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German Pages 409 Year 2004
Schriften zum Prozessrecht Band 183
Internationale Rechts- und Forderungspfändung Von Jérôme Lange
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
JÉRÔME LANGE
Internationale Rechts- und Forderungspfändung
Schriften zum Prozessrecht Band 183
Internationale Rechts- und Forderungspfändung Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348 / 2000 und des Zustellungsreformgesetzes
Von
Jérôme Lange
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11383-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2003 von der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als rechtswissenschaftliche Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind daher auf dem Stand Mai 2003. Die Arbeit wurde mit dem Förderpreis 2003 der Dr. Feldbausch-Stiftung (DFS) für eine der beiden besten wirtschaftsrechtlichen Dissertationen des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität des Saarlandes ausgezeichnet. Für diese Auszeichnung darf ich mich an dieser Stelle bei der Stiftung herzlich bedanken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Helmut Rüßmann. Seiner Anregung verdanke ich das Thema der Dissertation, seine Betreuung als „Doktorvater“ war vorzüglich. Wichtiger aber noch als dies war und ist, dass er mir das methodische Rüstzeug mit auf meinen juristischen Lebensweg gegeben hat, das mir die Erstellung der Arbeit wesentlich erleichtert hat und auf das ich auch in Zukunft bei der Bearbeitung kniffliger Rechtsfragen dankbar zurückgreifen werde. Herr Prof. Rüßmann wird mir, nicht nur in juristischer Hinsicht, stets ein leuchtendes Vorbild sein. Ferner möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Maximilian Herberger für die zügige Zweitbegutachtung bedanken. Auch Herr Prof. Herberger war mir in Studium und Referendariat ein wichtiger Begleiter, der mir überhaupt erst den Zugang zur Methodenlehre eröffnet hat und stets ein offenes Ohr für meine Anliegen und Gedanken hatte. Schließlich darf ich mich bei meiner Ehefrau Svetlana dafür bedanken, dass sie mich während der Zeit des Schreibens ermuntert hat, nicht aufzugeben, sowie bei meinen Großeltern, die mich während meiner gesamten Ausbildung großzügig unterstützt und gefördert haben und ohne die ich diese Arbeit nie hätte schreiben können. Ihnen ist daher auch dieses Buch gewidmet. Neunkirchen/Saar, im Januar 2004
Jérôme Lange
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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A. Die internationale Rechts- und Forderungspfändung als aktuelles Thema mit Praxisbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Teil Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen bezüglich Forderungen und Rechten mit Auslandsbezug A. Definition und Abgrenzung der Zulässigkeitsgesichtspunkte „Deutsche Gerichtsbarkeit“ und „Internationale Zuständigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Berechtigung der Behandlung der „Deutschen Gerichtsbarkeit“ und „Internationalen Zuständigkeit“ als eigenständige Zulässigkeitsgesichtspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsstandort und Inhalt der beiden Zulässigkeitsgesichtspunkte 2. Die abweichende Auffassung von Burkhard Hess . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definition der Zulässigkeitsgesichtspunkte „Deutsche Gerichtsbarkeit“ und „Internationale Zuständigkeit“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen für die Fallbearbeitung: Gibt es eine verbindliche Prüfungsreihenfolge für beide Zulässigkeitsgesichtspunkte? . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über das in der Literatur vertretene Meinungsspektrum . . . 2. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. „Deutsche Gerichtsbarkeit“ für den Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in Bezug auf Forderungen oder Rechte mit Auslandsberührung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vollstreckungsimmunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkervertraglich vereinbarte Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . a) Die Regelung der Vollstreckungsimmunität im EuÜbk.SI . . . . . . . . b) Die Regelung im WDÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regelung der Vollstreckungsimmunität im NTS nebst Zusatzabkommen (ZA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkergewohnheitsrechtlich begründete Vollstreckungsimmunität . . . . a) Dogmatische Grundlagen und historische Entwicklung . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Der Botschaftskonto-Beschluss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis bb) Der „National Iranian Oil Company-Beschluss“ . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung der vom BVerfG entwickelten Regeln zur Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verteilung der Darlegungs- und der Beweislast: Vollstreckungsimmunität als positive oder negative Verfahrensvoraussetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Unterscheidung zwischen streitigen Völkerrechtsnormen und streitigen Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vollstreckungsimmunität: Erlaubnis- oder Verbotsnorm? (3) Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . (4) Anforderungen an die Substantiierung des Vortrages und an das Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Die zivilprozessrechtsdogmatische Einordnung der Vollstreckungsimmunität und deren Bedeutung für die allgemeine Prozessrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Praktische Konsequenzen für die Verfahrensgestaltung der Vollstreckungsgerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Die rügelose Einlassung als konkludent erklärter Immunitätsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Qualifikationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Qualifikationsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Einstufung des Zwecks im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . (3) Beispiel: Qualifikation eines im Gerichtsstaat unterhaltenen, Beschaffungskäufen dienenden Bankguthabens . . . (4) Bankguthaben mit gemischtem Verwendungszweck . . . . . dd) Das Problem der Vollsteckungsimmunität vom Staat rechtlich verselbständigter Gebilde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dogmatische Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit . . . . (3) Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . (4) Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . (1) Dogmatische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Verzichtserklärung (3) Konkludent abgegebene Verzichtserklärungen . . . . . . . . . . (4) Nachträgliche Veränderung der Rechtsposition des Vollstreckungsgläubigers durch Widerruf, Änderung der Zweckbestimmung oder Anfechtung der Verzichtserklärung wegen Willensmängeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Behandlung eines potentiell immunen Drittschuldners (Problem der sogen. „Drittschuldnerimmunität“). . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den dargestellten Problemen der Vollstreckungsimmunität für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begrenzung der deutschen Vollstreckungsgewalt durch das Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkervertragliche Beschränkungen der deutschen Vollstreckungsgewalt mit Rücksicht auf das Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkergewohnheitsrechtliche Beschränkung der deutschen Vollstreckungsgewalt durch das Territorialitätsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dogmatische Grundlagen und historische Entwicklung . . . . . . . . . . b) Völkergewohnheitsrechtliche Schranken extraterritorialer Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das genuine-link-Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Interventions- und das Rechtsmissbrauchsverbot. . . . . . . . c) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Verbot des Setzens eines Hoheitsaktes auf fremdem Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) 1. Ansatzpunkt für eine Verletzung dieses Verbotes bei internationaler Forderungspfändung: Fehlende Befehlsgewalt über Drittschuldner und/oder Vollstreckungsschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz . . . . . . . . . . . . (2) 2. Ansatzpunkt für eine Verletzung dieses Verbotes bei internationaler Forderungspfändung: Unzulässiger Übergriff in fremde Gerichtshoheit bei ausländischem Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung oder der titulierten Geldforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) 3. Ansatzpunkt für eine Verletzung dieses Verbotes bei der internationalen Forderungs- bzw. Rechtspfändung: Auslandsbelegenheit der zu pfändenden Forderung bzw. des zu pfändenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbot der Vollstreckung in ein auslandsbezogenes Vermögensrecht ohne Bestehen eines genuine link. . . . . . . . . . . . . . . . (1) Praktische Handhabbarkeit des genuine-link-Erfordernisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestehen eines genuine-link bei der Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis unproblematische Fallkonstellationen internationaler Forderungspfändungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis problematische Fallkonstellationen internationaler Forderungspfändung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Das Sonderproblem von Hypotheken an auslandsbelegenen Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (3) Bestehen eines genuine link bei drittschuldnerlosen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (4) Beweislastverteilung für die den Inlandsbezug vermittelnden Tatsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Erörterungen zu den durch das Territorialitätsprinzip gezogenen Grenzen deutscher Vollstreckungsgewalt für die Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
C. Internationale Zuständigkeit zum Erlass von Pfändungsbeschlüssen . . . . . . . . I. Berechtigung der Zulässigkeitsvoraussetzung „Internationale Zuständigkeit“ im Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Argumente der Mindermeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Auseinandersetzung mit der Mindermeinung. . . . . . . . . . . . . . II. § 828 Abs. 2 ZPO als Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlen völkervertragsrechtlicher bzw. europarechtlicher Rechtsgrundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verortung der internationalen Zuständigkeit für das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO in § 828 Abs. 2 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der verfahrenskollissionsrechtliche Ansatz Jahrs. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zuständigkeitstatbestände im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangsbefund: Gesetzestext und völkerrechtliche Vorgaben . . . b) Beschränkung aller Zuständigkeitstatbestände (Nr. 1–4) durch Riezlers Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung auf den Tatbestand des § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO (Tatbestand Nr. 1: „Zuständigkeit kraft inländischen allgemeinen Vollstreckungsschuldnergerichtsstands“) im räumlichen Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens und der EG-VO Nr. 44/2001? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschränkung auf den Tatbestand des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO i.V. m. § 23 S. 2 Var. 1 ZPO (Tatbestand Nr. 2: „Zuständigkeit kraft inländischen Drittschuldnersitzes/wohnsitzes“)? . . . . . . . . . . . e) Beschränkung auf die Tatbestände 1–3 unter Ausschluss des Tatbestandes Nr. 4 (Zuständigkeit kraft von der zu pfändenden Forderung verschiedenen, inlandsbelegenen Vollstreckungsschuldnervermögens“)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschränkung aller Tatbestände (1–4) auf die Fälle des Gleichlaufs mit der internationalen Zuständigkeit für die Einziehungsklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bewertung der vorstehenden Erörterungen zur Erforderlichkeit einer Einschränkung des § 828 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Überlegungen zur internationalen Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO für die Praxis . . . .
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Inhaltsverzeichnis D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen. . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fallgruppe 1: Die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht unterliegt deutschem Sachrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lösung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Überprüfung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendung der Pfändungsbeschränkungen des deutschen Rechts zu Gunsten auslandsdomizilierter Vollstreckungsschuldner? . . . . . . b) Anwendung der Pfändungserleichterungen des deutschen Rechts zu Gunsten auslandsdomizilierter Vollstreckungsgläubiger? . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallgruppe 2: Die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht unterliegt ausländischem Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Qualifikation der Pfändbarkeitsbestimmungen, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen als Schlüssel zur Lösung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsspektrum in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Qualifikation nach dem Regelungsstandort?. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Im Zweifel prozessrechtliche Qualifikation (Basedow)? . . . . . cc) Methode der funktionellen Qualifikation?. . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Qualifikation nach der Schutzrichtung der Norm (Vollstreckungsschuldnerschutz versus Drittschuldnerschutz)? . . . . . . . ee) Qualifikation in Anlehnung an die Kriterien zur Abgrenzung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht? . . . . . . . . . . . . . ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Qualifikation der wichtigsten Vorschriften des deutschen Rechts im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualifikation der Pfändbarkeitsbestimmungen in §§ 850a–850k ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualifikation des § 851 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Qualifikation des § 851 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Qualifikation der §§ 852 Abs. 1 und 852 Abs. 2 ZPO. . . . . . . e) Die Qualifikation der §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1, 857 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Qualifikation der §§ 859 Abs. 1 und Abs. 2, 860 ZPO . . . . . . g) Die Qualifikation des § 863 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die Qualifikation der §§ 112–119 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fallgruppe 3: Die titulierte Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterliegt deutschem Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fallgruppe 4: Die titulierte Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterliegt ausländischem Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis VI. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Überlegungen zu der für die Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen maßgeblichen Rechtsordnung bei Pfändungen mit Auslandsberührung für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
E. Das Rechtsschutzbedürfnis (Vollstreckungsinteresse) bei der internationalen Rechts- und Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung des Zulässigkeitsgesichtspunkts „Rechtsschutzbedürfnis“ (Vollstreckungsinteresse) für das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Berechtigung des Zulässigkeitsgesichtspunkts „Rechtsschutzbedürfnis“ im Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fehlendes Vollstreckungsinteresse bei zweifelhaften Verwertungsaussichten bezüglich der gepfändeten Forderung/des gepfändeten Rechts?. . IV. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Überlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis (Vollstreckungsinteresse) bei internationalen Rechts- und Forderungspfändungen für die Praxis . . . . . . . . . .
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2. Teil Zustellung der Pfändungsurkunden bei Pfändungen von Forderungen und Rechten mit Auslandsbezug A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der Zustellung für den „Erfolg“ der Pfändung gemäß §§ 829 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückblick: Zustellungsprobleme bis Ende der 90er Jahre . . . . . . . . . . . . . . III. Neue Entwicklungen im Zustellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an auslandsdomizilierte Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.05.2000 (nachfolgend „Zustellungsverordnung“ genannt) . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit der Zustellungsverordnung auf die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbettung der Zustellungsverordnung in die Systematik des § 183 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustellung nach dem Rogationsprinzip (§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 4–11 Zustellungsverordnung, § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neue Möglichkeiten der Direktzustellung im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustellung unmittelbar durch die Post (§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Verordnung EG Nr. 1348/2000) . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Subsidiarität der Zustellung unmittelbar durch die Post? . . . . bb) Priorität der Zustellung unmittelbar durch die Post? . . . . . . . .
275 275 275 276 280 282
282 282 288 288 292 292 292 294
Inhaltsverzeichnis
II.
III. IV. V.
VI.
cc) Zulässigkeitsvoraussetzungen der Zustellung unmittelbar durch die Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustellung durch Parteiauftrag an ein ausländisches Zustellungsorgan (§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 15 Abs. 1 EG Nr. 1348/2000)? . . 5. Zustellung an den Vollstreckungsschuldner durch Aufgabe per Post (§§ 829 Abs. 2 Satz 4 bzw. 835 Abs. 3 Satz 1, 191, 184 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. „Taktische Überlegungen“ als Konsequenz aus den unterschiedlichen funktionellen Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung im Anwendungsbereich multi- bzw. bilateraler Zustellungsübereinkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereiche (Abgrenzung zur Zustellungsverordnung). . . . . . 2. Zustellungen im Anwendungsbereich der Haager Übereinkommen . . . a) Förmliche Zustellung nach dem Rogationsprinzip (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, Art. 2–7 HZÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Förmliche Zustellung im Rechtshilfeverkehr nach dem HZÜ bb) Förmliche Zustellung im Rechtshilfeverkehr nach dem HZPÜ (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, Art. 1–5 HZPÜ) . . . . . . . . . . b) Mögliche Formen der Direktzustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zustellung unmittelbar durch die Post im Anwendungsbereich des HZÜ (§ 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 10a HZÜ). . . . bb) Zustellung unmittelbar durch die Post im Anwendungsbereich des HZPÜ (§ 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HZPÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Formen der Direktzustellung im Anwendungsbereich von HZÜ (Art. 10 b und c HZÜ) bzw. HZPÜ (Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HZPÜ)?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Postzustellung im Anwendungsbereich des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages vom 20.03.1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 2 ZPO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellungen an Immunitätsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundproblem: Auswirkungen der Ausgestaltung der Zustellung als Hoheitsakt im deutschen Recht auf die Immunitätsproblematik . . . . . . a) Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an potentiell immune Drittschuldner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an potentiell immune Vollstreckungsschuldner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkervertraglich begründete Zustellungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Regelung im EuÜbk.SI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Regelung im WDÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Regelung im NTS-ZA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere: Zustellungen an fremde Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Zustellung an Immunitätsträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
295 298
300 301 302 302 305 305 305 308 309 309
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14
Inhaltsverzeichnis VII. Zustellungsschwierigkeiten und Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . 329 VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Teil Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse
A. Das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage: Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.03.1996 . . . . . . II. Überlick über die sonstigen Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichende Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansatz Rosenbaums: Vorbehaltlose Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dem Reichsgericht folgende Autoren zur Zeit des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansatz der derzeit h. M. in der Literatur und des OLG Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung des BAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auffassung Rosenbaums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auffassung des RG und der ihm folgenden Autoren – Kritische Analyse der Ansicht, der Drittschuldner sei bereicherungsrechtlich vor einer Doppelinanspruchnahme geschützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bereicherungseinrede des bereits mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogenen Drittschuldners? . . . a) Anspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB? (Auffassung Rheinsteins) . . b) Anspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Streit um die Bestimmung des „richtigen“ Leistungsempfängers und Kondiktionsschuldners – Meinungsstand . . . . . . . . . . bb) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ansatz der derzeit h. M. in der Literatur und des OLG Oldenburg . . . . . . C. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zulässigkeit und Gebotenheit einer Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erforderlichkeit eines Analogieschlusses – Qualifikation der Rechtsnatur der Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erlöschen der gepfändeten Forderung in Folge der Zahlung des Drittschuldners auf den ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335 335 335 337 337 338 338 340 342 343 343 349
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363
364
Inhaltsverzeichnis
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b) Recht des Vollstreckungsgläubigers zum Behaltendürfen der vom Drittschuldner auf Grund des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erbrachten Zahlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 c) Wegfall der Prozessführungsbefugnis bzw. der Aktivlegitimation des Vollstreckungsschuldners? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 d) Rangfolge der Vollstreckungsgläubiger bei mehrfachen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 e) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 2. Äußere Grenzen der Rechtsfortbildung (Gesetzesbindungspostulat) . . 369 3. Sachliche Rechtfertigung eines Analogieschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 a) Die analogietaugliche Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 b) Gebotenheit des Analogieschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 II. „Voraussetzungen“ einer Anerkennung analog Art. 102 Abs. 1 EGInsO . 373 1. Keine Unzuständigkeit der Vollstreckungsorgane des Vollstreckungsstaates nach inländischem Recht („Spiegelbildprinzip“) (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGInsO analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Keine Unvereinbarkeit des Ergebnisses der Anerkennung mit dem „ordre public“ (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGInsO) . . . . . . . . . . . . . . 375 a) Fehlende Drittschuldnerzustellung als Ordre-public-Verstoß? . . . . . 376 b) Fehlende Drittschuldnerkenntnis als Ordre-public-Verstoß? . . . . . . 377 c) Fehlende Zustellung des Beschlusses an den Vollstreckungsschuldner als Ordre-public-Verstoß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 d) Fehlende Vollstreckungsschuldnerkenntnis als Ordre-public-Verstoß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 e) Verstoß gegen Unpfändbarkeits- und Pfändungsschutzvorschriften als Ordre-public-Verstoß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 3. Sonstige Anerkennungsvoraussetzungen oder -hindernisse?. . . . . . . . . . 381 a) Verbürgung der Gegenseitigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 b) Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Vollstreckungstitels? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 III. Problem des Drittschuldnerschutzes bei nachrangigen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 IV. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den dargestellten Problemen der Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse für die Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
Einleitung A. Die internationale Rechts- und Forderungspfändung als aktuelles Thema mit Praxisbezug Im Gegensatz zum Internationalen Zivilprozessrecht und zum Internationalen Insolvenzrecht ist das Recht der internationalen Einzelzwangsvollstreckung bislang weitgehend weder völkervertragsrechtlich geregelt, noch dem Prozess der Vergemeinschaftung des Europäischen Justizraums unterworfen. Es ist daher noch eine Domäne des autonomen nationalen Verfahrensrechts. Das gilt insbesondere für das Gebiet der Internationalen Rechtsund Forderungspfändung, also für die nationalen Rechtsregeln, die sich mit deutschen Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen bzw. Rechte mit Auslandsbezug und den inländischen Rechtswirkungen ausländischer Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen bzw. Rechte mit Inlandsbezug befassen. Mit Rechtsproblemen aus dem Bereich der Internationalen Rechts- bzw. Forderungspfändung können die unterschiedlichsten Berufsgruppen konfrontiert werden. Sie können Juristen, die in Rechts- bzw. Vollstreckungsabteilungen großer Unternehmungen, Inkassounternehmungen, Banken, deutschen Auslandsvertretungen oder Konsulaten tätig sind, ebenso begegnen wie Rechtsanwälten, Rechtspflegern, Richtern und Gerichtsvollziehern. Mit Blick auf die juristischen Berufe können nicht nur forensisch tätige Juristen mit Rechtsfragen der Internationalen Rechts- und Forderungspfändung befasst sein, sondern auch auf dem Gebiet der Vertragsgestaltung tätige Juristen, seien es Rechtsanwälte, Syndikusanwälte oder Notare. Ihnen allen dürfte ein gewisses Unbehagen gemeinsam sein, wenn sie im hektischen Berufsalltag auf die Thematik der Internationalen Rechts- und Forderungspfändung stoßen. Dieses Unbehagen speist sich vor allem aus der Vielschichtigkeit der Probleme, die einem bei einem ersten assoziativen Zugriff auf diese Thematik einfallen. So wird der eher selten mit völkerrechtlichen Problemen befasste Zivilrechtler sich spontan die Frage nach den völkerrechtlichen Grenzen „grenzüberschreitender“ Zwangsvollstreckungsmaßnahmen stellen und damit Stichworte wie „Gerichtsbarkeit“, „Souveränität“ oder „Immunität“ verbinden. Er wird sich weiter fragen, ob es insoweit auf die so viel zitierte Belegenheit der gepfändeten Forderung bzw. des gepfändeten Rechts ankommt und welche Rolle der Erfüllungsort einer Forderung dabei spielt. Da ihm bewusst ist, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ohne seine Zustellung an den Drittschuldner (§§ 829 Abs. 2 Satz 1,
18
Einleitung
835 Abs. 3 Satz 1 ZPO) nicht wirksam werden kann, liegt auf der Hand, dass sich verzwickte Probleme der Auslandszustellung stellen können. Materiellrechtliche Probleme des Bereicherungsrechts drängen sich auf, wenn ein und dieselbe Forderung sowohl im Inland als auch im Ausland gepfändet worden ist und der Drittschuldner fragt, an welchen Pfändungsgläubiger er nun zahlen soll oder er gar erst nach der Zahlung an den ausländischen Pfändungsgläubiger im inländischen Einziehungsprozess erfährt, dass seine Zahlung keine befreiende Wirkung gehabt haben soll. Im Übrigen mangelt es auch nicht an kollisionsrechtlichen Problemen, wenn man etwa an die Frage denkt, ob bei der Pfändung einer ausländischem Arbeitsrecht unterliegenden Lohnforderung die §§ 850 a–k ZPO zu beachten sind oder ob ein nach dem anwendbaren ausländischen Sachrecht pfändbarer Pflichtteilsanspruch entgegen § 852 Abs. 1 ZPO gepfändet werden darf. Schließlich hat man es schon auf den ersten Blick mit einer diffusen Rechtsquellenlage zu tun, wenn man bedenkt, dass im Einzelfall sekundäres Gemeinschaftsrecht (EG-Zustellungsverordnung), Völkergewohnheitsrecht (vgl. Art. 25 GG), Völkervertragsrecht (z. B. Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität, Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ), NatoTruppenstatut mit Zusatzabkommen (NTS-ZA)), autonomes deutsches Zwangsvollstreckungsrecht (§§ 828 ff. ZPO) und Verwaltungsvorschriften (Rechtshilfeordnung in Zivilsachen (ZRHO)) zugleich zur Anwendung kommen können. Angesichts all dieser Probleme hatte es bis vor wenigen Jahren für den Praktiker fast etwas Beruhigendes, dass Internationale Rechts- und Forderungspfändungen mit Bezug auf den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland praktisch nahezu undurchführbar waren, weil sie an der Zustellungsfrage scheiterten. Die deutschen Justizverwaltungen verweigerten kategorisch die Weiterleitung aus- wie eingehender Zustellungsersuchen, die die Zustellung von Pfändungsurkunden an auslands- wie inlandsdomizilierte Drittschuldner betrafen. Praktisch umsetzbare Alternativen zur Auslandszustellung sah die deutsche Rechtsordnung nicht vor. Es nimmt daher nicht wunder, dass die Internationale Rechts- und Forderungspfändung dadurch zu einem rein akademischen Problem avancierte, mit dem sich hin und wieder Aufsätze und Dissertationen beschäftigten, die allesamt damit leben mussten, „an der Praxis vorbei zu schreiben“. Dies hat sich seit 1998 schrittweise geändert. Zunächst beschloss die Justizministerkonferenz ihre ablehnende Haltung zur Weiterleitung ein- wie ausgehender Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse betreffender Zustellungsersuchen zu ändern. Am 31.05.2001 trat die EG-Zustellungsverordnung in Kraft, die die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen im Europäischen Justizraum erheblich erleichtert hat und schließlich trat am 01.07.2002 das
B. Gang der Untersuchung
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Zustellungsreformgesetz in Kraft, das – auch mit Wirkung für den außereuropäischen Raum – weitere Zustellungserleichterungen mit sich gebracht hat. Diese Entwicklung auf dem Sektor des Zustellungsrechts wird unweigerlich dazu führen, dass die Praxisrelevanz internationaler Rechts- und Forderungspfändungen enorm zunehmen wird. Die bislang lediglich akademisch reizvollen Probleme werden auf die Praxis treffen. Das macht es einerseits notwendig, die bislang erörterten Lösungsansätze in der Literatur zusammenzutragen, auf ihre Praxistauglichkeit hin zu untersuchen und einer gründlichen Analyse im Hinblick auf ihre dogmatische Fundiertheit hin zu unterziehen. Andererseits stellt sich die Aufgabe, die bisher entwickelten Lösungsansätze auf ihre Vereinbarkeit mit der neuen Rechtslage hin zu überprüfen und gegebenenfalls vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsentwicklung neue Lösungsansätze zu entwickeln. Dieser Aufgabe will sich die vorliegende Arbeit stellen. Dabei soll der Versuch unternommen werden, die Probleme der Internationalen Rechts- und Forderungspfändung wissenschaftlich fundiert zu durchdringen und, wo immer möglich, sowohl aus der Sicht des forensisch als auch aus der Sicht des kautelarjuristisch tätigen Juristen zu beleuchten.
B. Gang der Untersuchung Im 1. Teil der Arbeit sollen die Zulässigkeitsgesichtspunkte, die beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bezüglich einer Forderung bzw. eines Rechts mit Auslandsbezug zu beachten sind, ganz so erörtert werden, wie auch ein deutsches Vollstreckungsgericht sie bei der Prüfung der Zulässigkeit eines diesbezüglichen Pfändungsgesuchs abarbeiten müsste. Dabei stehen, dem traditionellen Prüfungsaufbau entsprechend, die Fragen der Deutschen Gerichtsbarkeit (B.) und der Internationalen Zuständigkeit (C.) an der Spitze der Erörterungen. Anschließend werden die sich im Hinblick auf Pfändbarkeitsvorschriften, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen stellenden kollisionsrechtlichen Fragen untersucht (D.) und schließlich Probleme des Rechtsschutzbedürfnisses (Vollstreckungsinteresses) behandelt (E.). Im 2. Teil der Arbeit werden die zustellungsrechtlichen Probleme des Rechts der Internationalen Rechts- und Forderungspfändung behandelt. Im Zentrum dieser Erörterungen steht die Frage, ob eine Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den auslandsdomizilierten Drittschuldner möglich ist und nach welchen Rechtsgrundlagen diese Zustellung durchzuführen ist (B.). Dem Anwendungsvorrang sekundären Gemeinschaftsrechts entsprechend stehen an der Spitze dieser Untersuchung Ausführungen zu Zustellungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (I.). Daran schließt sich eine Darstellung der Zustellung im
20
Einleitung
Anwendungsbereich multi- bzw. bilateraler Zustellungsübereinkommen an (II.). Im Rahmen dieser Darstellung dominiert die Untersuchung der Zustellung im Anwendungsbereich der sogen. Haager Rechtshilfeübereinkommen (II. 2.). Nach einer kurzen Darstellung der Zustellung im vertragslosen Verkehr (III.) schließen sich Fragen der Öffentlichen Zustellung (IV.) und der Zustellung an Immunitätsträger (V., VI.) an. Schließlich wird der Zusammenhang zwischen Zustellungsschwierigkeiten und dem Rechtsschutzbedürfnis untersucht (VII.). Im 3. Teil der Arbeit geht es um die Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse mit Inlandsbezug. Hierbei wird zunächst ein Überblick über das weitverzweigte Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur gegeben (A.). Im Anschluss werden die bislang erörterten Lösungsansätze einer kritischen Analyse unterzogen (B.). Die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen münden sodann in einen eigenen Lösungsansatz (C.).
1. Teil
Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen bezüglich Forderungen und Rechten mit Auslandsbezug Unter den Zulässigkeitsgesichtspunkten1, die beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Rolle spielen, sind bei der Pfändung von Forderungen oder Rechten mit Auslandsbezug regelmäßig die Gesichtspunkte „Deutsche Gerichtsbarkeit“, „Internationale Zuständigkeit“ und „Rechtsschutzbedürfnis“ problematisch und daher von dem mit dem Pfändungsgesuch angegangenen deutschen Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) zu prüfen2. Gelegentlich kann auch ein Ausschluss oder eine Beschränkung der Pfändbarkeit der zu pfändenden Forderung/des zu pfändenden Rechts der Zulässigkeit des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen. Dann stellt sich in Fällen mit Auslandsberührung die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich die Pfändbarkeit der Forderung bzw. des Rechts und das Eingreifen etwaiger Pfändungsbeschränkungen bestimmen. Die Rechtsfragen, die sich bei der Prüfung dieser Zulässigkeitsgesichtspunkte in den denkbaren Fallkonstellationen ergeben, sollen im Folgenden näher untersucht werden.
1 Bei Anträgen auf Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen macht die Unterscheidung zwischen Zulässigkeit und Begründetheit im Gegensatz zur Prüfung von Sachanträgen im Erkenntnisverfahren keinen Sinn, da es für die Voraussetzungen des Vollstreckungsantrages weder eine zwingende Prüfungsreihenfolge noch ein unterschiedliches Prüfverfahren gibt. Demgegenüber müssen bei der Klage im Erkenntnisverfahren die Zulässigkeit zwingend vor der Begründetheit und die Sachurteilsvoraussetzungen anders als die meisten Elemente der Begründetheit stets von Amts wegen geprüft werden, so dass hier die Unterscheidung von Zulässigkeit und Begründetheit plausibel ist (vgl. Wiesner, ZZP 98 (1985), 427, 436). 2 Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind demgegenüber immer nur dann zu prüfen, wenn sie im jeweiligen Einzelfall (ausnahmsweise) ein Problem aufwerfen.
22
1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
A. Definition und Abgrenzung der Zulässigkeitsgesichtspunkte „Deutsche Gerichtsbarkeit“ und „Internationale Zuständigkeit“ I. Dogmatische Berechtigung der Behandlung der „Deutschen Gerichtsbarkeit“ und „Internationalen Zuständigkeit“ als eigenständige Zulässigkeitsgesichtspunkte Im deutschen3 Recht wird seit der grundlegenden Untersuchung von Pagenstecher4 sowohl für das Erkenntnis- wie für das Zwangsvollstreckungsverfahren zwischen der „(inländischen) Gerichtsbarkeit“ und der „internationalen Zuständigkeit“ als selbständigen Verfahrensvoraussetzungen5 unterschieden6. Gelegentlich wird allerdings auch im deutschen Recht im Hinblick auf beide Zulässigkeitsgesichtspunkte einheitlich nur von „internationaler Zuständigkeit“7 gesprochen oder beklagt, dass der Begriff der „inländischen Gerichtsbarkeit“ uneinheitlich verstanden werde. Dies führt unweigerlich zu der Frage, ob die von der ganz h. M. befürwortete Unterscheidung zweier selbständiger Verfahrensvoraussetzungen berechtigt ist und wenn ja, wie man die beiden trennscharf gegeneinander abgrenzen kann. 1. Regelungsstandort und Inhalt der beiden Zulässigkeitsgesichtspunkte
Bezogen auf die Forderungs- bzw. Rechtspfändung ist die Unterscheidung berechtigt, wenn es bei beiden Zulässigkeitsgesichtspunkten um inhaltlich voneinander verschiedene Aspekte geht, die in unterschiedlichen Rechtsnormen geregelt sind8. Nach der ganz h. M. ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für den Erlass von Pfändungs- und Überwei3 Im Ausland ist diese Differenzierung demgegenüber weniger ausgeprägt. In Österreich etwa werden die Begriffe auch synonym gebraucht: vgl. Schack, IZVR, Rdnr. 132 m. w. N. auch zum französischen, italienischen und englischen Recht. 4 Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337 ff. Das in diesem Beitrag von Pagenstecher heftig kritisierte RG war zunächst davon ausgegangen, die deutsche Gerichtsbarkeit gehöre zur sachlichen Zuständigkeit und die internationale Zuständigkeit zur örtlichen Zuständigkeit (RabelsZ 11 (1937), 337, 346 f.). 5 Der Begriff ist im Hinblick auf die Gerichtsbarkeit dogmatisch nicht sauber. Richtigerweise handelt es sich bei der fehlenden Gerichtsbarkeit um ein Verfahrenshindernis. Dazu aber später Näheres. 6 BVerfGE 46, 342, 359, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76; Schack, IZVR, Rdnr. 131 und Rdnr. 160. 7 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 387 ff. .Vgl. ferner Riezler, IZPR, S. 360 f., der bereits 1949 darauf hinwies, dass man bei einem weiten Verständnis des Begriffs das Bestehen inländischer Gerichtsbarkeit auch noch zur internationalen Zuständigkeit rechnen könne.
A. „Deutsche Gerichtsbarkeit‘‘ und „Internationale Zuständigkeit‘‘
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sungsbeschlüssen in § 828 Abs. 2 ZPO geregelt9. Die Frage danach, wo die „inländische Gerichtsbarkeit“ für das Vollstreckungsverfahren geregelt ist, ist demgegenüber nicht einfach zu beantworten. Diese Frage geht einher mit der weiteren Frage, was man überhaupt inhaltlich unter dem Zulässigkeitsgesichtspunkt „inländische Gerichtsbarkeit“ zu verstehen hat. Teilweise wird der Begriff sehr eng in dem Sinne verstanden, dass er die Funktion habe, diejenigen Personen oder Vollstreckungsgegenstände zu bezeichnen, die auf Grund ihrer Immunität der deutschen Vollstreckungsgewalt entzogen sind10. Dieses Verständnis ist allerdings zu eng. Das Merkmal „deutsche Gerichtsbarkeit“ soll bezogen auf die Zwangsvollstreckung in unkörperliche Vermögensgegenstände gewährleisten, dass die deutschen Vollstreckungsgerichte nur in den Fällen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erlassen, in denen dies völkerrechtlich zulässig ist. Zur Beachtung der völkerrechtlichen Grenzen der staatlichen Vollstreckungsgewalt sind die deutschen Vollstreckungsgerichte nämlich verpflichtet. Soweit sich diese Beschränkungen – etwa in Bezug auf die Immunität von Personen oder Vermögensgegenständen – aus zwei- oder mehrseitigen Staatsverträgen ergeben, die durch ein Zustimmungsgesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in die deutsche Rechtsordnung transformiert worden sind, folgt dies aus der Bindung der Vollstreckungsgerichte an das einfache Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG). Soweit die Beschränkungen der deutschen Vollstreckungsgewalt sich aus Völkergewohnheitsrecht ergeben, folgt ihre Rechtsverbindlichkeit für die Vollstreckungsgerichte aus Art. 25 S. 1, 2 1. HS GG, wonach Völkergewohnheitsrecht als „allgemeine Regel des Völkerrechts“ Bestandteil des Bundesrechts ist und im Rang den einfachen Gesetzen vorgeht11. § 20 Abs. 2 GVG, der ohnehin nur die Befreiung bestimmter Personen von der inländischen Ge8 Auch Hausmann, IPRax 1982, 51, 52 hält die Verortung beider Voraussetzungen in unterschiedlichen Rechtsnormen für einen wichtigen Gesichtspunkt, der ihre Unterscheidung rechtfertigt. 9 Vgl. nur Schack, Rpfleger 1980, 175 f. Dabei spricht § 828 Abs. 2 ZPO ausdrücklich nur die internationale Zuständigkeit für den Pfändungsbeschluss an. Die internationale Zuständigkeit für den Erlass eines mit dem Pfändungsbeschluss korrespondierenden Überweisungsbeschlusses folgt dann als Annexkompetenz aus der internationalen Zuständigkeit zum Erlass des Pfändungsbeschlusses (vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1571). Die „Richtigkeit“ der Verortung der internationalen Zuständigkeit in § 828 Abs. 2 ZPO wird an späterer Stelle in der Arbeit untersucht. 10 Vgl. I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, § 1 Fußnote 1. 11 Das Merkmal der „Allgemeinheit“ stellt nach ganz h. M. auf den Verbreitungsgrad ab, so dass Art. 25 GG insbesondere das Völkergewohnheitsrecht erfasst. Zu dem von Art. 25 GG umfassten Völkergewohnheitsrecht gehören unstrittig die Gebote der Beachtung der Immunität von Personen oder Vermögensgegenständen und der Beschränkung der Gerichtsbarkeit auf das eigene Hoheitsgebiet: vgl. statt vieler: Rojahn in: von Münch/Kunig, GG, Art. 25 Rdnrn. 6–7 b; 22 (Stichworte: „Gerichtsbarkeit, inländische“; „Immunität fremder Staaten“ und „Immunität der Diplomaten“).
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
richtsbarkeit regelt, hat demgegenüber lediglich deklaratorischen Charakter: Bei den durch Zustimmungsgesetz transformierten Gesetzen folgt die Bindung der Vollstreckungsgerichte nämlich – siehe oben – ohne weiteres aus dem im Zustimmungsgesetz enthaltenen Rechtsanwendungsbefehl. Bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts folgt die unmittelbare Geltung des einschlägigen Völkergewohnheitsrechts aus dem gegenüber § 20 Abs. 2 GVG höherrangigen Art. 25 GG selbst12. Sind mithin die mit dem Zulässigkeitsgesichtspunkt „inländische Gerichtsbarkeit“ gemeinten Fragen in transformierten völkerrechtlichen Verträgen und in Art. 25 GG normiert, die internationale Zuständigkeit nach der ganz h. M. in § 828 Abs. 2 ZPO, so folgt schon aus diesen verschiedenen Regelungsstandorten, dass es sich bei beiden Prüfungspunkten um eigenständige und voneinander zu unterscheidende Verfahrensvoraussetzungen handelt. Aber auch in der Sache sind die beiden Begriffe wesensverschieden. Am Plastischsten hat Schack die inländische Gerichtsbarkeit von der internationalen Zuständigkeit abgegrenzt: „Die Regeln über die Gerichtsbarkeit entscheiden, ob der Richter überhaupt entscheiden darf – die Zuständigkeitsvorschriften, ob er den ihm unterbreiteten Rechtsstreit entscheiden muss. Für die Begrenzung der eigenen Gerichtsgewalt gegenüber derjenigen anderer Staaten gelten internationale Maßstäbe. Ob ein Staat von der ihm zustehenden Gerichtsgewalt Gebrauch machen soll, entscheiden hingegen grundsätzlich nationale (Opportunitäts-)Gesichtspunkte“13. Mit anderen Worten geht es bei der „inländischen Gerichtsbarkeit“ um die völkerrechtlichen Grenzen, die der Bundesrepublik Deutschland bei der Ausübung von Gerichtsgewalt „von außen“ auferlegt sind, während es bei der „internationalen Zuständigkeit“ darum geht, dass der deutsche bzw. europäische Gesetzgeber den deutschen Gerichten bei Fällen mit Auslandsberührung – in potentieller Konkurrenz zu nach deren Rechtsordnung ebenfalls international zuständigen Gerichten anderer Staaten – die Aufgabe zugewiesen hat, Gerichtsgewalt auszuüben. Schließlich kann man die strenge Unterscheidung beider Zulässigkeitsgesichtspunkte voneinander damit begründen, dass ihr Nichtvorliegen unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zieht14. Ist die deutsche Gerichtsbarkeit eindeutig nicht gegeben, so darf nach allgemeiner Ansicht schon das Verfahren nicht eröffnet, also etwa die Klage nicht zugestellt, werden, fehlt es dagegen an der internationalen Zuständigkeit, so ist das Verfahren zwar zu eröffnen, die Klage bzw. der Antrag jedoch ohne Entscheidung in der Sache ab- bzw. zurückzuweisen15. Während ein Verstoß gegen die internationale Zuständigkeit zur Anfechtbarkeit des Pfän12 So auch dezidiert: Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 549 f.; unklar demgegenüber: BGH, NJW 1979, 1101, r. Sp., Urt. v. 26.9.1978 – VI ZR 267/76. 13 Schack, IZVR, Rdnr. 131. 14 So schon grundlegend: Riezler, IZPR, S. 361 f.
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dungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß § 766 ZPO führt16, ist der unter Überschreitung der inländischen Gerichtsbarkeit ergangene Pfändungsund Überweisungsbeschluss nichtig17, 18. 2. Die abweichende Auffassung von Burkhard Hess
Die vorstehend hergeleitete ganz h. M. zum deutschen Prozessrecht ist in jüngerer Zeit von Hess angegriffen worden. Die dem deutschen Recht eigene Unterscheidung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit müsse – der h. M. in Österreich folgend – aufgegeben werden. Dafür sprä15
Statt vieler: Gummer in: Zöller, ZPO, Vor §§ 18–20 GVG Rdnr. 3 sowie die nachfolgenden Ausführungen. 16 Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 828 Rdnr. 5. 17 Dennoch kann er natürlich ebenfalls gemäß § 766 ZPO angefochten werden. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung fehlt nicht etwa deshalb, weil der Pfändungsbeschluss nichtig ist, da der Anschein der Wirksamkeit besteht. Vgl. auch Cremers, JuS 1994, 598, 605. 18 Ebenso, wenn auch ohne nähere Begründung: Becker, in: Musielak, § 828 Rdnr. 5 und Cremer, JuS 1994, 598, 603; in die gleiche Richtung: Albers in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Einführung §§ 18–20 GVG, Rdnr. 2: „Die Nichtbeachtung der Exterritorialität macht jede gerichtliche Handlung völlig wirkungslos“ (Hervorhebung durch den Verfasser); a. A. Habscheid, BerDGVR 8 (1968), S. 272 bezogen auf Vollstreckungsakte allgemein. Bezogen auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss finden sich sonst kaum Stellungnahmen. Für Urteile ist die Nichtigkeitsfolge allerdings nicht unumstritten. Während die ganz h. M. das unter Überschreitung inländischer Gerichtsbarkeit ergangene Urteil ebenfalls für nichtig hält (vgl. statt vieler: G. Lüke/Zawar, JuS 1970, 203, 212; Hausmann, IPRax 1982, 51, 53 m. N.), lehnt eine Mindermeinung dies zum Schutz des Institutes der Rechtskraft ab (so etwa: Schlosser, ZZP 79 (1966), 164, 181; von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2985; BVerfGE 64, 1, 19, Beschl.v. 12.04.1983 – 2BvR 678, 679, 680, 681, 683/81 für den Fall der völkerrechtswidrigen Inanspruchnahme der internationalen Zuständigkeit; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 515 für das schweizerische Recht). Für diese Mindermeinung spricht immerhin, dass das Völkergewohnheitsrecht die innerstaatliche Nichtigkeit des völkerrechtswidrigen Urteiles nicht gebietet (Schlosser, ZZP 79 (1966), 164, 175; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 389; Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 239 f.; ders., FamRZ 1972, 214). Andererseits ist aber anerkannt, dass das Völkerrecht die Vollstreckung aus einem Titel verbietet, der gegen einen fremden Staat unter Verletzung seines Immunitätsanspruchs ergangen ist (Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 169 m. N.) Da der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss jedenfalls nicht in Rechtskraft erwächst, gibt es bei ihm aber keinen Grund nicht von Nichtigkeit auszugehen. Dies gebietet das Völkergewohnheitsrecht zwar ebenso wenig, wohl aber die stimmige Auslegung des deutschen Rechts. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum ein von einem mit Hoheitsgewalt über den Vollstreckungsschuldner ausgestatteten funktionell unzuständigen Organ erlassener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach allgemeiner Meinung nichtig sein soll, die fehlende Hoheitsgewalt des Organs über den Vollstreckungsschuldner aber nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen soll.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
chen zwei wesentliche Argumente: Zum einen könne man auf Grund der neueren Rechtsentwicklung Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit zunehmend auf völkerrechtliche Verträge als einheitlichen Geltungsgrund zurückführen (Argument des identischen Geltungsgrundes)19. Zum anderen habe sich die in Deutschland herrschende Differenzierung international nicht durchsetzen können (Argument der mangelnden internationalen Verbreitung)20. Diesen erwägenswerten Argumenten kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. So stellt das Argument des identischen Geltungsgrundes die Dinge auf den Kopf: Völkerrechtliche Verträge (oder genauer: Zustimmungsgesetze zu solchen Verträgen), die – der international verbreiteten Terminologie folgend – zugleich mit der Regelung der Gerichtsbarkeit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen, stellen die große Ausnahme und nicht etwa die Regel dar. Dies gilt zumal seitdem das von Hess in erster Linie angeführte EuGVÜ in die EG – VO Nr. 44/2001 (sogen. „Brüssel I-Verordnung“) überführt wurde21, also gerade (mit noch derzeitiger Ausnahme Dänemarks)22 nicht mehr völkervertraglich geregelt ist. Auch die weiter von ihm angeführten von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Übereinkommen zur Immunität23 enthalten gerade keine Regelungen, die die internationale Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte begründen, sondern lediglich Vorschriften darüber, in welchen Fällen die Bundesrepublik Deutschland in Gerichtsverfahren Immunität gewähren muss24, also wann sie kraft des transformierten Völkervertrages unter dem 19
Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 387. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikte, S. 390: Es biete sich an, dem österreichischen Vorbild zu folgen. Dort habe sich ein einheitlicher Begriff der „inländischen Gerichtsbarkeit“ durchgesetzt, der die Befugnis des Staates zur Ausübung der Gerichtsbarkeit im allgemeinen und im einzelnen Rechtsstreit mitumfasse. 21 Vgl. dazu statt vieler: R. Geimer, IPRax 2002, 69 ff. 22 Vgl. zu den Besonderheiten im Hinblick auf Dänemark: R. Geimer, IPRax 2002, 69 ff. Im Übrigen gilt das Argument von Heß noch für das weiterhin als völkerrechtlicher Vertrag mit den EFTA-Staaten geltende Lugano-Übereinkommen (LÜ) vom 16.09.1988. 23 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 388, bezieht sich dabei vor allem auf das Wiener Übereinkommen über die diplomatischen Beziehungen vom 18.04.1961, BGBl. 1964 II, S. 958; das Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen vom 24.04.1963, BGBl. 1969 II, S. 1587 sowie auf das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16.05.1972, BGBl. 1990 II, S. 34 und führt dazu aus: „Diese Abkommen begrenzen und begründen aber die Zuständigkeit der deutschen Gerichte in genau derselben Weise wie andere internationale Abkommen zum Prozessrecht, insbesondere wie das EuGVÜ“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 24 Dennoch soll nicht verschwiegen werden, dass das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität in Art. 24 Abs. Nr. 2 eine Vorschrift enthält, die im Sinne der von Heß vertretenen Auffassung die Gerichtsbarkeit mit der internationalen Zuständigkeit verknüpft: Lässt sich der verklagte Vertragsstaat in den in der 20
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Gesichtspunkt der Immunität keine Gerichtsbarkeit ausüben darf. Dies soll kurz für das von Hess ins Feld geführte Europäische Übereinkommen über die Staatenimmunität (EuÜbk.SI) gezeigt werden. Die in Art. 1–14 des Übereinkommens geregelten Immunitätsverneinungstatbestände enthalten nicht nur genuin immunitätsrechtliche Anknüpfungspunkte. Vielmehr sind in sie Zuständigkeitsanknüpfungspunkte eingearbeitet (vgl. etwa Art. 4 EuÜbk.SI: Erfüllungsort). Diese an die Rechtsprechungspraxis des Schweizerischen Bundesgerichts angelehnte Regelungstechnik25 wird im deutschen Schrifttum als dogmatisch unsauber kritisiert26. Im Hinblick auf die Systematik des Übereinkommens ist sie indes schlüssig: Das EuÜbk.SI statuiert ein umfassendes Vollstreckungsverbot für das Vermögen der Vertragsstaaten mit Ausnahme des Falles, dass der Staat selbst der Vollstreckung ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat (Art. 23 EuÜbk.SI). Zur Kompensation dieses rigiden Verbotes kann der Titelinhaber vor dem zuständigen Gericht des verurteilten Staates feststellen lassen, dass die Entscheidung gemäß Art. 20 EuÜbk.SI anzuerkennen ist (Art. 21 Abs. 1 EuÜbk.SI). Aber auch dieser Rechtsbehelf würde dem Titelinhaber wenig nutzen, wenn die Gerichte des verurteilten Staates im Rahmen dieser einer Anerkennungsentscheidung gleichkommenden Feststellung die „Anerkennung“ mit der Begründung verweigern könnten, die Gerichte des Gerichtsstaates hätten mit ihrer Entscheidung zwar die Immunität des verurteilten Staates nicht verletzt, gleichwohl sei die Entscheidung jedoch nicht anzuerkennen, da die Gerichte des Gerichtsstaates nach dem Recht des verklagten Staates nicht international zuständig gewesen seien (vgl. etwa § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)27. Um dieses missliche Ergebnis regelmäßig auszuschließen (Ausnahme: Art. 20 Nr. 3 EuÜbk.SI), stellen die Anerkennungsvoraussetzungen in Art. 20 EuÜbk.SI nicht auf die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Gerichtsstaates nach dem Recht des verurteilten Staates ab. Damit der Gesichtspunkt eines für den verurteilten Staat akzeptablen Anknüpfungspunktes für die Entscheidungszuständigkeit des Gerichtsstaates dabei nicht unter den Tisch fällt, musste man diese Anknüpfungspunkte in die Immunitätsbefreiungstatbestände nach Art. 1–14 EuÜbk.SI einarbeiten28. Dadurch ändert sich aber nichts an der Rechtsnatur der Vorschriften als Regelungen über die Immunität, wie man deren klarem Wortlaut entnehmen kann, in Norm beschriebenen Fällen auf die Klage ein, ohne die „Einrede der mangelnden Zuständigkeit erhoben zu haben“, dann „dürfen“ die angegangenen Gerichte des anderen Vertragsstaats entscheiden. 25 Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen und kritischer Würdigung: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 460 ff. 26 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 670 m. w. N. 27 Die internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaates nach deutschem Recht ist Anerkennungsvoraussetzung gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: vgl. R. Geimer in: Zöller, ZPO, § 328 Rdnr. 98a.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
dem von einer Aufgabenzuweisung an die Gerichte der Gerichtsstaaten keine Rede ist (vgl. z. B. Art. 4 Nr. 1 EuÜbk.SI: „Vorbehaltlich des Art. 5 kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates Immunität nicht beanspruchen, wenn . . .“). Gerade vor dem Hintergrund des soeben dargestellten Regelungszwecks, der mit der Einarbeitung der Zuständigkeitsanknüpfungen in die Immunitätsverneinungstatbestände verfolgt worden ist, erhellt sich, dass die Art. 1–14 EuÜbk.SI keine Regelungen über die internationale Entscheidungszuständigkeit für die Gerichte der Gerichtsstaaten enthalten: Diese Anknüpfungen, die mit den international anerkannten Anknüpfungen für internationale Zuständigkeiten nationaler Gerichte weitgehend übereinstimmen, sollen lediglich gewährleisten, dass bei dem Anerkennungszwang nach Art. 20 EuÜbk.SI der international gängige Prüfungspunkt der internationalen Zuständigkeit nach dem Recht des Anerkennungsstaates weitgehend gewahrt bleibt. Sie sollen aber für den Fall des Vorliegens der Voraussetzungen keinen Entscheidungszwang für die Gerichte des Gerichtsstaates begründen, der mit einer Aufgabenzuweisung im Sinne der internationalen Zuständigkeit einherginge29. Mit anderen Worten: Wenn die Voraussetzungen eines der Befreiungstatbestände des EuÜbk.SI eingreifen, kann der verklagte fremde Staat sich vor den Gerichten des Gerichtsstaates nicht auf seine Immunität berufen. Ob die Gerichte des Gerichtsstaates den Rechtsstreit aber auch kraft internationaler Zuständigkeit entscheiden müssen, steht aber auf einem anderen Blatt. Dies bedarf einer autonomen Entscheidung durch den nationalen Gesetzgeber in Form einer Regelung über die internationale Zuständigkeit, die vom EuÜbk.SI unberührt bleibt30. Insbesondere für das hier zu untersuchende Verfahren der Vollstreckung in Forderungen bzw. Rechte erweist sich das Argument des gleichen Geltungsgrundes als unrichtig: Keines der vorerwähnten Immunitätsübereinkommen regelt zugleich die deutsche Gerichtsbarkeit und die internationale 28 Vgl. auch: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 66; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 466 ff.; Kronke, IPRax 1991, 141, 145. 29 Ebenso: Kronke, IPRax 1991, 141, 145. 30 Ebenso: Kronke, IPRax 1991, 141, 145; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533, 536; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 468; wohl a. A. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 388 und S. 391, wonach vor der Prüfung völkergewohnheitsrechtlich begründeter Immunitäten immer zunächst nach Aufgabenzuweisungen an die deutschen Gerichte z. B. aus dem EuÜbk.SI zu suchen sei, welches „in genau derselben Weise“ wie etwa das EuGVÜ die Zuständigkeit der deutschen Gerichte „begrenze und begründe“. Andererseits führt Heß an anderer Stelle zutreffend aus: „Das EuÜbk.SI regelt nicht die internationale Zuständigkeit; diese ist vielmehr nach den anwendbaren internationalen Konventionen bzw. nach nationalem autonomem Recht zu ermitteln“ (Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 212 Fußn. 48).
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Zuständigkeit deutscher Gerichte zum Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. So ist z. B. Art. 23, 26 des EuÜbk.SI in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland, die eine Erklärung nach Art. 24 EuÜbk.SI abgegeben hat, nur zu entnehmen, dass ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen einen Vertragsstaat, der z. B. ein Bankguthaben in der Bundesrepublik unterhält, unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 26 EuÜbk.SI nicht schon deshalb unzulässig ist, weil es an der deutschen Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Immunität fehlt. Eine Bestimmung, wonach den deutschen Gerichten für diesen Fall auch im Verhältnis zu den Gerichten anderer Staaten die internationale Zuständigkeit zugewiesen wäre, ist darin jedoch nicht zu sehen. Die Bundesrepublik Deutschland könnte vielmehr ohne Verletzung des Übereinkommens31 die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte für diesen Fall durch einfaches Gesetz „verneinen“32. Die internationale Zuständigkeit zum Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses folgt also auch in diesen Fällen nicht aus Art. 23, 26 des EuÜbk.SI, sondern aus § 828 Abs. 2 ZPO. Der vorstehend für das Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgestellte Satz, dass die deutsche Gerichtsbarkeit anhand ratifizierter völkerrechtlicher Verträge und des Völkergewohnheitsrechts (Art. 25 GG) zu prüfen ist, während sich die internationale Zuständigkeit nach § 828 Abs. 2 ZPO beurteilt, hat sich also bestätigt. Ferner regelt das EuÜbk.SI wegen des kleinen Kreises der beigetretenen Vertragsstaaten33 nur einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt der Voll31 Die vorstehende Frage, ob die Immunitätsverneinungstatbestände des EuÜbk.SI zugleich auch Vorschriften über die internationale Zuständigkeit darstellen, darf nicht verwechselt werden mit der scheinbar ähnlich gelagerten Problematik, ob ein Staat, der sich in einem Staatsvertrag mit anderen Staaten auf ein System der Verteilung internationaler Zuständigkeiten auf die Vertragsstaaten geeinigt hat, für die vereinbarten Fälle internationaler Zuständigkeiten seiner Gerichte auch Gerichtsstände schaffen muss und wie die nationalen Gerichte entscheiden müssen, wenn ihr Staat zwar die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte vereinbart hat, aber schließlich doch keinen Gerichtsstand schafft. Kohler, in: FS für Matscher, 251, 252 hält ein solches Verhalten des Staates zu Recht für eine Vertragsverletzung. Während der BGH der Auffassung ist, nur der Gesetzgeber könne diese Vertragsverletzung durch Schaffung eines Gerichtsstandes beheben (NJW 1981, 1902, 1903 r. Sp., Urt. v. 06.02.1981 – I ZR 148/78), vertritt Kropholler, in NJW 1981, 1904 die Meinung, die Gerichte könnten in diesen Fällen ausnahmsweise von der internationalen Zuständigkeit auf die örtliche Zuständigkeit schließen. Die geschilderte Problematik ist deshalb nicht mit den Immunitätsbefreiungstatbeständen des EuÜbk.SI vergleichbar, weil diese – anders als staatsvertragliche Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit – keine vereinbarten Aufgabenzuweisungen an die nationalen Gerichte enthalten. 32 Für ein „Verneinen“ in diesem Sinne würde es genügen, wenn die Bundesrepublik keine Norm erlassen würde, die den deutschen Gerichten für den betreffenden Fall die internationale Zuständigkeit zuweist.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
streckungsimmunität. Ganz überwiegend ergeben sich die Regeln über die Vollstreckungsimmunität für den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland aus dem Völkergewohnheitsrecht (Art. 25 GG). Auch von daher kann der Auffassung von Hess, Immunität und internationale Zuständigkeit hätten regelmäßig denselben, nämlich völkervertragsrechtlichen, Geltungsgrund, nicht gefolgt werden. Das von Hess angeführte Argument des identischen Geltungsgrundes ist nach alledem insgesamt nicht überzeugend. Aber auch das weitere Argument der mangelnden internationalen Verbreitung ist nicht durchgreifend. In dem von Hess zuvörderst ins Feld geführten deutschsprachigen Raum hat sich zwar in der Tat in Österreich ein einheitlicher Begriff der „inländischen Gerichtsbarkeit“ entwickelt, der auch die internationale Zuständigkeit mitumfasst34. Demgegenüber erkennt die Lehre in der Schweiz die Unterscheidung zwischen inländischer Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit zunehmend ebenso an wie die ganz h. M. in der Bundesrepublik Deutschland35. Abgesehen davon ist Hess zwar zuzugeben, dass angesichts der zunehmenden Internationalisierung des Rechts eine international einheitliche Terminologie wünschenswert wäre, zumal sie künftigen Begriffswirrwarr bei weiteren völkerrechtlichen Verträgen zu dieser Thematik vermeiden helfen könnte. Daher läge es rechtspolitisch betrachtet nicht fern, dass das deutsche Recht mangels Verbreitung der von ihm vorgenommenen Unterscheidung sich den anderen Rechtsordnungen terminologisch anschließen würde36. Aus den oben genannten Gründen 33 Neben der Bundesrepublik Deutschland sind bislang Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und Zypern Vertragsstaaten. 34 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 390 belegt denn auch sein Argument der mangelnden internationalen Verbreitung nur mit dem Beispiel Österreichs. 35 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 111 ff. Von dieser terminologischen Frage ist die Tatsache zu unterscheiden, dass das schweizerische Bundesgericht in der Sache territoriale Verbindungselemente des Streitgegenstandes zum Hoheitsgebiet der Schweiz („liens de rattachement“) in die Prüfung der Gerichtsbarkeit unter dem Aspekt der Immunität einbezieht. Dass dies allerdings auch nach dem geltenden schweizerischen Recht unzutreffend ist, hat in jüngerer Zeit Kren Kostkiewicz in ihrer Habilitationsschrift eindrucksvoll nachgewiesen (Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 462 ff.) In diesem Sinne bereits: Schaumann, BerDGVR 8 (1968), S. 88, der treffend darauf hinweist, dass die Erhebung territorialer Anknüpfungspunkte zum Immunitätskriterium zu einer rechtsschutzfeindlichen Ausweitung der Immunität durch einen „immunitätsfremden Gesichtspunkt“ führt. 36 Allerdings soll hierfür in dieser Arbeit keineswegs plädiert werden. Ob eine solche rechtspolitische Forderung berechtigt ist, hängt nämlich davon ab, ob die terminologische und sachliche Unterscheidung zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit wirklich so wenig international verbreitet ist, wie Heß behauptet. Dies bedürfte jedoch einer genaueren Analyse, die bisher – soweit ersichtlich – nicht vorliegt. Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 166 war 1968 bereits der
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(verschiedene Regelungsstandorte, unterschiedliche Rechtsfolgen der Verletzung beider Prüfungspunkte) lässt dies das geltende deutsche Zivilverfahrensrecht jedoch nicht zu. II. Definition der Zulässigkeitsgesichtspunkte „Deutsche Gerichtsbarkeit“ und „Internationale Zuständigkeit“ Auf der Grundlage dieser Überlegungen kann man „deutsche Gerichtsbarkeit“ definieren als die Reichweite der aus der Gebietshoheit der Bundesrepublik Deutschland fließenden Befugnis zur Entfaltung von Gerichtstätigkeit im weitesten Sinne (auch „Gerichtshoheit“37 oder „Gerichtsgewalt“38 genannt), also zur Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung39. Sie setzt sich mithin aus den beiden Teilelementen „Rechtsprechungsgewalt“ und „Vollstreckungsgewalt“ zusammen40. Bezogen auf die internationale Zwangsvollstreckung bedeutet „deutsche Gerichtsbarkeit“ demnach die Reichweite der völkerrechtlich legitimierten Vollstreckungsgewalt der Bundesrepublik Deutschland (= Reichweite der „Vollstreckungshoheit“41). Demgegenüber ist „internationale Zuständigkeit“ zu definieren als die gesetzgeberische Aufgabenzuweisung an die innerstaatlichen Gerichte, durch die die Bundesrepublik Deutschland bzw. die zuständigen Organe der Europäischen Gemeinschaften entschieden haben, dass die deutschen Gerichte oder JustizbeAuffassung, dass die Unterscheidung sich in der ausländischen Lehre zunehmend durchsetze. 37 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 371. 38 Schack, IZVR, Rdnr. 132, der zur Vermeidung von Missverständnissen mit anderen Rechtsordnungen vorschlägt, den Begriff „Gerichtsbarkeit“ zu Gunsten des Begriffs „Gerichtsgewalt“ aufzugeben, wofür Vieles spricht. Wenn künftig dennoch durchgängig der Begriff „Gerichtsbarkeit“ verwendet wird, so deshalb, weil dieser Begriff derzeit in der Literatur gängig ist und sich der Begriff „Gerichtsgewalt“ noch nicht durchgesetzt hat. 39 Am deutlichsten spricht Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 253 f. dies aus. Vgl. ferner den grundlegenden Beitrag von Matscher, in: FS für Verosta, 299, dessen Definition insoweit zutreffend im Gegensatz zu vielen sonst in der Literatur angebotenen Definitionen die Vollstreckung mitumfasst. Auch das BVerfG spricht in BVerfGE 46, 342, 382, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76, beiläufig aus, dass die Zwangsvollstreckung zur „Gerichtshoheit“ gehört. 40 Von diesen beiden Begriffen ist in der bisherigen Diskussion soweit ersichtlich nur der Begriff der Vollstreckungsgewalt gängig. Zur Verdeutlichung, dass die inländische Gerichtshoheit sowohl das Erkenntnis- als auch das Vollstreckungsverfahren umfasst, ist jedoch ein speziell auf das Erkenntnisverfahren bezogener Terminus wünschenswert. Auch Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 33, verwendet bezogen auf das Erkenntnisverfahren den Begriff „Rechtsprechungsgewalt“. 41 Den Begriff der „Vollstreckungshoheit“ verwendet das BVerfG in BVerfGE 46, 342, 382, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
hörden in ihrer Gesamtheit für die Entscheidung eines Rechtsstreits und/ oder die Vollstreckung eines Titels in Fällen mit Auslandsberührung zuständig sind42. Bezogen auf die Internationale Zwangsvollstreckung bedeutet also „internationale Zuständigkeit“ die gesetzgeberische Aufgabenzuweisung an die deutschen Gerichte und/oder Justizbehörden zur Vollstreckung eines Titels in Fällen mit Auslandsberührung.
III. Konsequenzen für die Fallbearbeitung: Gibt es eine verbindliche Prüfungsreihenfolge für beide Zulässigkeitsgesichtspunkte? 1. Überblick über das in der Literatur vertretene Meinungsspektrum
Für die Fallbearbeitung, insbesondere in der gerichtlichen Praxis, stellt sich weiter die Frage, ob die Reihenfolge, in der die beiden Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen sind, beliebig ist oder ob eine der beiden Voraussetzungen vorrangig zu prüfen ist. Die h. M. befürwortet den ausnahmslosen Vorrang der Voraussetzung „inländische Gerichtsbarkeit“43. Demgegenüber lehnt Reinhold Geimer einen solchen generellen Vorrang in der Prüfungsabfolge ab und hält eine vorrangige Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch das Vollstreckungsgericht jedenfalls für den Fall für zulässig, dass das Gericht die internationale Zuständigkeit verneint. Dann könne letztlich offen bleiben, ob die deutsche Gerichtsbarkeit eröffnet sei oder nicht44. Noch weiter gehend will schließlich etwa Hess sogar die Prüfungsreihenfolge umkehren: Zuerst sei die internationale Zuständigkeit nach nationalem Recht zu prüfen und erst wenn diese zu bejahen sei, dürfe und müsse das Gericht prüfen, ob völkerrechtliche Grenzen bestehen, die die deutsche Gerichtsbarkeit ausschließen45.
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So ähnlich: Schack, IZVR, Rdnr. 188. Schack, IZPR, Rdnr. 131; Linke, IZPR, Rdnr. 68; Hausmann, IPRax 1982, 51, 52 f.; Gummer in: Zöller, ZPO, Vorbemerkung zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 3; vgl. auch BGH, NJW 1979, 1101, der den Prüfungsvorrang der Gerichtsbarkeit gegenüber der Frage der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs bejaht. 44 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 846. Ebenso für das schweizerische Recht: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 481 f. 45 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 388; ähnlich: Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 189; ders. FamRZ 1972, 214, 215, der allerdings weniger streng ausnahmsweise dann ein Vorziehen der Prüfung der Gerichtsbarkeit zulassen will, wenn der Mangel der Gerichtsbarkeit leichter als die Unzuständigkeit zu ermitteln sei. 43
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2. Eigener Ansatz
Die Auffassung Geimers ist sicher praxisfreundlich und sehr pragmatisch46. Warum soll das Vollstreckungsgericht in eine unter Umständen komplizierte völkerrechtliche Prüfung einsteigen müssen, wenn es ohnehin die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneinen will47? Kann in einer solchen Prüfung ein Verstoß gegen Völkerrecht gesehen werden, wenn das Gericht die Zurückweisung des Antrages gerade damit begründet, deutschen Gerichten sei der betreffende Streitgegenstand nicht zur Entscheidung zugewiesen? Für den – auch von Geimer nicht bestrittenen – grundsätzlichen Prüfungsvorrang der deutschen Gerichtsbarkeit spricht, dass in den Fällen, in denen die deutsche Gerichtsbarkeit im Hinblick auf eine allgemeine Regel des Völkerrechts (Art. 25 GG) nicht eröffnet ist, das Völkergewohnheitsrecht gemäß Art. 25 Satz 2 1. HS GG einen besonderen Rang in der innerstaatlichen Normenhierarchie einnimmt. Auf Grund dieses Ranges ist davon auszugehen, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der ein Sachverhalt nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, im Falle der „Kollision“ mit einer einfachen Gesetzesvorschrift, nach deren Wortlaut die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland international zuständig sind, Anwendungsvorrang genießt48. Da diese „(Schein-)Kollisionsfälle“ – wie noch zu zeigen sein wird – jedenfalls für den Bereich der internationalen Forderungs- bzw. Rechtspfändung eine keineswegs nur theoretische Konstellation darstellen, ist schon wegen des Anwendungsvorranges des Völkergewohnheitsrechts die inländische Gerichtsbarkeit grundsätzlich vor der internationalen Zuständigkeit zu prüfen. Aus einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, nach der keine inländische Gerichtsbarkeit besteht, folgt, dass das Völkergewohnheitsrecht und wegen Art. 25 Satz 2 1. HS GG mithin auch eine im Rang einem einfachen Bundesgesetz vorgehende Norm der Bundesrepublik Deutschland die Entfaltung jeglicher Gerichtstätigkeit in den einschlägigen Fallkonstellationen verbietet49. Dieses Verbot ist umfassend und erstreckt sich auch auf die Prüfung (und gar die Bejahung!) der internatio46
Auf diesen prozessökonomischen Vorteil ihrer Auffassung weist Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 482 mit Nachdruck hin. 47 Aus dem gleichen Grund will ja auch Habscheid, der für die umgekehrte Prüfungsreihenfolge eintritt, ausnahmsweise die Frage der Gerichtsbarkeit zuerst prüfen, wenn diese leichter zu klären ist. 48 Steinberger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 173 Rdnr. 54. 49 Die deutschen Gerichte handhaben diesen Grundsatz zu Recht sehr streng. So wird etwa, wenn feststeht, dass die beklagte Partei der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegt, bereits die Terminsbestimmung für unzulässig gehalten, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die immune Partei sich nicht der
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
nalen Zuständigkeit durch ein deutsches Gericht50. Daher wäre selbst in der Verneinung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte durch das Vollstreckungsgericht in Fällen fehlender deutscher Gerichtsbarkeit noch ein – wenn auch nicht schwerwiegender – Verstoß gegen das Völkerrecht zu sehen. Dieser läge darin begründet, dass das Gericht trotz fehlender Gerichtshoheit eine über die bloße Verneinung der Gerichtsbarkeit hinausgehende Gerichtstätigkeit entfalten und mit Außenwirkung für die Bundesrepublik Deutschland erklären würde, es entscheide über den Antrag nur deshalb nicht, weil der deutsche Gesetzgeber ihm diese Aufgabe nicht zugewiesen habe. Besonders augenscheinlich wird dies, wenn das Gericht noch über tatsächliche Umstände, die die internationale Zuständigkeit begründen könnten (z. B. Bestehen von Schuldnervermögen in Deutschland) Beweis erheben würde51, um anschließend die internationale Zuständigkeit zu verneinen. Aber auch für die Fälle, in denen die deutsche Gerichtsbarkeit wegen eines ins deutsche Recht transformierten völkerrechtlichen Vertrages zu verneinen ist, lässt sich die vorrangige Prüfung der Gerichtsbarkeit vor der internationalen Zuständigkeit normativ begründen. Denn auch in diesen Konstellationen würde die völkervertragliche Vereinbarung im Falle der „(Schein-)Kollision“ mit einer die internationale Zuständigkeit begründenden gesetzlichen Vorschrift Anwendungsvorrang genießen. Um dies zu begründen muss man nicht auf die umstrittene Meinung abstellen, wonach der Inhalt völkerrechtlicher Verträge am Anwendungsvorrang aus Art. 25 Satz 2 1. HS GG teilnehme, weil zwar nicht der Vertragsinhalt, wohl aber der völkerrechtliche Grundsatz pacta sunt servanda Teil des Völkergewohnheitsrechts und damit der allgemeinen Regeln des Völkerrechts sei52. Denn auch wenn man dieser (zweifelhaften) Ansicht nicht folgen möchte, ergibt sich das gleiche Ergebnis aus dem sachlogischen Vorrang53 des völkerrechtlichen Vertragsinhaltes gegenüber der innerstaatlichen Regelung der internadeutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen wird. Vgl. zu dieser strengen Praxis mit weiteren Beispielen und Nachweisen: Mann, NJW 1990, 618 f. 50 So ist auch Schack zu verstehen, wenn er in IZVR, Rdnr. 131 schreibt, die Eröffnung der inländischen Gerichtsbarkeit sei dafür ausschlaggebend, dass ein Gericht überhaupt entscheiden darf (Hervorhebung durch den Verfasser). 51 Vgl. BVerfGE 46, 342, 360, Beschl. v. 13.12.1977, 2 BvM 1/76, wo das BVerfG ausdrücklich darauf hinweist, dass bei fehlender Gerichtsbarkeit bereits eine Beweiserhebung über Zulässigkeitsfragen eine völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates darstellt. 52 Steinberger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 173 Rdnr. 53. 53 Vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 846; Hausmann, IPRax 1982, 51, 52; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 481, die treffend von „logischer Priorität“ sprechen.
A. „Deutsche Gerichtsbarkeit‘‘ und „Internationale Zuständigkeit‘‘
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tionalen Zuständigkeit. Aus der aus dem transformierten völkerrechtlichen Vertrag folgenden Beschränkung der inländischen Gerichtsbarkeit ergibt sich, dass jedenfalls der deutsche Gesetzgeber den deutschen Gerichten die Entfaltung jeglicher Gerichtstätigkeit in den einschlägigen Fallkonstellationen verboten hat. Dieses Verbot umfasst – wie bereits ausgeführt – die Prüfung (und selbst die Verneinung!) der internationalen Zuständigkeit durch ein deutsches Gericht. Jedwede Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch ein Gericht (ggf. nebst Beweisaufnahme), das auf Grund eines transformierten völkerrechtlichen Vertrages mangels inländischer Gerichtsbarkeit nicht angegangen werden darf, würde daher den völkerrechtlichen Vertrag und infolge von dessen Transformation einfaches Bundesrecht verletzen. Daher gebietet die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bindung des Vollstreckungsgerichts an Gesetz und Recht, dass das Gericht auch in Fällen, in denen sich die Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit möglicherweise aus einem völkerrechtlichen Vertrag ergibt, die Gerichtsbarkeit vor der internationalen Zuständigkeit prüfen muss. Die von Hess befürwortete generelle Umkehrung der Prüfungsreihenfolge ist erst recht aus den oben genannten Gründen abzulehnen. Er begründet seine Auffassung damit, sie sei „vom Völkerrecht vorgegeben“54. Man könne dies der „Lotus-Entscheidung“ des StIGH vom 07.09.1927 entnehmen, wonach zuerst zu prüfen sei, ob der Staat „von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht“ habe und anschließend ob „deren Ausübung nicht durch spezielle Regeln des Völkerrechts begrenzt“ sei55. Ganz davon abgesehen, dass Gegenstand der Lotus-Entscheidung nicht die Prüfungsreihenfolge der Zulässigkeitsgesichtspunkte durch nationale Gerichte war56, ist die Prüfungsperspektive und Entscheidungskompetenz des StIGH auch eine andere als die eines nationalen Gerichts. Ein internationales Gericht kann bei der Prüfung, ob der Gerichtsstaat überhaupt auf Grund seines nationalen Rechts international zuständig war, von vorneherein nicht in die Souveränität des anderen Staates übergreifen und sich damit in völkerrechtswidriger Weise außerhalb der Grenzen seiner Gerichtsbarkeit bewegen. Aus seiner Sicht ist die Prüfungsreihenfolge von nationaler Zuständigkeit und Gerichtsbarkeit daher in der Tat beliebig. Ferner musste der StIGH, der – wie wir später noch sehen werden – von der Vermutung der Freiheit der Staaten zur Inanspruchnahme der internationalen Zuständigkeit bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, die nur ausnahmsweise durch völkerrechtliche Verbotssätze begrenzt ist, ausging, zunächst die Inanspruchnahme der internationalen Zuständigkeit durch den Gerichtsstaat bejahen, um sodann die Beach54
Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 388. Heß a. a. O. Hervorhebung durch den Verfasser. 56 Sonstige Belege für die von ihm behaupteten „völkerrechtlichen Vorgaben“ bleibt Heß aber schuldig. 55
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
tung der völkerrechtlichen Grenzen dieser Inanspruchnahme zu prüfen. Für ein deutsches Gericht ist dies aus den vorstehend dargelegten Gründen dagegen anders: Wenn es zuerst die internationale Zuständigkeit prüft und gar über das Vorliegen ihrer Voraussetzungen Beweis erhebt, übt es bereits – um mit den oben zitierten Worten von Hess zu sprechen – unter Überschreitung der Grenzen des Völkerrechts Gerichtsgewalt aus und verletzt damit Völkerrecht. Schließlich wird der Prüfungsvorrang der internationalen Zuständigkeit noch damit begründet, er sei auf Grund des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich geboten57. Auf Grund des Verfassungsgebotes des gesetzlichen Richters dürfe sich nicht jedwedes angegangene deutsche Gericht mit der Frage der Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit befassen, sondern nur dasjenige, das auf Grund abstrakt genereller gesetzlicher Regelungen der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Gemeinschaften für die Prüfung und Entscheidung dieser Frage zuständig sei. Speziell bezogen auf die internationale Zuständigkeit vermag dieses Argument jedoch von vorneherein nicht zu überzeugen, weil es hier ja gerade nicht um die Frage geht, ob ein bestimmtes deutsches Gericht zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen ist, sondern darum, ob bei einem Rechtsstreit mit Auslandsberührung deutsche Gerichte – in Abgrenzung zu möglicherweise zuständigen ausländischen Gerichten – überhaupt zuständig sind. Wenn überhaupt, so kann mithin Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG allenfalls einen Prüfungsvorrang der örtlichen Zuständigkeit vor der Frage der deutschen Gerichtsbarkeit begründen. Da allerdings nach ganz h. M. beim Fehlen spezieller Regelungen die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit folgt, würde ein Prüfungsvorrang der örtlichen Zuständigkeit vor der Gerichtsbarkeit im praktischen Ergebnis häufig auch zu einem Prüfungsvorrang der internationalen Zuständigkeit führen. Aber auch für die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG kein Prüfungsvorrang vor der deutschen Gerichtsbarkeit. Denn aus dem über Art. 25 GG unmittelbar geltenden Völkergewohnheitsrechtssatz, dass im Falle des Fehlens von Gerichtsbarkeit jedwede gerichtliche Tätigkeit einschließlich der Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts unzulässig ist, ergibt sich, dass jedes angegangene deutsche Gericht für die Prüfung und Entscheidung des Zulässigkeitsgesichtspunkts „deutsche Gerichtsbarkeit“ örtlich zuständig ist. Da zur isolierten Entscheidung dieses Zulässigkeitsgesichtspunktes jedes deutsche Gericht berufen ist, kann ein Gericht durch seine Prüfung und Entscheidung allein in dieser Frage auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen.
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Habscheid, FamRZ 1972, 214, 215.
B. „Deutsche Gerichtsbarkeit‘‘ für Pfändungsbeschlüsse
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3. Ergebnis
In jedem denkbaren Fall fehlender inländischer Gerichtsbarkeit58 setzt sich mithin die fehlende Gerichtsbarkeit gegenüber einer ihrem Wortlaut nach die internationale Zuständigkeit bejahenden Norm durch. Daher ist die „deutsche Gerichtsbarkeit“ ausnahmslos vor der „internationalen Zuständigkeit“ zu prüfen. Die „Gerichtsbarkeit“ stellt demnach bildlich gesprochen ein grobes Sieb dar, durch das ein Sachverhalt erst einmal hindurchgelangt sein muss, damit sich die Frage der internationalen Zuständigkeit stellt59.
