A. Obenheimer ab 11.1899: Korvettenkapitän J. Stein ab 1.1901: Fregattenkapitän W. Gildemeister 12.1897 – 6.1901

© MGFA

06819-08

400

Anhang

Schiffe des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders 1897 –1914 (Teil 3)

Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten Einsatzzeitraum

1884 8 736 t 7 RK – 15 cm, 5 TR – 35 cm 600– 656 Mann Kapitän zur See H. Zeye ab 2.1898: Kapitän zur See F. Stubenrauch 12.1897 – 6.1899

Großer Kreuzer Kaiser (bis 1899 Panzerschiff II. Klasse) Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Großer Kreuzer Kaiserin Augusta

Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Leipzig Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Niobe Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Nürnberg

Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Prinzeß Wilhelm (bis 1899 Kreuzer II. Klasse) Einsatzzeitraum Quelle/Legende: Siehe Zeichnung 06856-01.

1892 6 318 t 12 SK – 15 cm, 8 SK – 8,8 cm, 5 TR – 35 cm 418 Mann Kapitän zur See Köllner ab 11.1898: Kapitän zur See E. Gülich ab 1.1901: Fregattenkapitän J. Stein ab 11.1901: Fregattenkapitän F. Ingenohl 12.1897 – 3.1902 1905 3 816 t 10 SK – 10,5 cm, 10 MK – 3,7 cm, 2 TR – 45 cm 288– 301 Mann Korvettenkapitän J. v. Rothkirch und Panthen ab 8.1907: Korvettenkapitän R. Engel ab 11.1908: Korvettenkapitän K. Heuser ab 2.1910: Korvettenkapitän H. Schröder ab 5.1911: Fregattenkapitän F. Behncke ab 3.1913: Fregattenkapitän J.-S. Haun 1.1907 – 12.1914 1899 2 963 t 10 SK – 10,5 cm, 10 MK – 3,7 cm, 2 TR – 45 cm 257– 273 Mann Korvettenkapitän M. Witschel ab 7.1907: Korvettenkapitän H. Langemak ab 9.1908: Fregattenkapitän G. v. Dalwigk zu Lichtenfels ab 11.1908: Fregattenkapitän C. Hollweg 9.1906 – 1.1909 1906 4 002 t 10 SK – 10,5 cm, 8 SK – 5,2 cm, 2 TR – 45 cm 322 Mann Korvettenkapitän C. v. Tägert ab 11.1911: Fregattenkapitän H. Mörsberger ab 11.1913: Fregattenkapitän K. v. Schönberg 4.1910 – 12.1914 1887 5 027 t 4 RK – 15 cm, 8 SK – 10,5 cm, 6 SK – 5 cm, 3 TR – 35 cm 365– 374 Mann Korvettenkapitän A. Thiele ab 1.1898: Korvettenkapitän O. Truppel ab 2.1898: Kapitänleutnant L. Bruch (i.V.) ab 4.1898: Korvettenkapitän O. Truppel 12.1897 – 4.1899

© MGFA

06855-02

Anhang

401

Schiffe des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders 1897 –1914 (Teil 4) Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Großer Kreuzer Scharnhorst Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Seeadler

Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Sperber

Einsatzzeitraum Stapellauf Deplacement Bewaffnung Besatzung Kommandanten

Kleiner Kreuzer Thetis Einsatzzeitraum

1906 12 985 t 8 SK – 21 cm, 6 SK – 15 cm, 18 SK – 8,8 cm, 4 MK – 3,7 cm, 4 TR – 45 cm 764– 770 Mann Fregattenkapitän O. Philipp ab 3.1909: Kapitän zur See L. Maaß ab 6.1910: Kapitän zur See H. Kraft ab 11.1911: Kapitän zur See B. Rösing ab 12.1913: Kapitän zur See F. Schultz 4.1909 – 12.1914 1892 1 864 t 8 SK – 10,5 cm, 2 TR – 35 cm, 5 Rev. 161– 166 Mann Korvettenkapitän W. Schack ab 9.1901: Korvettenkapitän F. Hoffmann ab 10.1903: Korvettenkapitän L. Persius ab 12.1904: Korvettenkapitän H. Puttfarken 8.1900 – 6.1905 1888 1 359 t 8 RK – 10,5 cm, 5 Rev. 117– 120 Mann Korvettenkapitän O. Weniger ab 6.1904: Korvettenkapitän K. Oxé 11.1903 – 4.1905 1900 3 082 t 10 SK – 10,5 cm, 14 MK – 3,7 cm, 2 TR – 45 cm, 257 Mann Korvettenkapitän E. van Semmern ab 12.1902: Fregattenkapitän C. Dick ab 12.1903: Korvettenkapitän W. Voit ab 6.1905: Fregattenkapitän L. Glatzel 2.1902 – 3.1906

Quelle/Legende: Diese Auflistung berücksichtigt nur die zum Kernbestand der Kreuzergeschwader gehörenden Kriegsschiffe, nicht jedoch die temporär unterstellten Tender und Stationäre auf den Auslandsstationen. Zusammengestellt anhand von: Rang- und Quartierlisten der Kaiserlich Deutschen Marine 1885 – 1914; Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945; Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe; Gröner, Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945, Bd 1; © MGFA RK = Ringkanone, SK = Schnellfeuerkanone, TR = Torpedorohr, MK = Maschinenkanone. 06856-03

Abkürzungen AA a.D. Anl. BArch b.m.W.d.G. DHPG Diss. DOAG gez. GfDK Habil. HAPAG i.V.m.d.F.b. MA m.d.V.b. MK NF NLP o.D. o.J. OKM o.O. Rev. RK RMA Sitzg. SK S.M. S.M.Krz. S.M.S. SPD SK t TR z.D.

Auswärtiges Amt außer Dienst Anlage Bundesarchiv beauftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft Dissertation Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft gezeichnet Gesellschaft für Deutsche Kolonisation Habilitation Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt-Actien-Gesellschaft in Vertretung mit der Führung beauftragt Magisterarbeit/Masterarbeit mit der Vertretung beauftragt Maschinenkanone Neue Folge Nationalliberale Partei ohne Datum ohne Jahr Oberkommando der Marine ohne Ort Revolverkanone Ringkanone Reichsmarineamt Sitzung Schnellfeuerkanone Seiner Majestät Seiner Majestät Kreuzer Seiner Majestät Schiff Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schnellfeuerkanone Tonne Torpedorohr zur Disposition

Quellen und Literatur 1. Ungedruckte Quellen (außer Nachlässe) Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau (BArch) RH 18: Chef der Heeresarchive

RH 18/1856

RH 18/1857

Kaiser Wilhelm II. an das Kommando des Ostasiatischen Expeditionskorps: Bekanntmachung der Ernennung Alfred Graf von Waldersees zum Oberbefehlshaber der alliierten Truppen in Ostasien mit Einverständnis des Zaren vom 6. August 1900 Kaiser Wilhelm II. an das Kommando des Ostasiatischen Expeditionskorps: Unterstellung der übrigen alliierten Truppen unter Alfred Graf von Waldersee am 17. August 1900

RM 1: Kaiserliche Admiralität

RM 1/12 RM 1/43 RM 1/144 RM 1/329 RM 1/1716 RM 1/1839 RM 1/1844 RM 1/2109 RM 1/2384 RM 1/2385 RM 1/2403

Nachweisung der vorhandenen Schiffe und Fahrzeuge, Bd 2 (Juni 1872-Juni 1886) Errichtung und Verwaltung eines Kohlen-Depots auf den Tonga-Inseln (Mai 1877-Aug. 1879) Ergänzung des Offizierskorps der Marine, Bd 2 (April 1867-Aug. 1880) Indienststellung von Schiffen und Fahrzeugen im Jahre 1883/84, Bd 2 Indienststellungen, Außerdienststellungen, Kommandierungen der Offiziere, Stationierung der Schiffe (Juni 1885-Dez. 1889) Marine-Etat, Bd 8 (Juni 1883-März 1885) Marine-Etat, Bd 12a: Denkschrift zum Marine-Etat 1889/90 Etat für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1885/86 Entsendung von Kriegsfahrzeugen nach den ostasiatischen Gewässern, Bd 8 (Aug. 1886-Jan. 1889) Entsendung von Kriegsfahrzeugen nach den ostasiatischen Gewässern, Bd 9 (Okt. 1877-Okt. 1884) Der Schutz der Deutschen in fremden Staaten durch Entsendung von Kriegsschiffen (Okt. 1872-Nov. 1884)

404

RM 1/2413 RM 1/2426 RM 1/2427 RM 1/2428 RM 1/2431 RM 1/2432 RM 1/2436 RM 1/2437 RM 1/2438 RM 1/2440 RM 1/2441 RM 1/2442 RM 1/2443 RM 1/2444 RM 1/2445 RM 1/2446 RM 1/2447 RM 1/2449 RM 1/2450 RM 1/2451 RM 1/2538 RM 1/2625 RM 1/2626 RM 1/2668

Quellen und Literatur

Die Requisition von Behörden und Privaten um Dienstleistungen S.M. Schiffe im Auslande, Bd 2 (Sept. 1881-Febr. 1889) Entsendung von Kriegsschiffen nach Australien und den Südseeinseln I, Bd 5 (Mai 1885-Sept. 1886) Entsendung von Kriegsschiffen nach Australien und den Südseeinseln I, Bd 6 (Okt. 1886-Dez. 1887) Entsendung von Kriegsschiffen nach Australien und den Südseeinseln I, Bd 7 (Jan. 1888-März 1889) Entsendung von Kriegsschiffen nach Australien und den Südseeinseln II, Bd 3 (Jan. 1880-Okt. 1887) Entsendung von Kriegsschiffen nach Australien und den Südseeinseln II, Bd 4 (Nov. 1887-Jan. 1889) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen I, Bd 2 (März-Okt. 1884) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen I, Bd 3 (Nov. 1884-Mai 1885) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen I, Bd 4 (Juni 1885-Jan. 86) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen II, Bd 2 (Aug. 1886-Nov. 1888) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen II, Bd 3 (Nov. 1888-Jan. 1889) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen II, Bd 4 (Febr. 1889-März 1889) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen II, Bd 5 (März 1889) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen III, Bd 1, Teil 1 (April-Dez. 1884) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen III, Bd 1, Teil 2 (Mai-Juni 1885) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen III, Bd 2 (Jan.-Dez. 1885) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen III, Bd 3 (Okt. 1886-Mai 1887) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen IV, Bd 1 (Nov. 1885-März 1887) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen IV, Bd 2 (April 1887-Nov. 1888) Entsendung von Kriegsschiffen nach afrikanischen Häfen IV, Bd 2, Teil 1 (Juli 1885-Sept. 1886) S.M. Kreuzer »Elisabeth«, Bd 5 (März 1884-April 1886) S.M. Kreuzer »Albatroß«, Bd 6 (Jan. 1885-Juni 1886) S.M. Kreuzer »Albatroß«, Bd 7 (Juli 1886-Dez. 1888) S.M. Kreuzerfregatte »Prinz Adalbert«, Bd 3 (April 1884-Juli 1885)