B. „Deutsche Gerichtsbarkeit“ für den Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in Bezug auf Forderungen oder Rechte mit Auslandsberührung Die völkerrechtlich begründeten Beschränkungen der inländischen Vollstreckungsgewalt kann man grob auf die Fallgruppen der Beschränkung kraft Immunität der vom Vollstreckungsakt betroffenen Person oder des von ihm betroffenen Vermögensgegenstandes (siehe hierzu unten I.): „Vollstreckungsimmunität“) und der Beschränkung kraft entgegenstehender Gebietshoheit anderer Staaten (siehe hierzu unten II.): „Begrenzung der deutschen Vollstreckungsgewalt durch das Territorialitätsprinzip“) reduzieren. I. Vollstreckungsimmunität Die Immunität60 (Exterritorialität, Exemtion)61 im Erkenntnisverfahren ist mit der Immunität im Vollstreckungsverfahren nicht identisch. Es gibt daher 58
Hierzu steht nicht im Widerspruch, dass das Vollstreckungsgericht bei einer auf – auf Art. 25 GG gegründeten – Zweifeln an der inländischen Gerichtsbarkeit beruhenden Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG i.V. m. §§ 13 Nr. 12, 83 f. BVerfGG die internationale Zuständigkeit prüfen und bejahen muss (vgl. BVerfGE 46, 343, 359, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76). Diese Prüfung hat nämlich nur die Aufgabe die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu klären und ist damit nur an das Bundesverfassungsgericht gerichtet. Die Bejahung der internationalen Zuständigkeit durch das Vollstreckungsgericht ist im Kontext des Vorlagebeschlusses dann so zu verstehen, dass sie nicht endgültig, sondern nur hypothetisch für den Fall erfolgt, dass die deutsche Gerichtsbarkeit eröffnet sein sollte. 59 So auch speziell für das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO bemerkenswert deutlich: Smid in: MünchKomm, § 828 Rdnr. 13: „§ 828 ist grundsätzlich nur unter der Voraussetzung anwendbar, dass der Schuldner der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist“. 60 Unter „Immunität“ wird im allgemeinen die Freiheit einer natürlichen oder juristischen Person von der Territorialhoheit eines Staates verstanden. Der Begriff ist historisch aus lateinischen Wörtern entstanden: dem Adjektiv „immunis“ = von et-
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
zwei verschiedene auf diese beiden Abschnitte des gerichtlichen Verfahrens bezogene Arten von Immunität: die „Prozessimmunität“ (Jurisdiktionsimmunität, Gerichtsfreiheit)62 und die „Vollstreckungsimmunität“ (Exekutionsimmunität, Vollstreckungsfreiheit)63. Dies kann inzwischen als allgemeine Ansicht bezeichnet werden64 und wird überzeugend damit begründet, dass die Auswirkungen der Zwangsvollstreckung den ausländischen Staat was befreit sein und dem Substantiv „immunitas“ = Befreiung von Steuern, dem Dienst, Leistungen oder sonstigen Pflichten: Vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 69; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 1 und Boguslawskij, IPRax 2002, 43 Fußn. 1. Schaumann versteht unter Staatenimmunität die besondere Stellung des ausländischen Staates in einem Verfahren vor inländischen Gerichten (BerDGVR 8, S. 7). 61 Bisher hat sich in der Diskussion über diesen Themenkreis noch keine einheitliche Terminologie herausgebildet. Die Begriffe Immunität, Exterritorialität und Exemtion werden ganz überwiegend inhaltsgleich verwendet. Gelegentlich wird auch der in diesem Kontext synonym zu verstehende Begriff Indemnität benutzt. Demgegenüber wird vereinzelt vertreten, man könne diesen Begriffen einen unterscheidbaren Inhalt zuordnen. So will z. B. Habscheid, FamRZ 1972, 214 unter Immunität nur die völkergewohnheitsrechtlich begründete Staatenimmunität, unter Exemtion nur die völkervertragsrechtlich begründete Befreiung von Diplomaten und Vertretern internationaler Organisationen von deutscher Gerichtsbarkeit und unter Exterritorialität dem Wortsinn entsprechend nur die Befreiung von Teilen des deutschen Territoriums, die ausländischen Staaten mit Zustimmung der Bundesrepublik z. B. zum Betrieb einer Botschaft dienen, verstehen. Diese Unterscheidung bringt aber keinen Erkenntnisgewinn und konnte sich auch weder national noch international durchsetzen (vgl. Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 3). So ist beispielweise in die Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit betreffenden bi- oder multilateralen Verträgen meist nur von „Immunität“ die Rede. Zur Vermeidung eines unnötigen „Begriffssalates“ erscheint es sinnvoll, sich zur Umschreibung der Befreiung von der Gerichtsbarkeit auf einen der genannten Begriffe zu verständigen. Dabei empfiehlt es sich, unter Berücksichtigung der in den Wiener Übereinkommen verwendeten Terminologie den Begriff Immunität zu bevorzugen, zumal dieser sich auch international durchgesetzt hat (ebenso: Manfred Wolf, in: MüKo, ZPO, Vor §§ 18–20 GVG, Rdnr. 2; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 1). Fortan wird daher nur noch der Begriff Immunität verwendet. 62 Von diesen Begriffen ist der Begriff der „Prozeßimmunität“ im deutschen Sprachraum am gebräuchlichsten. Den Begriff „Jurisdiktionsimmunität“ verwendet z. B. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 33, den Begriff „Gerichtsfreiheit“ verwendet etwa E. J., Habscheid, IPRax 2001, 396, 397. 63 Auch hier ist der Begriff der Vollstreckungsimmunität im deutschen Sprachraum weiter verbreitet. Den Begriff „Exekutionsimmunität“ verwendet etwa Bucher, IPRax 1982, 161, 162, den Begriff „Vollstreckungsfreiheit“ verwendet z. B. E. J. Habscheid, IPRax 2001, 396, 397. 64 Vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 562; Bucher, IPRax 1982, 161, 162; Bröhmer, State immunity and the violation of human rights, S. 22; für das US-amerikanische und englische Recht: von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 37; aus internationaler Sicht: Brownlie, Principles of Public International Law, XVI 11, S. 346. Auch in den die Immunität betreffenden Übereinkommen wird zwischen Prozess- und Vollstreckungsimmunität klar unterschie-
B. „Deutsche Gerichtsbarkeit‘‘ für Pfändungsbeschlüsse
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erheblich stärker treffen und daher auch eher zu politischen Verwicklungen führen können als ein Urteil im Erkenntnisverfahren65. Ein weiterer Grund ist darin zu sehen, dass selbst bei Bestehen der Gerichtsbarkeit über die beklagte Partei im Erkenntnisverfahren der vom Vollstreckungsgläubiger ausgewählte Vollstreckungsgegenstand aus völkerrechtlichen Gründen von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sein kann. Praktisch hat dies zur Konsequenz, dass das Vollstreckungsgericht sich in den Fällen zweifelhafter Immunität des Vollstreckungsschuldners nicht auf den Standpunkt zurückziehen kann, die Immunität sei bereits im Erkenntnisverfahren rechtskräftig verneint worden und stehe daher für das Vollstreckungsverfahren bindend fest. Vielmehr muss das Vollstreckungsgericht, falls die Immunität des Vollstreckungsschuldners in Betracht kommt, diese Frage selbständig prüfen, selbst wenn die Immunität bereits im Erkenntnisverfahren geprüft und rechtskräftig verneint worden sein sollte66. Die Vollstreckungsimmunität kann ihrerseits auf einem in die deutsche Rechtsordnung transformierten völkerrechtlichen Vertrag beruhen (hierzu unten 1.): „Völkervertraglich vereinbarte Vollstreckungsimmunität“) oder auf gemäß Art. 25 GG innerstaatlich geltendem Völkergewohnheitsrecht (hierzu unten 2.): „Völkergewohnheitsrechtlich begründete Vollstreckungsimmunität“). 1. Völkervertraglich vereinbarte Vollstreckungsimmunität
In dem nachfolgend noch ausführlich zu erörternden Botschaftskonto-Beschluss hat das BVerfG im Jahre 1977 ausgeführt, dass die Auffassung des im Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG vorlegenden Gerichts, dass sich mangels diesbezüglicher von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossener und ratifizierter völkerrechtlicher Abkommen „eine Befreiung fremder Staaten von der deutschen Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren gegenwärtig nur über Art. 25 GG aus allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ ergebe, „nicht offensichtlich unhaltbar“ sei67. In dieser Pauschalität war die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts allerdings bereits 1977 nicht zutreffend. Die Bundesrepublik Deutschland hatte nämlich schon damals biden. Ein schönes Beispiel hierfür findet sich z. B. in Art. 32 Abs. 4 des Wiener UNÜbereinkommens über diplomatische Beziehungen. 65 Grundlegend: Seidl-Hohenveldern, in: FS für Beitzke, 1081, 1097. Vgl. auch Brownlie, Principles of Public International Law, XVI 11, S. 346 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung in dem Verfahren BVerfGE 46, 342, 351, 2 BvM 1/76, in der diese hervorhebt, dass Vollstreckungsmaßnahmen „zu erheblichen Belastungen der zweiseitigen politischen Beziehungen“ führen können. 66 Ebenso: Schlosser, ZZP 79 (1966), 164, 179 ff. 67 BVerfGE 46, 342, 358 f. – Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
und multilaterale völkerrechtliche Verträge ratifiziert, die die Immunität der jeweiligen Vertragsstaaten im Vollstreckungsverfahren regelten. So war die Bundesrepublik Deutschland schon damals an die multilaterale Brüsseler Konvention zur Einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe vom 10.04.1926 gebunden, nach deren Art. 3 § 1 Satz 1 Vollstreckungsmaßnahmen in Kriegsschiffe, Staatsjachten, Schiffe des Überwachungsdienstes etc. unzulässig waren, sofern diese „zur Zeit des Entstehens der Forderung, deretwegen der Zugriff betrieben wird, ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind oder verwendet werden“68. Ein weiteres Beispiel für ein solches multilaterales Abkommen mit Regelungen zur Staatenimmunität im Vollstreckungsverfahren, das bereits 1977 galt, ist das Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29.05.1933 (Römer Abkommen), dessen Art. 3 Abs. 1 a etwa „Luftfahrzeuge, die ausschließlich für einen staatlichen Dienst bestimmt sind“, von der Sicherungsbeschlagnahme durch die Gerichte der Vertragsstaaten befreit69. Seitdem die Bundesrepublik Deutschland 1990 das Baseler Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität (künftig: EuÜbk.SI) ratifiziert hat, das allerdings nur gegenüber den wenigen der Konvention beigetretenen europäischen Vertragsstaaten gilt70, gibt es für den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland sogar ein die Vollstreckungsimmunität der (Vertrags-)Staaten umfassend regelndes multilaterales Abkommen. Neben solchen mehrseitigen völkerrechtlichen Abkommen zur Regelung der Staatenimmunität können Regelungen zur Immunität eines fremden Staates im Vollstreckungsverfahren auch in zweiseitigen völkerrechtlichen Verträgen enthalten sein. Typischerweise werden solche Vereinbarungen in sogenannten Freundschafts-, Schifffahrts- und/oder Handelsabkommen getroffen71. Ein typisches Beispiel für einen solchen von der Bundesrepublik 68 Das in RGBl. 1927 II, S. 484 ff. bekannt gemachte Abkommen trat für das Deutsche Reich am 08.01.1937 in Kraft (RGBl. 1936 II, S. 303). Vgl. dazu ausführlicher: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 147 ff. sowie Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 224 f. 69 Das in RGBl. 1935 II, S. 302 ff. bekannt gemachte Abkommen trat für das Deutsche Reich am 12.01.1937 in Kraft (RGBl. 1937 II, S. 26). Vgl. dazu ausführlicher: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 149 f. sowie Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 226 f. 70 Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 16.08.1990 im Verhältnis zu Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Zypern in Kraft getreten (Bek. vom 24.10.1990, BGBl. II, S. 1400). Es ist in deutscher Übersetzung etwa bei Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht unter Nr. 142 abgedruckt. 71 Vgl. hierzu für die Bundesrepublik Deutschland: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 151 ff. und für die Schweiz: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 234 ff. jeweils mit zahlreichen Beispielen.
B. „Deutsche Gerichtsbarkeit‘‘ für Pfändungsbeschlüsse
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Deutschland ratifizierten Vertrag ist der Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954, nach dessen Art. 18 Abs. 2 der Staat, seine Behörden und Untergliederungen sowie dem Staat gehörende oder von ihm kontrollierte Unternehmen bei der Vollstreckung von Ansprüchen aus ihrer Betätigung im Handel, der Industrie oder dem Transportwesen keine Befreiung von der Vollstreckung in ihr Vermögen, soweit auch private Unternehmen im Gebiet des Vertragsstaats ihr unterliegen, beanspruchen können72. Neben zwei- oder mehrseitigen völkerrechtlichen Verträgen über die Staatenimmunität hat die Bundesrepublik Deutschland auch zahlreiche multilaterale Abkommen ratifiziert, auf Grund derer nichtstaatliche juristische oder natürliche Personen Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit beanspruchen können. Auch diese Abkommen sind also bei Pfändungen von Forderungen bzw. Rechten mit Auslandsbezug im Auge zu behalten. Solche Abkommen, die anderen Personen als dem Staat selbst Vollstreckungsimmunität gewähren, sind zum einen solche, die Internationalen Organisationen, denen die Bundesrepublik Deutschland angehört, und teilweise auch deren Mitarbeitern und bei ihnen akkreditierte Staatsvertreter, betreffen73, und zum anderen solche, die die Mitglieder der in der Bundesrepublik errichteten diplomatischen Missionen nebst deren Familienangehörigen und der in der Bundesrepublik errichteten konsularischen Vertretungen betreffen, also in erster Linie das Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WDÜ) vom 18.04.196174 und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WKÜ) vom 24.04. 196375. Es ist nicht der Sinn dieser Arbeit, alle einschlägigen Abkommen mit Regelungen zur Vollstreckungsimmunität aufzuführen und näher darzu72 BGBl. 1956 II, S. 488, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 14.07.1956 (BGBl. 1956 II, S. 763). Vgl. dazu sowie zum offshore procurementAbkommen vom 04.04.1955 (BGBl. 1956 II, S. 2080 ff. und BGBl. 1957 II, S. 53) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 151 f. 73 Vgl. hierzu die jeweils keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden Zusammenstellungen bei Albers in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 6 und M. Wolf, in: MüKo, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 16; vgl. ferner zur europaweit aktuellen Problematik der Vereinbarkeit derartiger Immunitätsregelungen mit Art. 6 Abs. 1 EMRK: E. J. Habscheid, IPRax 2001, 396 ff. 74 BGBl. 1964 II, S. 958, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 11.12.1964 (BGBl. 1965 II, S. 174). Soweit für diese Arbeit relevant ist die deutsche Übersetzung auszugsweise abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht Nr. 140. 75 BGBl. 1969 II, S. 1587, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 07.10.1971 (BGBl. 1971 II, 1285). Soweit für diese Arbeit relevant ist die deutsche Übersetzung auszugsweise abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Internationales Privatund Verfahrensrecht Nr. 141.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
stellen. Dies gilt insbesondere für die die Internationalen Organisationen betreffenden Abkommen, da diese nicht unter das Thema „Pfändung von Forderungen bzw. Rechten mit Auslandsbezug“ fallen. Daher sollen nachfolgend nur die für die Praxis mit Abstand wichtigsten Abkommen mit Regelungen zur Vollstreckungsimmunität, die bei der Pfändung von Forderungen und Rechten mit Auslandsbezug eine Rolle spielen können, näher dargestellt werden. Das sind das Baseler Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität (EuÜbk.SI), das Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WDÜ)76 und das Nato-Truppenstatut (NTS)77 nebst dem Zusatzabkommen vom 03.08.195978. Letzteres ist für die in dieser Arbeit behandelte Thematik im Gegensatz zu Abkommen über die Immunität Internationaler Organisationen und deren Angehöriger deshalb von Belang, weil es darin gerade nicht um die Immunität der NATO selbst geht, sondern um die Immunität der in den Aufnahmestaaten, also auch der Bundesrepublik, stationierten Truppen und Truppenmitglieder der Entsendestaaten. Wird gegen solche Truppen bzw. Truppenmitglieder mit regelmäßig ausländischer Staatsangehörigkeit ein Pfändungsgesuch gestellt, geht es also auch typischerweise um die Pfändung einer Forderung bzw. eines Rechts mit Auslandsbezug79.
76 Das WKÜ enthält dagegen nur marginale Regelungen über die Vollstreckungsimmunität in Bezug auf die Rechts- und Forderungspfändung. Man kann lediglich aus Artt. 43 Abs. 1, 45 Abs. 4 WKÜ entnehmen, dass der Konsularbeamte und die Bediensteten des Verwaltungs- und technischen Personals der konsularischen Vertretung im Hinblick auf Titel über Ansprüche, die aus der offengelegten (Art. 43 Abs. 2 a WKÜ) Wahrnehmung konsularischer Aufgaben entstanden sind, nicht der deutschen Vollstreckungsgewalt unterliegen. 77 Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.06.1951 (BGBl. 1961 II, S. 1190; Zustimmungsgesetz: BGBl. 1961 II, 1183). Die meisten der für diese Arbeit relevanten Bestimmungen sind einschließlich der einschlägigen Bestimmungen des Zusatzabkommens und der deutschen Ausführungsbestimmungen auszugsweise abgedruckt bei Stöber, Forderungspfändung, Rdnrn. 38 ff. Die relevanten Bestimmungen des Zusatzabkommens sind auch abgedruckt bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Schlussanhang III. 78 BGBl. 1961 II, S. 1218, zuletzt in Folge der Deutschen Einheit geändert durch das Abkommen zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 18.03.1993 (BGBl. 1994 II, S. 2598; Zustimmungsgesetz: BGBl. 1994 II, S. 2594), dessen Änderungen jedoch keine Relevanz für die Vollstreckungsimmunität haben. Zum Inhalt des Änderungsabkommen: vgl. Burkhardt/Granow, NJW 1995, 424 ff. 79 Deshalb behandelt Stöber, Forderungspfändung, Rdnrn. 38 ff. das NTS auch breit unter der Überschrift „Ausländische Drittschuldner, NATO-Truppenstatut“.
B. „Deutsche Gerichtsbarkeit‘‘ für Pfändungsbeschlüsse
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a) Die Regelung der Vollstreckungsimmunität im EuÜbk.SI Die Grundregel für die Vollstreckungsimmunität nach dem EuÜbk.SI ist in Art. 23 enthalten. Danach darf von den Vollstreckungsorganen eines Vertragsstaates keine Vollstreckungsmaßnahme gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaates durchgeführt werden, es sei denn, dieser hat ausdrücklich und in Schriftform zugestimmt. Diese rigide Lösung, die dem Staat als solchem ohne Rücksicht auf die Schutzwürdigkeit des Vollstreckungsgegenstandes Vollstreckungsimmunität gewährt, ist ein Zugeständnis an die inzwischen überwundene Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität der Staaten und geht – wie noch zu zeigen sein wird – weit über das hinaus, was das Völkergewohnheitsrecht gebietet. Die praktische Bedeutung dieser als Grundregel formulierten Vorschrift ist allerdings gering, weil sie hinsichtlich der Vollstreckung von Urteilen oder Gerichtsbeschlüssen für die Bundesrepublik Deutschland nur gegenüber Österreich und Zypern gilt, da die anderen Vertragsstaaten allesamt Erklärungen gemäß Art. 24 EuÜbk.SI abgegeben haben, so dass für sie Vollstreckungsimmunität nach Maßgabe von Art. 26 EuÜbk.SI zu gewähren ist80. Während die Anwendung des Art. 23 EuÜbk.SI, wonach ein Pfändungsbeschluss nur erlassen werden darf, wenn ein formgültiger Verzicht des Vollstreckungsschuldners vorgelegt wird, keine größeren Probleme bereiten sollte, wirft die praktisch bedeutsamere Vorschrift des Art. 26 EuÜbk.SI einige Auslegungsprobleme auf. Nach Art. 26 EuÜbk.SI ist die Vollstreckung gegen einen Vertragsstaat nur zulässig, wenn es sich bei dem Titel um eine gerichtliche Entscheidung handelt, die den in der Vorschrift formulierten Anforderungen genügt und wenn es sich bei dem Vollstreckungsgegenstand um Vermögen handelt, das von dem verurteilten Staat ausschließlich für eine auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit 80 Wiewohl das EuÜbk.SI i.V. m. dem deutschen Zustimmungsgesetz einen krassen Eingriff in den Justizgewähranspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) potentieller Vollstreckungsgläubiger Zyperns oder Österreichs darstellt, unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die insoweit allein problematische Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist nämlich deshalb zu bejahen, weil auch ein Vollstreckungsgläubiger Zyperns oder Österreichs durch das EuÜbk.SI nicht vollkommen rechtsschutzlos gestellt wird. Er kann vielmehr, wenn der Vollstreckungsschuldner nicht in die Vollstreckung einwilligt, vor dem zuständigen Gericht Zyperns bzw. Österreichs das Feststellungsverfahren gemäß Art. 21 EuÜbk.SI betreiben und so im Ergebnis die Vollstreckung im verurteilten Staat selbst erzwingen. Überdies kann sich ein solcher Vollstreckungsgläubiger bei vertraglichen Ansprüchen dadurch sichern, dass er sich von seinem Vertragspartner einen formgültigen vorweggenommenen Verzicht gemäß Art. 23 EuÜbk.SI erteilen lässt oder eine Vorleistungspflicht des Staates oder die Gestellung einer Sicherheit vereinbart.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
verwendet wird. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Art. 26 EuÜbk.SI und die Systematik des Übereinkommens scheiden Vollstreckungstitel, die nicht durch eine Gerichtsentscheidung entstanden sind, wie Prozessvergleiche (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder gerichtliche bzw. notarielle Urkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), für eine Vollstreckung gemäß Art. 26 EuÜbk.SI von vorneherein aus. Da man nicht davon ausgehen kann, dass die Vertragsparteien dieses Problem übersehen haben, kommt auch eine analoge Anwendung des Art. 26 EuÜbk.SI auf solche Titel nicht in Betracht. Vielmehr bleibt es für sie bei der Grundregel des Art. 23 EuÜbk.SI, die in diesen Fällen auch gegenüber anderen Staaten als Zypern und Österreich zur Anwendung kommt. Einem Vollstreckungsgläubiger eines Vertragsstaates muss daher dringend angeraten werden, bei der Errichtung eines solchen Vollstreckungstitels auf der Aufnahme eines ausdrücklichen Immunitätsverzichts des Staates in die Urkunde zu bestehen. Ferner ist bemerkenswert, dass ein Vollstreckungsgegenstand des Vertragsstaates der Vollstreckung nur unterliegt, wenn er ausschließlich für eine kaufmännische oder gewerbliche Tätigkeit verwendet wird. Das im Bereich des Völkergewohnheitsrechts strittige Problem der Bankkonten mit gemischtem Verwendungszweck (sogen. „mixed-accounts-Problematik“)81 stellt sich somit im Anwendungsbereich des auch insoweit immunitätsfreundlicheren82 EuÜbk.SI nicht. Allerdings sollte man das Merkmal „ausschließlich“ im Hinblick auf den durch das Übereinkommen eingeschränkten Justizgewähranspruch (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) eng auslegen. Demnach wird ein Guthaben nur dann nicht „ausschließlich“ für gewerbliche bzw. kaufmännische Tätigkeiten verwendet, wenn der für anderweitige Tätigkeiten verwendete Teil des Guthabens oberhalb einer im Einzelfall zu bestimmenden Rechtsmissbrauchs- bzw. Geringfügigkeitsgrenze liegt. Auch das Erfordernis der Verwendung des Vermögens für eine kaufmännische bzw. gewerbliche Tätigkeit geht weit über die liberaleren Anforderungen des Völkergewohnheitsrechts hinaus, die das immune Vermögen negativ bestimmen und Vollstreckungsimmunität auf für kernhoheitliche Tätigkeiten verwendetes Vermögen beschränken83. Das führt im Ergebnis dazu, dass im Anwendungsbereich des Art. 26 EuÜbk.SI Vollstreckungsimmunität für jedweden hoheitlichen Verwendungszweck zu gewähren ist. Schließlich soll noch kurz die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Merkmale des Art. 26 EuÜbk.SI erörtert werden. Anknüpfend an den Gedanken, dass das vom Gesetzgeber angeordnete Regel-Ausnahme-Verhältnis von Vorschriften 81
Siehe dazu unten im 1. Teil, B. I. 2. c) cc) (4). Die hinter dem Stand des Völkergewohnheitsrechts zurückbleibende Immunitätsfreundlichkeit des EuÜbk.SI kritisiert zu Recht: Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 534 ff. 83 Siehe dazu unten im 1. Teil, B. I. 2. a). 82
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oder Tatbestandsmerkmalen zueinander, ein für die Beweislastverteilung wesentlicher Gesichtspunkt ist84, kommt man nicht umhin, Art. 26 EuÜbk.SI als Ausnahme von der Grundregel des Art. 23 EuÜbk.SI zu verstehen85. Daraus ergibt sich, dass ein Vollstreckungsgläubiger, der im Anwendungsbereich des Übereinkommens eine Vollstreckungsmaßnahme, also etwa den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, begehrt, die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Art. 26 EuÜbk.SI trägt. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass dem Vollstreckungsgläubiger häufig der Einblick in die Verwendung des vom fremden Staat in der Bundesrepublik unterhaltenen Vermögens fehlen wird, so dass ihm dann auch die Darlegung der Verwendungszwecke, etwa im Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren, nicht möglich wäre. Daher ist ihm, auch wenn man mit der Rechtsprechung eine generelle Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei ablehnt, die Darlegungslast dadurch zu erleichtern, dass man dem Vollstreckungsschuldner auferlegt, die dem Vollstreckungsgläubiger nicht einsehbaren Verwendungszwecke offen zu legen (sogenannte sekundäre Behauptungslast)86, so dass der Vollstreckungsgläubiger, wenn er diesen Angaben keinen Glauben schenkt, gehalten ist, sie auszuräumen und zu widerlegen. b) Die Regelung im WDÜ Das WDÜ regelt in Artt. 31 Abs. 3, 37 Abs. 1 die Vollstreckungsimmunität des diplomatischen Vertreters eines fremden Staates und der zu seinem Haushalt gehörenden Familienmitglieder, die nicht Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland sind. In Art. 37 Abs. 2 und 3 WDÜ wird ferner die Vollstreckungsimmunität für die Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission und der zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder sowie für die Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission, soweit diese Personen weder Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland noch ständig in ihr ansässig sind, geregelt. Dabei wird den von Art. 37 Abs. 2 und Abs. 3 WDÜ erfassten Personen allerdings lediglich Vollstreckungsimmunität wegen ihrer in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeiten vorgenommenen Handlungen gewährt, während die dem diplomatischen Vertreter und seinen zum Haushalt gehörenden nichtdeutschen Familienmitgliedern gewährte Vollstreckungsimmunität grundsätzlich absolut ist und nur in den in Art. 31 Abs. 1 WDÜ genannten Fällen ausnahmsweise nicht eingreift87. Dabei kann zur Auslegung des Merkmales „in 84 85 86
Vgl. statt vieler: Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 17a. Kronke, IPRax 1989, 141, 146. Vgl. statt vieler: Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 34.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Ausübung dienstlicher Tätigkeit“, das bewusst parallel zum Schutzkonzept der Lehre von der relativen Staatenimmunität ausgestaltet ist, auf die im Recht der Staatenimmunität entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung von acta iure imperii und acta iure gestionis zurückgegriffen werden88. Als gemeinsame Besonderheit der Regelungen über die Vollstreckungsimmunität im WDÜ fällt auf, dass diese Regelungen im Gegensatz zu der Vollstreckungsimmunität der Staaten nicht an der Natur des Vollstreckungsobjektes ansetzen, sondern ausschließlich an der Natur des titulierten Anspruchs. Ist dieser in den Fällen von Art. 37 Abs. 2 und Abs. 3 WDÜ infolge der Ausübung dienstlicher Tätigkeit begründet worden oder im Falle der Art. 31 Abs. 3, 37 Abs. 1 WDÜ auf Grund der dort aufgeführten Sachverhalte, dann besteht bezüglich dieses Verfahrensgegenstandes sowohl Prozess- als auch Vollstreckungsimmunität, sofern kein ausdrücklicher Immunitätsverzicht gemäß Art. 32 Abs. 4 WDÜ erklärt worden ist. In allen im WDÜ geregelten Fällen der diplomatischen Vollstreckungsimmunität, also auch bei der von der dienstlichen Tätigkeit losgelösten umfassenden Immunität gemäß Art. 31 Abs. 3, 37 Abs. 1 WDÜ, wird die Immunität der geschützten Person nicht etwa als persönliches Privileg gewährt, sondern nur deswegen, um zu verhindern, dass der diplomatische Verkehr infolge der Ausübung der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates behindert werden könnte89. Da dieses Schutzgut nicht der Disposition der vollstreckungsimmunen Person unterliegt, kann diese auch nicht selbst auf ihre Immunität verzichten. Vielmehr bedarf es in allen Fällen der Vollstreckungsimmunität nach dem WDÜ eines Verzichtes durch den Entsendestaat (Art. 32 Abs. 1 WDÜ). Infolge der Orientierung der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast an dem Regel-Ausnahme-Prinzip trägt der Vollstreckungsgläubiger in den Fällen der Vollstreckungsimmunität gemäß Art. 31 Abs. 3, 37 Abs. 1 WDÜ die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der die Immunität ausnahmsweise ausschließenden tatsächlichen Umstände. Ebenso trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen aus denen sich ergibt, dass die von Art. 37 Abs. 2 WDÜ erfassten Personen ausnahmsweise deshalb nicht vollstreckungsimmun sind, weil der zu vollstreckende Anspruch entgegen der Vermutung des Art. 37 Abs. 2 S. 1 2. HS WDÜ nicht durch eine in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommene Handlung begründet wurde. Schließlich ergibt ein im Wege der systematischen Auslegung 87 Damit gilt jedenfalls für den diplomatischen Vertreter und die in seinem Haushalt wohnenden nichtdeutschen Familienmitglieder eine (nahezu) absolute Prozessund Vollstreckungsimmunität ratione personae, die gegenüber dem inzwischen weit überwiegend an dem Konzept einer Immunität ratione materiae ausgerichteten Recht der allgemeinen Staatenimmunität eine gewisse Sonderstellung einnimmt: vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 75. 88 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 76. 89 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 75.
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vorgenommener Vergleich von Wortlaut und Aufbau des Art. 37 Abs. 2 WDÜ mit Art. 37 Abs. 3 WDÜ, dass anders als bei Art. 37 Abs. 2 WDÜ der unter Art. 37 Abs. 3 WDÜ fallende Vollstreckungsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände trägt, aus denen sich ergibt, dass der zu vollstreckende Anspruch durch eine in Ausübung dienstlicher Tätigkeit vorgenommene Handlung begründet wurde und er deshalb vollstreckungsimmun ist. c) Regelung der Vollstreckungsimmunität im NTS nebst Zusatzabkommen (ZA) Während die sich mit Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland auf deutschem Hoheitsgebiet aufhaltenden Truppenverbände als solche schon nach den völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätzen der allgemeinen Staatenimmunität Vollstreckungsimmunität genießen90, gilt dies nicht für die Mitglieder der Truppe und des zivilen Gefolges und deren Angehörige. Diesen kann daher lediglich kraft besonderer völkerrechtlicher Vereinbarung Vollstreckungsimmunität zustehen91. Als eine solche Vereinbarung kommen für die Mitglieder der in Deutschland stationierten ausländischen Truppenverbände und ihres zivilen Gefolges nur das NATO-Truppenstatut einschließlich des Zusatzabkommens der Bundesrepublik Deutschland mit den Entsendestaaten in Betracht. Hiernach genießen die Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges92 gemäß Art. VIII Abs. 5 (g) NTS Vollstreckungsimmunität bei der Vollstreckung von Urteilen deutscher Gerichte, die Ansprüche titulieren, die „aus der Ausübung des Dienstes herrühren“. Über Art. VIII Abs. 5 (g) NTS hinaus darf der Entsendestaat für die Mitglieder seiner Truppe oder seines zivilen Gefolges „hinsichtlich der Zivilgerichtsbarkeit“ der Bundesrepublik Deutschland keine Vollstreckungsimmunität beanspruchen (Art. VIII Abs. 9 NTS). Diese Regelung ist mit der bereits erörterten Regelung in Art. 37 Abs. 3 WDÜ, nach der Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission in Bezug auf ihre in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeiten vorgenommenen Handlungen Vollstreckungsimmunität genießen, vergleichbar. Die Vollstreckungsimmunität knüpft auch hier nicht an die Rechtsnatur eines bestimmten geschützten Vollstreckungsgegenstandes an, sondern an die Rechtsnatur der Handlung, die dem zu vollstreckenden Anspruch zu Grunde lag. Zur Bestimmung der Rechtsnatur dieser Handlung kann aus den gleichen Gründen wie bei Art. 37 Abs. 2 und 3 WDÜ auf die im Recht der allgemeinen Staatenimmunität entwickel90
Sennekamp, NJW 1983, 2731, 2732 f. Sennekamp, NJW 1983, 2731, 2732. 92 Die Begriffe „Truppe“ und „ziviles Gefolge“ werden in Art. 1 (a) und (b) NTS legaldefiniert. 91
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
ten Grundsätze der Abgrenzung von acta iure imperii zu acta iure gestionis zurückgegriffen werden. Da hierbei auch Art. VIII Abs. 5 (g) NTS erkennbar als Ausnahme vom Grundsatz unbeschränkter Zivilgerichtsbarkeit der Bundesrepublik als Aufnahmestaat über die Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges des Entsendestaates formuliert ist, trägt auch der Vollstreckungsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die die Einordnung der Rechtsnatur der Handlung des Vollstreckungsschuldners, die den zu vollstreckenden Anspruch begründet hat, als Diensthandlung rechtfertigen93. Sonderregeln gegenüber diesen allgemeinen Grundsätzen sind für die Vollstreckung in gegen den Entsendestaat gerichtete Ansprüche eines Mitgliedes der Truppe oder ihres zivilen Gefolges (Art. 34 ZA) sowie beliebiger anderer Vollstreckungsschuldner (Art. 35 ZA) geschaffen worden, also mithin für den Fall, dass der Entsendestaat bei einer Forderungs- oder Rechtspfändung Drittschuldner ist. Dabei ist insbesondere die Regelung des Art. 34 Abs. 3 S. 1 ZA, wonach die Bezüge, die einem Mitglied der Truppe oder ihres zivilen Gefolges von seiner Regierung zustehen, der Pfändung durch ein deutsches Gericht nur unterliegen, soweit das auf dem Gebiet des Entsendestaates anwendbare Recht die Zwangsvollstreckung gestattet, von praktischer Bedeutung. Diese Vorschrift enthält allerdings bei näherer Betrachtung keine in Abhängigkeit vom Recht des Entsendestaates gewährte Vollstreckungsimmunität für den speziellen Fall, dass es sich bei dem Vollstreckungsgegenstand um Sold handelt, sondern ist eine Norm, die – vergleichbar mit den neben ihr und unabhängig von ihr ebenfalls anwendbaren §§ 850–852 ZPO94 – nach Maßgabe des Rechts des Entsendestaates Pfändungsschutz gewährt. Demgegenüber enthält Art. 35 (b) ZA eine aus immunitätsrechtlicher Sicht bemerkenswerte Regelung. Sie gewährt nämlich dem Entsendestaat als Drittschuldner im Forderungspfändungsverfahren gegen einen Vollstreckungsschuldner, der nicht Mitglied der Truppe oder des zivilen Gefolges ist, Immunität. Dies wird zwar in der genannten Vorschrift nicht expressis verbis ausgesprochen, ergibt sich aber daraus, dass dem Entsendestaat nicht etwa ein Pfändungsund Überweisungsbeschluss zugestellt wird, sondern ein „Ersuchen“ des 93 Bei Ansprüchen auf Schadensersatz ist noch die Sonderregel des Art. VIII Abs. 8 NTS zu beachten, wonach, wenn Streit darüber entsteht, ob eine zu Schadensersatz verpflichtende Handlung oder Unterlassung eines Mitgliedes einer Truppe oder eines zivilen Gefolges in Ausübung des Dienstes begangen worden ist, die Entscheidung dieser Rechtsfrage einem Schiedsrichter vorbehalten ist, dessen Entscheidung über diesen Punkt endgültig und unanfechtbar ist. Dieser Schiedsrichter wird gemäß Art. 2 Abs. 2 (b) NTS im Einvernehmen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem beteiligten Entsendestaat ausgewählt und muss eine Person sein, die der Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmestaat angehört und „hohe richterliche Ämter innehat und innegehabt hat“. 94 Hartmann in: Baumbach/Albers/Lauterbach/Hartmann, ZPO, Schlussanhang III, Art. 34 ZabkNTrSt, Rdnr. 4.
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Vollstreckungsgerichts übermittelt wird. Auf dieses formlose „Ersuchen“ hinterlegt die Behörde der Truppe oder des zivilen Gefolges von der Summe, die sie anerkennen, dem Vollstreckungsschuldner zu schulden, den in dem Ersuchen genannten Betrag, wodurch sie in Höhe des hinterlegten Betrages von ihrer Schuld gegenüber dem Vollstreckungsschuldner befreit werden. Dieses auf freiwillige Mitwirkung des Entsendestaates ausgerichtete Verfahren bringt zum Ausdruck, dass der Drittschuldner als von der deutschen Gerichtsbarkeit immun behandelt werden soll95. 2. Völkergewohnheitsrechtlich begründete Vollstreckungsimmunität
a) Dogmatische Grundlagen und historische Entwicklung Soweit Vollstreckungsimmunität kraft völkervertraglicher Vereinbarung ausscheidet, kommt nur noch Immunität kraft Völkergewohnheitsrechts (Art. 25 GG) in Betracht. Die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln über die Vollstreckungsimmunität sollen – jenseits der noch zu erörternden Frage, ob auch rechtlich selbständige Untergliederungen des Staates oder gar ausländische Privatrechtssubjekte in ihren Anwendungsbereich fallen – einen fremden Staat vor der Ausübung innerstaatlicher Vollstreckungsgewalt schützen („Staatenimmunität“)96. Im heute geltenden Völkerrecht wird die Staatenimmunität und mithin auch die Vollstreckungsimmunität aus den beiden allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundprinzipien der Souveränität und der Gleichheit der Staaten hergeleitet 97. Soweit es um den allge95 Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 268 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 187 m. w. N. in Fußn. 339. Vgl. dazu auch LG Stuttgart, NJW 1986, 1442, Beschl. v. 15.01.1986 – 2 T 791/85, das dem NTS zu Recht die Wertung entnimmt, dass der Entsendestaat im Anwendungsbereichs des Abkommens in seiner Rolle als Drittschuldner Immunität genießt. Auch im konkret vom LG Stuttgart entschiedenen Fall, der Art. 34 ZA betraf, trifft dies zu, denn es ist nicht einzusehen, dass das ZA den Entsendestaat in dem Fall, in dem der Gläubiger ein Mitglied der Truppe oder des zivilen Gefolges ist, weniger weitgehend vor Vollstreckungsmaßnahmen „schützen“ soll, als wenn es sich um einen sonstigen Gläubiger handelt. Im Ergebnis ebenso: Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 47. 96 Deshalb spricht R. Geimer in Übereinstimmung mit der völkerrechtlichen Literatur von „Staatenimmunität“ und behandelt unter diesem Oberbegriff mit Recht auch die Fragen, ob etwa Staatsunternehmen oder Zentralbanken in den Anwendungsbereich der Regeln über die Vollstreckungsimmunität fallen (vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnrn. 555 ff.). Vgl. zum Begriff der Staatenimmunität allgemein: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 1. In einem weiten Verständnis fallen unter den Begriff der Staatenimmunität auch die Regeln über die diplomatische Immunität, die ebenfalls nicht als Privileg des Diplomaten zu verstehen sind, sondern dem Schutz des fremden Staates bei der Pflege seiner auswärtigen Beziehungen dienen. 97 Sorgfältige Herleitung bei Bröhmer, State immunity and the violation of human rights, S. 9 ff. und Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 568; im Ergebnis
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meinen Grundsatz geht, dass einem fremden Staat prinzipiell ein Anspruch auf Immunität im Vollstreckungsverfahren eines anderen Staates zustehen kann, besteht schon seit mehr als einem Jahrhundert weltweite Einigkeit98. Dabei ging die Staatspraxis vieler Staaten zunächst von der Lehre von der absoluten Staatenimmunität99 im Vollstreckungsverfahren aus, wonach ein Vollstreckungsverfahren gegen einen fremden Staat als Vollstreckungsschuldner per se unzulässig ist100. Die Entstehung dieser Lehre ist historisch mit der Entstehung des modernen Staates im Zuge der Ablösung des Feudalismus durch absolutistische Herrschaftsformen zu erklären. Damit einher ging nämlich, dass das Unterworfensein unter hoheitliche Gewalt nicht mehr aus der personal strukturierten Lehnsbeziehung zwischen Lehnsgeber und -nehmer folgte, sondern aus dem Territorialprinzip, der absoluten Herrschaftsgewalt des Landesherrn über sein Territorium. Das Territorialprinzip hatte zur Konsequenz, dass der im Herrschaftsgebiet befindliche Ausländer dem territorial geltenden Recht und der Gerichtsgewalt des Landesherrn ebenso unterworfen war wie der Inländer101. Dies galt in letzter Konsequenz auch für den sich auf dem Herrschaftsgebiet aufhaltenden Landesherrn eines anderen Herrschaftsgebietes. Die sich hieraus ergebende Kollision des aus dem Territorialitätsprinzip folgenden absoluten Machtanspruchs der nach der Überwindung lehensrechtlicher Herrschaftsformen entstehenden souveränen Flächenstaaten über ihr Hoheitsgebiet mit dem naturrechtlich begründeten Verständnis von der gottgleichen, der weltlichen Gewalt nicht unterworfenen Stellung der Landesherren begünstigte die Entstehung der Lehre von der absoluten Staatenimmunität. Die damaligen Herrscher, die häufig durch familiäre Bande miteinander verknüpft waren, hatten nämlich keinerlei Interesse daran, die Lehre von ihrer Immunität gegenüber der weltlichen Macht durch die Ausübung von Gerichtsgewalt über ebenso: OGH, Beschl. v. 14.02.2001 – 7 Ob 316/00x, IPRax 2002, 418, 419. Demgegenüber werden auch die Unabhängigkeit der Staaten und die Würde des Staates als Geltungsgründe angeführt: vgl. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 30 f. sowie Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 11 ff. Da die Unabhängigkeit der Staaten in den Prinzipien der Souveränität und der Gleichheit mitenthalten sind und die Unvereinbarkeit der Gerichtsunterworfenheit mit der Würde eines fremden Staates auf einem überholten autoritären Staatsverständnis beruht, ist dem hier vertretenen Begründungsansatz, dass die Staatenimmunität auf den Prinzipien der Souveränität und der Gleichheit beruht, der Vorzug zu geben. 98 Vgl. die Nachweise in BVerfGE 46, 342, 365–388, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 590 f. 99 Vgl. dazu R. Geimer, IZPR, Rdnr. 557 und Boguslaswskij, IPRax 2002, 43, 44. 100 Vgl. die gründliche Untersuchung der Staatenpraxis zahlreicher Staaten in BVerfGE 46, 342, 365–381, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76 sowie Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 167. 101 Vgl. zu dieser historischen Entwicklung, die zur Entstehung des strengen Territorialprinzipes führte: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 68 ff.
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fremde Fürsten in Frage zu stellen102. Daher räumte man den fremden Herrschern als Person großzügig im Eigeninteresse absolute Immunität ein. Die Immunität entstand demnach aus der Vorstellung von einer personell abgeleiteten Immunität, einer Immunität ratione personae103. Ob diese Lehre jemals einen solchen Verbreitungsgrad erreicht hatte, dass sie zum Völkergewohnheitsrecht gehörte, ist jedoch bis heute ungeklärt104. Entsprechend dem in dieser Arbeit noch häufig zu thematisierenden weltweiten Trend der Liberalisierung des Souveränitätsverständnisses gingen seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer mehr politisch gewichtige Staaten zur Lehre von der relativen oder beschränkten Staatenimmunität105 im Vollstreckungsverfahren über, die dem Staat – grob gesagt – Vollstreckungsimmunität nur dann gewährt, wenn der Vollstreckungsgegenstand hoheitlichen Zwecken dient106. Hintergrund für diesen Rechtswandel war der Umstand, 102 Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 13 f. m.w.N; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 4 f. 103 Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 20. Hierauf beruht auch der Bartolus zugeschriebene Satz: „Par in parem non habet imperium“, der auch heute noch in der Immunitätslehre immer wieder bemüht wird, ohne dass man sich der historischen Wurzeln dieses Satzes im Absolutismus bewusst ist: vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 5. 104 Steinberger, in: FS Carstens II, 889, 901 ff. hegt daran erhebliche Zweifel und belegt dies mit zahlreichen Beispielen aus der Staatspraxis, die bis ins 17. Jahrhundert zurück reichen; ebenso Schaumann, BerDGVR 8 (1968), S. 22 f., der darauf hinweist, dass in der Zeit, in der angeblich die Lehre von der absoluten Immunität galt, der Handel treibende Staat die große Ausnahme gewesen sein dürfte; zweifelnd: Ress, ZaÖR 40 (1980), 217, 224 f.; a. A. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 167, wonach bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein die Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität eine Regel des Völkergewohnheitsrechts gewesen sein soll. 105 Vgl. dazu R. Geimer, IZPR, Rdnr. 558 und Boguslawskij, IPRax 2002, 43, 44 f. 106 BVerfGE 46, 342, 374–381, Beschl. v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76: mit Nachweisen zu einem entsprechenden Wandel in Frankreich, den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland sowie BVerfGE 64, 1, 24–34, Beschl. v. 12.04.1983 – 2BvR 678, 679, 680, 681, 683/81, wo das Bundesverfassungsgericht darlegt, dass sich der in der vorgenannten Entscheidung festgestellte Wandel verfestigt hat und dies insbesondere für Großbritannien, Singapur, Pakistan, Südafrika, Kanada, die Schweiz, Frankreich, Belgien und die Niederlande sorgfältig mit Nachweisen belegt. Zu dem gleichen Ergebnis kommt die jüngere Untersuchung von Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 121–192 für Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, die Niederlande, Großbritannien und die USA sowie von Kröll, IPRax 2002, 439 ff. für Frankreich. Dabei arbeitet Kröll a. a. O. heraus, dass die Lehre von der beschränkten Vollstreckungsimmunität in Frankreich jahrzehntelang sehr restriktiv gehandhabt worden ist, wohingegen sich seit Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts dort nunmehr auch eine zunehmend großzügigere Auslegung dieser Lehre durchgesetzt hat. Bereits in dem 1958 veröffentlichten Beitrag in FS für Nikisch, 153, 156 führt Dahm aus, dass sich eine
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dass sich die Staaten spätestens seit der russischen Oktoberrevolution von 1917 zunehmend am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr beteiligten107. Hinzu kam, dass sich die Staaten immer häufiger an ausländische Banken und internationale Finanzorganisationen wandten, um Kredite zu erhalten108. Inzwischen kann man von einem nahezu weltweiten Siegeszug der Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität sprechen109. Diese Lehre wurde schließlich auf der Grundlage vieler in diese Richtung weisender Gerichtsentscheidungen110 und Ansätze in der Lehre111, im deutschen Sprachraum insbesondere durch die Habilitationsschrift von Jolanta Kren Kostkiewicz, zur Lehre von der funktionell begründeten Immunität112 fortentwickelt. Danach ist der maßgebliche Grund für die Gewährung von Vollwachsende Neigung zur Anwendung der Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität unter den Staaten bemerkbar mache. Wegen der gegenüber der Durchführung des Erkenntnisverfahrens höheren politischen Brisanz des Vollstreckungsverfahrens verlief der Übergang von der Lehre von der absoluten Immunität zur Lehre von der relativen Immunität im Vollstreckungsverfahren zögerlicher als die vergleichbare Entwicklung im Erkenntnisverfahren: vgl. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 34 f. 107 Seidl-Hohenveldern, Festschrift für Beitzke, 1081, 1083; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 31; Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 15 f.; Brownlie, Principles of Public International Law, XVI 4, S. 329 f. 108 Boguslawskij, IPRax 2002, 43, 45. 109 So führt etwa Schreuer, State Immunity, S. 134, aus, es sei schwierig aktuelle Gerichtspraxis aufzufinden, in der noch die Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität angewandt werde. Allerdings ist die Theorie der absoluten Vollstreckungsimmunität noch in einigen Staaten der GUS verbreitet, die sie in ihren Zivilprozessordnungen kodifiziert haben. Die Staatenpraxis der Russischen Föderation selbst geht von der Lehre von der relativen Staatenimmunität aus: vgl. Boguslawskij, IPRax 2002, 43, 45 ff. Brownlie, Principles of Public International Law XVI 4, S. 330 f. weist höchstrichterliche Entscheidungen aus 20 Staaten nach, die diese Lehre zugrundelegen. Ferner führt er 11 Staaten an, die ihre grundsätzliche Zustimmung zu ihr erklärt haben und 7 weitere Staaten, die sie in ihren Immunitätskodifikationen niedergelegt haben. Vgl. ferner zum Siegeszug der Lehre von der relativen Staatenimmunität: Ress, ZaÖRV 40 (1980), 217, 244. Im Kontext dieser weltweiten Entwicklung wirkt der in jüngerer Zeit ergangene Beschluss des österreichischen OGH (Beschl. v. 14.02.2001 – 7 Ob 316/00x, IPRax 2002, 418, 419 f.), wonach einem ausländischen Staatsoberhaupt auch im Bezug auf private Akte (in casu: Vaterschaftsfeststellungsklage) absolute Immunität zukommen soll, anachronistisch. 110 Besonders wichtig war insoweit der Botschaftskonto-Beschluss des BVerfG vom 13.12.1977 (BVerfGE 46, 342 ff.), auf den ich noch ausführlich zu sprechen kommen werde. 111 Vgl. insoweit insbesondere Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 5 ff., insbesondere S. 145. 112 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 334 ff; ebenso: Tomuschat, IPRax 2002, 437, 438 f.; in diese Richtung bereits zuvor: Schreuer, State Immunity, S. 93 ff.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 68 ff.
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streckungsimmunität im Schutz der Funktionsfähigkeit des fremden Staates bei der Ausübung hoheitlicher Kernaufgaben zu sehen und die Abgrenzung hoheitlicher/nichthoheitlicher Zwecke auf der Grundlage dieses Schutzzwecks der Immunität vorzunehmen. In jüngster Zeit ist ein weiterer Streit darüber entbrannt, ob die Immunität über die geschilderte Entwicklung hinaus auch im Bereich hoheitlichen Handelns dann einzuschränken ist, wenn das hoheitliche Handeln krass völkerrechts- und/oder menschenrechtswidrig ist. Diese Entwicklung wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt, da sie unter den Staaten noch viel zu umstritten ist, um in einem überschaubaren Zeitraum zu Völkergewohnheitsrecht zu erstarken und weil sie überdies bislang auf das Erkenntnisverfahren beschränkt war113. Hinsichtlich der oben aufgezeigten Entwicklungslinien im Recht der Staatenimmunität ist Deutschland geradezu ein „Musterbeispiel“ für diesen Wandel im Laufe der Zeit. Noch im Jahre 1910 hatte der Königlich Preußische Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte im berühmten „Hellfeld-Fall“114 auf der Basis der Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität auf Grund eines vom deutschen Waffenhändler Hellfeld erstrittenen Urteils gegen das russische Kaiserreich einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in eine Guthabensforderung des russischen Kaiserreiches gegen das Bankhaus Mendelssohn in Berlin mit der Begründung aufgehoben, dass fremde Staaten, abgesehen von Immobiliarprozessen und dem Fall freiwilliger Unterwerfung, der inländischen Vollstreckungsgewalt nicht unterworfen seien. Dieser Entscheidung folgte dann auch die Gerichtspraxis des Deutschen Reiches115. Mit den auch für die Völkerrechtswissenschaft wegweisenden Beschlüssen vom 17.12.1976 (Botschaftskonto)116 und vom 113 Vgl. zu diesem Problemkreis etwa: Rensmann, IPRax 1998, 44 ff; Bröhmer, State Immunity and the violation of Human Rights. Es ist auch nur schwer vorstellbar, wie diese Problematik im Vollstreckungsverfahren praktische Bedeutung erlangen sollte. Ein denkbares Beispiel dafür wäre, dass ein Staat in der Bundesrepublik Deutschland Konten unterhält, die zur Anschaffung von Waffen dienen, mit denen ein Angriffskrieg vorbereitet werden soll oder die dazu dienen, Profikiller zu bezahlen, die in Deutschland lebende unliebsame Regimekritiker beseitigen. Derartige Zweckbestimmungen werden allerdings kaum je einmal beweisbar sein, abgesehen davon, dass kaum vorstellbar ist, dass ein Vollstreckungsgläubiger im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens derartig scharfes Geschütz auffahren wird. 114 Urteil vom 25. Juli 1910. 115 BVerfGE 46, 342, 379; Steinberger, in: FS Carstens II, 889; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 141 jeweils m. w. N. 116 BVerfGE 46, 342 ff. – 2 BvM 1/76. Dem Vorlage-Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die ehemalige Vermieterin von Büroräumen für die Botschaft der Republik der Philippinnen erwirkte wegen offenstehender Mietzinsansprüche gegen die Republik der Philippinen ein Versäumnisurteil auf Zahlung von insgesamt 95.231,86 DM. Auf ihren Antrag erließ das AG Bonn einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den die Forderung der Republik der Philippinen gegen die Deutsche Bank AG, Filiale Bad Godesberg, aus
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
12.04.1983 (Nationale Iranische Ölgesellschaft)117 vollzog das BVerfG für die Bundesrepublik Deutschland die endgültige Kehrtwende hin zur Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität und stellte dabei zugleich wegweisend auf den grundlegenden Gesichtspunkt des Schutzes der Funktionsfähigkeit des fremden Staates ab. Diese beiden grundlegenden Beschlüsse sollen nachfolgend kurz dargestellt und analysiert werden. b) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aa) „Der Botschaftskonto-Beschluss“ Im Botschaftskonto-Beschluss legt das BVerfG dar, dass auf Grund einer gewandelten Staatenpraxis in zahlreichen Ländern die Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität nicht mehr als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts und mithin nicht mehr als allgemeine Regel des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG angesehen werden kann118. Unter Anwendung des noch ausführlicher zu besprechenden methodischen „Prinzips der unteren Grenze“, wonach bei sich teilweise deckenden Rechtsansichten der kleinste gemeinsame Nenner der Ansichten (Schnittmenge) von allgemeiner Überzeugung getragen und daher Völkergewohnheitsrecht ist, kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass zwischenzeitlich die Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität eine allgemeine Regel des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG darstellt119. Danach sind positiv formuliert in der BundesrepuGiroverträgen über ein Konto gepfändet wurde. Gegen diesen Beschluss legte die Republik der Philippinen Erinnerung zum AG Bonn ein. Zur Begründung führte sie aus, das Konto unterliege nicht dem Zugriff der deutschen Gerichtsbarkeit, da es sich um ein Botschaftskonto handele, das unter der Bezeichnung „Botschaft der Philippinen“ eröffnet worden sei und für das jeweils nur der Botschafter oder Geschäftsträger und der zuständige Botschaftsbedienstete zeichnungsberechtigt seien. Das AG Bonn setzte das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG aus und legte es dem BVerfG zur Entscheidung vor. 117 BVerfGE 64, 1 ff. – 2BvR 678, 679, 680, 681, 683/81. Den verbundenen Verfassungsbeschwerdeverfahren lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Auf die Anträge mehrerer britischer und amerikanischer Gesellschaften hin ordnete das LG Frankfurt a. M. den dinglichen Arrest in das Vermögen der Nationalen Iranischen Ölgesellschaft an und pfändete in Vollziehung der Arrestbefehle Forderungen in Höhe von 199.729.309, 88 US Dollar aus Konten, die von der Ölgesellschaft bei Banken in der Bundesrepublik Deutschland unterhalten wurden. Die Ölgesellschaft, die im Eigentum der Islamischen Republik Iran stand, legte gegen die Pfändungsbeschlüsse Erinnerungen ein, die vom LG Frankfurt a. M. zurückgewiesen wurden. Die gegen die die Erinnerungen zurückweisenden Beschlüsse eingelegten sofortigen Beschwerden wurden vom OLG Frankfurt ebenfalls zurückgewiesen. 118 BVerfGE 46, 342, 388 f. 119 BVerfGE 46, 342, 392 f. Sowohl die Methode als auch das Ergebnis waren allerdings bereits vorgezeichnet: Dahm war schon 20 Jahre zuvor in seinem grund-
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blik Deutschland Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen einen fremden Staat in seine Vermögensgegenstände, die sich im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befinden oder dort belegen sind, dann zulässig, wenn die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Titel erfolgt, der über ein nicht-hoheitliches Handeln dieses Staates ergangen ist (acta iure gestionis), und wenn ferner der fremde Staat entweder der Vollstreckung zustimmt oder der Vollstreckungsgegenstand im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient120. Bei der Anwendung dieses Rechtssatzes lässt es das BVerfG ausdrücklich offen, ob die Qualifikation eines Vermögensgegenstandes als hoheitlichen Zwecken dienend nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland oder nach durch das Völkerrecht zu bestimmenden allgemeinen Kriterien zu erfolgen hat121. Dies kann es deshalb, weil in Bezug auf Gegenstände, die der Wahrnehmung amtlicher Funktionen der diplomatischen Vertretung eines fremden Staates im Gerichtsstaat dienen, kraft Völkergewohnheitsrechts Sonderregelungen bestehen, die es verbieten, auf Vermögensgegenstände zuzugreifen, die abstrakt der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Botschaft dienen122. Hierbei hebt das BVerfG hervor, dass die privatrechtliche Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses der kontoführenden Bank zum fremden Staat einer Qualifikation der Bankguthaben als hoheitlichen Zwecken dienend schon deshalb nicht im Wege steht, weil der fremde Staat aus eigener Hoheitsgewalt heraus nicht in der Lage ist, Sachen oder Rechte, die der Ausübung diplomatischer Funktionen oder der Aufrechterhaltung des Botschaftsbetriebes dienen, mit Wirkung für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland als hoheitlich zu qualifizieren. Da ihm die bundesdeutsche Rechtsordnung aber lediglich die Begründung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse eröffnet, würde ein Abstellen auf die Rechtsnatur der Rechtsbeziehung zwischen der Bank und dem fremden Staat zu einer sinnwidrigen Verkürzung des Immunitätsschutzes führen. Es muss daher für die hoheitliche Zweckbestimmung ausreichen, dass das Konto unmittelbar zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Funktionen des fremden Staates eingesetzt wird123. Dabei verwehrt es das Völkerrecht nicht, zum Nachweis der Zweckbestimmung deren Glaubhaftmachung zu verlangen. Dafür ist
legenden Beitrag in FS für Nikisch, 153, 162 f. auf dem gleichen Weg zu diesem Ergebnis gelangt. Vgl. zu dieser Methode allgemein: Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 377 f. 120 BVerfGE 46, 342, 364, wobei das BVerfG dort die allgemeine Regel negativ formuliert, also ausspricht, unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckung kraft Völkergewohnheitsrechts unzulässig ist. 121 BVerfGE 46, 342, 394. 122 BVerfGE 46, 342, 394. 123 BVerfGE 46, 342, 398 f.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
eine eidesstattliche Versicherung des zuständigen Organs des Staates ausreichend124. Bereits mit diesem Beschluss wurden wesentliche Grundprobleme der Vollstreckungsimmunität für die Bundesrepublik Deutschland geklärt. Dabei soll nachfolgend der konkrete Inhalt der Lehre von der relativen Vollstrekkungsimmunität untersucht werden, so wie sie das BVerfG für die deutsche Rechtsordnung festgelegt hat. Dabei fällt zunächst auf, dass das BVerfG die Vollstreckung gegen einen fremden Staat in zwei Fallgestaltungen für zulässig hält: Zum einen im Falle der Zustimmung des fremden Staates zur Vollstreckung (Immunitätsverzicht) und zum anderen im Falle der nicht hoheitlichen Zweckbestimmung des Vollstreckungsgegenstandes. Zum Immunitätsverzicht, insbesondere zu dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen, sagt das BVerfG nichts aus, da diese Fallgestaltung nicht Gegenstand der Vorlagefrage war. Hinsichtlich der anderen Fallgestaltung ist zunächst einmal bemerkenswert, dass das BVerfG – anders als bei der Anwendung der Lehre von der relativen Immunität im Erkenntnisverfahren125 – nicht auf eine objektiv zu bestimmende (Rechts-)Natur des Vollstreckungsgegenstandes abstellt, sondern auf die vom Staat, respektive dem zuständigen Staatsorgan, subjektiv getroffene Zweckbestimmung126. Dies ist die Folge davon, dass es im Vollstreckungsverfahren nicht wie im Erkenntnisverfahren um die Qualifikation der Rechtsnatur des staatlichen Verhaltens geht127. Durch das Abstellen auf die Zweckbestimmung wird klar, dass es für die Qualifikation nicht darauf ankommt, ob das Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner (hier: der fremde Staat) und Drittschuldner privatrechtlicher Rechtsnatur ist, denn die Zweckbestimmung wird einseitig vom Staat getroffen und ist von diesem Rechtsverhältnis unabhängig zu sehen. Daraus könnte man allgemein schlussfolgern, dass Vermögenswerte, die der Staat zur Durchführung öffentlicher Aufgaben mit Mitteln des Privatrechts (z. B. Beschaffungskäufe) einsetzt, ohne weiteres für die Einstufung der Zweckbestimmung als „hoheitlich“ in Betracht kommen, wenn nur die Aufgabe selbst als hoheitlich einzuordnen ist (z. B. Landesverteidigung). Dennoch kann man dem Botschaftskonto-Beschluss die Argumentation, dass wenn der Gerichtsstaat dem fremden Staat nur das Privatrecht als Instrument seiner Aufgabenerfüllung zur Verfügung stellt, eben nur die in der Sache wahrgenommene Aufgabe Gegenstand der Qualifikation der Zweckbestimmung sein kann, nicht in dieser Allgemeinheit entnehmen. Denn das 124
BVerfGE 46, 342, 400. BVerfGE 16, 27, 61 f., Beschl. v. 30.04.1963 – 2 BvM 1/62. 126 Genau dieses Abstellen auf den vom Staat mit einer Tätigkeit verfolgten Zweck verbietet sich aber im Erkenntnisverfahren: vgl. statt vieler: Schack, IZPR, Rdnr. 149. 127 Steinberger, in: FS für Carstens II, 889, 896. 125
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BVerfG beschränkt seine diesbezügliche Argumentation mangels anderweitiger Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich auf die Erfüllung diplomatischer Aufgaben, also auf das auf völkerrechtlichen Sonderregeln beruhende Gesandtschaftsrecht128. Ob diese Argumentation auch auf andere Forderungen und Rechte übertragbar ist, bleibt also offen. Ferner verlangt das BVerfG, dass der immune Vollstreckungsgegenstand im Zeitpunkt des „Beginns der Vollstreckungsmaßnahme“ hoheitlichen Zwecken dient. Damit soll Manipulationsmaßnahmen des Vollstreckungsschuldners vorgebeugt werden. Die Fallgestaltung der Immunität kraft hoheitlicher Zweckbestimmung des Vollstreckungsgegenstandes würde praktisch ins Leere laufen, da der Staat den Gegenstand in jedem Verfahrensstadium nach seinem Belieben durch eine hoheitliche Zweckbestimmung der Vollstreckung entziehen könnte. Praktisch wäre dann eine Vollstreckung nur im Falle des Immunitätsverzichtes möglich. Dies alles vermeidet das BVerfG dadurch, dass es den „Einwand der überholenden Immunität“ für unerheblich erklärt. Die Frage, wann man von einem „Beginn der Zwangsvollstreckung“ sprechen kann, entscheidet sich nach der lex fori, also nach deutschem Zwangsvollstreckungsrecht. Danach beginnt die Zwangsvollstreckung mit dem Beginn des ersten Vollstreckungsaktes, also mit dem ersten auf zwangsweise Durchsetzung des Titels gerichteten Akt des Vollstreckungsorgans129. Dies ist bei der Forderungspfändung die Hinausgabe der unterschriebenen Verfügung des Pfändungsbeschlusses in den Geschäftsgang (Einlegung ins Postabholfach oder Übergabe an den Justizwachtmeister zur Beförderung durch die Post) und nicht erst die Zustellung des Beschlusses130. Des weiteren ist durch das Kriterium des Verwendungszwecks geklärt, dass es auf Ursprung und Herkunft der Mittel für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität nicht ankommt131. Dies erscheint auf den ersten Blick verwunderlich, wenn 128
BVerfGE 46, 342, 398 f. Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 8 ff. 130 Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 10; Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Grundz § 704, Rdnr. 51. Demgegenüber stellt Stöber in: Zöller, ZPO, Vor § 704 Rdnr. 33 schon auf die zeitlich davor liegende Unterzeichnung des Beschlusses ab. Das ist m. E. deshalb ungenau, da der Beschluss dann noch ein Gerichtsinternum ist, während sich das Vollstreckungsgericht durch die Hinausgabe seiner entäußert und nun darauf abzielt, ihm Außenwirkung beizulegen. Noch weitergehend will von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2986 bezogen auf die hier erörterte Immunitätsproblematik den Beginn der Vollstreckung bereits ab der Stellung des Antrages auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bejahen. Dem ist allerdings schon deshalb nicht zu folgen, weil es nach dem Sinn der Definition des BVerfG darum geht, eine zeitliche Grenze für den Zugriff durch den Gerichtsstaat zu ziehen. Dieser ist aber erst in der Vollstreckungshandlung zu sehen und nicht schon in der Verfahrenseinleitung durch den Vollstreckungsgläubiger. 131 Dies bekräftigt das BVerfG in BVerfGE 64, 1, 42 nochmals deutlich. 129
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man etwa an Steuereinnahmen oder die Einnahmen aus Gebühren für die Vornahme von Hoheitsakten durch die Botschaft denkt (z. B. für die Erteilung oder Verlängerung eines Reisepasses oder die Erteilung eines Visums). Dies sind gerade „Einnahmequellen“, die typischerweise im Sachzusammenhang zu klassisch-hoheitlichem Handeln des Staates stehen und mithin außerhalb des Bereichs der wirtschaftlichen Betätigung des Staates, um dessen Erfassung es der Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität geht. Trotzdem liegt das BVerfG richtig, wenn es die Mittelherkunft als immunitätsrechtlich unerheblich einstuft132. Denn nach der Vereinnahmung von Gebühren, Steuern etc. obliegt es allein den zuständigen Staatsorganen darüber zu entscheiden, wie die Mittel fortan verwendet werden sollen. Dabei ist auch eine rein „unternehmerische“ Verwendung denkbar. Entscheidet sich der Staat aber für eine privatwirtschaftliche Mittelverwendung, so gibt es auf der Basis der Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität keinen Grund, dies allein auf Grund des hoheitlichen Ursprungs der Mittelerzielung immunitätsrechtlich zu privilegieren. Allerdings kann der Sachzusammenhang zu klassisch hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung bei auf deutschem Hoheitsgebiet erzielten Einnahmen (Visumserteilung durch die Botschaft) im Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren Grundlage eines Anscheinsbeweises für eine hoheitliche Zweckbestimmung sein, da solche Mittel ihrerseits typischerweise unmittelbar für hoheitliche Zwecke weiterverwendet werden (z. B. Deckung der Kosten der Amtshandlung). Dennoch wird auch in diesen Fällen eine eidesstattliche Versicherung über die Mittelverwendung durch das zuständige Organ des Staates zu verlangen sein, wenn der Vollstreckungsgläubiger die hoheitliche Zweckbestimmung substantiiert bestreitet. Schließlich ist noch zu fragen, nach welchen Kriterien eine Wertung der Zweckbestimmung als hoheitlich bzw. nichthoheitlich vorzunehmen ist. Das BVerfG beantwortet diese Frage im BotschaftskontoBeschluss ebenso wenig wie die Frage, nach welcher Rechtsordnung die Wertung zu erfolgen hat. Für die praktische Rechtsanwendung bleibt lediglich das Ergebnis, dass jedenfalls die Zweckbestimmung „Aufrechterhaltung des Botschaftsbetriebes“ eine solche hoheitliche Zweckbestimmung darstellt. Daraus lassen sich jedoch für das allgemeine Abgrenzungsproblem, wann eine Zweckverwendung „hoheitlich“ ist, keine Schlussfolgerungen ziehen, da das BVerfG bei seiner Einordnung ausdrücklich mit darauf abhebt, dass sie auf den völkergewohnheitsrechtlich vorgegebenen Sonderregeln des Gesandtschaftsrechts beruht. In beiden Fällen zulässiger Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen fremden Staat, also sowohl beim Immunitätsverzicht als auch bei der Vollstreckung in Vermögen, das nicht hoheitlichen Zwecken dient, müssen nach 132
So auch von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2986.
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dem vom BVerfG aufgestellten Satz zusätzlich zwei weitere allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein: Der Vollstreckungsgegenstand muss sich im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befinden oder dort belegen sein und es muss sich um einen gerichtlichen Vollstreckungstitel handeln, der über ein nichthoheitliches Verhalten des Staates ergangen ist (acta iure gestionis). Die erstgenannte Voraussetzung ist allerdings nicht immunitätsrechtlich geboten, sondern ist vielmehr Ausdruck der zweiten völkerrechtlichten Schranke der Gerichtshoheit: der Achtung der Gebietshoheit, respektive der Gerichtshoheit, des anderen Staates133. Die zweite Voraussetzung soll verhindern, dass eine bereits begangene Verletzung des Völkerrechts, die darin liegt, dass entgegen der kraft Völkergewohnheitsrechts auch im Erkenntnisverfahren geltenden Lehre von der relativen Immunität ein Verfahren gegen einen immunen Staat durchgeführt und abgeschlossen wurde, weiter vertieft wird. So verstanden ist die Voraussetzung durch das BVerfG allerdings zu eng formuliert worden. Denn auch wenn der Titel über ein hoheitliches Verhalten des fremden Staates ergangen ist, ist er völkerrechtmäßig ergangen, wenn der fremde Staat für das Erkenntnisverfahren auf seine Immunität verzichtet hat. Ferner muss es sich auch nicht notwendig um einen gerichtlichen Vollstreckungstitel handeln. Denn auch eine notarielle Urkunde, in der der fremde Staat sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist im Einklang mit dem Völkerrecht errichtet worden, da der Staat durch die Abgabe der Unterwerfungserklärung auf die Durchführung des Erkenntnisverfahrens und damit zugleich auf die Gewährung immunitätsrechtlichen Schutzes in dem titelschaffenden Verfahren durch den Gerichtsstaat verzichtet hat134. Die zweite allgemeine Voraussetzung ist daher gegenüber der vom BVerfG gewählten Formulierung dahingehend zu verändern, dass ein vollstreckbarer Titel vorliegen muss, der ohne Verletzung der Immunität des fremden Staates geschaffen worden ist. Auf Grund der vorstehenden kurzen Analyse kann man als Ergebnis des Botschaftskonto-Beschlusses festhalten, dass bei einer Pfändung von Forderungen oder anderen Rechten, deren Inhaber ein fremder Staat ist, die deutsche Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Immunität nicht verneint werden kann, wenn der der Pfändung zu Grunde liegende Vollstreckungstitel ohne Immunitätsverletzung geschaffen wurde und wenn für die Forderung oder das Recht im Zeitpunkt der Hinausgabe der vom Rechtspfleger unterschriebenen Verfügung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in den Geschäftsgang keine hoheitliche Zweckbestimmung vorliegt oder aber der Staat für das Vollstreckungsverfahren auf seine Immunität verzich133 134
Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 173 Fußn. 286. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 170.
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tet. Wie diese Regel auszulegen ist, bleibt offen, da sich der Botschaftskonto-Beschluss auf den Sonderfall des Gesandtschaftsrechts beschränkt. bb) Der „National Iranian Oil Company-Beschluss“ In dem National Iranian Oil Company-Beschluss legt das BVerfG dar, dass es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, die es gebietet, einen fremden Staat als Inhaber von Forderungen aus Konten zu behandeln, die bei Banken im Gerichtsstaat unterhalten werden und auf den Namen eines rechtsfähigen Unternehmens des fremden Staates lauten135. Infolge dessen kommt bei der Pfändung und Überweisung von Forderungen und Rechten, deren Inhaber ein rechtsfähiges Unternehmen des Staates ist, nicht etwa der Staat, sondern nur das Unternehmen selbst als Träger eines gewohnheitsrechtlichen Anspruches auf Befreiung von der nationalen Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates in Betracht136. Ob ein solches rechtsfähiges Unternehmen tatsächlich Träger eines solchen Anspruches sein kann, lässt das BVerfG allerdings offen, da es sich im entschiedenen Fall mit der Feststellung begnügen kann, auch ein fremder Staat selbst, hätte in der Konstellation keine Vollstreckungsimmunität genossen. Jedenfalls stellt es im Hinblick auf die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung gegen einen fremden Staat zulässig ist, klar, dass das Völkergewohnheitsrecht es nicht gebietet, dass neben den im Botschaftskonto-Beschluss aufgestellten Voraussetzungen zusätzlich eine sachliche Konnexität zwischen dem titulierten Anspruch und dem Vollstreckungsgegenstand gegeben ist137. Eine solche Konnexität wird zwar im Immunitätsgesetz der USA verlangt (Sec. 1610 (a) (2) FSIA). Die später erlassenen Immunitätsgesetze anderer Staaten sind dem aber nicht gefolgt und auch bei den Beratungen der Entwürfe des FSIA ist ersichtlich niemand davon ausgegangen, das Erfordernis sei völkergewohnheitsrechtlich geboten138. Zum Qualifikationsstatut für die Einordnung der Zweckbestimmung als hoheitlich/nichthoheitlich führt das BVerfG aus, dass die Rechtsordnung des fremden Staates nicht heranzuziehen ist. In einer vom Recht des fremden Staates abweichenden Qualifikation der Zweckbestimmung durch die Bundesrepublik Deutschland liegt kein Verstoß gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot, da die auf einer abweichenden Qualifikation beruhende gerichtliche Maßnahme in aller Regel kein Druckmittel ist, mit dem der Gerichtsstaat das Ziel verfolgt, auf die politische oder wirtschaftliche Ordnung des fremden Staates Einfluss zu nehmen139. Die konkrete Qualifikation der Zweckbestimmung der streitge135 136 137 138
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
64, 64, 64, 64,
1, 1, 1, 1,
22 f. 23. 40 f. 41.
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genständlichen Guthabensforderungen nimmt das BVerfG dann betont ohne Heranziehung des nationalen Rechts vor140. Dabei führt es – unter Rückgriff auf entsprechende Darlegungen im Botschaftskonto-Beschluss – aus, dass es für die Qualifikation der Zweckbestimmung nicht auf die Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Gläubiger ankommt141. Auf Bankkonten befindliche Mittel, die zur Überweisung auf ein zur Haushaltsdeckung dienendes Konto des fremden Staates bei dessen Zentralbank bestimmt sind, erhalten nach dem Willen des fremden Staates ihre hoheitliche Zweckbestimmung erst in dem Zeitpunkt142, in dem sie in die Verfügungsgewalt der Zentralbank gelangt sind. Mit der Anweisung zur Weiterleitung der Guthaben an die Zentralbank werden allenfalls mittelbar hoheitliche Zwecke verfolgt143. Überdies wären die Guthaben nach deutschem Recht als Teil des staatlichen Finanzvermögens anzusehen, die keine öffentlichen Sachen sind und alleine dem Privatrecht unterliegen144. Schließlich bedürfe es keiner Entscheidung darüber, wie Guthaben zu qualifizieren wären, die der fremde Staat zu währungspolitischen Zwecken bei Banken im Gerichtsstaat unterhält. Dennoch merkt das BVerfG obiter dictum dazu an: „Hier wäre in aller Regel unmittelbar eine hoheitliche Zweckbestimmung gegeben“145. Der National Iranian Oil Company-Beschluss gibt wichtige Anhaltspunkte für die Auslegung der im Botschaftskonto-Beschluss festgestellten Regeln über die Vollstreckungsimmunität. So steht für die Praxis zunächst einmal fest, dass die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland von Völkerrechts wegen nicht gehalten sind, bei Forderungen und sonstigen Rechten rechtsfähiger Unternehmen fremder Staaten den fremden Staat selbst als Rechtsinhaber anzusehen, selbst wenn das Unternehmen vom Staat beherrscht wird oder dem Staat „gehört“. Die Frage, wer als Rechtsinhaber der Forderung oder des Rechts anzusehen ist, entscheidet sich dabei nach deutschem materiellem Recht146. Das bedeutet zugleich, dass auf solche Forderungen und Rechte nicht per se die Regeln über die Vollstreckungsimmunität anzuwenden sind, sondern dass vielmehr die Frage nach der Anwendbarkeit der Regeln der Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität auf Forderungen und sonstige Rechte, deren Inhaber rechtsfähige Unternehmen fremder Staaten mit „staatlichem Einschlag“ sind, für das deutsche 139 140 141 142 143 144 145 146
BVerfGE 64, 1, 43. BVerfGE 64, 1, 42. BVerfGE 64, 1, 42. BVerfGE 64, 1, 43. BVerfGE 64, 1, 42 f. BVerfGE 64, 1, 44. BVerfGE 64, 1, 45 f. Steinberger, in: FS Carstens II, 889, 898.
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Recht weiter offen bleibt. Ist also eine zu pfändende Forderung bzw. ein zu pfändendes Recht eines solchen Unternehmens möglicherweise als hoheitlichen Zwecken dienend einzustufen, muss das Vollstreckungsgericht bzw. das Beschwerdegericht diese Frage dem BVerfG zur Entscheidung gemäß Art. 100 Abs. 2 GG vorlegen, da insoweit auf der Grundlage des National Iranian Oil Company-Beschlusses weiterhin objektive Zweifel über die Tragweite der entsprechenden allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen147. Im Übrigen aber kann man dem Beschluss wichtige Schlussfolgerungen für die Auslegung des zentralen Merkmals der hoheitlichen Zweckbestimmung des Vollstreckungsgegenstandes entnehmen und zwar im Hinblick auf die bei der Einstufung heranzuziehende Rechtsordnung (sogen. Qualifikationsstatut), im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Zweckbestimmung (Qualifikationsfrage in zeitlicher Hinsicht148) und schließlich im Hinblick auf die inhaltlichen Kriterien, die bei der Abgrenzung hoheitlich/nichthoheitlich zu beachten sind. Bezüglich der Qualifikationsrechtsordnung hat sich das BVerfG abschließend gegen die Heranziehung des Rechts des fremden Staates als Beurteilungsgrundlage für die Rechtsnatur der Zweckbestimmung entschieden und hat damit der insbesondere von Gramlich vertretenen Auffassung eine Absage erteilt. Nach dieser Auffassung gebietet es das Völkergewohnheitsrecht, die Einstufung der Zweckbestimmung des Vollstreckungsgegenstandes als hoheitlich/nichthoheitlich nach dem Recht des fremden Staates vorzunehmen. Dies gebiete der völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates, wonach die innere Organisation eines Staates dessen ureigene Angelegenheit sei und daher von anderen Staaten anerkannt werden müsse. Würde die Bundesrepublik Deutschland nun einen nach der Rechtsordnung eines anderen Staates zur hoheitlichen Zweckerfüllung gewidmeten Gegenstand als nichthoheitlichen Zwecken dienend einstufen und behandeln, so läge darin nach dieser Auffassung ein Eingriff in die innere Organisation dieses anderen Staates, der mit der souveränen Gleichheit der Staaten nicht vereinbar sei und das Interventionsverbot verletze149. Dieser Rechtsauffassung hat sich das BVerfG mit Recht nicht angeschlossen. Selbst wenn gelegentlich behauptet wird, das Interventionsverbot sei zu abstrakt, um eine zu eindeutigen Ergebnissen führende Subsumtion zuzulassen150, ist dies nicht so zu 147
Vgl. zu dieser auf objektive Zweifel abstellenden Auslegung des Art. 100 Abs. 2 GG durch das BVerfG wiederum: BVerfGE 64, 1, 21; das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO ist überdies ein „Rechtsstreit“ im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG: BVerfGE 64, 1, 13. 148 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 177. 149 Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 574 f.; ders. NJW 1981, 2618, 2619 f. 150 Graf Vitzthum, in: Völkerrecht, 1. Abschn. Rdnr. 76.
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verstehen, dass es nicht mögliche wäre, Sachverhalte zu benennen, die eindeutig außerhalb des Anwendungsbereiches dieses abstrakten Grundsatzes stehen. So aber liegen die Dinge, wenn es um die Frage geht, ob die vom Recht des fremden Staates abweichende Qualifizierung der Zweckbestimmung des Vollstreckungsstaates durch Gerichte der Bundesrepublik Deutschland das Interventionsverbot verletzt. Dieser Sachverhalt liegt nämlich eindeutig außerhalb des Anwendungsbereiches dieses anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes. Denn dieses auch mit „Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates“ bezeichnete Prinzip verbietet die Anwendung unterhalb der Gewaltschwelle liegenden wirtschaftlichen, politischen oder sonstigen Drucks151 eines Staates gegen einen anderen Staat mit dem Ziel, dass dieser Staat seine Rechtsausübung fremdem Willen unterordnet152. Wie hoch oder niedrig man die Schwelle illegitimer Druckausübung auch ansetzen mag, ist also immer Voraussetzung für die Anwendung des Interventionsverbotes, dass der das Gebot verletzende Staat mit seinem „Eingriff“ subjektiv ein finales Element verbindet, dergestalt, dass er auf die Ausübung der Staatsgewalt des anderen Staates in seinem Sinne einwirken will. Dies ist aber bei der vom fremden Staat abweichenden Qualifikation der Zwecksetzung hinsichtlich des Vollstreckungsobjektes nicht der Fall. Hier ist in keiner Weise ersichtlich, dass die handelnden Organe des Gerichtsstaates auf den fremden Staat einwirken wollen. Der Anwendungsbereich des Interventionsverbotes ist also entgegen Gramlich gar nicht erst eröffnet153. Aber selbst wenn man Gramlich so verstünde, dass er die Anwendung des Rechts des fremden Staates deshalb für völkerrechtlich geboten hielte, weil eine Qualifizierung seiner Zwecksetzung durch die Bundesrepublik Deutschland seine Souveränität verletzt, wäre dem nicht zu folgen. Denn die Gebietshoheit des fremden Staates ist ihrerseits auf das eigene Staatsterritorium begrenzt und kann nicht in der Weise auf das deutsche Hoheitsgebiet übergreifen, dass dort gesetzte Zwecke auf dem Gebiet der Bundesrepublik mit Wirkung für die deutsche Rechtsordnung Rechtsfolgen erzeugen. Ein völkerrechtliches Gebot, stets die fremde Rechtsordnung als Qualifikationsrechtsordnung heranzuziehen, kann deshalb schon von daher nicht existieren, weil es seinerseits 151 Es liegt auf der Hand, dass bei der Grenzziehung zwischen legitimem und unerlaubtem Druck die besondere Schwierigkeit der Anwendung dieses völkerrechtlichen Grundsatzes liegt. Um dieses die Subsumtion erschwerende Abgrenzungsproblem geht es aber bei dem hier behandelten Problem gerade nicht. 152 Graf Vitzthum, in: Völkerrecht, 1. Abschn. Rdnr. 76. 153 Als Vergleich mag etwa auch das Asylrecht dienen. Auch hier ist auf Grund des fehlenden subjektiven Elementes auf der Seite des Zufluchtsstaates anerkannt, dass die Asylgewährung durch den Zufluchtsstaat keine verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Herkunftslandes des politischen Flüchtlings darstellt: vgl. Seidel-Hohenveldern/T. Stein, Völkerrecht, Rdnr. 1458.
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das völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbot der Setzung von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet154, hier also auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, verletzen würde. Andererseits hat es das BVerfG jedoch – ebenso wie im BotschaftskontoBeschluss – ausdrücklich offen gelassen, ob die Gerichte die deutsche Rechtsordnung als Qualifikationsrechtsordnung heranziehen dürfen oder ob die Kriterien für die Einstufung der Zweckbestimmung (zwingend) dem Völkerrecht zu entnehmen sind. Allerdings hat es dadurch, dass es wie bereits im Botschaftskonto-Beschluss ausdrücklich betont hat, dass es im vorliegenden Fall der Heranziehung der deutschen Rechtsordnung zur Qualifikation nicht bedarf, einer deutlichen Sympathie für eine genuin völkerrechtliche Qualifikation Ausdruck verliehen155. Dadurch dass es dann aber dennoch auch noch eine Qualifikation der Zweckbestimmung mittels des deutschen Rechts vorgenommen hat, hat es trotz dieser Sympathiebekundung die Entscheidung über die Qualifikationsrechtsordnung eindeutig offen gelassen156. Besonderes Gewicht hat das BVerfG mit seinem Beschluss aber auf die Frage der genauen Bestimmung des Zeitpunktes gelegt, in dem die Zweckbestimmung erfolgt sein muss, um Immunität des Vollstreckungsgegenstandes auszulösen. Dabei ist dem im Botschaftskonto-Beschluss formulierten Tatbestandsmerkmal, dass die hoheitliche Zweckbestimmung – zur Vermeidung nachträglicher Manipulationen157 – „im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme erfolgt“ sein muss, ein besonders großes Gewicht für die praktische Rechtsanwendung zugewachsen. Dieses Merkmal ist auf der Grundlage des National Iranian Oil Company-Beschlusses sehr streng zu handhaben. Dabei beantwortet das BVerfG die von Damian aufgeworfene Frage, ob ein Vollstreckungsgegenstand auch dann beschlagnahmt und verwertet werden darf, wenn er für einen nichthoheitlichen Zweck verwendet wird, aber ein hoheitlicher Verwendungszweck vorgesehen ist, wenn er also mit anderen Worten einem nichthoheitlichen Zweck dient, aber einem hoheitlichen Zweck zu dienen bestimmt ist158, positiv. Dies ist sehr streng und – wie das BVerfG im Hinblick auf den Fall rechtlich selbständiger Unternehmen formuliert – alleine anhand des Willens des Staates selbst zu handhaben. Bezogen auf Forderungen aus Bankguthaben ist es deshalb erforderlich, dass im Zeitpunkt des Beginns der Zwangsvollstreckung feststeht, dass der vom Staat verfolgte hoheitliche 154
Vgl. dazu: Seidl-Hohenveldern/T. Stein, Völkerrecht, Rdnrn. 1504 ff. T. Stein, IPRax 1984, 179, 182. 156 T. Stein, IPRax 1984, 179, 182 Fußn. 18. 157 Solche Manipulationen dürfen auch aus völkerrechtlicher Sicht wegen Verstoßes gegen den allgemein anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben als unwirksam behandelt werden: vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 177 f. 158 Damian, Staatenimmunität und Gerichtzwang, S. 178 f. 155
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Zweck unmittelbar, also ohne Zwischenschaltung einer anderen Stelle, die die endgültige Entscheidung über die Verfügung trifft, aus den Mitteln des Bankkontos gefördert wird. Da nach den Ausführungen des BVerfG bereits die Anweisung, das Geld auf das Konto eines anderen (staatlichen) Rechtsträgers zu überweisen, der es sodann zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung einsetzt, als lediglich mittelbar hoheitlich ausscheidet, ist also zu fordern, dass das Geld dazu bestimmt sein muss, auf Anweisung des Staates oder auf Grund eigenen, aber auf den Staatswillen zurückführbaren, Entschlusses des Rechtsinhabers, unmittelbar zur Erfüllung von Hoheitszwecken dienenden Aufgaben eingesetzt zu werden. Das Botschaftskonto, dessen Mittel unmittelbar, also ohne Einschaltung einer weiteren selbständigen Zahlstelle, zur Erfüllung der mit der Aufrechterhaltung der Botschaft verbundenen Aufwendungen (z. B. Mietzinszahlungen für gemietete Botschaftsgebäude etc.) eingesetzt wird, ist dafür nachgerade ein klassisches Beispiel. Schließlich kann man dem National Iranian Oil Company-Beschluss für die Bestimmung des hoheitlichen Zwecks zwar weiterhin keine inhaltlich präzisen Kriterien entnehmen, aber doch immerhin wenigstens, dass auch außerhalb des Gesandtschaftsrechts gilt, dass das privatrechtlich zu qualifizierende Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner für die Einstufung des Zwecks unerheblich ist. Damit hat das BVerfG den im Botschaftskonto-Beschluss eingeschlagenen Weg weiterfolgt, den Zweck von dem dem gepfändeten Recht zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu abstrahieren. Das ist auch konsequent und kann ohne weiteres mit den Argumenten des Botschaftskonto-Beschlusses begründet werden: Wenn die Bundesrepublik Deutschland dem fremden Staat zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben lediglich die Mittel des Privatrechts zur Verfügung stellt, dann kann man dem Staat im Rahmen der Qualifikation des von ihm verfolgten Zwecks nicht entgegenhalten, er habe sich zur Aufgabenwahrnehmung des Privatrechts bedient. Andernfalls bliebe bei Anwendung der Lehre von der relativen Immunität für die Vollstreckungsimmunität im Bereich der Forderungs- und Rechtspfändung kein substantieller Anwendungsbereich mehr und sie würde vollkommen leer laufen. Während der fremde Staat nämlich die Zweckbestimmung bei beweglichen körperlichen Sachen noch auf seinem Staatsgebiet kraft seines eigenen öffentlichen Rechts durch (konkludente) Widmung (Kriegsschiffe etc.) vornehmen könnte, wäre ihm dies bei Forderungen und Rechten, die „auf deutschem Staatsgebiet“ begründet oder erworben werden, verwehrt. Somit ist für die Praxis klar, dass es für die Einstufung des Zwecks auf die Rechtsnatur der vom Staat wahrgenommenen Aufgabe ankommt. Ferner spricht das BVerfG eindeutig, wenn auch obiter dictum, aus, dass eine unmittelbar hoheitliche Aufgabenerfüllung auch bei zu währungspolitischen Zwecken gehaltenen Bankguthaben angenommen werden kann. Auch dabei meidet es
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aber die Benennung inhaltlicher Kriterien, die es dieser Schlussfolgerung zu Grunde gelegt hat und hat damit lediglich in kasuistischer Weise neben dem Zweck „diplomatischer Verkehr“ eine Fallgruppe „unmittelbar hoheitlicher Zwecke“ anerkannt. cc) Zusammenfassung der vom BVerfG entwickelten Regeln zur Vollstreckungsimmunität Zusammenfassend kann man die vom BVerfG in den beiden Leitentscheidungen zur Vollstreckungsimmunität herausgearbeiteten Regeln wie folgt umschreiben: (1) Bei einer Pfändung von Forderungen oder anderen Rechten, deren Inhaber ein fremder Staat ist, kann die deutsche Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Immunität nicht verneint werden, wenn der Vollstreckungstitel ohne Immunitätsverletzung geschaffen wurde und wenn für die Forderung oder das Recht im Zeitpunkt der Hinausgabe der vom Rechtspfleger unterschriebenen Verfügung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in den Geschäftsgang keine unmittelbare hoheitliche Zweckbestimmung vorliegt oder aber der fremde Staat für das Vollstreckungsverfahren auf seine Immunität verzichtet. (2) Die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht ist nur dann immun, wenn es im oben genannten Zeitpunkt unmittelbar hoheitlichen Zwecken zu dienen bestimmt ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn es in diesem Zeitpunkt bereits dafür vorgesehen ist, ohne Zwischenschaltung einer weiteren Stelle auf Grund eines auf den Staatswillen zurückführbaren Willensaktes zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung eingesetzt zu werden. Bei Bankguthaben ist dies nur der Fall, wenn die Aufgabenerfüllung unmittelbar mit den Mitteln aus dem Guthaben erfolgen soll. Dass das Guthaben auf ein anderes Konto überwiesen werden soll, um dann erst zu hoheitlichen Zwecken eingesetzt zu werden, scheidet als mittelbar hoheitlich aus. (3) Für die Qualifikation des Zwecks als „hoheitlich“ kommt es nur auf die Rechtsnatur der wahrgenommenen öffentlichen Aufgabe an. Die Rechtsnatur des einer Forderung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner ist dagegen unerheblich. (4) Als hoheitliche Zwecke anerkannt sind der Zweck „Aufrechterhaltung des diplomatischen Verkehrs/Wahrnehmung diplomatischer Funktionen“ und der Zweck „Währungspolitik“. (5) Das Völkergewohnheitsrecht gebietet es nicht, das Recht des fremden Staates zur Qualifikation des Zweckes als „hoheitlich/nichthoheitlich“
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heranzuziehen. Ob zu dieser Qualifikation das deutsche Recht heranzuziehen ist oder ob die Qualifikation nach genuin völkerrechtlichen Regeln erfolgen muss, bleibt offen. (6) Ob die vorstehenden Regeln auch für Forderungen oder Rechte gelten, die ein rechtlich selbständiges Gebilde dieses Staates innehat, bleibt offen. Wer Inhaber einer Forderung oder eines Rechts ist, bestimmt sich jedenfalls – ohne immunitätsrechtliche Vorgaben – immer nach deutschem materiellem Recht. Wäre demnach eine Forderung oder ein Recht, die ein solches Gebilde innehat, als möglicherweise hoheitlichen Zwecken dienend einzustufen, so ist die Frage der Anwendbarkeit der in Ziffern 1–5 formulierten Regeln auf diesen Fall im Vollstreckungs-, Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 2 GG vorzulegen. c) Eigener Ansatz aa) Methodische Vorbemerkungen Im Laufe dieser Arbeit war schon des öfteren davon die Rede, ein bestimmter Rechtssatz gehöre zum Völkergewohnheitsrecht und sei damit gemäß Art. 25 GG für die deutschen Gerichte verbindlich. Ferner wurden bei der Erörterung der wegweisenden Entscheidungen des BVerfG zur Vollstreckungsimmunität die Bemühungen des BVerfG deutlich, solcherart ermittelte Sätze des Völkergewohnheitsrechts auszulegen. Soll nun nachfolgend versucht werden, im Wege eines eigenen Ansatzes zu den auf Grund der Rechtsprechung des BVerfG noch offenen Fragen der Vollstreckungsimmunität Stellung zu nehmen und anschließend die durch das Territorialitätsprinzip der deutschen Vollstreckungsgewalt gezogenen Grenzen zu konkretisieren, so erfordert das ebenfalls die Feststellung und Anwendung von Völkergewohnheitsrecht. Diese Aufgabe kann aber nicht ohne ein methodisches Vorverständnis gelöst werden, so dass es die wissenschaftliche Redlichkeit gebietet, dieses Vorverständnis offen zulegen159. Dies vor allem deshalb, weil sich in der Völkerrechtswissenschaft noch keine derartig gefestigte Methodenlehre herausgebildet hat wie in den meisten nationalen Rechtsordnungen160. 159 Vorbildlich insoweit sind z. B. die Habilitationsschrift von Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 65 ff., der dort seinen völkerrechtlichen Untersuchungen „Vorbemerkungen zur Methode“ voranstellt sowie die Untersuchung von Leipold, Grundfragen, S. 35 ff., der a. a. O. ebenso vorgeht. 160 Vgl. dazu den kritischen und weitgehend noch aktuellen Beitrag von Schüle, BerDGVR 3 (1959), 1 ff. und Bleckmann, Die Funktionen der Lehre im Völkerrecht, Vorwort, V ff.
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Bereits die essentielle Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Rechtssatz zum Völkergewohnheitsrecht gehört, ist nicht unumstritten. Wie Kirchner in seiner grundlegenden Dissertation zu dieser Problematik nachgewiesen hat, ist der Grund für die enorme Meinungsvielfalt zu dieser Thematik darin zu sehen, dass die Verfechter der jeweiligen Ansätze die Frage, wie man bei der Ermittlung von Völkergewohnheitsrecht vorzugehen hat, mit der Frage nach der Entstehung und dem Geltungsgrund von Völkerrecht verknüpfen und so von jeweils sehr unterschiedlichen rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Ansätzen ausgehend zu unterschiedlichen methodischen Regeln gelangen161. Zwar kann man – was noch darzulegen sein wird – bei der Begründung einer Methodenlehre im Völkerrecht nicht immer auf eine völkerrechtstheoretische Ausgangsbasis verzichten162, doch ist dies jedenfalls für den Bereich der Nachweisvoraussetzungen des Völkergewohnheitsrechts durchaus möglich. Hier ist es nämlich in gesteigertem Maße erforderlich, sich auf eine anerkannte Definition der Nachweisvoraussetzungen zu einigen, da ansonsten dem Richter die Ermittlung des Völkergewohnheitsrechts unmöglich gemacht würde und das Völkergewohnheitsrecht als Rechtsquelle im Rahmen der Trias der anerkannten völkerrechtlichen Hauptrechtsquellen (Völkervertragsrecht, Völkergewohnheitsrecht, allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze) keine praktische Rolle mehr spielen könnte163. Eine konsensfähige und praktisch verwertbare Definition der Nachweisvoraussetzungen für Völkergewohnheitsrecht kann nur gelingen, wenn man die soeben erwähnten rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Fragen pragmatisch über Bord wirft und die Nachweisvoraussetzungen mittels der in der Völkerrechtsmethodenlehre allgemein anerkannten Methode der Bildung des kleinsten gemeinsamen Nenners der hierzu vertretenen Meinungen ermittelt. Die Bildung eines solchen kleinsten gemeinsamen Nenners ist ohne weiteres möglich. Denn wie Kirchner gezeigt hat, ist allen bisher vertretenen Ansätzen der Kern – der im Detail ebenfalls umstrittenen – „Zwei-ElementeLehre“ eigen. Danach liegt Völkergewohnheitsrecht vor, wenn eine allgemeine Übung der Staaten (objektives Element) von diesen als Recht anerkannt wird (subjektives Element)164. Legt man diese Definition zu Grunde, so müsste ein Gericht zur Ermittlung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts die Staatenpraxis auf das Vorliegen der beiden Elemente hin überprüfen. Hierbei würde das Gericht vor die schwierige Frage gestellt, wie viele Staaten hierzu eine von ihnen 161
Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 59. So auch Schüle, BerDGVR 3 (1959), 7; kritisch zur Unterscheidbarkeit von Völkerrechtstheorie und Völkerrechtsmethode: Menzel, JuS 1963, 41 ff. 163 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 207 f. 164 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 59 f. 162
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als Recht anerkannte, übereinstimmende Praxis befolgen müssen, damit eine Norm zum Völkergewohnheitsrecht gerechnet werden kann. Genügt hierfür schon eine kleine Zahl von Staaten, wenn sich keine gegenläufige Übung anderer Staaten gebildet hat, spielt insoweit das politische Gewicht der Staaten eine Rolle, reicht eine qualifizierte Mehrheit oder muss gar vollkommene Einigkeit unter den Staaten bestehen165? Das BVerfG hat im Botschaftskontobeschluss die Praxis von 108 Staaten untersuchen lassen166 und sich schließlich in Übereinstimmung mit der h. M. in der Völkerrechtsliteratur167 – ohne sich zahlenmäßig festzulegen – dafür entschieden, dass eine qualifizierte Mehrheit („zahlreiche Staaten“)168 vorliegen muss, was schon dann zu verneinen sei, wenn eine nicht „unbedeutende Zahl von Staaten“ der Staatenpraxis bzw. der ihr zu Grunde liegenden Rechtsüberzeugung nicht folgen169. Vor diesem für den deutschen Rechtsraum verbindlichen Hintergrund stellt sich die Frage, ob das BVerfG für die Feststellung eines Völkergewohnheitsrechtssatzes stets eine derart breite Untersuchung der Staatenpraxis verlangt und was für das Völkergewohnheitsrecht daraus folgt, wenn es keine oder jedenfalls keine einheitliche Staatenpraxis zu der zu entscheidenden Frage gibt. Diese Frage ist eng verknüpft mit der methodischen Grundsatzfrage, wie konkret denn die Völkergewohnheitsrecht begründende Staatenpraxis und der daraus entwickelte Völkergewohnheitsrechtssatz sein müssen170. Muss, um beim Beispiel der Staatenimmunität zu bleiben, wenn es um die Vollstreckung in ein Konto geht, das zum Kauf von Armeekleidung bestimmt ist, die Staatenpraxis daraufhin untersucht werden, ob sie bei Konten mit dem Bestimmungszweck „Beschaffungskauf für Armeekleidung“ Staatenimmunität gewährt oder genügt es, wenn sie allgemein auf „Beschaffungskäufe für die Armee“ hin untersucht wird oder reicht es gar, wenn noch allgemeiner nach der Praxis bezüglich „Beschaffungskäufen für kernhoheitliche Aufgaben“ gefragt wird? Je weiter bei einer solchen Untersuchung der inhaltliche Bereich der relevanten Staatenpraxis gezogen wird, desto eher wird es möglich sein, Staatenpraxis der meisten Staaten zu finden und desto eher ist es auch möglich, trotz Abweichungen bei bestimmten Einzelheiten Übereinstimmungen in den Grundsätzen zu ermitteln171. Die daraus entwickelten Sätze des Völkergewohnheitsrechts sind dann naturgemäß sehr abstrakt und bedürften zur Er165 Vgl. zu diesen Ansätzen: Geiger, AöR 103 (1978), 382, 401 ff. und Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 394 ff.; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 95 ff. 166 BVerfGE 46, 342, 354. 167 Vgl. Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 395 m. w. N. 168 BVerfGE 46, 342, 367. 169 BVerfGE 46, 342, 368. 170 Vgl. zu dieser Frage: Leipold, Grundfragen, S. 36. 171 Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 391.
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mittlung der Aussagen des Völkergewohnheitsrechts im konkreten Einzelfall ihrerseits wieder der Auslegung und der Subsumtion des konkreten Sachverhaltes unter die abstrakte völkergewohnheitsrechtliche Norm. Umgekehrt würde das Erfordernis, dass zur Ermittlung einer fallentscheidenden Norm des Völkergewohnheitsrechts nur Staatenpraxis zum konkret einschlägigen Sachverhalt herangezogen werden dürfte, dazu führen, dass häufig keine einschlägige Staatenpraxis auffindbar wäre oder dass die aufgefundene Staatenpraxis zum einschlägigen Einzelfall so heterogen wäre, dass eine inhaltliche Gemeinsamkeit der Staatenpraxis nicht ermittelt werden könnte. Folge hiervon wäre, dass ein den konkreten Einzelfall regelnder Satz des Völkergewohnheitsrechts nicht ermittelbar wäre, so dass – das Nichtbestehen einschlägiger völkerrechtlicher Übereinkommen unterstellt – bezüglich dieses Falles ein „völkerrechtsfreier Raum“ bestünde und sich die Anschlussfrage stellen würde, ob das Fehlen eines speziellen Satzes des Völkergewohnheitsrechts zur völligen Freiheit bzw. Unfreiheit des Staates in dem zu entscheidenden Fall führt. Ferner würde dieses Vorgehen die Zahl der Sätze des Völkergewohnheitsrechts zwangsläufig stark reduzieren und damit seine Bedeutung als Rechtsquelle erheblich schmälern. Da diese unterschiedlichen denkbaren Vorgehensweisen der Gewinnung eines Satzes des Völkergewohnheitsrechts aus der einschlägigen Staatenpraxis – wie soeben gezeigt – zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen, bedarf es einer Entscheidung zu Gunsten einer von ihnen. Diese Entscheidung nun bedarf in der Tat auch einer kurzen Stellungnahme zum völkerrechtstheoretischen Ansatz, weil die beiden Methoden mit zwei grundverschiedenen völkerrechtstheoretischen Konzepten verknüpft sind. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob das Völkerrecht eine umfassende Rechtsordnung ist, die für alle Fragen des zwischenstaatlichen Bereichs und der Kompetenzgrenzen der Staaten untereinander und der Staaten zur Völkerrechtsgemeinschaft eine Lösung enthält172 oder ob es sich nicht umgekehrt beim Völkergewohnheitsrecht um ein ungeordnetes Sammelsurium von zufällig auf Grund übereinstimmender Staatspraxis entstandenen Rechtssätzen zu einzelnen Fragen handelt, das zahlreiche Fragen unbeantwortet lässt173. Als vermittelnder Standpunkt innerhalb dieser Extrempositionen ließe sich schließlich die Konzeption des Völkerrechts als einer Rechtsordnung mit bewussten und gewollten echten Rechtslücken174, also solchen Lücken, die auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden können und dürfen, vertreten175. 172
Vgl. statt vieler: Mosler, ZaöRV 36 (1976), 6, 40 f. Vgl. zu beiden Ansätzen: Menzel, JuS 1963, 41, 45 ff., der die beiden Ansätze der deduktiven und der induktiven Methode zuordnet. 174 Zur Kritik am Lückenbegriff vgl. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 254. 173
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Es würde Sinn und Rahmen dieser Arbeit sprengen, dieser Grundsatzfrage der Völkerrechtstheorie hier umfassend nachzugehen. Deshalb nur soviel: Die h. M., insbesondere die Rechtsprechung des IGH und des BVerfG, gehen ausdrücklich oder stillschweigend von dem Konzept des Völkerrechts als umfassender Rechtsordnung aus, das sich als System von Hauptrechtssätzen mit Ausnahmen und Unterausnahmen ohne die Existenz rechtsfreier Räume darstellen lässt. Fällt ein Sachverhalt unter eine unzweifelhaft anerkannte Grundregel, so ist der Nachweis einer konkreten Völkerrechtregel als Gewohnheitsrecht oder allgemeiner Rechtsgrundsatz nicht erforderlich. Lässt sich auf Grund fehlender bzw. widersprüchlicher Praxis eine Ausnahme von der Grundregel nicht begründen, so greift diese Grundregel; greift dagegen auf Grund entgegenstehender Staatenpraxis eine Ausnahme vom Grundsatz und findet sich im Anwendungsbereich der Ausnahme kein Anhaltspunkt für die Existenz einer Unterausnahme, so kommt die Ausnahme zur Anwendung176. Dass der StIGH bzw. nunmehr der IGH dieses Konzept zu Grunde legen, kann man daraus entnehmen, dass sie, soweit ersichtlich, noch nie die Entscheidung eines Falles auf Grund völkergewohnheitsrechtlichen non liquets177 wegen fehlender Staatenpraxis verweigert haben178, obwohl dies etwa bei der berühmten Festlandsockel-Entscheidung des IGH bei Zugrundelegung des Konzepts vom Völkergewohnheitsrecht als Sammelsurium punktueller Einzelrechtssätze durchaus naheliegend gewesen wäre179. Auch die Entscheidung des BVerfG zum Botschaftskonto175
Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 296 ff., der sogar soweit geht, einem internationalen Gericht in den Fällen unechter Lücken, die z. B. durch Analogieschluss geschlossen werden könnten, die Rechtsverweigerung zu gestatten, wenn damit zu rechnen ist, dass die Entscheidung nicht auf Akzeptanz der Parteien stoßen wird. 176 Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 392; ders., in: FS für Scupin, 407; a. A. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 143 f., der diesen Ansatz als Rückfall in die überholte Begriffsjurisprudenz ablehnt. 177 Beachte, dass der in der völkerrechtlichen Fachliteratur zu dieser Thematik benutzte Terminus des „non liquet“ nicht mit dem aus dem Zivilprozessrecht bekannten auf Tatsachenfragen bezogenen Begriff identisch ist, sondern vielmehr alle die Fälle meint, in denen das Gericht sich auf Grund fehlender Rechtsnormen nicht zu einer Entscheidung in der Lage sieht. Teilweise werden sogar noch weitergehende non liquet-Begriffe in der völkerrechtlichen Literatur vertretenen, die auch die Fälle erfassen, in denen die Gerichte eine Streitentscheidung verweigern, weil sie nicht glauben, dass diese friedensstiftend wäre. Vgl. zu diesen non liquet-Begriffen: Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 272 ff. 178 Vgl. dazu Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 275 f., der dies im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung nicht für durchschlagend hält, weil die internationalen Gerichte regelmäßig in Fällen angerufen würden, in denen die Parteien mit einem Prozesserfolg rechneten, so dass die Masse von „Lückenfällen“ gar nicht erst vor die internationalen Gerichte gelange. 179 Vgl. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 66 ff.
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fall, bei dem das BVerfG einen einschlägigen Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts annahm, obgleich die Untersuchung der Staatenpraxis nur wenig relevante Staatenpraxis zur Pfändung von Botschaftskonten zu Tage gefördert hatte180, zeigt, dass das BVerfG seiner Rechtsprechung die Konzeption des Völkerrechts als umfassender Rechtsordnung zugrunde legt. Bereits die Tatsache, dass die h. M. und insbesondere die für die deutschen Gerichte maßgebliche Gerichtspraxis von dieser Konzeption ausgehen, spricht bei pragmatischer Betrachtung dafür, ihr vorliegend zwecks Erzielung praktisch verwertbarer Ergebnisse zu folgen. Aber jenseits dieser pragmatischen Erwägungen sprechen auch die besseren Argumente für diese Konzeption. Zwar ist nicht zu leugnen, dass die vielzitierte institutionelle Schwäche des Völkerrechts, das weder über einen institutionalisierten Gesetzgeber noch über eine obligatorische Gerichtsbarkeit und kaum über Sanktionsmittel gegen Rechtsbrecher verfügt, der Herausbildung einer in sich geschlossenen Rechtsordnung entgegensteht181. Doch würde die Beschränkung des Völkergewohnheitsrechts auf einige wenige, konkrete aus der Staatenpraxis ableitbare Völkergewohnheitsrechtssätze unter Inkaufnahme breiter Rechtslücken ein geordnetes, friedliches Zusammenleben der Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs völkerrechtlicher Verträge nahezu unmöglich machen. Solange nämlich die institutionelle Schwäche des Völkerrechts fortbesteht und keine umfassenden Vertragsregelungen zur Verfügung stehen, kann die objektiv erforderliche, friedensstiftende Ordnungsfunktion des Völkerrechts nur durch subsidiäre Rechtsquellen wie das Völkergewohnheitsrecht und allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze erfüllt werden. Diese ungeschriebenen Rechtsquellen können ihre ordnende und friedensstiftende Funktion aber nur auf dem Boden der Konzeption des Völkerrechts als geschlossener, rechtslückenloser Rechtsordnung erfüllen. Diesem zentralen Argument ist im deutschsprachigen Raum insbesondere Fastenrath in seiner Habilitationsschrift entgegentreten. Er hat die friedensstiftende Funktion der hier vertretenen Völkerrechtskonzeption, die auf dem Verbot der Rechtsverweigerung seitens der internationalen Gerichte aufbaut, verneint. Im Gegenteil zu ihr sei sogar nur einer Völkerrechtskonzeption, die den internationalen Gerichten in begründeten Fällen die Rechtsverweigerung gestatte und die die Lückenhaftigkeit des Völkerrechts als notwendig anerkenne, friedensstiftend. Die Lückenhaftigkeit sei nämlich notwendig und friedensstiftend deshalb, weil sie der Politik Gestaltungsräume eröffne, es unmöglich mache, sich hinter festgezurrten Rechtsstandpunkten zu verschanzen und die Anheizung internationaler Konflikte durch umstrittene Entscheidungen internationaler Gerichte verhindere182. Diese Argumenta180 181 182
BVerfGE 46, 342, 354. Vgl. Menzel, JuS 1963, 41. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 270 und S. 280 f.
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tion vermag indes nicht zu überzeugen. Sie übersieht nämlich den verhaltenssteuernden und machtzügelnden Aspekt jedweder geschlossener Rechtsordnung, der darin besteht, dass an die Stelle der Herrschaft des Stärkeren die Herrschaft des Rechts tritt. Die von Fastenrath erhofften Gestaltungsspielräume der Politik können nämlich nur bei gleichgewichtiger Verhandlungsstärke der Parteien zu friedensstiftenden Ergebnissen führen. Da diese im Regelfall angesichts der ungleichen Machverteilung zwischen den einzelnen Staaten der Erde nicht gegeben ist, werden die Gestaltungsspielräume in Wirklichkeit nur dazu führen, dass sich im rechtsfreien Raum das Recht des Stärkeren durchsetzen wird. Hinzu kommt, dass die Parteien bei der Anrufung eines internationalen Gerichtes regelmäßig gerade eine möglichst unpolitische und damit auch friedliche Lösung eines zwischen ihnen bestehenden Konflikts mit den Mitteln des Rechts erstreben. Eine solche Konfliktlösung mit rechtlichen Regeln kann aber nur eine geschlossene Völkerrechtsordnung leisten. Damit ist allerdings keineswegs eine Entscheidung des seit der Lotus-Entscheidung des StIGH neu entflammten Streits darüber, ob es eine allgemeine Freiheitsvermutung zugunsten der Staaten gibt oder nicht, verbunden. Denn auch wenn man das Völkerrecht als Gesamtrechtsordnung ansieht, schließt das keineswegs aus, einen entsprechenden Freiheitssatz als Hauptrechtsnorm dieser Rechtsordnung anzusehen. Der Streit um den negativen Freiheitssatz ist für die vorliegende Arbeit nicht entscheidungserheblich und kann daher auf sich beruhen. Wie aber ist nun von diesem völkerrechtstheoretischen Ausgangspunkt ausgehend eine Norm des Völkergewohnheitsrechts zu ermitteln und auszulegen? Ausgehend von den für den deutschsprachigen Raum grundlegenden Arbeiten von Meessen, Bleckmann, Geiger und Kirchner183, die ihrerseits auf einer umfangreichen Rechtsprechungsanalyse von StIGH bzw. IGH und BVerfG beruhen, ist grundsätzlich dreistufig vorzugehen: Zunächst (Stufe 1) ist diejenige möglichst konkrete Regel des Völkergewohnheitsrechts aus der Staatenpraxis herauszufiltern, die sich evident auf eine umfassende Staatenpraxis stützen kann und deren Geltung allgemein anerkannt ist und allenfalls vereinzelt in Abrede gestellt wird (z. B. Lehre von der funktionell beschränkten Staatenimmunität, abgeschwächtes Territorialitätsprinzip etc.)184. Bedarf es zur Lösung der zu entscheidenden Rechtsfrage einer spezielleren 183 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 65 ff.; Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374 ff.; ders., ZaöRV 37 (1977), 504 ff.; ders., in: FS für Scupin, 407 ff.; Geiger, AöR 103 (1978), 382 ff.; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht aus der Sicht der Rechtsanwendung. 184 Geiger, AöR 103 (1978), 382, 403 f.; ders., Grundgesetz und Völkerrecht, S. 91; Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 383 f.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 71; Leipold, Grundfragen, S. 37.
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Norm (z. B. über die Anforderungen an den Immunitätsverzicht), so ist diese durch teleologische Auslegung des unstrittig geltenden abstrakten Völkergewohnheitsrechtssatzes im Hinblick auf den konkret zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt zu ermitteln (Stufe 2)185. Hat man diese spezielle Norm durch Auslegung einer abstrakteren Norm des Völkergewohnheitsrechts gewonnen, ist schließlich zu prüfen, ob das derart gewonnene Ergebnis durch eine entgegenstehende Regel des Völkergewohnheitsrechts, die auf entsprechender von Rechtsüberzeugung getragener Staatenpraxis beruht, widerlegt wird (Stufe 3)186. Erst auf dieser letzten Stufe muss der Rechtsanwender also auf eine spezielle Staatenpraxis zu dem von ihm untersuchten Problem zurückgreifen, wobei es bereits genügt, wenn eine nicht unerhebliche Zahl von Staaten eine solche entgegenstehende Regel nicht anerkennen, weil dies die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ausschließt. Bei der Anwendung dieser Methode stellen sich dem Rechtsanwender naturgemäß eine Reihe methodischer Folgeprobleme, die auf Grund der Zielsetzung dieser Arbeit nicht umfassend erörtert und dargestellt werden können und sollen. Im Folgenden sollen daher nur wenige besonders relevante Aspekte thematisiert werden. Eines dieser Probleme ist das Phänomen, dass auf Grund der Vielgestaltigkeit der untersuchten Staatenpraxis selbst die Bildung allgemeinerer Sätze des Völkergewohnheitsrechts unmöglich erscheint. Hier haben sich in der Völkerrechtswissenschaft mit der Zeit Methoden herausgebildet, die es ermöglichen, durch Reduzierung von Widersprüchen dennoch Sätze des Völkergewohnheitsrechts zu bilden187. Besonders relevant ist hierbei das bereits bei der Besprechung des Botschaftskontobeschlusses des BVerfG erwähnte Prinzip der unteren Grenze (Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners/des gemeinsamen Minimums). Dabei werden die sich widersprechenden Auffassungen in der Staatenpraxis auf ihre Übereinstimmungen hin untersucht, die als „kleinster gemeinsamer Nenner“ Völkergewohnheitsrecht darstellen (Beispiel: Immunität für acta iure imperii als kleinster gemeinsamer Nenner der Lehren von der absoluten und von der relativen Staatenimmunität)188. Eine weitere Methode der Reduzierung von Widersprüchen ist die Bildung von Rechtssätzen für be185
Geiger, AöR 103 (1978), 382, 404; ders., Grundgesetz und Völkerrecht, S. 91; Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 377 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 71; Leipold, Grundfragen, S. 37; Tomuschat, IPRax 2002, 437, 438, der des Weiteren zutreffend darauf hinweist, dass die Staatenpraxis mit zunehmendem Zeitablauf an Aussagekraft für das heute geltende Völkergewohnheitsrecht verliert. 186 Geiger, AöR 103 (1978), 382, 404; ders., Grundgesetz und Völkerrecht, S. 91; Leipold, Grundfragen, S. 37. 187 Grundlegend hierzu: Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 376–383. 188 Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 377.
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stimmte Rechtsbereiche, wenn die Staatenpraxis ansonsten zu uneinheitlich ist, um die Bildung allgemeinerer Sätze zu ermöglichen189. Ein weiteres Folgeproblem der soeben aufgezeigten Methode ist das der für die Auslegung des Völkergewohnheitsrechts heranzuziehenden Auslegungsmethoden. Hierbei setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass angesichts der Tatsache, dass die abstrakten Rechtssätze des Völkergewohnheitsrechts weder in einem bestimmten Wortlaut noch in einem bestimmten System niedergelegt sind und dass es für ihre Geltung auf die Staatenpraxis im Zeitpunkt der Rechtsanwendung ankommt190, der teleologischen Auslegung gegenüber den anderen klassischen Auslegungsmethoden eine dominierende Stellung zukommt191. Dennoch sind die übrigen Auslegungsmethoden auch bei der Auslegung des Völkergewohnheitsrechts nicht völlig bedeutungslos. So führt zwar die mangelnde verbindlich-textliche Fixierung des Völkergewohnheitsrechts im Zusammenwirken mit den Bedeutungsschwankungen bestimmter Tatbestandsmerkmale in den verschiedensten Sprachen der Welt dazu, dass die grammatikalische Auslegung einen eher untergeordneten Rang einnimmt192. Dennoch vermag sie in der Regel zur Festlegung eines Kerns der verwendeten Begriffe zu führen; lediglich zur Aufklärung über den „Begriffshof“ müssen dann andere Methoden und die Staatenpraxis herangezogen werden193. Als Beispiel hierfür vermag der anerkannte Satz gelten, wonach den Staaten das Setzen eines Hoheitsaktes auf fremdem Territorium verboten ist. Hier ist man sich darüber einig, dass der Begriffskern jedenfalls unmittelbare, physische Gewalt auf fremdem Territorium umfasst, so dass etwa die Pfändung von auf fremdem Territorium befindlichen Objekten durch den Gerichtsvollzieher unstrittig von dem Verbot erfasst wird. Im Bereich des Begriffshofs dagegen vermag die grammatikalische Auslegung angesichts der unscharfen Formulierung des Völkergewohnheitsrechtssatzes nicht weiterzuführen, so dass etwa die Fragen, ob eine Zustellung unmittelbar durch die Post oder eine richterliche Augenscheinseinnahme im Ausland zulässig sind, alleine durch diese Methode nicht geklärt werden können194. Ferner kann auch mangels verbindlicher textlicher Fixierung aller Sätze des Völkergewohnheitsrechts die systematische Auslegung keine tragende Rolle einnehmen. Dennoch muss sie etwa 189
Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 376 mit Beispielen. Vgl. Tomuschat, IPRax 2002, 437, 438. 191 Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 385; ferner Tomuschat, IPRax 2002, 437, 438, der gar nur noch die teleologische Auslegungsmethode erwähnt. 192 Zu den Besonderheiten bei der Anwendung der grammatikalischen Auslegungsmethode bei der Auslegung des Völkergewohnheitsrechts vgl. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 177 ff. 193 Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), 504, 526; zur wichtigen Rolle, die gerade der Lehre bei der grammatikalischen Auslegung des Völkergewohnheitsrechts zukommt vgl. Bleckmann, Die Funktionen der Lehre im Völkerrecht, S. 264 ff. 190
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herangezogen werden, wenn zwei Völkerrechtssätze scheinbar kollidieren, so dass mittels systematischer Auslegung eine Lösung gefunden werden muss, die beide Rechtssätze miteinander abgleicht und auf diese Weise Wertungswidersprüche vermeidet195. Beispiele hierfür sind die „Kollision“ zwischen dem Territorialitätsprinzip und den Regeln über die Staatenimmunität oder zwischen den Gerichtshoheiten zweier Staaten bei extraterritorialen Gerichtsakten. Der historischen Auslegung im Völkerrecht kommt etwa dann Bedeutung zu, wenn nachgewiesen werden kann, dass in der Vergangenheit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unzweifelhaft ein bestimmter Satz des Völkergewohnheitsrechts bestand, wie dies etwa für die Lehre von der absoluten Staatenimmunität strittig diskutiert wird. Lässt sich nämlich die völkergewohnheitsrechtliche Geltung eines Satzes bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit definitiv nachweisen, so greift der Grundsatz ein, dass ein Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts nur durch einen anderen Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts aufgehoben werden kann. Es muss dann mit anderen Worten der Nachweis erbracht werden, dass der früher geltende Satz zwischenzeitlich dadurch aufgehoben worden ist, dass die Staatenpraxis inzwischen mehrheitlich von der Nichtgeltung des alten Satzes ausgeht, so dass der alte Satz durch einen neuen abgelöst werden konnte196. Bei der nach alledem überragend wichtigen teleologischen Auslegung ist zunächst danach zu fragen, ob sich die Rechtsüberzeugung der Staatenpraxis auch auf den telos der Norm des Völkergewohnheitsrechts erstreckt, wie dies etwa zwischenzeitlich bei der Staatenimmunität der Fall ist. Dann ist dieser anerkannte Zweck bei der teleologischen Auslegung zugrunde zu legen. Ist ein solcher anerkannter Zweck nicht ermittelbar, so muss der Rechtsanwender dem Rechtssatz zu Grunde liegende Allgemeininteressen der Staaten ermitteln und bei der teleologischen Auslegung zugrunde legen (Beispiel: Interesse der Staaten an der freien Benutzung der Hohen See im Seerecht)197.
194 Vgl. die umfassende Darstellung zu der Diskussion um die Reichweite des Verbots des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet bei: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 78 ff. 195 Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), 504, 527 f. 196 Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 378 f. 197 Bleckmann, Die Funktionen der Lehre im Völkerrecht, S. 192 ff.
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bb) Verteilung der Darlegungs- und der Beweislast: Vollstreckungsimmunität als positive oder negative Verfahrensvoraussetzung? (1) Die Unterscheidung zwischen streitigen Völkerrechtsnormen und streitigen Tatsachen An die Spitze der eigenen Überlegungen zu den nach den wegweisenden Beschlüssen des BVerfG noch offenen Fragen der Vollstreckungsimmunität soll die Frage nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Bestehens von Vollstreckungsimmunität gestellt werden. Diese Frage wird oft vermengt mit der Frage, ob und wenn ja in welchem Regel-Ausnahme-Verhältnis Gerichtsbarkeit und Immunität zueinander stehen. Ich spreche bewusst von „Vermengen“, weil man diese beiden dogmatisch unterschiedlich gelagerten Problemkreise im Rahmen dieser Diskussion strikt voneinander unterscheiden muss. Bei dem letztgenannten Problemkreis geht es nämlich um die Frage, welchen Inhalt eine völkergewohnheitsrechtliche Regel zur Vollstreckungsimmunität haben muss: Muss es sich um einen Erlaubnissatz handeln, der die Zulässigkeit der Vollstreckung bejaht, oder um einen Verbotssatz, der der Vollstreckung entgegensteht?198 Die Antwort auf diese Frage hat durchaus auch etwas mit der Verteilung der Beweislast in der Ausprägung der objektiven Feststellungslast zu tun. Je nachdem, wie sie ausfällt, trifft entweder den Vollstreckungsgläubiger oder den Vollstreckungsschuldner der Nachteil daraus, dass das BVerfG im Vorlageverfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG einen bestimmten Satz des Völkergewohnheitsrechts nicht festzustellen vermag. Die hierauf bezogene Verteilung der Feststellungslast betrifft aber nicht das Risiko der Unaufklärbarkeit einer Tatsache, sondern das der Unaufklärbarkeit der Existenz einer Rechtsnorm. Demgegenüber geht es bei der Frage nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität um die Frage, wer die diesbezüglichen Tatsachen im Verfahren vortragen und gegebenenfalls beweisen muss und wer den Nachteil daraus trägt, dass der entsprechende Beweis nicht erbracht werden kann. (2) Vollstreckungsimmunität: Erlaubnis- oder Verbotsnorm? Zunächst einmal soll der logisch vorrangigen Frage nach dem Inhalt des zu ermittelnden völkergewohnheitsrechtlichen Satzes von der Vollstreckungsimmunität nachgegangen werden. Ob es sich bei diesem Satz um eine 198
Vgl. zu diesen Fragestellungen: von Schönfeld, NJW 1986, 2980.
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Erlaubnis- oder um eine Verbotsnorm im oben umschriebenen Sinne handelt, hängt in der Tat davon ab, ob die Immunität von im Vermögen fremder Staaten stehenden Vollstreckungsgegenständen im Vollstreckungsverfahren die Regel oder die Ausnahme ist: Ist sie die Regel, bedarf es für die Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren über Vermögensgegenstände eines fremden Staates eines Erlaubnissatzes, der ein ausnahmsweises Abweichen von dieser Regel gestattet, ist sie die Ausnahme, so darf die deutsche Gerichtsbarkeit auch bei einem fremden Staat als Vollstreckungsschuldner regelmäßig ausgeübt werden, es sei denn dass eine Regel des Völkergewohnheitsrechts dies ausnahmsweise verbietet. Bei der Prüfung des Bestehens eines wie auch immer gearteten Regel-Ausnahme-Verhältnisses hat die Frage Vorrang, ob das Völkergewohnheitsrecht hierzu eine verbindliche Vorgabe enthält. Dies wird etwa von Geiger ohne jede Differenzierung zwischen Prozess- und Vollstreckungsimmunität bejaht. Danach sei auf Grund der Immunitätskodifikationen der USA, des Vereinigten Königreichs, Kanadas und Australiens sowie des EuÜbk.SI, die die Immunität als Grundsatz normierten, der fallgruppenweise durchbrochen werde, davon auszugehen, dass das Völkergewohnheitsrecht die Immunität als Regel und die Gerichtsbarkeit über einen fremden Staat als Ausnahme ansehe199. Diese Auffassung hält jedoch einer kritischen Überprüfung nicht stand. Nach der in dieser Arbeit zu Grunde gelegten herrschenden ZweiElemente-Lehre umfasst das Völkergewohnheitsrecht die Summe der Verhaltensregeln, die bisher von Völkerrechtssubjekten in ihrem Verkehr untereinander angewendet worden sind (Praxiselement) und bezüglich deren Rechtsgültigkeit eine allgemeine Rechtsüberzeugung der Staaten besteht (Rechtsüberzeugungselement)200. Bezüglich dieser Voraussetzungen für Völkergewohnheitsrecht fehlt es bezüglich des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Gerichtsbarkeit und Immunität jedenfalls am Rechtsüberzeugungselement. Denn die Normen in den amerikanischen und britischen Kodifikationen, die die Vollstreckungsimmunität als Grundsatz formulieren, sollten nicht die Überzeugung dieser Staaten zum Ausdruck bringen, dass es völkerrechtlich geboten sei, eine Vermutung zu Gunsten der Immunität aufzustellen, sondern beruhten vielmehr auf der pragmatischen Erwägung, dass die Beschränkung der Immunität auf einen Bereich enumerativ aufgelisteter Fallgruppen allzu leicht Gefahr laufen könnte, das völkerrechtlich gebotene Minimum zu unterschreiten, während die gewählte Systematik in jedem Falle völkerrechtskonform ist201. Auch das EuÜbk.SI kann im Hinblick auf die Vollstreckungsimmunität schwerlich als Manifestation einer überein199
Geiger, NJW 1987, 1124, 1125 f. Vgl. nur: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 1. Abschn. Rdnr. 131. 201 von Schönfeld, Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 38 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 18. 200
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stimmenden Rechtsüberzeugung der Vertragsstaaten verstanden werden. Vielmehr trägt die Regelung der Zwangsvollstreckung in dem Übereinkommen eindeutig die Merkmale eines Kompromisses zwischen den Vertragsstaaten, die zum Zeitpunkt der Konventionsabfassung noch der Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität anhingen und jenen, die bereits die Lehre von der relativen Vollstreckungsimmunität verfochten202. Mithin kann schon für die von Geiger zur Stützung seiner These angeführten Staaten nicht von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung bezüglich eines völkerrechtlichen Zwanges zur Beachtung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Immunität und Gerichtsbarkeit ausgegangen werden. Das Völkergewohnheitsrecht gebietet es demnach nicht, die Vollstreckungsimmunität als Regel und die Gerichtsbarkeit als Ausnahme anzusehen. Es gebietet aber ebenso wenig, von einem umgekehrten Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen203. Hierfür fehlt es nämlich im Hinblick auf die Voraussetzungen für Völkergewohnheitsrecht an dem Praxiselement wie die soeben angeführten Kodifikationen und das EuÜbk.SI belegen, die die Vollstreckungsimmunität als Grundsatz mit Ausnahmetatbeständen formulieren204. Da mithin das Völkergewohnheitsrecht keine Vorgaben für die Bestimmung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Immunität und Gerichtsbarkeit macht, können diese sich allenfalls aus dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ergeben. Für den nationalen Rechtsraum lassen sich solche Vorgaben aus dem Verfassungsrecht ableiten. Hier sind in erster Linie das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der aus diesem folgende grundrechtlich verbürgte Justizgewähranspruch (Art 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG)205, 206 zu nennen. Dieser Anspruch umfasst 202 Kronke, IPRaX 1991, 141, 145; Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 114 f. und S. 118, der auch darauf hinweist, dass die Auffassung, das EuÜbk.SI gebe insoweit die gemeinsame Rechtsüberzeugung der Vertragsstaaten wider, nur sehr vereinzelt vertreten und ganz überwiegend abgelehnt wird. 203 von Schönfeld, NJW 1986, 2980. 204 Vgl. etwa Artt. 23, 26 EuÜbk.SI. 205 Über die verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage des Justizgewähranspruchs besteht Unsicherheit. So werden als Rechtsgrundlage die Artt. 1 Abs. 3, 19 IV, 20, 28, 92, 101 Abs. 1 S. 2 sowie Art. 103 GG angeführt: vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 3 I. Am überzeugendsten scheint mir die Auffassung, die die objektive Pflicht zur Justizgewähr aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableitet, da diese Pflicht logische Folge des rechtsstaatlich gebotenen Gewaltmonopols des Staates ist. Der Justizgewähranspruch folgt dann aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. 20 Abs. 3 GG. Ebenso: von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2981. 206 Jenseits des Verfassungsrechts ist auch Art. 6 Abs. 1 EMRK einschlägig, der bei möglicher Verletzung des Justizgewähranspruchs durch die Gewährung von Immunität außer der verfassungsgerichtlichen Kontrolle auch eine Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ermöglicht. Vgl. dazu E. J. Habscheid, IPRax 2001, 396 ff. m. w. N.
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nicht nur die Gewährleistung eines Zugangs zum und einen effektiven Rechtsschutz im Erkenntnisverfahren, sondern auch den Zugang zum und effektiven Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren207. Eine weitere Vorgabe folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG, der bekanntlich nicht nur das Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne, sondern alle vermögenswerten Rechtspositionen, also auch den titulierten Anspruch, schützt. Eine Weigerung des Staates, im Hinblick auf eine angebliche Immunität des Vollstreckungsschuldners die Vollstreckung eines titulierten Anspruch zu ermöglichen, stellt mithin sowohl einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG208 als auch in Art. 14 Abs. 1 GG209 dar, der verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt ist, wenn er sich auf ein seinerseits verfassungsmäßiges, insbesondere verhältnismäßiges, förmliches Gesetz oder auf Art. 25 GG stützen kann. Als ein solches förmliches Gesetz kommen mangels eines Immunitätsgesetzes, wie bereits oben ausgeführt, in der Bundesrepublik Deutschland derzeit nur Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen über die Immunität in Betracht. Im Übrigen kann die Immunität nur aus Völkergewohnheitsrecht, Art. 25 GG, folgen. Soweit also kein völkerrechtlicher Vertrag eingreift, kann die Vollstreckung nur verweigert und können damit die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art 20 Abs. 3 GG und aus Art. 14 Abs. 1 GG nur dann eingeschränkt werden, wenn eine Regel des Völkergewohnheitsrechts dies gebietet. Ein solcher verfassungsrechtlich gerechtfertigter Eingriff ist aber nach der allgemeinen Dogmatik der Grundrechte gegenüber der prinzipiell zulässigen Grundrechtsausübung die Ausnahme. Deshalb folgt aus dem nationalen Verfassungsrecht, dass die Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren die Regel und die Verweigerung derselben auf Grund Vollstreckungsimmunität die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme ist210. Die Vollstreckungsimmunität als allgemeine Regel des Völkerrechts hat mithin einen die deutsche Gerichtsbarkeit begrenzenden Verbotssatz und keinen sie begründenden Erlaubnissatz zum Inhalt. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses hat zwar in den oben angeführten beiden Leitentscheidungen zur Vollstreckungsimmunität zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung genommen. Dennoch kann man aus den vom BVerfG gewählten Formulierungen eine Stellungnahme zur Frage des Regel-Ausnahme-Verhält207
Bleckmann, NJW 1978, 1092, 1094; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1228. Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 86. 209 Ähnlich Leipold in FS für Gerhard Lüke, 353, 374, der im Hinblick auf die Verweigerung von Justizgewähr zur Titulierung von bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen im Erkenntnisverfahren mit Recht Art. 14 Abs. 1 GG als thematisch betroffen ansieht. 210 Ebenso: von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2981. 208
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nisses und des Inhaltes der Regeln über die Vollstreckungsimmunität entnehmen. So formuliert das BVerfG im Botschaftskonto-Beschluss in der Entscheidungsformel die Regel zur relativen Vollstreckungsimmunität als Verbotssatz211. Dies kann man auch nicht mit dem Hinweis darauf abtun, dass das vorlegende Gericht eben die Vorlagefrage in dieser Weise formuliert hat212. Denn wenn das BVerfG die Rechtsfrage, welchen Inhalt die zu ermittelnde Regel des Völkergewohnheitsrechts haben muss, anders beurteilt hätte, hätte es die ihm vorgelegte Frage mangels Entscheidungserheblichkeit so nicht beantwortet. Auch kann man die vom BVerfG gewählte Formulierung nicht mit der Zufälligkeit begründen, dass die Vorlage im Rahmen eines vom Vollstreckungsschuldner betriebenen Erinnerungsverfahrens gemäß § 766 ZPO erfolgte, in welchem dieser die Unzulässigkeit der angegriffenen Vollstreckungsmaßnahme nachweisen musste213. Denn das BVerfG hat auch im National Iranian Oil Company-Beschluss an dieser Formulierung der Regeln über die Vollstreckungsimmunität als Verbotssatz festgehalten214, obwohl es sich dabei nicht um ein auf die Beantwortung einer Vorlagefrage bezogenes Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG, sondern um ein Verfassungsbeschwerdeverfahren handelte. Somit kann man festhalten, dass auch das BVerfG das Regel-Ausnahme-Verhältnis im hier vertretenen Sinne zu Grunde legt215. Nach alledem ist kraft Verfassungsrechts für die Bundesrepublik Deutschland davon auszugehen, dass die Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren die Regel und die Gewährung von Vollstreckungsimmunität die Ausnahme ist. Die Vollstreckungsimmunität ist demnach ihrem Inhalt nach ein Verbotssatz, der der Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit Grenzen zieht. Lässt sich ein solcher Verbotssatz auf Vorlage im Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG nicht feststellen, so trifft den Vollstreckungsschuldner die Feststellungslast. Daher besteht eine Rechtsvermutung216 für das Nichtbestehen von Immunität. Im
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Vgl. BVerfGE 46, 342, 345. BVerfGE 46, 342, 347. 213 Wiewohl im vom Vollstreckungsschuldner betriebenen Erinnerungsverfahren gemäß § 766 ZPO das Vollstreckungsgericht die Begründetheit von Amts wegen umfassend, also ohne Bindung an die vom Vollstreckungsschuldner vorgebrachten Verfahrensverstöße, prüft, gilt auch in diesem Verfahren der Beibringungsgrundsatz. Der Vollstreckungsschuldner muss die die Unzulässigkeit begründenden Tatsachen darlegen. Ihn trifft auch die Feststellungslast in Fällen des non liquet. Vgl. K. Schmidt, in: MüKo, ZPO, § 766 Rdnr. 41; Stöber in: Zöller, ZPO, § 766 Rdnr. 27. 214 BVerfGE 64, 1, 17 und 23 ff. 215 von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2981. 216 So auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 97: „Der Grundsatz in dubio pro jurisdictione gestattet bei der rechtlichen Qualifikation eines Sachverhaltes von einer Vermutung zugunsten der Gerichtsbarkeit des Forumstaates auszugehen“. 212
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG gilt nach alledem der Grundsatz „in dubio pro jurisdictione“ und nicht „in dubio pro immunitate“217. (3) Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität Fraglich ist, ob die soeben gewonnene Erkenntnis auch Auswirkungen auf den zweiten oben angerissenen Problemkreis der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität hat. Da insoweit keine völkergewohnheitsrechtlichen Vorgaben ersichtlich sind218, entscheidet sich die Frage der Beweislastverteilung ebenfalls nach autonomem deutschem Recht. Dies bedeutet, dass mangels entgegenstehender gesetzlicher Anordnungen die Beweislastverteilung nach der allgemein anerkannten ungeschriebenen Grundregel zu ermitteln ist, wonach jeder die Beweislast für die Voraussetzungen der ihm günstigen Norm, also derjenigen, deren Anwendung er begehrt, trägt219. Ein besonders wichtiger Anhaltspunkt für die Konkretisierung dieses Satzes ist das sogen. „Regel-Ausnahmeprinzip“, wonach derjenige, der einen Ausnahmetatbestand angewendet wissen will, die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes trägt220. Letzteres macht deutlich, wie die zum vorgenannten Problemkreis gewonnenen Erkenntnisse mit dem Problemkreis der Beweislastverteilung zusammenhängen. Wenn das deutsche Verfassungsrecht es gebietet, das Bestehen deutscher Gerichtsbarkeit als den Regeltatbestand und das Bestehen von Vollstreckungsimmunität als den Ausnahmetatbestand anzusehen, dann bedeutet dies für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Voraussetzungen der Immunität, dass sie nach autonomem deutschem Recht221 den Vollstreckungsschuldner als denjenigen trifft, der den ihm günstigen Ausnahmetatbestand angewendet wissen will222. Damit trifft also den Vollstreckungsschuldner die primäre Darlegungslast223 und die Beweislast für die Voraus217
von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2981. von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2982. 219 Vgl. statt vieler: Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Anh § 286 Rdnr. 3. 220 Vgl. statt vieler: Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 17. 221 In Frankreich ist diese Frage äußerst strittig. Die wohl noch h. M. in der Rechtsprechung will der privaten Partei die Beweislast für die nicht-hoheitliche Widmung des Vollstreckungsobjekts zuweisen. Allerdings gibt es auch neuere Judikate, die der hier für das deutsche Recht befürworteten Ansicht folgen: vgl. Kröll, IPRax 2002, 439, 440 m. w. N. 222 Dies übersieht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 110 f., wenn sie ausführt, die Diskussion um das Regel-Ausnahme-Verhältnis habe keine rechtlichen Folgen. 218
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setzungen der Vollstreckungsimmunität224. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG, das im Gegensatz zu einer gelegentlich vertretenen Einschätzung225 die Beweislastfrage keineswegs ausdrücklich offen gelassen hat. Es hat zwar im Botschaftskonto-Beschluss formuliert: „Offenbleiben kann hier, ob und nach welchen Maßstäben Forderungen und sonstige Rechte aus anderen Konten eines fremden Staates bei Banken im Gerichtsstaat (. . .) als hoheitliche oder nicht-hoheitliche Vermögensgegenstände zu qualifizieren sind, und welche völkerrechtlichen Grenzen für das Beweisrecht insoweit zu beachten sind“226. Diese Ausführungen beziehen sich, wie man dem Entscheidungskontext dieses Zitates entnehmen kann, auf die vom BVerfG zuvor breit erörterte Frage, inwieweit das Völkerrecht es gebietet, vom Erfordernis der substantiierten Darlegung und des vollen Beweises bezüglich der Verwendungszwecke für Bankguthaben fremder Staaten Abstand zu nehmen227. Nur insoweit hat das BVerfG nicht abschließend Stellung beziehen wollen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es seine übrigen Ausführungen, die insbesondere indirekte Aussagen über die Beweislastverteilung enthalten, durchaus für verallgemeinerbar hält. Den Gründen des Botschaftskonto-Beschlusses kann man aber entnehmen, dass das BVerfG die hier befürwortete Beweislastverteilung teilt. So erörtert es, wie bereits ausgeführt, ausführlich, welche Anforderungen man an die Substantiierung des Vortrages des Vollstreckungsschuldners von Völkerrechts wegen stellen darf. Ferner kommt es zu dem Schluss, dass man vom Vollstreckungsschuldner durchaus eine „gehörige Versicherung durch ein zuständiges Organ“ verlangen kann228. Diese Ausführungen ma223 Wollte man diesem Ergebnis nicht folgen, so müsste man aber dem Vollstreckungsschuldner zumindest (in der Terminologie des BGH, der grundsätzlich eine Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei nicht anerkennt) eine sekundäre Behauptungslast auferlegen, weil er im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehens stehenden primär Darlegungspflichtigen die wesentlichen Tatsachen kennt. Vgl. zu diesen Grundsätzen und zum Begriff der sekundären Darlegungslast: Greger in: Zöller, ZPO, § 286 Rdnr. 34. 224 A.A., allerdings ohne nähere Begründung, Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 69. Der von Heß a. a. O. als Beleg für seine Auffassung zitierte Reinhold Geimer vertritt in der zitierten Textstelle (IZPR, Rdnr. 527) die hier befürwortete Beweislastverteilung. Für die hier befürwortete Beweislastverteilung auch: Strebel, RabelsZ 40 (1980), 66, 74. Differenzierend: Kröll, IPRax 2002, 439, 445, dessen Ausführungen an dieser Stelle sich durchaus vom französischen Recht abstrahieren lassen und der anstatt der hier befürworteten Beweislastverteilung der privaten Partei lediglich eine „Vielzahl“ von Beweiserleichterungen einräumen will, ohne dabei aber genauer auszuführen, in welchen Fällen diese eingreifen sollen und wie sie legitimiert werden können. 225 von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2982. 226 BVerfGE 46, 342, 402. 227 BVerfGE 46, 342, 399–402. 228 BVerfGE 46, 342, 400.
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chen aber nur Sinn, wenn man von einer Beweislastverteilung im hier vertretenen Sinne ausgeht, da die vom BVerfG verlangte „Glaubhaftmachung“ des hoheitlichen Zweckes andernfalls nicht Aufgabe des Vollstreckungsschuldners, sondern des beweisbelasteten Vollstreckungsgläubigers wäre. Auch den National Iranian Oil Company-Beschluss kann man so verstehen. Wenn das BVerfG in ihm die Immunität ausdrücklich als „völkergewohnheitsrechtlichen Anspruch auf Befreiung von nationaler Gerichtsbarkeit“229 bezeichnet, impliziert die Figur des Anspruchs sogleich eine damit nach deutschem Verständnis einhergehende Vorstellung von der Beweislastverteilung, wonach regelmäßig der Anspruchsteller die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen trägt230. Für den beweislastmäßig bisher noch nicht angesprochenen Immunitätsverzicht, der, um bei der Figur des Anspruchs zu bleiben, eine rechtsvernichtende Einwendung darstellt, bedeutet dies wiederum, dass der Vollstreckungsgläubiger für die ihn begründenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Gerichtsbarkeit und Immunität hat überdies nicht nur Auswirkungen auf die Beweislastverteilung, sondern auch auf die Auslegung und Anwendung der Regeln über die Vollstreckungsimmunität durch die deutschen Vollstreckungsorgane und Gerichte. Wenn die Vollstreckungsimmunität nämlich ein Ausnahmetatbestand ist, ist sie – unter Beachtung der völkerrechtlichen Grenzen – nach dem methodischen Prinzip, dass Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind, auszulegen. Dies gebietet überdies wiederum Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, wonach eine effektive Zwangsvollstreckung bis an die Grenze des völkerrechtlich Zulässigen eröffnet werden muss. Wo immer also das Völkergewohnheitsrecht für die Gewährung von Immunität Spielräume eröffnet und lediglich nach dem völkerrechtsmethodischen Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners die Beachtung von allgemein anerkannten Mindeststandards gebietet, ist die Gerichtsbarkeitsschranke Immunität „immunitätsfeindlich“ und „vollstreckungsfreundlich“ auszulegen231. (4) Anforderungen an die Substantiierung des Vortrages und an das Beweismaß Wenn nach alledem feststeht, dass die Darlegungs- und Beweislast den Vollstreckungsschuldner trifft, ist dadurch noch nichts über die vom BVerfG 229
BVerfGE 64, 1, 23. Vgl. statt vieler: Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 17. 231 In Anlehnung an die wegweisenden Ausführungen von Schönfelds, NJW 1986, 2980, 2981, der allgemeiner formuliert, das deutsche Recht sei „rechtsschutzfreundlich“ und „immunitätsfeindlich“. 230
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für die außerhalb des Gesandtschaftsrechts liegenden Fallgestaltungen in der Tat offen gelassenen Fragen der Anforderungen an die Substantiierung des Vortrages und das Beweismaß gesagt. Daher stellt sich die Frage, ob sich die vom BVerfG für das Gesandtschaftsrecht entwickelten Regeln auch auf andere Fallgestaltungen übertragen lassen. Im Botschaftskonto-Beschluss hält das BVerfG das Fordern einer „näheren Darlegung“ bezüglich der „früheren, gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke“ von Guthaben auf einem Botschaftskonto, die über die Darlegung, dass das Konto „zur Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Vertretung dient“ hinausgeht, für eine „völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaates“232. Diese Begründung begegnet Bedenken, da das völkerrechtliche Interventionsverbot, wie bereits dargelegt, voraussetzt, dass der intervenierende Staat mit dem Eingriff subjektiv ein finales Element verbindet, dergestalt, dass er nämlich auf die Ausübung der Staatsgewalt des anderen Staates in seinem Sinne einwirken will233. Dies wäre bei höheren Anforderungen an die Darlegung des hoheitlichen Zwecks im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ersichtlich nicht der Fall. Wenn auch somit das völkergewohnheitsrechtlich begründete Interventionsverbot grundsätzlich eine Absenkung der Substantiierungslast nicht erfordert, so ist dem BVerfG doch darin zuzustimmen, dass es im vorliegenden Fall ausnahmsweise auch einmal ohne Vorliegen dieses subjektiven Elementes eingreifen kann. Dies ergibt die systematische Auslegung des Interventionsverbotes im Hinblick auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, die dazu dient, aus der Kollision beider Völkerrechtssätze resultierende Wertungswidersprüche zu vermeiden. Diese Wertungswidersprüche könnten sich bei einer traditionellen Anwendung des Interventionsverbotes auf das Problem der Substantiierung daraus ergeben, dass scharfe Anforderungen an die Substantiierungslast jedenfalls bei hoheitlichen Kernaufgaben zu einem Eindringen in den Kernbereich der Willensbildung der Regierung führen können. Eingriffe in diesen Kernbereich sind deutschen Gerichten gegenüber der eigenen Regierung mit Rücksicht auf das Prinzip der Gewaltenteilung grundsätzlich verwehrt. Allein die Tatsache, dass das Prinzip der Gewaltenteilung auf das Verhältnis deutscher Gerichte zu Regierungen fremder Staaten nicht anwendbar ist, darf indes nicht dazu führen, dass diese nunmehr unbegrenzt in die Willensinterna dieser Regierungen eindringen dürften. Denn das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten gebietet es, dass die Bundesrepublik Deutschland Justizeingriffe, die sie ihrer eigenen Regierung nicht zumuten will, auch fremden Staaten nicht zumuten darf. Jedes andere Ergebnis könnte ansonsten auch allzu leicht verärgerte Gläubiger fremder Staaten dazu ermuntern, auf 232 233
BVerfGE 46, 342, 401. Graf Vitzthum, in Völkerrecht, 1. Abschn. Rdnr. 76.
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nach ihrer Vermutung „sensible Konten“ dieser Staaten in der Bundesrepublik zuzugreifen, so dass diesen nur die Wahl bliebe, unliebsame Regierungsinterna preiszugeben oder die beschlagnahmten Forderungen „abzuschreiben“. Demnach ist mit Rücksicht auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten das Interventionsverbot so auszulegen, dass es im Hinblick auf die Substantiierungslast des fremden Staates im Vollstreckungsverfahren auch ohne Vorliegen des subjektiven Elementes seitens des Gerichtsstaates eingreift. Nach alledem lässt sich die Rechtsprechung des BVerfG zu Botschaftskonten hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegungslast auch auf andere Konten, Forderungen und Rechte übertragen234. Demnach wäre etwa bei einem zu Beschaffungszwecken dienenden Konto lediglich zu verlangen, dass der Vortrag des Staates ausreichend Tatsachen enthält, um eine Bewertung des verfolgten Zwecks als „hoheitlich“ zu tragen. Der Vortrag, das Konto sei bei Beginn der Vollstreckung zu Waffenkäufen235 vorgesehen gewesen, muss demnach genügen. Auch bei substantiiertem Bestreiten ist keine darüber hinausgehende Darlegung zu Art, Menge, potentiellen Verkäufern, Preisvorstellung etc. bezüglich der zu erwerbenden Waffen erforderlich. Dadurch sind die Anforderungen an die schlüssige Darlegung der hoheitlichen Zweckbestimmung auch nicht etwa unvertretbar niedrig angesetzt. Denn neben der Zweckbestimmung muss der Vollstreckungsschuldner immerhin darlegen, dass die Forderung bzw. das Recht bereits im Zeitpunkt der Einleitung der Zwangsvollstreckung auf Grund eines auf den Staatswillen rückführbaren Entschlusses zur unmittelbaren Verwendung für diesen Zweck vorgesehen war. Dabei muss er nicht den konkreten Entscheidungsprozess und seinen Inhalt, aber doch eine hinreichend konkrete endgültige Anordnung/Weisung des zuständigen Staatsorgans über den Verwendungszweck vortragen. Bei der konkreten Bewertung, ob dieser Vortrag hinreichend substantiiert ist, wird das Vollstreckungsgericht aber immer die oben angeführten vom Interventionsverbot gezogenen Grenzen im Auge behalten müssen. Hinsichtlich des zu fordernden Beweismaßes ist wiederum fraglich, ob die für das Gesandtschaftsrecht formulierten Regeln des Botschaftskonto-Beschlusses, wonach das Völkerrecht (nur) eine Glaubhaftmachung (vgl. § 294 ZPO) durch ein zuständiges Organ in 234
Vgl. etwa Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 267, der mit Recht bezogen auf das Beispiel eines militärischen Zwecken dienenden Guthabens ausführt, man könne einem fremden Staat nicht zumuten,“ z. B. militärische Vorhaben durch das Vorlegen von Beweisurkunden bis ins letzte zu offenbaren“. A. A. Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 286 f., der danach differenzieren will, ob der Staat selbst bei der Kontoführung und -anlegung den kernhoheitlichen Verwendungszweck zum Ausdruck gebracht hat. Nur dann sei er im Hinblick auf die beweisrechtliche Handhabung schutzwürdig. 235 Zur Einordnung dieses Vortrages als „hoheitliche Zweckbestimmung“ siehe die weiteren Ausführungen unten.
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Form einer „gehörigen Versicherung“ zulasse, auch auf andere Fallgestaltungen übertragbar sind. Hierfür spricht, dass es in sich widersprüchlich wäre, wenn man dem fremden Staat mit Rücksicht auf das Völkerrecht einen relativ pauschalen Vortrag gestatten würde, um ihm dann zugleich aufzuerlegen, er müsse diesen relativ farblosen Vortrag zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen. Dies würde im Ergebnis dann doch zu einem faktischen Zwang zu substantiierterem Vortrag führen, der gegen das Interventionsverbot verstieße. Die vom BVerfG befürwortete Beweismaßabsenkung lässt sich also ebenfalls vom Gesandtschaftsrecht auf die übrigen Fallgestaltungen übertragen236. Lediglich bezüglich der vom BVerfG für das Gesandtschaftsrecht entwickelten Beschränkung der Mittel der Glaubhaftmachung auf die „gehörige Versicherung“, womit wohl die eidesstattliche Versicherung gemeint ist, erscheint eine Übertragung auf die übrigen Fälle potentieller Immunität nicht geboten. In diesem – eher beiläufig ausgesprochenen – Punkt ist dem BVerfG nämlich die Gefolgschaft zu versagen. Das vom BVerfG angeführte Interventionsverbot kann nämlich unter keinem Gesichtspunkt eine Beschränkung der in § 294 ZPO aufgeführten Mittel der Glaubhaftmachung zu Lasten des fremden Staates rechtfertigen. Der fremde Staat kann vielmehr selbst entscheiden, wie er seinen Vortrag glaubhaft machen möchte. Beschränkt er sich, was er ohne weiteres kann, auf die eidesstattliche Versicherung des zuständigen Organs, trägt er das – durch § 139 ZPO begrenzte – Risiko, dass dieses Mittel dem Vollstreckungs- bzw. Beschwerdegericht nicht zur Glaubhaftmachung reicht. (5) Die zivilprozessrechtsdogmatische Einordnung der Vollstreckungsimmunität und deren Bedeutung für die allgemeine Prozessrechtslehre Es fragt sich, welche Folgerungen aus diesen Erkenntnissen über den Inhalt der Regeln über die Vollstreckungsimmunität und die Verteilung der Beweislast für das Bestehen dieser Regeln und ihrer tatsächlichen Voraussetzungen für die dogmatische Einordnung der Vollstreckungsimmunität in der Zivilprozessrechtslehre zu ziehen sind. Üblicherweise wird die Immunität in der Lehre als Grenze der „deutschen Gerichtsbarkeit“ abgehandelt, die ihrerseits als klassische Prozess-, Sachurteils- bzw. Zulässigkeitsvoraussetzung bezeichnet wird237. Auf das Vollstreckungsverfahren übertragen also als „Verfahrensvoraussetzung“238. Dabei wird lediglich die Einschrän236
Im Ergebnis ebenso: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 176 f. So bereits: Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337, 341; für die heute h. M. vgl. nur statt vieler: G. Lüke, in: MüKo, ZPO, Vor § 253 Rdnrn. 1 f. und 6 m. N.; ders., in: FS Müller-Dietz, 479, 484. 238 Stöber, in: Zöller, ZPO, Vor § 704 Rdnr. 15. 237
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kung gemacht, dass es sich nicht um eine Prozessvoraussetzung bzw. Verfahrensvoraussetzung im „technischen Sinne“ handele, da die fehlende Gerichtsbarkeit in eindeutigen Fällen239 bereits dem gerichtlichen Tätigwerden als solchem entgegenstehe, also im Sinne einer „Prozess- bzw. Verfahrenseröffnungsvoraussetzung“ bereits dem Entstehen eines Prozessrechtsverhältnisses entgegenstehe und nicht erst dem Erlass eines Sachurteils bzw. einer sonstigen Entscheidung in der Sache240. Unter Zugrundelegung der hier gefundenen Ergebnisse erscheint aber überprüfungsbedürftig, ob diese dogmatische Einordnung der Gerichtsbarkeit, respektive der Immunität, auf die Frage der Beweislastverteilung abgestimmt ist. Denn es entspricht der ganz h. M., dass bei den Prozess- oder Verfahrensvoraussetzungen das Risiko der Unaufklärbarkeit (objektive Beweislast) der sie begründenden Tatsachen bei demjenigen liegt, der das Verfahren betreibt und eine Entscheidung begehrt241, da die begehrte Entscheidung nur ergehen kann, wenn der Antrag zulässig ist. Anders liegen die Dinge nach dieser ganz h. L. nur dann, wenn es sich bei einem die Zulässigkeit des Verfahrens betreffenden Umstand nicht um eine Verfahrensvoraussetzung, sondern um ein Verfahrenshindernis handelt. Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Prozess- bzw. Verfahrenshindernisses trifft nämlich den Beklagten bzw. Antragsgegner242. Demnach müsste man die fehlende deutsche Gerichtsbarkeit kraft Vollstreckungsimmunität also als Prozess- oder Verfahrenshindernis einstufen. Dies wird auch in der zivilprozessualen Literatur bezüglich der Immunität vereinzelt vertreten243, während die Immunität nach der im Strafprozessrecht vorherrschenden Terminologie, die indes auch inhaltlich von der zivilprozessualen Terminologie abweicht244, als „Verfahrenshin239 Beispiel: Der Beklagte bzw. Antragsgegner ist Botschafter und es liegt weder ein Ausnahmefall nach Art. 31Abs. 1 S. 2 noch ein Immunitätsverzicht nach Art. 32 WDÜ vor. 240 Vgl. statt vieler: Gummer, in: Zöller, ZPO, Vor §§ 18–20 GVG Rdnr. 3. Allerdings gilt dies zu Recht nur für die eindeutigen Fälle. Ist dagegen etwa das Vorliegen von Immunität aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zweifelhaft und zwischen den Parteien streitig, so ist die Klage zuzustellen bzw. das Verfahren zu eröffnen und zunächst abgesondert über das Bestehen der Gerichtsbarkeit zu verhandeln und zu entscheiden. 241 Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 9 und § 280 Rdnr. 5; Thomas in: Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem § 253 Rdnr. 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 96 V 2. 242 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 96 V 3. 243 Gummer in: Zöller, ZPO, Vorbemerkung zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 3: „Befreiung von der Gerichtsbarkeit ist ein selbständiges Hindernis prozessualer Art“; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 491: „absolutes Verfahrenshindernis“; vgl. auch: Kissel, GVG, § 18 Rdnr. 3 und Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 4; auch der österreichische OGH spricht von der Immunität als einem „Prozesshindernis“: vgl. OGH, Beschluss v. 14.02.2001 – 7 Ob 316/00x, IPRax 2002, 418, 420 und 421.