Quellen und Literatur

RM 1/2671 RM 1/2676 RM 1/2682 RM 1/2696 RM 1/2700 RM 1/2706 RM 1/2708 RM 1/2709 RM 1/2711 RM 1/2715 RM 1/2716 RM 1/2721 RM 1/2725 RM 1/2726 RM 1/2732 RM 1/2733 RM 1/2734 RM 1/2735 RM 1/2841 RM 1/2844 RM 1/2845 RM 1/2852 RM 1/2871 RM 1/2886 RM 1/2896 RM 1/2907 RM 1/2908 RM 1/2909 RM 1/2915

405

S.M. Kreuzerfregatte »Stosch«, Bd 1 (Okt. 1877-Juli 1885) S.M. Kreuzerfregatte »Bismarck«, Bd 2 (Juli 1884-Juli 1888) S.M. Kanonenboot »Hyäne«, Bd 2 (März 1882-Okt. 1885) S.M. Kreuzer »Möwe«, Bd 2 (März 1885-Okt. 1887) S.M. Kreuzerfregatte »Gneisenau«, Bd 1 (Juli 1880-Okt. 1885) S.M. Kreuzerfregatte »Carola«, Bd 2 (Febr. 1886-Febr. 1889) S.M. Kreuzerkorvette »Olga«, Bd 2 (Febr. 1885-Mai 1888) S.M. Kreuzerkorvette »Olga«, Bd 3 (Juni 1888-März 1889) Angelegenheiten des Geschwaders in Ostasien, Bd 2 (März 1885-Nov. 1887) S.M. Kreuzerkorvette »Marie«, Bd 1 (Okt. 1882-Aug. 1885) S.M. Kreuzerkorvette »Marie«, Bd 2 (Aug. 1885-Febr. 1886) S.M. Kreuzer »Adler«, Bd 2 (Juni 1887-Febr. 1889) Angelegenheiten des Afrikanischen Geschwaders, Bd 1 (Okt. 1884-Mai 1885) Angelegenheiten des Afrikanischen Geschwaders, Bd 2 (Juni 1885-Jan. 1886) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 1 (Dez. 1885-Okt. 1886) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 2 (Aug. 1886-Juni 1887) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 3 (Juli 1887-Juni 1888) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 4 (Juni 1888-Nov. 1888) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 34 (1881) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 37 (1884) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 38 (1885) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 45 (1889) Berichte des Geschwaderchefs und der Schiffskommandos über militärische Angelegenheiten in Ost- und Westafrika (1884/85) Bericht über die Tätigkeit S.M. Schiffe auf der Ostafrikanischen Station 1885-1889 Unterlagen betreffend die Entsendung von Schiffen nach Australien und den Südseeinseln (April 1885-Dez. 1887) Entsendung von Schiffen nach Ostafrika, Bd 3 (Nov. 1888-Jan. 1889) Entsendung von Schiffen nach Ostafrika, Bd 4 (Jan.-Febr. 1889) Entsendung von Schiffen nach Ostafrika, Bd 2 (März 1887-Nov. 1888) Erlaß Kaiser Wilhelm I. an die Kommandanten der Kaiserlichen Marine (Auslandsschiffe) vom 17. März 1885

406

Quellen und Literatur

RM 2: Kaiserliches Marinekabinett

RM 2/114 RM 2/121 RM 2/358 RM 2/403 RM 2/938 RM 2/1299 RM 2/1302 RM 2/1303 RM 2/1558 RM 2/1581 RM 2/1583 RM 2/1686 RM 2/1834 RM 2/1835 RM 2/1854 RM 2/1855 RM 2/1857 RM 2/1860 RM 2/1863 RM 2/2005

Vortrag Kaiser Wilhelms II. in der Kriegsakademie am 8. Februar 1895 über den Ausbau der Flotte Briefe des Vizeadmirals Heinrich Prinz von Preußen an Kaiser Wilhelm II. aus Ostasien (Dez. 1897-Dez. 1899) See- und Landreisen Kaiser Wilhelms II., Bd 4: Reise nach Athen und Konstantinopel (April 1889-Mai 1893) Akten gemischten Inhalts über persönliche Angelegenheiten des Prinzen Heinrich von Preußen und seinen Dienst in der Kaiserlichen Marine, Bd 7 (Dez. 1897-Jan. 1900) Immediatentscheidungen in Beschwerdeangelegenheiten, Bd 2 (1891) Verleihungen preußischer Orden und Ehrenzeichen an Deutsche und Ausländer: Militäraktion gegen China, Bd 1 (Juni-Dez. 1900) Verleihungen preußischer Orden und Ehrenzeichen an Deutsche und Ausländer: Militäraktion gegen China, Bd 4 (Okt. 1901-Dez. 1902) Verleihungen preußischer Orden und Ehrenzeichen an Deutsche und Ausländer: Militäraktion gegen China, Bd 5 (Dez. 1902-März 1903) Organisation der Seestreitkräfte, Bd 1 (Juni 1891-Sept. 1904) Deutsche und ausländische Kriegsschiffe: Neubau, Indiensthaltung und Verlust von Schiffen sowie Erfahrungsberichte über Manöver, Bd 4 (Jan.-Aug. 1893) Deutsche und ausländische Kriegsschiffe: Neubau, Indiensthaltung und Verlust von Schiffen sowie Erfahrungsberichte über Manöver, Bd 6 (April-Okt. 1894) Tätigkeitsberichte des Kreuzergeschwaders (Aug. 1905-Juli 1914) Kolonialangelegenheiten: Erwerb von überseeischen Stützpunkten (Dez. 1890-Dez. 1911) Erwerb und Verwaltung des Kiautschou-Gebietes sowie Reise des Prinzen Heinrich von Preußen nach Ostasien 1898-1900, Bd 1 (Okt. 1895-Jan. 1898) Kriegerische Aktionen im Ausland, Bd 1 (Mai 1889-Nov. 1897) Kriegerische Aktionen im Ausland, Bd 2 (April 1898-Mai 1899) Kriegerische Unternehmungen gegen China: Kriegstagebuch des Marinekabinetts (Juni 1900-Aug. 1901) Kriegerische Aktionen im Ausland: China, Bd 1 (Juni-Juli 1900) Kriegerische Aktionen im Ausland: China, Bd 4 (März-Juni 1901) Meinungsverschiedenheiten zwischen den obersten Marinebehörden (Febr. 1893-März 1911)

Quellen und Literatur

407

RM 3: Reichsmarineamt

RM 3/2 RM 3/32 RM 3/2459 RM 3/2990 RM 3/2991 RM 3/2992 RM 3/2993 RM 3/3004 RM 3/3005 RM 3/3007 RM 3/3012 RM 3/3080 RM 3/3081 RM 3/3086 RM 3/3108 RM 3/3113 RM 3/3129 RM 3/3138 RM 3/3152 RM 3/3153 RM 3/3154 RM 3/3155 RM 3/3156 RM 3/3157 RM 3/3159 RM 3/3160 RM 3/3161

Entwicklung der Marine: Flottenbaupolitik, Bd 1 (Juli 1898-Sept. 1903) Verschiedenes zum Aufbau der Marine und zur Flottenpolitik, Bd 1 (Aug. 1883-März 1897) Denkmäler: Errichtung und Einweihung, Bd 1 (Febr. 1889-März 1901) Entsendung S.M. Schiffe nach den ostasiatischen Gewässern, Bd 1 (Aug. 1889-Dez. 1894) Entsendung S.M. Schiffe nach den ostasiatischen Gewässern, Bd 2 (Aug. 1895-Aug. 1912) Entsendung S.M. Schiffe nach den ostasiatischen Gewässern, Bd 2 (Okt. 1891-Nov. 1902) Entsendung von Schiffen nach Amerika, Bd 1 (Febr. 1891-April 1894) Entsendung von Kriegsschiffen nach Ostafrika, Bd 1 (April 1889-April 1893) Entsendung von Kriegsschiffen nach Ostafrika, Bd 2 (Juli 1893-Jan. 1898) Entsendung von Kriegsschiffen nach Ostafrika, Heft 1 (April 1889-April 1899) Entsendung von Schiffen auf auswärtige Stationen, Bd 1 (Okt. 1896-Juni 1899) S.M. Panzerschiff »Kaiser« bzw. ab 1905 Hafenschiff »Uranus«, Bd 1 (Juni 1891-Juli 1919) S.M. Kreuzer »Deutschland« (später »Jupiter«), Bd 1 (Okt. 1890-Aug. 1907) S.M. Kreuzerfregatte »Leipzig« (Aug. 1889-Juni 1905) S.M. Kanonenboot »Iltis«, Bd 2 (Febr. 1895-Sept. 1906) S.M. Kreuzer »Möwe«, Bd 1 (Juli 1889-März 1898) S.M. Kreuzerkorvette »Carola« (Juni 1889-Januar 1905) S.M. Kreuzerkorvette »Marie« (April 1892-Febr. 1902) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 1 (April 1889-Juli 1891) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 2 (Aug.-Nov. 1891) Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 3 (Dez. 1891-Aug. 1894) Die Kreuzerdivision, Bd 4 (Sept. 1894-Jan. 1897) Die Kreuzerdivision, Bd 5 (Febr. 1897-Mai 1898) Das Kreuzergeschwader I, Bd 6 (Mai 1898-Juli 1899) Das Kreuzergeschwader I, Bd 8 (Sept. 1901-Juni 1902) Das Kreuzergeschwader I, Bd 9 (Juli 1902-Juni 1904) Das Kreuzergeschwader I, Bd 10 (Juli 1904-Okt. 1907)

408

RM 3/3162 RM 3/3163 RM 3/3164 RM 3/3165 RM 3/3166 RM 3/3174 RM 3/3176 RM 3/3177 RM 3/3180 RM 3/3198 RM 3/3199 RM 3/3219 RM 3/3260 RM 3/3946 RM 3/4022 RM 3/4023 RM 3/4217 RM 3/4262 RM 3/4263 RM 3/4264 RM 3/4265 RM 3/4353 RM 3/3910 RM 3/3945 RM 3/4748 RM 3/4771 RM 3/6693 RM 3/6694 RM 3/6695 RM 3/6696 RM 3/6697