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dernis“ bezeichnet wird245. Allerdings begegnet auch dies vor dem Hintergrund der mit der Terminologie verbundenen Rechtsfolgen Bedenken246. Denn üblicherweise werden im Zivilverfahrensrecht Prozess- bzw. Verfahrensvoraussetzungen und Prozess- bzw. Verfahrenshindernisse unter dem folgenden Gesichtspunkt gegeneinander abgegrenzt: Während Prozess- bzw. Verfahrensvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen seien, müssten Prozess- bzw. Verfahrenshindernisse vom Gericht nur dann berücksichtigt werden, wenn der Beklagte bzw. Antragsgegner sie ausdrücklich rügt247. Für die deutsche Gerichtsbarkeit, auch unter dem Gesichtspunkt der Immunität, ist aber anerkannt, dass sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist248. Wenn man nicht der Mindermeinung von Hartmann folgen will, wonach auch Verfahrenshindernisse stets vom Gericht von Amts wegen zu prüfen und zu beachten sind249, könnte man es sich einfach machen und den Schluss ziehen, dass die Immunität eben eine Zulässigkeitsfrage eigener Art sei, die sich der gängigen Einordnung in Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse entziehe, weil sie zwar einerseits von Amts wegen zu beachten
244 Vgl. dazu: G. Lüke, in: FS Müller-Dietz, 479, 483. Die Verfahrenshindernisse im Sinne der strafprozessualen Terminologie sind nämlich nicht nur auf Einrede des Angeklagten hin, sondern in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Verfahrenshindernisse in diesem Sinne soll es nach G. Lüke a. a. O. im Zivilprozessrecht gar nicht geben. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, ist die etwa infolge Immunität fehlende deutsche Gerichtsbarkeit auch im Zivilverfahren ein solches Verfahrenshindernis. 245 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StGB, § 18 GVG Rdnr. 3; BayObLG NJW 1992, 641, Beschl. v. 05.11.1991 – 1 Ob Owi 345/91; BGHSt 1 21, 32, 37, Beschl. v. 14.02.1966 – GSSt 1/65. Allerdings wird auch im Strafprozessrecht die Terminologie nicht immer einheitlich gehandhabt: In BGHSt 14, 137, 139, Urt. v. 03.02.1960 – 2 StR 576/58, ist etwa noch von der deutschen Gerichtsbarkeit als „Verfahrensvoraussetzung“ die Rede. 246 von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2982 spricht dieses Problem an: „Eine derartige Praxis (gemeint ist die Beweislastverteilung im hier vertretenen Sinne) würde sich mit dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz stoßen, dass die Frage der Gerichtsbarkeit eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung ist“. Er zieht aber nicht die nötigen Konsequenzen aus dieser Einsicht, die nur darin liegen können, dass in der Prozessrechtslehre ganz allgemein die Frage der amtswegigen Prüfung eines Zulässigkeitsgesichtspunktes von der Frage der Beweislast unterschieden werden muss. 247 Statt vieler: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 96 V 2 und 3; G. Lüke, in: FS Müller-Dietz, 479, 483. Für die Prozesshindernisse verbleibt dann nur ein schmaler Anwendungsbereich, nämlich die §§ 119, 269 IV, 1032 ZPO: Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 20. 248 BVerfGE 46, 342, 359. 249 Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Grundz § 253 Rdnr. 19.
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und zu prüfen ist, anderseits aber die Beweislast für die sie begründenden Umstände beim Beklagten bzw. Antragsgegner liegen. Dies verstellt allerdings den Blick darauf, dass es auch andere solcher Zulässigkeitsgesichtspunkte gibt, auf die das oben umschriebene Dilemma zutrifft, die aber gleichwohl als von den Prozess- bzw. Verfahrenshindernissen zu trennende Prozess- bzw. Verfahrensvoraussetzungen bezeichnet werden250. Zu nennen sind insoweit etwa die materiell-rechtskräftige Entscheidung über den gleichen Streitgegenstand, die anderweitige Rechtshängigkeit des gleichen Streitgegenstandes (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das Rechtsschutzbedürfnis251, 252. Ferner gilt dies richtiger Auffassung nach auch für die Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit. Allerdings geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass den Kläger bzw. Antragsteller die objektive Beweislast253 für die Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit der Parteien bzw. Beteiligten trifft254. Dem ist Musielak mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten 255, die hier nur noch einmal kurz aufgezeigt werden sollen. Danach ist davon auszugehen, dass § 52 ZPO die Prozessfähigkeit an 250 Thomas in: Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem § 253 Rdnr. 13 erkennt dieses Problem und löst es pragmatisch so: „Die Tatsachen, die nur auf Rüge zu beachten sind, hat der Beklagte zu beweisen, er trägt aus praktischen Gründen auch die objektive Beweislast für das Vorhandensein einer von Amts wegen zu beachtenden negativen Prozessvoraussetzung“. 251 Dass diese Aussage zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beim Rechtsschutzbedürfnis zutrifft, wird in den nachfolgenden Erörterungen zum Vollstreckungsinteresse näher begründet werden. 252 Vgl. statt vieler: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 96 II, wo diese Zulässigkeitsgesichtspunkte einschließlich der Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit als „allgemeine Prozessvoraussetzungen“ aufgeführt werden und G. Lüke, in: FS MüllerDietz, 479, 484, der insoweit immerhin zwischen negativen und positiven Prozessvoraussetzungen unterscheidet, dabei aber die „deutsche Gerichtsbarkeit“ vom hier vertretenen Standpunkt aus gesehen terminologisch unzutreffend den positiven Prozessvoraussetzungen zuschlägt. 253 Der BGH geht dabei davon aus, dass der Zulässigkeitsgesichtspunkt der Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit nicht in jedem Verfahren zu prüfen und vom Gericht vor Erlass einer Sachentscheidung zu bejahen ist. Vielmehr könne ein angegangenes Gericht so lange von der Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit der Parteien bzw. Beteiligten ausgehen, so lange es keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ für Prozess- bzw. Verfahrensunfähigkeit gibt. Auch dann obliege dem Kläger bzw. Antragssteller keine subjektive Beweisführungslast. Vielmehr seien die erforderlichen Beweise von Amts wegen im Wege des Freibeweises zu erheben. Erst wenn sich die Prozessbzw. Verfahrensfähigkeit bei der in Rede stehenden Person nach Erschöpfung aller erschließbarer Erkenntnisquellen nicht klären lasse, werde die Frage nach der objektiven Beweislast akut, die dann zu Lasten des Klägers bzw. Antragstellers gehen müsse: BGH, NJW 1996, 1059, 1060, Urt. v. 09.01.1996 – VI ZR 94/95. 254 BGHZ 18, 184, 189 f., Urt. v. 24.09.1955 – IV ZR 162/54; BGH, NJW 1962, 1510 f., Urt. v. 09.05.1962 – IV ZR 4/62; BGHZ 86, 184, 189, Urt. v. 22.12.1982 – V ZR 89/90; BGH, NJW 1996, 1059, 1060, Urt. v. 09.01.1996 – VI ZR 94/95.
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die Geschäftsfähigkeit koppelt, die in §§ 104–105 Abs. 1 BGB als rechtshindernde Norm ausgestaltet ist, so dass nach ganz h. M. für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit derjenige die Beweislast trägt, der sich auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts beruft256. Da über die Geschäftsfähigkeit hinaus durch § 52 ZPO keine zusätzlichen Anforderungen an die Prozessfähigkeit gestellt werden, kann für die Prozessfähigkeit eine von § 104 BGB f. abweichende Beweislastverteilung nur Platz greifen, wenn sich dies aus § 52 ZPO ableiten lässt. Das ist indes nicht der Fall. Die Tatsache, dass § 52 ZPO positiv von der Prozessfähigkeit spricht, während § 104 BGB negativ die Geschäftsunfähigkeit definiert, ist ohne Belang, da die §§ 51 ff. ZPO beim Inkrafttreten des BGB unverändert geblieben sind, so dass mit den unterschiedlichen Formulierungen keine beweislastrelevante Gegensatzbildung gewollt war257. Die Materialien zu beiden Gesetzen enthalten diesbezüglich auch keine Anhaltspunkte. Der BGH meint, § 56 ZPO stütze bei systematischer Betrachtung seine Auffassung258. Dies ist aber nicht überzeugend, da die Regelung der objektiven Beweislast gerade nur dann eingreift, wenn die (amtswegige) Beweisermittlung ergebnislos bleibt. Dann aber ist es mit § 56 ZPO ohne weiteres vereinbar, wenn die Beweislastnorm das Beweisergebnis in der Weise fingiert, dass die Prozessfähigkeit positiv bejaht werden kann259. Objektivteleologische Gesichtspunkte, die die Auffassung des BGH legitimieren könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere ist die vom BGH beschworene Gefahr der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der sich daraus möglicherweise später ergebenden Rechtsfolgen260 kein durchgreifender Gesichtspunkt. Wird nämlich im Wege der Beweislastentscheidung die Prozessfähigkeit fingiert, kann das Verfahren zu einem rechts- und bestandskräftigen Abschluss geführt werden261. Die Gefahr, dass etwa im Beru255 Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozess, S. 323–330; ders., NJW 1997, 1736 ff. 256 Vgl. Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozess, S. 326 m. w. N. 257 Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozess, S. 324 f.; ders., NJW 1997, 1736, 1739. 258 BGH, NJW 1962, 1510. 259 Musielak, NJW 1997, 1736, 1740. 260 BGH, NJW 1962, 1510. 261 Der BGH kann allerdings zu Gunsten seiner Auffassung anführen, dass nach seiner Rechtsprechung die spätere Feststellung, dass eine Partei während des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens hindurch prozessunfähig war, der auf § 597 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützten Nichtigkeitsklage zum Erfolg verhilft (BGHZ 84, 24, 26–30; Urt. v. 05.05.1982 – IV b ZR 707/80). Diese Rechtsprechung ist jedoch in den Konstellationen, in denen das Gericht die Prozessfähigkeit geprüft und – wenn auch „nur“ mit Hilfe einer Beweislastentscheidung – ausdrücklich bejaht hat, nicht überzeugend. Der Regelung des § 579 liegt nämlich für alle Nichtigkeitsgründe der
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fungsverfahren die Geschäftsunfähigkeit einer Partei festgestellt und die Klage daraufhin abgewiesen wird, kehrt sich bei einer umgekehrten Beweislastverteilung nur um262. Schließlich kann man die überzeugende Argumentation Musielaks noch um folgenden Gedanken anreichern: Soll ein bestimmtes Auslegungsergebnis mittels objektiv-teleologischer Auslegung gewonnen werden, so müssen bei – vom BGH anscheinend bejahten – Auslegungsspielräumen die Wertentscheidungen der Verfassung Vorrang vor sonstigen Auslegungsgesichtspunkten haben. Hier kommt wieder Art. 19 Abs. 4 GG zum tragen, der wie die übrigen Grundrechte auch nicht nur subjektives Recht ist, sondern auch eine die Rechtsordnung prägende objektive Wertentscheidung zu Gunsten effektiver Rechtsschutzgewährung für den Rechtsschutz in Anspruch nehmenden Bürger enthält. Das bedeutet, dass das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden ist, dass die Anträge des Bürgers in seiner Rolle als Kläger bzw. Antragsteller wo immer möglich in der Sache beschieden werden, ohne dass er auf Zugangshindernisse verwiesen wird. Will der Staat dem Bürger also Rechtsschutz mit dem Hinweis auf die Prozess- bzw. Verfahrensunfähigkeit einer der Parteien bzw. Beteiligten verweigern, so liegt es an ihm, den Nachweis zu erbringen, dass er dazu berechtigt ist. Gelingt ihm das nicht, so ist wegen der Wertung des Art. 19 Abs. 4 GG durch Bescheidung des Antrags in der Sache Rechtsschutz zu gewähren. Nach alledem ist also auch die Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit nach richtigem Verständnis ein Zulässigkeitsgesichtspunkt, für den das vorliegend umschriebene Dilemma zutrifft, dass er einerseits amtswegig zu prüfenden Prozess- oder Verfahrensvoraussetzung sein soll (vgl. § 56 ZPO), für die nach den allgemeinen Regeln den Kläger bzw. Antragsteller die Beweislast trüge, dass andererseits aber in Sonderheit für diesen Zulässigkeitsgesichtspunkt der Beklagte bzw. Antragsgegner die objektive Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen trägt. Diesem Dilemma kann man nur entrinnen, wenn man bei der Systematisierung der Zulässigkeitsfragen die Verknüpfung der Frage, ob ein Umstand von Amts wegen zu prüfen ist, mit der Frage, wer die Beweislast für seine tatsächlichen Voraussetzungen trägt, auflöst. Dann kann man zwar Zulässigkeitsfragen getrost weiterhin danach unterscheiden, ob sie von Amts wegen oder nur auf Einrede hin zu prüfen sind. Man darf nur aus der nach diesem Kriterium vorgenommenen Unterscheidung dann keine Rückschlüsse auf Gedanke zu Grunde, dass die Nichtigkeitsklage nicht dazu dient, eine ausdrückliche Entscheidung im Vorprozess zu korrigieren. Andernfalls führte dies nämlich zu dem untragbaren Ergebnis, dass über manche Nichtigkeitsgründe nie eine endgültige Entscheidung ergehen könnte, da auch das der Nichtigkeitsklage stattgebende Urteil wieder mittels Nichtigkeitsklage kassiert werden könnte (so auch: Musielak, NJW 1997, 1736, 1740 m. w. N.). 262 Ähnlich: Musielak, NJW 1997, 1736, 1740.
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die Beweislastverteilung ziehen. Die Zulässigkeitsgesichtspunkte, die von Amts wegen zu prüfen sind, könnte man zur Vermeidung einer begrifflichen Bezugnahme auf die Beweislast mit „von Amts wegen zu prüfende Verfahrens- oder Prozessvoraussetzungen“ umschreiben. Auch wäre es unglücklich diesem Begriff den Begriff des „Prozess- oder Verfahrenshindernisses“ als Komplementärbegriff gegenüberzustellen. Denn der Begriff Prozesshindernis bringt nicht das Gegenteil zur amtswegigen Prüfung zum Ausdruck, also dass ein Umstand nur berücksichtigt wird, wenn er vom Gegner ausdrücklich gerügt wird. Mit ihm ist vielmehr etwas Negatives gemeint: Ein Umstand nämlich, der die grundsätzlich zu bejahende Zulässigkeit ausnahmsweise hindert263. Damit wird aber inhaltlich auf die Beweislast Bezug genommen, die sich im Falle fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung regelmäßig am Regel-Ausnahme-Prinzip orientiert. Die Beweislastfrage ist aber gerade – wie gezeigt – mit der Frage, ob ein Umstand von Amts wegen oder nur auf Einrede hin zu prüfen ist, nicht identisch. Daher sollte man bei der Unterscheidung von Zulässigkeitsgesichtspunkten nach diesem Kriterium dem Begriff der amtswegig zu prüfenden Prozess- bzw. Verfahrensvoraussetzung besser allgemein den ebenfalls gebräuchlichen Ausdruck der Prozess- bzw. Verfahrenseinrede264 gegenüberstellen. Gleichzeitig folgt aber aus den vorstehenden Überlegungen, dass man außer der traditionellen Unterscheidung der Zulässigkeitsgesichtspunkte danach, ob sie von Amts wegen oder auf Einrede zu prüfen sind, auch eine von diesem Kriterium unabhängige Unterscheidung danach, wer für ihre tatsächlichen Voraussetzungen die Beweislast trägt, vornehmen kann. Hier kann man getrost für die Zulässigkeitsgesichtspunkte, für die den Kläger bzw. Antragsteller die Beweislast trifft, den Begriff der Prozessbzw. Verfahrensvoraussetzung verwenden und für diejenigen, die der Beweislast des Gegners obliegen, den Begriff des Verfahrenshindernisses. So verstanden kann man denn auch die Immunität – im Einklang mit der strafprozessualen Terminologie – als Verfahrenshindernis bezeichnen. Alternativ, für den Fall, dass man an der herrschenden Terminologie festhalten wollte, bietet es sich an, die jeweils verschiedene Beweislastverteilung für 263 Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Grundz § 253 Rdnr. 19: „Hierher zählen Umstände, die die Zulässigkeit des Verfahrens ausschließen. Man kann sie zu den Prozessvoraussetzungen rechnen, gewissermaßen als verneinende“. 264 Vgl. statt vieler: G. Lüke in: MüKo, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 12. Interessanterweise sprach das RG im Hinblick auf die Immunität von einer Einrede („Immunitätseinrede“): RGZ 103, 274, 275 und 279, Urt. v. 10.12.1921 – I 177/21 („Ice King-Fall“). Dies war freilich terminologisch inkonsequent, da es von der Lehre von der absoluten Staatenimmunität ausging und infolgedessen die Immunität als Regel und die Gerichtsbarkeit über einen potentiell Immunen als Ausnahme behandelte: RGZ 103, 274, 284.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Zulässigkeitsgesichtspunkte mit dem bereits verbreiteten Begriffspaar „positive bzw. negative Prozess- bzw. Verfahrensvoraussetzungen“265 zum Ausdruck zu bringen. (6) Praktische Konsequenzen für die Verfahrensgestaltung der Vollstreckungsgerichte Die Vollstreckungsimmunität wäre demnach in einer an der Beweislast ausgerichteten Terminologie als negative Prozessvoraussetzung (Verfahrenshindernis) einzuordnen. Da dieses Verfahrenshindernis zwar in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, andererseits aber der insoweit nicht darlegungs- und beweisbelastete Vollstreckungsgläubiger in seinem Pfändungsgesuch regelmäßig nichts, oder jedenfalls nur einseitig, zu den Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität vortragen wird, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie das Vollstreckungsgericht unter Beachtung des Beibringungsgrundsatzes das Verfahrenshindernis prüfen kann oder gar muss, wenn der Vollstreckungsschuldner etwa als fremder Staat potentiell Immunität beanspruchen kann266. Diese Frage stellt sich bei der Forderungs- und Rechtspfändung deshalb in besonderer Weise, weil § 834 ZPO zwingend anordnet, dass der Vollstreckungsschuldner zur Verhinderung einer drohenden Vollstreckungsvereitelung – etwa durch Abtretung der Forderung an einen Dritten – zu dem Pfändungsgesuch nicht zu hören ist. Vor dem Hintergrund des § 834 ZPO müsste das Vollstreckungsgericht bei Pfändungsgesuchen gegen potentiell immune Vollstreckungsschuldner den Pfändungsbeschluss grundsätzlich ohne Beachtung des nicht dargelegten Verfahrenshindernisses der Immunität erlassen, also sehenden Auges das Risiko einer – unter Umständen schwerwiegenden – Verletzung des Völkergewohnheitsrechts und damit auch gemäß Art. 25 GG gegenüber einfachen Gesetzen höherrangigen Bundesrechts in Kauf nehmen. Diese einfachgesetzliche Rechtslage stößt aber auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den das Grundgesetz prägenden „Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit“267 der deutschen Rechtsordnung. Als spe265 Dieses Begriffspaar verwendet etwa: G. Lüke, in: MüKo, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 4; ders., FS Müller-Dietz, 479, 483. 266 Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 283 plädiert dafür, den Zulässigkeitsgesichtspunkt „deutsche Gerichtsbarkeit“ insgesamt der Untersuchungsmaxime zu unterstellen. Dies ist aber abzulehnen, weil diese Auffassung keine Stütze im Gesetz findet und völkerrechtswidrige Vollstreckungsakte – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden – auch unter Beibehaltung des Beibringungsgrundsatzes vermieden werden können. 267 BVerfGE 6, 309, 362 f., Urt.v. 26.03.1957 – 2 Bv 61/55. Diesen Grundsatz kann man dem Grundgesetz in einer wertenden Zusammenschau der Präambel sowie der Artt. 24, 25 und 26 GG entnehmen: vgl. Bleckmann, DÖV 1996, 145 ff.
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ziellen Ausfluss dieses Grundsatzes kann man insbesondere der Regelung in Artt. 25, 100 Abs. 2 GG die verfassungsrechtliche Wertung entnehmen, dass das Grundgesetz dem Völkergewohnheitsrecht für den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland nicht nur unmittelbare, verbindliche Geltung verschaffen, sondern vielmehr auch eine Verletzung des Völkergewohnheitsrechts durch die Judikative um jeden Preis verhindern will268. Nur so lässt es sich erklären, dass es den Gerichten – vergleichbar mit der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG – bei objektiven Zweifeln über Existenz und Inhalt des Völkergewohnheitsrechts die Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 2 GG gebietet und dem Völkergewohnheitsrecht einen höheren normativen Rang zuweist als dem einfachen Recht. Mit dem aus dieser Wertung folgenden und als Ausprägung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG in der Verfassung verankerten „Gebot der Vermeidung völkerrechtswidriger Staatsakte“269 wäre es unvereinbar, wenn das Gesetz die Vollstreckungsgerichte dazu zwänge, bei potentiell immunen Vollstreckungsschuldnern Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu erlassen, ohne dass sie zuvor die Vollstreckungsimmunität prüfen konnten. Dies käme im Ergebnis nämlich einem einfachgesetzlich angeordneten Zwang zur Inkaufnahme eines gravierenden Völkerrechtsverstoßes gleich. Es fragt sich, ob und gegebenenfalls wie man dieses Spannungsverhältnis zwischen § 834 ZPO nebst dem hinter dieser Norm stehenden verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Vollstreckungsrechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1 GG) und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung auflösen kann, ohne § 834 ZPO als verfassungswidrig zu qualifizieren. Da das Problem fast nicht wahrgenommen wird, sind auch die Lösungsansätze spärlich. Habscheid schlägt folgende Lösung vor: Den Vollstreckungsgläubiger treffe, außer in den Fällen des Arrestes oder der einstweiligen Verfügung, die Obliegenheit, dem potentiell vollstreckungsimmunen Vollstreckungsschuldner seine Vollstreckungsabsicht vor Einreichung des Pfändungsgesuches anzuzeigen. Dabei könne die Anzeige mit der Zustellung des Titels verbunden werden. Diese Obliegenheit müsse vom Vollstreckungsorgan als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung beachtet werden und ihre Beachtung folglich vom Vollstreckungsgläubiger dem Vollstreckungsorgan nachgewiesen werden. Diese Verfahrensgestaltung stelle sicher, dass dem potentiell immunen Staat vor Einleitung des Vollstreckungsverfahrens Gelegenheit gegeben werde, die Schuld zu begleichen oder etwaige Immunitätseinwände zu erhesowie Rojahn in: von Münch/Kunig, GG, Art. 25 Rdnr. 1 und Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 88 ff. 268 Vgl. Bleckmann, DÖV 1996, 137, 143. 269 Vgl. dazu: Streintz in: Sachs, GG, Art. 25 Rdnr. 9 und Bleckmann, DÖV 1996, 137, 143.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
ben270. Diese auf den ersten Blick elegant wirkende Lösung, die die Vollstreckungsimmunität in der Tat optimal zu schützen vermag, ist jedoch aus mehreren Gründen nicht zu befürworten. Zunächst einmal spricht gegen sie, dass sie den Vollstreckungsschuldner ohne gesetzliche Grundlage mit einer ihn belastenden Obliegenheit beschwert. Dies ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, wonach jeder Grundrechtseingriff, der hier zumindest in Gestalt eines Eingriffes in Art. 2 Abs. 1 GG vorläge, einer gesetzlichen Grundlage bedarf, nicht zu vereinbaren. Schwerer aber wiegt der zweite Einwand, dass mit der von Habscheid vorgeschlagenen Lösung das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung einerseits und § 834 ZPO nebst dem hinter dieser Vorschrift stehenden verfassungsrechtlich verankerten Prinzip der Gewährung effektiven Vollstreckungsrechtsschutzes andererseits einseitig zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers aufgelöst würde. § 834 ZPO würde damit im Ergebnis unter Berufung auf verfassungsrechtliche Wertungen in Verfahren gegen potentiell immune Vollstreckungsschuldner nicht angewendet, so dass von einer Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den miteinander kollidierenden Verfassungsrechtsgütern keine Rede sein kann. Um dem Bemühen, die kollidierenden Verfassungsrechtsgüter in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, Rechnung zu tragen, bietet es sich statt dessen an, § 834 ZPO in der Konstellation des potentiell immunen Vollstreckungsschuldners einschränkend dahin „auszulegen“, dass er zur Sicherung des Vollstreckungsgläubigers nur den Erlass eines – a maiore ad minus271 zulässigen – vorläufigen Pfändungsbeschlusses zulässt, der so lange Bestand hat, bis das Vollstreckungsgericht nach Anhörung des Vollstreckungsschuldners zum Bestehen des Verfahrenshindernisses der Immunität über den endgültigen Erlass des Pfändungsbeschlusses abschließend entschieden hat. Eine solche Interpretation des § 834 ZPO ist mit dessen eindeutigen Wortlaut nicht mehr zu vereinbaren und kann daher auch nicht als sogenannte „verfassungskonforme Auslegung“ vertreten werden. Sie läuft aber dem gesetzgeberischen Zweck des § 834 ZPO, den Vollstrekkungsgläubiger vor den Folgen einer Anhörung des Vollstreckungsschuldners vor Erlass des Beschlusses zu schützen, nicht zuwider und kann daher als verfassungskonforme Rechtsfortbildung ohne weiteres Bestand haben. Denn diese lässt eine von der Verfassung gebotene, den eindeutigen Wortlaut missachtende Rechtsanwendung unter der Voraussetzung zu, dass der gesetzgeberische Zweck gewahrt bleibt. Nur wo Wortlaut und gesetzgeberischer Zweck beiseite geschoben werden, ist die Grenze zu der methodisch 270
Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 270 f. Vgl. zum argumentum a maiore ad minus: Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 259. 271
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nicht mehr zulässigen Gesetzeskorrektur überschritten272. Durch diese verfassungskonforme Rechtsfortbildung werden das Verfassungsgebot der Vermeidung völkerrechtswidriger Staatsakte und die durch Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Garantie einer effektiven Zwangsvollstreckung im Wege praktischer Konkordanz273 in einen verhältnismäßigen, beide Güter größtmöglich schonenden274 Ausgleich gebracht. Nach alledem folgt aus den vorstehenden Erwägungen für die Praxis, dass eine potentielle Vollstreckungsimmunität trotz ihres Charakters als Verfahrenshindernis vom Vollstreckungsgericht auch schon bei der Bearbeitung des Pfändungsgesuchs insoweit zu beachten ist, als der Vollstreckungsschuldner vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu ihr zu hören ist. Wird die Frage der Vollstreckungsimmunität dadurch zwischen den Parteien streitig, so hat das Vollstreckungsgericht die Frage dann vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abschließend zu entscheiden. Um § 834 ZPO dabei Rechnung zu tragen, ist allerdings noch vor der Anhörung des Vollstreckungsschuldners gegen diesen ein im Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelter, aber von der Kompetenz zum Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen gemäß §§ 828 ff. ZPO mit umfasster, vorläufiger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu erlassen, der der Sicherung des Vollstreckungsgläubigers dient und der mit dem Wirksamwerden des endgültigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses oder der Zurückweisung des Pfändungsgesuchs als solcher275 wirkungslos 272
Vgl. zu alledem: Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 266–270. Vgl. zur Notwendigkeit der Herstellung praktischer Konkordanz in Fällen der Kollision von Immunität und grundrechtlich geschützter Rechtspositionen der Bürger: Kissel, GVG, Rdnr. 2 sowie Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 88 ff. 274 Das Gebot der Vermeidung völkerrechtswidriger Staatsakte wird durch diese Rechtsfortbildung allenfalls geringfügig eingeschränkt. In den Fällen, in denen trotz entgegenstehender Immunität ein vorläufiger Pfändungsbeschluss erlassen wurde, liegt nämlich kein Verstoß gegen Völkergewohnheitsrecht vor. Dieses verbietet zwar beim Vorliegen von Immunität die Ausübung jedweder gerichtlichen Tätigkeit. Damit ist aber nur solche Gerichtstätigkeit gemeint, die mit dem Anspruch auftritt, dass der Immune der Justizgewalt des Gerichtsstaates unterworfen ist, nicht aber solche, die nur mit dem Zweck entfaltet wird, die Gerichtsunterworfenheit des (potentiell) Immunen zu klären. 275 Wird im Anschluss an den vorläufigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, so wandelt sich der vorläufige Beschluss aus Gründen der Rangwahrung ex tunc in einen wirksamen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss um. Es empfiehlt sich dies im Beschlusstenor etwa wie folgt zum Ausdruck zu bringen: „Die Rechtsfolgen dieses Pfändungsund Überweisungsbeschlusses treten infolge des nunmehr bestätigten vorläufigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom (Datum des Erlasses vorläufigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nebst Aktenzeichen) bereits mit Wirkung ab dem (Datum der Zustellung des vorläufigen Beschlusses an den Drittschuldner) ein“. 273
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wird. Zur Klarstellung dieses Wirkungsloswerdens des vorläufigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses empfiehlt sich in diesen Fällen der Erlass eines deklaratorischen Aufhebungsbeschlusses. Offen ist daher nur noch die Frage, wie das Vollstreckungsgericht zu verfahren hat, wenn bereits bei Einreichung des Pfändungsgesuchs feststeht, dass die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende sonstige Recht vollstreckungsimmun ist. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Vollstreckungsgläubiger selbst in seinem Gesuch Tatsachen vorgetragen hat, aus denen die Vollstreckungsimmunität der Forderung bzw. des Rechts folgt oder wenn der fremde Staat vor Eingang des Pfändungsgesuchs vorsorglich eine „Schutzschrift“ beim Vollstreckungsgericht eingereicht hatte. Nach dem von den deutschen Gerichten streng gehandhabten Grundsatz, wonach auf Grund von Art. 25 GG bei fehlender Gerichtsbarkeit jedwede gerichtliche Tätigkeit verboten ist276, müsste das Vollstreckungsgericht das Vollstreckungsgesuch in diesen Fällen stets ohne weiteres Tätigwerden zurückweisen. Dennoch sollte das Vollstreckungsgericht auf Grund der verfassungsrechtlich gebotenen Gewährung effektiven Vollstreckungsrechtsschutzes im Hinblick auf die Möglichkeit eines Verzichts auf die Vollstreckungsimmunität durch den fremden Staat hier anders verfahren. Solange nämlich nicht – etwa auf Grund einer entsprechenden „Schutzschrift“ – feststeht, dass der Staat nicht auf seine Immunität verzichten wird, darf zwar keine förmliche Gerichtstätigkeit entfaltet werden, wohl aber eine formlose, auch telefonisch durchführbare und durch Aktenvermerk dokumentierbare, Tätigkeit. Demgemäss darf und muss das Vollstreckungsgericht in diesen Fällen dem Vollstreckungsschuldner formlos mitteilen, dass ein Vollstreckungsgesuch bei ihm eingegangen ist und anfragen, ob er bereit ist, im Falle der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens auf seine Vollstreckungsimmunität zu verzichten. Lehnt der Vollstreckungsschuldner dies ab oder äußert er sich zu dieser Anfrage nicht, so ist das Vollstreckungsgesuch zurückzuweisen. (7) Die rügelose Einlassung als konkludent erklärter Immunitätsverzicht Da die deutsche Gerichtsbarkeit und mit ihr eine potentielle Immunität nach allgemeiner Ansicht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, überrascht es, dass nahezu ebenso einmütig aus der rügelosen Einlassung zur Hauptsache ein schlüssig erklärter Verzicht auf die Immunität abgeleitet wird277. Dies überrascht deswegen, weil beides nicht miteinander vereinbar zu sein scheint. Muss der Antragsgegner nämlich die Immunität rügen, um der Wertung seines Verhaltens als konkludenter Immuni276
Vgl. hierzu: Mann, NJW 1990, 618 f.
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tätsverzicht zu entgehen, scheint es konsequenter die Immunität nicht als von Amts wegen zu prüfender Zulässigkeitsgesichtspunkt, sondern als Verfahrenseinrede zu klassifizieren278. Will man dagegen an der Gewährleistung eines umfassenden Immunitätsschutzes durch amtswegige Prüfung der Immunität – immerhin im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung und dem BVerfG – festhalten, scheint es dogmatisch geboten, den Satz, dass die rügelose Einlassung zur Hauptsache einen konkludenten Immunitätsverzicht darstelle, in Frage zu stellen. Dennoch sind beide Rechtssätze nur auf den ersten Blick miteinander derart unvereinbar, dass der eine nicht ohne das „Opfern“ des anderen aufrecht erhalten werden kann. Dies zeigt schon der simple Vergleich zu den Zulässigkeitsgesichtspunkten „sachliche, örtliche und internationale Zuständigkeit“. Auch diese Zulässigkeitsgesichtspunkte sind nach einhelliger Auffassung grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, können aber – es sei denn sie sind als ausschließliche Zuständigkeiten ausgestaltet – bei rügeloser Einlassung des Antragsgegners zur Hauptsache gemäß § 39 ZPO überwunden werden279. Möglich wird dies dadurch, dass das Gesetz selbst in § 39 ZPO mit der rügelosen Einlassung eine wirksame konkludente Prorogation fingiert, die bei der amtswegigen Prüfung der Zuständigkeit vom Gericht zu beachten ist. Für die Immunität fehlt allerdings in der ZPO eine dem § 39 ZPO entsprechende gesetzliche Regelung. Dies führt allerdings keineswegs zwangsläufig dazu, dass dort bei rügeloser Einlassung zur Hauptsache kein konkludent abgegebener Immunitätsverzicht angenommen werden dürfte. Bei der Lösung dieses Problems sind vielmehr die bereits angeführten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Auge zu behalten, denen gemäß das deutsche Zivilprozessrecht – im Rahmen des völkerrechtlich Zulässigen – immunitätsfeindlich und rechtsschutzfreundlich auszulegen ist. Daher ist zunächst die Frage zu klären, ob die Wertung der rügelosen Einlassung zur Hauptsache als konkludent erklärter Immunitätsverzicht gegen das Völkergewohnheitsrecht verstößt. Dies ist indes zu verneinen, da es – angesichts zahlreicher entsprechender Regelungen in den Immunitätskodifikationen und -abkommen sowie entsprechender Lehrmeinungen anerkannter Völkerrechtslehrer – als allgemeine Rechtsüberzeugung betrachtet werden kann, dass das Völkergewohnheitsrecht eine Wertung der rügelosen Einlassung als Immunitätsverzichtet nicht verbietet280. Dies wiederum bedeutet, dass es der deutschen Rechtsordnung aus völkerrechtlicher Sicht freisteht, die rügelose Einlassung einer immunen Partei zu werten wie 277 Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 5, 30; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 40; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 406 f. 278 Konsequenterweise spricht Kren Kostkiewicz, in: Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 406 f., bei der Behandlung des Problems der rügelosen Einlassung von der „Immunitätseinrede“. 279 Vgl. statt aller: Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 253 ZPO, Rdnrn. 9 und 17.
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es ihr beliebt. Das aber bedeutet für das rechtsschutzfreundliche deutsche Recht, dass es, sofern methodisch möglich, in diesen Fällen Immunität zu versagen hat. Als ein solcher Weg liegt die analoge Anwendung des § 39 ZPO auf die Prozess- bzw. Vollstreckungsimmunität nahe. Sie ermöglicht es ohne weiteres, die rügelose Einlassung des Antragsgegners zur Hauptsache als gesetzlich fingierten Immunitätsverzicht zu werten, und ist daher als verfassungs- und völkerrechtskonformer Weg zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots der immunitätsfeindlichen Auslegung des deutschen Zivilprozessrechts zu befürworten. Mithin sind die beiden Rechtssätze der ganz h. M., dass die Immunität in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu prüfen ist und dass zugleich die rügelose Einlassung des immunen Antragsgegners zur Hauptsache als konkludent erklärter Immunitätsverzicht zu werten ist, zutreffend und miteinander vereinbar. cc) Das Qualifikationsproblem (1) Die Qualifikationsrechtsordnung Theoretisch lassen sich für die einschlägige Rechtsordnung, nach der die Einstufung der Zweckbestimmung des Vollstreckungsgegenstandes erfolgen soll, vier verschiedene Lösungsmodelle entwickeln: Man könnte entweder ausschließlich die Rechtsordnung des fremden Staates („lex-causae-Lösung“), ausschließlich die des Gerichtsstaates („lex-fori-Lösung“), ausschließlich das Völkerrecht bzw. einen übernationalen Maßstab („genuin völkerrechtliche Lösung“) oder einen „Mix“ („Mischlösung“) einer der vorgenannten Rechtsordnungen heranziehen281. Wie bereits ausgeführt, hat das BVerfG der lex-causae-Lösung mit Recht eine Absage erteilt, weil sie völkerrechtlich nicht geboten ist. Ist sie dies aber nicht, so führt sie zu einer unnötigen Komplizierung des Vollstreckungsverfahrens, die dem Prinzip der Formalisierung der Zwangsvollstreckung zuwiderläuft. Innerhalb der verschiedenen denkbaren Varianten für eine Mischlösung hat sich im deutschen Recht der Ansatz durchgesetzt, die Abgrenzung nach der lex fori vorzunehmen und das so gewonnene Ergebnis einer völkerrechtlichen „Ge280
Vgl. Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 5, 30; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 40; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 406 f. jeweils m. w. N. 281 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 319 erwähnt ebenfalls vier denkbare Lösungen, nennt aber anstelle der „Mischlösung“ die Lösung, Fallgruppen für Immunitätsausnahmen nach Maßgabe der Immunitätskodifikationen und des EuÜbk.SI zu bilden. Dabei verkennt sie aber, dass letztgenannte Lösung eine Variante einer „genuin völkerrechtlichen Lösung“ wäre, also für die Frage eine Rolle spielt, welchen Inhalt denn eine „genuin völkerrechtliche Lösung“ hätte. Vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen.
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genprobe“ zu unterziehen, um so sicherzustellen, dass völkerrechtlich gebotene Mindeststandards gewahrt sind282. Vorliegend ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG, wonach die „lex-causae-Lösung“ ausscheidet, zu prüfen, welche der drei im Übrigen in Betracht kommenden Lösungen die für das deutsche Recht „richtige“ ist. Dabei soll zunächst ein kurzer Blick auf das Erkenntnisverfahren geworfen werden. Dort wird für die Einstufung der Natur des dem Streitgegenstand zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses international wie national ganz überwiegend die „lex-fori-Lösung“ befürwortet283. Allerdings steht diese Lösung nicht im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG. Wie Hess zutreffend aufgezeigt hat284, hat das BVerfG in dem immer wieder gerne als Beleg für die „lex-fori-Lösung“ herangezogenen „Iranischen Botschaftsfall“ keineswegs für das Erkenntnisverfahren die „lex-fori-Lösung“ befürwortet, sondern vielmehr die „Mischlösung“ mit dem oben umschriebenen Inhalt285: „Das nationale Recht darf für die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Tätigkeit des ausländischen Staates nur mit der Maßgabe herangezogen werden, dass vom hoheitlichen Bereich (. . .) nicht solche Handlungen des Staates ausgenommen werden dürfen, die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinne gehören. (. . .) Ausnahmsweise kann es also geboten sein, die Betätigung eines ausländischen Staates, weil sie dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist, als Akt iure imperii zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche und nicht als öffentlich-rechtliche Betätigung anzusehen wäre“. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist demnach im Erkenntnisverfahren, solange das BVerfG an dieser Rechtsprechung festhält, die Qualifikation nach der Mischlösung in zwei Schritten vorzunehmen: Zunächst erfolgt sie nach deutschem Recht und anschließend wird im Wege einer Gegenprobe geprüft, ob diese Einstufung völkerrechtlich korrigiert werden muss, weil die zu qualifizierende Tätigkeit dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist286. Für das Vollstreckungsverfahren kann man dieser Rechtsprechung entnehmen, dass die reine „lex-fori-Lösung“ ausscheidet. Denn nicht anders als im Erkenntnisverfahren muss auch im Vollstreckungsverfahren im Hinblick auf Art. 25 GG dem völkerrechtlichen Mindeststandard Rechnung getragen 282
Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 47. Vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 320 f. m. w. N. und Schreuer, State Immunity, S. 32 f. 284 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 45. 285 BVerfGE 16, 27, 63 f., Beschl. v. 13.02.1962 – 2 BvM 1/62. 286 Die Gerichte verfahren dennoch weitgehend so, dass sie die Gegenprobe unter den Tisch fallen lassen: vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 45 m. N. 283
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
werden. Fraglich ist somit alleine, ob die Lösung des BVerfG zum Iranischen Botschaftsfall, also die Mischlösung, auf das Vollstreckungsverfahren übertragen werden kann oder gar muss. Das BVerfG selbst hat dies, wie bereits erwähnt, in den auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen späteren Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen. Gegen eine solche Übertragung spricht aber, dass der zu qualifizierende Sachverhalt ein völlig anderer ist: Während es im Erkenntnisverfahren um die Qualifikation der Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses geht, geht es im Vollstreckungsverfahren um den Zweck oder das Motiv der Staatstätigkeit. Auf die mit dieser Unterscheidung des zu qualifizierenden Sachverhalts einhergehenden gravierenden Unterschiede für die Qualifikation hat das BVerfG daher im Iranischen Botschaftsfall mit Nachdruck hingewiesen: Da die Tätigkeit des Staates, „wenn nicht insgesamt, so doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben diene und mit ihnen in einem immer noch erkennbaren Zusammenhang“ stehe, führe die Qualifikation nach dem Zweck in aller Regel zur Immunität287. Wendet man also wie im Erkenntnisverfahren – bezogen auf den Zweck – die nationale Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht an, so wird man zu einer sehr weitgehenden Vollstreckungsimmunität gelangen. Demgegenüber ist der völkerrechlichte Mindeststandard, der nach der ratio des Iranischen Botschaftsfalls auch im Vollstreckungsverfahren nicht unterschritten werden darf, in aller Regel enger, da er sich auf den Kernbereich der staatlichen Tätigkeit, die wesentlichen Staatsfunktionen, konzentriert288: „Betätigung auswärtiger und militärischer Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege“289. Da dieser völkergewohnheitsrechtliche Mindeststandard gemäß Art. 25 GG ohnehin zwingend zu beachten ist, spricht alles dafür, ihn gegenüber einer Qualifikation nach der Mischlösung vorzuziehen. Diese würde nämlich wegen ihrer primären Heranziehung der nationalen Rechtsordnung – wie soeben aufgezeigt – im Gegensatz zu ihrer Anwendung im Erkenntnisverfahren zu einer massiven Ausweitung der Vollstreckungsimmunität führen, die völkerrechtlich nicht geboten ist. Immer dann, wenn das Völkerrecht aber Spielräume für die Immunitätsgewährung einräumt und lediglich verpflichtende Mindeststandards vorschreibt, gebietet das deutsche Verfassungsrecht, respektive der Justigewähranspruch (Art. 20 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) sowie Art. 14 Abs. 1 GG, aber eine möglichst enge Auslegung der Vollstreckungsimmunität, die lediglich die vom Völkergewohnheitsrecht gezogenen Schranken nicht überschreiten darf. Hinzu kommt das Prinzip der Formalisierung der Zwangs287
BVerfGE 16, 27, 61 f., Beschl. v. 13.02.1962 – 2 BvM 1/62. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 99 f. 289 BVerfGE 16, 27, 63, Beschl. v. 13.02.1962 – 2 BvM 1/62 in Anlehnung an Dahm in: FS für Nikisch, 166 f. 288
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vollstreckung, das es gebietet, das Vollstreckungsverfahren, wenn möglich, nicht mit schwierigen Rechtsproblemen zu überfrachten. Dieses Prinzip wäre zwar am ehesten mit der Beschränkung auf die nationale Rechtsordnung als Qualifikationsrechtsordnung gewahrt. Da diese aber auf Grund der zu wahrenden völkerrechtlichen Mindeststandards nicht als lex qualificationis in Betracht kommt, kommt ihr die genuin völkerrechtliche Lösung noch am nächsten. Diese reduziert das Qualifikationsproblem nämlich auf die Frage, ob der verfolgte Zweck unmittelbar Funktionen/Aufgaben fördert, die zum Kernbereich der Staatsgewalt gehören. Demgegenüber müsste das Vollstreckungsorgan bei Anwendung der Mischlösung zusätzlich zu dieser Abgrenzung („Gegenprobe“) noch die innerstaatlich vorgegebene und oft noch schwierigere Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht vornehmen. Schließlich trägt die genuin völkerrechtliche Lösung auch dem bereits oben näher erläuterten Verfassungsprinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Rechnung. Die vom BVerfG für das Erkenntnisverfahren befürwortete Mischlösung hat nämlich in der Praxis die Gerichte dazu verführt, für die Einstufung alleine auf die nationale Rechtsordnung abzustellen und den zweiten Schritt unter den Tisch fallen zu lassen290. Es fällt nicht schwer zu prognostizieren, dass es der Mischlösung in der Praxis des Vollstreckungsverfahrens ebenso ergehen würde. Dies birgt aber die Gefahr in sich, dass die Vollstreckungsorgane bzw. Gerichte in den – zugegeben seltenen – Fällen, in denen das nationale Recht den völkerrechtlichen Mindeststandards zuwider einen Zweck als nichthoheitlich qualifiziert, Völkerrechtsverstöße begehen. Das Vollstreckungsrecht ist aber von Verfassungs wegen so auszulegen und zu handhaben, dass dieses Risiko so weit wie möglich minimiert wird. Dies kann allein die genuin völkerrechtliche Lösung leisten. Nach alledem ist hinsichtlich der Qualifikationsrechtsordnung im Vollstreckungsverfahren eine genuin völkerrechtliche Lösung, die den Verwendungszweck an einem übernationalen Maßstab misst, zu befürworten291. (2) Die Einstufung des Zwecks im Einzelfall Näher zu untersuchen ist zunächst, welchen Inhalt die völkerrechtliche Abgrenzungsregel zur Einstufung des verfolgten Zwecks hat. Hierzu könnte man erwägen, auf die in den Immunitätskodifikationen und dem EuÜbk.SI ähnlich formulierten Immunitätsverneinungstatbestände abzustellen292. Da290
Vgl. nochmals: Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 45 m. N. Im Ergebnis ebenso: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 98 ff. und S. 177; Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 151 f.; a. A. etwa Seidl-Hohenveldern, FS Beitzke, 1080, 1099 f., der auch im Vollstreckungsverfahren das nationale Recht als Qualifikationsstatut heranziehen will. 291
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gegen spricht aber, dass diese zu fallgruppenorientiert aufgebaut sind und auf Grund der mit der Fallgruppenorientierung einhergehenden Enge zu unflexibel sind, um das Auftauchen neuartiger Fallgestaltungen bewältigen zu können293. Hinzu kommt, dass sie mangels hinreichenden globalen Voranschreitens des Kodifikationsprozesses294 und infolge der kompromisshaften Züge des EuÜbK.SI295 weit davon entfernt sind, zwingend zu beachtendes Völkergewohnheitsrecht wiederzugeben, so dass die Gefahr besteht, dass sie entgegen der verfassungsrechtlich gebotenen engen Auslegung der Immunität teilweise über den völkerrechtlich gebotenen Mindeststandard hinausgehen. Auf Grund dessen ist die genuin völkerrechtliche Einstufung des Zwecks des gepfändeten Rechts im Vollstreckungsverfahren nach der vom BVerfG im Iranischen Botschaftsfall formulierten Regel danach vorzunehmen, ob der Zweck unmittelbar auf eine Aufgabe bezogen ist, die dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist, also: „die Betätigung auswärtiger und militärischer Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege“296. Zu diesen Zwecken treten die weiteren Zwecke „Aufrechterhaltung des diplomatischen/konsularischen Verkehrs“ und „Währungspolitik“ hinzu. Nimmt man die in der Analyse der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zur Vollstreckungsimmunität gewonnenen Erkenntnisse zum relevanten Zeitpunkt, in dem die Zweckbestimmung getroffen sein muss, hinzu, so lassen sich für die Praxis ohne weiteres daraus subsumtionsfähige Obersätze bilden, die eine Qualifikation des vorgetragenen Zwecks im Einzelfall zulassen: Die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht muss bei Beginn der Zwangsvollstreckung auf Grund eines auf den Staatswillen rückführbaren Willensaktes den vorgenannten Zwecken unmittelbar, d.h. ohne Zwischenschaltung einer weiteren Stelle, zu dienen bestimmt sein. Handelt es sich – wie in den meisten praktisch relevanten Fällen um ein Bankguthaben – so muss der relevante Zweck unmittelbar mit den Mitteln dieses Kontos gefördert werden. Zu welchen Ergebnissen die Anwendung des soeben herausgearbeiteten Obersatzes in jedem denkbaren Einzelfall führen wird, lässt sich naturgemäß im Rahmen dieser Arbeit nicht darstellen. Daher soll nur exemplarisch eine besonders praxisrelevante Sachverhaltsgruppe herausgegriffen werden: Bankguthaben, die ein fremder Staat im Gerichtsstaat zum Zwecke der Durchführung von Beschaffungskäufen unterhält. 292
Vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 46. Ebenso: Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 46. 294 Ress, ZaöRV 40 (1980), 260 f. 295 Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Band III, I 1 Nr. 13 sowie Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 114 f. 296 BVerfGE 16, 27, 63, Beschl. v. 13.02.1962 – 2 BvM 1/62 in Anlehnung an Dahm in: FS für Nikisch, 166 f. 293
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(3) Beispiel: Qualifikation eines im Gerichtsstaat unterhaltenen, Beschaffungskäufen dienenden Bankguthabens Auf den ersten Blick erscheint die Subsumtion der Sachverhaltsgestaltungen dieser Fallgruppe unter den oben herausgearbeiteten Obersatz ganz einfach: Dient das Guthaben im oben umschriebenen Sinne unmittelbar einer staatlichen Kernaufgabe, dann ist es immun, ansonsten nicht. Sollen also mit dem Guthaben wirtschaftliche Transaktionen erfolgen, die auch jeder Unternehmer am Markt vornehmen könnte (z. B. Erwerb von Aktienpaketen, Werbung für Reiseziele etc.), so ist es nicht immun. Soll es dagegen zum Erwerb von Ausrüstungsgegenständen für Armee oder Polizei dienen, so ist genießt es immunitätsrechtlichen Schutz. Dennoch ergeben sich auch bei Beschaffungskäufen zur Förderung hoheitlicher Kernaufgaben bei näherem Hinsehen Probleme. Soll etwa einem Guthaben, das dem Kauf von Zigaretten297 oder Schuhen für die Armee dient, der gleiche Schutz zukommen wie einem Guthaben, das der Anschaffung von Kriegswaffen dient298? Zwischen diesen beiden Beispielen könnte man nämlich durchaus wie folgt differenzieren: Wiewohl der Kauf von Konsumgütern oder Kleidungsstücken für die Armee dem hoheitlichen Zweck „Aufrechterhaltung der Landesverteidigung“ unmittelbar dient, ist er doch als solcher rechtlich neutral und könnte ebenso gut von einem Privaten vorgenommen werden. Demgegenüber ist der Erwerb und der Besitz von Kriegswaffen zum Zweck des potentiellen Einsatzes nach den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG i.V. m. mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz (insbesondere § 15 KrWaffG) dem Staat vorbehalten und kann nicht von jedem Privaten ohne weiteres ebenso gut vorgenommen werden. Demnach könnte man hinsichtlich der zu erwerbenden Güter danach differenzieren, ob in ihnen gerade die Hoheitlichkeit der wahrzunehmenden Kernaufgabe in der Weise zum Ausdruck kommt, dass nur der Staat als solcher das Gut erwerben oder in einer bestimmten Weise verwenden darf. Für eine solche Auslegung würde sprechen, dass sie die Vollstreckungsimmunität möglichst weit einschränkt und daher dem ver297 Der Kauf von Zigaretten für die Armee ist ein beliebtes Beispiel zur Abgrenzung von atca iure gestionis und acta iure imperii im Erkenntnisverfahren. Nach Seidl-Hohenveldern/T. Stein, Völkerrecht, Rdnr. 1478 f. handelt es sich um ein Schulbeispiel für ein actum iure gestionis, weil der Akt von jedem Privaten in gleicher Weise gesetzt werden könne. Die französische höchstrichterliche Rechtsprechung hat für diesen Akt jedoch – unter Abstellen auf die Rechtsnatur des verfolgten Zwecks – Prozessimmunität gewährt: vgl. Seidl-Hohenveldern/T. Stein, Völkerrecht a. a. O. Die Behandlung militärischer Beschaffungskäufe im Erkenntnisverfahren als acta iure gestionis entspricht der überwiegenden Staatenpraxis: vgl. Albert, Völkerrechtliche Immunität, S. 259. 298 Vgl. zu dieser Problematik: Albert, Völkerrechtliche Immunität, 277 ff. m. w. N. zur Staatenpraxis.
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fassungsrechtlichen Gebot der Gewährung effektiver Zwangsvollstreckung entspricht. Dieses Gebot greift aber – wie bereits mehrfach dargelegt – nur dann ein, wenn das Völkerrecht nicht eine großzügigere Auslegung erfordert. Das wäre dann der Fall, wenn das Völkerrecht den Schutz des hoheitlichen Kernaufgaben dienenden Vermögens deshalb anordnet, um damit die effektive Erfüllung dieser Aufgaben nicht zu beeinträchtigen. Dann würde nämlich dieser Zweck der Völkerrechtsregel es gebieten, sie so auszulegen, dass auch solche Beschaffungskäufe von ihr erfasst werden, die nicht spezifischer Ausdruck der Hoheitlichkeit der wahrgenommenen Aufgabe sind. Denn für die effektive Aufgabenerfüllung ist es gleichgültig, ob in der Art und Weise der Förderung dieser Aufgabe nun gerade die spezifische Hoheitlichkeit der Aufgabe zum Ausdruck kommt oder nicht. Bildlich gesprochen: Wenn die Soldaten keine Nahrung oder keine adäquaten Uniformen haben, schadet dies der Aufrechterhaltung der Landesverteidigung ebenso nachhaltig, wie wenn sie nicht über funktionstüchtige Kriegswaffen verfügen. Im Botschaftskonto-Beschluss hat das BVerfG zur Begründung der Immunitätsgewährung auf die mögliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des diplomatischen Verkehrs abgestellt und dies zum maßgeblichen Kriterium für die Einstufung der Zweckbestimmung gemacht299. Demnach wäre der Schutz der Funktionsfähigkeit der hoheitlichen Aufgabenerfüllung im Kernbereich der Staatsgewalt der bei der Einstufung der Zweckbestimmung tragende Gesichtspunkt, wenn man diese Rechtsprechung aus dem Gesandtschaftsrecht auf das Immunitätsrecht im allgemeinen übertragen könnte. Dies hat jüngst mit Recht Jolanta Kren Kostkiewicz in ihrer Habilitationsschrift befürwortet300. Es ist nämlich, wie sie zutreffend ausführt, in der Tat kein anderer tragfähiger Grund für die Gewährung von Immunität für „acta iure imperii“ zu erkennen, als derjenige des Schutzes der Funktionsfähigkeit des fremden Staates („funktionelle Immunität“). Diese ratio der Immunitätsregeln wird auch durch die Staatenpraxis zur Immunität getragen, die auf diesen Aspekt regelmäßig Bezug nimmt301. Was diese Erkenntnis über die ratio der Immunität für die Einstufung der jeweiligen Sachverhalte im Erkenntnisverfahren bedeutet, soll hier nicht näher untersucht werden302. Für das Vollstreckungsverfahren jedenfalls führt sie dazu, 299
BVerfGE 46, 342, 394 ff. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 334 ff. 301 Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), 374, 391; ders., ZaöRV 37 (1977), 504, 528; vgl. ferner: Tomuschat, IPRax 2002, 437, 438 f. 302 Siehe dazu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 344 ff., deren Unterscheidung zwischen Primäraufgaben und den dafür verwendeten Mitteln allerdings sehr begriffsjuristisch anmutet. Auch erscheint die von ihr daraus gezogene Konsequenz, dass „praktisch alle auf dem Territorium des Forumstaates mit Privaten eingegangene Rechtsbeziehungen von der Immunität nicht erfasst werden“ (S. 336) zu weitgehend. 300
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dass das dem völkergewohnheitsrechtlichen Satz von der relativen Vollstreckungsimmunität zugehörige Merkmal „Verwendungszweck“ unter dem Aspekt der Funktionsfähigkeit des ausländischen Staates im Bereich der Wahrnehmung der hoheitlichen Kernaufgaben teleologisch auszulegen ist. Dieses Vorgehen ist methodisch bestens abgesichert, da die Auslegung der Immunitätsregeln vor dem Hintergrund des Zwecks, das Funktionieren der fremden Hoheitsgewalt zu gewährleisten, in der Literatur zur Völkerrechtsmethodenlehre als Schulbeispiel für den hohen Rang der teleologischen Auslegung bei der Auslegung des Völkergewohnheitsrechts angeführt wird303. Immunität ist demnach dann zu gewähren, wenn die Beschlagnahme des staatlichen Vermögenswertes die Funktionsfähigkeit des ausländischen Staates in diesem Bereich beeinträchtigen würde304. Dabei kann es aus der insoweit ebenfalls nicht spezifisch gesandtschaftsrechtlichen ratio des Botschaftskonto-Beschlusses des BVerfG nicht darauf ankommen, ob der Beschlagnahmezugriff die Funktionsfähigkeit in diesen Bereichen konkret gefährdet. Vielmehr muss dafür eine typischerweise bestehende, abstrakte Gefahr genügen. Ansonsten müsste man nämlich auf die wirtschaftliche Lage des fremden Staates abstellen, was zu einer unterschiedlichen Behandlung der Staaten im Bereich der Gewährung der Vollstreckungsimmunität führen würde, die mit dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten nicht vereinbar wäre305. Überdies würde ein Abstellen auf die konkrete Gefahr in dem sensiblen Bereich der Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben ein hohes Maß an Offenlegung und Substantiierung bezüglich staatlicher Interna mit sich bringen, was mit dem Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates nicht mehr vereinbar wäre. Wenn demnach infolge des Beschlagnahmezugriffs auf eine Forderung oder ein sonstiges Vermögensrecht eine abstrakte Gefahr für die Funktionsfähigkeit des fremden Staates auf dem Gebiet der Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben droht, ist die Forderung bzw. das Recht vollstreckungsimmun. Für Beschaffungskäufe im Bereich hoheitlicher Kernaufgaben vorgesehene Bankguthaben bedeutet dies, dass eine enge Auslegung, die nur solche Beschaffungen erfasst, in denen sich der spezifisch hoheitliche Charakter der Anschaffung niederschlägt, nicht in Betracht kommt, da die Verhinderung jeden Beschaffungskaufs die Aufgabenerfüllung abstrakt gefährdet. Hinzu kommt das weitere Argument, dass das bloße Abstellen darauf, ob der hoheitliche Zweck mit den Mitteln des Bankkontos auf eine Art und Weise verfolgt werden soll, die auch ein Privater ohne Ausübung von Hoheitsgewalt jederzeit leisten könnte, die Zweckbestimmung aus ihrem situativen Kontext löst und dadurch die Staa303 304 305
Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), 504, 528. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 338. BVerfGE 46, 342, 402.
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tenimmunität unverhältnismäßig stark einschränkt. Denn mit Hilfe einer solchen vom Gesamtzusammenhang gelösten Einstufung der Zweckbestimmung lässt sich die Zweckbestimmung fast immer so weit von ihrem Kontext abstrahieren, dass sie ihrer „Natur“ nach von jedermann gesetzt werden könnte306. Nach alledem ist es gleichgültig in welcher Weise der als hoheitlich einzustufende Zweck mit den Mitteln des Bankguthabens gefördert werden soll, so lange das vorzunehmende Geschäft den Zweck nur unmittelbar fördert. Auf die eingangs angeführten Beispiele bezogen bedeutet dies, dass es für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität für Beschaffungskäufen der Armee dienenden Bankguthaben eines fremden Staates keinen Unterschied macht, ob mit den Guthaben Zigaretten oder Schuhe für die Armee oder Kriegswaffen angeschafft werden sollen. (4) Bankguthaben mit gemischtem Verwendungszweck In der Praxis kann sich bei Bankguthaben, die zu Beschaffungszwecken im Gerichtsstaat unterhalten werden, noch das zusätzliche Problem stellen, dass diese teilweise solchen Beschaffungszwecken dienen, die einen Immunitätsanspruch begründen, und teilweise solchen, bei denen das nicht der Fall ist (Problem der sogen. „mixed accounts“307). Zur Lösung dieses Problems kann man häufig lesen, das Völkergewohnheitsrecht erstrecke in diesen Fällen, sofern die Zweckbestimmung einzelner Summen nicht evident ist, die Immunität des geschützten Teils des Kontos auf das ganze Guthaben308. Dieser Satz ist nur im Ergebnis richtig. Eine Vollstreckung in den nicht hoheitlichen Zwecken dienenden Teil des Kontos ist nämlich gerade nicht per se völkerrechtlich unzulässig, da kein Grund dafür ersichtlich ist, warum der geschützte Teil den nicht geschützten Teil immunitätsrechtlich „infizieren“ sollte. Wenn dieser Teil regelmäßig dennoch von der Immunität des geschützten Guthabensteils profitiert, dann deswegen, weil der Substantiierungslast des fremden Staates als Vollstreckungsschuldner völkerrechtliche Grenzen gezogen sind. Das insoweit hier – ausnahmsweise – einschlägige Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des fremden Staates verbietet es nämlich, dem fremden Staat derart konkrete Darlegungen aufzuerlegen, dass er „gleichsam im Wege der Rechnungslegung“ beziffern müsste, welche Guthabensteile welchem Zweck dienen309. Um diesen völkerrechtlichen Grenzen der Substantiierungslast Rechnung zu tragen, muss es zur Immunitätsgewährung für das ganze Guthaben ausrei306 307 308
Rensmann, IPRax 1998, 44, 47. Vgl. dazu allgemein: Schreuer, State Immunity, S. 151 ff. Vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 540
m. N. 309
Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 183.
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chen, wenn der fremde Staat darlegt und glaubhaft macht, dass ein unterhalb der Rechtsmissbrauchsgrenze liegender, nicht gänzlich unerheblicher Teil des Kontos hoheitlichen Zwecken im hier umschriebenen Sinne zu dienen bestimmt ist. Gelingt dies dem Staat dürfen ihm aus dem hier genannten Gründen zur Immunitätsgewährung für das ganze Guthaben keine weiteren Darlegungen abverlangt werden, da sonst die völkerrechtlichen Grenzen der Substantiierungslast unterlaufen würden. Das bedeutet aber nicht, dass ein Pfändungsgesuch in den Fällen der „mixed accounts“ zwangsläufig erfolglos wäre. Denn immerhin muss dem Staat die Glaubhaftmachung der Tatsache gelingen, dass es sich bei dem immunen Guthabensteil im Verhältnis zum nicht immunen Teil nicht um einen nur ganz unerheblichen Betrag handelt. dd) Das Problem der Vollsteckungsimmunität vom Staat rechtlich verselbständigter Gebilde (1) Dogmatische Weichenstellung Versteht man die Lehre von der relativen Immunität auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte als Einschränkung von der grundsätzlich absoluten Immunität jeden Staates310, so liegt es nahe bei der Immunität generell zwischen einem sachlichen und einem persönlichen Anwendungsbereich zu unterscheiden und den persönlichen Geltungsbereich311 auf das Völkerrechtssubjekt „souveräner, völkerrechtsunmittelbarer Staat“ als alleinigen Träger des Immunitätsanspruchs zu beschränken312. Die praktische Konsequenz dessen wäre, dass rechtlich unselbständige Einheiten eines Staates ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die diesen repräsentieren und für ihn handeln (seien es nach außen hin selbständig auftretende und handelnde Organe oder Behörden wie Ministerien oder oberste Behörden313 oder „Anhängsel“ solcher Behörden wie z. B. Regiebetriebe), vom Geltungsbereich des Immunitätsanspruchs erfasst wären, während bei vom Staat rechtlich verselbständigten juristischen Personen des öffentlichen (z. B. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts) oder privaten 310
Ein solches Verständnis würde automatisch auch zu einem umgekehrten Regel-Ausnahme-Verhältnis von Gerichtsbarkeit und Immunität führen. 311 Vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 347 ff. und Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 18 ff. 312 Daher konnte sich zur Zeit der Geltung der Lehre von der absoluten Staatenimmunität etwa eine kommunale Gebietskörperschaft (z. B. polnischer Kreisverband) nicht auf das Verfahrenshindernis der Immunität berufen: RGZ 110, 315, 317 – Urteil v. 20.03.1925 – III 110/24. 313 Wie z. B. das Bundesumweltamt in der Bundesrepublik Deutschland.
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Rechts (z. B. Aktiengesellschaften, deren Anteile ein Staat zu 100% hält) das Verfahrenshindernis der Immunität von vorneherein mangels Immunitätsfähigkeit nie eingreifen könnte. Eine solch pauschale Auslegung der Immunitätsregeln, die den Immunitätseinwand immer nur dann bejaht, wenn der Beklagte bzw. Antragsgegner ein fremder Staat ist, wird noch vereinzelt vertreten314. Sie beruht auf der im Hinblick auf die Entwicklung von absoluter zu relativer Immunität historisch begründeten Auffassung, dass Staatenimmunität alleine wegen der Verknüpfung des Verfahrensgegenstandes mit der „Person“, dem Völkerrechtssubjekt „Staat“ erfolgt, also „ratione personae“ („personenbezogene Immunität“). Man könnte diese Auslegung als „strukturelle Lösung“315 bezeichnen. Demgegenüber wird heute ganz überwiegend, auf dem Boden der Lehre von der funktionell begründeten Immunität, die Fragestellung nach der Immunitätsfähigkeit für obsolet gehalten316. Staatenimmunität werde danach bei richtigem Verständnis der Lehre von der relativen Immunität auf Grund der Zuordnung einer Handlung bzw. einer Zwecksetzung zum Kernbereich hoheitlichen Handelns gewährt, also „ratione materiae“317 („sachbezogene Immunität“). Prinzipiell kann danach also jeder Beklagter bzw. Verfahrensgegner den Immunitätseinwand erheben, wenn nur die streitgegenständliche Handlung bzw. Zweckbestimmung als „hoheitlich“ im Sinne der Lehre von der relativen Staatenimmunität zu werten ist. Diese Lösung könnte man als „funktionelle Lösung“318 bezeichnen. Schließlich wird auch eine Verknüpfung beider Ansätze vertreten, wonach „Staatenimmunität in ihrem Ausgangspunkt eine Immunität ratione personae ist“, mithin „primär die Verknüpfung mit der Person besteht und erst sekundär der hoheitliche Charakter der Tätigkeit maßgebend ist“319 (Immunität „ratione personae und ratione materiae“320; Lehre vom „Doppelcharakter der Immunität“321). Diese Auslegung der Immunitätsregel könnte man als „gemischte oder kumulative Lösung“ bezeichnen. Sie führt zu einer zweistufigen Prüfung der Immunität: Zuerst ist zu untersuchen, ob der Immunität begehrende Verfahrensbeteiligte immunitätsfähig ist und in einem weiteren Schritt dann, ob die einzuordnende Handlung bzw. der Zweck als „hoheitlich“ („iure imperii“) zu werten ist322. Im 314 315
Vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 60 f. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 61; Schreuer, State Immunity,
S. 93. 316 Besonders prägnant: Kronke, IPRax 1989, 176, 178 sowie IPRax 1991, 141, 145 und Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 355. 317 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 355. 318 In Anlehnung an Schreuer, State immunity, S. 95. 319 Schaumann, BerDGVR 8 (1968), S. 44 f. 320 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 29 ff. 321 Schaumann, BerDGVR 8, 7 f. 322 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 30.
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praktischen Ergebnis unterscheidet sich diese Lösung jedoch regelmäßig nicht von der funktionellen Lösung, da sie zwar einerseits das einschränkende Merkmal der Immunitätsfähigkeit einführt, andererseits aber die Immunitätsfähigkeit auf Gliedstaaten und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts und unter gewissen Voraussetzungen auch auf Staatsunternehmen ausdehnen will323. In Anbetracht dieser unterschiedlichen Lösungswege stellt sich zuallererst die Frage, welcher Lösung der Vorzug gebührt. Gegen die strukturelle Lösung spricht, dass sie sich mit der kraft Völkergewohnheitsrechts geltenden Lehre von der relativen Staatenimmunität nur sehr schwer vereinbaren lässt324. Anerkennt man, dass es für die Immunitätsgewährung auf die Abgrenzung der Hoheitlichkeit/Nichthoheitlichkeit der Natur einer Handlung bzw. einer Zweckbestimmung ankommt, dann ist es nicht einzusehen, warum es Fälle geben soll, in denen zwar die Hoheitlichkeit der Handlung bzw. des Zwecks zu bejahen ist und dennoch mangels Immunitätsfähigkeit keine Immunität besteht. Vollends gilt dies, wenn man mit der stark im Vordringen befindlichen325 Lehre von der funktionell begründeten Staatenimmunität den eigentlichen Grund für die Gewährung von Staatenimmunität im Schutz der Funktionsfähigkeit eines Staates im Bereich seiner Kernaufgaben sieht326. Zur Wahrung dieses Schutzzwecks ist es nämlich geradezu geboten, die Rechtsnatur einer Handlung bzw. der Zweckbestimmung zum alleinigen Kriterium für die Immunitätsgewährung zu machen. Dies wird besonders deutlich, wenn man auf die Vollstreckungsimmunität abstellt. Wendet man auf sie nämlich die relative bzw. funktionelle Immunitätstheorie an, dann geht es nicht mehr um einen, wie auch immer begründeten Schutz des Vollstreckungsschuldners, sondern alleine um den Schutz der Zweckbestimmung des Vollstreckungsobjektes. Die Vollstreckungsimmunität ist daher auf dem Boden der funktionellen Immunitätstheorie zwangsläufig eine reine Objektimmunität327. Nach alledem ist es vor dem Hintergrund der modernen Entwicklung in der Dogmatik des Immunitäts323
Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 31 ff. Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66, 74. Kronke, in IPRax 1989, 176, 178 geht sogar soweit zu sagen: „Angesichts des Durchbruchs der relativen Immunitätstheorie ist die Fragestellung und damit auch jene nach der Völkerrechtspersönlichkeit des Handelnden heute aber praktisch obsolet“. 325 Auch die Rechtsprechung des BVerfG zur Vollstreckungsimmunität wurde zu Recht als „betont funktional“ bezeichnet: T. Stein, IPRax 1984, 179, 182. 326 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 367 und Hausmann, IPRax 1982, 51, 54. 327 Gramlich, RabelsZ 45 (1981),545, 593; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 41, der mit Recht hervorhebt, dass sich die Übereinstimmung innerhalb der Völkergemeinschaft gerade auf die Objektsbezogenheit des Vollstreckungsschutzes bezieht. 324
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rechts geboten, sich endgültig von den historischen Bindungen zu befreien, die mit der Begründung der Immunität ratione personae verbunden sind, da diese unnötigerweise den Blick auf die hinter den Immunitätsregeln stehenden Wertungen verstellen. Die „strukturelle Lösung“ ist mithin als mit der heute herrschenden Dogmatik des Immunitätsrechts nicht kompatibles Überbleibsel der Lehre von der absoluten Staatenimmunität zu werten und daher abzulehnen. Aber auch die gemischte Lösung, deren pointiertester Verfechter in der neueren deutschsprachigen Literatur Damian ist, vermag gegenüber der funktionellen Lösung nicht zu überzeugen. Damian begründet sie damit, sie führe dazu, dass „eine unübersehbare Anzahl von Rechtsträgern in den Genuss der Exemtion kommen“ könne, so dass „die Staatenimmunität jegliche Konturen verliere und zur potentiellen Jedermannsimmunität“ werde328. Diese Kritik Damians könnte jedoch nur dann durchgreifen, wenn der von ihm vorgeschlagene Lösungsweg die Gefahr der Ausuferung der Staatenimmunität verhindern könnte. Dies ist aber keineswegs der Fall, weil er die von ihm befürwortete personelle Begrenzung der Immunität dadurch wieder aufhebt, dass er den Kreis der Immunitätsträger erheblich erweitert. Da er auf diese Weise regelmäßig zu den gleichen Ergebnissen wie die funktionelle Lösung kommen wird, ist nicht erkennbar, warum man die Prüfung der Immunität für die Praxis durch die von Damian befürwortete zweistufige Prüfung unnötigerweise komplizieren sollte329. Hinzu kommt auch hier wieder, dass es andere als historische Gründe für das Festhalten am Konzept der Immunität ratione personae nicht gibt und Damian daher eine wie auch immer geartete dogmatische Vorzugswürdigkeit seiner Lösung gegenüber der funktionellen Lösung nicht aufzuzeigen vermag330. Da nach alledem der „funktionellen Lösung“ zu folgen ist, stellt sich die Frage, zu welchen konkreten Ergebnissen ihre Anwendung auf die typischen Problemkonstellationen der Vollstreckungsimmunität von „Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit“ (2), „juristischen Personen des öffentlichen Rechts“ (3), und „Zentralbanken“ (4) führt. (2) Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit Unter Staatsunternehmen werden Wirtschaftsgebilde verstanden, an denen der Staat alleine oder mehrheitlich beteiligt ist und die von ihm kontrolliert werden oder zumindest seiner gesteigerten Einflussnahme unterworfen sind331. Sind solche Staatsunternehmen rechtlich unselbständige Ge328 329 330
Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 30. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 68 f. Vgl. die Ausführung bei Damian, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 30.
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bilde des Staates (z. B. Regiebetriebe etc.), dann ist ihre Immunität nach allgemeiner Ansicht unproblematisch zu bejahen. Daher sind für die hier zu untersuchende Frage nur diejenigen Staatsunternehmen von Interesse, die als rechtsfähige Gebilde, regelmäßig als juristische Personen des Privatrechts, organisiert sind. Dabei bestimmt sich die Vorfrage, ob ein solches Gebilde rechtsfähig ist, in völkerrechtlich nicht zu beanstandender Weise nach dem auf Grund deutschen Kollisionsrechts zur Anwendung kommenden Sachrecht. Da sich nach deutschem Internationalem Privatrecht die Rechtsfähigkeit nach der Rechtsordnung bestimmt, die am Sitz der Hauptverwaltung der Unternehmung gilt, kommt regelmäßig das dort geltende Sachrecht zur Anwendung332. Ist danach Rechtsfähigkeit bei einem Staatsunternehmen zu bejahen, so stellt sich die Frage, auf wessen Willen es für die „hoheitliche Zweckbestimmung“ des zu pfändenden Vermögensgegenstandes ankommt. Eine unmittelbare Widmung durch den Staat selbst kann es bei Forderungen und Rechten (wie z. B. Bankguthaben) nicht geben333, da deren Inhaber alleine das rechtsfähige Staatsunternehmen ist, das folglich durch seine Organe alleine über die unmittelbare Verwendung entscheidet. Da die zur Immunitätsgewährung erforderliche unmittelbare Zweckbestimmung demnach nur auf einem Willensakt des Staatsunternehmens beruhen kann, andererseits aber die hoheitliche Zweckbestimmung nach der oben dargelegten zutreffenden Rechtsprechung des BVerfG im Sinne einer lückenlosen Legitimationskette auf den Staatswillen334 rückführbar sein muss, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an eine Zurechnung335 der vom Staatsunternehmen getroffenen unmittelbaren Zweckbestimmung zum Staatswillen zu stellen sind. Dabei ist zunächst der Begriff „Staatswille“ zu präzisieren. Da der Staat als solcher keinen Willen bilden kann, kann hiermit nur der Wille des nach dem Recht des fremden Staates zuständigen Organs oder derjenigen Behörde, auf die dieses Organ die Zuständigkeit übertragen hat, gemeint sein. Hinsichtlich der Zurechnung der Zwecksetzung des Staatsunternehmens zu dem Willen dieses Organs oder dieser Behörde könnte es ausreichen, dass das Organ bzw. die Behörde die 331 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 356; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 24. 332 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 25. 333 Bei körperlichen Gegenständen ist dies anders, da es hier denkbar ist, dass diese zunächst vom Staat gewidmet werden und dann dem Staatsunternehmen, mit der Widmung „belastet“, überlassen werden. 334 Vgl. nochmals: BVerfGE 64, 1, 42, wo das Gericht ausdrücklich darauf abstellt, dass die Guthaben die „maßgebende Zweckbestimmung nach dem Willen des fremden Staates“ erhalten (Hervorhebung durch den Verfasser). 335 Auch Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 69, hält vor dem Hintergrund der Lehre von der funktionell begründeten Immunität eine Zurechnung der Zwecksetzung zum Staat für erforderlich.