Quellen und Literatur

Das Kreuzergeschwader I, Bd 11 (Nov. 1907-Okt. 1909) Das Kreuzergeschwader I, Bd 12 (Nov. 1909-Dez. 1911) Das Kreuzergeschwader I, Bd 13 (Jan. 1912-Mai 1914) Das Kreuzergeschwader I, Bd 14 (Juni 1914-Aug. 1914) Das Kreuzergeschwader II, Bd 1 (April 1891-Nov. 1908) S.M. Kreuzerkorvette »Alexandrine«, Bd 1 (April 1889-Okt. 1895) S.M. Kreuzerkorvette »Arcona«, Bd 1 (Febr. 1892-Jan. 1897) S.M. Kreuzerkorvette »Arcona«, Bd 1 (Jan. 1897-Febr. 1910) S.M. Kreuzerkorvette »Irene« (Aug. 1889-Dez. 1899) S.M. Kreuzerkorvette »Prinzeß Wilhelm«, Bd 1 (Mai 1891-Nov. 1896) S.M. Kreuzerkorvette »Prinzeß Wilhelm«, Bd 2 (Febr. 1897-Mai 1899) S.M. Kreuzer »Cormoran«, Bd 1 (Sept. 1893-Dez. 1899) S.M. Kanonenboot »Jaguar«, Bd 1 (März 1899-Nov. 1902) Organisation und Verwaltung von Kiautschou, Bd 1 (Dez. 1897-Dez. 1901) Verhandlungen über Seetaktik, Bd 2 (Juni-Sept. 1892) Verhandlungen über Seetaktik, Bd 3 (Nov. 1892-Mai 1894) Mobilmachung 1900, Bd 1 (Juni-Juli 1900) Krieg zwischen Spanien und Amerika, Bd 1 (März-Juni 1898) Krieg zwischen Spanien und Amerika, Bd 2 (Juni-Aug. 1898) Krieg zwischen Spanien und Amerika, Bd 3 (Aug.-Dez. 1898) Krieg zwischen Spanien und Amerika, Bd 4 (Juni-Aug. 1898) Erforschung und Erwerb von Ländern, Bd 1 (Okt. 1889-März 1899) Seeräuberei und Sklavenhandel, Bd 2 (März 1895-Aug. 1915) Organisatorische Bestimmungen für die Flotte, Bd 2 (Okt. 1902-Mai 1913) Schriftwechsel des Kreuzergeschwaders betreffend China (Juni-Sept. 1900) Lazarettschiff »Gera« und Hospitalschiff »Savoia« für den Einsatz in Ostasien (Juli 1900) Erforschung und Erwerbung von Ländern in Ostasien, Bd 2 (Dez. 1896-Okt. 1897) Erforschung und Erwerbung von Ländern in Ostasien, Bd 3 (Nov. 1897-Jan. 1898) Erforschung und Erwerbung von Ländern in Ostasien, Bd 4 (Febr. 1898-Mai 1907) Kiautschou: Besetzung der Station in China, Bd 1 (Nov. 1897-Jan. 1898) Kiautschou: Besetzung der Station in China, Bd 2 (Febr.-Juni 1898)

Quellen und Literatur

RM 3/6699 RM 3/7637 RM 3/11938

409

Kiautschou: Organisation, Bd 1 (Jan. 1898-Mai 1898) Etat für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1889/90 Otto von Diederichs: Die Besetzung von Tsingtau am 14.XI.1897, Baden-Baden 1906/08

RM 4: Kaiserliches Oberkommando der Marine

RM 4/4 RM 4/106 RM 4/107 RM 4/108 RM 4/109 RM 4/149 RM 4/158 RM 4/159 RM 4/161 RM 4/163 RM 4/164 RM 4/165

Sammlung von Reinschriften sämtlicher Promemoria, Bd 4 (Okt. 1890-Mai 1893) Expedition nach China, Bd 1 (Nov.-Dez. 1897) Expedition nach China, Bd 2 (Dez. 1897-Jan. 1898) Expedition nach China, Bd 3 (Febr.-Juli 898) Expedition nach China, Bd 4 (Aug. 1898-Febr. 1899) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 2 (Jan.-Juni 1890) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 11 (Aug.-Dez. 1894) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 12a (Jan.-Juni 1895) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 13a (Jan.-Juni 1896) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 14a (Jan.-Juni 1897) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 14b (Juli-Dez. 1897) Allerhöchste Kabinettsordres für die Marine, Bd 15a (Jan.-Juni 1898)

RM 5: Admiralstab der Marine

RM 5/290 RM 5/879 RM 5/880 RM 5/910 RM 5/912

Allerhöchste Kabinettsordres an Chef des Admiralstabs der Marine, Bd 1 (März 1899-Aug. 1900) Immediatvorträge des Chefs des Admiralstabes, Bd 3 (Dez. 1899-April 1900) Immediatvorträge des Chefs des Admiralstabs, Bd 4 (Mai-Dez. 1900) Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 1 (Mai 1892-Juni 1893) Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 3 (Okt. 1894-Mai 1895)

410

RM 5/913 RM 5/914 RM 5/915 RM 5/916 RM 5/917 RM 5/2075 RM 5/5445 RM 5/5599 RM 5/5600 RM 5/5601 RM 5/5602 RM 5/5605 RM 5/5606 RM 5/5607 RM 5/5608 RM 5/5611 RM 5/5613 RM 5/5914 RM 5/5615 RM 5/5618 RM 5/5619 RM 5/5646 RM 5/5914 RM 5/5915 RM 5/5924 RM 5/5928 RM 5/5929

Quellen und Literatur

Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 4 (Mai 1895-Okt. 1896) Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 5 (Okt. 1896-Mai 1897) Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 6 (April-Dez. 1897) Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 7 (Jan.-Okt. 1898) Immediat-Berichte und Immediat-Vorträge des Kommandierenden Admirals und des Chefs des Stabes im Oberkommando der Marine, Bd 8 (Nov. 1898-März 1899) Anleitung für die Verwendung der Seestreitkräfte im Kriege: Verwendung der Artillerie (April 1899-Nov. 1905) Nachrichten über fremde Länder: Sansibar (Aug. 1885-Jan. 1901) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 1 (Mai-Juni 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 2 (Juni-Juli 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 3 (Juli 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 4 (Juli-Aug. 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 7 (Aug.-Sept. 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 8 (Aug.-Sept. 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 9 (Sept.-Okt. 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 10 (Okt.-Nov. 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 13 (Jan.-Febr. 1901) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 15 (Febr.-Mai 1901) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 16 (März-Juli 1901) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 17 (Juli 1901-Jan. 1913) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 18 (Juni-Sept. 1900) Boxeraufstand: Allgemeines, Bd 19 (Sept. 1900-April 1901) Deutsche Kolonien: Allgemeines, vornehmlich Zeitungsausschnitte, Bd 1 (Juni 1886-Dez. 1891) Geheime Rekognoszierungs-Angelegenheiten: Japan (Mai 1895-Juli 1903) Geheime Rekognoszierungs-Angelegenheiten: China (Sept. 1895-Jan. 1896) Instruktionen L und M für den Kreuzerkrieg (Febr. 1885-Nov. 1901) Flotten- und Kohlenstationen in China, Besitznahme von Kiautschou, Bd 1 (März 1895-Aug. 1896) Flotten- und Kohlenstationen in China, Besitznahme von Kiautschou, Bd 2 (Juli 1896-April 1897)

Quellen und Literatur

RM 5/5930

411

Flotten- und Kohlenstationen in China, Besitznahme von Kiautschou, Bd 3 (Mai-Nov. 1897) RM 5/5931 Flotten- und Kohlenstationen in China, Besitznahme von Kiautschou, Bd 4 (Nov. 1897-Jan. 1898) RM 5/5932 Flotten- und Kohlenstationen in China, Besitznahme von Kiautschou, Bd 5 (Jan.-April 1898) RM 5/5595 Tätigkeitsberichte des Kreuzergeschwaders, Bd 1 (Sept. 1904-Juni 1910) RM 5/5596 Tätigkeitsberichte des Kreuzergeschwaders, Bd 2 (Juli 1910-Dez. 1912) RM 5/5597 Tätigkeitsberichte des Kreuzergeschwaders, Bd 3 (Jan. 1913-Juni 1914) RM 5/5998 Militärpolitische Berichte des Kreuzergeschwaders, Bd 1 (Sept. 1904-Dez. 1908) RM 5/5999 Militärpolitische Berichte des Kreuzergeschwaders, Bd 2 (Dez. 1908-Dez. 1910) RM 5/6000 Militärpolitische Berichte des Kreuzergeschwaders, Bd 3 (Okt. 1910-Dez. 1911) RM 5/6001 Militärpolitische Berichte des Kreuzergeschwaders, Bd 4 (Jan. 1912-Sept. 1913) RM 5/6002 Militärpolitische Berichte des Kreuzergeschwaders, Bd 5 (Aug. 1913-Juli 1914) RM 5/5954 Überseeische Flottenstützpunkte, Bd 1 (April 1898-Mai 1901) RM 5/6075 Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 1 (Febr. 1896-Mai 1914) RM 5/6076 Angelegenheiten des Kreuzergeschwaders, Bd 2 (Juni 1899-Juni 1912) RM 5/6079/K Admiralstabs-Karte der Auslandsstationen der Kaiserlichen Marine (1901) RM 5/6107 S.M. Kreuzerkorvette »Arcona« (Okt. 1895-Juni 1899) RM 5/6727 Kriegsspiel des Kreuzergeschwaders (Jan.-Febr. 1893) RM 23: Marineverwaltungsamt

RM 23/1406

Das Engagement von Eingeborenen sowie deren Verpflegung (Sept. 1884-Nov. 1927)

RM 31: Marinestation der Ostsee

RM 31/513

Kiautschou, Bd 1 (Nov. 1897-Nov. 1899)

RM 38: Kreuzergeschwader

RM 38/1

Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Kamerun (Okt. 1884-Sept. 1885)

412

RM 38/2 RM 38/3 RM 38/4 RM 38/5 RM 38/6 RM 38/7 RM 38/8 RM 38/9 RM 38/10 RM 38/11 RM 38/12 RM 38/13 RM 38/14 RM 38/15 RM 38/16 RM 38/17 RM 38/18 RM 38/19 RM 38/20 RM 38/21 RM 38/22 RM 38/23

Quellen und Literatur

Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar I, Bd 1 (Juli 1885-Jan. 1886) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar I, Bd 2 (Mai-Aug. 1885) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar I, Bd 3 (Mai-Aug. 1885) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Großer Ozean, Bd 1 (März 1886-Juli 1887) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Großer Ozean, Bd 2 (Aug. 1887-Aug. 1888) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Großer Ozean, Bd 3 (Sept. 1888) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostasien, Bd 1 (Juli 1886-Dez. 1886) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostasien, Bd 2 (Juni 1887-Febr. 1890) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostasien, Bd 3 (Febr. 1890-März 1891) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostasien, Bd 4 (März 1891-Juli 1892) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostasien, Bd 5 (Aug.-Nov. 1892) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostasien, Bd 6 (Nov. 1892-April 1893) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar II, Bd 1 (Nov. 1886-Jan. 1887) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar II, Bd 3 (Nov. 1888-Jan. 1889) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar II, Bd 4 (Jan.-März 1889) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar II, Bd 5 (März-Mai 1889) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Zanzibar II, Bd 6 (Mai-Juli 1889) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Capstadt und Ostafrika, Bd 1 (Febr. 1892-März 1893) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Capstadt und Ostafrika, Bd 2 (März-April 1893) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Capstadt, Australien und die Südsee-Inseln, Bd 1 (April 1887-Nov. 1890) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Capstadt, Australien und die Südsee-Inseln, Bd 2 (Nov. 1890-Febr. 1891) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Westamerika, Bd 1 (Juni-Sept. 1891)

Quellen und Literatur

RM 38/24 RM 38/25 RM 38/26 RM 38/28a RM 38/28b RM 38/29 RM 38/30 RM 38/31 RM 38/32 RM 38/33 RM 38/34 RM 38/41 RM 38/43 RM 38/44a RM 38/44b RM 38/45 RM 38/46 RM 38/47 RM 38/48 RM 38/49 RM 38/50 RM 38/51 RM 38/52 RM 38/53 RM 38/54 RM 38/55

413

Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Westamerika, Bd 2 (Okt. 1891-April 1893) Instruktionen, Segelordres, Reiseberichte Ostamerika (Jan. 1892-April 1893) Vermischten Inhalts (Jan.-Dez. 1892) Politische Verhältnisse der ostasiatischen Staaten, Bd 1, Teil 1 (April 1895-Mai 1896) Politische Verhältnisse der ostasiatischen Staaten, Bd 1, Teil 2 (Mai 1896-Jan. 1898) Politische Verhältnisse der ostasiatischen Staaten, Bd 2 (Nov. 1896-Mai 1898) Besetzung der Kiautschou-Bucht (Nov. 1897-Juni 1899) Kriegstagebuch betreffend die Besetzung Kiautschous von S.M.S. »Kaiser« (Nov. 1897-Febr. 1898) Kriegstagebuch betreffend die Besetzung Kiautschous von S.M.S. »Irene« (Dez. 1897-Febr. 1898) Kriegstagebuch betreffend die Besetzung Kiautschous von S.M.S. »Prinzeß Wilhelm« (Nov. 1897-Febr. 1898) Kriegstagebuch betreffend die Besetzung Kiautschous von S.M.S. »Kaiserin Augusta« (Dez. 1897-Febr. 1898) Admiralstabsarbeiten Philippinen (Manila), Bd 2a (Juni-Juli 1898) Philippinen (Manila), Bd 2b, Teil 1 (Juli-Aug. 1898) Philippinen (Manila), Bd 2b, Teil 2 (Juli-Aug. 1898) Philippinen (Manila), Bd 2c (Jan. 1899-Juni 1901) Manila (Aug. 1898-Okt. 1898) Land- und Seeberichte des spanisch-amerikanischen Krieges, Bd 1 (Mai-Juni 1898) Land- und Seeberichte des spanisch-amerikanischen Krieges, Bd 2 (Mai-Juli 1898) Zeitungsartikel betreffend spanisch-amerikanischer Krieg (Juli-Okt. 1898) Kriegstagebuch des Kreuzergeschwaders (Mai-Oktober 1900) Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 1 (Mai-Juni 1900) Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 2 (Juni-Juli 1900) Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 3 (Juli 1900) Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 4 (Juli-Aug. 1900) Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 5 (Aug.-Sept. 1900)

414

RM 38/56 RM 38/57 RM 38/62 RM 38/63 RM 38/64 RM 38/65 RM 38/80 RM 38/82 RM 38/84 RM 38/88 RM 38/89 RM 38/125 RM 38/148 RM 38/149 RM 38/150 RM 38/151 RM 38/152 RM 38/153 RM 38/154 RM 38/155 RM 38/156 RM 38/157 RM 38/178 RM 38/179

Quellen und Literatur

Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 6 (Okt.-Nov. 1900) Boxeraufstand: Vorgänge in Taku, Tientsin und Peking, Bd 7 (Nov. 1900-Feb. 1901) Bewegungen im Yangtse Gebiet, Bd 1 (Okt. 1900-Jan. 1901) Bewegungen im Yangtse Gebiet, Bd 2 (Jan.-April 1901) Vormarsch auf Peking (Aug. 1900-Mai 1901) Überwachung der chinesischen Kriegsschiffe (Juli 1900-März 1901) Geheime und ganz geheime O-Sachen für den ältesten Offizier im Yangtsegebiet (Okt. 1900-April 1901) S.M.S. Gefion: Landung bei Taku (Juni 1900-Jan. 1901) S.M.S. Gefion: Verteidigung von Shanghai (Juli 1900-Sept. 1901) Privatmitteilungen von Teilnehmern der Expedition nach China 1900-1901, Bd 3: Angehörige des III. Seebataillons (Juni 1900-Dez. 1900) Privatmitteilungen von Teilnehmern der Expedition nach China 1900-1901, Bd 4: Besatzungsangehörige der S.M.S. »Kaiserin Augusta« (Juni 1900-Dez. 1901) Operationspläne des Admiralstabs der Marine (Jan. 1897-Febr. 1900) Der russisch-japanische Krieg I, Bd 1 (Febr.-Mai 1904) Der russisch-japanische Krieg I, Bd 2 (Mai-Sept. 1904) Der russisch-japanische Krieg I, Bd 3 (Nov. 1904-Jan. 1905) Der russisch-japanische Krieg II, Bd 1 (Dez. 1903-Juni 1905) Tagebuch betreffend den russisch-japanischen Krieg, Bd 1 (Febr.-Juli 1904) Tagebuch betreffend den russisch-japanischen Krieg, Bd 2 (Juli-Dez. 1904) Attachéberichte betreffend den russisch-japanischen Krieg (März 1904-Aug. 1905) Orientierungsheft über die Ereignisse im russisch-japanischen Krieg, Bd 1 (Febr. 1904-Febr. 1905) Orientierungsheft über die Ereignisse im russisch-japanischen Krieg, Bd 2 (Febr. 1904-Febr. 1905) Orientierungsheft über die Ereignisse im russisch-japanischen Krieg, Bd 3 (Febr. 1904-Febr. 1905) Kommando westafrikanisches Geschwader: Korrespondenz, Berichte (1885-1887) Dienstliche und privatdienstliche Korrespondenz des Chefs des Kreuzergeschwaders Vizeadmiral Bendemann (März 1900-Dez. 1902)

Quellen und Literatur

415

RM 39: Atlantische und pazifische Auslandsstationen

RM 39/4 RM 39/5 RM 39/6

Ostasiatische Station: Militärisch-politische Berichte und sonstige Angelegenheiten, Bd 1 (Nov. 1883-April 1892) Ostasiatische Station: Militärisch-politische Berichte und sonstige Angelegenheiten, Bd 2 (Okt. 1892-Okt. 1894) Ostasiatische Station: Militärisch-politische Berichte und sonstige Angelegenheiten, Bd 3 (Okt. 1894-Febr. 1895)

RM 92: Schwere und mittlere Kampfschiffe

RM 92/148 RM 92/149 RM 92/2112 RM 92/2732 RM 92/2998 RM 92/3320

S.M. Kreuzerfregatte »Leipzig«: Logbuch, Bd 16 (Sept.-Dez. 1892) S.M. Kreuzerfregatte »Leipzig«: Logbuch, Bd 17 (Dez. 1892-März 1893) S.M. Kreuzer III. Klasse »Arcona«: Indienststellung (Nov. 1892-Jan. 1899) S.M. Kreuzer II. Klasse »Irene«: Geheime Verfügungen und Berichte (Okt. 1894-Dez. 1896) S.M. Kreuzerkorvette »Marie«: Mobilmachung (Dez. 1893-Sept. 1894) S.M. Kreuzer II. Klasse »Prinzeß Wilhelm«: Schiffsakten, Bd 1 (Sept. 1894-Jan. 1895)

RM 93: Leichte Kampfschiffe

RM 93/2253

Brief des beim Untergang des »Iltis« geretteten Matrosen Priebe an seine Eltern vom 3.8.1896 (Beschreibung des Untergangs)

RM 121 I: Landstreitkräfte der Kaiserlichen Marine

RM 121 I/399 RM 121 I/400 RM 121 I/403 RM 121 I/404 RM 121 I/406

Nachrichten vom Oberbefehlshaber Graf Waldersee und Generalleutnant von Lessel (Sept. 1900-Aug. 1901) Kriegstagebuch des Marine-Expeditionskorps (Juni-Nov. 1900) Kriegstagebuch des III. Seebataillons (Juni-Juli 1900 Kriegstagebuch des Oberleutnants Graf von Soden (Mai-August 1900) Kriegstagebuch des Seesoldaten-Detachements in Tientsin (Juni-Juli 1900)

MSg 1: Militärgeschichtliche Sammlung 1

MSg 1/2569

Briefe des Unterlieutnants und Leutnants zur See Reinhard Scheer, S.M.S. Bismarck, an seine Eltern Herrn und Frau Pfarrer Scheer, Hanau, Grimmestraße 12 (Dez. 1884-Jan. 1887)

416

Quellen und Literatur

MSg 2: Militärgeschichtliche Sammlung 2

MSg 2/56 MSg 2/1014

MSg 2/5389

Handschriftliche Aufzeichnungen eines Unteroffiziers über seine Dienstzeit an Bord der S.M.S. »Olga« von Mai 1887 bis Mai 1889 (unsigniert und undatiert) Nachlass Prinz Heinrich von Preußen: »Zur Erinnerung an das Kommando des Kreuzergeschwaders in Ostasien« (Erinnerungsalbum mit Bildern und Zeitungsausschnitten von der Reise des Prinzen Heinrich von Preußen nach Ostasien 1897 bis 1900) Tagebuch des Leutnants Franz Westermayer über seine Erlebnisse während des Boxeraufstandes in China (Aug. 1900-Sept. 1901) Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde (BArch)