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die Zweckbestimmung treffenden Vertreter des Unternehmens bestellt hat oder Vertreter in die die Zweckbestimmung treffenden Beschlussorgane des Unternehmens entsandt hat. Gegen eine Willenszurechnung nach diesem Kriterium spricht aber die im Rahmen der teleologischen Auslegung der Vollstreckungsimmunität zu beachtende funktionale Ausrichtung des Schutzzwecks der Staatenimmunität: Die Zweckbestimmung führt zur Immunität des Vollstreckungsobjektes nicht deshalb, weil der Staat faktisch die der Zweckbestimmung zugrundeliegende Willensbildung des Unternehmens (mit)gesteuert hat, sondern deshalb, weil diese Willensbildung aus Rechtsgründen mit derjenigen des zuständigen Organs des fremden Staates gleichzusetzen ist, weil sich der Staat des Unternehmens zur Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben bedient und dabei die Kompetenz zur Zweckbestimmung auf das Unternehmen übertragen hat. Nur dann wenn das Unternehmen den Staat in einem immunitätsrechtlich relevanten Bereich gleichsam von Rechts wegen „repräsentiert“, gebietet der Zweck „Schutz der Funktionsfähigkeit des Staates im Bereich der Wahrnehmung hoheitlicher Kernaufgaben“ den Schutz der von dem Unternehmen getroffenen hoheitlichen Zweckbestimmung. Denn dann muss der Gerichtsstaat vor dem Hintergrund dieses Schutzzwecks der Immunität die Entscheidung des fremden Staates darüber, auf welche Weise und in welcher Organisationsform er seine hoheitlichen Kernaufgaben erfüllt, von Völkerrechts wegen akzeptieren336. Eine derartige auf den Willen des zuständigen Organs rückführbare Repräsentation des Staates durch das Unternehmen ist aber nur dann zu bejahen, wenn das Organ dem Unternehmen die Aufgabe der Erfüllung einer hoheitlichen Kernaufgabe durch oder auf Grund eines Gesetzes übertragen hat („Beleihungsakt“) und die in Rede stehende Zweckbestimmung sich im Rahmen der übertragenen Aufgabe bewegt. Da es sich bei der Zweckbestimmung um einen formlos möglichen Willensakt handelt, der nicht auf Rechtswirkung nach außen hin angelegt ist, sind an diesen „Beleihungsakt“ und die ihm zu Grunde liegende Rechtsgrundlage keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es genügt vielmehr, wenn darin zum Ausdruck gebracht wird, dass auf das Unternehmen eine hoheitliche Kernaufgabe zur Wahrnehmung anstelle des Staates übertragen wird. Dies kann man beispielsweise bejahen, wenn eine dem Staat „gehörende“ juristische Person des Privatrechts vom Verteidigungsministerium des fremden Staates mit der Aufgabe des Verkaufs gebrauchter Waffen bzw. des Ankaufs von Waffen betraut wird und zur Wahrnehmung dieser Aufgabe im Gerichtsstaat ein Konto erhält. An diesem Beispiel kann man zugleich ein weiteres Problem der Präzisierung der Zurechnungsregeln aufzeigen: Wäre Immunität eines solchen Kontos im obigen Beispiel auch dann zu bejahen, wenn das Unternehmen neben der Aufgabe des Verkaufs bzw. Ankaufs von 336
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Kriegsmaterial für die Streitkräfte auch mit zahlreichen weiteren nichthoheitlichen Aufgaben betraut wäre, die es allerdings nicht über dieses Konto abwickelt? Die Fragestellung mag zunächst vor dem Hintergrund der hier befürworteten funktionellen Auslegung überraschen, ist aber keineswegs abwegig. So hat etwa Damian – allerdings ein Verfechter der gemischten Lösung – das Zurechnungskriterium dahingehend präzisiert, dass der Schwerpunkt der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben im Bereich der hoheitlichen Kernaufgaben liegen müsse337. Aber auch bei Anwendung der Lehre von der funktionell begründeten Immunität könnte man auf die Idee kommen, die vom Unternehmen bestimmte Zwecksetzung dem Staat nur dann zuzurechnen, wenn das Unternehmen nicht „primär zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr“ geschaffen wurde338. Dahinter würde – unausgesprochen – der Gedanke stehen, dass die Zurechnung einer unternehmerischen Zwecksetzung zum Staatswillen eine besonders enge Nähebeziehung zum Staat voraussetzt, die darin zum Ausdruck kommt, dass das Unternehmen ganz überwiegend im Bereich der Wahrnehmung hoheitlicher Kernaufgaben tätig wird. Aber auch eine solche enge Auslegung der Zurechnungsregeln wäre mit dem funktionellen Schutzzweck der Immunität nicht vereinbar. Denn für den Schutz der Stabilität der Aufgabenerfüllung in einem hoheitlichen Kernbereich ist es – in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen – belanglos, ob das Staatsunternehmen ausschließlich oder überwiegend mit der Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben betraut ist. Allein entscheidend ist vielmehr, dass die Zweckbestimmung im konkreten Einzelfall dem Staat im oben beschriebenen Sinne zurechenbar ist339. (3) Juristische Personen des öffentlichen Rechts Wenn nach alledem eine Zweckbestimmung eines Staatsunternehmens dann zur Immunität des Vollstreckungsobjektes führt, wenn dem Unternehmen vom zuständigen Organ des fremden Staates durch oder auf Grund eines Gesetzes eine hoheitliche Kernaufgabe zur Erfüllung übertragen wurde und sich die vom Unternehmen getroffene Zweckbestimmung im Rahmen dieser Kompetenzübertragung bewegt, fragt sich, ob man dieses Ergebnis 337
Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 32. Vgl. etwa die Mehrheitsthese 9 der 2. Studienkommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, BerDGVR 8 (1968), S. 285, wonach Unternehmen, die „primär zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, insbesondere zur Erfüllung erwerbswirtschaftlicher Zwecke errichtet worden sind“, keine Immunität genießen, „auch wenn sie im konkreten Fall staatliche Aufgaben wahrgenommen haben“. 339 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 69. Daher geht Damian auch fehl, wenn er bei einem Privaten, der lediglich im Einzelfall mit Hoheitsgewalt beliehen wurde, Immunität per se für ausgeschlossen hält (vgl. Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 32). 338
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ohne Modifizierung auf rechtlich selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts des fremden Staates übertragen kann. Der Unterschied zu den privatrechtlichen Staatsunternehmen liegt darin begründet, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen des Staatsverfassungsrechts des fremden Staates unter Umständen originär – also ohne jeden Übertragungsakt – mit der Wahrnehmung hoheitlicher Kernaufgaben betraut sein können. Für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich dies besonders deutlich an den Kernaufgaben „Polizeigewalt“ und „Rechtspflege“, die nach dem Grundgesetz ganz überwiegend340 (Artt. 30, 87, 87 d, 92 GG) in der originären „Verwaltungs“kompetenz der Länder stehen, deren Völkerrechtsubjektivität und Immunität ratione personae aber ihrerseits trotz ihrer in der deutschen Verfassungsrechtslehre anerkannten Staatsqualität und ihrer Kompetenz zur Ausübung auswärtiger Gewalt auf dem Sektor der Kulturhoheit (Art. 32 Abs. 3 GG)341 tendenziell in der Rechtsprechung von Staaten mit zentralistischem Staatsaufbau nicht anerkannt wird342. Haben öffentlich-rechtliche Rechtssubjekte eines fremden Staates in einem Bereich originärer Zuständigkeit zur Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben eine Zweckbestimmung über einen Vermögensgegenstand getroffen (Beispiel: Das Bundesland Saarland unterhält in Frankreich ein Konto zur Anschaffung von Streifenwagen für die Landespolizei), muss dies ohne weiteres zur Vollstreckungsimmunität führen. Im Übrigen kommt es für die Immunität eines von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gewidmeten Vollstreckungsobjektes ebenso wie bei den Staatsunternehmen darauf an, ob dieser juristischen Person vom zuständigen Organ des fremden Staates durch oder auf Grund eines Gesetzes die Erfüllung einer hoheitlichen Kernaufgabe übertragen worden ist und sich die Zweckbestimmung im Rahmen dieser übertragenen Aufgabe bewegt. 340 Im Bereich der Gefahrenabwehr („Polizei“) hat der Bund von seiner Kompetenz zur Einrichtung einiger Sonderordnungsbehörden mit spezialgesetzlich begrenztem Aufgabenkreis Gebrauch gemacht, wie z. B. beim Bundesgrenzschutz (Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, BGSG), dem Grenz- und Zollfahndungsdienst (Artt. 87 Abs. 1 S. 1, 108 Abs. 1 GG, ZollG, AO) oder dem Bundeskriminalamt (Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, BKAG): vgl. Habermehl, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn. 45 ff. m. w. N. und Beispielen. Soweit diese Gefahrabwehrbehörden des Bundes (Art. 87 ff. GG) nicht ausnahmsweise zuständig sind, obliegt aber die Ausführung der allgemeinen und besonderen Gefahrabwehrgesetze gemäß Art. 30 GG primär den Ländern. Im Bereich der Rechtsprechung sind alle Gerichte, außer dem Bundesverfassungsgericht (Art. 93 f. GG), den obersten Gerichtshöfen des Bundes (Art. 95 GG) und den Bundesgerichten (Art. 96 GG), „Gerichte der Länder“ (Art. 92 GG). 341 Zum Begriff der „auswärtigen Gewalt“ und zur Kompetenz der Länder zur Ausübung auswärtiger Gewalt auf dem Sektor der Kulturhoheit vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 24 I und § 25 II. 342 Vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 70 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 21 ff.; Kronke, IPRax 1989, 176, 177 f.
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(4) Zentralbanken In der Praxis besonders relevant ist das Problem der Immunität der Bankkonten der Zentralbanken fremder Staaten. Die besondere Schwierigkeit dieser Problematik ergibt sich aus dem Zusammentreffen zweier Umstände: Zum einen sind die Zentralbanken der einzelnen Staaten sehr unterschiedlich organisiert, wobei das Spektrum vom rechtlich unselbständigen Bestandteil der Staatsverwaltung über die juristische Person des öffentlichen Rechts bis hin zur privatrechtlich organisierten (Aktien-)Gesellschaft reicht343; zum anderen nehmen die Zentralbanken sowohl hoheitliche Aufgaben (Einziehung und Ausgabe von Banknoten, Devisenkontrolle, Verwaltung der Währungsreserven eines Staates und andere währungspolitische Aktivitäten) als auch nichthoheitliche, „normale“ Banktätigkeiten wahr344. Im Hinblick auf diese Organisationsvielfalt verwundert es nicht, dass man noch häufig liest, Zentralbanken könnten nur dann Vollstreckungsimmunität beanspruchen, wenn sie als rechtlich unselbständige Anhängsel der Staatsverwaltung organisiert sind345. Dies ist auf dem Boden der Lehre von der funktionell begründeten Immunität, wonach Vollstreckungsimmunität ratione materiae gewährt wird, nicht zutreffend. Die Organisationsform ist für die Immunität der Bankkonten lediglich insoweit relevant als bei rechtlich unselbständigen Währungsbehörden sofort in die Prüfung eingestiegen werden kann, ob die Zweckbestimmung der Bankguthaben auf die Erfüllung hoheitspolitischer Kernaufgaben bezogen ist, während bei vom Staat rechtlich selbständigen Gebilden des öffentlichen oder des Privatrechts zunächst zu prüfen ist, ob eine entsprechende Zweckbestimmung dem Staatswillen auf Grund einer Übertragung der Hoheitsaufgabe durch oder auf Grund eines Gesetzes überhaupt zuzurechnen ist. Ist das zu bejahen genießen Konten von Zentralbanken unbeschadet ihrer Organisationsform Vollstreckungsimmunität346. Schwierigkeiten bei dieser Prüfung können dadurch auftreten, dass Zentralbanken entsprechend der obigen Ausführungen typischerweise hoheitliche und nichthoheitliche Aufgaben zugleich wahrnehmen, so dass sich bei ihnen das bereits behandelte Problem der „mixed accounts“ besonders häufig stellen kann. Zur Lösung dieses Problems wird vertreten, ein Bankguthaben einer Zentralbank könne nur dann und insoweit Vollstreckungsimmunität genießen, 343
Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 581 f. Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 588 f. und Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 556. 345 Krauskopf, WM 1986, 89, 91. 346 Die Anwendung der Lehre von der funktionell begründeten Immunität auf Zentralbanken ist inzwischen wohl ganz herrschende Staatenpraxis: vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 367–372. 344
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als bestimmte Summen oder Titel zu Beginn der Vollstreckung speziell für die hoheitliche Aufgabenerfüllung ausgeschieden oder ausgewiesen worden seien. Dabei könnten gesteigerte Beweisanforderungen gestellt und eine Offenlegung der Kontenbewegungen verlangt werden347. Diese Auffassung ist jedoch von vorneherein als zu pauschal zu werten. Denn jedenfalls in Bezug auf rechtlich unselbständige Zentralbanken stehen ihr die gleichen völkerrechtlich begründeten Einwände gegenüber, die bereits bei der Diskussion der „mixed-accounts-Problematik“ allgemein behandelt worden sind: Der Substantiierungslast des fremden Staates sind nämlich auf Grund des Interventionsverbotes dann Grenzen gesetzt, wenn nicht gänzlich unerhebliche Teile des Kontos einer hoheitlichen Kernaufgabe zu dienen bestimmt sind348. Gelingt es also dem fremden Staat im Fall des Kontos einer rechtlich unselbständigen Zentralbank darzulegen und glaubhaft zu machen, dass nicht nur unerhebliche Teile des Kontos zu Beginn der Vollstreckung der Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben der Zentralbank (z. B. währungspolitischen Zwecken) zu dienen bestimmt waren, dann untersagt es das Interventionsverbot, darüber hinaus gehend vom Staat die Offenlegung der Kontenbewegungen zu verlangen. Es fragt sich aber, ob diese Beschränkung der Substantiierungslast und die damit einhergehende Beweismaßreduzierung auch dann gilt, wenn es sich bei der Zentralbank um ein rechtlich selbständiges Gebilde des öffentlichen oder des privaten Rechts handelt. Insofern könnte man meinen, der Staat sei doch insgesamt schutzwürdiger, da bei ihm – im Gegensatz zu von ihm verselbständigten Gebilden – eine gewisse tatsächliche Vermutung für die Ausübung von Hoheitsaufgaben spreche. Daher könne es nicht angehen, „beliehenen“ Staatsunternehmen oder öffentlich-rechtlichen Anstalten die gleichen auf politischer Rücksichtnahme beruhenden Beweisprivilegien zuzubilligen wie dem Staat selbst349. Dieser auf den ersten Blick einleuchtende und über die Zentralbanken hinaus auf alle anderen Staatsunternehmen und öffentlich-rechtlich verselbständigten Gebilde übertragbare Gedanke ist indes wiederum nicht auf die teleologisch begründete Lehre von der funktionell begründeten Immunität abgestimmt, so dass es überrascht, dass gerade Kren Kostkiewicz, die diese Lehre in ihrer Habilitationsschrift dogmatisch grundlegend aufbereitet hat, ihn aufgreift. Denn hat ein Staat eine hoheitliche Kernaufgabe, ganz oder ausschnittsweise, so auf ein anderes rechtliches Gebilde übertragen, dass dieses den Staat bei der Aufgabenerfüllung vertritt und der Wille des Gebildes dem Staat zugerechnet wird, dann greift eine verschärfte Substantiierungs347 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 557 ff. m. N. zu der entsprechenden Rechtsprechung der schweizerischen Gerichte. 348 Ebenso: Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 183. 349 In diesem Sinne: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 555.
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last bezüglich einer hoheitlichen Zweckbestimmung und die Auferlegung des Vollbeweises ebenso in die inneren Angelegenheiten des Staates ein, als wenn man diese Anforderungen dem Staat selbst auferlegen würde. Dies wird besonders am Beispiel der hoheitlichen Kernaufgabe „Währungspolitik“ deutlich. Hier ist es nämlich so, dass viele Staatsverfassungen ihren Zentralbanken das Recht zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Währungspolitik zuweisen. Würde man hier den Zentralbanken die substantiierte Darlegung der dabei von ihnen verfolgten Strategien und gar den vollen Beweis dafür auferlegen, so würde das Bekanntwerden solch sensibler Informationen rücksichtslosen Spekulanten Tür und Tor öffnen und zugleich den nach diesen Verfassungen den Banken zustehenden Kernbereich der Willensbildung der „Regierung“ missachten. Aber auch bei Zentralbanken, die diese Aufgabe nicht originär kraft der Verfassung, sondern „nur“ auf Grund einfacher gesetzlicher Übertragung oder sogar nach strikter Einzelfallweisung der Regierung erfüllen, ist dies nicht anders, da auch hier auf Grund der Sensibilität von Informationen, die generell mit der Wahrnehmung von Aufgaben des hoheitlichen Kernbereichs verbunden ist, die völkerrechtliche Grenze des Interventionsverbots ratione materiae zu beachten ist. Der einzige Unterschied, der zwischen rechtlich unselbständigen und selbständigen Zentralbanken in puncto Darlegungs- und Beweislast besteht, ist der, dass den selbständigen Zentralbanken die Erleichterungen nicht per se zustehen, sondern nur dann, wenn sie darlegen und voll beweisen können, dass die von ihnen geltend gemachte Zweckbestimmung sich im Rahmen einer hoheitlichen Kernaufgabe bewegt, die ihnen durch oder auf Grund eines Gesetzes vom zuständigen Organ des Staates übertragen worden ist oder originär kraft Verfassungsrechts zusteht. Nach alledem sind sogenannte „mixed accounts“ von Zentralbanken nach allgemeinen Grundsätzen zu behandeln, im Ergebnis also vollstreckungsimmun, wenn die Zentralbank glaubhaft machen kann, dass nicht unerhebliche Teile des Kontos der Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben gewidmet worden sind350. Aus den vorstehenden Ausführungen zu den Zentralbanken folgt aber, dass Staatsunternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts im Vergleich zum Staat selbst hinsichtlich des Einwandes der Vollstreckungsimmunität keinen gesteigerten Substantiierungs- und Beweislasten unterliegen. Der einzige Unterschied, der zu ihren Lasten gegenüber dem Staat als Vollstreckungsschuldner besteht, ist der, dass sie voll beweisen müssen (vgl. § 293 ZPO), dass ihnen durch oder auf Grund eines Gesetzes des 350 Im Ergebnis ebenso Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 594 f., der auf Grund der Gefahr für die währungspolitischen Interessen des betroffenen fremden Staates ein erhöhtes Schutzbedürfnis in der Zwangsvollstreckung bejaht und mit Rücksicht hierauf für eine „prinzipielle Exemtion der Bankguthaben fremder Währungsbehörden“ plädiert.
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fremden Staates die von ihnen geltend gemachte hoheitliche Kernaufgabe übertragen worden ist und dass sich die behauptete Zweckbestimmung im Rahmen dieser übertragenen Kompetenz bewegt351. ee) Der Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität (1) Dogmatische Grundlagen Die Verzichtbarkeit der Immunität ist sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren seit langem völkergewohnheitsrechtlich anerkannt352. Aus der im Rahmen dieser Arbeit bereits herausgearbeiteten Unterscheidung von Prozess- und Vollstreckungsimmunität ergibt sich, dass auch beim Immunitätsverzicht zwischen beiden Immunitäten streng unterschieden werden muss. Ein etwaiger wirksamer Verzicht auf die Prozessimmunität im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens oder der Schaffung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde besagt daher noch nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen von Vollstreckungsimmunität, es sei denn dieser Verzicht beinhaltete auf Grund ausdrücklicher oder konkludent abgegebener Erklärung zugleich den Verzicht auf Vollstreckungsimmunität. Ohne bereits den nachfolgenden Erwägungen bezüglich der Auslegung einzelner typischer Verzichtserklärungen für das Erkenntnisverfahren vorgreifen zu wollen, kann man jetzt schon sagen, dass Letzteres kaum vorstellbar ist, da die Vollstreckungsimmunität ja eine reine Objektsimmunität ist und man kaum einmal je wird annehmen können, der fremde Staat habe mit dem Verzicht auf Immunität bei der Schaffung des Vollstreckungstitels pauschal auf den Immunitätsschutz für alle dem Kernbereich seiner hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung dienenden Gegenstände verzichten wollen353. Dogmatisch betrachtet stellt der Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität ein einseitiges völkerrechtliches Rechtsgeschäft354 dar, das rein prozessuale Bedeutung hat und auf die Beseitigung des völkergewohnheitsrechtlichen Verfahrenshindernisses gerichtet ist355, und daher nicht notwendig zugleich 351
Ähnlich hinsichtlich der Beweislastverteilung: Kröll, IPRax 2002, 439, 445. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 42 f.; Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 216. 353 Vgl. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 45. 354 Vgl. Seidl-Hohenveldern/T. Stein, Völkerrecht, Rdnr. 185. Da dieses Rechtsgeschäft rechtsgestaltende Wirkung hat, wird es auch als „einseitiges Gestaltungsgeschäft“ bezeichnet: vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 34 f. 355 Daraus ergibt sich, dass der Immunitätsverzicht eine Doppelnatur hat, da er sowohl völkerrechtliche Erklärung als auch – bei Erklärung nach Verfahrensbeginn – Prozesshandlung ist (vgl. Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 217). Zu abweichenden Auffassungen über die Rechtsnatur des Immunitätsverzichts: vgl. Langkeit, Staaten352
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materiell-rechtlich zu einer Entwidmung einer getroffenen hoheitlichen Zweckbestimmung führt. Rechtsfolge einer wirksamen Verzichtserklärung ist das Wiederaufleben der durch den Immunitätsanspruch des fremden Staates beschränkten Vollstreckungsgewalt der Bundesrepublik Deutschland. Rechtsgestaltende (konstitutive) Wirkung entfaltet diese prozessuale Willenserklärung aber nur, wenn dem Staat für das von der Erklärung betroffene Vollstreckungsobjekt überhaupt Immunität zusteht. Im Übrigen hat die ins Leere gehende Verzichtserklärung grundsätzlich356 nur klarstellende (deklaratorische) Wirkung. Nichtsdestotrotz ist auch in Fällen lediglich deklaratorischer Wirkung die Verzichtserklärung von großer praktischer Bedeutung357: Dem Vollstreckungsgläubiger bringt sie Rechtssicherheit, dem Vollstreckungsgericht erspart sie die unter Umständen schwierige Prüfung, ob der Vollstreckungsgegenstand bei Beginn der Vollstreckung unmittelbar hoheitlichen Kernaufgaben zu dienen bestimmt war. Daher ist Vertragspartnern ausländischer Staaten, die sich für den Fall eines Vollstreckungsverfahrens die Vollstreckung in in Deutschland „belegenes“ Vermögen des fremden Staates sichern wollen, uneingeschränkt zu empfehlen, sich hinsichtlich dieses Vermögens eine auf das Vollstreckungsverfahren bezogene ausdrückliche Verzichtserklärung geben zu lassen. (2) Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Verzichtserklärung Ein Vertragspartner, der eine solche Verzichtserklärung für ein späteres Vollstreckungsverfahren einholen möchte, wird sich fragen, welche Wirksamkeitsvoraussetzungen für diese Erklärung bestehen, da eine unwirksame Verzichtserklärung im Ernstfall wertlos ist. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Verzichtserklärung nach allgemeiner Meinung um eine empfangsbedürftige, nicht aber um eine annahmebedürftige Erklärung handelt. Es genügt also ihr Zugang (bei der Erklärung unter Abwesenden: entsprechend § 130 BGB), eine korrespondierende Erklärung des Begünstigten ist nicht erforderlich358. Es fragt sich, wer als tauglicher Erklärungsempfänger anzusehen ist. Unstrittig ist, dass die zuständigen staatlichen Organe zum Kreis der tauglichen Erklärungsempfänger gehören359. Konkret sind dies in immunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 45 Fußn. 90 sowie Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 51 ff. 356 Allerdings hat sie, wenn es sich um eine vorbehaltlose Verzichtserklärung handelt, potentiell konstitutive Wirkung in dem Sinne, dass eine nachträgliche Zuführung des Vollstreckungsobjektes zu einer kernhoheitlichen Aufgabe mit relativer Wirkung zum Vollstreckungsgläubiger unbeachtet bleibt. 357 Vgl. dazu Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 34. 358 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 37 und S. 51. 359 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 37; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 46.
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der Bundesrepublik Deutschland die jeweiligen Vollstreckungsorgane und/ oder die mit dem Vollstreckungsverfahren befassten Rechtsmittelgerichte. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde noch strittig diskutiert, ob darüber hinaus auch der begünstigte (künftige) Vollstreckungsgläubiger tauglicher Erklärungsempfänger ist, wenn es sich bei ihm um eine Privatperson handelt360. Dies wird zwischenzeitlich in der Staatenpraxis ganz überwiegend bejaht und kann als völkergewohnheitsrechtlich anerkannt gelten361. Auf der Seite des verzichtenden Staates sind anerkanntermaßen die konkret zur Abgabe einer solchen Verzichtserklärung bevollmächtigten Personen, seine zentralen Organe des auswärtigen Verkehrs (nebst dem ihnen unterstellten Leiter der diplomatischen Vertretung), seine Organe, Behörden oder sonstigen juristischen Personen, denen durch oder auf Grund Gesetzes die Wahrnehmung der durch den Verzicht betroffenen hoheitlichen Kernaufgabe übertragen ist, sowie seine Verfahrensbevollmächtigten im Vollstreckungsverfahren zur Abgabe der Verzichtserklärung befugt362. Ferner ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt, dass die Verzichtserklärung keinem Formerfordernis unterliegt und daher auch mündlich wirksam abgegeben werden kann363. Schließlich muss sie nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten wirksam erklärt werden364. In jedem Falle ist allerdings ein Rechtsbindungswille in Form eines Verzichtswillens erforderlich. Dieses Erfordernis ist im Rahmen konkludent abgegebener potentieller Verzichtserklärungen besonders streng zu untersuchen und im Ergebnis nur zu bejahen, wenn der Verzichtswille mit dem fraglichen Verhalten unzweideutig zum Ausdruck gebracht wurde365.
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Vgl. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 46 m. w. N. So mit Recht Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 51 und Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 46 unter Hinweis auf die dies bestätigenden Regeln in den Immunitätsgesetzen, dem EuÜbk.SI und entsprechenden Gerichtsentscheidungen. 362 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 36 f. 363 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 38 f. und S. 53 Fußn. 296. Beachte allerdings, dass die Verzichtserklärung im Anwendungsbereich des EuÜbk.SI gemäß Art. 23 der Schriftform unterliegt. 364 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 441 ff; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 44; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 39 f. Beachte allerdings auch hier, dass im Anwendungsbereich des EuÜbk.SI, des WDÜ und des WKÜ gemäß Art. 23 EuÜbk.SI, Art. 32 Abs. 2 WDÜ und Art. 45 Abs. 2 WKÜ nur ausdrückliche Verzichtserklärungen wirksam sind. 365 Vgl. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 44 Fußn. 85. Hierbei handelt es sich um die – soweit ersichtlich – schärfste Anforderung an die Deutlichkeit des Verzichtswillens, die insbesondere von der französischen Rechtsprechung aufgestellt wird und nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners den Inhalt des Völkergewohnheitsrechts bestimmt. 361
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(3) Konkludent abgegebene Verzichtserklärungen Unter den Fallgruppen typischer potentieller konkludenter Verzichtserklärungen in Bezug auf die Vollstreckungsimmunität kommt den Verzichtserklärungen auf die Prozessimmunität die größte praktische Bedeutung zu. Hierbei geht es im Kern um die Frage, ob man in der in Bezug auf das Erkenntnisverfahren abgegebenen Verzichtserklärung zugleich einen konkludent erklärten Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität sehen kann. Für die Lösung dieses Problems ist es gleichgültig, ob es sich bei der auszulegenden Erklärung um eine ausdrückliche oder um eine konkludente Verzichtserklärung in Bezug auf das Erkenntnisverfahren handelt. Denn eine Durchsicht der einschlägigen Literatur ergibt, dass für beide Problemkreise sehr ähnlich gelagerte Argumente angeführt werden366, so dass es sich anbietet, die gängigen Fälle des Verzichts auf die Prozessimmunität zusammenfassend im Hinblick auf ihre mögliche Erstreckung auf die Vollstreckungsimmunität zu untersuchen. Neben dem ausdrücklichen Verzicht kommen hierbei als klassische und anerkannte Fälle des konkludent erklärten Verzichts auf die Prozessimmunität der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung zu Gunsten eines deutschen Gerichtsortes, das rügelose Einlassen zur Hauptsache und der Abschluss eines Schiedsvertrages mit Schiedsort in der Bundesrepublik Deutschland in Betracht. Denn es ist nach allgemeiner Meinung völkerrechtlich nicht zu beanstanden, wenn man eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte als Verzicht auf die Prozessimmunität im Erkenntnisverfahren367, das rügelose Einlassen zur Hauptsache als Verzicht auf Immunität im jeweiligen Verfahren368 und den Abschluss eines Schiedsvertrages mit Schiedsort in Deutschland369 366 Vgl. statt vieler: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 442 ff., die das Problem der Erstreckung des Verzichts auf die Prozessimmunität auf die Vollstreckungsimmunität zunächst unter der Überschrift „Bedeutung des Verzichts auf die Immunität im Erkenntnisverfahren im besonderen“ behandelt und anschließend unter Abwägung der gleichen Argumente den besonderen Problemkreis „Bedeutung der Schiedsvereinbarung im besonderen“ erörtert. 367 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 395; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 55. 368 Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 5, 30; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 40; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 406 f. 369 Die territoriale Reichweite des mit der Schiedsklausel verbundenen Immunitätsverzichts gegenüber dem Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist umstritten. Die engste Auffassung, die nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners Inhalt des Völkergewohnheitsrechts ist, beschränkt die territoriale Reichweite des Verzichts auf die Gerichte des Landes, in dem das Schiedsverfahren durchgeführt wird. Die rechtspolitisch vorzugswürdige weitergehende Auffassung, die im Abschluss des Schiedsvertrages einen weltweiten Verzicht auf Prozessimmunität im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren sieht, sollte angesichts ihrer Umstritten-
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durch eine solche Partei mangels anderweitiger Regelung in der Schiedsklausel370 als Verzicht auf die Prozessimmunität im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren vor den deutschen Gerichten wertet371. Die Frage, ob man in einem ausdrücklich oder konkludent erklärten Verzicht auf Prozessimmunität zugleich einen konkludent erklärten Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität sehen kann, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass ein solcher Verzicht auf Prozessimmunität immer auch zugleich einen Verzicht auf Vollstreckungsimmunität mitbeinhalte. Gerichtszwang gehöre nämlich wesensmäßig zur Rechtsprechung dazu, so dass der Staat sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setze, wenn er einerseits auf seine Prozessimmunität verzichte, sich andererseits aber die Möglichkeit offen halten wolle, bei ungünstigem Ausgang des Prozesses die Vollstreckung als logische Konsequenz des Erkenntnisverfahrens mit Hilfe des Immunitätseinwandes zu verhindern372. Speziell auf das Schiedsverfahren bezogen tritt zu dieser Argumentation noch das wesensverwandte Argument hinzu, dass der Staat sich durch Abschluss des Schiedsvertrages auf die Ebene der Gleichordnung begeben habe und sich gemäß dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ auch im Vollstreckungsverfahren an diesem Schritt festhalten lassen müsse, da nur so die Gleichheit der Parteien des Schiedsverfahrens gewährleistet werden könne und ermöglicht werde, dass eine Privatperson in gleichem Umfang auf das Vermögen des Staates zugreifen könne, wie auch umgekehrt der Staat in das Vermögen des Privaten vollstrecken dürfe (Argument der Gleichheit der Vollstreckungschancen)373. Demgegenüber steht die wohl herrschende Meinung auf dem Standpunkt, dass grundsätzlich weder ein ausdrücklicher noch ein konkludent erklärter heit, die ihrer Zurechnung zum Völkergewohnheitsrecht entgegensteht, von deutschen Gerichten im Hinblick auf Art. 25 GG nicht angewendet werden. Vgl. zu diesem Problemkreis: Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, 205 ff. m. w. N. 370 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 54 f. weist anhand konkreter Beispiele zutreffend darauf hin, dass Schiedsklauseln auch so gestaltet sein können, dass man ihnen keinen konkludent erklärten Verzicht auf die Prozessimmunität entnehmen kann. 371 Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 211 f. und S. 231, nach dessen Auffassung das Völkerrecht sich zu diesem Problem neutral verhält, so dass es für die Auslegung der Schiedsklausel als Immunitätsverzicht alleine auf das deutsche Recht ankommt; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 385 ff. Bucher, IPRax 1982, 161, 164. Demgegenüber ist das Problem der Immunität im Verfahren vor dem Schiedsgericht selbst ein Scheinproblem, da das private Schiedsgericht keine staatliche Hoheitsgewalt ausübt, so dass der beklagte Staat in diesem Verfahren von vorneherein keine Immunität beanspruchen kann: Vgl. statt vieler: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rdnr. 72. 372 Vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 442 m. N. 373 Vgl. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 208 m. N.
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Verzicht auf Prozessimmunität als konkludent erklärter Verzicht auf Vollstreckungsimmunität gewertet werden dürfe374. Dieser Meinung ist vor dem Hintergrund des hier vertretenen Verständnisses vom Wesen der Vollstrekkungsimmunität zu folgen. Sie alleine wird nämlich dem objektbezogenen Charakter der Vollstreckungsimmunität gerecht, der es erfordert, dass die Verzichtserklärung sich grundsätzlich eindeutig auf einen bestimmten Vollstreckungsgegenstand bezieht. Angesichts der Vielfalt der vollstreckungsimmunen Gegenstände und ihrer unterschiedlichen Wichtigkeit für die Wahrnehmung hoheitlicher Kernaufgaben kann man nämlich grundsätzlich nicht annehmen, dass der fremde Staat sich mit dem Verzicht auf die Prozessimmunität zugleich mit der Vollstreckung in jeden im Gerichtsstaat „belegenen“ hoheitlichen Zwecken dienenden Vollstreckungsgegenstand einverstanden erklären wollte375. Auf Grund der Objektbezogenheit der Vollstreckungsimmunität wird es demnach in aller Regel an dem Erfordernis fehlen, dass der Verzichtswille in der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist. Hinzu kommt, dass nur diese Meinung dem funktionellen Schutzzweck der Immunität gerecht wird376. Dieser Schutzzweck erfordert es nämlich, dass der fremde Staat sich bei der Abgabe der Verzichtserklärung darüber eindeutig im klaren ist, dass er sich mit der Erklärung des immunitätsrechtlich garantierten Schutzes der Vermögenswerte, die der Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit dienen, begibt. Das wird sowohl bei ausdrücklich als auch bei schlüssig erklärten Verzichten auf die Prozessimmunität regelmäßig nicht bejahen können. Ferner würde eine Auslegung der Schiedsklausel als konkludent erklärter Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität dazu führen, dass die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit für Staaten geschmälert werden würde. Würde man die Klauseln so auslegen, würde naturgemäß die Zustimmung eines Staates zu einer Schiedsklausel wesentlich schwieriger zu erhalten sein. Insofern bestünde die Gefahr, dass sich der beabsichtigte Schutz privater Gläubiger fremder Staaten in sein Gegenteil verkehren würde377. Schließlich vermag auch das auf das Schiedsverfahren bezogene vorgenannte Argument der Gleichheit der Vollstreckungschancen nur bei oberflächlicher Betrachtung zu überzeugen. Denn ebenso wie die Vollstreckungschancen des privaten Vertragspartners durch die Vollstreckungsimmunität von Vollstreckungsobjekten, die kernhoheitlichen Aufgaben dienen, beschränkt werden, können die Voll374 Statt vieler: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 442 ff. 375 Ähnlich Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 443. 376 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 445. 377 Kröll, IPRax 2002, 439, 443, dessen Ausführungen zwar das französische Recht betreffen, sich aber ohne weiteres auch auf das deutsche Recht übertragen lassen.
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streckungschancen des staatlichen Vertragspartners durch vollstreckungsrechtliche Schuldnerschutzvorschriften beeinträchtigt werden (vgl. etwa §§ 811, 850 ZPO). Nach alledem kann in den typischen Fällen des Verzichts auf die Prozessimmunität grundsätzlich in der Verzichtserklärung nicht zugleich ein konkludent erklärter Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität gesehen werden, es sei denn dass in der Verzichtserklärung auf Grund des Erklärungskontextes ein solcher zusätzlicher Verzichtswille unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist. Als eine weitere in der einschlägigen deutschsprachigen Literatur stiefmütterlich behandelte Fallgruppe, bei der man typischerweise an einen konkludent erklärten Verzicht auf Vollstreckungsimmunität denken könnte, kommen durch Parteierklärung unter Mitwirkung staatlicher Organe errichtete Vollstreckungstitel in Betracht. Gemeint sind damit Prozessvergleiche (§ 794 Abs. Nr. 1 ZPO) sowie vollstreckbare gerichtliche oder notarielle Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Bei den prozessbeendenden Prozessvergleichen ist die Rechtslage eindeutig: Sie schaffen auf Grund der Parteierklärungen beider Parteien, also auch der immunen Partei, einen Vollstreckungstitel. Dieser Titel kommt unter Mitwirkung des deutschen Gerichtes ohne den Abschluss eines Erkenntnisverfahrens zustande. Die den Titel schaffenden Parteierklärungen ersetzen mithin die gerichtliche Entscheidung. Die unter Mitwirkung des Gerichtes abgegebenen Parteierklärungen treten funktionsäquivalent an die Stelle der Schaffung des Vollstreckungstitels durch Urteil oder Beschluss. Somit enthält die auf Abschluss des Vergleiches gerichtete Erklärung der immunen Partei neben der auf Beendigung des Verfahrens gerichteten Prozesshandlung und der auf Abschluss eines Vergleiches im Sinne des § 779 BGB gerichteten materiellrechtlichen Willenserklärung eine konkludent abgegebene Verzichtserklärung auf die Prozessimmunität. Der Prozessvergleich hat dann nicht nur – wie üblich – eine Doppelnatur, sondern gar eine Dreifachnatur als Prozesshandlung, materiell-rechtliches und völkerrechtliches Rechtsgeschäft. Das völkerrechtliche Rechtsgeschäft – die konkludent abgegebene Verzichtserklärung auf die Prozessimmunität – ist indes nicht anders zu behandeln als die zuvor behandelten Fälle konkludenten Verzichtes. Die Erklärung bringt mangels Bezuges auf bestimmte vollstreckungsimmune Gegenstände nicht unzweideutig zum Ausdruck, dass der Staat zugleich auch auf seine Vollstreckungsimmunität verzichten will. In dem Prozessvergleich ist daher, falls er nicht eine entsprechende ausdrückliche Erklärung enthält, regelmäßig kein konkludent abgegebener Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität enthalten378. Trotz der insoweit ähnlichen Situation bei der zweiten Gruppe der durch staatlich begleiteten Parteiakt geschaffenen Vollstreckungstitel, 378
Ebenso: R. Geimer, IZPR, Rdnr. 554a.
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der vollstreckbaren gerichtlichen oder notariellen Urkunden gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, will Reinhold Geimer zwischen beiden Titeln einen Unterschied machen und bei den Titeln gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO im Gegensatz zu den Prozessvergleichen einen konkludent abgegebenen Verzicht auf Vollstreckungsimmunität bejahen379. Dabei fragt sich zunächst einmal, ob ihm hinsichtlich derjenigen Unterwerfungserklärungen zu folgen ist, bei denen sich der Staat wegen eines bestimmten Anspruchs pauschal der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, wie solche Unterwerfungserklärungen bei einem fremden Staat als Vollstreckungsschuldner auszulegen sind. Beziehen sie sich, so lange die Erklärung keine ausdrückliche Beschränkung auf nichtimmune Gegenstände enthält, automatisch auch auf immune Gegenstände oder sind die Klauseln so zu lesen, dass der Schuldner sich der sofortigen Vollstreckung unter sein gesamtes Vermögen nur insoweit unterwirft, soweit dieses der deutschen Vollstreckungsgewalt unterliegt? Der Schlüssel zur Lösung dieses Problems liegt bei der Rechtsnatur und der Funktion der Unterwerfungserklärung. Sie ist nach ganz herrschender Meinung eine einseitige prozessuale Willenserklärung, die darauf gerichtet ist, einen Vollstreckungstitel zu schaffen380. Sie dient demnach dem Zweck, unter staatlicher Beteiligung einen Vollstreckungstitel ohne eine das Erkenntnisverfahren abschließende gerichtliche Entscheidung zu erzeugen. Damit ist das staatliche Verfahren, in dessen Rahmen die Unterwerfungserklärung abgegeben wird, 379 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 632 einschließlich Fußn. 486. Dabei beruft er sich zu Unrecht auf Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 170. Dieser führt zwar in der Tat an dieser Stelle aus, dass eine Vollstreckung aus einem Titel gemäß § 794 Abs. Nr. 5 ZPO gegen den fremden Staat zulässig sei. Doch ergibt sich aus dem Kontext dieser Aussage und ihrer Begründung eindeutig, dass er mit ihr gerade nicht behaupten wollte, vollstreckbare gerichtliche oder notarielle Urkunden enthielten zugleich einen konkludent erklärten Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität. Der Kontext ergibt dies, da die von Geimer angeführte Passage unter der Überschrift „Das Bestehen eines vollstreckbaren Titels als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat“ steht. In dem anschließenden Unterkapitel behandelt Damian sodann die „gegenständlichen Schranken inländischer Vollstreckungsgewalt über fremde Staaten“. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er im Rahmen der einzelnen Voraussetzungen, unter denen eine Vollstreckung gegen einen fremden Staat zulässig ist, einen Titel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 für einen tauglichen Vollstreckungstitel hält, weil dieser ohne Verletzung der Prozessimmunität des fremden Staates zustande gekommen ist. Anschließend ist dann aber – bei jedem Titel (!) – als eigenständiger Zulässigkeitsgesichtspunkt zu prüfen, ob der jeweilige Gegenstand vollstreckungsimmun ist. Auch die Begründung Damians für das von Geimer angeführte Zitat lässt nur diesen Schluss zu. Sie stellt nämlich, ohne das Vollstreckungsverfahren zu erwähnen, nur darauf ab, der Titel sei zur Vollstreckung tauglich, da der fremde Staat mit der Unterwerfungserklärung seinen Willen dokumentiere, auf die Durchführung eines Erkenntnisverfahrens zu verzichten. 380 Stöber in: Zöller, ZPO, § 794 Rdnr. 29.
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Substitut für das gerichtliche Erkenntnisverfahren. Es ist daher immunitätsrechtlich betrachtet ebenso wie der Akt der Beurkundung des Prozessvergleichs durch das Prozessgericht der Ausübung von Rechtsprechungs- und nicht von Vollstreckungsgewalt zuzuordnen. Das in der Unterwerfungserklärung zum Ausdruck kommende Einverständnis des fremden Staates mit der staatlichen Tätigkeit der Organe des „Gerichtsstaates“ in dem titelschaffenden Verfahren ist nach alledem ebenso wie die auf Abschluss eines Prozessvergleiches gerichtete Erklärung nichts anderes als ein konkludent erklärter Verzicht auf die Prozessimmunität, so dass auch für die Frage der Erstreckung der Wirkungen dieser Verzichtserklärung auf die Vollstreckungsimmunität nichts anderes gilt als bei anderen konkludent abgegebenen Verzichtserklärungen in Bezug auf die Prozessimmunität auch: In aller Regel kommt in der Erklärung ein auf die Vollstreckungsimmunität bezogener Verzichtswille nicht – wie erforderlich – unzweideutig zum Ausdruck. Auch hier gilt nämlich mit Blick auf die objektsbezogene, funktionelle Schutzrichtung der Vollstreckungsimmunität, dass der fremde Staat mit der Abgabe der Unterwerfungserklärung gerade nicht zum Ausdruck bringen will, dass er mit jedweder Vollstreckungsmaßnahme in im Bundesgebiet „belegene“ vollstreckungsimmune Gegenstände einverstanden ist. Der Auffassung Geimers ist mithin nicht zu folgen. Zwischen Prozessvergleichen und Vollstreckungstiteln gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO besteht immunitätsrechtlich kein Unterschied. Letztere bieten dem Gläubiger eines fremden Staates also keine größere Sicherheit als Prozessvergleiche oder Urteile. Einem Vertragspartner eines fremden Staates, der sich mit Hilfe einer vollstreckbaren Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO umfassend vor der Inanspruchnahme von Immunität durch den fremden Staat schützen will, muss dringend empfohlen werden, auf einer die Inanspruchnahme von Vollstreckungsimmunität – pauschal oder konkret objektsbezogen – eindeutig ausschließenden Klausel in die Urkunde zu bestehen. Geht man der Frage nach, warum der Notar (!) Geimer trotz der aus immunitätsrechtlicher Sicht evidenten Vergleichbarkeit von Prozessvergleichen und vollstreckbaren Urkunden zwischen beiden Arten von Titeln unterscheidet, so liegt der Gedanke nahe, dass dem Praktiker Geimer wohl die praktisch besonders bedeutsamen Fälle der Unterwerfung der Zwangsvollstreckung wegen eines (dinglichen) Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 1147 BGB ggf. i.V. m. § 1192 BGB aus einer Hypothek bzw. Grundschuld vor Augen standen. Ferner wird er an die Fälle des § 794 Abs. 2 ZPO gedacht haben, in denen im Hinblick auf bestimmte Vollstreckungsgegenstände die Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung durch entsprechende beurkundete Unterwerfungserklärungen ersetzt werden können. Wegen des Objektsbezuges dieser Unterwerfungserklärungen könnte man – im Gegensatz zu den obigen Ausführungen – we-
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nigstens bei diesen Titeln nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ggf. i.V. m. § 794 Abs. 2 ZPO an einen konkludent erklärten Verzicht auf Vollstreckungsimmunität denken. Hierfür spricht, dass der fremde Staat in diesen Fällen weitaus weniger schutzwürdig ist, da er im Hinblick auf den konkreten Objektbezug der Unterwerfungserklärung weitaus eher hinsichtlich der etwaigen Tragweite seiner Erklärung „gewarnt“ ist und man ihm insoweit durchaus – um mit den Worten der Rechtsgeschäftslehre des BGB zu sprechen – auch hinsichtlich der Vollstreckungsimmunität ein auf Verzicht gerichtetes „Erklärungsbewusstsein“ zurechnen könnte. Allerdings ist all dies nur vordergründig überzeugend. Auch wenn es um den objektbezogenen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in einen bestimmten Vollstreckungsgegenstand geht, bedarf der Gläubiger zur Durchsetzung dieses Anspruches eines diesen feststellenden Titels. Auch hier ist der Schuldnerstaat wegen der Zweiteilung des zivilprozessualen Verfahrens immunitätsrechtlich unter Umständen zweifach durch eine Prozess- und eine hiervon verschiedene Vollstreckungsimmunität geschützt. Deshalb ist auch hier strikt zwischen beiden Immunitäten zu unterscheiden und kann dem fremden Staat, der unter Verzicht auf die Prozessimmunität in die Schaffung eines Titels einwilligt, nicht einfach ein mit nichts zum Ausdruck gebrachter Verzichtswille hinsichtlich der Vollstreckungsimmunität unterstellt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass der soeben angeführten verminderten Schutzwürdigkeit des fremden Staates keine entsprechende erhöhte Schutzbedürftigkeit des Vollstreckungsgläubigers gegenübersteht. Denn bei der Abgabe der Erklärungen sind die Beteiligten umfassend über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen zu belehren (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG). Dabei ist die immunitätsrechtlich beschränkte Wirkung der Unterwerfungserklärung zu erörtern. Dem Gläubiger, der sich auf das Geschäft nicht einlassen will, weil er die Geltendmachung von Vollstreckungsimmunität im Vollstreckungsverfahren fürchtet, bleibt es dann unbenommen, von ihm Abstand zu nehmen. Ist sich der Vollstreckungsschuldner dagegen darüber im klaren, dass er auch auf die Vollstreckungsimmunität verzichten will und will er dies zum Ausdruck bringen, so ist das beurkundende Organ ohnehin kraft Gesetzes verpflichtet, diesen Verzichtswillen „klar und unzweideutig“ wiederzugeben (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG). Daneben ist dann kein Raum mehr für eine konkludente abgegebene Verzichtserklärung auf die Vollstreckungsimmunität. Auf Grund der vorstehenden Ausführungen könnte man zu der Auffassung neigen, dass der Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität nur ausdrücklich wirksam erklärt werden kann. Dem steht aber entgegen, dass sich durchaus einige wenige, nicht nur rein akademische Beispiele für solche konkludent abgegebene Verzichtserklärungen bilden lassen. Kren Kostkiewicz führt als nach ihrer Ansicht abschließende Beispiele den Fall an, dass
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der fremde Staat im Einzelfall eine Vollstreckung zulässt oder ein Pfandrecht bzw. eine Hypothek zu Gunsten des Gläubigers bestellt381. Auf Grund der vorstehenden Ausführungen zum Immunitätsverzicht durch rügelose Einlassung bzw. rügelose Duldung muss die erstgenannte Fallgruppe dahingehend präzisiert werden, dass der fremde Staat im Vollstreckungsverfahren – gegebenenfalls trotz entsprechender Aufforderung durch das Vollstreckungsgericht – bewusst keine Tatsachen vorträgt, die das Verfahrenshindernis der Vollstreckungsimmunität begründen würden („beredtes Schweigen“). Über die von Kren Kostkiewicz angeführten Fälle lässt sich aber noch eine weitere praktisch sehr relevante Konstellation eines konkludent erklärten Verzichtes auf Vollstreckungsimmunität anführen, die man allerdings zugegebenermaßen dogmatisch ebenso gut unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Verfehlung des Schutzzwecks der Norm einordnen könnte. Gemeint sind speziell auf Bankguthaben bezogen die Fälle, in denen die titulierte Forderung des Vollstreckungsgläubigers auf einem Geschäft beruht, das gerade den hoheitlichen Zweck unmittelbar gefördert hat, dem das Bankkonto gewidmet ist. Bei Abschluss eines solchen Geschäftes erklärt der fremde Staat nämlich bei einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung seinem Geschäftspartner gegenüber schlüssig, dass er sich nicht in einem eventuellen Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung einer aus dem Geschäft resultierenden Forderung darauf berufen wird, seine zum Zwecke der Förderung dieses Geschäfts in der Bundesrepublik Deutschland „belegenen“ Guthaben seien vollstreckungsimmun. Selbst wenn man der Verzichtslösung in diesen Konstellationen jedoch nicht folgen wollte, kommt man jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verfehlung des Schutzzwecks der Norm oder des Rechtsmissbrauchs zu dem Ergebnis der Versagung der Immunität. Auf Grund der beweismäßigen Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn der Staat später jedoch einfach behaupten sollte, die Guthaben hätten einer ganz anderen als der mit dem Geschäft verfolgten Zweckbestimmung unterlegen, sollte der Geschäftspartner allerdings auch dann wenn ihm bekannt ist, dass Guthaben mit einschlägiger Zweckbestimmung in Deutschland unterhalten werden, sicherheitshalber auf einer ausdrücklichen Verzichtserklärung für diese Konten bestehen.
381
Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität nach schweizerischem Recht, S. 442.
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(4) Nachträgliche Veränderung der Rechtsposition des Vollstreckungsgläubigers durch Widerruf, Änderung der Zweckbestimmung oder Anfechtung der Verzichtserklärung wegen Willensmängeln? Die Rechtsposition des privaten Vollstreckungsgläubigers wäre sehr ungesichert, wenn der Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität jederzeit vom Vollstreckungsschuldner widerrufen werden könnte. Diese Gefahr besteht indes nicht, da die gegenüber einem privaten Vollstreckungsgläubiger abgegebene Verzichtserklärung nach allgemeiner und vom BVerfG im Botschaftskonto-Beschluss befürworteter Ansicht382 unwiderruflich ist. Dies wird damit begründet, es gebe (wohl) eine den Einzelnen mittelbar begünstigende völkerrechtliche Norm, aus der sich die Unwirksamkeit des freien Widerrufs von Immunitätsverzichtserklärungen gegenüber Privaten ergebe383. Diese Norm finde ihre innere Rechtfertigung in den Grundsätzen der Billigkeit und von Treu und Glauben und ferner darin, dass der Private in seinem Vertrauen auf eine staatliche Erklärung schutzwürdig sei384. Schließlich sei die Unwiderruflichkeit der einem Privaten gegenüber abgegebenen Verzichtserklärung nichts anderes als die logische Folge aus dem Umstand, dass das Völkerrecht den Einzelnen als tauglichen Adressaten einer Verzichtserklärung ansieht385. Anders als das Ergebnis vermögen diese Begründungen jedoch nicht vollends zu überzeugen. Dabei ist bereits der Ausgangspunkt, wonach es einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm bedarf, die es den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland gestattet, den Widerruf der Verzichtserklärung als unwirksam zu behandeln, unzutreffend. Da das Völkergewohnheitsrecht den vom Verzicht begünstigten Privaten nämlich als tauglichen Erklärungsempfänger ansieht, ermöglicht es, dass in dessen Person infolge des Verzichts ein subjektives Recht auf Justizgewähr entsteht. Der Widerruf des Immunitätsverzichts ist darauf gerichtet, in diese Rechtsposition einzugreifen und den Anspruch auf Justizgewähr gegen den Staat zu Gunsten des Immunitätsanspruchs zum Erlöschen zu bringen. Diese Entziehung der in der Person des Vollstreckungsgläubigers entstandenen Rechtsposition und nicht etwa die Versagung der Wirksamkeit der Widerrufserklärung ist der rechtfertigungsbedürftige Eingriff, der einer Rechtsgrundlage bedarf. Somit geht es nicht darum, eine völkergewohnheitsrecht382
BVerfGE 46, 342, 402; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 56; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 46 f.; Seidl-Hohenveldern, Festschrift für Beitzke, 1081, 1100; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66, 82. 383 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 56. 384 Vgl. zu diesen Begründungsansätzen: Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 47 m. w. N. 385 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 56.
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liche Norm zu finden oder herzuleiten, die es erlaubt, den Widerruf als unwirksam zu behandeln, sondern vielmehr darum, eine solche völkergewohnheitsrechtliche Norm zu finden oder herzuleiten, die es erlaubt in die infolge des Verzichts entstandene Rechtsposition des Gläubigers einzugreifen. Auf Grund der allgemeinen Rechtsüberzeugung von der Unwiderruflichkeit des Verzichts kann die Existenz einer solchen völkergewohnheitsrechtlichen Norm jedoch eindeutig verneint werden. Eine weitere denkbare Beeinträchtigung der Rechtsposition des durch die Verzichtserklärung begünstigten Gläubigers könnte sich dadurch ergeben, dass der Staat nach Abgabe der Verzichtserklärung die Zweckbestimmung bezüglich des Vollstreckungsgegenstandes zugunsten der Förderung einer anderen kernhoheitlichen Aufgabe abändert, diesen also sozusagen „umwidmet“. Dabei sollen einmal die Fälle außer acht bleiben, in denen der Staat dies absichtlich mit dem Ziel tut, sich dem drohenden Vollstreckungszugriff zu entziehen. Denn diese Fälle kann man, jenseits des Beweisproblems, rechtlich über den Rechtsmissbrauchseinwand in den Griff bekommen. Vielmehr soll es um solche Fälle gehen, in denen der Schuldnerstaat, in aller Regel in gehörigem zeitlichem Abstand zu nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen, aus nachvollziehbaren und achtbaren Erwägungen heraus, eine neue Zweckbestimmung trifft, etwa weil er als Entwicklungsland nur über knappe finanzielle Ressourcen verfügt und nunmehr andere politische Prioritäten setzt. Vor dem Hintergrund der Lehre von der funktionell begründeten Vollstreckungsimmunität könnte man versucht sein, in diesen Fällen dem Schutz der betroffenen staatlichen Funktionen Vorrang vor dem Justizgewähranspruch einzuräumen. Dem steht aber der obige Ansatz entgegen, dass der Verzicht infolge des Wiederauflebens der Vollstreckungsgewalt eine Rechtsposition in der Person des Privaten begründet, deren Entziehung einer völkergewohnheitsrechtlichen Rechtsgrundlage bedarf. Da diese Rechtsgrundlage auf Grund der Nähe dieser Sachverhalte zum allgemein für unwirksam gehaltenen Verzichtswiderruf nicht ersichtlich ist, muss es bei dem Grundsatz der vollstreckungsfreundlichen und immunitätsfeindlichen Handhabung der Vollstreckungsimmunität sein Bewenden haben. Eine Einschränkung ist allerdings dahingehend zu machen, dass dies nur dann gilt, wenn der fremde Staat in seiner Verzichtserklärung pauschal und damit umfassend, sei es bezogen auf sein gesamtes in Deutschland „belegenes“ Vermögen oder sei es nur bezogen auf ganz bestimmte Vollstreckungsobjekte, auf die Vollstreckungsimmunität verzichtet hat. Hat er dagegen ausdrücklich oder jedenfalls für den Erklärungsempfänger klar erkennbar nur in Bezug auf den gegenwärtigen Verwendungszweck, etwa eines Kontos, auf die Vollstreckungsimmunität verzichtet, und sich dadurch die nachträgliche immunitätbegründende „Umwidmung“ des Vermögens vorbehalten, so ist die Rechtsposition des Gläubigers, ebenso wie bei der entspre-
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chenden Situation beim Widerrufsvorbehalt, von vorneherein mit einem „Umwidmungsvorbehalt“ belastet, so dass der Immunitätsanspruch durch eine anderweitige Zweckbestimmung wieder aufleben kann. Fraglich ist vor diesem Hintergrund noch die Frage, wie sich eine anderweitige Zweckbestimmung auswirkt, wenn der ursprüngliche pauschale (vorbehaltlose) bzw. umfassende Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität lediglich deklaratorischen Charakter hatte. Hier könnte man auf den ersten Blick davon ausgehen, dass der Vollstreckungsgläubiger infolge des Verzichts keinerlei Rechtsposition erlangt hat, da dieser „ins Leere ging“. Das wäre allerdings insofern zu kurz gedacht, als der umfassende Immunitätsverzicht nicht nur eine gegenständliche, sondern auch eine zeitliche Dimension hat und von daher nicht nur als Verzicht in Bezug auf jeden gegenwärtigen kernhoheitlichen Verwendungszweck, sondern zugleich auch als Verzicht auf jeden künftigen solchen Verwendungszweck zu verstehen ist. Insofern begründet er also trotz seiner ursprünglich nur deklaratorischen Wirkung durchaus eine Rechtsposition, in die der fremde Staat nachträglich mangels Rechtsgrundlage nicht mehr eingreifen kann. Deshalb kann man auch sagen, dass ein pauschaler bzw. vorbehaltloser Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität, wenn das betroffene Vollstreckungsobjekt im Zeitpunkt der Verzichtserklärung nichthoheitlichen Zwecken dient, nicht nur deklaratorische, sondern auch potentiell konstitutive Wirkung entfaltet, die dann zum Zuge kommt, wenn der Staat den Vollstreckungsgegenstand nach Abgabe der Verzichtserklärung einer kernhoheitlichen Aufgabe zuführt. Dann wird nämlich das Vollstreckungsobjekt mit der Bestimmung eines neuen kernhoheitlichen Verwendungszwecks infolge der zeitlichen Dimension der Verzichtserklärung mit relativer Wirkung zum Vollstreckungsgläubiger von der widmungsbedingten Vollstreckungsimmunität nicht erfasst. Schließlich stellt sich die Frage, ob der fremde Staat sich durch Anfechtung seiner Verzichtserklärung wegen Willensmängeln von der Erklärung lösen kann. Da es hierzu an einer einschlägigen Staatenpraxis fehlt, hat sich speziell zu dieser Frage kein Völkergewohnheitsrecht herausbilden können386. Wenn man trotzdem nach einem Minimalkonsens in dieser Frage als Anknüpfungspunkt für künftiges Völkergewohnheitsrecht sucht, so stößt man auf die Regelung in Art. 3 Abs. 1 S. 2 des EUÜbk.SI und section 2 subsection 5 des britischen States Immunity Act (StIA), die in ähnlicher Weise die Loslösung von einem durch rügelose Einlassung zur Hauptsache schlüssig erklärten Verzicht regeln. Danach ist dem Staat trotz des konkludent erklärten Immunitätsverzichtes die Berufung auf die Immunität nur möglich, wenn er sich über die die Immunität begründenden Tatsachen im Irrtum befand und zur Überzeugung des Gerichts beweist, dass er von die386
Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 42.
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sen Tatsachen erst nach seiner rügelosen Einlassung Kenntnis erlangen konnte. Hinzu kommen muss, dass er sich auf die immunitätsbegründenden Tatsachen sobald als möglich nach Kenntniserlangung beruft. Wollte man diese Regelungen verallgemeinern und auf einen subsumtionsfähigen Kern verdichten, so wäre die Anfechtung wegen Willensmängeln nur bei schlüssig erklärten Immunitätsverzichten möglich. Als Anfechtungsgrund käme ferner nur die Anfechtung wegen des Irrtumes über die die immunitätbegründenden Tatsachen in Betracht, nicht aber etwa die Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtumes, also wegen Versprechens, Verschreibens etc. bei Abgabe der Erklärung oder wegen einer Fehlvorstellung über Sinn und Bedeutung der Erklärung387. Eine solche Verallgemeinerung der im EuÜbk.SI und im britischen StIA getroffenen Spezialregelung für einen besonderen Fall des Willensmangels im Falle rügeloser Einlassung zur Hauptsache zu einem allgemeinen Rechtsgedanken ist indes abzulehnen. Zum einen betreffen die genannten Regelungen nur eine sehr spezielle Fallkonstellation, die auf Grund ihrer Einbettung in das Prozessgeschehen nicht mit den sonstigen typischen, meist außerprozessual abgegebenen schlüssigen Verzichtserklärungen verglichen werden kann und schon von daher keine geeignete Grundlage für die Entwicklung eines allgemeinen, auf alle Verzichtserklärungen übertragbaren Rechtsgedankens bietet. Zum anderen aber sind die genannten Regelungen des EuÜbk.SI, dem nur wenige europäische Staaten beigetreten sind, und des britischen StIA nicht einmal für die Staatenpraxis der Staaten repräsentativ, die Immunitätskodifikationen erlassen haben oder Immunitätskonventionen beigetreten sind. So ist etwa im amerikanischen Immunitätsgesetz (FSIA) trotz entsprechenden Problembewusstseins des Gesetzgebers bewusst keine den Regelungen des EuÜbk.SI und des britischen StIA entsprechende „Anfechtungsmöglichkeit“ für durch „Tatsachenirrtümer“ verursachte schlüssig abgegebene Verzichtserklärungen getroffen worden388. Ein völliger Anfechtungsausschluss ist auch sachlich gerechtfertigt. Er führt nicht nur zu Rechtssicherheit in einem sensiblen Bereich, sondern belastet den Staat auch nicht unangemessen. Ist sich der Staat oder genauer gesagt das für ihn handelnde zuständige Organ nicht über die Tatsachen im klaren, die Vollstreckungsimmunität begründen, so wird dies fast zwangsläufig an einem Organisationsverschulden des Staates selbst liegen, das dieser dann auch selbst zu tragen hat. Ferner kann der Staat sich vor der Gefahr eines schlüssig abgegebenen Verzichtes dadurch schützen, dass er sich im Falle eines unklaren Sachverhaltes vorsorglich auf seine Immunität beruft. Aus diesen Gründen ist ein berechtigtes Interesse des fremden Staates an der Loslösung von einem irrtümlich konkludent ab387 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 42 f.; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66, 82 f. 388 Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66, 82.
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gegebenen Immunitätsverzicht nicht anzunehmen389. Fehlt es mithin an einer Grundlage für ein völkergewohnheitsrechtlich begründetes Anfechtungsrecht bei Willensmängeln, so ist mangels einer Rechtsgrundlage für ein solches Anfechtungsrecht, die aber wie bereits ausgeführt für einen Eingriff in die durch den Verzicht begründete Rechtsposition des Erklärungsempfängers unerlässlich ist, insgesamt von der Unanfechtbarkeit einer einmal abgegebenen Verzichtserklärung auszugehen. ff) Behandlung eines potentiell immunen Drittschuldners (Problem der sogen. „Drittschuldnerimmunität“) Bisher ging es nur um die Frage, ob und wieweit einem Vollstreckungsschuldner im Verfahren auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses Immunität zu gewähren ist. Es stellt sich aber die Frage, ob nicht auch einem Drittschuldner im Vollstreckungsverfahren Immunität zustehen kann, mit der Folge, dass ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aus diesem Grunde mangels deutscher Gerichtsbarkeit zu unterbleiben hat. Hierbei ist wiederum zwischen den Fällen der Vollstreckungsimmunität kraft Völkervertragsrechts einerseits und kraft Völkergewohnheitsrechts andererseits zu unterscheiden. Dies deshalb, weil die Frage in einem die Vollstreckungsimmunität regelnden Abkommen ausdrücklich oder jedenfalls implizit entschieden werden kann, mit der Folge, dass die Antwort sich aus dem Abkommen selbst ergibt. Ein Beispiel hierfür haben wir bereits mit Art. 35 (b) NTS-ZA kennen gelernt, das bei der Vollstreckung aus einem deutschen Titel gegen einen Schuldner, dem aus der Beschäftigung bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge der NATO-Entsendestaaten oder aus unmittelbaren Lieferungen oder sonstigen Leistungen an eine solche Truppe oder ein solches zivile Gefolge Zahlungsansprüche zusteht, vorsieht, dass anstelle eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein formloses „Ersuchen“ des Vollstreckungsgerichtes an die Behörde der Truppe oder des zivilen Gefolges zu ergehen hat, mit der Folge, dass die ersuchte Behörde von der Summe, die sie anerkennt, den in dem Ersuchen genannten Betrag hinterlegt. Mit dieser Regelung soll – wie bereits ausgeführt – die generelle Wertung zum Ausdruck gebracht werden, dass den Militärbehörden der Entsendestaaten im Anwendungsbereich des NTS in jeglichem Vollstreckungsverfahren, in dem sie als Drittschuldner betroffen sind, von der Bundesrepublik Immunität zu gewähren ist und dass ihnen im Gegenzug Mitwirkungsobliegenheiten bei der informellen („partnerschaftlichen“) Durchsetzung titulierter Ansprüche auferlegt werden390. Wird dagegen in einem einschlä389
Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66, 83. Vgl. nochmals Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 187 m. w. N. in Fußn. 339. 390
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gigen völkerrechtlichen Vertrag anders als im NTS-ZA keine ausdrückliche oder implizite Regelung der Drittschuldnerimmunität getroffen (wie z. B. im EuÜbk.SI und im WDÜ), so stellt sich das Problem im Anwendungsbereich dieser Verträge in genau der gleichen Form wie im Bereich der Staatenimmunität kraft Völkergewohnheitsrechts, so dass es auch an dieser Stelle gemeinsam abgehandelt wird. Nach einer in der deutschsprachigen Literatur stark verbreiteten Ansicht ist dem Staat im Vollstreckungsverfahren auch in seiner Rolle als Drittschuldner Immunität zu gewähren391. Dies wird damit begründet, auch für den Drittschuldner sei die Forderungspfändung ein hoheitlicher Zwangsakt, der seine Verfügungsbefugnis über sein Vermögen beschränke und besonders deutlich in dem im Pfändungsbeschluss enthaltenen gerichtlichen Verbot, an den Schuldner zu zahlen (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO; sogen. „arrestatorium“), zum Ausdruck komme392. Das Drittschuldnerverbot sei ein in Ausübung von Gerichtsgewalt (Vollstreckungsgewalt) erlassener hoheitlicher Befehl, der wie jeder andere gerichtliche Befehl nur ergehen dürfe, wenn der Drittschuldner überhaupt der deutschen Vollstreckungsgewalt unterliege393. Ferner folge die Richtigkeit der These, dass auch dem Drittschuldner Vollstreckungsimmunität zukommen könne, aus der bereits angesprochenen Regelung in Art. 35 (b) NTS-ZA, die die Immunität der Behörden der Truppe oder des zivilen Gefolges der Entsendestaaten auch in ihrer Verfahrensstellung als Drittschuldner im Forderungspfändungsverfahren zum Ausdruck bringt. Da zwischenstaatliche Abkommen im allgemeinen Erleichterungen bewirken wollen, die Regelung dieses Punktes im Abkommen aber für notwendig erachtet wurde, lasse sich daraus nur schließen, dass nach Auffassung der vertragsschließenden Staaten die Durchführung des normalen Vollstreckungsverfahrens nach §§ 828 ff. ZPO auf Grund der Immunität der Entsendestaaten auch in ihrer Funktion als Drittschuldner für nicht möglich gehalten wurde394. Ein Großteil der Verfechter dieser Auffassung zieht daraus allerdings nicht die Konsequenz, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mangels Gerichtsbarkeit nicht erlassen werden dürfe. Dies ergebe sich daraus, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und mit ihm auch das arrestatorium (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO) erst mit der Zustellung an den Drittschuldner wirksam werde (§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Daraus ergebe sich, dass der Pfändungsund Überweisungsbeschluss als solcher mangels Außenwirkung die Immunität des Drittschuldners noch nicht in völkerrechtswidriger Weise beein391 Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 268 f.; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545, 593; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 187; Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 38; LG Bonn, MDR 1966, 935, Beschl. v. 21.06.1966 – 4 T 64/66. 392 Habscheid, BerGDVR 8 (1968), 268 f. 393 Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 38; Reichel, AcP 131 (1929), 293, 297. 394 Habscheid, BerGDVR 8 (1968), 268 f.
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trächtige. Dies gelte vielmehr erst für die – mangels deutscher Gerichtsbarkeit zur Herbeiführung eines wirksamen Drittschuldnerverbotes – ohne seine Zustimmung unzulässige Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner395. Demnach dürfe der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Drittschuldner sei von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Auch dürfe nicht unter Hinweis auf die Zustellungsproblematik das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden. Es bestehe nämlich die Möglichkeit, dass der Drittschuldner auf seine Immunität verzichte und so das Wirksamwerden des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ermögliche. Dies sei ausreichend für das Rechtsschutzbedürfnis. Es müsse dem Gläubiger überlassen bleiben, die Möglichkeiten abzuwägen, ob das Zahlungsverbot jemals wirksam werden könne396. Die Auffassung, dass einem Drittschuldner ebenso wie einem Vollstreckungsschuldner im Vollstreckungsverfahren nach §§ 828 ff. ZPO Immunität zustehen kann, ist indes abzulehnen. Dies zum einen deshalb, weil das sogenannte Drittschuldnerverbot nach § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO gar kein in Ausübung von Gerichtsgewalt ergangener hoheitlicher Befehl an den Drittschuldner ist. Wäre es ein solcher, so müsste das arrestatorium bei Weigerung des Drittschuldners, ihm Folge zu leisten, mit Zwangsgewalt durchgesetzt werden können. Dies ist aber mitnichten der Fall. Der „Verstoß“ gegen den „Befehl“ führt nämlich lediglich dazu, dass der in Kenntnis397 des wirksamen Pfändungsbeschlusses an den Schuldner leistende Drittschuldner gemäß §§ 136, 135, 362 BGB gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger nicht von seiner Schuld befreit wird, so dass dieser nach Überweisung der Forderung an sich, nochmalige Zahlung vom Drittschuldner verlangen kann398. Diese Wirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses folgt aber nicht aus dem im Pfändungsbeschluss ausgesprochenen Drittschuldnerverbot selbst, sondern aus der Rechtsfolge, die das Gesetz in §§ 136, 135 BGB an den Erlass eines wirksamen Pfändungsbeschlusses knüpft. Dies ergibt sich daraus, dass die in dem Pfändungsbeschluss liegende Beschlagnahme eine Zwangsmaßnahme gegen den Vollstreckungsschuldner, nicht aber gegen den Drittschuldner ist399. Für eine 395 LG Bonn, MDR 1966, 935, Beschl. v. 21.06.1966 – 4 T 64/66; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 187 f.; Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 41; Gottwald, IPRax 1991, 285, 288, Fußn. 38. 396 LG Bonn, MDR 1966, 935, Beschl. v. 21.06.1966 – 4 T 64/66; Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 41. 397 Leistet der Drittschuldner, etwa auf Grund einer wirksamen Ersatzzustellung, in Unkenntnis des Pfändungsbeschlusses, so kann er unter den Voraussetzungen des § 407 BGB analog von seiner Schuld frei werden: vgl. statt vieler: Stöber in: Zöller, ZPO, § 829 Rdnr. 19. 398 Stöber in: Zöller, ZPO, § 829 Rdnr. 19.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
derartige Zwangsmaßnahme gegenüber dem Drittschuldner fehlt es schon an einer das Vollstreckungsgericht zu ihr ermächtigenden Rechtsgrundlage in der ZPO. Sie wäre indes auch bei Bestehen einer solchen Rechtsgrundlage sachlich nicht berechtigt, da es an einem die Vollstreckungsmaßnahme legitimierenden Titel des Vollstreckungsgläubigers gegenüber dem Drittschuldner fehlte. Daher ist der Pfändungsbeschluss, wenn man mit den Begriffen der Lehre vom Verwaltungsakt aus dem Allgemeinen Verwaltungsrecht sprechen wollte (vgl. § 35 VwVfG), anders als eine hoheitliche Anordnung in einem mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Verwaltungsakt nicht darauf gerichtet, dem Drittschuldner gegenüber belastende Rechtsfolgen herbeizuführen (fehlendes finales Element). Die mit dem Wirksamwerden des Pfändungsbeschlusses aus der Beschlagnahmewirkung für den Drittschuldner resultierenden Rechtsfolgen (wie z. B. die Folgen der Zahlung an den Vollstreckungsschuldner in Kenntnis der Pfändung), ergeben sich vielmehr aus Gesetzesvorschriften (wie z. B. §§ 136, 135 BGB), die an den wirksamen Erlass des Pfändungsbeschlusses und dessen Beschlagnahmewirkung anknüpfen, nicht aber aus einer im Pfändungsbeschluss enthaltenen Anordnung des Vollstreckungsgerichts400. Alleine die Tatsache, dass sich der Beschlagnahmezugriff auf den Vollstreckungsschuldner in dem Moment vollendet, in dem dem Drittschuldner das „Drittschuldnerverbot“ zugestellt wird (§ 829 Abs. 3 ZPO), vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. § 829 Abs. 3 ZPO ist nämlich eine rein verfahrenstechnische Regelung, die lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des gegen den Vollstreckungsschuldner gerichteten Vollstreckungsaktes mit dem Zeitpunkt zusammenfallen lässt, in dem der Drittschuldner erfährt, dass er nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Altgläubiger leisten kann401. Aus alledem folgt, dass das „Drittschuldnerverbot“ kein echtes Verbot ist, das ein Unterworfensein des Drittschuldners unter die deutsche Gerichtsbarkeit voraussetzen würde, sondern lediglich ein Hinweis auf die kraft Gesetzes angeordneten Wirkungen eines wirksamen Pfändungsbeschlusses402. Auch das weitere Argument, die Überzeugung der Staatengemeinschaft von der Drittschuldnerimmunität ergebe sich jedenfalls aus Art. 35 (b) NTS-ZA, vermag diese Meinung nicht zu stützen. Zum einen begegnet sie 399
So etwa schon Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 282. Dies übersieht I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 48, die davon ausgeht, das Drittschuldnergebot sei darauf gerichtet, dem Drittschuldner gegenüber Rechtsfolgen zu erzeugen. 401 Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 280. 402 So bereits zutreffend Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 280; ebenso: Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; ders., IZVR Rdnr. 982; R. Geimer, IZPR Rdnrn. 408 und 3257. 400
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schon dem formalen Argument, dass der vergleichsweise kleine Kreis der Vertragsstaaten dieses Abkommens keineswegs genügt, um eine zu Völkergewohnheitsrecht führende Staatenpraxis darzustellen. Zum anderen aber, ist das Argument, die Regelung bringe die Überzeugung der Vertragsstaaten von der Unüberwindbarkeit der Drittschuldnerimmunität zum Ausdruck, rein spekulativ und ebenso gut umkehrbar. Man könnte ihm nämlich, ebenso spekulativ, entgegenbringen, die Staaten hätten diese Regelung erst schaffen müssen, um eine kraft Völkergewohnheitsrechts ihrer Überzeugung nach nicht bestehende Drittschuldnerimmunität zu begründen. Hierfür würde in der Tat auch sprechen, dass zahllose Abkommen zur Immunität, wie etwa das EuÜbk.SI und das WDÜ, eine dem Art. 35 (b) NTS-ZA entsprechende Regelung gerade nicht enthalten. Schließlich könnte man, was so bisher soweit ersichtlich lediglich angedacht, aber noch nicht ausführlich erörtert worden ist, die Lehre von der Drittschuldnerimmunität mit den für den Drittschuldner eventuell aus § 840 ZPO folgenden belastenden Rechtsfolgen begründen403. Auf Verlangen des Vollstreckungsgläubigers hat der Drittschuldner die in § 840 Abs. 1 ZPO aufgeführten Auskünfte zu erteilen, widrigenfalls er sich aus § 840 Abs. 2 ZPO schadensersatzpflichtig machen kann. Da § 840 Abs. 1 ZPO nach anerkannter Ansicht keinen einklagbaren Auskunftsanspruch gewährt404, kann die gemäß § 840 Abs. 2 S. 1 ZPO in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgenommene Aufforderung zur Erteilung der Drittschuldnerauskunft ebenso wenig wie das arrestatorium (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO) als Immunitätsschutz erfordernder Hoheitsakt gegenüber dem Drittschuldner gewertet werden. Daher könnte man das Immunität auslösende Moment des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Hinblick auf § 840 ZPO allenfalls noch in der Schadensersatzbewehrung der aus ihm bei entsprechendem Gläubigerverlangen folgenden Obliegenheit zur Auskunftserteilung sehen. Aber auch dies ist im Ergebnis abzulehnen. Hält man sich noch einmal den Inhalt der Lehre von der relativen und funktionell begründeten Staatenimmunität vor Augen, so kann der fremde Staat ja ohnehin nicht grenzenlose Freistellung von Hoheitsakten des Gerichtsstaates mit ihn belastenden Rechtsfolgen begehren, sondern dies nur insoweit beanspruchen, als er in der Ausübung hoheitlicher Kernfunktionen beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung könnte mit Blick auf die Rechtsfolgen des § 840 403 Vgl. Gottwald, IPRax 1991, 285, 289, der diese Fragestellung bezogen auf die Grenzen staatlicher Vollstreckungsgewalt gegenüber im Ausland wohnhaften Drittschuldnern und nicht bezogen auf die Problematik der Drittschuldnerimmunität „andenkt“. Dabei zieht er die Meinung, das Drittschuldnerverbot enthalte lediglich einen die Rechtsposition des Drittschuldners nicht belastenden Hinweis mit Blick auf die Drittschuldnerpflichten gemäß § 840 Abs. 1, 2 S. 2 ZPO in Zweifel. 404 Vgl. statt vieler: Stöber in: Zöller, ZPO, § 840 Rdnr. 15.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
ZPO aber nur darin zu sehen sein, dass der fremde Staat über das Druckmittel des § 840 Abs. 2 S. 1 ZPO im Hinblick auf einen Streitgegenstand (die gepfändete Forderung!) partiell der deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt würde, hinsichtlich dessen ihm Prozessimmunität zustünde. Mit anderen Worten könnte es zum Zwecke des umfassenden Schutzes der Prozessimmunität geboten sein, dem Drittschuldner wegen der belastenden Rechtsfolgen des § 840 Abs. 2 S. 1 ZPO zumindest in denjenigen Fällen im Pfändungsverfahren nach §§ 828 ff. ZPO Immunität zu gewähren, in denen ihm im Falle der Geltendmachung der gepfändeten Forderung im Wege der Einziehungsklage Prozessimmunität zusteht. Dies ist indes nicht der Fall, weil der fremde Staat durch die Verpflichtung aus § 840 Abs. 1 ZPO nicht nennenswert in seiner Prozessimmunität beeinträchtigt werden kann. Steht dem Drittschuldner nämlich im Einziehungsprozess Prozessimmunität zu und ist er auch schon im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses willens, dies geltend zu machen und keineswegs auf seine Immunität zu verzichten, dann fällt zwar diese Information durchaus unter § 840 Abs. Nr. 1 ZPO, so dass dem Vollstreckungsgläubiger, der auf das Schweigen des fremden Staates hin gutgläubig Einziehungsklage erhebt, ein Schadensersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO auf Ersatz der infolge der Nichterteilung der Auskunft entstandenen Kosten der Einziehungsklage zustünde. Jedoch ist der Drittschuldner vor der Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruches durch den Vollstreckungsgläubiger dadurch geschützt, dass er als Annex zur Prozessimmunität bezüglich des gepfändeten Anspruchs auch im auf Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO gerichteten Verfahren Prozessimmunität genießt. Dem im Einziehungsprozess immunen Drittschuldner entsteht somit kein Nachteil aus der mit dem Pfändungsakt einhergehenden Verpflichtung zur Auskunftserteilung gemäß § 840 Abs. 1 ZPO. Steht dem Drittschuldner dagegen hinsichtlich des gepfändeten Anspruches keine Prozessimmunität für die Einziehungsklage zu, so besteht auch von vorneherein keine Gefahr der Beeinträchtigung des Immunitätsschutzes des Drittschuldners durch die Verpflichtung zur Erteilung der Drittschuldnerauskunft. Da die Schadensersatzbewehrung der Nichterfüllung der Auskunftspflicht aus § 840 Abs. 1 ZPO sich mithin im Ergebnis405 nur zu Lasten des Dritt405 Auch der sicher sehr seltene Fall, dass der Vollstreckungsgläubiger zugleich Schuldner des Drittschuldners wäre und sich daher durch Aufrechnung wegen seines Schadensersatzanspruchs aus § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO befriedigen könnte, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Es ginge zwar zu weit, hier den fremden Staat durch ein – etwa auf Art. 25 GG gestütztes – Aufrechnungsverbot zu schützen. Jedoch ist eine derartig geringfügige Belastung dem im Einziehungsprozess immunen Drittschuldner zuzumuten, da er sie ohne weiteres durch die Abgabe der formlosen Erklärung, er werde nicht auf die gepfändete Forderung zahlen und sich im Einziehungsprozess auf seine Prozessimmunität berufen, abwenden kann.