R 157 IV F: Deutsches Generalkonsulat in Sansibar

R 157 IV F/G 2/25 (Film-Nr. 79933) R 157 IV F/G 2/34 (Film-Nr. 79934)

Berichte über die Verhältnisse auf Sansibar, den umliegenden Inseln und dem Festland, Bd 3 (Juli-Dez. 1885) Berichte über die Verhältnisse auf Sansibar, den umliegenden Inseln und dem Festland, Bd 13 (Jan. 1892-Nov. 1893)

R 1001: Reichskolonialamt

R 1001/371 R 1001/372 R 1001/373 R 1001/390 R 1001/391 R 1001/392 R 1001/393 R 1001/394 R 1001/406 R 1001/605

Ermordung des Dr. Karl Ludwig Jühlke, Bd 1 (Dez. 1886-Febr. 1887) Ermordung des Dr. Karl Ludwig Jühlke, Bd 2 (Febr.-März 1887) Ermordung des Dr. Karl Ludwig Jühlke, Bd 3 (März-Juni 1887) Schutzgebiete der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Bd 1 (Aug. 1884-April 1885) Schutzgebiete der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Bd 2 (April-Juni 1885) Schutzgebiete der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Bd 3 (Juni-Juli 1885) Schutzgebiete der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Bd 4 (Juli-Sept. 1885) Schutzgebiete der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Bd 5 (Aug.-Dez. 1885) Tätigkeit der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Bd 1 (Sept.-Nov. 1888) Verhandlungen mit England über Sansibar und Abgrenzung der deutschen und englischen Interessensphären in Ostafrika, Bd 3 (Nov.-Dez. 1886)

Quellen und Literatur

R 1001/607 R 1001/687 R 1001/688 R 1001/689 R 1001/690 R 1001/691 R 1001/693 R 1001/695 R 1001/696 R 1001/706

R 1001/707

R 1001/708

R 1001/709

R 1001/710

R 1001/711

R 1001/712

417

Verhandlungen mit England über Sansibar und Abgrenzung der deutschen und englischen Interessensphären in Ostafrika, Bd 5 (Febr. 1887-Jan. 1889) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 1 (Sept.-Okt. 1888) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 2 (Sept.-Okt. 1888) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 3 (Okt. 1888) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 4 (Okt. 1888) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 5 (Okt. 1888) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 6 (Nov.-Dez. 1888) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 8 (Jan. 1889) Politische Zustände in Deutsch-Ostafrika, Bd 9 (Febr.-April 1889) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 1 (Sept.-Okt. 1888) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 2 (Okt.-Nov. 1888) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 3 (Nov. 1888) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 4 (Nov. 1888) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 5 (Nov. 1888) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 6 (Nov. 1888-Jan. 1889) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 7 (Dez. 1888)

418

R 1001/713

R 1001/714

R 1001/715 R 1001/716 R 1001/717 R 1001/718 R 1001/719 R 1001/735 R 1001/736 R 1001/737 R 1001/738 R 1001/739 R 1001/740 R 1001/749 R 1001/750 R 1001/751 R 1001/913

Quellen und Literatur

Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 8 (Dez. 1888) Verhandlungen mit fremden Mächten über ein gemeinsames Vorgehen zur Unterdrückung der Unruhen in Ostafrika und zur Wiederherstellung der Macht des Sultans von Sansibar durch Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 9 (Dez. 1888-März 1889) Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 1 (Nov.-Dez. 1888) Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 2 (Dez. 1888-März 1889) Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 3 (März-Mai 1889) Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 4 (Juni-Sept. 1889) Blockade der ostafrikanischen Küste, Bd 5 (Sept.-Okt. 1889) Entsendung des Hauptmanns Hermann Wissmann als Reichskommissar zur Unterdrückung des Aufstandes in Ostafrika, Bd 1 (Jan.-Febr. 1889) Entsendung des Hauptmanns Hermann Wissmann als Reichskommissar zur Unterdrückung des Aufstandes in Ostafrika, Bd 2 (Febr.-April 1889) Entsendung des Hauptmanns Hermann Wissmann als Reichskommissar zur Unterdrückung des Aufstandes in Ostafrika, Bd 3 (April-Juni 1889) Entsendung des Hauptmanns Hermann Wissmann als Reichskommissar zur Unterdrückung des Aufstandes in Ostafrika, Bd 4 (Juni-Juli 1889) Entsendung des Hauptmanns Hermann Wissmann als Reichskommissar zur Unterdrückung des Aufstandes in Ostafrika, Bd 5 (Juli-Aug. 1889) Entsendung des Hauptmanns Hermann Wissmann als Reichskommissar zur Unterdrückung des Aufstandes in Ostafrika, Bd 5 (Aug.-Sept. 1889) Bericht des Konteradmirals Carl Deinhard über die Tätigkeit und das Auftreten des Reichskommissars Hermann Wissmann (Mai-Juni 1889) Allgemeine politische Verhältnisse in Deutsch-Ostafrika: Zeitungsausschnitte aus dem Berliner Tageblatt, Bd 1 (Jan. 1891-Jan. 1892) Allgemeine politische Verhältnisse in Deutsch-Ostafrika: Zeitungsausschnitte aus dem Berliner Tageblatt, Bd 2 (Febr. 1892-Juli 1896) Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Ostafrika und Berichterstattung der Kommandanten, Bd 1 (Febr. 1886-April 1887)

Quellen und Literatur

R 1001/914 R 1001/915 R 1001/1002 R 1001/1018 R 1001/2408 R 1001/2642 R 1001/2643 R 1001/2846 R 1001/2847 R 1001/2848 R 1001/2849 R 1001/2850 R 1001/2878

R 1001/2933 R 1001/2954 R 1001/2976

R 1001/3013 R 1001/4203 R 1001/4204 R 1001/4205 R 1001/4206 R 1001/4208

419

Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Ostafrika und Berichterstattung der Kommandanten, Bd 2 (April 1887-Juli 1889) Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Ostafrika und Berichterstattung der Kommandanten, Bd 3 (Juli 1889-Juli 1892) Sklavenfrage in Deutsch-Ostafrika, Bd 1 (Mai 1885-Sept. 1890) Sklavenhandel in den ostafrikanischen Gewässern und Beschlagnahme von Sklaven führenden Schiffen, Bd 1 (April 1886-Okt. 1893) Beamte der Neu-Guinea-Kompagnie, Bd 1 (April 1885-Nov. 1887) Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Pazifik-Stationen, Bd 1 (Jan. 1886-März 1887) Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Pazifik-Stationen, Bd 2 (April-Okt. 1887) Militärische Aktionen Deutschlands auf Samoa, Bd 1 (Juli-Sept. 1887) Militärische Aktionen Deutschlands auf Samoa, Bd 2 (Sept. 1887) Militärische Aktionen Deutschlands auf Samoa, Bd 3 (Okt.-Nov. 1887) Militärische Aktionen Deutschlands auf Samoa, Bd 4 (Okt.-Nov. 1887) Militärische Aktionen Deutschlands auf Samoa, Bd 5 (Nov.-Dez. 1887) Häuptling Malietoa: Einsetzung als König von Samoa durch den Amerikaner Steinberger, Absetzung, Gefangennahme und Internierung durch das Deutsche Reich und Einsetzung des Vizekönigs Tamasese als König (1875-1901) Beziehungen der australischen Kolonien zu den deutschen Schutzgebieten in der Südsee 1886-1903 Organisation einer deutschen Verwaltung auf den MarshallInseln, Bd 1 (Sept. 1885-Aug. 1887) Allgemeine Verhältnisse im Kaiser-Wilhelms-Land und im Bismarck-Archipel: Verwaltung, soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung, einheimische Bevölkerung, Strafexpeditionen, wissenschaftliche Expeditionen, Bd 1 (April-Sept. 1886) Allgemeine Verhältnisse auf den Samoa-Inseln: Verwaltung, soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung, einheimische Bevölkerung, Expeditionen, Bd 3 (April-Juni 1886) Kamerun, Bd 2 (Sept. 1884-Jan. 1885) Kamerun, Bd 3 (Nov. 1884-März 1885) Kamerun, Bd 4 (Jan.-Febr. 1885) Kamerun, Bd 5 (Febr.-März 1885) Kamerun, Bd 7 (März 1885)

420

R 1001/4210 R 1001/4211 R 1001/4212 R 1001/4213 R 1001/4214 R 1001/7121 R 1001/7122 R 1001/7123 R 1001/7124 R 1001/7125 R 1001/7127 R 1001/7138 R 1001/7141 R 1001/7142 R 1001/7147 R 1001/7152 R 1001/7153 R 1001/7164 R 1001/7165 R 1001/7166 R 1001/8885 R 1001/8886 R 1001/8893 R 1001/8896 R 1001/8897 R 1001/8898 R 1001/8899 R 1001/8901 R 1001/8902 R 1001/8903

Quellen und Literatur

Kamerun, Bd 9 (April-Mai 1885) Kamerun, Bd 10 (Mai-Juni 1885) Kamerun, Bd 11 (Juni 1885) Kamerun, Bd 12 (Juli-Aug. 1885) Kamerun, Bd 13 (Sept. 1885-Okt. 1886) Entsendung deutscher Kriegsschiffe zum Schutz der nationalen Interessen, Bd 40 (Aug.-Dez. 1884) Entsendung deutscher Kriegsschiffe zum Schutz der nationalen Interessen, Bd 41 (Dez. 1884-Febr. 1885) Entsendung deutscher Kriegsschiffe zum Schutz der nationalen Interessen, Bd 42 (Febr.-Juli 1885) Entsendung deutscher Kriegsschiffe zum Schutz der nationalen Interessen, Bd 43 (Juli-Okt.1885) Entsendung deutscher Kriegsschiffe zum Schutz der nationalen Interessen, Bd 44 (Okt. 1885-Sept.1886) Entsendung deutscher Kriegsschiffe zur ostasiatischen Station, Bd 1 (April 1886-Okt. 1887) Instruktionen der Schiffs- und Geschwaderkommandanten, Bd 1 (Juli 1887-Okt. 1894) Kreuzergeschwader, Bd 1 (Nov. 1887-Mai 1892) Kreuzergeschwader, Bd 2 (Nov. 1892-Juni 1894) Segelordres für die Schiffe der Marine: Stationen außerhalb der deutschen Kolonien 1885-1909 Dienstanweisungen für die Kaiserliche Marine 1885-1914 Kreuzer-Instruktion für die Kaiserliche Marine (1885) Differenzen zwischen Generalkonsul Dr. Arendt und Admiral Knorr, Bd 1 (Nov. 1886-März 1887) Differenzen zwischen Generalkonsul Dr. Arendt und Admiral Knorr, Bd 2 (April-Juni 1887) Differenzen zwischen Generalkonsul Dr. Arendt und Admiral Knorr, Bd 3 (Juni-Sept. 1887) Differenzen mit dem englischen Konsul Holmwood in Sansibar, Bd 1 (Dez. 1886-April 1887) Differenzen mit dem englischen Konsul Holmwood in Sansibar, Bd 2 (April-Juni 1887) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 3 (März-April 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 6 (Mai 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 7 (Mai-Juni 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 8 (Juni 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 9 (Juni-Juli 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 11 (Aug. 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 12 (Aug.-Sept. 1885) Allgemeine Angelegenheiten Sansibars, Bd 13 (Okt. 1885-Jan. 1886)