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schuldners auswirken kann, wenn ihm für die Einziehungsklage ohnehin keine Prozessimmunität zustünde, ist nicht ersichtlich, dass der sie begründende Pfändungsakt aus diesem Grunde die eventuelle Immunität des Drittschuldners beeinträchtigen könnte. Gewichtiger als die soeben angeführten gegen die Lehre von der Drittschuldnerimmunität sprechenden Argumente, ist jedoch der Einwand, dass diese Lehre nicht mit dem im Rahmen der teleologischen Auslegung der Immunitätsnormen zu beachtenden Konzept der funktionell begründeten Immunität ratione materiae vereinbar ist. Danach wird Immunität nur zum Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Kernaufgaben gewährt. Für die Erfüllung der Kernaufgaben, bei deren Wahrnehmung der Drittschuldner eventuell die zu pfändende Forderung des Vollstreckungsschuldners begründet haben mag, ist die Pfändung nämlich ohne Belang. Ob der Staat den Kaufpreis für die in Deutschland beschafften Kriegswaffen an seinen Verkäufer oder an dessen Vollstreckungsgläubiger zahlt, ist ohne Auswirkung auf die von ihm mit dem Kauf erfüllte staatliche Kernaufgabe „Unterhaltung der Streitkräfte“. Eine vom Drittschuldner gesetzte Zweckbestimmung im Hinblick auf die gepfändete Forderung, die für ihn lediglich eine zu erfüllende Schuld beinhaltet, ist schlicht undenkbar. Daher kann einem Staat (oder einem sonstigen potentiellen Träger des Immunitätsanspruchs) als Drittschuldner in Anwendung der Lehre von der funktionell begründeten Immunität denknotwendig nie Immunität zukommen, weil der allein gegen den Vollstreckungsschuldner gerichtete Beschlagnahmezugriff seine Funktionsfähigkeit in einem hoheitlichen Kernbereich nicht einmal abstrakt beeinträchtigt. Für diesen Schutzzweck ist es nämlich ohne weiteres ausreichend, dass ihm bezüglich der gepfändeten Forderung – ebenso wie vor der Pfändung auch gegenüber dem Vollstreckungsschuldner – sowohl im Rahmen der etwaigen Einziehungsklage des Drittschuldners Prozessimmunität als auch in einem eventuell sich anschließenden Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung der gepfändeten Forderung Vollstreckungsimmunität zustehen kann406. 3. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den dargestellten Problemen der Vollstreckungsimmunität für die Praxis
a) Bei der Beratung von Mandanten, die Verträge mit fremden Staaten abschließen wollen, sollte die kautelarjuristische Praxis bei in den Vertrag integrierten Immunitätsverzichten im Hinblick auf die strikte Trennung von Prozess- und Vollstreckungsimmunität, die strengen Anforderungen an die Unzweideutigkeit des geäußerten Verzichtswillens sowie die Immunitätsab406
R. Geimer, IZPR, Rdnr. 504.
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kommen, die einen ausdrücklichen Verzicht verlangen, auf die Abgabe ausdrücklicher Verzichtserklärungen bezüglich der Prozess- und der Vollstreckungsimmunität drängen. Alternativ sollte die Vorleistung des fremden Staates oder die Gestellung einer verwertbaren Sicherheit angeregt werden. Lässt sich der fremde Staat auf beides nicht ein, ist der Mandant sorgfältig über das Risiko aufzuklären, dass er im Streitfall womöglich sein Recht vor den Gerichten und Vollstreckungsorganen des fremden Staates wird suchen müssen. Selbst wenn man bei der Prüfung der Rechtslage zu dem Ergebnis kommen sollte, dass dem Staat im Hinblick auf das in Aussicht genommene Geschäft voraussichtlich keine Prozessimmunität und im Hinblick auf bestimmte in Deutschland belegene Vermögenswerte voraussichtlich keine Vollstreckungsimmunität zustehen wird, ist die Vereinbarung eines solchen ausdrücklichen Immunitätsverzichts – falls verhandelbar – sicherheitshalber anzuraten. Denn dies schafft nicht zur Rechtssicherheit und vermeidet etwaige langwierige Auseinandersetzungen über das Vorliegen der Immunitätsvoraussetzungen, sondern schützt auch umfassend vor nach Vertragsschluss eintretenden Änderungen der Sachlage, auf Grund deren der fremde Staat (z. B. durch eine „Umwidmung“ in Deutschland gehaltener Bankkonten) Immunität beanspruchen kann. Besonders aufmerksam gilt es bei der Schaffung der Vollstreckungstitel „Prozessvergleich“ (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und „notarielle bzw. gerichtliche vollstreckbare Urkunde“ (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) zu sein, die – auch wenn sie einen objektbezogen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung (vgl. z. B. § 1147 BGB) titulieren – lediglich einen konkludenten Verzicht auf die Prozess-, nicht aber auf die Vollstreckungsimmunität beinhalten. Auch bei diesen Titeln, die bei unbefangener Betrachtung auch einen konkludent erklärten Verzicht auf Vollstreckungsimmunität beinhalten könnten, empfiehlt es sich also besonders auf einem ausdrücklichen Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität zu bestehen. b) Bei der Beratung von Mandanten, die bereits einen vollstreckbaren Titel über eine Geldforderung gegen einen fremden Staat in Händen haben und aus diesem in in Deutschland belegene Vermögenswerte des fremden Staates vollstrecken wollen, ist im Hinblick auf das avisierte Vollstreckungsobjekt anhand der dazu verschaffbaren Informationen zu prüfen, ob dieser Vermögensgegenstand im Zeitpunkt des Vollstreckungszugriffs kraft formfreier, auf den Staatswillen rückführbarer Widmung unmittelbar zur Erfüllung einer hoheitlichen Kernaufgabe (insbesondere: auswärtige Gewalt einschließlich des diplomatischen/konsularischen Verkehrs, Verteidigung, Gesetzgebung, Polizei, Rechtspflege, Währungspolitik) zu dienen bestimmt ist. Soll der Vermögenswert dagegen erst nach der Zwischenschaltung des Willensentschlusses einer anderen Behörde (z. B. nach Überweisung an den allgemeinen Staatshaushalt), also mittelbar, einer solchen hoheitlichen Kernaufgabe dienen, so kommt Vollstreckungsimmunität nicht in Betracht.
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Dabei ist zu bedenken, dass die ratione materiae gewährte Vollstreckungsimmunität auch einer anderen juristischen oder natürlichen Person als dem fremden Staat selbst zustehen kann, wenn die von dieser Person über den Vermögenswert getroffene Zweckbestimmung dem fremden Staat in der Weise zugerechnet werden kann, dass sie kraft Übertragung der konkreten kernhoheitlichen Aufgabe auf den Vollstreckungsschuldner durch oder auf Grund Gesetzes auf den Willen des zuständigen Staatsorgans zurückgeführt werden kann. Schließlich ist bei der Einstufung der Zweckbestimmung zu bedenken, dass es nur darauf ankommt, dass das mit dem Vermögenswert abzuwickelnde Rechtsgeschäft den Zweck unmittelbar fördert. Dass die Förderung mit den Mitteln eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts erfolgt, ist dagegen für die immunitätsrechtliche Betrachtung ebenso belanglos wie die Überlegung, dass das konkret mit den Mitteln abzuwickelnde Rechtsgeschäft (z. B. Kaufvertrag über Proviant fürs Militär, Arbeitsvertrag mit Botschaftsangestellten) von jedermann vorgenommen werden könnte, also kein spezifischer Ausdruck der Hoheitlichkeit des verfolgten Zwecks ist. Ist dagegen der Drittschuldner ein fremder Staat bzw. die Behörde eines fremden Staates, so ist außerhalb spezieller völkervertraglicher Regeln wie z. B. Art. 35 (b) NTS-ZA, davon auszugehen, dass es keine Drittschuldnerimmunität gibt, die dem Erlass eines Pfändungsbeschlusses bzw. dessen Zustellung an den Drittschuldner entgegenstünde. Allerdings sollte angesichts einer verbreiteten gegenteiligen Rechtsauffassung bereits in dem Pfändungsgesuch ausführlich zur Rechtslage vorgetragen werden, um das Vollstreckungsgericht von der hier vertretenen Position zu überzeugen. Außerdem ist bereits mit Blick auf eine eventuell sich anschließende Einziehungsklage und eventuelle Vollstreckungsmaßnahmen gegen diesen Drittschuldner zu prüfen, ob sich Kosten und Mühe einer solchen Forderungspfändung lohnen, weil dem Drittschuldner möglicherweise in diesen Verfahren Prozessbzw. Vollstreckungsimmunität zusteht. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte, ist nicht zwingend von einer Pfändung abzusehen, da der fremde Staat möglicherweise bereit ist, auf die Immunität zu verzichten. Dies sollte allerdings zur bestmöglichen Wahrung der Mandanteninteressen vor der Ausbringung des Pfändungsgesuchs geklärt werden, falls nicht die konkrete Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung auf Grund der Warnung des Vollstreckungsschuldners durch den Drittschuldner besteht. c) Schließlich ist aus Sicht des Vollstreckungsgerichtes bei potentiell immunen Vollstreckungsschuldnern zu bedenken, dass die deutsche Gerichtsbarkeit auch im Vollstreckungsverfahren in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Ergibt sich dabei bereits aus dem Pfändungsgesuch des Vollstreckungsgläubigers selbst, dass dem Antragsgegner im Hinblick auf das avisierte Vollstreckungsobjekt Vollstreckungsimmunität zusteht, so ist bei dem Vollstreckungsschuldner formlos anzufragen, ob er be-
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reit wäre, im Falle des Erlasses eines Pfändungsbeschlusses auf seine Vollstreckungsimmunität zu verzichten. Ist das nicht der Fall, so ist das Pfändungsgesuch zurückzuweisen. Ist dagegen im Hinblick auf das „einseitige“ Pfändungsgesuch unklar, ob dem potentiell immunen Vollstreckungsschuldner Vollstreckungsimmunität zukommt, so ist im Wege einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung zur Wahrung des § 834 ZPO ein vorläufiger Pfändungsbeschluss zu erlassen, der die Rechte des Vollstreckungsgläubigers wahrt, und dem Vollstreckungsschuldner zur Vermeidung eines krass völkerrechtswidrigen Vollstreckungsaktes Gelegenheit zur Darlegung und Glaubhaftmachung eventuell Vollstreckungsimmunität begründender Tatsachen zu geben. Gelingt dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Vollstreckungsschuldner (Ausnahme: Umkehr der Darlegungs- und Beweislast in speziellen völkerrechtlichen Verträgen wie z. B. in Art. 23, 26 EuÜbk.SI) die Glaubhaftmachung einer solchen Tatsache, so ist das Pfändungsgesuch wiederum zurückzuweisen und der vorläufige Pfändungsbeschluss durch einen deklaratorischen Aufhebungsbeschluss aufzuheben. Vermag der Antragsgegner dagegen keine Vollstreckungsimmunität begründende Tatsachen darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, so ist ein Beschluss zu erlassen, der rückwirkend den vorläufigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in einen endgültigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss umwandelt. Diese aus Gründen der Rangwahrung (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO) wichtige Umwandlung des vorläufigen Pfändungsaktes in einen endgültigen Pfändungsakt ist im Tenor mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen (Formulierungsvorschlag: „Die Rechtsfolgen dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses treten infolge des nunmehr bestätigten vorläufigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom (Datum des Erlasses vorläufigen Beschlusses nebst Aktenzeichen) bereits mit Wirkung ab dem (Datum der Zustellung des vorläufigen Beschlusses an den Drittschuldner) ein“). Schließlich ist zu beachten, dass das völkerrechtliche Interventionsverbot, das speziell im Vollstreckungsverfahren sehr weit auszulegen ist, zu einer Absenkung der Substantiierungslast hinsichtlich des konkreten Inhaltes der mit dem avisierten Vermögenswert angepeilten Rechtsgeschäfte zur Erfüllung einer kernhoheitlichen Aufgabe und des Beweismaßes vom Vollbeweis zur Glaubhaftmachung führt. Lässt sich der Vollstreckungsschuldner nach Erlass eines vorläufigen Pfändungsbeschlusses oder im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren dergestalt zur Hauptsache ein, dass er, ohne die Vollstreckungsimmunität ausdrücklich oder konkludent anzuführen, sich etwa mit der Begründung, die titulierte Forderung sei bereits erfüllt oder beim Erlass des Pfändungsbeschlusses sei gegen sonstige Verfahrensvoraussetzungen verstoßen worden, gegen die Zulässigkeit des Pfändungsbeschlusses aus irgendeinem anderen Rechtsgrund wendet, so ist dies analog § 39 ZPO als konkludenter Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität zu werten.
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II. Begrenzung der deutschen Vollstreckungsgewalt durch das Territorialitätsprinzip Wie bereits ausgeführt kann die deutsche Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren nicht nur aus Gründen der Immunität, sondern auch im Hinblick auf die Gebietshoheit anderer Staaten („Territorialitätsprinzip“) beschränkt sein. Als völkerrechtlicher Geltungsgrund dieser Beschränkungen der deutschen Vollstreckungsgewalt kommen wiederum das Völkervertragsrecht (dazu unten 1.): „Völkervertragliche Beschränkungen der Vollstreckungsgewalt mit Rücksicht auf das Territorialitätsprinzip“ und das Völkergewohnheitsrecht (dazu unten 2.): „Völkergewohnheitsrechtliche Beschränkung der deutschen Vollstreckungsgewalt durch das Territorialitätsprinzip“) in Betracht. 1. Völkervertragliche Beschränkungen der deutschen Vollstreckungsgewalt mit Rücksicht auf das Territorialitätsprinzip
Beschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit und mithin auch der Vollstreckungsgewalt können sich aus transformierten völkerrechtlichen Verträgen ergeben. Im Hinblick auf die Immunität haben wir hierfür schon einige Beispiele kennen gelernt. Bezogen auf das Territorialprinzip werden diese Beschränkungen in den völkerrechtlichen Verträgen meist nicht ausdrücklich angeordnet, sondern ergeben sich – mittelbar – daraus, dass die Vertragsstaaten Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit treffen. Ist im Anwendungsbereich einer solchen Vereinbarung nämlich in einem Vertragsstaat für einen bestimmten Streitgegenstand kein Gerichtsstand begründet, so darf der Vertragsstaat seine Gerichte für diesen Streitgegenstand nicht durch sein autonomes Zivilfahrensrecht für international zuständig erklären. Ebenso wenig dürfen die Gerichte gegenüber dem spezielleren Zustimmungsgesetz zum völkerrechtlichen Vertrag auf das allgemeinere autonome Verfahrensrecht des Gerichtsstaates zurückgreifen, wenn sich aus diesem im Gegensatz zum völkerrechtlichen Übereinkommen eine internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaates ergibt. Nachdem das EuGVÜ weitgehend durch die EG-Verordnung Nr. 44/2001 (sogen. Brüssel I-Verordnung) abgelöst worden ist407, ist Paradebeispiel für ein solches die deutsche Gerichtsbarkeit indirekt durch die Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit beschränkendes Übereinkommen das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zustän407 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (ABl. EG L 12/1-23). Siehe dazu: R. Geimer, IPRax 2002, 69 ff.
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digkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (LGVÜ)408. Dieses Übereinkommen erfasst aber nach allgemeiner Ansicht ebenso wenig wie die sonstigen von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Gerichtsstands-, Anerkennungsund Vollstreckungsübereinkommen die internationale Forderungs- und Rechtspfändung409. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vereinbarungen, der sich eindeutig auf das Erkenntnisverfahren bezieht, sondern auch aus deren Sinnzusammenhang, der gerade auf die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Vollstreckung der von einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung abzielt410. Auch die das EuGVÜ ablösende Brüssel IVerordnung enthält keine Regelungen über die internationale Rechts- und Forderungspfändung411, so dass es bezogen auf den Europäischen Rechtsraum weiterhin an einer einheitlichen Zuständigkeitsordnung für Zwangsvollstreckungssachen fehlt412. 2. Völkergewohnheitsrechtliche Beschränkung der deutschen Vollstreckungsgewalt durch das Territorialitätsprinzip
a) Dogmatische Grundlagen und historische Entwicklung Mit der Entstehung des modernen (Flächen-)Staates, der mit der Ablösung des Feudalismus durch absolutistische Herrschaftsformen einherging, wuchs die Überzeugung, dass die Herrschaftsgewalt des Landesherrn mit dem Herrschaftsgebiet verknüpft sei: Die Staatsgewalt wird demnach durch das Staatsgebiet begründet und zugleich beschränkt; sie endet an den Grenzen des Herrschaftsgebietes, ist aber innerhalb desselben absolut und exklusiv413. Hieraus entwickelte sich die Lehre vom strengen Territorialitätsprinzip, wonach die im Territorium gegenüber dem Herrschaftsanspruch fremder Staaten exklusive Staatsgewalt des Gebietsstaates nur innerhalb des Staatsgebietes gilt und keinen über das Staatsgebiet hinausgehenden 408
BGBl. 1994 II, 2660, in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.03.1995 in Kraft (BGBl. 1995 II, 221). 409 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 24; Gottwald, IPRax 1991, 285, 288, Fußn. 44; Hök, JurBüro 2001, 179, 181. 410 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 24 f. 411 R. Geimer, IPRax 2002, 69, 73; vgl. auch Heß, JZ 2001, 573, 579, der auf Grund rechtsvergleichender Untersuchungen der europäischen Vollstreckungsrechte, die große Unterschiede zu Tage gefördert haben, europarechtliche Harmonisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet der internationalen Forderungspfändung für in absehbarer Zeit kaum praktikabel hält. 412 Hök, JurBüro 2001, 179, 181; Heß, JZ 2001, 573, 579. 413 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 67 ff.
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Geltungsanspruch erheben darf414. Am besten lässt sich der Inhalt des strengen Territorialitätsprinzips mit den Begriffen „Geltungsbereich“ und „Regelungsbereich“ staatlicher Hoheitsakte erfassen. Dabei ist mit Geltungsbereich das Gebiet gemeint, innerhalb dessen der Staat sein Recht durch Hoheitsakte durchsetzen und erzwingen kann, während unter Regelungsbereich das Gebiet zu verstehen ist, auf dem die Sachverhalte, Personen, Rechtsverhältnisse etc. belegen sind, auf die sich der Hoheitsakt bezieht oder auf dem die mit dem Hoheitsakt intendierten Rechtsfolgen eintreten sollen415. Der Regelungsbereich umfasst demnach zum einen den territorialen Bezug des von einem Hoheitsakt erfassten Sachverhalts (Inlands-/Auslandsanknüpfung) und zum anderen die intendierte territoriale Reichweite der Rechtsfolgen eines Hoheitsaktes (Inlands-/Auslandsregelung)416. Im englischen Sprachraum unterscheidet man inhaltlich sehr ähnlich mit Hilfe der beiden auch im deutschen Schrifttum zum internationalen Zivilprozessrecht häufig angeführten Begriffe „enforcement jurisdiction“ (Geltungsbereich) und „prescriptive jurisdiction“ (Regelungsbereich)417. Aus dem strengen Territorialitätsprinzip folgt für den Gel414 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 69 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 32 f.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 365 f. 415 Insgesamt herrscht bei der Verwendung dieser Begriffe ein fruchtloses Durcheinander. Die hier verwendete Begrifflichkeit ist angelehnt an Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 10 ff. m. w. N. Zur Umschreibung des gleichen Phänomens werden in der Literatur auch andere Begriffspaare verwendet. So verwenden z. B. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 15 und Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 366 das Begriffspaar „Geltungsbereich“ und „Anwendungsbereich“, wobei der Begriff Anwendungsbereich synonym zu dem hier verwendeten Begriff Regelungsbereich zu verstehen ist. Mit Meng ist indes der Begriff Regelungsbereich dem Begriff Anwendungsbereich vorzuziehen, da das Wort „Regelung“ klarer als das Wort „Anwendung“ ausdrückt, dass es hierbei nicht um Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung geht. Demgegenüber verwendet Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 9 das Begriffspaar „Geltungsbereich“ und „Anwendungsbereich“ im genau umgekehrten Sinne, was von Meessen a. a. O. mit Recht abgelehnt wird, da in dem Begriff „Geltung“ das Element der Erzwingbarkeit mitenthalten ist. Schließlich verwendet Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 248 f., das Begriffspaar „territorialer (räumlicher)“ und „sachverhaltsbezogener Geltungs- und Anwendungsbereich“, das zwar ebenfalls anschaulich ist, sich aber in der Diskussion um extraterritoriale Rechtsanwendung nicht hat durchsetzen können und auch gegenüber der hier vertretenen Terminologie den Nachteil hat, dass das dem Begriff der Geltung innewohnende Zwangselement bei diesem Begriffspaar nicht zum Ausdruck kommt. 416 Die Begrifflichkeit ist angelehnt an: Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 74 f. 417 Brownlie, Principles of Public International Law, Chapter XV 1, S. 301. Neben diesem Begriffspaar werden in Anlehnung an die amerikanischen Restatements (Second and Third) on Foreign Relations Law gerne die Begriffe „jurisdiction to enforce“, „jurisdiction to prescribe“ und „jurisdiction to adjudicate“ verwendet, von denen die ersteren beiden sich ebenfalls mit den Begriffen Geltungs- und Rege-
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tungsbereich der Akte der Staatsgewalt, dass er strikt auf das Staatsgebiet beschränkt ist, während für den Regelungsbereich gilt, dass er auf Inlandssachverhalte und das Bewirken von Rechtsfolgen im Inland beschränkt ist, es sei denn das Personalitätsprinzip erlaubt ausnahmsweise die Erstreckung auf einen Auslandssachverhalt mit engem Bezug zu einem Staatsangehörigen. Bezogen auf die Gerichtsbarkeit bedeutet dies, dass der Staat Gerichtsbarkeit nur über die sich in seinem Gebiet aufhaltenden Personen und belegenen Vermögensgegenstände ausüben darf, mit der sich aus dem Personalitätsprinzip ergebenden Ausnahme, dass sich die Gerichtsbarkeit auch auf im Ausland befindliche Staatsangehörige erstrecken darf418. Wollte man die Lehre vom strengen Territorialitätsprinzip auf die Rechtsund Forderungspfändung übertragen, so wäre nach dieser Lehre die Gerichtsbarkeit für dieses Vollstreckungsverfahren nur eröffnet, wenn sich Vollstreckungs- und Drittschuldner, es sei denn es handelte sich um Staatsangehörige, im Gerichtsstaat aufhielten oder wenn das gepfändete Recht als im Gerichtsstaat belegen qualifiziert werden könnte. Die, seinerzeit insbesondere im angloamerikanischen Raum hoch geschätzte419, Lehre vom strengen Territorialitätsprinzip beherrschte die Staatenpraxis bis ins 19. Jahrhundert hinein420. Ähnlich wie bei der Lehre von der absoluten Staatenimmunität ist indes umstritten, ob sie jemals in der Staatenpraxis so weit verbreitet war, dass sie sich zu einem Satz des Völkergewohnheitsrechts verfestigen konnte421. Auf Grund des bereits mehrfach angesprochenen lungsbereich decken, während der speziell auf die Gerichtsbarkeit zugeschnittene Begriff der „jurisdiction to adjudicate“ Elemente beider Begriffe enthält, insgesamt aber der „jurisdiction to prescribe“ näher steht: vgl. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 6–10. Restatements werden vom American Law Institute herausgegeben und von dessen Mitgliedern, die einer großen Bandbreite juristischer Berufe angehören, auf Grund intensiver Vorarbeiten beschlossen. Sie stellen kein offizielles Dokument der USA dar und geben mithin auch nicht die Auffassung der Regierung wieder (Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 2 Fußn. 10). 418 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 70. 419 Im angloamerikanischen Rechtskreis wurde sie durch Joseph Story (Commentaries on the conflicts of law (1834)), der die im kontinentaleuropäischen Rechtsraum entstandene Lehre übernahm und ausbaute, populär gemacht: vgl. Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 11; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 70 f. m. w. N. Neuere Tendenzen in der US-amerikanischen Rechtsprechung, wonach amerikanische Gesetze im Zweifel keinen extraterritorialen Regelungsbereich haben sollen, werden nicht mit der fehlenden Kompetenz der Vereinigten Staaten zur Schaffung extraterritorialer Regelungen kraft Völkerrechts begründet und stellen daher keine erneute Hinwendung zur völkerrechtlichen Lehre vom strengen Territorialitätsprinzip dar. Vgl. dazu: Born/Hausmaninger, IPRax 1992, 192 ff. 420 Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 11. 421 So trotz Zweifeln: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 71; vgl. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 36 Fußn. 171 m. w. N. und Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 28 f., Fußn. 9, der darauf hinweist, dass es in der Wirt-
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weltweit zu beobachtenden Trends hin zu einer Liberalisierung des Souveränitätsverständnisses der Staaten vollzog sich im Laufe des 19. Jahrhunderts über alle Rechtsgebiete hinweg – sozusagen „in einem Schwung“422 – eine Abkehr vom strengen Territorialitätsgrundsatz423. Ursache für diese mit der Abkehr von der absoluten Staatenimmunität vergleichbare Entwicklung war die rasante Zunahme der internationalen Verflechtung der nationalen Volkswirtschaften, die sich unter anderem in der zunehmenden Öffnung der nationalen Märkte, der daraus resultierenden Zunahme des grenzüberschreitenden Waren- und Kapitalverkehrs und der Entstehung multinationaler Unternehmen niederschlug. Diese Entwicklung schuf ein zunehmendes gesetzgeberisches Bedürfnis mittels wirtschaftsrechtlicher Normen, insbesondere des Wettbewerbs- und Kartellrechts, auch auf Sachverhalte mit Auslandsbezug einzuwirken424. Spätestens seit der – infolge der Nachwirkungen des strengen Territorialitätsprinzips äußerst knapp ergangenen – „Lotus-Entscheidung“ des StIGH vom 07.09.1927, die im Kern den Staaten eine nur durch völkergewohnheitsrechtliche Verbotsnormen beschränkte Freiheit zur Rechtssetzung, -anwendung und -durchsetzung in Fällen mit Auslandsberührung zusprach, ist das strenge Territorialitätsprinzip jedenfalls unstrittig keine Regel des Völkergewohnheitsrechts mehr425. Als Völkergewohnheitsrecht begründender kleinster gemeinsamer Nenner der Staatenpraxis und der Lehrmeinungen im völkerrechtlichen Schrifttum hat sich heute ein großzügiges Verständnis des Territorialitätsprinzips durchgesetzt, das man, wenn man ihm einen Namen geben wollte, als „abgeschwächtes Territorialitätsprinzip“ bezeichnen könnte. Gemeint ist damit, dass ausgehend von der „Lotus-Enscheidung“ des StIGH, die zwar unmittelbar nur die Strafgewalt des Staates betraf, deren Aussagen aber allgemeiner gehalten waren und auch als allgemein gültig verstanden werden426, die Ausübung von Staatsgewalt (Hoheitsakte der Legislative, Exekutive und der Judikative) nicht durch das Territorium auf reine Inlandssachverhalte beschränkt wird, sondern auch darüber hinaus greifen darf, sofern der extraterschaftsgeschichte eine Fülle von Beispielen für extraterritoriale Rechtsanwendung der Staaten gebe, die eigentlich mit der Lehre vom strengen Territorialitätsprinzip unvereinbar wären, und als Beispiele dafür die mittelalterlichen Handelsmonopole, das merkantilistische Wirtschaftssystem und die Regelung der Schifffahrt durch die Navigationsakte und die Schutzzollgesetzgebung des 19. Jahrhunderts anführt. 422 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 74. 423 Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 11 ff.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 73 ff.; Born/Hausmaninger, IPRax 1992, 192, 194. 424 Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 29; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, 17; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 74 f. 425 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 75. 426 Besonders deutlich insoweit: Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 60.
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ritorialen Ausübung der Staatsgewalt kein völkergewohnheitsrechtlicher Verbotssatz entgegensteht427. Umstritten ist insoweit nur, ob das völkergewohnheitsrechtlich geltende abgeschwächte Territorialitätsprinzip auf einer völkergewohnheitsrechtlich begründeten Vermutung für die Freiheit der Staaten, in Fällen mit Auslandsbezug hoheitlich handeln zu dürfen, die nur durch völkergewohnheitsrechtliche Verbotssätze ausnahmsweise beschränkt wird428, beruht (so der StIGH und auch die heute h. M.) (Motto: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“429). Die Kritiker dieses negativen Freiheitssatzes430 stellen diesem Konzept überwiegend eine vom Völkergewohnheitsrecht verliehene positive Gewährung staatlicher Handlungsfreiheit gegenüber, die ihre Grenzen in Verbotssätzen des Völkergewohnheitsrechts finde431. Obgleich viel für den negativen Freiheitssatz spricht, braucht dieser rein akademische völkerrechtliche Streit nicht entschieden zu werden. Er verstellt nämlich unnötigerweise den Blick darauf, dass in der Sache selbst, nämlich hinsichtlich des Inhaltes der völkergewohnheitsrechtlichen Regel vom abgeschwächten Territorialitätsprinzip ganz überwiegende Einigkeit besteht432: Die Staaten sind grundsätzlich berechtigt, Auslandssachverhalte zu regeln und Rechtsfolgenanordnungen in Bezug auf fremdes Territorium zu treffen, sofern diesem extraterritorialen Staatshandeln keine völkergewohnheitsrechtliche Schranke entgegensteht. Der Unterschied zwischen der Lehre vom strengen Territorialitätsprinzip und der nunmehr geltenden Lehre vom abgeschwächten Territorialitätsprinzip wird am deutlichsten, wenn man sich deren Inhalt wiederum mit den oben definierten Begriffen Geltungsbereich und Regelungsbereich von Akten der Staatsgewalt klar macht. Dann wird nämlich klar, dass der Geltungsbereich der Staatsgewalt bei beiden Lehren identisch ist: Er ist strikt auf das Staatsgebiet begrenzt. Hieraus resultiert denn auch das völkergewohnheitsrechtliche Verbot der Setzung von Hoheitsakten auf fremdem Territorium433. Demgegenüber weicht der Regelungsbereich von Akten der Staatsgewalt bei beiden Lehren voneinander ab: Während er beim strengen Territorialitätsprinzip strikt auf Inlandssach427 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 71 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 458 f.; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 18 f.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 53 f. 428 So etwa Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 369; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 54 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 53. 429 Kritisch hierzu: Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 79. 430 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 487 m. w. N.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 79; Mosler, ZaöRV 36 (1976), 6, 40 f. 431 Vgl. Meng, Extraterritorialle Jurisdiktion, S. 486 ff. m. w. N., der seinerseits eine differenzierte Position vertritt. 432 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 488; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 18 f.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 60 und S. 250. 433 Messen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 15.
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verhalte (Inlandsanknüpfung) und das Setzen von Rechtsfolgen mit Bezug zum Inland (Inlandsregelung) beschränkt ist, soweit nicht ausnahmsweise das Personalitätsprinzip auch eine Auslandsanknüpfung oder -regelung zulässt, ist er nach dem abgeschwächten Territorialitätsprinzip frei, auch Auslandssachverhalte zu erfassen (Auslandsanknüpfung) und Rechtsfolgen mit Bezug auf das Ausland zu setzen (Auslandsregelung), sofern und soweit ihm dies das Völkergewohnheitsrecht nicht ausnahmsweise verbietet434. Nimmt ein Staat dieses Recht der Einbeziehung von Auslandssachverhalten in den Regelungsbereich eines seiner Hoheitsakte oder das Recht zur Setzung von Rechtsfolgen mit Bezug auf das Ausland in Anspruch435, so spricht man von „extraterritorialer Rechtsanwendung“436, „extraterritorialen Hoheitsakten“437 oder „extraterritorialer Jurisdiktion“438, 439. Nachfolgend wird einheitlich der Begriff „extraterritoriale Jurisdiktion“ verwendet, da er sich – stark beeinflusst durch den Sprachgebrauch im angloamerikanischen Rechtskreis – international durchgesetzt hat und weil er alle drei Staatsgewalten erfasst440, die allesamt extraterritorial handeln können. 434 Besonders deutlich: Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 369, der davon spricht, dass der Anwendungsbereich der Akte der Staatsgewalt durch diese Lehre „vom Territorialitätsprinzip losgelöst wird“. 435 Demgegenüber definiert Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 27 f., extraterritoriale Rechtsanwendung in seiner 1964 abgeschlossenen Dissertation gegenüber den heute vorherrschenden Definitionen enger, indem er darauf abstellt, dass ein Sachverhalt eine „wesentliche“ bzw. „erhebliche“ Auslandsbeziehung aufweist. Dies ist indes mit der heute ganz h. M. abzulehnen, da die unbestimmten Merkmale „wesentlich“ bzw. „erheblich“ den Rechtsanwender bei weiter Auslegung dazu verführen können, Sachverhalte als völkerrechtlich unproblematisch einzustufen, die auch nach der heute geltenden Lehre vom abgeschwächten Territorialitätsprinzip einer eingehenden Untersuchung auf ihre völkerrechtliche Relevanz bedürfen. 436 Vgl. statt vieler: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 72. 437 So z. B. Mühlhausen, WM 1986, 985, 988. Dieser Begriff ist indes missverständlich, da er den Eindruck erweckt, es ginge darum, dass ein Staat legitimerweise auf dem Territorium eines anderen Staates einen Hoheitsakt setzt. Das ist den Staaten aber gerade völkergewohnheitsrechtlich verboten und ist – wie oben ausgeführt – mit diesem Begriff auch nicht gemeint. Daher wird künftig in dieser Arbeit im fraglichen Zusammenhang nur noch der Begriff „extraterritoriale Rechtsanwendung“ verwendet. 438 So auch für den deutschen Sprachraum: Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 73 ff., der zugleich deutlich macht, dass mit extraterritorialer Jurisdiktion im hier verstandenen Sinne nur hoheitliches Handeln mit Auslandsbezug, nicht aber die Vornahme von Hoheitsakten im Ausland gemeint ist. 439 Schließlich ist bei all diesen Begriffen dem Adjektiv „extraterritorial“ gegenüber dem ebenfalls in diesem Zusammenhang vereinzelt gebrauchten Adjektiv „exterritorial“ der Vorzug zu geben, weil mit dem Wörtchen „exterritorial“ wegen seiner Verwendung im Rahmen der Immunitätsdiskussion der Sinngehalt „Befreiung von der Gerichtsbarkeit“ zugemessen wird. So mit Recht: Leipold, Grundfragen, S. 9 Fußn. 1.
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b) Völkergewohnheitsrechtliche Schranken extraterritorialer Vollstreckung Auf der Grundlage des abgeschwächten Territorialitätsgrundsatzes rücken demnach bei der Untersuchung der völkergewohnheitsrechtlichen Grenzen der Vollstreckungsgewalt die völkerrechtlichen Verbotsnormen, die die extraterritoriale Jurisdiktion untersagen, in den Mittelpunkt der Betrachtung. Daher stellt sich die Frage, welche völkerrechtlichen Verbotsnormen als Schranken für die extraterritoriale Vollstreckungsgerichtsbarkeit in Betracht kommen. aa) Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet Eine gewichtige Schranke extraterritorialer Gerichtsbarkeit, die insbesondere für das Vollstreckungsverfahren von großer Bedeutung ist, ist das völkergewohnheitsrechtlich anerkannte und aus dem (abgeschwächten) Territorialitätsgrundsatz ableitbare Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet441. bb) Das genuine-link-Erfordernis Als eine weitere gewichtige Schranke kommt das als kleinster gemeinsamer Nenner aus den Jurisdiktionslehren442 herausdestillierte und inzwischen völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbot extraterritorialer Jurisdiktion ohne Bestehen eines „genuine-link“443 („sinnvoller Anknüpfungspunkt“444) zwischen Staatsakt und geregeltem Sachverhalt445 in Betracht446. Dieser 440 Brownlie, Principles of Public International Law, Chapter XV 1, S. 301: „Jurisdiction is an aspect of sovereignty and refers to judicial, legislative and administrative competence“. Siehe ferner Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 1–6, der auch zutreffend darauf hinweist, dass dies mit dem deutschen Sprachgebrauch, in dem Jurisdiktion auch gelegentlich mit Gerichtsbarkeit gleichgesetzt wird, vereinbar ist und dass in der deutschen Sprache auch kein anderer prägnanter Begriff ersichtlich ist, der das Problem erfasst. Vgl. als Beleg hierfür beispielsweise Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 305 f., der in seiner 1965 veröffentlichten Dissertation bereits zwischen „gerichtlicher“ und „behördlicher Jurisdiktion“ unterscheidet. 441 Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 2 f.; Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 283, der dies indes irrigerweise für die einzig beachtliche völkerrechtliche Jurisdiktionsgrenze hält; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 336 f.; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 33; Leipold, Grundfragen, S. 40; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 59 f. und S. 116 ff.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 78 ff; Brownlie, Principles of Public International Law, Chapter XV 6, S. 310. 442 Vgl. dazu ausführlich: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 112 ff. 443 Dieser von F. A. Mann entwickelte Begriff hat sich zwischenzeitlich auch im deutschen Schrifttum zum Völkerrecht und zum internationalen Zivilverfahrensrecht
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Rechtssatz wird zu Recht ebenfalls dem Territorialitätsprinzip zugeordnet447. Bezogen auf die aus dem „genuine-link-Satz“ folgende potentielle völkerrechtliche Gerichtsbarkeitsschranke wird aber teilweise in der Literatur zum internationalen Zivilverfahrensrecht vertreten, sie spiele für die Rechtsprechung generell anders als für die Gesetzgebung eine zu vernachlässigende Rolle, was darin zum Ausdruck komme, dass ein sinnvoller Bezug zum Gerichtsstaat bereits dadurch hergestellt werden könne, dass sich eine Partei (Kläger/Antragsteller) an die inländischen Gerichte wende448. In der Tat würde eine derartige Interpretation des genuine-link-Satzes bei der Gerichtsbarkeit dazu führen, dass jedenfalls in Antragsverfahren449, also alderart durchgesetzt, dass man ihn als Fachbegriff der deutschen Rechtssprache ansehen kann. Er wird daher fortan in dieser Arbeit als solcher behandelt. 444 Dieser von Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 102 ff. befürwortete Begriff hat sich neben dem „genuine link“-Begriff im deutschsprachigen Schrifttum etabliert. Im Übrigen werden zur Umschreibung des „genuine-link“ vor allem im deutschsprachigen Schrifttum eine Vielzahl synonym zu verstehender Begriffe gebraucht: vgl. die Zusammenstellungen bei Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 543 f. und bei Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063. 445 Besonders deutlich: Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063; siehe ferner: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 183 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 541 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 101 ff.; Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 27 ff.; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 44; Brownlie, Principles of Public International Law, XV 1, S. 301 und Chapter XV 6, S. 313 . 446 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 101 ff.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 380 f.; BVerfGE 63, 343, 369, Beschl. v. 22.03.1983 – 2 BvR 475/78; BGHSt 45, 64, 66, Urt. v. 30.04.1999 – 3 StR 215/98; OLG München, IPRax 1993, 237, 239, Urt. v. 07.10.1992 – 7 U 2583/92; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063 f. 447 So mit Recht Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 29. Vgl. ferner Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 72. Dagegen wird teilweise kritisch angeführt, es gehe beim genuine-Link-Erfordernis doch gar nicht um eine Begrenzung von Hoheitshandeln auf das Staatsgebiet des handelnden Staates, sondern vielmehr um die Rückführung extraterritorialer Jurisdiktion auf einen territorialen Bezug (Bertele, a. a. O.). Dieser Einwand greift indes zu kurz, weil er übersieht, dass das Territorialprinzip neben dem positiven Inhalt, wonach ein Staat innerhalb seines Territoriums exklusiv handeln darf, auch einen negativen Inhalt hat, wonach das Territorialitätsprinzip dem Übergreifen staatlichen Handelns auf das Gebiet eines anderen Staates Grenzen setzt. 448 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 377; gegen das genuine-link-Erfordernis als Gerichtsbarkeitsschranke auch: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 29, weil sich aus diesem unbestimmten Erfordernis keine hinreichend konkreten Ergebnisse ableiten ließen; vgl. zu ähnlichen Stimmen in der Literatur zum internationalen Zivilverfahrensrecht: Gottwald, in: FS für Habscheid, 119 f. m.N. 449 Bedeutung hätte das genuine-link-Erfordernis damit mit Blick auf die Gerichtsbarkeit aber immerhin noch in Amtsverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei Straf- und vom Staat als Kläger bzw. Antragsteller betriebenen verwaltungs-
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len Verfahren der Zivilgerichtsbarkeit mit Ausnahme der in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit anzutreffenden Amtsverfahren, das genuine-link-Erfordernis praktisch bedeutungslos wäre. Auch für das hier zu untersuchende antragsbedürftige Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO würde dies bedeuten, dass alleine das Pfändungsgesuch an ein deutsches Vollstreckungsgericht den genuine link begründen würde. Dieser Ansicht kann allerdings nicht gefolgt werden450. Dies folgt schon daraus, dass ein Staat regelmäßig Gerichtsbarkeit über einen Streitgegenstand nicht einfach ad-hoc auf Grund einer entsprechenden Entscheidung seines angerufenen Gerichts ausübt, sondern vielmehr die Zuweisung des konkreten Streitgegenstandes an die eigenen Gerichte auf Grund abstraktgenereller gesetzlicher Regelungen über die internationale Zuständigkeit vorgibt. Damit ist die Inanspruchnahme von Gerichtsbarkeit über einen Verfahrensgegenstand durch die Schaffung entsprechender Normen zur internationalen Zuständigkeit der nationalen Gerichte Gesetzgebung (prescriptive jurisdiction), so dass der Satz, das Völkerrecht ziehe für die Rechtsprechung noch viel weitere Schranken als für die Gesetzgebung schon von daher nicht zutrifft. Spezielle Regeln des Völkergewohnheitsrechts, aus denen sich ergäbe, dass bei der Gesetzgebung über die Materie „internationale Zuständigkeit“ an das „genuine-link-Erfordernis“ geringere Anforderungen zu stellen sind als bei anderen Materien, sind ebenso wenig ersichtlich451. Daher ist die Bereitstellung eines internationalen Gerichtsstands durch den Gesetzgeber nichts anderes als die Ausübung von Staatsgewalt auf Sachverhalte mit Auslandsbezug, also extraterritoriale Jurisdiktion, die nach den hierfür entwickelten allgemeinen Regeln des Völkerrechts, zu denen auch das genuine-link-Erfordernis gehört, zu behandeln ist452. Aber auch wenn man die soeben dargestellte Auffassung in der verfahrensrechtlichen Literatur so verstehen wollte, dass jedenfalls bei der Ausübung von Rechtsprechungsgewalt durch die Gerichte das genuine-link-Erfordernis keine Rolle spiele, kann dem nicht gefolgt werden. Denn dies würde voraussetzen, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit das genuine-link-Erfordernis derart umfassend in völkerrechtskonformer Weise berücksichtigt hat, dass es bei der Auslegung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit keine Rolle mehr spielen kann. Dies wird für das deutsche Zivilverfahrensrecht, in Anbetracht etwa des exorbitanten Gerichtsstandes des § 23 ZPO, soweit ersichtlich von niemandem behauptet. prozessualen Verfahren, bei denen der verfahrenseinleitende Akt dem Staat zuzurechnen ist. 450 Im Ergebnis ebenso: Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 27–29. 451 Vgl. Gottwald, in: FS für Habscheid, 119 f. 452 Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063.
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Deshalb muss auch die Rechtsprechung, die ebenso Staatsgewalt ausübt wie die beiden anderen Gewalten und dabei potentiell in völkerrechtswidriger Weise in die Gebietshoheit fremder Staaten übergreifen kann, das genuinelink-Erfordernis als völkergewohnheitsrechtliche Schranke aller Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 25 GG beachten453. Ein anderer in der Literatur vertretener Ansatz geht dahin, aus den vorgenannten Gründen auch für die Ausübung von Rechtsprechungsgewalt allgemein das Vorliegen eines genuine link zu fordern und lediglich die Vollstreckungsgewalt, insbesondere im Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO, größtenteils davon auszunehmen. Dies wird damit begründet, dass zwar alleine das Stellen eines Verfahrensantrages an ein deutsches Rechtspflegeorgan für die Begründung des genuine link nicht ausreichen könne, wohl aber das Vorliegen eines originär deutschen Titels im Vollstreckungsverfahren. Denn dieser Titel sei bereits unter Beachtung der Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit von einem deutschen Rechtspflegeorgan geschaffen worden, was allemal einen sinnvollen Anknüpfungspunkt für das Vollstreckungsverfahren, insbesondere auch das nach §§ 828 ff. ZPO, begründe454. Eine Ausnahme müsse lediglich für solche Titel gemacht werden, die nicht originär deutsch seien, sondern als ausländischer Titel infolge des Exequaturverfahrens in Deutschland Vollstreckbarkeit erlangt hätten. Alleine für diese Titel bleibe es bei dem auch für das Erkenntnisverfahren zu beachtenden Satz, dass das Verfahren nur betrieben werden dürfe, wenn ein sinnvoller Anknüpfungspunkt zwischen dem Verfahrensgegenstand und dem deutschen Territorium bestehe455. Aber auch dieser, auf den ersten Blick sehr plausible Ansatz, vermag letztlich nicht zu überzeugen. Allerdings ist er bisher in der deutschsprachigen Literatur nur mit schwachen Argumenten bekämpft worden. So wurde ihm in der Literatur entgegengehalten, er führe – konsequent zu Ende gedacht – zu dem absurden Ergebnis, dass man seinetwegen das völkerrechtlich anerkannte Verbot der Sachpfändung auf fremdem Territorium 453 Der Vorwurf Reinhold Geimers (IZPR, Rdnr. 377), die untergeordnete Bedeutung des genuine-link-Erfordernisses für die Rechtsprechung werde in der völkerrechtlichen Literatur nicht klar genug gesehen, muss daher zurückgegeben werden. Die von ihm vertretene Auffassung beachtet vielmehr die ganz h. M. in der völkerrechtlichen Literatur nicht, wonach es für die Grenzen extraterritorialer Jurisdiktion gerade keine Rolle spielt, welche der drei Staatsgewalten einen extraterritorialen Hoheitsakt setzt, weil alle Formen staatlichen Handelns dem Staat zugerechnet werden: Vgl. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 83; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 7 und S. 230 (letztere Fundstelle speziell bezogen auf die Zivilgerichtsbarkeit); Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 33. Dies wird überdies auch in der neueren Literatur zum Internationalen Zivilverfahrensrecht so gesehen: vgl. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 111 f.; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063. 454 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 559. 455 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 559.
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aufgeben müsse456. Dies trifft indes nicht zu, da er die Vollstreckungsgewalt lediglich bezogen auf das genuine link-Erfordernis bejaht, so dass die Vollstreckung eines deutschen Titels in diesen Fällen immer noch an der eigenständigen Schranke des Verbots des Setzens eines Hoheitsaktes auf fremdem Territorium scheitern könnte. Ferner wird ihm entgegnet, er gehe fehl, da er übersehe, dass es sich bei Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren um zwei unterschiedliche Verfahren handele457. Dieses Argument ist zu pauschal, weist aber in die richtige Richtung. Man muss nämlich beim genuine-link-Erfordernis immer im Auge behalten, zwischen welchen Elementen der erforderliche Anknüpfungspunkt bestehen muss. Eines der Elemente ist klar: das Territorium des Gerichtsstaates. Das andere Element, das den Bezug zu diesem Territorium aufweisen muss, wird aber nicht immer so eindeutig benannt. Es liegt aber bei näherer Überlegung auf der Hand, dass dies bei Gerichtsverfahren der Verfahrensgegenstand sein muss. Dieser ist indes bei Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren höchst unterschiedlich: Während es beim Erkenntnisverfahren um die Rechtsbehauptung geht, dass dem Kläger aus dem unterbreiteten Sachverhalt ein vom Gericht auf seinen Antrag hin festzustellendes Recht zustehe, geht es beim Vollstreckungsverfahren darum, dass er auf Grund eines Titels zur Vollstreckung in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners berechtigt ist und dass das in Beschlag genommene Vermögen für die titulierte Forderung haftet458. Speziell bei der Pfändung nach §§ 828 ff. ZPO geht es darum, dass der Antragsteller zur Vollstreckung in ein dem Vollstreckungsschuldner (angeblich) zustehendes Recht berechtigt ist. Dies soll überdies nicht vom Vollstreckungsgericht festgestellt, sondern präjudiziell geprüft und dann durch tatsächlichen Zwangszugriff auf das Recht umgesetzt werden. Dabei wird bei der Vollstreckung eines Geldleistungstitels nach §§ 828 ff. ZPO auf ein bisher im Erkenntnisverfahren nicht thematisiertes Rechtsverhältnis, das dem zu pfändenden Recht zugrunde liegt, eingewirkt: Soweit es sich nicht gerade um ein drittschuldnerloses Recht (wie z. B. eine Eigentümergrundschuld) handelt, ist dies das Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungs- und Drittschuld456
I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 107. I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 107. 458 A. A. I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65, die die Auffassung vertritt, das Vollstreckungsverfahren habe keinen eigenen Verfahrensgegenstand. Demgegenüber gehen Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht, Rdnr. 6 im Einklang mit der hier vertretenen Auffassung wie selbstverständlich davon aus, dass das Vollstreckungsverfahren einen eigenständigen, vom Erkenntnisverfahren verschiedenen Verfahrensgegenstand hat. Dazu führen sie aus: „Während sich die Lehre im Erkenntnisverfahren zu einem prozessualen Streitgegenstandsbegriff bekennt, ist es im Exekutionsverfahren noch als ungeklärt anzusehen, ob von einem materiellen, prozessualen oder einem beide Elemente vereinigenden Vollstreckungsgegenstandsbegriff auszugehen ist.“ 457
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ner. Da diese Verfahrensgegenstände des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens nach §§ 828 ff. ZPO völlig unterschiedlich sind, kann jedenfalls im Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO459 vom Bestehen eines genuine link im Erkenntnisverfahren nicht automatisch auf das Bestehen eines genuine link im Vollstreckungsverfahren geschlossen werden. Die völkergewohnheitsrechtliche Verbotsnorm, wonach ein Gerichtverfahren ohne Bestehen eines genuine link zwischen Verfahrensgegenstand und Gerichtsterritorium nicht durchgeführt werden darf, ist also eine im Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO zu beachtende Gerichtsbarkeitsschranke, die wegen der unterschiedlichen Verfahrensgegenstände im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren mit der im Erkenntnisverfahren zu beachtenden genuine-linkSchranke inhaltlich nicht identisch ist. cc) Das Interventions- und das Rechtsmissbrauchsverbot Es stellt sich die Frage, ob außer den beiden soeben genannten aus dem Territorialitätsprinzip abgeleiteten völkergewohnheitsrechtlichen Schranken der Vollstreckungsgewalt noch weitere völkerrechtliche Schranken in Betracht kommen. Als solche Schranken werden anknüpfend an die Lotus-Entscheidung des StIGH neben dem Völkergewohnheitsrecht, also vorliegend dem Territorialitätsprinzip, auch immer wieder allgemeine Grundsätze des Völkerrechts diskutiert. Unter der Vielzahl der angeführten Vorschläge460, die sich alle nicht haben durchsetzen können und die meist mit Blick auf Verfahren, in denen es um genuin nationale Interessen geht (z. B. im Kartellrecht)461, entwickelt worden sind und daher auf das Verfahren der Forderungspfändung von vorneherein nicht passen, sollen nur das Interven459 Geht es dagegen bei der Vollstreckung um das gleiche Rechtsverhältnis, dass auch dem Erkenntnisverfahren zu Grunde lag (z. B. Urteil auf Herausgabe einer Sache), so sind zwar die Verfahrensgegenstände im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren identisch, spricht aber vieles dafür im Sinne von Bertele anders als bei der Pfändung nach §§ 828 ff. ZPO das genuine link für das Erkenntnisverfahren auch als genuine link für das Vollstreckungsverfahren ausreichen zu lassen. 460 Vgl. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 569 ff.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 112 ff.; vgl. zu einem im deutschsprachigen Schrifttum gelegentlich vertretenen Ansatz Ritter, BB 1984, 1109 ff., der den zum Internationalen Steuerrecht entwickelten Rücksichtnahmegrundsatz als allgemeinen Rechtsgrundsatz ansehen will, der zur allgemeinen Jurisdiktionsschranke aufgewertet werden könne. Einen Nachweis für die internationale Akzeptanz dieses Ansatzes bleibt er aber ebenso wie die anderen Befürworter des Rücksichtnahmegrundsatzes als Jurisdiktionsschranke schuldig. 461 Vgl. dazu etwa die grundlegenden Arbeiten von Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen im Kartellrecht und Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts.
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tionsverbot (Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates) und das Verbot des Rechtsmissbrauchs herausgegriffen werden. Dies deshalb, weil sie besonders häufig angeführt werden und von daher unter Umständen in der internationalen Diskussion konsensfähig werden könnten. Gegen das Interventionsverbot als Grenze extraterritorialer Vollstreckungsgewalt im Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO462 sprechen beachtliche dogmatische Gründe. Dies bereits auf den ersten Blick deshalb, weil mit dieser Gerichtsbarkeitsschranke ganz unterschiedliche Inhalte verknüpft werden. So kann man einerseits lesen, das Interventionsverbot solle als Schranke im Rahmen der Gerichtsbarkeit dafür sorgen, die Souveränität eines Staates vor unzulässigen Einwirkungen von außen zu schützen und damit im Ergebnis dazu dienen, abgrenzbare Zuständigkeitssphären zwischen den Staaten zu gewährleisten463. In der Sache ist damit nichts anderes als das Verbot der Setzung von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet gemeint464, welches aber eine eigenständige, anerkannte Gerichtsbarkeitsschranke ist. Andererseits kann man häufig lesen, immer dann, wenn ein Staat Gerichtsbarkeit ohne hinreichenden Anknüpfungspunkt ausübe, stelle die extraterritoriale Gerichtsbarkeit einen unzulässigen Eingriff des Gerichtsstaates in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates dar465. Bei diesem Verständnis kommt aber dem Interventionsverbot auch keine eigenständige Bedeutung als Gerichtsbarkeitsschranke zu, sondern es dient lediglich zur Herleitung des genuine-link-Erfordernisses466. Somit kann man bereits sagen, dass das Interventionsverbot als Gerichtsbarkeitsgrenze im Vollstreckungsverfahren deshalb bedenklich ist, weil ein eigenständiger Anwendungsbereich nicht ersichtlich ist467. Schließlich aber spricht gegen das Interventionsverbot als Gerichtsbarkeitsschranke im Verfahren nach 462
Eine allgemeine Stellungnahme zu der weitergehenden Frage, ob das Interventionsverbot generell als Schranke extraterritorialer Jurisdiktion ausscheidet, soll hiermit nicht abgegeben werden. Vgl. hierzu (das Interventionsverbot als Jurisdiktionsschranke befürwortend): Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 63 ff. 463 Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063. 464 Vgl. dazu den Gesamtkontext der Darstellung des Einmischungsverbotes als Gerichtsbarkeitsschranke bei Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062 ff., wo das Interventionsverbot als einzige Schranke neben dem genuine-link-Erfordernis aufgeführt wird. 465 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 551 ff. Besonders beliebt ist diese Auffassung in der deutschen Rechtsprechung: vgl. dazu: BVerfGE 63, 343, 369, Beschl. v. 22.03.1983 – 2 BvR 475/78; BGHSt 45, 64, 66, Urt. v. 30.04.1999 – 3 StR 215/ 98; OLG München, IPRax 1993, 237, 239, Urt. v. 07.10.1992 – 7 U 2583/92. 466 So im Ergebnis denn auch: Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 551. 467 Dies mag bei wettbewerbs- oder kartellrechtlichen Rechtsstreitigkeiten indes anders sein: Vgl. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 219 ff.
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§§ 828 ff. ZPO, dass es tatbestandlich nicht einschlägig ist. So ist bereits zweifelhaft, ob – das Bestehen eines genuine-link unterstellt – die Pfändung einer Forderung oder eines Rechts mit Bezug zu zwei oder mehreren Staaten eine exklusive „innere Angelegenheit“ eines der Staaten darstellt, da alle mit dem Sachverhalt verknüpften Staaten ein Regelungsinteresse bezüglich dieses Sachverhaltes haben468. Jedenfalls aber fehlt es in diesen Fällen der grenzüberschreitenden Forderungspfändung an dem subjektiven Tatbestand des Interventionsverbotes, das grundsätzlich wie bereits erörtert voraussetzt, dass der das Gebot objektiv verletzende Staat mit seinem Eingriff ein finales Element verbindet, dergestalt, dass er durch die Ausübung staatlicher Zwangsgewalt auf die Ausübung der Staatsgewalt des anderen Staates in seinem Sinne einwirken will 469. Es geht also beim Interventionsverbot um das Ziel der Fremdbestimmung eines anderen Staates470. Die eigene Selbstbestimmung, um die es bei der internationalen Forderungspfändung geht, hat damit nichts zu tun. Sie berührt den Schutzzweck des Interventionsverbotes nicht, weil dieser nur darin besteht, die Territorialhoheit der Staaten zu schützen, und nicht etwa darin, bestimmte materielle Ergebnisse – wie etwa die Verurteilung einer Person oder den Vollstreckungszugriff auf die einer Person zustehende Forderung – zu verhindern471. Somit scheidet das Interventionsverbot als eigenständige völkerrechtliche Grenze der Vollstreckungsgewalt im Pfändungsverfahren nach §§ 828 ff. ZPO aus mehreren Gründen aus. Gegen das Rechtsmissbrauchsverbot wird gelegentlich eingewendet, es sei zu unbestimmt, um eine taugliche Jurisdiktionsschranke zu sein472. Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen, da es sich beim Rechtsmissbrauch um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der der Sache nach in zahlreichen Rechtsordnungen zu finden ist473, und der nicht anders als andere unbestimmte Rechtsbegriffe auch einer Konkretisierung im Wege der Subsumtion zugänglich ist474. Schwerer wiegt demgegenüber der Einwand, das Rechtsmissbrauchsverbot sei kein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts, da es zwar vom StIGH und vom IGH gelegentlich angeführt worden sei, noch nie aber indes als entscheidungserhebliche völkerrechtliche 468 Vgl. zu diesem Gesichtpunkt bezogen auf die extraterritoriale Jurisdiktion allgemein: Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 552 und bezogen auf die Zivilgerichtsbarkeit im Besonderen: S. 471. 469 Vgl. Graf Vitzthum, in: Völkerrecht, 1. Abschnitt Rdnr. 76. 470 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 177. 471 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 471. 472 Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 21. 473 Dies muss Rudolf, der die Schranke Rechtsmissbrauchs insbesondere auf Grund ihrer Unbestimmtheit ablehnt, in BerDGVR 11 (1973), 19 einräumen. 474 Vgl. Rehbinder, Völkerrechtliche Wirkungen, S. 55 ff.
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Rechtsnorm einer Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei475. Ob dies zutrifft kann aber für die vorliegende Fragestellung auf sich beruhen, da jedenfalls im Hinblick auf die internationale Forderungspfändung, bei der es um die Durchsetzung nichtstaatlicher, privater Interessen geht, kein Fall vorstellbar ist, in dem die Inanspruchnahme der Vollstreckungsgerichtsbarkeit durch einen Gerichtsstaat trotz bestehenden genuine-links als rechtsmissbräuchlich gewertet werden könnte. Mithin hat das Rechtsmissbrauchsprinzip als Schranke der Vollstreckungsgerichtsbarkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO keine eigenständige Bedeutung. Alles in allem kann man also festhalten, dass als Grenzen der deutschen Vollstreckungsgewalt im Pfändungsverfahren nach §§ 828 ff. ZPO lediglich die beiden aus dem Territorialitätsprinzip abgeleiteten und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssätze des Verbots des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Hoheitsgebiet und des Verbots der extraterritorialen Vollstreckung ohne Bestehen eines „genuine link“ in Betracht kommen476. Wo diese Grenzen nach Auffassung des Verfassers im Detail verlaufen, soll nachfolgend dargelegt werden. c) Eigener Ansatz aa) Das Verbot des Setzens eines Hoheitsaktes auf fremdem Staatsgebiet (1) 1. Ansatzpunkt für eine Verletzung dieses Verbotes bei internationaler Forderungspfändung: Fehlende Befehlsgewalt über Drittschuldner und/oder Vollstreckungsschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz Mit regelmäßiger Wiederkehr wird in der Literatur die Völkerrechtmäßigkeit einer „grenzüberschreitenden“ Forderungs- oder Rechtspfändung, bei der der Drittschuldner seinen Sitz/Wohnsitz im Ausland hat, in Abrede gestellt477. Dem deutschen Vollstreckungsgericht fehle bei ausländischem Drittschuldnerwohnsitz die Befehlsgewalt478 („personal jurisdiction“) über 475
Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 20 f.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 175. 476 Im Ergebnis ebenso: Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 31, der indes die übrigen potentiellen völkerrechtlichen Grenzen der Vollstreckungsgewalt nicht auf ihre Stichhaltigkeit untersucht. 477 Vgl. aus früherer Zeit: Reichel, AcP 131 (1929), 293, 297 sowie die Nachweise bei Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 279 und aus jüngerer Zeit: Jestaedt, IPRax 2001, 438, 439 f. 478 Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 38; Reichel, AcP 131 (1929), 293, 297.
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den Drittschuldner, so dass eine solche grenzüberschreitende Rechts- oder Forderungspfändung das Verbot des Setzens eines Hoheitsaktes auf fremdem Staatsgebiet verletze479. Gespalten sind die Anhänger dieser Auffassung allenfalls darin, ob das von ihnen zu Grunde gelegte Verständnis des Drittschuldnerbefehls (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO: „arrestatorium“) als staatlicher Zwangsakt gegenüber dem Drittschuldner480 mit Rücksicht auf die fehlende Befehlsgewalt über denselben bereits den Erlass des Pfändungsbeschlusses als solchen hindert481 oder nur die Zustellung des Beschlusses ohne Einverständnis des Territorialstaates482 hindert483. Dieser Meinungsunterschied wird nur verständlich vor dem Hintergrund des § 829 Abs. 3 ZPO, wonach der Pfändungsbeschluss erst mit Zustellung an den Drittschuldner wirksam wird. Demnach kommt es für die Auffassung, die fordert, dass der Drittschuldner deutscher Befehlsgewalt unterliegen müsse, darauf an, ob man den Gesamtvorgang „Forderungs- bzw. Rechtspfändung“ in zwei völkerrechtlich voneinander getrennt zu bewertende Teilakte trennen kann oder nicht, nämlich in den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einerseits und die Zustellung desselben an den Drittschuldner andererseits. Kann man dies nämlich, so ist der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, selbst wenn man den Pfändungsakt als Ausübung von Hoheitsgewalt gegenüber dem Drittschuldner deutet, unter dem Gesichtspunkt fehlender Befehlsgewalt über den Drittschuldner völkerrechtlich unbedenklich. Gegen eine solche Aufspaltung der beiden Vorgänge Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und Drittschuldnerzustellung desselben wird eingewandt, es handele sich bei beiden lediglich um unselbständige Teilelemente des Gesamtvorgangs „Pfändungsakt“, die man nicht isoliert beurteilen dürfe, sondern vielmehr als Einheit ansehen müsse. Bereits der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führe nämlich dazu, dass es jetzt für die Beschlagnahmewirkung nur noch auf die Zustellung ankomme, ein erneuter Beschluss also nicht mehr zu ergehen brauche484. Ergänzend könnte man noch hinzufügen, dass bereits der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf die Ausübung extraterritorialer Hoheitsgewalt ausgerichtet ist, so dass die Zustellung diesen – angeblichen – völkerrechtswidrigen Übergriff auf fremdes Territorium lediglich vertiefe, nicht aber erst herbeiführe. Diese Betrachtung ver479
Jestaedt, IPRax 2001, 438, 439 f. Mühlhausen, WM 1986, 957, 959; Jestaedt, IPRax 2001, 438, 439 f.; Fohrer/ Mattil, WM 2002, 840, 843. 481 Jestaedt, IPRax 2001, 438, 439 f. 482 Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 39; Mühlhausen, WM 1986, 957, 959; Gottwald, IPRax 1991, 285, 289; Fohrer/Mattil, WM 2002, 840, 843. 483 Auch diese beiden Spielarten sind schon seit der Entstehung der ZPO vertreten worden: Vgl. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 279 m. N. 484 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 29. 480
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mag indes nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb, weil der Pfändungsund Überweisungsbeschluss bis zu seinem Wirksamwerden mit der Drittschuldnerzustellung (§§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO) keine Außenwirkung entfaltet, also ein Staatsinternum ist, das per se nicht in fremde Hoheitsgewalt überzugreifen vermag. Hinzu kommt, dass auch in dem Pfändungsbeschluss, so man ihn als hoheitlichen Befehl gegenüber dem Drittschuldner verstehen will, keineswegs ein zwangsläufiger Übergriff auf fremdes Territorium angelegt ist. Es ist nämlich durchaus möglich, dass er dem Drittschuldner, etwa auf der Durchreise oder bei Verlegung seines Wohnsitzes, auf deutschem Territorium zugestellt werden und auch dort wirksam werden kann, so dass er als klassischer Inlandsakt anzusehen wäre. Zum potentiell völkerrechtswidrigen Auslandsakt wird er erst durch den Vorgang der Zustellung, so dass es, unterstellt es handele sich bei ihm um einen Befehlsgewalt gegenüber dem Drittschuldner fordernden Hoheitsakt, für die Frage, ob ein Übergriff auf fremde Gebietshoheit vorliegt, allein auf die Frage der Zustellung ankäme485. Der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses selbst jedenfalls kann wegen der gebotenen getrennten Betrachtungsweise der Einzelvorgänge „Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses“ und „Drittschuldnerzustellung“ nicht wegen fehlender Befehlsgewalt der Bundesrepublik über den Drittschuldner als völkerrechtswidrig gewertet werden. Dieses Ergebnis ist aber selbst dann zu befürworten, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und Drittschuldnerzustellung als nicht isoliert bewertbare Teilelemente des Gesamtvorgangs „Pfändungsakt“ ansehen will. Denn eine Befehlsgewalt des Vollstreckungsgerichts über den Drittschuldner ist zum Erlass des Pfändungsbeschlusses schon deshalb nicht erforderlich, weil das in ihm enthaltene arrestatorium (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO) kein echtes hoheitliches Verbot enthält. Dies wurde bereits im Rahmen der Problematik der Drittschuldnerimmunität ausführlich erörtert und soll daher hier nur noch einmal kurz ausgeführt werden. Ein echtes hoheitliches Verbot ergibt sich aus einer hoheitlichen Anordnung, die darauf gerichtet ist, dem Adressaten gegenüber Rechtsfolgen zu erzeugen („Rechtsquelle im Einzelfall“) und die mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Dies ist bei dem Drittschuldnerverbot, das lediglich auf eine kraft Gesetzes (§§ 136, 135 BGB) mit dem Wirksamwerden des Pfändungsbeschlusses eintretende Obliegen485 Im Ergebnis ebenso bereits Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 4 Fußn. 1, der bei seinen Erörterungen zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Erlasses eines Pfändungsbeschlusses in Fällen mit Auslandsberührung wie selbstverständlich davon ausgeht, dass Erlass des Pfändungsbeschlusses und Zustellung getrennt zu werten sind sowie Fohrer/Mattil, WM 2002, 840, 843, die bei ihrer völkerrechtlichen Würdigung alleine auf die Zustellung abstellen.
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heit hinweist, gerade nicht der Fall486. Zur Begründung des angeblich dennoch vorliegenden Befehls- bzw. Verbotscharakters des arrestatoriums wird häufig darauf hingewiesen, die Formen staatlicher Zwangsanwendung seien subtil und keineswegs auf den Einsatz unmittelbarer Gewalt beschränkt. Auch das erneute Zahlenmüssen an den Vollstreckungsgläubiger bei „Verstoß“ gegen das arrestatorium sei daher als Zwangsausübung zu verstehen, die für den Drittschuldner mit dem Pfändungsbeschluss verknüpft sei487. Diese Argumentation geht aber schon deshalb fehl, weil sie einen überzogenen Zwangsbegriff zugrunde legt. Die Rechtsfolge der fehlenden Schuldbefreiung bei Zahlung an den Nichtberechtigten trifft den Schuldner (hier: Drittschuldner) nicht nur infolge eines Pfändungsbeschlusses, sondern auch, wenn er in Kenntnis der Abtretung einer gegen ihn gerichteten Forderung an den Zedenten statt an den Zessionar zahlt. Kein Mensch käme aber auf die Idee, diese gesetzlich mit der Abtretung verknüpfte Rechtsfolge als staatliche Zwangsausübung anzusehen. Im Übrigen geht die Argumentation auch fehl, weil sie übersieht, dass es sich bei dem erneuten Zahlenmüssen an den Vollstreckungsgläubiger bei Zahlung an den Vollstreckungsgläubiger in Kenntnis des wirksamen Pfändungsbeschlusses um eine Rechtsfolge handelt, die nicht etwa durch das lediglich belehrende „arrestatorium“ angeordnet wird oder in ihm enthalten ist, sondern die das Gesetz anordnet und die den Drittschuldner lediglich als Reflex aus der Beschlagnahmewirkung trifft. Nicht anders verhält es sich mit der „Verpflichtung“ zur Abgabe der Drittschuldnererklärung (§ 840 Abs. 1, 2 S. 1 ZPO), die vereinzelt zur Begründung des Zwangscharakters des Pfändungsbeschlusses gegenüber dem Drittschuldner herangezogen wird488, weil diese keine echte klagbare und zwangsweise durchsetzbare Verpflichtung, sondern eine schadensersatzbewehrte (§ 840 Abs. 2 S. 2 ZPO) Obliegenheit darstellt489 und weil diese Belastung ferner nicht durch den Pfändungsbeschluss, sondern kraft Gesetzes angeordnet wird. Dies alles wurde bereits eingehend im Rahmen der Drittschuldnerimmunität dargelegt, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. Aber selbst wenn man dem nicht folgen und dem arrestatorium die Natur eines hoheitlich angeordneten Verbotes zuerkennen wollte, würde der ausländische Sitz/Wohnsitz des Drittschuldners der Völkerrechtmäßigkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht entgegenstehen. Dies liegt darin begründet, dass bereits die Prämisse, aus dem Völkerrecht, insbesondere dem Territorialitätsprinzip, ergebe sich, dass dem ein Verbot/ein Be486 So etwa bereits Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 279; Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; ders., IZVR, Rdnr. 982; R. Geimer, IZVR, Rdnrn. 408 und 3257. 487 Jestaedt, IPRax 2001, 438, 440. 488 Gottwald, IPRax 1991, 285, 289. 489 Vgl. statt vieler: Stöber in: Zöller, ZPO, § 840 Rdnr. 15.
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fehl gegenüber einer Person mit Auslandssitz/-wohnsitz oder gar nur Auslandsaufenthalt aussprechenden Staat die Befehlsgewalt über diese Person fehle, falsch ist. Die Vorstellung der fehlenden Befehlsgewalt über den Drittschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz ist nämlich noch in dem strengen Territorialitätsprinzip verwurzelt, wonach Hoheitsakte mit Auslandsbezug, insbesondere solche, die „grenzüberschreitende Rechtsfolgen“ vorsehen, per se unzulässig sind. Dieses strenge Territorialitätsprinzip entspricht aber, wie bereits darlegt, nicht dem geltenden Völkergewohnheitsrecht. Vielmehr sind nach dem geltenden abgeschwächten Territorialitätsprinzip sowohl abstrakt-generelle als auch konkret-individuelle hoheitliche Regelungen mit Auslandsbezug – im Rahmen des genuine-link-Erfordernisses – zulässige extraterritoriale Jurisdiktion und gerade kein unzulässiges Setzen eines Hoheitsaktes auf fremdem Territorium, so lange sich die extratraterritorialen Hoheitsakte darauf beschränken, bei inländischem Geltungsbereich ihren Regelungsbereich ins Auslandsland zu erstrecken. Mit anderen Worten: Hoheitliche Befehle über die Grenze hinweg sind grundsätzlich so lange zulässig wie der Staat ihre Durchsetzung auf das Inland begrenzt490. Aus diesem Grunde ist es auch anerkannt, dass deutsche Gerichte grundsätzlich nicht durch das Völkerrecht gehindert sind, die Beklagtenseite zu Handlungen oder Unterlassungen im Ausland zu verurteilen, da solche Urteile – vorbehaltlich einer Anerkennung durch den ausländischen Staat – nur in der Bundesrepublik Rechtswirkungen entfalten und auch – vorbehaltlich einer Vollstreckbarerklärung durch den ausländischen Staat – nur im Inland vollstreckt werden können491. Nicht anders verhielte es sich beim arrestatorium, wenn es sich bei ihm um einen hoheitlichen Befehl oder jedenfalls um Ausübung staatlicher Zwangsgewalt gegenüber dem Drittschuldner handelte. Denn auch das arrestatorium beansprucht nur Rechtswirkungen innerhalb des Territoriums der Bundesrepublik und die Folge des Zahlenmüssens an den Vollstreckungsgläubiger bei Zahlung an den Vollstreckungsschuldner (§§ 136, 135 BGB) gilt nur für Deutschland, während es dem Staat des Drittschuldnersitzes/wohnsitzes freisteht, die Pfändung „anzuerkennen“ oder ihr andere Rechtsfolgen zuzuordnen. Mithin fehlt es einem deutschen Vollstreckungsgericht bei ausländischem Sitz/ Drittschuldnersitz nicht an der Befehlsgewalt über den Drittschuldner, so dass der Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter diesem Gesichtspunkt völkerrechtlich keinen Bedenken unterliegt492. 490
So auch Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen, S. 338 f. Vgl. Gottwald, Festschrift für Habscheid, 119, 120 ff. m. w. N.; Mühlhausen, WM 1986, 985, 988 f. 492 Ebenso Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 279 ff.; Gottwald, IPRax 1991, 285, 289; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 53; OLG Frankfurt, MDR 1976, 321, Urt. v. 11.11.1975 – 5 U 204/75, das in seiner Argumentation auf die Begrenzung der Rechtsfolgen der Pfändung auf das Inland abhebt. 491
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Diese Erkenntnis wirkt sich auch unmittelbar auf die Frage aus, inwiefern ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bei ausländischem Sitz/Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners unter dem Gesichtspunkt der möglicherweise fehlenden Zwangsgewalt des Gerichtsstaates über den Vollstreckungsschuldner völkerrechtlich zulässig ist. Hierzu kann man gelegentlich lesen, der ausländische Sitz/Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners stehe der Pfändung aus völkerrechtlicher Sicht deshalb nicht entgegen, weil Pfändung und Überweisung alleine durch die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner wirksam werden (§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO), so dass die für die Herbeiführung der Beschlagnahme und Einziehung unbeachtliche und lediglich Informationszwecken dienende Zustellung des Beschlusses an den Vollstreckungsschuldner nicht als auf fremdem Staatsgebiet stattfindende Zwangsausübung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner gewertet werden könne493. Diese Begründung geht zwar von der zutreffenden Überlegung aus, dass man den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und die Zustellung des Beschlusses bei der völkerrechtlichen Bewertung isoliert betrachten kann, zieht aus dieser Prämisse aber die falschen Schlussfolgerungen. Denn anders als beim Drittschuldner, demgegenüber durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss keine Zwangsgewalt ausgeübt werden soll, ist die Zwangsausübung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner bereits im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss selbst angelegt: Die Forderung/das Recht soll beschlagnahmt (§ 829 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO) und gegen den Willen des Vollstreckungsschuldners mit einem Einziehungsrecht zu Gunsten des Vollstreckungsgläubigers belastet (§ 835 Abs. 1 Var. 1 ZPO) oder sogar auf den Vollstreckungsgläubiger übertragen werden (§ 835 Abs. 1 Var. 2 ZPO). Da die Zustellung des Beschlusses an den Vollstreckungsschuldner aber wegen §§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO für die Herbeiführung dieser Rechtsfolgen keine Rolle spielt, ist der einzige Akt, an den man für die Beurteilung der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Zwangsmaßnahme gegenüber dem Vollstreckungsschuldner mit Sitz/Wohnsitz im Ausland anknüpfen kann, der Erlass des Beschlusses selbst. Mithin stellt sich im Hinblick auf den Vollstreckungsschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz die Frage, ob der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht an der fehlenden Vollstreckungsgewalt der Bundesrepublik Deutschland über den Vollstreckungsschuldner scheitert. Bei dieser Fragestellung indes können die soeben gewonnenen Erkenntnisse zur Reichweite extraterritorialer Hoheitsakte wieder fruchtbar gemacht werden. Denn wiewohl Pfändung und Überweisung unproblematisch Zwangsmaßnahmen sind, sind sie nicht anders als ein Urteil im Erkenntnisverfahren von ihrem Geltungsbereich her auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt und stellen daher keine 493
Fohrer/Mattil, WM 2002, 840, 843.
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Zwangsausübung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner im Ausland dar. Die Beschlagnahmewirkung und die zwangsweise Begründung einer Verwertungsbefugnis am Vollstreckungsgegenstand, die Ausübung von Zwangsgewalt gegenüber dem Vollstreckungsschuldner darstellen, beanspruchen nicht anders als ein Leistungsurteil nur Geltung im Territorium der Bundesrepublik Deutschland: Inwieweit der ausländische Staat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und seine Rechtswirkungen „anerkennt“ und mithin auch in seinem Territorium gegenüber dem Vollstreckungsschuldner eintreten lässt, obliegt allein seiner Entscheidung, die der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss weder vorwegnehmen will, noch kann494. Mithin fehlt der Bundesrepublik für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht an die Befehlsgewalt über den Vollstreckungsschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz495. Im Ergebnis ebenso verhält es sich, wenn es sich bei dem zu pfändenden Recht um ein drittschuldnerloses Recht (z. B. ein Immaterialgüterrecht) handelt. Dann wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erst mit der Zustellung der Pfändungsurkunden an den Vollstreckungsschuldner wirksam (§ 857 Abs. 2 ZPO), so dass man auf Grund der gebotenen getrennten Betrachtung von Beschluss und Zustellung desselben an den Vollstreckungsschuldner in Anlehnung an die obigen Ausführungen zur Rechtslage bei einem Drittschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz für die völkerrechtliche Bewertung nur an die Zustellung anknüpfen kann. Daher ist jedenfalls der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in diesen Fällen per se völkerrechtlich unbedenklich. Aber auch hier kommt es für die völkerrechtliche Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt der Befehlsgewalt nicht entscheidend darauf an, ob man der Prämisse folgt, dass Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und Zustellung getrennt bewertet werden können. Denn selbst wenn man dem nicht folgt, so ist wegen der soeben beschriebenen Beschränkung des Geltungsbereichs des Pfändungsbeschlusses auf deutsches Territorium der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als extraterritorialer Hoheitsakt in den Grenzen des genuine link völkerrechtlich zulässig. 494
Vgl. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 283, der zu Recht darauf hinweist, dass für die eigenen Gerichte und Behörden eines Staates nur die Normen des eigenen Rechts und die gestaltenden Akte der eigenen Staatsgewalt maßgebend sind und nicht die einer fremden Staatsgewalt, so dass ein vor diesem Hintergrund erlassener Pfändungsbeschluss Verbindlichkeit im Ausland immer nur unter dem Vorbehalt einer anerkennenden Entscheidung des fremden Staates ergeht und schon von daher nie in fremde Souveränität eingreifen kann. 495 Vgl. den Beschluss des OLG Saarbrücken, in: IPRax 2001, 456 f., Beschl. v. 11.07.2000 – 5 W 369/99 – 102 –, das offenbar keinerlei völkerrechtlichen Bedenken gegenüber einer Pfändung in einer derartigen Konstellation hatte.