Quellen und Literatur

R 1001/8916 R 1001/8918 R 1001/8921 R 1001/8933

421

Sultan von Sansibar: Korrespondenz mit dem Reichskanzler, Bd 1 (Dez. 1886-März 1887) Sultan von Sansibar: Korrespondenz mit dem Reichskanzler, Bd 3 (Febr. 1888-Febr. 1890) Deutsche Beziehungen zu Sansibar, Bd 1 (Aug. 1886-Okt. 1889) Englische Besitzungen in Australien: Allgemeines, Bd 1 (Mai 1880-Febr. 1887)

R 8124: Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft

R 8124/1

Protokolle der Direktoralsitzungen der DeutschOstafrikanischen Gesellschaft (Febr.-Dez. 1885) Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA)

Abteilung IA: Politischer Schriftwechsel: Deutschland

R 2231 R 2233 R 2236 R 2237 R 2241 R 2534

Die Kaiserliche Marine, Bd 8 (April-Sept. 1896) Die Kaiserliche Marine, Bd 10 (März-Juli 1897) Die Kaiserliche Marine, Bd 13 (März-April 1898) Die Kaiserliche Marine, Bd 14 (Mai 1898-April 1899) Die Kaiserliche Marine, Bd 18 (Aug.-Dez. 1900) Kolonien und Flottenstationen: Generalia, Bd 2 (Okt. 1898-Okt. 1899)

Abteilung IB: Politischer Schriftwechsel: Asien, Afrika und Australien

R 15017 R 17972 R 17973 R 18119 R 18122 R 18124 R 18126 R 18128 R 18167

Die ägyptische Frage, Bd 56 (Aug. 1884-Febr. 1891) Das Verhältnis Chinas zu Deutschland, Bd 1 (Dez. 1885-Juli 1896) Das Verhältnis Chinas zu Deutschland, Bd 2 (Aug. 1896-Okt. 1897) Der chinesisch-japanische Krieg wegen Korea, Bd 29 (April 1895) Der chinesisch-japanische Krieg wegen Korea, Bd 32 (April 1895) Der chinesisch-japanische Krieg wegen Korea, Bd 34 (April 1895) Der chinesisch-japanische Krieg wegen Korea, Bd 36 (April 1895) Der chinesisch-japanische Krieg wegen Korea, Bd 38 (April 1895) Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 12 (Okt.-Nov. 1897)

422

Quellen und Literatur

R 18169

Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 14 (Nov. 1897) Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 15 (Nov. 1897) Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 16 (Nov. 1897) Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 17 (Nov. 1897) Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 25 (Dez. 1897) Beabsichtigte Erwerbungen der Großmächte anlässlich des chinesisch-japanischen Krieges, geheim, Bd 27 (Jan. 1898) Erwerbungen der Großmächte in China, Handakten, Bd 1 (Nov.-Dez. 1897) Spanische Besitzungen in Asien: Philippinen, Bd 2 (Juli 1888-Sept. 1898) Spanische Besitzungen in Asien: Philippinen, Bd 7 (Mai 1898) Spanische Besitzungen in Asien: Philippinen, Bd 9 (Juli-Okt. 1898) Spanische Besitzungen in Asien: Philippinen, Bd 11 (Mai-Juli 1898)

R 18170 R 18171 R 18172 R 18180 R 18182 R 18232 R 19463 R 19468 R 19470 R 19472

Abteilung IC: Politischer Schriftwechsel: Amerika

R 16622 R 16625 R 16626

Allgemeine Angelegenheiten in Chile, Bd 9 (April-Juni 1891) Allgemeine Angelegenheiten in Chile, Bd 12 (Aug.-Sept. 1891) Allgemeine Angelegenheiten in Chile, Bd 13 (Sept.-Okt. 1891)

Peking II: Akten der Botschaft in China (vormals Bundesarchiv-Bestand R 9208)

Peking II/166

Expedition nach China 1900: Besetzung Shanghais, Bd 2 (Aug. 1902-Okt. 1903) Peking II/1212 Marinesachen, Bd 8 (Jan. 1885-Nov. 1886) Peking II/1221 Marinesachen, Bd 17 (Febr. 1896-Sept. 1898) 2. Nachlässe Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau (BArch) N 159: Nachlass Admiral Georg Alexander von Müller

N 159/2 N 159/3

Tagebuch vom 20.12.1876 bis 31.3.1899 Tagebuch vom 1.4.1899 bis 31.8.1910

Quellen und Literatur

423

N 160: Nachlass Admiral Gustav Freiherr von Senden-Bibran

N 160/3 N 160/4 N 160/5 N 160/7 N 160/8 N 160/9 N 160/11 N 160/18

Privatdienstliche Korrespondenz mit Vizeadmiral Viktor Valois: Einlauf (Sept. 1890-Sept. 1909) Privatdienstliche Korrespondenz mit Prinz Heinrich von Preußen und Prinzessen Irene von Preußen: Einlauf (Febr. 1891-Jan. 1903) Privatdienstliche Korrespondenz mit Großadmiral Alfred von Tirpitz: Ein- und Auslauf (Dez. 1892-Sept. 1905) Privatdienstliche Korrespondenz mit Admiral Otto von Diederichs: Einlauf (März 1897-Dez. 1901) Privatdienstliche Korrespondenz mit Admiral Felix von Bendemann: Einlauf (April 1897-Mai 1901) Private und privatdienstliche Korrespondenz, u.a. mit deutschen und englischen Seeoffizieren: Einlauf (Aug. 1891-Aug. 1905) Erlebnisse als Chef des Marinekabinetts: Notizen und Aufzeichnungen (April 1888-Juli 1901) Schiffstagebücher des Korvettenkapitäns Freiherr von SendenBibran (Jan. 1888-Nov. 1897)

N 224: Nachlass Admiral Oskar von Truppel

N 224/5 N 224/6

Privates Schiffstagebuch (April 1877-Aug. 1890) Kriegstagebuch Kiautschou (Febr.-April 1898)

N 253: Nachlass Großadmiral Alfred von Tirpitz

N 253/39 N 253/43 N 253/45 N 253/130 N 253/394

Organisation der Marine und Auseinandersetzungen des Reichsmarineamtes mit dem Oberkommando der Marine (Nov. 1891-Juli 1899) Schriftwechsel mit dem deutschen Gesandten in Peking, Freiherrn von Heyking, in Vorbereitung des Erwerbs von Kiautschou, Bd 1 (Juli 1896-Aug. 1897) Schriftwechsel und Berichte zum Erwerb von Kiautschou und zur Lage in Ostasien (April 1896-Dez. 1897) Untergang des Kanonenbootes »Iltis« vor der chinesischen Küste, Bd 1 (Aug. 1896) Untergang des Kanonenbootes »Iltis« vor der chinesischen Küste, Bd 2 (Aug. 1896)

N 255: Nachlass Admiral Otto von Diederichs

N 255/4 N 255/6

Privatkorrespondenz mit Ehefrau Henni: Auslauf, Bd 1 (Mai 1897-Mai 1898) Privatkorrespondenz mit Sohn Friedrich: Einlauf und Auslauf (April 1898-Sept. 1912)

424

N 255/8 N 255/9 N 255/11 N 255/24

Quellen und Literatur

Privatkorrespondenz mit Freunden und Bekannten (damals in Ostasien): Ein- und Auslauf, Bd 1 (Jan. 1875-Mai 1898) Privatkorrespondenz mit Freunden und Bekannten (damals in Ostasien): Ein- und Auslauf, Bd 2 (Jan.-Dez. 1898) Privatdienstliche Korrespondenz mit Prinz Heinrich von Preußen: Ein- und Auslauf (März 1898-Juli 1900) Otto von Diederichs: Die Besetzung von Tsingtau am 14.XI.1897, Baden-Baden 1906/08

N 536: Nachlass Konteradmiral Paul von Hintze

N 536/113

Tagebuch vom 18.4.1882 bis 20.12.1885.

N 578: Nachlass Admiral Eduard von Knorr

N 578/3 N 578/4 N 578/7 N 578/8 N 578/9 N 578/10 N 578/11 N 578/12 N 578/18

Kommandierungen und Ernennungen, Personalia (Nov. 1871-Sept. 1903) Anerkennungen, Tadel, Belehrungen, Freundschaftsvertrag, Druck, Deutsches Reich und Königreich Tonga (Juli 1870-Juli 1896) Meine Erinnerungen, Bd 1 (März 1840-Juli 1870) Meine Erinnerungen, Bd 2 (Juli 1870-Febr. 1876) Meine Erinnerungen, Bd 3 (Febr. 1876-März 1885) Meine Erinnerungen, Bd 4 (März 1885-April 1885) Meine Erinnerungen, Bd 5 (Mai 1885-Juli 1895) Private Korrespondenzen, Bd 1 (Febr. 1876-Nov. 1919) Zeitungsausschnitte über Marineangelegenheiten (1855-1915)

N 728: Nachlass Großadmiral Hans von Koester

N 728/6

Unterlagen aus der aktiven Dienstzeit, 1883-1907 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA)

N 129: Nachlass Gustav Michahelles

N 129/1 N 129/2

Gustav Michahelles: Im Kaiserlichen Dienst. Erlebnisse des Kaiserlichen Gesandten a.D. Wirklichen Geheimen Rates Dr. Gustav Michahelles, o.O. o.J. [ca. 1925] Briefe von verschiedenen Persönlichkeiten an Dr. Michahelles (Mai 1886-Juli 1917) Sammlung Peter Tamm, Hamburg