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Zusammenfassend kann man festhalten, dass unter dem Gesichtspunkt erforderlicher Befehlsgewalt über einen Schuldner/Drittschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in keiner denkbaren Konstellation (Drittschuldner und/oder Vollstreckungsschuldner mit ausländischem Sitz/Wohnsitz; Vollstreckungsschuldner bei drittschuldnerlosem Vermögensrecht mit ausländischem Sitz/Wohnsitz) völkerrechtlichen Bedenken begegnet, so dass unter diesem Gesichtspunkt auch in keiner Konstellation die deutsche Gerichtsbarkeit verneint werden kann. (2) 2. Ansatzpunkt für eine Verletzung dieses Verbotes bei internationaler Forderungspfändung: Unzulässiger Übergriff in fremde Gerichtshoheit bei ausländischem Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung oder der titulierten Geldforderung Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Beschränkung der deutschen Vollstreckungsgewalt könnte darin zu sehen sein, dass der Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung auf fremdem Territorium liegt. Dies wird im deutschsprachigen Raum von Mühlhausen mit der Begründung vertreten, dass sich im Falle eines ausländischen Erfüllungsorts der gepfändeten Forderung arrestatorium und inhibitorium auf fremdes Staatsgebiet bezögen, mit der Folge, dass die in ihnen enthaltenen Verhaltensverbote/-gebote nur auf fremdem Territorium befolgt werden könnten. Dies überschreite aber die Grenzen zulässiger extraterritorialer Hoheitsausübung, weil die staatliche Erzwingung von Handlungen bzw. Unterlassungen im Ausland als hoheitliches Handeln innerhalb des fremden Hoheitsgebiets zu werten sei, die von der eigenen Vollstreckungsgewalt nicht mehr gedeckt ist496. Dabei sei überdies im Hinblick auf die Vollstreckung von Geldforderungen im Wege der Pfändung gemäß §§ 828 ff. ZPO zu bedenken, dass nach h. M. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Erwirkung vertretbarer Handlungen im Ausland unzulässig seien. Da auch die Geldzahlung eine vertretbare Handlung sei, müsse dies auch für die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Geldzahlungen gelten497. Bei dieser Argumentation geht Einiges durcheinander. So ist schon die pauschale Ausgangsbehauptung, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Erwirkung vertretbarer Handlungen im Ausland nach h. M. wegen des mit ihnen verbundenen Übergriffs in fremde Gerichtshoheit mangels deutscher Gerichtsbarkeit unzulässig seien, so nicht richtig. Die für diesen Problemkreis grundlegende Entscheidung des OLG Stuttgart498, auf die sich Mühlhausen in erster Linie bezieht, besagt dies gerade 496 497
Mühlhausen, WM 1986, 985, 989. Mühlhausen, WM 1986, 985, 989.
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nicht. Das Gericht hielt eine Vollstreckung eines rechtskräftigen deutschen Urteils gemäß § 887 ZPO, das den Beklagten zum Anbringen eines Gitters auf dem Rande seines Schwimmbeckens auf seinem Feriengrundstück in Spanien verpflichtet hatte, nur deshalb wegen Übergriffes in die spanische Gerichtshoheit für unzulässig, weil die Ermächtigung zur Ersatzvornahme notwendigerweise die gerichtliche Erlaubnis zum Betreten des Grundstücks des Vollstreckungsschuldners und die damit korrespondierende Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, das Betreten und die Ersatzvornahmehandlung auf seinem Grundstück zu dulden (§ 892 ZPO), beinhaltet hätte. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis und das Aussprechen einer solchen Duldungspflicht bezüglich des auf fremdem Territorium belegenen Grundstücks hielt das Gericht mit Rücksicht auf die Gebietshoheit des fremden Staates für völkerrechtlich unzulässig499. Demnach kann der Entscheidung des OLG Stuttgart keineswegs die allgemeine Aussage entnommen werden, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 887 ZPO zur Erwirkung vertretbarer Handlungen im Ausland seien als völkerrechtswidrige Übergriffe zu werten und daher mangels deutscher Gerichtsbarkeit unzulässig. Denn eine gerichtliche Ermächtigung zur Ersatzvornahme einer vom Vollstreckungsschuldner geschuldeten vertretbaren Handlung im Ausland durch den Vollstreckungsgläubiger muss keineswegs immer, wie in dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall, mit einer auf ausländisches Territorium bezogenen Duldungspflicht zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers verbunden sein. Je nach dem Inhalt der geschuldeten vertretbaren Handlung sind nämlich durchaus Handlungen denkbar, die der Vollstreckungsgläubiger im Ausland anstelle des Vollstreckungsschuldners selbst ersatzweise vornehmen bzw. vornehmen lassen kann, ohne dass dabei gegen den nicht mitwirkungswilligen Vollstreckungsschuldner persönlich oder gegen dessen im Ausland belegenes Vermögen Zwang ausgeübt werden müsste500. Als Beispiele für solche vertretbare Handlungen mögen Arbeiten auf einem ausländischen Grundstück des Vollstreckungsgläubigers, die Bekanntgabe von Tatsachen in der ausländischen Presse oder die Anfertigung beweglicher Sachen im Ausland dienen501. In diesen Fällen wäre auch auf der Grundlage der Entscheidung des OLG Stuttgart entgegen der pauschalen Behauptung Mühlhausens der Erlass eines Ermächtigungsbeschlusses gemäß § 887 Abs. 1 ZPO, der unter keiner denkbaren Betrachtung als völkerrechtswidrige Erstreckung des Geltungsbereiches eines deutschen Hoheitsaktes auf fremdes Territorium zu werten sein kann502, ohne weiteres kraft deutscher Gerichts498 499 500 501 502
OLG Stuttgart, ZZP 1984 (97), 487 f., Beschl. v. 26.09.1983 – 11 W 43/83. OLG Stuttgart, ZZP 97 (1984), 487, 488, Beschl. v. 26.09.1983 – 11 W 43/83. Münzberg, ZZP 97 (1984), 489. Münzberg, ZZP 97 (1984), 489. Münzberg, ZZP 97 (1984), 489.
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barkeit zulässig. Aber selbst die vorsichtige Entscheidung des OLG Stuttgart schränkt die deutsche Gerichtsbarkeit in einer durch die heute geltende Lehre vom abgeschwächten Territorialitätsprinzip völkerrechtlich nicht gebotenen Weise ein. Dabei beruht die Entscheidung auf der Erwägung, der Vollstreckungsgläubiger könne die mit der Ermächtigung zur Ersatzvornahme verbundene Duldungspflicht des Vollstreckungsschuldners dadurch aktualisieren, dass er etwaigen Widerstand gemäß § 892 ZPO durch einen Gerichtsvollzieher beseitigen lässt, der wiederum dazu gemäß § 758 Abs. 3 ZPO die erforderliche Gewalt ausüben und um Unterstützung der Vollzugspolizei nachsuchen darf. Die Ermächtigung zu solchen Maßnahmen unmittelbarer Gewalt auf ausländischem Gebiet sei aber bereits als Setzen eines Hoheitsaktes auf fremdem Staatsgebiet zu werten503. Auf Grund dieser Argumentation sah sich das Gericht gezwungen, das Urteil statt der Vollstreckung nach § 887 ZPO durch Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO zu vollstrecken, weil bei dieser Zwangsmaßnahme der Zwang auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt bleibt504. Diese Argumentation des OLG Stuttgart ist mit einer sauberen Subsumtion unter das abgeschwächte Territorialitätsprinzip nicht vereinbar. Denn die im Ermächtigungsbeschluss mit angeordnete Duldungspflicht stellt lediglich eine zulässige Erstreckung des Regelungsbereichs des Beschlusses auf das Ausland dar, ohne dass die Bundesrepublik Deutschland sich zugleich anmaßt, auch den Geltungsbereich auf ausländisches Territorium zu erstrecken. Ob die ausländischen Vollstreckungsorgane diesen deutschen Staatsakt „Ermächtigungsbeschluss“ nämlich anerkennen und bei Bestehen einer § 892 ZPO entsprechenden Norm in ihrer Rechtsordnung auf Grund des Beschlusses Zwang zur Durchsetzung der Duldungspflicht gegen den Vollstreckungsschuldner ausüben, bleibt ihnen überlassen505. Demnach ist selbst in den Fällen, in denen mit dem Ermächtigungsbeschluss gemäß § 887 ZPO eine auf das Ausland bezogene Duldungspflicht angeordnet werden muss, die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung im Ausland mit dem Territorialitätsprinzip vereinbar, so dass diese Vollstreckungsart bei Titeln, die zur Vornahme vertretbarer Handlungen im Ausland anordnen, generell völkerrechtlich unbedenklich 503
Vgl. Münzberg, ZZP 97 (1984), 489. OLG Stuttgart ZZP 97 (1984), 488. 505 Im Ergebnis ebenso Münzberg, ZZP 97 (1984), 489, 490 f. Dennoch war die Entscheidung des OLG Stuttgart a. a. O. im Ergebnis richtig, da regelmäßig nicht damit zu rechnen ist, dass die ausländischen Vollstreckungsorgane auf Grund des deutschen Ermächtigungsbeschlusses die Duldungspflicht des Schuldners zwangsweise durchsetzen werden. Da auf Grund dessen die Vornahme der geschuldeten Handlung nur vom Willen des Schuldners abhängt, nämlich davon, ob er die Ersatzvornahme duldet oder die Handlung selbst freiwillig vornimmt, ist die Anwendung des § 888 ZPO unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes gerechtfertigt (Münzberg, ZZP 97 (1984), 489, 491 f.). 504
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ist. Aus alledem folgt indes, dass schon die Prämisse Mühlhausens, die Vollstreckung im Ausland vorzunehmender vertretbarer Handlungen gemäß § 887 ZPO sei nach h. M. generell mangels deutscher Gerichtsbarkeit unzulässig, nicht zutrifft. Dennoch soll bei den nachfolgenden Überlegungen unterstellt werden, die Prämisse Mühlhausens sei richtig. Es lässt sich nämlich zeigen, dass selbst unter Zugrundelegung dieser Prämisse der ausländische Erfüllungsort für die deutsche Gerichtsbarkeit ohne Belang ist. Dabei sind zunächst einmal zwei von Mühlhausen miteinander vermengte Dinge sorgsam voneinander zu unterscheiden: die titulierte Geldforderung, die im Wege der Pfändung nach §§ 828 ff. ZPO vollstreckt wird, und die Forderung, auf die als Vollstreckungsobjekt mittels Pfändung zugegriffen werden soll. Zunächst einmal soll untersucht werden, welche Bedeutung es für die völkerrechtliche Betrachtung hat, wenn der Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung auf ausländischem Territorium liegt. Wenn der Erfüllungsort im Ausland liegt, bedeutet dies materiell-rechtlich, dass die geschuldete Leistungshandlung auf ausländischem Territorium zu erbringen ist506. Daraus will Mühlhausen herleiten, dass arrestatorium und inhibitorium, die auf diese auf fremdem Territorium zu erbringende Handlung einwirken, völkerrechtlich unzulässige extraterritoriale Geltung beanspruchende Hoheitsakte sind. Diese Argumentation übersieht indes, dass arrestatorium und inhibitorium – wie bereits dargelegt – gerade keine mit Zwangsgewalt durchsetzbaren hoheitlichen Befehle darstellen. Selbst wenn man ihnen nämlich – entgegen der hier vertretenen Auffassung – Befehlscharakter zuerkennen wollte, so ist doch jedenfalls unstrittig, dass diese Befehle nicht erzwingbar sind507. Damit fehlt es aber an einer wesentlichen Voraussetzung für die Ausdehnung des Geltungsbereichs auf fremdes Territorium. Vielmehr ist es auch bei ausländischem Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung nicht anders als bei inländischem Erfüllungsort aber ausländischem Drittschuldnersitz/wohnsitz: In beiden Fällen erstreckt sich der Geltungsbereich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur auf das deutsche Staatsgebiet. „Verstößt“ der Drittschuldner nämlich bei ausländischem Erfüllungsort gegen das arrestatorium, so wird er gemäß §§ 136, 135 BGB im Bereich des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland nicht von seiner Schuld befreit. „Verstößt“ der Vollstreckungsschuldner gegen das inhibitorium, so ist seine Verfügung gemäß §§ 136, 135 BGB für das Gebiet der Bundesrepublik dem Vollstreckungsgläubiger508 gegenüber unwirksam509. Ob der 506
Vgl. statt vieler: Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 269 Rdnr. 1. Selbst Mühlhausen, WM 1986, 985, 989 muss dies einräumen, wobei seine Überlegungen, ob etwa das arrestatorium nach § 887 f. ZPO vollstreckt werden könnte, auf dem Boden des geltenden Rechts selbst als reine Hypothese seltsam anmutet. 507
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Staat, in dem der Erfüllungsort belegen ist, dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die gleiche Wirkung zuerkennt, ist wiederum seine Sache. Deshalb stellen inhibitorium und arrestatorium auch bei ausländischem Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung keinen völkerrechtswidrigen Übergriff in die Gerichtshoheit des fremden Staates dar. Aber auch der Hinweis, dass es bei der Forderungspfändung um die Erwirkung einer vertretbaren Handlung, der Geldzahlung, gehe, so dass diese mit (angeblich) völkerrechtswidrigen Zwangsmaßnahmen gemäß § 887 ZPO zur Erwirkung vertretbarer Handlungen im Ausland vergleichbar sei, geht bezogen auf den ausländischen Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung eindeutig (!) fehl. In den für die völkerrechtliche Bewertung entscheidenden Punkten sind die beiden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nämlich gerade nicht miteinander vergleichbar: Soweit es um den Drittschuldner geht, handelt es sich wie bereits dargelegt bei der Pfändung nach §§ 828 ff. ZPO gerade nicht um eine gegen diesen gerichtete Zwangsmaßnahme, mit der er final zu einem Verhalten veranlasst werden soll. Soweit es dagegen um den Vollstreckungsschuldner geht, handelt es sich bei der Beschlagnahme infolge der Pfändung zwar um eine gegen diesen gerichtete Zwangsmaßnahme, die ebenso wie eine Zwangsmaßnahme nach § 887 ZPO zur zwangsweisen Erwirkung einer vertretbaren Handlung dient. Stellt man aber, wie Mühlhausen, auf den ausländischen Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung ab, so besteht der entscheidende völkerrechtlich relevante Unterschied zwischen der Vollstreckung einer Geldforderung durch Pfändung einer Forderung mit ausländischem Erfüllungsort und der Vollstreckung einer vertretbaren Handlung im Ausland gemäß § 887 ZPO darin, dass bei der Vollstreckung der Geldforderung die zu erwirkende Handlung (Geldzahlung auf die titulierte Forderung) gerade nichts mit dem Ausland zu tun hat, so dass bei der Forderungspfändung einer Forderung mit ausländischem Erfüllungsort kein Zwang zur Vornahme einer Auslandshandlung ausgeübt wird. Ein solcher potentiell völkerrechtswidriger Zwang zur Vornahme einer Zahlung im Ausland könnte daher auf Grund der Überlegungen Mühlhausens allenfalls bei der Vollstreckung einer Geldforderung mit ausländischem Erfüllungsort im Wege der Forderungspfändung ausgeübt werden. 508 Die ganz h. M. geht davon aus, dass die gegen das Drittschuldnerverbot verstoßende Zahlung wegen §§ 135, 136 BGB (nur) dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber unwirksam ist. Diese Auffassung wird von G. Lüke, Zwangsvollstreckungsrecht, Nr. 184 mit beachtlichen Argumenten abgelehnt. Er meint, die ganz h. M. lasse außer Acht, dass der Überweisungsbeschluss die Befugnisse des Gläubigers erweitert. Dies müsse konsequent zu Ende gedacht dazu führen, dass die Zahlung an den Vollstreckungsschuldner Leistung an einen Nichtberechtigten bedeute und mangels Erfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) absolut unwirksam sei. 509 Vgl. statt vieler: Stöber in: Zöller, ZPO, § 829 Rdnr. 18.
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Daher stellt sich die Frage, ob nicht zumindest in den Fällen, in denen die zu vollstreckende (titulierte) Geldforderung an einem ausländischen Erfüllungsort zu erbringen ist, die Forderungspfändung wegen des drohenden Übergriffs in fremde Gebietshoheit zu unterbleiben hat. Hier spielt wiederum das Argument Mühlhausens eine Rolle, die Geldforderung sei auf eine vertretbare Handlung gerichtet, so dass ihre Erzwingung bei ausländischem Erfüllungsort völkerrechtlich nicht anders zu bewerten sei als die Erzwingung einer vertretbaren Handlung im Ausland gemäß § 887 ZPO. Diese Begründung hat die Schwäche, dass die Durchsetzung der Geldforderung im Wege der Forderungspfändung selbst bei ausländischem Erfüllungsort der titulierten Forderung im Gegensatz zur Ersatzvornahme einer im Ausland zu erbringenden Handlung gemäß § 887 ZPO nicht ortsgebunden ist. Deshalb fehlt es in diesem Fall anders als bei der Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO an jeglichem Ansatzpunkt für eine Verletzung der Gebietshoheit des fremden Staates. Bei ausländischem Erfüllungsort der titulierten Forderung ist die Forderungspfändung mithin mit Blick auf das Territorialitätsprinzip völkerrechtlich unbedenklich. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Territorialitätsprinzip einer Forderungspfändung weder bei ausländischem Erfüllungsort der gepfändeten noch bei ausländischem Erfüllungsort der titulierten Forderung entgegensteht510. (3) 3. Ansatzpunkt für eine Verletzung dieses Verbotes bei der internationalen Forderungs- bzw. Rechtspfändung: Auslandsbelegenheit der zu pfändenden Forderung bzw. des zu pfändenden Rechts Ein letzter Anknüpfungspunkt für die Verletzung des Verbots der Setzung von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet durch eine internationale Forderungs- bzw. Rechtspfändung könnte sich auf Grund deren Zwangswirkungen (Beschlagnahme, zwangsweise Begründung eines Einziehungsrechts bzw. zwangsweise Rechtsübertragung auf den Vollstreckungsgläubiger) aus der Auslandsbelegenheit der zu pfändenden Forderung bzw. des zu pfändenden Rechts ergeben. Eine derartige Auslandsbelegenheit einer Forderung bzw. eines Rechts würde nämlich einen Vergleich mit der Pfändung im Ausland belegener körperlicher Sachen nahe legen. Deren Belegenheit ergibt sich nicht aus einer die Wirklichkeit ausblendenden normativen Anordnung („Fiktion“), sondern auf Grund ihrer Körperlichkeit aus der „Natur der Sache“ heraus. Dabei wird die Pfändung körperlicher Sachen gemäß §§ 808 ff. ZPO nach allgemeiner Ansicht auf Grund der bei ihr bestehen510
Im Ergebnis ebenso: Reichel, AcP 131 (1929), 293, 299.
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den Notwendigkeit des Tätigwerdens des Gerichtsvollziehers auf fremdem Territorium als klassischer Fall des Verstoßes gegen das aus dem Territorialitätsprinzip abgeleitete Verbot des Setzens eines Hoheitsaktes auf fremdem Territorium gewertet511. Das gleiche gilt insbesondere auch für die von der ZPO zu den körperlichen Sachen gerechneten Wertpapiere (vgl. §§ 808 Abs. 2, 821 ZPO) und für Forderungen aus indossablen Papieren, die gemäß § 831 ZPO ebenso wie Wertpapiere durch vom Gerichtsvollzieher vollzogene Wegnahme beim Vollstreckungsschuldner gepfändet werden512. Im Hinblick auf dieses Verbot vermag ein Vergleich beider Fallgestaltungen auf der Grundlage des abgeschwächten Territorialitätsprinzips indes nur dann zu tragen, wenn man wegen der Rechtsfolgen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in diesem ebenso wie in der körperlichen Beschlagnahme durch den Gerichtsvollzieher auf fremdem Territorium eine völkerrechtswidrige Erstreckung des Geltungsbereichs eines deutschen Hoheitsaktes auf fremdes Territorium sehen würde. Dies setzt allerdings voraus, dass es völkergewohnheitsrechtliche Regeln über die Belegenheit einer Forderung bzw. eines Rechts gibt. Da eine Forderung bzw. ein sonstiges Vermögensrecht als unkörperliches gedankliches Konstrukt anders als eine körperliche Sache nicht kraft Natur der Sache territorial fixierbar ist, mit anderen Worten „überall und nirgends“ belegen ist513, müsste eine völkergewohnheitsrechtliche Regel zur Rechts- bzw. Forderungsbelegenheit auf eine Fiktion zurückgreifen514. Als Anknüpfungspunkte für eine solche Fiktion ist vielerlei denkbar: Die Regel könne etwa an den Schuldnerwohnsitz/sitz (bezogen auf das Vollstreckungsverfahren: Drittschuldnerwohnsitz/sitz), an den Gläubigerwohnsitz/sitz (im Vollstreckungsverfahren: Vollstreckungsschuldnerwohnsitz/sitz), an den Ort, an dem die Forderung eingeklagt werden kann oder an die Lage des Schuldnervermögens (im Vollstreckungsverfahren: Drittschuldnervermögens) anknüpfen515. Wiewohl die im deutschen Recht bei der Regelung des Vermögensgerichtsstands gewählte Lösung (vgl. § 23 S. 2 ZPO), nach der Forderungen bzw. Rechte als am Schulderwohnsitz belegen fingiert werden, international starke Verbreitung gefunden hat516, ist die Staatenpraxis in 511 Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 18; Schack, Rpfleger 1980, 175; Mühlhausen, WM 1986, 957, 958; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 556 Fußn. 40. 512 Mühlhausen, WM 1986, 957, 958; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 556 Rdnr. 40. 513 So die plastische Formulierung von Schack, Rpfleger 1980, 175; ähnlich schon Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 13: „Eine Forderung ist etwas rein Gedachtes, in Wirklichkeit liegt sie nirgendwo“. 514 Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 19; Schack, Rpfleger 1980, 175, ders., IZVR Rdnr. 960. 515 Schack, Rpfleger 1980, 175, ders., IZVR Rdnr. 960.
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dieser Frage insgesamt doch so uneinheitlich, dass diese Belegenheitsfiktion nicht zum Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist517. Dies gilt umso mehr für die anderen denkbaren und andernorts praktizierten Lösungen. Insgesamt kann man demnach feststellen, dass es keine völkergewohnheitsrechtliche Regel zur Fingierung der Belegenheit einer Forderung bzw. eines Rechts gibt518. Selbst wenn man dem aber nicht folgen und mithin die in der Staatenpraxis am weitesten verbreitete Lösung der Fingierung der Forderungs- bzw. Rechtsbelegenheit am Schuldnerwohnsitz/sitz (d.h. hier: Drittschuldnerwohnsitz/sitz) zu einer völkergewohnheitsrechtsfähigen Staatenpraxis aufwerten wollte, würde dies noch nicht zur Begründung eines völkergewohnheitsrechtlichen Satzes zur fiktiven Forderungs- bzw. Rechtsbelegenheit ausreichen. Denn dann würde es jedenfalls an der für das Entstehen von Völkergewohnheitsrecht nötigen Rechtsüberzeugung der diese Regelung praktizierenden Staaten von deren völkerrechtlicher Gebotenheit fehlen. Denn zahlreiche Rechtsordnungen, die diese Belegenheitsfiktion kennen, ziehen aus ihr keine auf eine Überzeugung von ihrer völkerrechtlichen Gebotenheit hindeutenden rechtlichen Konsequenzen, indem sie etwa die internationale Zuständigkeit ihrer Vollstreckungsorgane zur Forderungspfändung auch für den Fall vorsehen, dass der Drittschuldner seinen Sitz/Wohnsitz in einem anderen Staat hat, der Sitz/Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners aber in ihrem Territorium liegt519. Wenn demnach die Forderungspfändung generell schon mangels völkerrechtsverbindlicher Bestimmung der Forderungsbelegenheit keine mit der Sachpfändung auf fremdem Territorium vergleichbare Erstreckung des Geltungsbereichs eines deutschen Hoheitsaktes auf fremdes Territorium darstellt, könnte dies schon eher bei der Pfändung sonstiger Vermögensrechte gemäß § 857 ZPO in Betracht kommen. Zwar ist jedwedes Recht ebenso wie eine Forderung ein gedankliches Konstrukt, das mangels Körperlichkeit überall und nirgends belegen ist520, jedoch gibt es Vermögensrechte, die 516
I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 33. Schack, IZVR Rdnrn. 960 und 982; R. Geimer, IZPR Rdnr. 408; zweifelnd I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 34, die diese Frage letztlich offen stehen lässt. 518 Schack, IZVR Rdnr. 960; R. Geimer, IZPR Rdnr. 406. 519 So auch I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 34, die insoweit allerdings mit dem objektiven Element für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht argumentiert. 520 Vgl. etwa für das Urheberrecht: M. Junker, Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 185 m. w. N.; a. A. Schramm, GRUR 1958, 480, wonach Immaterialgüterrechte eine doppelte Belegenheit aufweisen, nämlich einerseits am Ort der Verleihung (z. B. Sitz des nationalen Patentamts) und andererseits am Wohnsitz des Rechtsinhabers, der „das Recht gleichsam mit sich trage“. Diese Lösung ist indes 517
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anders als Geldforderungen ihrer Natur, insbesondere ihrem Inhalt, nach einen besonders engen inhaltlichen Bezug zu einem Territorium aufweisen. Bei solchen Rechten, die man in Anlehnung an Gottwald als „territorial gebundene Vermögensrechte“ bezeichnen kann521, könnte man erwägen, dass sie eine derartig enge inhaltliche Verbindung zum Territorium eines anderen Staates aufweisen, dass sich kein Kriterium, das die Wertung rechtfertigt, das Recht sei ebenso gut im Inland wie im Ausland belegen, finden lässt. Solche Rechte wären dann zwar auch nicht auf Grund einer völkerrechtlich verbindlichen Belegenheitsfiktion, die es ja nicht gibt, auf einem bestimmten Territorium belegen. Jedoch könnte man für sie eine Analogie zur Belegenheitsbestimmung körperlicher Sachen bilden, deren völkerrechtliche Verbindlichkeit sich nicht aus einer Fiktion, sondern aus der „Natur der Sache“ heraus rechtfertigt. Ob eine solche Analogie geboten ist, kann man indes erst beantworten, wenn man geklärt hat, welche Vermögensrechte in der vorliegenden Arbeit mit dem Begriff „territorial gebundene Vermögensrechte“ überhaupt gemeint sind. Unter diesem Begriff sollen alle Rechte zusammengefasst werden, die ihrer Natur nach ein absolutes Recht darstellen, das seinem Inhalt nach auf ein bestimmtes Territorium bezogen ist und daher auch nur innerhalb eines bestimmten Territoriums gilt. Als solche Rechte kommen insbesondere alle vom Grundstückseigentum abgespaltenen beschränkt dinglichen Rechte, vor allem also die Grundpfandrechte, ebenso wie die Immaterialgüterrechte in Betracht522. In dieser Aufzählung mögen die Immaterialgüterrechte auf den ersten Blick überraschen. Dies deshalb, weil man mit ihnen weit weniger einen territorialen Bezug assoziiert als etwa mit Grundpfandrechten. Dennoch sind Immaterialgüterrechte nach auch international ganz h. M. aus materiell-rechtlichen Gründen an ein bestimmtes Territorium gebunden. Dies deshalb, weil danach für diese Rechte – das national-sachrechtlich523 und nicht etwa völkerrechtlich zu verstehende – Territorialitätsprinzip gilt, wokeineswegs zwingend und kann sich daher anders als die von Schramm ausdrücklich zum Vergleich herangezogene Belegenheit körperlicher Gegenstände nicht auf die „Natur der Sache“ stützen lassen; wieder anders: Nussbaum, Deutsches IPR, S. 419 einschließlich Fußn. 7, wonach Immaterialgüterrechte nur im Verleihungsstaat zu belegen seien. 521 Gottwald, IPRax 1991, 285, 290. 522 Vgl. die weitergehende Aufzählung bei Jahr, die indes nicht mit Blick auf das Völkergewohnheitsrecht, sondern mit Bezug auf das prozessrechtliche Kollisionsrecht erfolgt und daher für die vorliegende Prüfung zu weit geht. 523 So die ganz h. M., die dem Territorialitätsprinzip einen sachrechtlichen statt eines kollisionsrechtlichen Gehaltes beimisst: vgl. M. Junker, Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 175 m. w. N. Der materiell-rechtliche Territorialitätsgrundsatz ist auch nicht ohne weiteres auf das Prozessrecht übertragbar: vgl. Otte, IPRax 2001, 315, 317.
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nach Immaterialgüterrechte in ihrer Wirkung und Geltung auf das Territorium desjenigen Staates begrenzt sind, der sie gesetzlich anerkennt oder verleiht524. Für die Konsequenzen dieses Territorialitätsprinzips für die Immaterialgüterrechte sind viele bildhafte Umschreibungen bemüht worden, unter denen sich das von Kegel verwandte Bild525, wonach dem Inhaber eines Immaterialgüterrechts statt eines weltweit geltenden einheitlichen Immaterialgüterrechts ein ganzes „Bündel“ nationaler Schutzrechte zusteht, wohl am weitesten verbreitet ist526. Soweit die Pfändung eines so verstandenen territorial gebundenen Vermögensrechts zum Wirksamwerden denknotwendig die Mitwirkung einer ausländischen Behörde voraussetzt, könnte man schon im Hinblick darauf die deutsche Gerichtsbarkeit bezweifeln. Eine solche zwingende Mitwirkung einer ausländischen Behörde ist immer dann zu bejahen, wenn wie etwa im Fall der Buchhypothek/grundschuld (§ 830 Abs. 1 S. 3, ggf. i.V. m. § 857 Abs. 6 ZPO), eine Eintragung in ein ausländisches öffentliches Register erforderlich ist, um die Wirksamkeit der Pfändung herbeizuführen. Indes genügt eine solche zwingende Mitwirkung einer ausländischen Behörde als solche nicht, um einen Übergriff in fremde Souveränität zu bejahen527. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugleich eine gerichtliche Anweisung an die ausländische Registerbehörde enthielte, die Eintragung auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorzunehmen. Zwar ist etwa in § 830 Abs. 1 S. 3 ZPO in der Tat davon die Rede, dass bei der Pfändung von Buchhypotheken/grundschulden die Eintragung der Pfändung in das Grundbuch „auf Grund des Pfändungsbeschlusses“ erfolgt. Dies ist aber nicht gleichbedeutend mit einer unzulässigen Anweisung des Vollstreckungsgerichtes an die 524 Vgl. umfassend: M. Junker, Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 170 ff. sowie speziell auf das Patentrecht bezogen: Otte, IPRax 2001, 315, 316 f. m. w. N. Diese Auffassung soll auf Grund ihrer praktisch dominierenden Stellung gegenüber der insbesondere im deutschsprachigen Raum von Schack für das Urheberrecht vertretenen Meinung, wonach ein nach der Rechtsordnung des Ursprungslandes gewährtes Urheberrecht grundsätzlich weltweite Geltung beanspruchen könne („Universalitätsprinzip“), zu Grunde gelegt werden. Eine Stellungnahme zu diesem Streit ist angesichts der Aufgabenstellung dieser Arbeit weder erforderlich noch beabsichtigt. 525 Kegel, in: Soergel, BGG, Anh. nach Art. 7 EGBGB, Rdnrn. 23 f., 28 zur sogen. „Bündeltheorie“. 526 Vgl. M. Junker, Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 172. 527 A. A. offenbar Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts, Band I, S. 109 f. Fußn. 34 und Fußn. 40 und Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 7 f., die eine Inlandspfändung für unzulässig halten, wenn zur Entstehung des Pfandrechts der Eintrag in ausländische öffentliche Bücher erforderlich ist und sich zur Begründung dieses Ergebnisses auf die fehlende deutsche Vollstreckungsgewalt und mithin auf das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip berufen.
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ausländische Registerbehörde. Vielmehr kommt es im Fall des § 830 Abs. 1 S. 3 ZPO auch bei inländischen Pfändungen nicht einmal zu einem Eintragungsersuchen seitens des Vollstreckungsgerichts beim Grundbuchamt, da der Vollstreckungsgläubiger selbst bei der Registerbehörde die Eintragung beantragen muss528. Ob aber bei einer grenzüberschreitenden Pfändung die vom Vollstreckungsgläubiger mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss angegangene ausländische Registerbehörde auf Grund des deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Eintragung vornehmen will, bleibt ihr überlassen. Dies schon deshalb, weil ohnehin die Organe jeden Staates verbindliche Weisungen nur von übergeordneten Organen ihres eigenen Staates befolgen müssen, ferner aber auch deshalb, weil der deutsche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss seinem Wortlaut nach keinerlei Weisung an die ausländische Registerbehörde ausspricht und auch erkennbar nicht aussprechen will. Nicht anders also als bei der Unterscheidung von Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und dessen Zustellung an den Schuldner/Drittschuldner muss man in diesen Fällen bei der völkerrechtlichen Betrachtung den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und die Registereintragung voneinander unterscheiden und getrennt bewerten. Ebenso verhält es sich aber mit der Pfändung der durch Briefhypothek gesicherten Forderung oder einer Briefgrundschuld, die anders als bei der Forderungspfändung nicht mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an einen Drittschuldner und anders als bei der Pfändung von Buchrechten nicht mit der Eintragung der Pfändung ins Grundbuch wirksam werden, sondern – für den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner nicht freiwillig mitwirkt – erst mit der Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher (§ 830 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hier kommt natürlich eine Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher auf fremdem Territorium aus völkerrechtlichen Gründen von vorneherein nicht in Betracht. Da aber die Briefwegnahme als Zustellungssurrogat anzusehen ist und daher Pfändungsbeschluss und Briefwegnahme aus den gleichen Gründen wie Pfändungsbeschluss und Zustellung als zwei verschiedene Hoheitsakte völkerrechtlich getrennt zu werten sind, stellt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in diesen Fällen nicht zwangsläufig einen unzulässigen Staatsakt auf fremdem Territorium dar. Denn ebenso wie bei der Zustellung ist es denkbar, dass der Vollstreckungsschuldner nebst Brief auf deutschem Territorium angetroffen wird, so dass der deutsche Gerichtsvollzieher die Wegnahme vollziehen kann. Ferner ist es möglich, dass der Vollstreckungsschuldner den Brief freiwillig an den auf deutschem Territorium befindlichen Gerichtsvollzieher herausgibt529. 528
Stöber in: Zöller, ZPO, § 830 Rdnr. 9. Ebenso Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 8; Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts, Band I, S. 110. 529
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Mithin stellt sich bei allen territorial gebundenen Vermögensrechten, gleich ob ihre Pfändung durch Zustellung an den Schuldner oder einen Drittschuldner, durch Eintragung in ein Register oder Wegnahme eines Briefes wirksam wird, die Frage nach der Vereinbarkeit des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit dem Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet in gleicher Weise530. Ein im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip relevanter Unterschied zwischen allen auslandsterritorial gebundenen Rechten auf der einen und Forderungen und sonstigen territorial nicht gebundenen Vermögensrechten auf der anderen Seite könnte darin zu sehen sein, dass bei den ersteren auf Grund deren räumlicher Beschränkung auf fremdes Territorium die Pfändung zwangsläufig ein Recht erfasst, das nur in fremdem Staatsgebiet gilt. Damit würde der Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bezüglich eines solchen Rechtes im Gegensatz etwa zur Pfändung und Überweisung einer Forderung mit Auslandsbezug von vorneherein nur darauf ausgerichtet sein, eine Rechtsfolge in fremdem Staatsgebiet herbeizuführen, also „grenzüberschreitende Rechtsfolgen“, zu setzen. Dieser auf den ersten Blick erhebliche Unterschied führt aber dennoch nicht zu einer anderen völkerrechtlichen Bewertung bezogen auf das Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet. Denn eine Rückbesinnung auf den Inhalt des heute geltenden abgeschwächten Territorialprinzips macht deutlich, dass auch ein Hoheitsakt, der darauf gerichtet ist, im Ausland Rechtsfolgen zu erzeugen, keineswegs per se völkerrechtswidrig 530 A. A. Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 7 f., der bei Grundpfandrechten an auslandsbelegenen Grundstücken danach unterscheiden will, ob es sich um Brief- oder Buchgrundpfandrechte handelt und dabei die Buchgrundpfandrechte mit der Begründung von der deutschen Vollstreckungsgewalt ausnehmen möchte, dass deren Pfändung ein physisches Übergreifen deutscher Staatsorgane über die Grenze hinweg voraussetzen würden. Dieser Ansatz übersieht indes, dass der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und die Registereintragung hinsichtlich ihrer völkerrechtlichen Relevanz getrennt bewertet werden müssen, was Rosenbaum etwa für die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner bei Forderungen oder die Wegnahme des Hypothekenbriefs bei hypothekarisch gesicherten Forderungen, deren Surrogat aber die Registereintragung bei Buchgrundpfandrechten darstellt, wie selbstverständlich praktiziert. Bei der Pfändung von Buchgrundpfandrechten ist aber keineswegs ein physisches Tätigwerden deutscher Organe auf ausländischem Territorium erforderlich. Vielmehr ist hier theoretisch vorstellbar, was Rosenbaum übersieht, dass die ausländischen Registerbehörden den deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss anerkennen und durch Registereintragung vollziehen (vgl. z. B. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3209, der es mit Recht als völkerrechtsmäßig ansieht, wenn ein französisches Gericht die Eintragung einer Zwangshypothek auf einem Grundstück in München anordnen würde). Eine andere, noch zu untersuchende Frage, ist es indes, ob deutsche Vollstreckungsgerichte für die Pfändung von Buchgrundpfandrechten an auslandsbelegenen Grundstücken international zuständig sind.
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ist. Entscheidend ist nur, dass die staatliche Maßnahme sich darauf beschränkt, ihren Regelungsbereich auf das fremde Territorium zu erstrecken, ohne zugleich auch ihren Geltungsbereich über die deutsche Grenze hinaus auszudehnen. Dies aber ist auch bei der Pfändung und Überweisung der hier erörterten „territorial gebundenen Rechte“ der Fall. Denn gleich, ob der Pfändungsakt nach deutscher lex fori noch eines staatlichen Mitwirkungsaktes im Ausland bedarf (wie z. B. bei der Pfändung eines ausländischen Buchrechts) oder nicht, kann er per se im Ausland nur Rechtsfolgen auslösen, wenn der ausländische Staat bei den mitwirkungsbedürftigen Pfändungsakten den deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss anerkennt und den Mitwirkungsakt (z. B. die Registereintragung) vollzieht oder wenn er bei den nicht mitwirkungsbedürftigen Pfändungsakten (z. B. Zustellung des auf ein ausländisches Urheberrecht bezogenen Pfändungsund Überweisungsbeschlusses an den Urheber auf deutschem Boden) den deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss anerkennt. Beides aber bleibt seiner souveränen Entscheidung vorbehalten, so dass der Pfändungsund Überweisungsbeschluss als unkörperliche Zwangsmaßnahme in keinem Fall auf Grund einer Auslandsbelegenheit des gepfändeten Rechts als völkerrechtswidriges, fremde Vollstreckungshoheit verletzendes Setzen eines Hoheitsaktes auf fremdem Territorium gewertet werden kann531. Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit der Völkerrechtslage bei grenzüberschreitenden Insolvenzen bestätigt. Das internationale Insolvenzrecht kann nämlich anders als das in diesem Zusammenhang ebenfalls oft bemühte internationale Enteignungs- und Konfiskationsrecht532 als treffliche Vergleichsgrundlage dienen, weil es zum einen ebenfalls ein Zwangsvollstreckungsverfahren regelt und weil es beim Insolvenzverfahren anders als bei Enteignung und Konfiskation nicht um politisch motivierte Eingriffe geht, die den egoistischen Interessen des Staates dienen, sondern um Eingriffe, die – ebenso wie das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO – Gerechtigkeit zwischen einzelnen Privatrechtssubjekten herstellen soll533. Diese Gemeinsamkeit von Gesamtvollstreckungs- und Einzelzwangsvollstreckungsverfahren kann man auch durch den gemeinsamen Oberbegriff „Justizhoheitsakte im Dienste der Privatrechtspflege“ besonders anschaulich zum Ausdruck bringen534 In Übereinstimmung mit einer weltweit stark verbreiteten Staatenpraxis535 geht das deutsche internationale Insolvenzrecht 531
Grundlegend Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 282 f. Vgl. etwa: Schack, Rpfleger 1980, 175; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 46 f. 533 BGHZ 95, 256, 265, Urt.v. 11.07.1985 – IX ZR 178/84; Müller-Freienfels, in: FS Dölle Band 2, 359, 364 f. 534 Angelehnt an Müller-Freienfels, in: FS Dölle, Band 2, 359, 366, der diesen Begriff a. a. O. indes nur zur Kennzeichnung des Insolvenzverfahrens verwendet. 532
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vom sogenannten Universalitätsprinzip aus, wonach die spezifisch insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen536 eines Insolvenzverfahrens das gesamte Vermögen des Schuldners erfassen, gleich ob es im Inland oder im Ausland belegen ist oder von den betroffenen Rechtsordnungen als im Inland oder Ausland belegen fingiert werden537. Dies bedeutet, dass die spezifisch insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen eines in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahrens das gesamte Auslandsvermögen des Gemeinschuldners erfassen (§ 1 KO und jetzt § 35 InsO) (sogen. „Auslandswirkungen des Inlandskonkurses“) und dass die spezifisch insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen eines anerkennungsfähigen ausländischen Insolvenzverfahrens auch in Deutschland belegenes Schuldnervermögen erfassen (Art. 102 EGInsO) (sogen. „Inlandswirkungen des Auslandskonkurses“)538. Weitgehend Gleiches gilt für den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland im Anwendungsbereich der EG-Verordnung Nr. 1346/2000 vom 29.05.2000 über das Insolvenzverfahren (InsolvenzVO)539, die funktionell das politisch gescheiterte Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren ersetzt, da auch die InsolvenzVO vom Universalitätsprinzip ausgeht540, wovon in Art. 5 lediglich dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners, die sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates befinden, ausgeklammert werden. Dies allerdings nicht mit Rücksicht auf irgendwelche Souveränitätsbedenken einzelner Mitgliedsstaaten, sondern aus Zweckmäßigkeitsgründen mit Rücksicht darauf, dass die Sicherungsrechte und die Vorrechte einzelner Gläubiger im Insolvenzverfahren in den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet sind541. Diese Staatenpraxis macht deutlich, dass eine Vielzahl von Staaten überhaupt keine völkerrechtlichen Bedenken haben, mittels Insolvenzverfahren ihrer Gerichte auf Auslandsvermögen eines Gemeinschuldners zuzugreifen, selbst wenn es sich bei diesem Vermögen um territorial gebundene Vermögensrechte im Sinne unserer Terminologie, ja selbst um körperliche Gegenstände wie bewegliche Sachen oder Grundstücke handelt. Die bei dieser Praxis für das subjektive Element von Völkergewohnheitsrecht wesentliche Rechtsüberzeugung von der Unbe535
I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 44 f. m. N. Zu dieser zutreffenden Beschränkung der Reichweite des Universalitätsprinzips vgl. Jahr, Internationales Konkursrecht, A I. 537 Vgl. Gottwald, in: FS 50 Jahre BGH, Band 3, 819 f. 538 Jahr, Internationales Konkursrecht, A I. 539 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.06.2000, S. 1–18. Vgl. zur InsolvenzVO: Eidenmüller, IPRax 2001, 2 ff. 540 Siehe Erwägungsgrund 12 der Verordnung: „Dieses Verfahren hat universale Geltung mit dem Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen“. 541 Siehe Erwägungsgrund 11 der Verordnung. 536
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denklichkeit dieses Vorgehens lässt sich besonders anschaulich mittels der Staatenpraxis der Bundesrepublik Deutschland belegen. Der BGH legte nämlich in ständiger Rechtsprechung § 1 KO mit Rücksicht auf dessen Wortlaut („gesamtes Vermögen“) und den Zweck des Konkursverfahrens, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen, so aus, dass ein in Deutschland eröffnetes Konkursverfahren auch das gesamte im Ausland belegene Vermögen des Gemeinschuldners erfassen sollte542. Dabei war er sich der potentiell völkerrechtlichen Relevanz seiner Rechtsprechung im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip durchaus bewusst, hielt sie aber in seiner Grundsatzentscheidung zur Problematik „Auslandswirkungen des Inlandskonkurses“ unter Berufung auf MüllerFreienfels für ohne weiteres mit dem Völkerrecht vereinbar543. Dieser hatte in einem grundlegenden Beitrag zu dieser Thematik die Auffassung vertreten, für die Konkurseröffnung als Hoheitsakt müssten die allgemeinen Regeln für extraterritoriale Hoheitsakte gelten. Ob die Konkurseröffnung ein solcher extraterritorialer Hoheitsakt sei, richte sich danach, ob der Staat mit ihm extraterritoriale Wirkungen erstrebe, also danach, ob er die spezifisch konkursrechtlichen Folgen des Verfahrens auch auf das Auslandsvermögen des Gemeinschuldners erstrecken wolle oder nicht. Entscheide er sich aber dafür, so sei dies keineswegs ein völkerrechtswidriger Übergriff in die fremde Vollstreckungshoheit, weil es dem fremden Staat überlassen bleibe, ob und gegebenenfalls inwieweit er die spezifisch konkursrechtlichen Rechtsfolgen des vom Gerichtsstaat betriebenen Verfahrens anerkennen wolle oder nicht544. Diese Aussagen überraschen vor dem Hintergrund der hier erarbeiteten Ergebnisse zum Territorialitätsprinzip nicht, sondern fügen sich nahtlos ein in die Erkenntnis, dass extraterritoriale Hoheitsakte völkerrechtlich unbedenklich sind, wenn sie sich darauf beschränken, ihren Regelungsbereich auf fremdes Territorium zu erstrecken. An dieser Rechtslage hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der InsO in Kenntnis der Rechtsprechung des BGH festgehalten, indem er § 35 InsO dem bisher insoweit einschlägigen § 1 KO nachbildete und auf das bewährte Tatbestandsmerkmal „gesamtes Vermögen“ zurückgriff545. Demgegenüber erkannte der BGH auf der Grundlage der KO bis 1985 in ständiger Rechtsprechung unter Berufung auf das Territorialitätsprinzip und die aus ihm angeblich folgende territorial begrenzte Wirkung nationaler Hoheitsakte „Inlandswirkungen eines Auslandskonkurses“ nicht an546. Diesbezüglich vollzog er sodann in seiner grundlegenden Entscheidung vom 11.07.1985 einen radikalen Kurswech542 543 544 545 546
Vgl. Gottwald, in: FS 50 Jahre BGH, Band 3, 819 f. m. w. N. BGHZ 68, 16, 18, Urt. v. 10.12. 1976 – V ZR 175/74. Müller-Freienfels, in: FS Dölle, Band 2, 359, 363 f. Vgl. Gottwald, in: FS 50 Jahre BGH, Band 3, 819 f. Vgl. Gottwald, in: FS 50 Jahre BGH, Band 3, 820 m. w. N.
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sel547, wonach die spezifisch konkursrechtlichen Rechtsfolgen des Auslandskonkurses anerkannt werden sollten, wenn das ausländische Konkursverfahren anerkennungsfähig war. Auch diese Entscheidung fällte der BGH keineswegs ohne völkerrechtliches Problembewusstsein. Vielmehr legte er in den Gründen schlüssig dar, dass für die völkerrechtliche Beurteilung der Inlandswirkungen des Auslandsverfahrens nichts anderes gelten kann als für die Beurteilung der Auslandswirkungen des Inlandsverfahrens, so dass ein ausländisches Verfahren, das spezifisch konkursrechtliche Wirkungen in Deutschland entfalten wolle, bedenkenfrei ist, da es der Bundesrepublik überlassen bleibt, ob sie es für ihre Rechtsordnung anerkennen will oder nicht548. Dieser Entwicklung ist der Gesetzgeber mit der Schaffung der InsO gefolgt, indem er ausländischen Insolvenzverfahren insolvenzspezifische Inlandswirkungen beim Nichtvorliegen bestimmter Anerkennungshindernisse zusprach (Art. 102 Abs. 1 EGInsO). Diese am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland aufgezeigte Staatenpraxis zum internationalen Insolvenzrecht macht deutlich, dass zahlreiche Staaten in diesem Rechtsbereich den staatlichen Beschlagnahmezugriff auf auslandsbelegenes Vermögen getragen von der Rechtsüberzeugung erstreben und anerkennen, dass dieses Verhalten mit dem Territorialitätsprinzip vereinbar ist, weil es dem Staat des Auslandsvermögens freisteht, diese vom Gerichtsstaat intendierten Rechtsfolgen anzuerkennen. Dabei sind die Begründungen jeweils so allgemein gehalten, dass man ohne weiteres davon ausgehen kann, dass es sich hierbei nicht lediglich um eine auf das Insolvenzverfahren beschränkte Besonderheit handeln soll, sondern dass diese Rechtsüberzeugung sich zumindest auf alle Justizhoheitsakte im Dienste der Privatrechtspflege549 und mithin auch auf das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO bezieht. Demnach wird das hier gewonnene Ergebnis, wonach das Territorialitätsprinzip auch bei territorial gebundenen Vermögensrechten dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht entgegen steht, durch eine umfangreiche Staatenpraxis im vergleichbaren Insolvenzverfahrensrecht bestätigt. Nach alledem kann man als Ergebnis der vorstehenden Untersuchungen festhalten, dass das Verbot des Setzens eines Hoheitsaktes auf fremdem Staatsgebiet in keiner denkbaren Konstellation dem Erlass eines Pfändungsbeschlusses entgegensteht550. 547
BGHZ 95, 256 ff., Urt. v. 11.07.1985 – IX ZR 178/84. BGHZ 95, 256, 264 f. 549 Vgl. erneut die allgemein gehaltenen Formulierungen bei Müller-Freienfels, in: FS Dölle, Band 2, 359, 363 f., auf die der BGH in BGHZ 68, 16, 18 zur Begründung seiner völkerrechtlichen Sicht der Dinge pauschal Bezug nahm. 550 Im Ergebnis ebenso: Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 2–7. 548
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bb) Verbot der Vollstreckung in ein auslandsbezogenes Vermögensrecht ohne Bestehen eines genuine link (1) Praktische Handhabbarkeit des genuine-link-Erfordernisses Die grundsätzlichen Bedenken, die gegen das genuine-link-Erfordernis als Schranke der deutschen Vollstreckungsgewalt geltend gemacht werden, haben sich als nicht durchgreifend erwiesen. Der grundsätzliche Einwand, es sei zu unbestimmt, um praktisch brauchbare und gerechte Ergebnisse zu erbringen551, kann ebenfalls vor dem Hintergrund des hier vertretenen Standpunkts zur Völkerrechtsmethodenlehre nicht überzeugen. Die inhaltliche Weite des genuine-link-Satzes ist nämlich keine Besonderheit desselben, sondern ein Charakteristikum der meisten abstrakten Sätze des Völkergewohnheitsrechts. Ihr kann und darf man wegen Art. 25 GG nicht mit der Nichtanwendung des Völkergewohnheitsrechts unter Berufung auf dessen Abstraktheit und auf ein entgegenstehendes nationales Gerechtigkeitskonzept begegnen, sondern nur mit einer teleologischen Auslegung der abstrakten Rechtssätze unter Beachtung des von Verfassungs wegen zu beachtenden Grundsatzes, dass das Recht auf effektiven Vollstreckungsschutz nur so weit eingeschränkt werden darf, wie es der kleinste gemeinsame Nenner des Völkergewohnheitsrechts gebietet. Auch das BVerfG verfährt nicht anders, wenn es den genuine-link-Satz anwendet. In seiner grundlegenden Entscheidung zur Bedeutung des genuine-link-Satzes für die staatliche Regelungs- und Durchsetzungsbefugnis im internationalen Steuerrecht kapitulierte es ebenfalls nicht vor der Unbestimmtheit der abstrakten völkergewohnheitsrechtlichen Norm, sondern legte sie aus und subsumierte sodann den zu entscheidenden Einzelfall unter den so entwickelten Obersatz552. Es ist nicht einzusehen, warum das, was ohne weiteres im internationalen Steuerrecht möglich ist, im internationalen Zivilprozessrecht nicht möglich sein soll. Dabei herrscht in der Völkerrechtslehre Einigkeit darüber, dass der genuine-link-Rechtssatz keinen allgemeingültigen für alle Rechtsgebiete identischen Inhalt hat, sondern dass die von ihm aufgestellten Anforderungen an die inländischen Anknüpfungspunkte des geregelten Sachverhalts von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet variieren553. Hierbei kann man von der Grundregel ausgehen, wonach die Inlandsbeziehungen um so ausgeprägter sein müssen, je mehr eine Norm der Verfolgung staatlicher Interessen dient 551
Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 29. BVerfGE 63, 343, 368–371, Beschl. v. 22.03.1983 – 2 BvR 475/78. 553 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 106 und S. 108; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 29. 552
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und umgekehrt554. Dies bedeutet für die streitige Zivilgerichtsbarkeit (Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren), soweit ihr keine wirtschaftsrechtlichen Materien öffentlich-rechtlichen Charakters oder Einschlags zugewiesen sind, dass die Anforderungen an die Ausprägung der Inlandsanknüpfung nicht überspannt werden dürfen: Sie liegen auf der Skala der Intensitätsanforderungen im Gegensatz zu Gebieten wie dem Steuer- oder Kartellrecht im unteren Bereich555. Dabei ist zur Konkretisierung dieser Anforderungen im Einzelfall von dem vom BVerfG formulierten rechtsgebietsübergreifend verwendbaren Obersatz auszugehen, dass dem genuinelink-Erfordernis genügt ist, wenn die vom extraterritorial handelnden Staat gewählten „Anknüpfungsmomente und ihre Sachnähe einem Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen“556. Die derart definierten Anknüpfungsmomente müssen, wie bereits dargelegt, eine Beziehung zwischen dem vom extraterritorialen Hoheitsakt geregelten Sachverhalt und dem deutschen Territorium herstellen. Bei der internationalen Forderungspfändung ist der geregelte Sachverhalt mit dem Verfahrensgegenstand des Pfändungsverfahrens gemäß §§ 828 ff. ZPO gleichzusetzen und zu beachten, dass zu diesem Verfahrensgegenstand insbesondere das gepfändete Recht und damit auch – mit der Ausnahme drittschuldnerloser Rechte – das Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner gehört557. Da bei der Prüfung des genuine-link-Satzes bei staatlichen Verfahren dem Anknüpfungspunkt „Wohnsitz/Sitz der Verfahrensbeteiligten“ traditionellerweise das größte Gewicht zukommt und sich daran auch regelmäßig die von den Staaten gewählten internationalen Zuständigkeiten ausrichten, sollen nachfolgend die denkbaren Konstellationen, in denen deutsche Gerichtsbarkeit im Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO bei Fällen mit Auslandsbezug mit Blick auf das genuine-link-Erfordernis fraglich sein könnte, unter dem Gesichtspunkt des Wohnsitzes/Sitzes der Verfahrensbeteiligten aufgeteilt und untersucht werden. Dabei soll zunächst einmal von der Forderungspfändung ausgegangen werden. (2) Bestehen eines genuine-link bei der Forderungspfändung Bei der Forderungspfändung lassen sich unter dem Gesichtspunkt des Wohnsitzes/Sitzes der Verfahrensbeteiligten für Forderungspfändungen mit Auslandsberührung acht Fallkonstellationen voneinander unterscheiden: alle drei Verfahrensbeteiligten haben ihren Wohnsitz/Sitz im Inland bzw. Ausland, jeweils einer der Verfahrensbeteiligten hat seinen Wohnsitz/Sitz im In554 555 556 557
Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 29. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 468 ff. BVerfGE 63, 343, 369, Beschl. v. 22.03.1983 – 2 BvR 475/78. Vgl. Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht, Rdnr. 6.
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land, die beiden anderen im Ausland, jeweils einer der Verfahrensbeteiligten hat seinen Wohnsitz/Sitz im Ausland, die anderen beiden im Inland. Von diesen Fallkonstellationen sind sechs unter dem Gesichtspunkt des genuinelink-Erfordernisses unproblematisch. Dies sind alle die Fallkonstellationen, in denen wenigstens entweder der Vollstreckungsschuldner oder der Drittschuldner ihren Wohnsitz/Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Sie sollen zunächst abgehandelt werden. (a) Im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis unproblematische Fallkonstellationen internationaler Forderungspfändungen Liegt wenigstens der Sitz/Wohnsitz entweder des Drittschuldners oder des Vollstreckungsschuldners in der Bundesrepublik Deutschland, so ist eine internationale Forderungspfändung im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis unproblematisch zulässig. Dies deshalb, weil es wegen des Verfahrensgegenstandes der Forderungspfändung auf die Inlandsbeziehungen der gepfändeten Forderung und des ihr zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses ankommt. Dieses Rechtsverhältnis ist aber das Schuldverhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner, in dem ersterer Gläubiger und letzterer Schuldner der gepfändeten Forderung ist. Hat aber entweder der Gläubiger oder der Schuldner der gepfändeten Forderung seinen Wohnsitz/Sitz im Gerichtsstaat, so genügt die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit für das diese Forderung betreffende Pfändungsverfahren im Gerichtsstaat unter Berücksichtigung der im Zivilverfahrensrecht anzulegenden niedrigen Anforderungen an die Anknüpfungsintensität in jedem Falle einem Mindestmaß an Einsichtigkeit, da das Schuldverhältnis als Rechtsbeziehung zwischen zwei Personen konzipiert ist und mithin der Wohnsitz/ Sitz der an diesem Verhältnis beteiligten Personen eine natürliche Nähebeziehung zwischen der aus dem Schuldverhältnis entspringenden Forderung und dem jeweiligen Sitzterritorium herstellt. (b) Im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis problematische Fallkonstellationen internationaler Forderungspfändung Als im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis problematische Fallkonstellationen bleiben mithin die Fälle übrig, in denen weder Vollstreckungsnoch Drittschuldner ihren Wohnsitz/Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dies sind die Fälle, in denen alle Verfahrensbeteiligten ihren Wohnsitz/Sitz im Ausland haben oder lediglich der Vollstreckungsgläubiger seinen Wohnsitz/Sitz im Inland hat. Da es vorliegend nicht um die abstrakte
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Erörterung völkerrechtlicher Rechtsfragen geht, sollen diese Fallkonstellationen auf ihre Vereinbarkeit mit dem genuine-link-Erfordernis hin nur insoweit untersucht werden, als sie in der Gerichtspraxis der Bundesrepublik Deutschland überhaupt praktisch werden können. Dies ist aber nur dann gegeben, wenn in diesen Konstellationen nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften der ZPO überhaupt eine internationale Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts eingreifen könnte. Da an dieser Stelle noch nicht vertieft zur Problematik der internationalen Zuständigkeit Stellung genommen werden soll, wird dabei einfach ohne weitere Vertiefung der Thematik die ganz h. M. zu Grunde gelegt, wonach die internationale Zuständigkeit für das Pfändungsverfahren in §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO geregelt ist558. Nach dem Wortlaut dieser Normen kommt in den hier interessierenden Konstellationen, in denen weder Vollstreckungs- noch Drittschuldner ihren Wohnsitz/ Sitz im Inland haben, eine internationale Zuständigkeit für das Pfändungsverfahren dann in Betracht, wenn eine im Inland belegene Sache als Sicherheit für die zu pfändende Forderung haftet (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 2 Var. 2 ZPO) oder wenn der Vollstreckungsschuldner im Inland sonstiges, von der zu pfändenden Forderung verschiedenes Vermögen hält (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO)559, wozu wegen § 23 S. 2 ZPO auch von der zu pfändenden Forderung zu unterscheidende Forderungen gegen im Inland wohnhafte andere Drittschuldner und für solche Forderungen als Sicherheit haftende im Inland belegene Sachen gehören560. Von diesen beiden nach dem Gesetzeswortlaut begründeten internationalen Zuständigkeiten ist die erstere ohne weiteres mit dem genuine-link-Satz vereinbar, da die Zuständigkeitsanknüpfung an die Inlandsbelegenheit einer für die Forderung haftenden Realsicherheit das erforderliche Mindestmaß an Einsichtigkeit für sich beanspruchen kann. Bei der Anknüpfung an die Inlandsbelegenheit des Vollstreckungsschuldnervermögens (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO) ist dies dagegen nicht so leicht zu bejahen. Ob diese auf Grund des Verweises auf § 23 ZPO nach dem Gesetzestext begründete internationale Zuständigkeit mit dem genuine-link-Erfordernis vereinbar ist, ist sehr problematisch. Dagegen könnte schon im ersten Zugriff sprechen, dass der BGH § 23 ZPO in seiner Funktion als internationalen Gerichtsstand im Erkenntnisverfahren nach einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1991 „in völkerrechtskonformer Auslegung“ dahingehend einschränkend auslegt, dass die Norm nur eingreift, wenn der Rechtsstreit einen hinreichenden Bezug zum Inland hat561. Dabei ist zwar im Hinblick 558
Vgl. statt vieler: Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 828 Rdnr. 4. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1225. 560 Gut gesehen von I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 94, die dies indes irrigerweise für eine eigenständige Fallgruppe hält. 561 BGHZ 115, 90, 93 ff., Urt. v. 02.07.1991 – XI ZR 206/90. 559
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auf das hier zu erörternde genuine-link-Erfordernis bemerkenswert, dass der BGH seine „völkerrechtskonforme Auslegung“ nicht auf dieses Erfordernis gründet, sondern vielmehr umständlich und wenig überzeugend562 auf die völkerrechtliche Vertragspraxis stützt, aus der sich eine Tendenz zur Ächtung oder Einschränkung des Vermögensgerichtsstandes herauslesen lasse563. Jedoch hat das OLG München dieses „Versäumnis“ ausgeräumt und die vom BGH befürwortete völkerrechtskonforme Auslegung methodisch unangreifbar auf das genuine-link-Erfordernis gestützt564. Ob diese völkerrechtskonforme Auslegung des § 23 ZPO für das Erkenntnisverfahren wirklich geboten ist, ist nicht frei von Zweifeln, da es sich um einen Grenzfall handelt. Immerhin lässt sich im Hinblick auf die niedrigen Anforderungen des genuine-link-Satzes an Regelungen über die internationale Zuständigkeit im Zivilprozessrecht der Standpunkt vertreten, inlandsbelegenes Vermögen des Beklagten stelle im Hinblick auf das Ziel des Zivilprozesses, schlussendlich die Befriedigung des Gläubigers herbeizuführen, eine hinreichende Verknüpfung zwischen dem Rechtsstreit und dem Gerichtsterritorium her, die jedenfalls ein Mindestmaß an Einsichtigkeit für sich beanspruchen könne565. Letztlich kann dies aber ebenso auf sich beruhen wie die Berechtigung der menschenrechtlich begründeten Kritik an § 23 ZPO566, da die Rechtsprechung des BGH zur völkerrechtskonformen Auslegung des § 23 ZPO ebenso wie die grundrechtlich begründete Kritik an § 23 ZPO auf das Erkenntnisverfahren beschränkt sind und auf Grund der unterschiedlichen Verfahrensgegenstände des Erkenntnis- und des Forderungspfändungsverfahrens, die eine je eigene Überprüfung der Beachtung des genuine-linkSatzes erfordern, eine schematische Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Regelung des §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO nicht möglich ist567. 562
So ist dem BGH in der Literatur zu Recht entgegen gehalten worden, dass er sich widerspricht, wenn er zunächst ausführt, dass § 23 ZPO „in der nur am Wortlaut orientierten Auslegung weder verfassungs- noch völkerrechtswidrig“ sei (BGHZ 115, 90, 92), um sodann die Erforderlichkeit einer „völkerrechtskonformen Auslegung“ zu postulieren: vgl. W. Lüke, ZZP 105 (1992), 321, 323; Schack, JZ 1992, 54. 563 BGHZ 115, 90, 95 ff., Urt. v. 02.07.1991 – XI ZR 206/90. 564 OLG München, IPRax 1993, 237, 239, Urt. v. 07.10.1992 – 7 U 2583/92. 565 Schack, JZ 1992, 54, 55; a. A. Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 98, der dem BGH folgt. 566 Vgl. dazu Schlosser, IPRax 1992, 140 ff. sowie Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit. 567 Vgl. dazu Wollenschläger, IPRax 2002, 96 ff., der dem BGH hinsichtlich seiner Auslegung des § 23 ZPO für das Erkenntnisverfahren folgt, aber eine Übertragung des Merkmals „hinreichender Inlandsbezug“ auf die Anwendung dieser Norm im Exequaturverfahren und in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ablehnt. Auch I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 107, deren Dissertation noch vor der gravierenden Änderung der Rechtsprechung des BGH zu § 23 ZPO
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Der auch völkerrechtlich beachtliche Unterschied der hier zu erörternden Fälle internationaler Zuständigkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO zu den von § 23 ZPO für das Erkenntnisverfahren erfassten Fällen liegt darin begründet, dass das im Inland belegene Beklagtenvermögen dadurch eine sinnvolle Verknüpfung mit dem Rechtsstreit herstellt, dass es bei einem stattgebenden Urteil – zumindest im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des Klägers – als Vollstreckungsgrundlage dienen kann, während das im Inland belegene Vermögen des Vollstreckungsschuldners keinerlei sachliche Nähebeziehung zur zu pfändenden Forderung und dem ihm zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungs- und Drittschuldner aufweist. Dem Anknüpfungselement „inlandsbelegenes Vollstreckungsschuldnervermögen“ fehlt daher im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand der Forderungspfändung das für ein genuine link ausreichende Mindestmaß an Einsichtigkeit und Nachvollziehbarkeit 568. Daraus könnte man den Schluss ziehen, §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO sei wegen Verstoßes gegen das zum Völkergewohnheitsrecht gehörende genuine-link-Erfordernis infolge „völkerrechtskonformer Auslegung“ nicht anzuwenden569. Diese Schlussfolgerung wäre indes methodisch nicht überzeugend. Dies schon deshalb, weil sie nicht etwa – wie es die Vorgehensweise einer völkerrechtskonformen „Auslegung“ nahe legt – den Wortlaut einer mit Blick auf das Völkerrecht zu eng oder zu weit geratenen Norm zur Herstellung von Völkerrechtmäßigkeit durch einschränkende Auslegung eines Tatbestandsmerkmales reduziert oder durch großzügiges Wortsinnverständnis erweitert, sondern vielmehr schlicht einer vollwertigen Rechtsnorm bestehend aus Tatbestand und Rechtsfolge die Anwendung verweigert. Eine solche „Anwendung“ des Gesetzes gegen den Willen des Gesetzgebers570 und gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut ist aber keine Auslegung mehr, sondern unzulässige Rechtsfortbildung contra legem571. Sie kaschiert nur unter Berufung auf eine angebliche „völkerrechtskonforme Auslegung“, dass der Rechtsanwender sich im Wege der „Auslegung“ eine Kompetenz anmaßt, die auf Grund des verfassungsrechtlichen Verwerfungsmonopols des BVerfG nur dem BVerfG zukommt, nämlich eine einfachgesetzliche Vorschrift unter Hinweis auf einen Verstoß gegen höherrangiges Recht zu negieren. Es ist aber überaus fraglich, ob das Völkerrecht eine so weitreiveröffentlicht worden ist, plädiert a. a. O. aus den genannten Gründen zu Recht für eine getrennte völkerrechtliche Bewertung des § 23 ZPO als Zuständigkeitsnorm im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. 568 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 103 ff. 569 So in der Tat I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 106. 570 Dass der Gesetzgeber §§ 828, 23 auch als internationale Zuständigkeitsnorm verstanden wissen wollte, ergibt sich wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, eindeutig aus den Materialien. 571 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 255.
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chende Konsequenz erfordert. Denn Art. 25 S. 2 GG räumt dem Völkergewohnheitsrecht nur insoweit Anwendungsvorrang gegenüber dem einfachen Gesetzesrecht ein, als dieses mit dem Völkergewohnheitsrecht nicht im Einklang steht. Ist die Ausräumung des Widerspruchs zwischen Völkergewohnheitsrecht und einfachem Gesetzesrecht durch eine völkerrechtskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung der einfachgesetzlichen Norm möglich, so ist dem Anliegen des Art. 25 S. 2 GG genüge getan. Ein solches Vorgehen ist in der Tat möglich, wenn man – ganz so wie es der BGH bei der Interpretation des § 23 ZPO als Gerichtsstandsnorm für das Erkenntnisverfahren gemacht hat – den Normtext des §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des hinreichenden Inlandsbezugs der zu pfändenden Forderung bzw. des zu pfändenden Rechts ergänzt572. Eine solche Beschränkung des gesetzlichen Tatbestandes ist indes mit dem möglichen Wortsinn des § 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO nicht mehr vereinbar und stellt daher keine Gesetzesauslegung mehr dar, da diese sich nach allgemeiner Ansicht nur innerhalb des möglichen Wortsinns bewegen darf573. Dennoch ist eine solche sich über den Gesetzeswortlaut hinwegsetzende Vorgehensweise nicht per se unzulässig, sondern als Rechtsfortbildung legitimierbar, wenn sie die der Rechtsprechung durch die Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) gezogenen Schranken beachtet. Dies ist der Fall, wenn sie nicht gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers verstößt. Zum Gesetzgeberwillen wird gelegentlich vertreten, der Gesetzgeber habe „bewusst“ in allen vom Wortlaut des §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 ZPO erfassten Fällen, also auch in den Fällen, in denen weder Vollstreckungs- noch Drittschuldner ihren Wohnsitz/Sitz im Inland haben, die internationale Zuständigkeit umfassend eröffnen wollen574. Wäre der gesetzgeberische Wille bezüglich der hier erörterten Fallkonstellation so eindeutig, so wäre in der Tat eine sich über diesen eindeutigen Willen ebenso wie über den Wortlaut hinwegsetzende Rechtsfortbildung problematisch. So eindeutig ist der gesetzgeberische Wille indes nicht. Dies könnte man nämlich, will man die Anforderungen an eine zulässige Rechtsfortbildung nicht überspannen, nur bejahen, wenn der Gesetzgeber diese Fallkonstella572 Prüfungstechnisch ist dies wegen des hier befürworteten Prüfungsvorrangs der Gerichtsbarkeit vor der internationalen Zuständigkeit denkbar einfach umzusetzen: Es ist schlicht vorneweg zu prüfen, ob im Hinblick auf die völkerrechtlichen Schranken aus dem genuine-link-Satz Gerichtsbarkeit besteht. Ist dies nicht der Fall, kommt man gar nicht erst mehr zur internationalen Zuständigkeit, so dass auch § 828 Abs. 2 ZPO nicht angewendet wird. In der Sache ähnlich und bemerkenswert deutlich: Smid in: MünchKomm, § 828 Rdnr. 13: „§ 828 ist grundsätzlich nur unter Voraussetzung anwendbar, dass der Schuldner der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist“. 573 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268. 574 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 95.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
tion in den Beratungen ausdrücklich erörtert und befürwortet hätte oder wenn er sich zumindest im Hinblick auf die Weite des Gesetzeswortlautes über die Fülle der aus diesem herleitbaren Fallkonstellationen internationaler Zuständigkeit im Klaren gewesen wäre575. Dies geht aus den Materialien zur ZPO nicht mit der für die Annahme eines eindeutigen Gesetzgeberwillens nötigen Klarheit hervor. Die etwas ausführlicheren Passagen zu § 828 f. ZPO (bzw. § 677 f. des Entwurfes) stammen aus der ersten Lesung des Entwurfes. Hier stellte der Abgeordnete Dr. Bähr den Antrag, § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO um einen Zusatz zu ergänzen, der die örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts auf das in seinem Bezirk belegene Vermögen beschränkt576. Dieser Antrag wurde gestützt auf die Begründung verworfen, es bestünden keine Bedenken das Amtsgericht, das gemäß § 23 ZPO auch Prozessgericht sein könne, mit der Leitung der ganzen Zwangsvollstreckung auch bezüglich des außerhalb seines Bezirkes belegenen Vermögens zu betrauen577. Diese insbesondere von I. K. Mössle zur Begründung des ihrer Ansicht nach klaren Gesetzgeberwillens herangezogene Passage in den Materialien578 weist lediglich darauf hin, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit von einer uneingeschränkten Anwendung des §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO ausging. Hinweise auf einen gesetzgeberischen Willen im Hinblick auf die internationale Vollstreckungszuständigkeit kann man dieser Passage nicht entnehmen. Im Anschluss an diesen Antrag stellte der Abgeordnete Gaupp den Antrag, dem heutigen § 829 Abs. 1 ZPO nach den Worten „gepfändet werden“ den Nebensatz „welche der Drittschuldner in Deutschland zu zahlen verpflichtet ist“ hinzuzufügen. Diesen Antrag begründete er mit der Gefahr „schwieriger Verwicklungen“, die für einen Drittschuldner daraus resultieren könne, dass er bei fehlender Anerkennung der Pfändung im Ausland unter Umständen zweimal zahlen müsse. Als Beispiel hierfür führte er den Fall der Pfändung einer Versicherungsforderung eines ausländischen Versicherten gegen eine inländische Feuerversicherungsgesellschaft an, die im Ausland zahlbar sei. Der Antrag wurde im Hinblick auf die Begründung verworfen, die vom Abgeordneten Gaupp geschilderten Gefahren seien nicht gegeben, da dem Drittschuldner die gegen den Vollstreckungsschuldner erworbenen Einwendungen durch die Pfändung nicht verloren gingen579. Diese Passage macht zwar deutlich, 575
Zur wichtigen Rolle der Materialien für die Ermittlung des Gesetzgeberwillens vgl. Rüßmann, in: Elemente einer juristischen Begründungslehre, 135, 148. 576 Hahn, Die gesammten Materialien zur CPO, S. 846. Der von Dr. Bähr beantragte zu Zusatz zu § 828 Abs. 2 ZPO sollte lauten: „– und in Ermangelung eines solchen das Amtsgericht, in welchem in Gemäßheit des § 24 (heute: § 23 ZPO) gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann, bezüglich des in seinem Bezirke befindlichen Vermögens zuständig“. 577 Hahn, Die gesammten Materialien zur CPO, S. 846. 578 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 95.