Nachlass Heinrich Prinz von Preußen

Kaiserliche Marine 9 Nachlass Prinz Heinrich von Preußen: Tagebücher 1877-1929

Quellen und Literatur

425

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466

Quellen und Literatur

4. Zeitungen, Zeitschriften und andere Periodika Neben den Artikeln, die in den ausgewerteten Akten beigefügt waren, wurden zusätzlich auch Beiträge aus folgenden Periodika benutzt, die in den Fußnoten hinreichend gekennzeichnet sind: Alldeutsche Blätter, Berlin Annuaire de la Marine et des Colonies, Paris Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene, Leipzig Deutsche Kolonialzeitung, Berlin Deutsche Marine-Zeitung, Kiel Freisinnige Zeitung, Berlin Hamburger Nachrichten, Hamburg Der Hamburgische Correspondent, Hamburg Illustrirte Zeitung, Leipzig und Berlin Kladderadatsch, Berlin Kölnische Zeitung, Köln Koloniale Zeitschrift, Berlin Marineverordnungsblatt, Berlin Nauticus. Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen, Berlin The Naval Annual, Portsmouth Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Berlin Der Ostasiatische Lloyd, Shanghai Preußische Jahrbücher, Berlin Rang- und Quartierlisten der Kaiserlich Deutschen Marine, Berlin Reichsgesetzblatt, Berlin Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender, Nördlingen und München Statistischer Sanitätsbericht über die Kaiserlich Deutsche Marine, Berlin Verordnungsblatt für das Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie, Berlin Wippermanns Deutscher Geschichtskalender, Leipzig Die Zeit, Hamburg

Personenregister Acquaviva, Claudio 53 Adalbert, Prinz 81 Aguinaldo, Emilio 306, 315 Alekseev, Evgenij I. 264 Anton, Oswin 209 f. Anzer, Johann Baptist 245, 281, 287 Aqua Manga, King 39, 49 Arendt, Gustav 65 Arendt, Otto 106-113, 115, 117 Aschmann, Ernst 394 Balmaceda, José Manuel 190-192, 195-197, 200, 203 f., 206 Bamberger, Ludwig 166 Barandon, Carl 276 Bargash bin Said al-Busaid, Sultan von Sansibar 30, 54-56, 60, 62 f., 65 f., 70-73, 75-77, 79, 105-110, 112-114, 131, 135 f., 138-144, 147, 149, 152 f., 158, 169, 174, 182 Barros Gomes, Henrique de 156 Baudissin, Friedrich von 93, 97 Bauer, Hermann 399 Bayard, Thomas 90 Beaumont, Olivier de 232 f. Becker, Eduard 121-124 Becker, Gottlieb 397 f. Behncke, Friedrich 400 Bell, King 33, 36, 38, 41, 50 Bendemann, Felix 49, 112 f., 326-332, 337, 340-342, 345, 349 f., 355 f., 359, 363-365, 367, 369, 374-380, 393, 395 Berger, Rudolf 399 Bismarck, Herbert von 59 f., 64, 72, 90, 106 f., 109, 121, 130, 145, 152, 167 f., 172 f., 180

Bismarck, Otto von 1, 3, 6, 15, 19-24, 27-30, 33, 38, 41, 43-46, 51, 53-56, 59-62, 64-69, 72 f., 75, 83, 86, 93, 100, 105-108, 111-117, 120-122, 125, 127 f., 131, 133, 135 f., 140-142, 144-148, 151, 156 f., 166 f., 170-175, 180, 184-187, 210, 228, 250, 257, 262, 282, 381, 390-392 Blanc, Louis 56 Bois, Georg du 252, 397 Boulanger, Georges 172 Brandeis, Georg 125 Brandt, Max von 101-104, 129, 189, 208, 225, 236, 290, 390 Bredow, Heinrich 398 Breusing, Alfred 393 Bruce, James 343 f. Bruch, Ludwig 400 Brüninghaus, Franz Willi 399 Brussatis, Reinhold 271 f. Buchan, Frederic 30 f., 42 Buchner, Max 23, 32 f., 35 f., 38, 44, 49 f. Büchsel, Wilhelm 323 Buele (Matrose) 75 Bülow, Bernhard von 28, 120, 256 f., 259-262, 270 f., 273-275, 278, 287, 293, 297, 303, 306, 309-311, 321 f., 352, 354-358, 362, 366, 369-372, 375 f., 381 Bugge, Rudolf 40 Bull, John 86 Buller, Arthur 279, 286 Bushiri bin Salim al-Harthi 143, 169, 170, 172, 174, 176-178, 180 f., 184 Canto, Estanislao del 200 Caprivi, Georg Leo von 6 f., 11, 23-31, 36, 38, 40 f., 44-48, 53, 55-59, 63 f.,

468

Personenregister

66-71, 78, 80-83, 88 f., 92 f., 99, 101, 103 f., 106, 111, 113, 116-118, 120, 122, 125, 129 f., 173, 184-187, 191 f., 205, 207, 209 f., 228, 236 Cassini, Arthur von 263 Ceynowa (Matrose) 29 Ch’un I-huan 129 Chang Chih-tung 268, 271 Chang Kao-yuan 283-285, 296 Chaylard, Comte Georges du 334 Ch’un Tsai-feng 373 Childers, Hugh 82 Clemenceau, Georges 53 Credner (Korvettenkapitän) 397 Cochius (Korvettenkapitän) 396 Coeper, Carl 393 Courréjolles, Charles 341 f. Crispi, Francesco 151, 154 Dalwigk zu Lichtenfels, Gustav von 400 Day, Valenzuela 198, 200 Deinhard, Carl-August 33, 131, 136-145, 148-154, 157 f., 161 f., 165-170, 173-177, 179-183, 189, 393 Delbrück, Hans 215 Denhardt, Clemens 54 Denhardt, Gustav 54 Denker, Hans 41, 42 Detring, Gustav 250 Dewey, George 305 f., 308 f., 312-320 Dick, Carl 401 Diederichs, Fritz von 313 Diederichs, Henni von 302, 313 Diederichs, Otto von 9, 15, 36 f., 74, 256, 263, 266-268, 270-274, 277-280, 282-287, 290-292, 294, 296 f., 302, 306-308, 311-314, 316-321, 323 f., 326, 332, 374-379, 393, 396 Dirzewski, Carl 399 Dobrovol’skij, A. (Kapitän I. Ranges) 344 Draeger (Korvettenkapitän) 394, 396 Dresky, Erich von 239, 397 Dürckheim-Montmartin, Eckbrecht von 219 Eckardstein, Hermann von 309

Edeme (Matrose) 75 Engel, Richard 400 Erdmann, Gustav 387 Erhardt, Armandt von 133 f., 137 f., 395 Euan-Smith, Charles 146, 152 Eulenburg-Hertefeld, Philipp zu 275 Fabri, Friedrich 147 Ferry, Jules 20, 53 Fink, Carl 347 Fischer, Louis 395 Floquet, Charles 157 Follenius, Friedrich 398 Fonseca Wollheim, Hermann da 395 Frantzius, Ernst von 394 Franzius, Georg 254 f., 264-266, 283 Fremantle, Edward 135, 146, 149, 150, 152-154, 156-158, 161 f., 166-168, 176, 222, 234 Frey, Henri 365 Freytag, Gustav 2 Friedrich III., Deutscher Kaiser und König von Preußen 128 Friedrich, Carl 398 Fritze, Ernst 326, 393 Gaselee, Alfred 363 f., 371 Gayl, Friedrich von 361 Geiseler, Wilhelm 94 Geißler, Richard 360, 367, 373, 375, 393, 396 George Tupou I., König von Tonga 87 f. Gildemeister, Wilhelm 399 Gladstone, William 60, 72, 82, 105, 172, 186, 209 Glatzel, Ludwig 401 Goltz, Max von der 56, 129, 142, 180, 182, 188, 192 f., 206 f., 209, 211, 217, 226 Granville, George 30 Gühler, Erich 393 Gülich, Ernst 331, 400 Günther (DOAG-Agent) 109 Gutschmid, Felix von 192, 195, 197 f., 204, 231, 235 Hartog, Eduard 395 f. Hasenclever, Felix 103

Personenregister

Hatzfeldt, Paul von 30, 68-70, 73, 89 f., 107 Haun, Johann-Siegfried 400 Hecht, Max 399 Hees, Paul de 359 Heinrich, Prinz von Preußen 57, 217, 282, 292, 294-296, 302, 306 f., 309, 319, 324, 326 f., 374, 393 Henk, Ludwig von 82 Herbig, Otto 63, 74 Herbing (Kapitän zur See) 396 Heri, Bwana 170, 184 Herrings, Josef 347 Hessel, Heinrich 140 Heuser, Karl 400 Heusner, Carl Eduard 116-131, 393 Hewett, Edward 22, 31, 38, 42, 43 Heyking, Edmund von 246, 249-254, 256, 265-268, 270-273, 275, 278-280, 282 f., 286, 297 Heyking, Elisabeth von 246, 256, 268, 271, 278, 280 Hilbrand, Paul 399 Hiltebrandt, Jakow 341, 346 Hintze, Paul (von) 77, 317 f. Hirschberg, Johannes 177, 180, 396 Hoffmann, Fritz 401 Hoffmann, Paul 217-222, 224, 227 f., 231-234, 238-240, 242 f., 246 f., 249, 252, 393, 395 Hofmeier, Paul 217 f., 220 f. Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig zu 187, 221, 236, 238, 240, 245, 250, 254, 257, 272-278, 280, 282, 287, 293, 371 Hollmann, Friedrich (von) 11, 129, 191, 193, 206, 211 f., 217 f., 223, 228, 236 f., 248 f., 257, 265, 269 Hollweg, Carl 400 Holmwood, Frederick 109 f., 112, 115 Holstein, Friedrich von 185 f., 225, 235, 245, 274 f., 277 f., 281, 286, 362 f., 371 Holtzendorff, Henning von 32, 42, 78 f., 276, 397 Holzhauer, Eduard 361

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Hopman, Albert 137 Hornung, Richard 210, 395 Hsü Ching-ch’eng 246 Hunholt (Vizekonsul) 114 Iddesleigh, Stafford 72, 107 Ingenohl, Friedrich (von) 393, 399 f. Jaeschke, Paul 247, 315, 328, 351, 397 Janke (DOAG-Agent) 109 Jebsen, Michael 191 Jühlke, Karl 108 f., 111-115 Kalakaua, David 120-122 Karcher, Guido 35, 37, 39, 40 f., 394 Kempff, Louis 342, 346 Ketteler, Clemens von 103, 328 f., 331, 353-355, 358, 376 Keyes, Roger 164 Khalifa bin Said, Sultan von Sansibar 131, 133, 135 f., 142 f., 147 f., 152, 154, 166, 176, 182 Kirchhoff, Hermann 200, 349, 396 Kirk, John 55 f., 75 Knappe, Wilhelm 91, 97, 99 Knorr, Eduard (von) 15, 25-33, 35-45, 47-50, 53, 57-59, 62, 64, 66-69, 73-76, 78-81, 84, 86-94, 96-104, 106-113, 116 f., 120, 226, 231 f., 236 f., 242 f., 249, 251 f., 254-256, 266 f., 271, 273, 278 f., 281 f., 285 f., 288, 291 f., 294, 296, 300, 302, 309-311, 314, 318 f., 321, 323 f., 326, 393 Koch, Paul 135 Köllner (Kapitän zur See) 400 Koerner, Emil 197, 200, 202, 206 Koester, Hans (von) 273 f., 281, 362, 374 Kohlhauer (Korvettenkapitän) 396 Konstantin, Kronprinz, ab 1913 König von Griechenland 183 Kraft, Hugo 393, 401 Krauel, Heinrich Richard 64, 121 Krehsin (Matrose) 74 Krieger, Gustav 140 Krosgik, Günter von 393 Krüger, Friedrich von 306-308, 316 Krüger, Paulus »Ohm« 257

470

Personenregister

Krupp, Friedrich Alfred 250 Kuang-hsü, Kaiser 372 Kuhn, Franz 94, 96 f., 394 Kusserow, Heinrich von 54 f., 64, 68 f. Lamsdorf, Vladimir N. 268, 371 Langemak, Anton 395 Langemak, Hugo 400 Lans, Wilhelm 340 f., 347-349 Lenz, Philipp 291 Lessel, Emil von 360 Li Hung-chang 102 f., 129, 246, 250, 266 Lieber, Ernst 212 Liebert, Eduard von 29 Liebknecht, Wilhelm 22 Lo Jung-kuang 334, 342, 345 f., 348 Lobanov, Aleksandr 230 f. Lock Priso, King 36 Lüderitz, Adolf 19, 53 Luis I., König von Portugal 156 Luo Rongguang 334 Lyncker, Emil von 395 Maaß, Leberecht 401 Mackay, Ben Lawrence von 298 Maercker, Georg 176, 178 Maerker, Julius 399 Mahan, Alfred Thayer 261 Mahdi 51, 60, 65, 172 Malet, Edward 148 Malietoa Laupepa, König von Samoa 89 f., 119-128, 139 Marschall von Bieberstein, Adolf von 184 f., 222, 225, 235, 241, 243, 245 f., 249, 263, 269 f. Mathews, Lloyd 135 f., 138, 140 f. McDonald, Claude 331 McKinley, William 303, 322 Meier (Leutnant zur See) 169 Meiji Mutsuhito, Tenno 208, 215 f., 233 Meller (Marineoffizier) 102 Mensing, Franz 395 Michahelles, Gustav 132 f., 138, 141, 144, 146, 153, 165 Mörsberger, Hermann 400 Moltke, Heinrich von 398

Montojo, Patricio 309 Monts, Alexander von 80, 82, 129, 132, 144 f., 151, 153, 161 Montt, Jorge 191 Müller, Georg Alexander 252, 302, 324, 398 Müller, Karl von 398 Mumm von Schwarzenstein, Alfons 355, 370 Muravjov, Michail N. 263, 267, 278, 280 f., 288 Nachtigal, Gustav 22-24, 27, 33, 40, 42-44, 47, 50 Nelson, Horatio 223 Nieh Shih-ch’eng 334, 350 Nikolaus II., Zar von Russland 186, 229 f., 240, 264, 272-274, 276-278, 283, 287 f., 363, 380 Nostitz, Georg von 70, 74, 396 Obenheimer, August 308, 314 f., 316, 397, 399 Oechelhäuser, Wilhelm von 210 Oertzen, Gustav von 93 f., 97 f. Oldekop, Iwan 217 Oriola, Joachim von 398 Osten-Sacken, Nikolai 287 Oxé, Karl 401 Pantänius, Curt 40 Parko (Matrose) 75 Parrayon, Emile 201 Pascha, Emin (siehe Schnitzer, Eduard) Paschen, Adolf 399 Paschen, Karl 56-59, 63, 69-76, 86, 129, 149, 165 Pawelsz, Friedrich von 207-211, 393 Peil, Friedrich 284 Persius, Lothar 399, 401 Peters, Carl 54 f., 58, 62, 70, 73, 139, 175 f. Peters, Wilhelm 399 Pfeil, Joachim von 70 Philipp, Otto 401 Plachte, Hugo 398 Plüddemann, Max 181, 393, 395

Personenregister

Pohl, Hugo 341, 345, 347, 399 Portal, Gerald 152 Prager, Max 179 Prittwitz und Gaffron, Kurt von 96, 393 f. Prowe, Max 398 Puttfarken, Hans 401 Raeder, Erich 10, 295 Randad, Heinrich 28 Raven, Max von 394 Reichenbach, Heinrich von 118, 395 Reinhard (Oberleutnant zur See) 362 Remey, George 347 Restorff, Heinrich Karl von 398 Richter, Eugen 212, 260 Richthofen, Ferdinand von 249, 298 Richthofen, Oswald von 374 Rickert, Heinrich 47 Rizal, José 253 Röchling, Carl 336 Rösing, Bernhard 401 Rötger, Fritz 395 Rohlfs, Gerhard 29 f., 54, 61, 149 Rollmann, Max 398 Roosevelt, Theodore 262 Rosebery, Archibald 60 f., 90, 209, 219 Rosendahl, Carl 293, 373 Rotenhan, Wolfram von 282 Rothkirch und Panthen, Jaroslaw von 400 Ruete, Heinrich 62 Ruete, Salme-Emily 62, 70, 73, 131 Salisbury, Robert 60 f., 72, 105 f., 115, 121, 146-148, 154, 156, 166, 168, 172, 176, 205, 286, 362, 391 Sarnow, Georg 233, 397 Schack, Wilhelm 401 Scheer, Reinhard 26, 36 f., 39, 41, 48, 58, 77, 79, 80, 87 f., 101, 162, 218 Schelle (Unterleutnant zur See) 177 Schenck zu Schweinsberg, Gustolf 240-244, 246, 248 Schering, Rudolf 394 Schimmelmann, Malte von 399 Schlieffen, Alfred von 375-377, 379 Schmellitscheck, Felix 347

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Schmidt, Carl 271 Schmidt, Eduard 32 Schmidt, Gustav 394, 397 Schmidt, Rudolf 30 Schneider, Hermann 394 Schnell, Theodor 284 Schnitzer, Eduard (= Emin Pascha) 175 f. Schönberg, Karl von 400 Schrameier, Wilhelm 300 Schröder, Hermann 400 Schröder, Johannes 399 Schuckmann, Hugo von 50 Schultz, Felix 401 Sebelin (Marineoffizier) 102 Semmern, Ernst van 399, 401 Senden-Bibran, Gustav von 15, 129, 143, 190, 193, 217, 227 f., 266 f., 276-278, 281, 286, 302, 313, 323, 362, 374, 379 f. Sewall, Harold 126 f. Seymour, Edward 330-332, 334-337, 340 f., 343-345, 348, 350 f., 363, 365 Soden, Alfred von 328 Soden, Julius von 50 Sophie von Preußen, Königin von Griechenland 183 Spee, Maximilian von 384, 393 Sperling, C.F. (Unteroffizier) 110, 119 Spitzemberg, Hildegard von 295 Stanley, Henry Morton 176 Stein, Johannes 399 f. Stenz, Georg 270 Stosch, Albrecht von 2, 4 f., 67, 82 f. Strandes, Justus 61 Strauch, Franz 118, 132, 134 f., 137, 393, 395 Stubenrauch, Felix 400 Studnitz, Ernst von 399 Stübel, Otto 89 f., 279 Tägert, Carl 400 Tamasese Tupua, Vizekönig von Samoa 89 f., 119, 121, 123-126, 128 Thiele, Adolf 397, 400

472

Personenregister

Ting, Ju-ch’ang 224 Tipp, Tippo 170 Tirpitz, Alfred (von) 3, 9, 11, 14, 26, 28, 67, 120, 206, 213, 224, 228 f., 246-263, 266, 268, 270, 274, 281, 284-286, 298-301, 305, 309 f., 322-324, 326, 358, 360, 369, 373, 381 f., 393 Tirpitz, Blanca 261 Tonglonglong, Häuptling 94 Tovering, Häuptling 94 Travers, Gustav 61 f., 64, 75 Truppel, Oskar 294, 400 Tyrtov, Pavel P. 231-233 Tz’u hsi, Kaiserinwitwe 327, 329 f., 334, 345, 350, 353 f., 365 Usedom, Guido von 332, 336, 352, 399 Ußlar, Ludolf von 399 Valette, Jean 182, 394 Valois, Viktor 61, 77, 91, 99, 189 f., 192-198, 200-205, 207, 393 f. Victoria, Königin von Großbritannien 118 Vicuña, Claudio 203 Viel, Oscar 201 f. Vitte, Sergej N. 371 Vohsen, Ernst 133 Voigts-Rhetz, Albrecht von 201, 203 Vollertun, Waldemar 398 Voit, Walter 401 Waldersee, Alfred von 330, 352, 357, 359, 361-363, 365 f., 369, 371 f., 374 f., 377-380 Weber, Eugen 399 Weber, Max 237 f. Weniger, Otto 401 Werner, Reinhold 37

Wietersheim, Friedrich von 120 Wilda, Johannes 302 Wilhelm I., Deutscher Kaiser und König von Preußen 20, 24 f., 40, 42, 45, 54 f., 57, 65, 67, 69, 74, 106, 113, 116 f., 119, 121, 128, 265 Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen 67, 86, 117, 128 f., 131, 142, 145 f., 149, 165, 169, 183-187, 191, 206, 211 f., 216-218, 220, 223-225, 227, 229 f., 233, 236, 240 f., 243, 245-247, 250 f., 253-259, 263 f., 269 f., 272-278, 281 f., 285-288, 293-296, 300, 303, 306 f., 310-312, 317 f., 320, 323 f., 326, 328, 347, 354-358, 362 f., 367, 369, 371, 375-377, 379 f., 390 f. Wilhelmina I., Königin der Niederlande 321 Wilken, Max 398 Wissmann, Hermann 143, 146, 166, 168, 171-182, 184 Witschel, Max 400 Woermann, Adolph 23, 30, 44-46, 50 Wolf, Eugen 173 Wurmbach, Otto 398 Wuthmann, Georg 399 Yu Lu 334, 342, 350 Yüan Shih-k’ai 351, 382 Zelewski, Emil von 134 f., 140 Zembsch, Otto 82, 196 f. Zeye, Hugo 264-266, 283-285, 291, 297, 393, 397, 400 Zimmermann, Arthur 328 Zöller, Hugo 32 f., 37, 41, 43-45