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dass der Gesetzgeber §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 ZPO auch als internationale Zuständigkeitsnorm verstanden wissen will, besagt aber für die hier erörterte Konstellation nichts. Es wurde lediglich die Konstellation des Vollstreckungsschuldners mit Auslandswohnsitz/sitz bei einem Drittschuldner mit Inlandswohnsitz/sitz, nicht aber die hier interessierende Konstellation, dass sowohl Vollstreckungs- als auch Drittschuldner einen ausländischen Wohnsitz/Sitz haben, diskutiert580. Gerade das vom Abgeordneten Gaupp gewählte Beispiel war so gewählt, dass jedenfalls der Drittschuldner Inlandswohnsitz/sitz hatte. Ob er das Beispiel bewusst so gewählt hatte, weil er die hier untersuchte Konstellation für abwegig hielt, lässt sich nicht beantworten, so dass sich jede Spekulation insoweit verbietet. Als Ergebnis der Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien kann man somit festhalten, dass der Gesetzgeber §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO nicht nur als Regelung der örtlichen Vollstreckungszuständigkeit, sondern auch als Regelung der internationalen Vollstreckungszuständigkeit verstanden wissen wollte. Da sich indes zu dieser Problematik nur spärliche Ausführungen in den Materialien finden lassen und insbesondere nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber alle aus dem Wortlaut des §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO bei der Anwendung auf internationale Sachverhalte sich ergebenden Konstellationen durchgespielt hat und bewusst erfassen wollte, ist ein eindeutiger gesetzgeberischer Wille dafür, dass der Wortlaut des §§ 828 Abs. 2, 23 ZPO in seiner Funktion als internationale Zuständigkeitsnorm voll ausgeschöpft werden und auch die hier untersuchte Konstellation einschränkungslos erfassen soll, nicht ermittelbar. Demnach scheitert die hier befürwortete völkerrechtskonforme Rechtsfortbildung nicht an einem entgegenstehenden klaren Gesetzgeberwillen und ist mithin zulässig. Dieser Rechtsfortbildung kann man schließlich nicht – in Anlehnung an die Kritik zur einschränkenden Auslegung des § 23 ZPO durch den BGH – entgegenhalten, sie führe durch das Merkmal des hinreichenden Inlandsbezugs der zu pfändenden Forderung ein unbestimmtes Merkmal in das Zuständigkeitsrecht ein, das mit der Tradition der ZPO zur Normierung klar definierter und von unbestimmten Rechtsbegriffen freier Zuständigkeiten unvereinbar sei581. Denn das den Tatbestand einschränkende Merkmal des Inlandsbezuges ist durch das vom Völkergewohnheitsrecht getragene ge579
Hahn, Die gesammten Materialien, S. 846 f. Hahn, Die gesammten Materialien, S. 847: Der Abgeordnete Pfafferoth sprach noch beiläufig die Möglichkeit des Drittschuldners mit ausländischem Wohnsitz an, ohne jedoch den Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners in diesem Fall zu erwähnen. 581 Schack, JZ 1992, 54, 55; W. Lüke, ZZP 105 (1992), 320, 325 f.; dagegen: Schlosser, IPRax 1992, 140, 142, der es ohne weiteres für möglich hält justiziable und handhabbare Fallgruppen zu entwickeln. 580
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nuine-link-Erfordernis vorgegeben und mithin zwingende Folge einer völkerrechtskonformen Rechtsfortbildung. Demgemäß können Einwände gegen das Kriterium nur rechtspolitischer Natur sein und sich gegen eine Norm wenden, die eine solche völkerrechtskonforme Rechtsfortbildung notwendig macht. Die Berechtigung der Rechtsfortbildung selbst, die sich im Hinblick auf Art. 25 S. 2 GG lediglich den Notwendigkeiten des Völkergewohnheitsrechts beugt, vermögen diese Einwände dagegen nicht in Frage zu stellen. Wenn nach alledem die Forderungspfändung in den Fällen des gleichzeitigen ausländischen Vollstreckungsschuldner- und Drittschuldnerwohnsitzes gestützt auf inländisches Vollstreckungsschuldnervermögen gemäß §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO im Hinblick auf das genuine-link-Erfordernis nur völkerrechtmäßig ist, wenn ein hinreichender Inlandsbezug der zu pfändenden Forderung besteht582, stellt sich nun die weitere Frage, in welchen Fällen sich ein solcher Inlandsbezug in völkerrechtskonformer Weise bejahen lässt. Dies setzt die Herausarbeitung entsprechender praktisch handhabbarer Fallgruppen voraus583. Nachfolgend sollen einige besonders naheliegende Fallgruppen untersucht werden, ohne dass die Darstellung im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit denkbarer Lebenssachverhalte Anspruch auf Vollständigkeit erhebt584. Dabei wird zunächst ausgegangen von der Entscheidung des OLG Stuttgart, die der BGH-Entscheidung zur einschränkenden Auslegung des § 23 ZPO als Zuständigkeitsnorm für das Erkenntnisverfahren vorausgegangen war. In dieser Entscheidung hat das OLG Stuttgart gestützt auf die Vorarbeiten von Schumann585 einige aus seiner Sicht für das Erkenntnisverfahren relevante Kriterien für hinreichenden Inlandsbezug eines Verfahrensgegenstandes herausgegriffen: Inlandswohnsitz/sitz oder dauernder inländischer Aufenthaltsort des Klägers (ohne Rücksicht auf dessen Nationalität), streitgegenständlicher Sachverhalt mit Inlandsschwerpunkt, Anwendbarkeit deutschen Rechts, Beweisnähe deutscher Gerichte oder ein sonstiges berechtigtes Interesse an einer inländischen Entscheidung586. Als weitere legitime Anknüpfungspunkte für die Anwendung des § 23 auf das Erkenntnisverfahren werden der Abschluss des streitgegenständlichen Rechtsgeschäftes in Deutschland, die fehlende Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung in Deutschland587 sowie ein inländischer Erfüllungsort für die vertragscharakteristische Leistung des streitgegenständlichen Anspruchs588 angeführt. 582
Im Ergebnis ebenso: R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3212. Schlosser, IPRax 1992, 140, 142. 584 Vgl. zu dieser Vorgehensweise auch Schlosser,IPRax 1992, 140, 142. 585 Schumann in: Stein/Jonas, ZPO, § 23 Rdnrn. 31 e–i. 586 OLG Stuttgart, IPRax 1991, 179, 181 f., Urt. v. 06.08.1990 – 5 U 77/89. 587 Vgl. zu diesen beiden Aspekten: Schumann in: Stein/Jonas, ZPO, § 23 Rdnrn. 31 f und h. 583
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Auf Grund der bereits mehrfach betonten Unterschiedlichkeit der Verfahrensgegenstände von Erkenntnis- und Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO lassen sich diese Anknüpfungspunkte nicht ohne weiteres auf die Anwendung des §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO übertragen. Mangels Bezuges zu der für das Pfändungsverfahren relevanten zu pfändenden Forderungen scheiden daher die Gesichtspunkte des inländischen Wohnsitzes/sitzes bzw. Aufenthaltsortes des antragstellenden Vollstreckungsgläubigers, des berechtigten Interesses an einer inländischen Entscheidung und der Anerkennungsfähigkeit einer Auslandspfändung im Inland von vorneherein aus. Die anderen Gesichtspunkte sind dagegen auch für das Pfändungsverfahren bedenkenswert. Der Fragwürdigste unter ihnen ist noch der Aspekt der Beweisnähe. Dies deshalb, weil die Existenz der zu pfändenden Forderung im Pfändungsverfahren nicht geprüft wird, so dass deren Beweisbarkeit für das Pfändungsverfahren unerheblich ist. Bedenkt man indes, dass es zur völkerrechtlichen Legitimation eines Anknüpfungselementes nur eines Mindestmaßes an Einsichtigkeit bedarf, so ist dieser Gesichtspunkt dennoch nicht völlig abwegig und daher ausreichend. Unabhängig davon, ob es nämlich für die Geltendmachung der zu pfändenden Forderung im Wege der Einziehungsklage einen inländischen Gerichtsstand gibt oder nicht, ist es im Anschluss an eine Inlandspfändung auf Grund der infolge der Beweisnähe deutscher Gerichte naheliegenden Möglichkeit der rügelosen Einlassung (§ 39, ggf. i.V. m. § 504 ZPO) und der Prorogation (§§ 38, 40 ZPO) nicht auszuschließen, dass es zu einer zulässigen Einziehungsklage über die Forderung im Inland kommen kann. In diesem Fall ist aber die Beweisnähe deutscher Gerichte für die Durchführung eines Erkenntnisverfahrens über die gepfändete Forderung äußerst nützlich und hilfreich. Dies verleiht diesem Gesichtspunkt jedenfalls ein Mindestmaß an Einsichtigkeit. Legt man den vom BVerfG postulierten Maßstab des Mindestmaßes an Einsichtigkeit zu Grunde, so genügen dem auch die Gesichtspunkte, dass sich der die zu pfändende Forderung erzeugende Sachverhalt (z. B. Verkehrsunfall, Vertragsschluss) – zumindest teilweise – im Inland abgespielt hat („Forderungserzeugung im Inland“)589, dass nach deutschem Kollisionsrecht auf die zu pfändende Forderung deutsches Recht anwendbar ist („Anwendbarkeit deutschen Sachrechts“)590 und natürlich, dass der Erfül588
Schlosser, IPRax 1992, 140, 142. Statt dieses übergreifenden Gesichtspunkts stellt R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3212 auf die Anknüpfungspunkte „Tatort bzw. Ort des Eintritts des primären Schadens für deliktische Verbindlichkeiten“ und „Abschlussort bei vertraglichen Verbindlichkeiten“ ab und bestätigt damit indirekt die Richtigkeit des übergreifenden Gesichtspunkts des forderungserzeugenden Sachverhalts. Denn was für den inländischen Tatort bei einem deliktischen Anspruch gilt muss auch etwa für den Ort der Leistungshandlung bei einem bereicherungsrechtlichen Anspruch gelten. 590 So auch R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3212. 589
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lungsort für die zu pfändende Forderung im Inland liegt („inländischer Erfüllungsort“)591. Neben diesen aus der Diskussion um die Einschränkung des § 23 ZPO im Erkenntnisverfahren gewonnenen legitimierenden Gesichtspunkten lassen sich auch speziell bezogen auf die Pfändung gemäß §§ 828 ff. ZPO weitere Gesichtspunkte entwickeln. So lässt sich die inländische Anknüpfung dadurch legitimieren, dass für die klageweise Geltendmachung der zu pfändenden Forderung ein inländischer Gerichtsstand gegeben ist („inländischer Gerichtsstand“), dass der Vollstreckungsgläubiger nach Pfändung und Überweisung der Forderung an sich zur Einziehung (§§ 829, 835 Abs. 1 Var. 1 ZPO) nach deutschem materiellem Recht gemäß § 387 BGB mit der Forderung gegen eine gegen ihn gerichtete Forderung des Drittschuldners aufrechnen könnte („Möglichkeit der Inlandsaufrechnung“)592, dass für die zu pfändende Forderung dingliche Sicherheiten bestehen, die im Inland belegen sind und die der Vollstreckungsgläubiger im Eintritt des Sicherungsfalls im Inland verwerten könnte („Inlandsbelegene Realsicherheiten“)593 oder dass die zu pfändende Forderung durch eine Bürgschaft gesichert ist, die nach §§ 412, 401 BGB nach Pfändung und Überweisung der Forderung an den Pfändungsgläubiger auf diesen übergeht594 und bei der der Bürge einen Wohnsitz/Sitz im Inland hat oder für deren Geltendmachung durch den Vollstreckungsgläubiger aus anderen Gründen ein inländischer Gerichtsstand gegeben wäre („Inlandsbürgschaft“)595. (c) Das Sonderproblem von Hypotheken an auslandsbelegenen Grundstücken Hält man sich all diese eine Forderungspfändung bei gleichzeitigem Auslandswohnsitz/sitz von Vollstreckungs- und Drittschuldner völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunkte vor Augen, so wird deutlich, dass das genuine-link-Erfordernis jedenfalls in diesen Konstellationen der Pfändung territorial gebundener Forderungen regelmäßig entgegenstehen wird. Einzig denkbare Fallkonstellation für solche territoriale Bindung bei der Forderungspfändung ist die hypothekarisch gesicherte Forderung. Bei ihr vermögen nämlich die vorgenannten Gesichtspunkte in der hier erörterten Konstellation nicht durchzuschlagen, da sie auf die Forderung und nicht auf die 591
R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3212. Die Aufrechnungsmöglichkeit des Pfändungspfandgläubigers, dem die gepfändete Forderung zur Einziehung überwiesen worden ist, wird von der ganz h. M. bejaht. Vgl. statt vieler: Schlüter, in: MüKo, BGB, § 387 Rdnr. 13 m. w. N. 593 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3212. 594 Roth, in: MüKo, § 412 Rdnr. 21. 595 Zweifelnd Geimer, IZPR, Rdnr. 3212. 592
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Hypothek abstellen. Bei der hypothekarisch gesicherten Forderung steht indes bei lebensnaher wirtschaftlicher Betrachtung trotz der rechtlichen Ausgestaltung im BGB, nach der die Forderung und nicht die zu ihr akzessorische Hypothek das bestimmende Recht ist596, die über das Schicksal der Hypothek entscheidet, die Hypothek im Vordergrund597. Daher muss sich die Bestimmung eines hinreichenden Inlandsbezuges bei hypothekarisch gesicherten Forderungen an der Hypothek und nicht an der hypothekarisch gesicherten Forderung ausrichten. Bei der Hypothek an einem ausländischen Grundstück vermögen aber die vorgenannten Gesichtspunkte allesamt keinen hinreichenden Inlandsbezug herzustellen. Es ist auch auf Grund des starken Auslandsbezugs einer solchen Hypothek kein anderer Gesichtspunkt denkbar, der dies vermag. Dies ist natürlich anders, wenn – anders als in der hier erörterten Konstellation – mindestens entweder der Vollstreckungsschuldner oder der Eigentümer des hypothekarisch belasteten Grundstücks ihren Wohnsitz/Sitz in der Bundesrepublik haben, was als legitimer Anknüpfungspunkt für eine Pfändung ausreichen würde. Daher kann man festhalten, dass das genuine-link-Erfordernis der Pfändung einer hypothekarisch gesicherten Forderung, bei der die Hypothek auf einem auslandsbelegenen Grundstück lastet, nicht generell, sondern nur dann entgegensteht, wenn der Vollstreckungsschuldner und der Eigentümer des belasteten Grundstücks beide ihren Wohnsitz/Sitz im Ausland haben. (3) Bestehen eines genuine link bei drittschuldnerlosen Rechten Bei drittschuldnerlosen Rechten kann man zur Bestimmung des Verfahrensgegenstandes anders als bei Forderungen nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen abstellen. Hier muss der genuine link demnach zwischen dem Vollstreckungsterritorium und dem zu pfändenden Recht bestehen. Da eine völkerrechtlich unbedenkliche Inlandsbeziehung zu dem zu pfändenden Recht bei Inlandswohnsitz/sitz des Vollstreckungsschuldners, der zugleich der Rechtsinhaber ist, immer vorliegt598, sind problematisch insoweit alleine die Konstellationen der Pfändung eines drittschuldnerlosen 596
Statt vieler: Reischl, JuS 1998, 125, 126. Reischl, JuS 1998, 220. Dies kommt etwa darin zum Ausdruck, dass im Rechtsalltag – zumindest unter Nichtjuristen – die Formulierung, es werde „die Hypothek“ abgetreten, ganz vorherrschend ist (Reischl a. a. O.). 598 Im Ergebnis ebenso: Riezler, IZPR, S. 661 f. und Schramm, GRUR 1958, 480, der ein Patent sowohl am Verleihungsort als auch an dem Ort belegen ansieht, an dem der Patentinhaber, der das Recht gleichsam mit sich trage, seinen Wohnsitz hat; Hellwig, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, S. 115; a. A.: Nussbaum, Deutsches IPR, S. 419, der Patente und andere Immaterialgüterrechte als ausschließlich im „Verleihungsstaat“ belegen ansieht. 597
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Rechts, bei denen der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz/Sitz im Ausland hat. Auch hier ergibt sich nach dem Gesetzeswortlaut nach §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO eine internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte schon dann, wenn der Vollstreckungsschuldner in der Bundesrepublik über anderweitiges Vermögen verfügt, wofür es nach § 23 S. 2 ZPO schon ausreichen würde, dass dem Vollstreckungsschuldner Forderungen zustehen, deren Schuldner im Inland wohnen bzw. hier ihren Sitz haben. Da solches Vermögen in keinerlei innerem Zusammenhang mit dem zu pfändenden Recht steht, genügt auch diese Anknüpfung nicht dem Erfordernis eines Mindestmaßes an Einsichtigkeit. Auch in dieser Konstellation muss also §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1 ZPO mittels des einschränkenden Kriteriums „hinreichenden Inlandsbezugs“ völkerrechtskonform ausgelegt werden. Dabei kommen prinzipiell die gleichen Kriterien in Betracht, die wir bereits bei der Forderungspfändung erörtert haben, sofern diese nicht speziell auf eine Forderung zugeschnitten sind, wie das bei den Kriterien „Inlandsbürgschaft“ und „Möglichkeit der Inlandsaufrechnung“ der Fall ist. Bei drittschuldnerlosen Rechten kommt indes gegenüber den Forderungen ein weiteres Kriterium hinzu, das daraus resultiert, dass drittschuldnerlose Rechte häufig territorial gebundene Rechte sind, wie die Beispiele der Immaterialgüterrechte und der Grundschuld zeigen. Besteht eine solche territoriale Bindung eines drittschuldnerlosen Rechts in Bezug auf deutsches Territorium (z. B. Grundschuld an einem inlandsbelegenen Grundstück, deutsches Urheberrecht), so ist ein hinreichender Inlandsbezug auch bei ausländischem Vollstreckungsschuldnerwohnsitz/sitz ohne weiteres zu bejahen. Umgekehrt ist natürlich bei ausländischem Vollstreckungsschuldnerwohnsitz/sitz das Bestehen eines hinreichenden Inlandsbezuges bei territorial gebundenen drittschuldnerlosen Auslandsrechten wie Grundschulden an auslandsbelegenen Grundstücken oder ausländischen Immaterialgüterrechten immer zu verneinen. Schließlich ist ein hinreichender Inlandsbezug auch bei territorial gebundenen drittschuldnerlosen Auslandsrechten wiederum zu bejahen, wenn der Vollstreckungsschuldner, der deren Inhaber ist, seinen Wohnsitz/Sitz im Inland hat. Demnach scheitert die Pfändung auslandsgebundener Vermögensrechte bei inländischem Vollstreckungsschuldnerwohnsitz aus völkerrechtlicher Sicht weder am Verbot des Setzens von Hoheitsakten noch am Verbot der extraterritorialen Hoheitsausübung ohne genuine link. (4) Beweislastverteilung für die den Inlandsbezug vermittelnden Tatsachen Da nach alledem der einzige Fall, in dem bei internationaler Forderungsbzw. Rechtspfändung auf Grund des Territorialitätsprinzips die deutsche Vollstreckungsgewalt problematisch ist, derjenige ist, dass bei der Forde-
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rungspfändung Vollstreckungs- und Drittschuldner Auslandswohnsitz/sitz haben und bei der Pfändung eines drittschuldnerlosen Rechts der Vollstreckungsschuldner Auslandswohnsitz/sitz hat, stellt sich die Frage, wer in diesem Fall die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen trägt, die die Inlandsbeziehung der Forderung bzw. des Rechts und damit die deutsche Vollstreckungsgewalt begründen. Wiewohl das Bestehen deutscher Vollstreckungsgewalt grundsätzlich die Regel und das Nichtbestehen die Ausnahme ist, so dass der Vollstreckungsschuldner eigentlich die Darlegungsund Beweislast für eine fehlende Inlandsbeziehung der gepfändeten Forderung bzw. des gepfändeten Rechts tragen müsste, kann dies in den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen auf Grund der besonderen Struktur des genuine-link-Satzes nicht der Fall sein. Dieser Völkerrechtssatz wird nämlich als Grenze deutscher Hoheitsgewalt ernstlich nur dann relevant, wenn ein Sachverhalt so wenig Berührungspunkte zum deutschen Territorium aufweist, dass der Staat zum hoheitlichen Tätigwerden in Bezug auf diesen Sachverhalt einer besonderen Legitimation bedarf. In einem solchen Grenzfall, der mit den Worten der Methodenlehre gesprochen, nicht im Begriffskern, sondern im Begriffshof des genuine-link-Satzes liegt, spricht von Völkerrechts wegen eine Vermutung gegen das Bestehen von Hoheitsgewalt (hier: Vollstreckungsgewalt), die der Staat durch Begründung eines das Tätigwerden (gerade noch) legitimierenden Anknüpfungspunktes ausräumen muss. Diese völkerrechtliche Rechtslage schlägt bei Vorliegen eines solchen inlandsbeziehungsarmen Sachverhalts auf die Bewertung der die Verfahrensbeteiligten nach deutschem Vollstreckungsrecht treffenden Darlegungsund Beweislasten durch, die sich am Regel-Ausnahme-Prinzip orientieren. Ein solcher inlandsbeziehungsarmer Sachverhalt liegt in den hier erörterten Konstellationen immer vor, weil hier auf Grund des Wohnsitzes/Sitzes der für die völkerrechtliche Wertung maßgeblichen Personen der geregelte Fall per se so wenig Inlandsverknüpfung aufweist, dass eine Vermutung für das Nichtbestehen der Vollstreckungsgewalt spricht. Um diese Vermutung ausräumen zu können, muss der Vollstreckungsgläubiger die den Inlandsbezug begründenden Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen. 3. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Erörterungen zu den durch das Territorialitätsprinzip gezogenen Grenzen deutscher Vollstreckungsgewalt für die Praxis
a) Neben der Vollstreckungsimmunität kommt nur noch das Territorialitätsprinzip als eigenständige Grenze deutscher Vollstreckungsgewalt in Betracht. Dieses hat nach dem heutigen Stand des Völkergewohnheitsrechts, das von einem zunehmend liberaleren Souveränitätsverständnis der Staaten getragen wird, einen abgeschwächten Inhalt und zieht daher der Vollstreckungsgewalt im Gegensatz zur Vollstreckungsimmunität nur in wenigen
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Fällen Grenzen. Als konkrete aus dem Territorialitätsprinzip ableitbare völkergewohnheitsrechtliche Verbotssätze kommen das Verbot der Setzung von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet und das Verbot extraterritorialer Vollstreckung ohne Bestehen eines „genuine link“ in Betracht. b) Für die internationale Forderungs- bzw. Rechtspfändung kommt dem Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet keine Bedeutung zu, so dass hier alleine der genuine-link-Satz die Vollstreckungsgewalt zu beschränken vermag. Dies hat seinen Grund darin, dass der Inhalt des Territorialitätsprinzips auf Grund eines Wandels des Völkergewohnheitsrechts eine Abschwächung erfahren hat mit der Folge, dass es den Staaten nicht mehr grundsätzlich verbietet, mit ihren Hoheitsakten Sachverhalte mit Auslandsbezug zu regeln (Regelungsbereich), sondern nur noch verwehrt, derartige Regelungen auf fremdem Territorium zwangsweise durchzusetzen (Geltungsbereich). Da Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bei Forderungen/Rechten mit Auslandsbezug, selbst wenn man ihnen Zwangscharakter beimessen wollte, in diesem Sinne lediglich als Regelung zu werten sind, weil sie kein physisches Tätigwerden auf fremdem Territorium voraussetzen und es dem fremden Staat freisteht, ob er die aus ihnen erwachsenden Rechtsfolgen für sein Territorium anerkennen will oder nicht, ist kein Fall denkbar, in welchem sie das Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet verletzen. Für die Praxis bedeutet dies, dass alleine der Umstand, dass der Vollstreckungsschuldner oder der Drittschuldner seinen Wohnsitz/Sitz im Ausland hat, die deutsche Vollstreckungsgewalt nicht ausschließt, obwohl dies sowohl in der zivilprozessualen Literatur als auch von den Verfahrensbevollmächtigten der Vollstreckungs-/ Drittschuldner599 immer wieder als „Totschlagargument“ gegen die Zulässigkeit derartiger Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vorgebracht wird. Ebenso wenig steht alleine die Tatsache, dass der Erfüllungsort der zu pfändenden Forderung im Ausland liegt, der deutschen Vollstreckungsgewalt zum Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen über solche Forderungen entgegen, obwohl dies von interessierter Seite, insbesondere von deutschen Banken mit Auslandsfilialen, die die mit der internationalen Forderungspfändung verbundene Gefahr der Doppelleistungspflicht scheuen, suggeriert wird600. Schließlich steht nicht einmal alleine der Gesichtspunkt einer territorialen Auslandsbindung des zu pfändenden Rechts (Beispiele: Grundschulden an auslandsbelegenen Grundstücken; auf das Gebiet des fremden Staates beschränktes ausländisches Urheberrecht) der deutschen Vollstreckungsgewalt zur Pfändung und Überweisung eines solchen Rechts entgegen. 599 600
Klassisches Beispiel hierfür: Jestaedt, IPRax 2001, 438 ff. Siehe nur: Mühlhausen, WM 1986, 957 ff. und 985 ff.
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c) Alleine der Völkergewohnheitsrechtssatz, wonach Staaten Sachverhalte mit Auslandsbezug nur bei Bestehen eines genuine link regeln dürfen, vermag der deutschen Vollstreckungsgewalt zum Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen Grenzen zu setzen. Danach besteht deutsche Vollstreckungsgewalt nur dann, wenn zwischen der zu pfändenden Forderung bzw. zwischen dem gepfändeten Recht und dem deutschen Territorium auf Grund irgend eines Umstandes (Anknüpfungselement) eine solche Nähebeziehung besteht, auf Grund derer die Inanspruchnahme einer internationalen Pfändungszuständigkeit durch den deutschen Staat einem Mindestmaß an Einsichtigkeit genügt. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, da das Völkergewohnheitsrecht dazu neigt, an die Ausprägung des Anknüpfungselementes umso niedrigere Anforderungen zu stellen je mehr es darum geht, lediglich die Durchsetzung privater Interessen mit staatlichen Mitteln zu fördern, und je weniger es darum geht, staatsegoistische Ziele zu verfolgen. Dies berücksichtigend, genügt bereits der Inlandswohnsitz/Sitz des Forderungsschuldners/gläubigers bzw. des Rechtsinhabers als legitimierendes Anknüpfungselement für einen Pfändungsakt. Deshalb ist das Bestehen deutscher Vollstreckungsgewalt mit Blick auf den genuine-link-Satz nur problematisch, wenn bei Forderungen sowohl der Vollstreckungs- als auch der Drittschuldner bzw. bei drittschuldnerlosen Rechten der Vollstreckungsschuldner ihren/seinen Wohnsitz/Sitz im Ausland haben/hat. Nach seinem Wortlaut eröffnet §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 Var. 1, ggf. i.V. m. S. 2 ZPO in diesen Fällen schon dann eine internationale Pfändungszuständigkeit, wenn der Vollstreckungsschuldner Inhaber inlandsbelegenen Vermögens ist. Solches Vermögen steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Pfändungsobjekt und ist daher nicht geeignet, deutsche Vollstreckungsgewalt zu begründen. Dies führt indes nicht dazu, dass man diese Zuständigkeitsnorm wegen Völkerrechtswidrigkeit nicht anwenden darf, sondern alleine dazu, dass sie mit Rücksicht auf Art. 25 S. 2 GG in der Weise völkerrechtskonform auszulegen ist, dass sie nur bei hinreichendem Inlandsbezug der zu pfändenden Forderung bzw. des zu pfändenden Rechts eingreift. Ein solcher legitimierender Inlandsbezug ist bei Forderungen etwa bei Beweisnähe deutscher Justizorgane, Forderungserzeugung im Inland, Anwendbarkeit deutschen Sachrechts auf die Forderung, inländischem Erfüllungsort, inländischem Gerichtsstand, Möglichkeit einer Inlandsaufrechnung, inlandsbelegenen Realsicherheiten oder Bestehen einer Inlandsbürgschaft zu bejahen. Bei drittschuldnerlosen Rechten entfallen die Gesichtspunkte Inlandsaufrechnung, inlandsbelegene Realsicherheit und Inlandsbürgschaft. Dafür tritt der Gesichtspunkt einer etwaigen territorialen Bindung des zu pfändenden Rechts hinzu. d) Schließlich muss man als Vollstreckungsgläubiger in dem kritischen Fall, dass bei der Forderungspfändung Vollstreckungs- und Drittschuldner
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ausländischen Wohnsitz/Sitz haben bzw. bei der Rechtspfändung der Vollstreckungsschuldner ausländischen Wohnsitz/Sitz hat, beachten, dass man der Darlegungs- und Beweislast für die den hinreichenden Inlandsbezug begründenden Tatsachen Rechnung trägt. In einem solchen Fall ist es daher ratsam, diese Tatsachen bereits substantiiert im Pfändungsgesuch vorzutragen.
C. Internationale Zuständigkeit zum Erlass von Pfändungsbeschlüssen I. Berechtigung der Zulässigkeitsvoraussetzung „Internationale Zuständigkeit“ im Zwangsvollstreckungsverfahren 1. Argumente der Mindermeinung
Von der bereits eingehend erörterten Frage, ob es sich im zivilgerichtlichen Verfahren allgemein bei den Zulässigkeitsgesichtspunkten „Deutsche Gerichtsbarkeit“ und „Internationale Zuständigkeit“ um zwei voneinander verschiedene Prüfungsgesichtspunkte mit je eigenständiger dogmatischer Bedeutung handelt, ist die Frage zu unterscheiden, ob diese beiden Zulässigkeitsgesichtspunkte im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO überhaupt zu prüfen sind. Wir haben dies im Rahmen der vorstehenden Ausführungen im Einklang mit der ganz h. M. wie selbstverständlich vorausgesetzt und die dabei zu Tage getretene völkerrechtliche Relevanz des Pfändungsverfahrens hat dies auch im Hinblick auf den Zulässigkeitsaspekt „Deutsche Gerichtsbarkeit“ eindrucksvoll bestätigt. Es fragt sich daher, ob Gleiches für die Zulässigkeitsvoraussetzung „Internationale Zuständigkeit“ gilt. Die ganz h. M., die dies bisher wie selbstverständlich bejaht hatte, ist neuerdings von Wollenschläger mit starken Worten angegriffen worden. Dieser verficht im Gegensatz zur ganz h. M. die Auffassung, im Zwangsvollstreckungsverfahren müsse und dürfe die internationale Zuständigkeit der deutschen Vollstreckungsorgane nicht geprüft werden601. Dies ergebe sich aus den unterschiedlichen Zielsetzungen von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, von denen das Erstere der Feststellung und das Letztere der Durchsetzung des Anspruchs des Gläubigers dient. Die daraus folgende Arbeitsteilung zwischen den Justizorganen bringt es bekanntlich mit sich, dass die Vollstreckungsorgane nicht noch einmal befugt sind, die Richtigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung zu überprüfen, sondern nur noch für deren verfahrensrechtmäßige Durchsetzung zu sorgen haben. Daraus folgert Wollenschläger, dass es im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht mehr um die 601
Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 98.
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Rechtfertigung der Ausübung deutscher Staatsgewalt, sondern nur noch um die Fortsetzung der bereits im Erkenntnisverfahren durch die Bejahung der internationalen Zuständigkeit gerechtfertigten Staatsgewalt gehe. Dies wiederum führe dazu, dass die gesetzliche Begründung der Zuständigkeit eines Vollstreckungsorgans sich nur auf die örtliche Zuständigkeit beziehen könne. Hinzu komme der Gedanke, dass zur Vermeidung Systemwidersprüchen und Lücken im Rechtsschutzsystem ein deutscher Titel grundsätzlich in Deutschland vollstreckbar sein müsse. Andernfalls würden „hoheitsfreie Gebiete“ in Deutschland entstehen, was zur Folge haben würde, dass die Staatsgewalt dann nicht mehr komplett und das Gewaltmonopol des Staates nicht mehr gerechtfertigt wäre602. Wiewohl Wollenschläger dies nicht ausdrücklich ausspricht, muss bei konsequentem Zugrundelegung seines Ansatzes das gleiche auch für die Vollstreckung ausländischer Titel gelten, die im Exequaturverfahren für vollstreckbar erklärt worden sind. Denn auch im Exequaturverfahren soll seiner Ansicht nach ebenso wie im deutschen Erkenntnisverfahren die internationale Zuständigkeit des angegangenen deutschen Gerichts geprüft werden603, so dass das Zwangsvollstreckungsverfahren nur die Fortsetzung der bereits im Exequaturverfahren durch die Bejahung der internationalen Zuständigkeit gerechtfertigten Staatsgewalt darstellen würde. 2. Kritische Auseinandersetzung mit der Mindermeinung
Dieser Argumentation kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Der wichtigste Grund ist darin zu sehen, dass Wollenschläger die je eigenständige Bedeutung des titelschaffenden und des Vollstreckungsverfahrens verkennt. Das Vollstreckungsverfahren ist keineswegs nur eine „unselbständige Verlängerung“ des titelschaffenden Verfahrens mit der Folge, dass die internationale Vollstreckungszuständigkeit quasi als Annexkompetenz aus der internationalen Zuständigkeit für das Titelerzeugungsverfahren folgt. Die spezifisch hoheitliche Gewaltausübung der titelerzeugenden Verfahren ist darin zu sehen, dass eine vom Staat treuhänderisch auf Antrag und im Interesse des Vollstreckungsgläubigers wahrzunehmende Eingriffsbefugnis zur Zwangsausübung gegen den Vollstreckungsschuldner geschaffen wird, die Letzteren zugleich für die Dauer der Existenz des Titels mit einer Duldungspflicht belastet. Demgegenüber stellt das Zwangsvollstreckungsverfahren eine erneute wesensverschiedene Ausübung von Staatsgewalt dar, bei der nicht bloß der Titel mechanisch ausgeführt wird, sondern sich die Eingriffsbefugnis des Staates in einem bestimmten Eingriff konkretisiert, wobei aus der oft breiten Palette möglicherweise in Betracht kom602 603
Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 98. Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 98 f.
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mender Eingriffsakte ein ganz bestimmter vom Vollstreckungsschuldner zu duldender Eingriffsakt ausgewählt und auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Vollstreckungsschuldners geprüft wird. So geht es etwa bei der Vollstreckung eines Geldleistungstitels darum, welches konkrete Vermögensstück des Vollstreckungsschuldners zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers beschlagnahmt und verwertet wird oder bei der Pfändung seines Arbeitslohnes darum, wie viel ihm davon aus gesetzlichen Gründen zu belassen ist oder aus Gründen der Rücksichtnahme seitens des Vollstreckungsgläubigers belassen wird. Die hierin zum Ausdruck kommende Wesensverschiedenheit der vom Staat im Titelerzeugungs- und im Vollstreckungsverfahren ausgeübten Staatsgewalt, die im Verlaufe der vorstehenden Ausführungen bereits bei der Untersuchung der Immunitätsproblematik zu Tage getreten ist, macht es aber unmöglich, die Vollstreckungskompetenz lediglich als unselbständigen Annex zur Entscheidungskompetenz zu verstehen. Dies ist bei der internationalen Zuständigkeit nicht anders als bei der Gerichtsbarkeit, wo sich bereits mehrfach der Schluss von der Kompetenz im Erkenntnisverfahren auf die Kompetenz im Vollstreckungsverfahren als untauglich erwiesen hat. Aber auch der weitere Gedanke Wollenschlägers, deutsche Vollstreckungsorgane müssten zur Vermeidung „hoheitsfreier Gebiete“ per se international zuständig sein, wenn die internationale Zuständigkeit der titelschaffenden deutschen Organe vorgelegen habe, geht fehl. Dabei ist bereits die verfassungsrechtliche Grundannahme, das staatliche Gewaltmonopol könne dem deutschen Vollstreckungsgläubiger nur zugemutet werden, wenn der deutsche Staat ihm seine Vollstreckungsorgane auch in Vollstreckungsfällen mit Auslandsberührung umfassend zur Verfügung stelle, unzutreffend. Dies schon deshalb, weil der Vollstreckungsgläubiger in vielen Vollstreckungsfällen mit Auslandsberührung, erst Recht im Anwendungsbereich der EG-VO Nr. 44/2001, die Vollstreckbarerklärung eines deutschen Titels im Ausland erreichen kann, so dass er keineswegs rechtsschutzlos gestellt wird, wenn der deutsche Staat seine internationale Vollstreckungszuständigkeit verneint604. Gerade im Fall der Vollstreckung im Wege der Forderungs- bzw. Rechtspfändung wird die Unrichtigkeit der viel zu pauschalen verfassungsrechtlichen Ausgangsposition Wollenschlägers offenbar. Denn anders als im Kernbereich der Garantie auf effektive Zwangsvollstreckung, der bei dem inlandsbelegenen und für die Vollstreckungsorgane der Bundesrepublik ohne weiteres „fassbaren“ Vermögen des Vollstreckungsschuldners anzusiedeln ist, geht die Eingriffsintensität einer staatlichen Vollstreckungsverweigerung, wie sie etwa in der unterlassenen Normierung einer 604 Zur Bedeutung der Möglichkeit anderweitigen effektiven Rechtsschutzes für die Verhältnismäßigkeit der Verweigerung von Justizgewähr vgl. E. J. Habscheid, IPRax 2001, 396, 399.
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internationalen Vollstreckungszuständigkeit zu sehen ist, mit abnehmenden territorialen Bezügen des Vollstreckungsgegenstandes und abnehmenden Möglichkeiten, den gepfändeten Gegenstand in der Bundesrepublik zu verwerten, zurück. Je geringer aber die Eingriffsschwere in den Justizgewähranspruch zu werten ist, desto geringere Anforderungen stellt auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (genauer: die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) an die Vollstreckungsverweigerung. Deshalb wäre etwa eine fehlende internationale Vollstreckungszuständigkeit für die Vollstreckung aus einem deutschen Titel in ein ausländisches Patent oder ein ausländisches Registerpfandrecht selbst bei inländischem Wohnsitz/Sitz des Vollstreckungsschuldners ohne weiteres als verhältnismäßige gesetzliche Beschränkung des Justizgewähranspruchs mit der Verfassung vereinbar. Demnach ist also schon die Grundprämisse, das Gewaltverbot sei nur verfassungsrechtlich rechtfertigbar, wenn die deutschen Vollstreckungsorgane dem Vollstreckungsgläubiger auch bei Vollstreckungsfällen mit Auslandsberührung – im Rahmen der deutschen Vollstreckungsgewalt – einschränkungslos zur Verfügung gestellt werden, nicht haltbar. Aber selbst wenn man der Grundprämisse Wollenschlägers, dass das Verfassungsrecht die Gewährung umfassenden Vollstreckungsrechtsschutzes gebietet, folgen wollte, dürfte aus ihr keineswegs geschlussfolgert werden, dass die deutschen Vollstreckungsorgane im Vollstreckungsverfahren mit Rücksicht auf sie die internationale Zuständigkeit nicht prüfen dürfen. Im Ergebnis liefe das nämlich darauf hinaus, dass die Vollstreckungsorgane einfachgesetzliche Bestimmungen wegen erkannter Verfassungswidrigkeit nicht anwenden würden. Genau dies ist aber allen Staatsorganen im Hinblick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nicht gestattet. Vielmehr haben insbesondere die Gerichte, die von der Verfassungswidrigkeit einer einfachgesetzlichen Norm überzeugt sind und sie deshalb nicht anwenden wollen, diese Norm gemäß Art. 100 Abs. 1 GG im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht zur endgültigen Entscheidung über ihre Verfassungsmäßigkeit vorzulegen. Dies wäre mithin der Weg, den ein Vollstreckungsgericht, das Wollenschlägers verfassungsrechtlicher Grundprämisse folgt, einzuschlagen hätte. Eine Verweigerung der Anwendung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit scheidet dagegen mit Rücksicht auf den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts aus. Nach alledem müssen die deutschen Vollstreckungsorgane und in Sonderheit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO das Vollstreckungsgericht bei Sachverhalten mit Auslandsberührung im Anschluss an die Bejahung deutscher Gerichtsbarkeit die internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsbehörden prüfen.
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II. § 828 Abs. 2 ZPO als Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO 1. Fehlen völkervertragsrechtlicher bzw. europarechtlicher Rechtsgrundlagen
Soweit ersichtlich gelten für den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland weder bi- noch multilaterale Staatsverträge, die die internationale Forderungspfändung umfassend oder jedenfalls in Sonderheit die internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte zum Erlass von Pfändungsbeschlüssen bei Sachverhalten mit Auslandsberührung regeln605. Insbesondere das Luganer Übereinkommen (LGVÜ)606 enthält ebenso wie das annähernd gleichlautende, zwischenzeitlich weitgehend durch die EGVerordnung Nr. 44/2001607 ersetzte EuGVÜ keine Regelung über die internationale Zuständigkeit für Pfändungsmaßnahmen in Forderungen und Rechte608. Auch das europäische Gemeinschaftsrecht in Gestalt der Verordnung Nr. 44/2001 (sogen. „Brüssel I-Verordnung“) enthält keine entsprechende Regelung zur internationalen Zuständigkeit zum Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen609. 605
Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; Schütze, IZPR, S. 192; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 24 f.; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 12 IV 2; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 557. Die internationalen Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen betreffen nur Entscheidungen, die auf Grund eines Gerichtsverfahrens ergehen und der Rechtskraft fähig sind, nicht aber Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Die von Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, § 829 Rdnr. 26 angeführte Sonderregelung für die internationale Forderungspfändung in Art. 18 § 2 des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 09.05.1980 (Zustimmungsgesetz vom 23.01.1985, BGBl. II, 1985, 132) belegt die hier vertretene Auffassung, dass es allenfalls bruchstückhafte staatsvertragliche Regelungen gibt, die die internationale Zuständigkeit nicht regeln. Denn diese Norm bestimmt lediglich, dass die Pfändung einer Forderung zwischen Beförderungsunternehmen, die nicht demselben Mitgliedsstaat angehören, eine Entscheidung (d.h. einen Titel) eines Gerichts des Staates voraussetzt, dem der Vollstreckungsschuldner angehört. 606 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09. 1988 (BGBl. 1994 II, 2660; in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 01.03.1995 (BGBl. 1995 II, 221)). 607 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG L 12/1-23). 608 Gottwald, IPRax 1991, 285, 288 Fußn. 44; R. Geimer, IPRax 1986, 208, 209; ders., IZPR, Rdnr. 435 und Rdnr. 1226; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 12 IV 2. 609 R. Geimer, IPRax 2002, 69, 73; ders., IZPR, Rdnr. 1226.
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2. Verortung der internationalen Zuständigkeit für das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO in § 828 Abs. 2 ZPO?
Mithin stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls welche Rechtsgrundlage das autonome deutsche Zwangsvollstreckungsrecht für die internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte zur Forderungs- und Rechtspfändung bereithält. Als eine solche Rechtsgrundlage, die im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen derzeit die einzige Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit zur Forderungs- und Rechtspfändung im deutschen Rechtsraum wäre, kommt § 828 Abs. 2 ZPO in Betracht. a) Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO Da in dieser Bestimmung weder ausdrücklich von internationaler Zuständigkeit noch – wie in den seltenen Fällen ausschließlicher Regelungen der internationalen Zuständigkeit in der ZPO wie z. B. § 606 a ZPO – von der Zuständigkeit der „deutschen Gerichte“ die Rede ist, muss durch Auslegung der Norm ermittelt werden, ob sie neben der örtlichen Zuständigkeit auch die internationale Zuständigkeit regelt. Dies könnte sich ohne weiteres aus dem in Rechtsprechung und Lehre fast allgemein anerkannten Prinzip der „Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeitsnormen“ ergeben, wonach grundsätzlich die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit „stillschweigend“ mitregeln610. Das wäre allerdings zu kurz gesprungen, übersieht doch die Lehre von der Doppelfunktionalität der Gerichtsstandsnormen in ihrer Pauschalität, dass beileibe nicht alle Zuständigkeitsregelungen der ZPO auf das Konstrukt einer auf die Gesetzgebungsgeschichte gestützten, „stillschweigenden Mitregelung“ der internationalen Zuständigkeit angewiesen sind, weil sie bereits kraft ihres Wortlautes hinreichend deutlich machen, dass sie (auch) die Entscheidung von Sachverhalten mit Auslandsberührung durch deutsche Gerichte miterfassen. Besonders klar hat dies Kropholler herausgearbeitet, der in seinem grundlegenden Beitrag zur internationalen Zuständigkeit mit Bezug auf die vorgenannte Problematik innerhalb der Zuständigkeitsvorschriften der ZPO drei Normengruppen unterscheiden will: Normen primär über die örtliche Zuständigkeit, in denen im Sinne der Lehre von der Doppelfunktionalität die internationale Zuständigkeit mitgeregelt wird, Normen für Auslandssachverhalte, in denen neben der primär angesprochenen internationalen Zuständigkeit die 610 BGHZ 44, 46, 47, Beschl. v. 14.06.1965-GSZ 1/65; BGHZ 94, 156, 157 f., Urt. v. 18.04.1985 – VII ZR 359/83; Schack, IZVR, Rdnr. 236; R. Geimer, IZPR, Rdnrn. 943–946 a; Kropholler, HBIZVR, Band 1, S. 210–212, der auch treffend herausarbeitet, dass es sich hierbei um eine direkte und nicht etwa um eine analoge Anwendung der Gerichtsstandsnormen handelt.
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örtliche Zuständigkeit mitgeregelt wird und schließlich Normen, die sich – wie z. B. § 606 a ZPO – ausschließlich auf die internationale Zuständigkeit beziehen611. Mit Blick auf § 828 Abs. 2 ZPO kann man diese Normgruppen sogar noch um eine vierte erweitern: Normen, die die örtliche wie die internationale Zuständigkeit gleichberechtigt nebeneinander ansprechen. § 828 Abs. 2 ZPO erfasst insbesondere in seiner ersten Alternative ohne weiteres Inlandsfälle und ist daher zwanglos als Regelung der örtlichen Zuständigkeit identifizierbar. Zugleich ist er aber über die zweite Alternative auf Auslandssachverhalte zugeschnitten und will dadurch erkennbar die internationale Zuständigkeit regeln. Die zweite Alternative greift nämlich nur, wenn der Vollstreckungsschuldner „im Inland“ keinen allgemeinen Gerichtsstand hat und regelt damit Sachverhalte, die schon dadurch eine erhebliche Auslandsberührung erfahren, dass der Vollstreckungsschuldner seinen Sitz/Wohnsitz im Ausland hat. Da aber nicht anzunehmen ist, dass § 828 Abs. 2 ZPO in seiner ersten Alternative die örtliche und in der zweiten die internationale Zuständigkeit regeln will, ist § 828 Abs. 2 ZPO einheitlich schon kraft seines Wortlauts als gleichberechtigte, ausdrückliche Regelung sowohl der örtlichen wie der internationalen Zuständigkeit zu verstehen612. Dies steht, wie bereits an früherer Stelle dargelegt, auch im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Somit bedarf es nicht erst des Rückgriffs auf die Konstruktion der Lehre von der „Doppelfunktionalität der Gerichtsstandsregeln“, um § 828 Abs. 2 ZPO als Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO zu identifizieren613. Diese Abgrenzung zur herkömmlichen Herleitung der internationalen Zuständigkeit aus der Lehre von der Doppelfunktionalität614 ist keineswegs nur von akademischem Interesse, so dass man sie mangels praktischer Relevanz auch dahinstehen lassen könnte615. Denn eine Begründung der internationalen Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit mittels des Grundsatzes der Doppelfunktionalität der Zuständigkeitsnormen führt nicht in jedem Fall zu einer definitiven Bejahung der internatio611 Kropholler, HBIZVR, Band 1, S. 212. Ihm folgend: Patzina, in: MünchKomm, § 12 ZPO, Rdnr. 93. 612 A. A. Jestaedt, IPRax 2001, 438, 439, der meint die Vorschrift regele ihrem Wortlaut nach nur die örtliche Zuständigkeit. 613 So implizit auch OLG Saarbrücken, IPRax 2001, 456, Beschl. v. 11.07.2000 – 5 W 369/99 – 102 –, das ohne jede Erwähnung der Lehre von der Doppelfunktionalität unter Bezugnahme auf den Gesetzeswortlaut die internationale Zuständigkeit in § 828 Abs. 2 ZPO verortet. Offen gelassen von I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 93 Fußn. 4; a. A.: Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, § 828 Rdnr. 7; W. Lüke, in: Wieczoreck/Schütze, § 828 Rdnr. 9 Fußn. 15, die die internationale Zuständigkeit in § 828 Abs. 2 ZPO mit Hilfe des Grundsatzes der Doppelfunktionalität herleiten wollen. 614 Vgl. etwa Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 828 Rdnr. 4. 615 So aber I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 93 Fußn. 4.
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nalen Zuständigkeit. Doppelfunktionalität bedeutet nämlich nach der ganz h. M. in Rechtsprechung und Lehre nicht etwa die „mechanische“ Ableitung der internationalen Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit616, sondern eben nur, dass die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit indiziert617, so dass zusätzlich zum Eingreifen eines Zuständigkeitstatbestandes das Ergebnis der Annahme oder Verweigerung der deutschen internationalen Zuständigkeit stets unter spezifisch internationalrechtlichen Gesichtspunkten überprüft werden muss618. Demgegenüber folgt aus der hier vertretenen Auffassung, dass § 828 Abs. 2 ZPO eine eindeutige Regelung der internationalen Zuständigkeit enthält, die nicht auf die Lehre von der Doppelfunktionalität angewiesen ist, so dass für eine über den Wortlaut des § 828 Abs. 2 ZPO hinaus gehende Prüfung „spezifisch internationalrechtlicher Gesichtspunkte“, die trotz des Eingreifens von § 828 Abs. 2 ZPO zu einer Verneinung der internationalen Zuständigkeit führen könnte, kein Raum ist. b) Der verfahrenskollissionsrechtliche Ansatz Jahrs Wiewohl § 828 Abs. 2 ZPO mithin sowohl seinem Wortlaut als auch seiner Entstehungsgeschichte nach auch eine Regelung der internationalen Zuständigkeit enthält619 und daher von der ganz h. M. im Ergebnis zu Recht als Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO angesehen wird620, will Jahr dem nicht folgen und statt dessen eine ungeschriebene allseitige Kollisionsnorm des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts entwickeln, wonach die Zugriffsgewalt der deutschen Vollstreckungsgerichte nur diejenigen Forderungen und Vermögensrechte erfasst, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland belegen sind oder zwar im Ausland belegen sind, deren Pfän616
Walchshöfer, ZZP 80 (1967), 165, 189–203. BGHZ 115, 90, 92; Urt.v. 02.07.1991 – XI ZR 206/90; BGH, NJW 1995, 1225, 1226; Urt. v. 22.11.1994 – XI ZR 45/91; OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.10.1999 – 1 U 190/99 – 37; Schack, IZVR, Rdnr. 236; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 943. Zu Recht kritisch zu dieser auf den österreichischen Zivilprozessrechtler Schwimann zurückgehenden „Indikationentheorie“, die mit der Annahme, die internationale Zuständigkeit sei in der örtlichen Zuständigkeit stillschweigend mitgeregelt, nicht in Einklang zu bringen ist: Kropholler, HBIZVR, S. 211 Fußn. 75. 618 Schack, IZVR, Rdnr. 236 f. mit einem Beispiel für einen Fall, in dem die internationale Zuständigkeit trotz des Eingreifens eines Zuständigkeitstatbestandes aus internationalrechtlichen Gründen nicht aus dem Grundsatz der Doppelfunktionalität hergeleitet werden könne. 619 Ebenso unter Berufung auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte: Marquordt, Internationale Forderungspfändung, S. 14. 620 Vgl. statt vieler: Schack, IZVR, Rdnr. 982; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1224. 617
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dung aber vom Belegenheitsstaat anerkannt wird621. Die Eleganz dieser Lösung, die zweifellos das Gebot der Gegenseitigkeit konsequent umsetzt, vermag nicht darüber hinwegzuhelfen, dass sie schlicht mit dem Gesetz nicht vereinbar ist. Jahr führt für seine Auffassung an, eine Auslegung, die § 828 Abs. 2 ZPO als Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit verstehe, führe zu „absurden Konsequenzen“ und verletze das Gebot der Gegenseitigkeit. Mit diesen Konsequenzen meint Jahr, dass die Verortung der internationalen Zuständigkeit in § 828 Abs. 2 ZPO nach dem Gesetzeswortlaut letztlich die Pfändung von ausländischen Anteilsrechten, Immaterialgüterrechten, beschränkt dinglichen Rechten und selbst von belastetem oder geteiltem Eigentum an beweglichen auslandsbelegenen Sachen ermögliche, wiewohl in den genannten Fällen eine den Gläubiger befriedigende Verwertung nicht erreicht werden könne622. Hierfür sei keine „sachliche Begründung“ ersichtlich. Eine Auslegung, die zu derartigen Ergebnissen führe, sei nachgerade ein „Schulfall falscher Begriffsjurisprudenz“623. Man kommt nicht umhin, den methodischen Vorwurf zurückzureichen, und Jahrs Ausführungen als Schulfall einer „Auslegung vom Ergebnis her“ zu qualifizieren, die das Gesetz unter Berufung auf als evident widersinnig empfundene Ergebnisse nach Belieben korrigiert. Dabei sieht Jahr selbst, dass es auch bei Zugrundelegung seiner Auffassung, wonach die vorstehend angeführten Beispiele waghalsiger Pfändungszugriffe definitiv keine Verwertungschancen eröffnen würden, durchaus gesetzeskonforme Auswege gäbe, derartige Pfändungsgesuche abzulehnen, wenn er weiter ausführt, solche Pfändungsakte wären „jedenfalls wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses (Rechtsmissbrauchs)“ unzulässig624. Wenn dem aber so ist, hätten derartige von Jahr als unsinnig qualifizierte Pfändungsgesuche auch bei der Verortung der internationalen Zuständigkeit in § 828 Abs. 2 ZPO keine Aussicht auf Erfolg, so dass es zu ihrer Verhinderung gerade nicht erforderlich wäre, die in § 828 Abs. 2 ZPO enthaltene Regelung der internationalen Zustän621 Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 164 f. Ihm folgend: Gottwald, IPRax 1991, 285, 290, der Inlandsbelegenheit bejahen will, wenn der Drittschuldner inländischen Wohnsitz, hilfsweise inländische Niederlassung, hat und die Forderung im Inland zahlbar ist. 622 Damit greift Jahr insbesondere auch das bereits im Rahmen der Gerichtsbarkeit erörterte und im Rahmen dieser Arbeit noch mehrmals zu thematisierende Problem der Pfändbarkeit „(auslands-)territorial gebundener Vermögensrechte“ auf. Gegen die internationale Zuständigkeit deutscher Organe zur Pfändung solcher Rechte wenden sich auch Gottwald, IPRax 1991, 285, 290 und speziell bezogen auf ausländische Patente und Immaterialgüterrechte Nussbaum, Deutsches IPR, S. 419; a. A. (wie hier) hinsichtlich der Pfändung ausländischer Patente: Schramm, GRUR 1958, 480; Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts Band I, S. 115; Riezler, IZPR, S. 661 f. hinsichtlich der Pfändung ausländischer Patente und Urheberrechte. 623 Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 165. 624 Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 165.
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digkeit durch eine ungeschriebene kollisionsrechtliche Norm zu korrigieren. Auch das von Jahr als weiteres Argument für seine Auffassung angeführte Gebot der Gegenseitigkeit ist kein Argument dafür, dem Gesetz die Anwendung zu versagen. Zum einen mag die von Jahr bemängelte fehlende Gegenseitigkeit Anlass geben, die deutsche Rechtslage im Hinblick auf die Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsakte kritisch zu prüfen625. Zum anderen kann eine fehlende Gegenseitigkeit, selbst wenn sich die deutsche Rechtslage im Hinblick auf die Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsakte als reformresistent erweisen sollte, allenfalls Anlass zu rechtspolitischer Kritik geben, nicht aber dazu dienen, eine im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 GG) untersagte, Rechtsfortbildung626 contra legem zu legitimieren. Als eine solche ist die Auffassung Jahrs nämlich nach den bereits mehrfach hierfür angeführten Kriterien von Koch/Rüßmann627 zu qualifizieren, weil sie sowohl gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut als auch gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers628 verstößt, wonach § 828 Abs. 2 ZPO Rechtsgrundlage auch für die internationale Zuständigkeit sein soll. Mithin ist dieser Auffassung nicht zu folgen. § 828 Abs. 2 ZPO ist also in Übereinstimmung mit der ganz h. M. die Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsorgane im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO.
3. Die Zuständigkeitstatbestände im Einzelnen
a) Ausgangsbefund: Gesetzestext und völkerrechtliche Vorgaben Will man die einzelnen Zuständigkeitstatbestände für die internationale Zuständigkeit im Wege der Auslegung ermitteln, so gilt es zunächst, den Gesetzestext auf denkbare Tatbestände hin abzuklopfen, da jede Auslegung bei der grammatikalischen Auslegung ansetzt. Dem Gesetzestext nach kommen folgende Zuständigkeitstatbestände in Betracht: – der Vollstreckungsschuldner hat einen allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland (§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO i.V. m. §§ 13–19 625
Diese Frage wird im 3. Teil der Arbeit ausführlich untersucht. Die kollisionsrechtliche Lösung Jahrs ist als Rechtsfortbildung zu qualifizieren. Eine solche liegt in Abgrenzung zur Auslegung vor, wenn der Rechtsanwender von dem vom Gesetzgeber Gesagten (Wortlaut) und/oder Gewollten abweicht: Vgl. dazu Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 169 und S. 246 ff. Daher geht Gottwald, IPRax 1991, 285, 290 fehl, wenn er die von ihm befürwortete Lösung Jahrs als „Auslegung“ qualifiziert. 627 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 255. 628 Vgl. dazu Marquordt, Internationale Forderungspfändung, S. 11–15. 626
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
ZPO)629 (Tatbestand Nr. 1: „Zuständigkeit kraft inländischen allgemeinen Vollstreckungsschuldnergerichtsstands“) – der Vollstreckungsschuldner hat keinen allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland, wohl aber der Drittschuldner, der im Inland seinen Sitz/Wohnsitz hat (§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO i.V. m. § 23 S. 2 Var. 1 ZPO) (Tatbestand Nr. 2: „Zuständigkeit kraft inländischen Drittschuldnersitzes/wohnsitzes“) – der Vollstreckungsschuldner hat keinen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, der Drittschuldner keinen inländischen Sitz/Wohnsitz, aber eine im Inland belegene Sache haftet als Sicherheit für die zu pfändende Forderung (§ 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO i.V. m. § 23 S. 2 Var. 2 ZPO)630 (Tatbestand Nr. 3: „Zuständigkeit kraft inlandsbelegener Realsicherheit“) – der Vollstreckungsschuldner hat keinen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, der Drittschuldner keinen inländischen Sitz/Wohnsitz, aber der Vollstreckungsschuldner ist Inhaber von der zu pfändenden Forderung verschiedenen, inlandsbelegenen Vermögens (§§ 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO i.V. m. § 23 S. 1 Var. 1, S. 2 ZPO), wozu wegen § 23 S. 2 ZPO auch 629 Das Gesetz verweist seinem eindeutigen Wortlaut nach auf den allgemeinen inländischen Gerichtsstand und damit auf die §§ 13–19 ZPO und nicht nur auf §§ 13, 17 ZPO. Dies wird zwar in der Kommentarliteratur, oft nur mit Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit, durchgängig gesehen (vgl. z. B. Putzo in Thomas/ Putzo, ZPO, § 828 Rdnr. 4, der allerdings im Rahmen der internationalen Zuständigkeit nur von einem Verweis auf die §§ 13–17 ZPO ausgeht und dabei übersieht, dass in Zwangsvollstreckungsfällen mit Auslandsberührung der Bund oder die Länder durchaus als Vollstreckungsschuldner in Betracht kommen), in der Literatur zum internationalen Zivilverfahrensrecht, wo fast durchgängig §§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO i.V. m. § 13 ZPO zitiert werden, dagegen etwas nachlässiger formuliert (vgl. etwa Schack, Rpfleger 1980, 175; ders., IZVR, Rdnr. 982; Schütze, IZPR, S. 192; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1225; Ausnahme etwa: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 94). 630 Unter diesen Tatbestand will I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 94, auch den Fall fassen, dass „unkörperliche Gegenstände“, die für die zu pfändende Forderung als Sicherheit haften, im Inland belegen sind. Das ist indes mit dem klaren Wortlaut („Sache“) nicht mehr vereinbar und könnte der Norm daher allenfalls im Wege der Analogie entnommen werden, wobei dann als „Belegenheitsort“ der sichernden Forderung in Anlehnung an § 23 S. 2 Var. 1 ZPO der Sitz/ Wohnsitz des Schuldners dieser Forderung in Betracht käme. Allerdings ist eine solche Analogie nicht zu befürworten. Sie würde nämlich nicht nur dazu im Widerspruch stehen, dass im Hinblick auf die starke rechtspolitische Kritik an dieser Norm eine nahezu allgemeine Tendenz zu deren restriktiver Auslegung besteht, sondern auch noch dazu, dass der Gesetzgeber bei § 23 S. 2 Var. 2 ZPO nicht etwa zufällig auf Sachsicherheiten abgestellt und dabei die Möglichkeit der Besicherung mit Forderungen übersehen hat, sondern vielmehr die Sachsicherheiten deshalb bewusst gewählt hat, weil deren Belegenheit einen sicheren Anknüpfungspunkt für einen Zuständigkeitstatbestand eröffnet.
C. Internationale Zuständigkeit für Pfändungsbeschlüsse
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von der zu pfändenden Forderung zu unterscheidende Forderungen gegen im Inland wohnhafte andere Drittschuldner und für solche Forderungen als Sicherheit haftende im Inland belegene Sachen gehören631 (Tatbestand Nr. 4: „Zuständigkeit kraft von der zu pfändenden Forderung verschiedenen, inlandsbelegenen Vollstreckungsschuldnervermögens“). Lässt man diese nach dem Gesetzeswortlaut in Betracht kommenden internationalen Zuständigkeitstatbestände durch den völkergewohnheitsrechtlichen „Vorfilter“ (Zulässigkeitsgesichtspunkt: „Deutsche Gerichtsbarkeit“) laufen, so ergibt sich, wie bereits gezeigt, dass lediglich Tatbestand Nr. 4 im Hinblick auf den völkergewohnheitsrechtlichen genuine-link-Satz nicht uneingeschränkt eingreifen kann, sondern der Korrektur im Wege durch eine völkerrechtskonforme Auslegung bedarf, die die Zuständigkeitstatbestände um das Kriterium des hinreichenden Inlandsbezugs der zu pfändenden Forderung oder des zu pfändenden Rechts ergänzt. b) Beschränkung aller Zuständigkeitstatbestände (Nr. 1–4) durch Riezlers Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit? Möglicherweise ist allen soeben herausgearbeiteten internationalen Zuständigkeitstatbeständen in bestimmten Fallgruppen auf Grund der Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit die Anwendung zu versagen. Diese von Riezler632 so benannte633, auch heute noch verbreitete und außerordentlich umstrittene634 Lehre zielt im Kern darauf ab, ihrem Wortlaut nach erfüllte Tatbestände internationaler Zuständigkeit im Hinblick auf die spezifische Eigenart eines in Rede stehenden Streit- bzw. Verfahrensgegenstandes nicht anzuwenden635. Zur dogmatischen Begründung verweist 631 Gut gesehen von Hellwig, System des Deutschen Zivilprozessrechts, Band 2, S. 335; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 558 und I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 94, die indes anders als Bertele und die vorliegende Arbeit die Fälle sonstiger Forderungen des Vollstreckungsschuldners, deren (Dritt)Schuldner in Deutschland wohnen bzw. für die inlandsbelegene Realsicherheiten haften, irrigerweise für eine eigenständige Fallgruppe hält und daher anstatt zu vier zu fünf Zuständigkeitstatbeständen kommt. 632 Riezler, IZPR, S. 230 ff. Dabei sprach Riezler im Hinblick auf die damals noch im Fluss befindliche Terminologie anstelle von internationaler bevorzugt von staatlicher Zuständigkeit, so dass in seinem Lehrbuch meist von „sachlicher staatlicher Unzuständigkeit“ die Rede ist. 633 Es sind jedoch für dieses Phänomen noch zahlreiche andere Bezeichnungen im Umlauf. Am verbreitetsten sind dabei die Bezeichnungen „wesenseigene internationale Unzuständigkeit“ und „internationale Unzuständigkeit rationae materiae“. Vgl. dazu mit weiteren Beispielen: Wenckstern, in: HBIZVR, Band II/1, S. 319 f. 634 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1001. 635 Riezler, IZPR, S. 230.
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Riezler auf den Gedanken einer „prozessualen Reflexwirkung der Beschränkung der territorialen Reichweite bestimmter Rechtseinrichtungen und Rechte“636. Er versteht also seine Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit als eine zwingende prozessuale Konsequenz des bereits im Rahmen der Gerichtsbarkeit vorgestellten materiell-rechtlichen Territorialitätsprinzips637. Davon ausgehend bejaht etwa Riezler sachliche internationale Unzuständigkeit, wenn ein ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruch Streit- bzw. Verfahrensgegenstand ist, wenn eine Entscheidung über Rechte begehrt wird, die wegen ihrer territorialen Beschränkung im Inland keine Wirkung haben können (z. B. Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Warenzeichen), wenn eine Entscheidung über Rechte begehrt wird, die der inländischen Rechtsordnung überhaupt wesensfremd sind oder wenn es um eine Gestaltungsklage geht, bei der man dem einschlägigen ausländischen Sachrecht die Wertung entnehmen kann, dass die ausländische Rechtsordnung aus Gründen, die dem ordre public zuzurechnen sind, nur einem Akt ihrer eigenen Behörden rechtsgestaltende Kraft zuerkennen will638. Ferner wird unter anderem eine sachliche internationale Unzuständigkeit für Streitigkeiten über ausländische Grundstücke diskutiert639. Wendet man die Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit auf die Zuständigkeitstatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO an, so könnte sie hinsichtlich der bereits im Rahmen der Gerichtsbarkeit und der verfahrenskollionsrechtlichen Lösung Jahrs erörterten „territorial gebundenen Vermögensrechte“ (wie z. B. Grundpfandrechte, Immaterialgüterrechte), also derjenigen absoluten Rechte, die ihrem Inhalt nach auf ein bestimmtes ausländisches Territorium bezogen sind und daher auch nur innerhalb dieses Territoriums gelten, eingreifen und zur Verneinung der dem Normtext nach gegebenen internationalen Zuständigkeitstatbestände führen. Diese Lösung hätte gegenüber der radikalen Lösung Jahrs den Charme, dass sie zur Vermeidung des – aus ihrer Sicht unerwünschten – Ergebnisses, dass deutsche Vollstreckungsgerichte zur Pfändung auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte international zuständig sind, nicht gleich § 828 Abs. 2 ZPO in toto für unanwendbar erklären muss, sondern sich darauf beschränken kann, dessen Anwendbarkeit nur in den aus ihrer Sicht kritischen Kon636
Riezler, IZPR, S. 231. Mit dieser angeblichen prozessualen Reflexwirkung des Territorialitätsprinzips argumentiert wohl auch Gottwald, IPRax 1991, 285, 290, wenn er aus der Tatsache, dass die Immaterialgüterrechte auf den „Verleihungsstaat“ begrenzt gelten, rückschließen will, dass sie auch nur im Verleihungsstaat gepfändet werden könnten. Allerdings wird aus Gottwalds Ausführungen nicht hinreichend deutlich, ob er dabei auf das materiell-rechtliche oder auf das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip abstellen will. 638 Riezler, IZPR, S. 230–244. 639 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 995. 637
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stellationen auszuschließen. Dennoch ist damit noch nicht gesagt, dass dieser Lösung gefolgt werden kann. Die Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit wird nämlich zu Recht von einer im Vordringen begriffenen Auffassung weitgehend, das heißt von noch zu besprechenden Ausnahmen abgesehen, abgelehnt640. Diese Ablehnung knüpft zu Recht daran an, dass die Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit an dem methodischen Mangel leidet, dass sie unter Berufung auf eine weite Leerformel dem klaren Gesetzeswortlaut die Gefolgschaft verweigert, ohne dabei zu prüfen, ob diese Rechtsfortbildung legitimiert und legitimierbar ist641. Untersucht man dies näher, so kommt man zunächst zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung des Gesetzeswortlauts des § 828 Abs. 2 ZPO durch das Kriterium der aus dem „Wesen“ des Streit- bzw. Verfahrensgegenstandes folgenden Unzuständigkeit nicht mit den durch den Gewaltenteilungsgrundsatz gezogenen Rechtsfortbildungsgrenzen des eindeutigen Wortlauts und des eindeutigen Gesetzgeberwillens642 kollidiert. Denn, wie bereits erörtert, ging der Gesetzgeberwille zwar dahin, die aus § 828 Abs. 2 ZPO folgende internationale Zuständigkeit möglichst weit zu ziehen. Jede denkbare Konstellation – wie etwa die Pfändbarkeit auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte – hat der Gesetzgeber dabei aber nicht erörtert und somit auch keinen eindeutigen diesbezüglichen Willen gebildet, der einer entsprechenden Rechtsfortbildung im Wege stehen könnte. Das bedeutet aber noch nicht, dass damit die Einschränkung des Gesetzeswortlauts im Wege der Rechtsfortbildung legitimiert ist. Denn dafür bedürfte es eines zwingenden, aus dem Gesetzeszweck ableitbaren Grundes. Ein solcher ist aber nicht ersichtlich. Das Völkergewohnheitsrecht, das häufig als eine Rechtsgrundlage der Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit angeführt wird643, verbietet, wie bereits ausführlich dargelegt, die Pfändung auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte nicht. Es bleibt somit als Anknüpfungspunkt noch das materiell-rechtliche (wohl gemerkt nicht völkergewohnheitsrechtliche!) Territorialitätsprinzip, dessen prozessuale Reflexwirkung Riezler reklamiert. Eine solche Reflexwirkung ist aber keineswegs zwingend644. Das resultiert daraus, dass dem Zuständigkeitsrecht und dem materiell-rechtlichen Territorialitätsgedanken ganz unterschiedliche Regelungszwecke zu Grunde liegen645. Für das Zuständigkeitsrecht ist alleine entscheidend, dass das die internationale Zuständigkeit in Anspruch neh640
Schack, IZVR, Rdnrn. 504–511; R. Geimer, IZPR, Rdnrn. 994–1007. Schack, IZVR, Rdnr. 504, spricht gar von einem „juristischen Gespenst, das bei schärferer Betrachtung verschwindet“. 642 Siehe einmal mehr: Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 255. 643 Wenckstern, HBIZVR, S. 321. 644 Dagegen etwa auch Otte, IPRax 2001, 315, 316 f. m. w. N. 645 Otte, IPRax 2001, 315, 317. 641
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mende Land mit der Schaffung eines Zuständigkeitstatbestandes sein Interesse an der Rechtsdurchsetzung hinsichtlich bestimmter Sachverhaltsgestaltungen manifestiert646. Der materiell-rechtliche Territorialitätsgrundsatz entfaltet daher keine umfassende zwingende Reflexwirkung zu Lasten der internationalen Zuständigkeitstatbestände 647, sondern allenfalls dort, wo deutsche Zuständigkeitsinteressen entfallen. Hierzu kann es allerdings kommen, wenn der Wortlaut eines Zuständigkeitstatbestandes über diese staatlichen Zuständigkeitsinteressen hinausschießt. Ist das der Fall, wie etwa in den Fallgestaltungen, in denen der Gesetzeswortlaut fremden Staaten die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer öffentlich-rechtlichen Steuer-, Gebühren- und sonstiger Erstattungsansprüche ermöglicht, obwohl die Bundesrepublik Deutschland kein staatliches Interesse daran hat, fremden Staaten zur Durchsetzung ihrer öffentlichen Interessen, Rechtsschutz zu gewähren, ist es gerechtfertigt, dem internationalen Zuständigkeitstatbestand unter der Flagge der wesenseigenen Unzuständigkeit mit Rücksicht auf den Regelungszweck des Zuständigkeitsrechts die Anwendung zu versagen648. Genau so liegt es aber in den Fällen auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte regelmäßig gerade nicht. Denn hier hat der Gesetzgeber, wie man den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen kann, das Ziel verfolgt, die internationale Zuständigkeit möglichst breit in Anspruch zu nehmen. Dies sollte es inländischen Gläubigern ermöglichen, ohne Rücksicht auf etwaige Auslandsberührungen, so umfassend wie möglich auf das Vermögen ihrer Vollstreckungsschuldner Zugriff nehmen zu können. Mithin steht die Bejahung internationaler Zuständigkeit aus § 828 Abs. 2 ZPO auch hinsichtlich der Pfändung auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte im Einklang mit den durch den Gesetzestext indizierten Zuständigkeitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland. Der materiell-rechtliche Territorialitätsgrundsatz rechtfertigt es daher nicht, bei auslandsterritorial gebundenen Rechten die deutsche internationale Zuständigkeit aus § 828 Abs. 2 ZPO pauschal unter Berufung auf die Lehre von der internationalen sachlichen Unzuständigkeit zu verneinen. Andererseits ist auch unter denjenigen Autoren, die die Lehre von der sachlichen internationalen Zuständigkeit zu Recht kritisieren, anerkannt, dass es einen kleinen Kreis von Fallgruppen und Sachverhaltsgestaltungen gibt, in denen diese Lehre ihre sachliche Berechtigung hat649. Als typisches Beispiel hierfür wurde bereits die Fallgruppe der Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche durch fremde Staaten in der Bundesrepublik an646 647
Otte, IPRax 2001, 315, 317. Otte, IPRax 2001, 315, 317 m. w. N.; kritisch auch: R. Geimer, IZPR, Rdnr.
1005. 648 649
Schack, IZVR, Rdnr. 510. Vgl. etwa: R. Geimer, IZPR, Rdnr. 1001; Schack, IZVR, Rdnr. 510 f.
C. Internationale Zuständigkeit für Pfändungsbeschlüsse
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geführt. Des weiteren werden Fallgestaltungen diskutiert, in denen das anwendbare ausländische Recht dem deutschen Richter eine Tätigkeit abverlangt, die mit seinem herkömmlichen Aufgabenbereich selbst nach einer Anpassung des deutschen Verfahrensrechts gänzlich unvereinbar wäre650. Dabei wird natürlich in erster Linie an ganz andere Fallgestaltungen als die hier in Rede stehende gedacht, nämlich prinzipiell an solche, in denen das anzuwendende Recht auf Grund seiner Herkunft aus einem diktatorischen System oder einem Religionsstaat Rechtsfolgen vorsieht, die mit unserer Rechts- und Werteordnung schlechterdings unvereinbar sind651. Dennoch lassen sich auch bei den auslandsterritorial gebundenen Vermögensrechten Fallgestaltungen denken, in denen der Gedanke einer den herkömmlichen Bereich gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung unhinnehmbar überschreitenden Tätigkeit eingreifen könnte. Dies ist nämlich dann denkbar, wenn es sich bei dem Recht um ein Registerrecht handelt, dessen Pfändung erst mit der Eintragung in das ausländische Register bewirkt ist. Paradebeispiel hierfür sind ausländische Buchgrundpfandrechte nach Art der deutschen Buchhypothek oder -grundschuld, deren Pfändung gemäß § 830 Abs. 1 S. 3, ggf. i.V. m. § 857 Abs. 6 ZPO erst mit der „auf Grund des Pfändungsbeschlusses“ erfolgenden Registereintragung wirksam wird. Ein solcher Pfändungsbeschluss wäre zwar selbst i.V. m. § 830 Abs. 1 S. 3 ZPO völkerrechtlich unbedenklich, da die Eintragung „auf Grund des Pfändungsbeschlusses“ nicht auf Anordnung des Vollstreckungsgerichts, sondern auf Antrag des Gläubigers erfolgt, so dass der Beschluss keinen unzulässigen Befehl eines deutschen Staatsorgans gegenüber der deutschen Registerbehörde enthielte und es im Übrigen dem ausländischen Staat freistünde, ob er einem solchen Beschluss durch Eintragung in das von ihm unterhaltene Register zur Wirksamkeit verhelfen wollte oder nicht. Dennoch wäre sein Erlass nicht mehr von der in §§ 828 ff. ZPO enthaltenen Aufgabenzuweisung an die Vollstreckungsgerichte gedeckt. Er würde nämlich von vorneherein zu seiner Komplettierung zwingend652 das arbeitsteilige Zusammenwirken mit einer 650 BGHZ 47, 324, 333 f., Urt. v. 22.03.1967 – IV ZR 148/65; Schack, IZVR, Rdnr. 506; Herfarth, IPRax 2000, 101. 651 Vgl. dazu das Paradebeispiel KG, IPRax 2000, 126, 127, Urt. v. 1998 – 3 UF 9545/97, das die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Scheidung nach iranischem Recht bei verweigerter Zustimmung des Ehemanns trotz Eingreifens des § 606 a ZPO mit der Begründung verneint, das vom iranischen Recht vorausgesetzte Handeln eines geistlichen Gerichts auf der Grundlage religiöser Vorschriften sei dem deutschen Rechtssystem wesensfremd und könne von einem deutschen Gericht nicht geleistet werden; a. A. Herfarth, IPRax 2000, 101, 103, der die Verneinung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in dieser Konstellation für mit Art. 4 GG nicht vereinbar hält. 652 Das unterscheidet die Pfändung solcher auslandsgebundener Registerrechte denn auch entscheidend von der Pfändung einer Forderung, deren Drittschuldner im Ausland wohnt. Zwar kommt auch hier eine Komplettierung des Pfändungsaktes
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ausländischen Behörde voraussetzen. Ein solches Zusammenwirken des Vollstreckungsgerichts mit einer ausländischen Behörde, das im Ergebnis zu einem zusammengesetzten „deutsch-ausländischen Hoheitsakt“ führen würde, ist zwar nicht unvorstellbar und könnte ohne weiteres etwa von der EU per Verordnung angeordnet oder von der Bundesrepublik Deutschland mit einem fremden Staat durch Staatsvertrag vereinbart werden, weicht aber derart von den traditionellen Vorstellungen ab, die der Gesetzgeber bei Erlass der ZPO vor Augen gehabt haben dürfte, dass nicht angenommen werden kann, es sei bereits in der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung enthalten. Vielmehr bedürfte es hierzu, auch vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der sogenannten „Wesentlichkeitstheorie“, wonach die für das Zusammenleben der Bürger im Staat wesentlichen Fragen einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfen, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die vernünftigerweise nur Folge einer vertraglichen Vereinbarung mit den betroffenen Staaten sein könnte. Da es eine derartige gesetzliche Grundlage ebenso wenig wie entsprechende Staatsverträge gibt, reicht die gegenwärtige Gesetzeslage, insbesondere § 828 Abs. 2 ZPO, hierfür nicht aus, so dass zur Pfändung eines ausländischen Registerrechts, die zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung der ausländischen Registerbehörde bedarf, deutsche Gerichte nicht international zuständig sind. Alleine in diesen Fällen führt also die Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit zur Unanwendbarkeit des § 828 Abs. 2 ZPO653, 654. durch die von ausländischen Behörden zu bewirkende Zustellung (vgl. §§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO) in Betracht, doch ist dies nicht zwangsläufig so, weil es auch möglich ist, dass inländische Behörden an den Drittschuldner im Rahmen eines Inlandsaufenthalts zustellen. Im Übrigen ist die Auslandszustellung in Kooperation mit ausländischen Behörden im Gegensatz zur Kooperation mit ausländischen Registerbehörden in der ZPO, europarechtlich und in Staatsverträgen geregelt. 653 Im Ergebnis ebenso: Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts, Band I, S. 109 f. Fußn. 34 und Fußn. 40, der eine Inlandspfändung für unzulässig hält, wenn zur Entstehung des Pfandrechts der Eintrag in öffentliche Bücher erforderlich ist, die Inlandspfändung einer durch Briefhypothek gesicherten Forderung dagegen für zulässig hält, wenn der Hypothekenbrief auf deutschem Territorium weggenommen werden kann. Im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit begründet Hellwig dies aber mit einem Fehlen deutscher Vollstreckungsgewalt und mithin völkerrechtlich; ähnlich auch Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 7 f., der eine Pfändung von Briefgrundpfandrechten an auslandsbelegenen Grundstücken für zulässig und eine Pfändung von Buchgrundpfandrechten an auslandsbelegenen Grundstücken für unzulässig hält und dies ebenfalls mit fehlender Vollstreckungsgewalt begründet. 654 Die Problematik der Eintragung einer Zwangshypothek an einem auslandsbelegenen Grundstück gibt für die hier untersuchte Fragestellung nichts her. Zwar wird in dieser Konstellation mit Recht ebenfalls eine internationale deutsche Zuständigkeit verneint. Dies aber deshalb, weil diese Vollstreckungsmaßnahme so ausgestaltet ist, dass der Vollstreckungsgläubiger die Eintragung direkt beim Grundbuch-
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c) Beschränkung auf den Tatbestand des § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO (Tatbestand Nr. 1: „Zuständigkeit kraft inländischen allgemeinen Vollstreckungsschuldnergerichtsstands“) im räumlichen Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens und der EG-VO Nr. 44/2001? Fraglich ist, ob und wie es sich auf die Verweisung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO auf § 23 ZPO und damit auf die soeben aufgelisteten Zuständigkeitstatbestände Nr. 2–4 auswirkt, dass Art. 3 Abs. 2 sowohl des Luganer Übereinkommens wie auch der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (i.V. m. deren Anhang I) in ihrem Anwendungsbereich den Vermögensgerichtsstand ausschließen. Jestaedt verficht diesbezüglich die Auffassung, dass auf Grund des Ausschlusses des § 23 ZPO im Luganer Übereinkommen bzw. in der Verordnung EG Nr. 44/2001655 die Verweisung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO für den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ins Leere greift mit der Folge, dass in diesen Fällen keine deutsche internationale Zuständigkeit begründet wäre. Wäre Jestaedts Annahme zutreffend, wäre dies von außerordentlicher praktischer Relevanz für das deutsche Recht der internationalen Forderungs- und Rechtspfändung. Im Ergebnis würde sie nämlich dazu führen, dass bei Fällen mit Auslandsberührung zu einem EU-Mitgliedsstaat oder einem Mitgliedsstaat des Luganer Übereinkommens regelmäßig die oben genannten internationalen Zuständigkeitstatbestände Nr. 2–4 ausgeschlossen wären und sich die internationale Zuständigkeit auf § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO beschränken würde, also nur dann gegeben wäre, wenn der Vollstreckungsschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand gemäß §§ 13–19 amt selbst unter Vorlage einer vollstreckbaren Titelausfertigung beantragen muss (§ 867 Abs. 1 ZPO). Ist das Grundstück auslandsbelegen, fehlt es naturgemäß an einem zuständigen deutschen Grundbuchamt (vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3208; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 557 Fußn. 41). Allerdings kann man der Begründung Geimers a. a. O. entnehmen, dass er deutsche internationale Zuständigkeit bejahen würde, wenn das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht so ausgestaltet wäre, dass die Eintragung erst auf vollstreckungsgerichtliche Anordnung erfolgen würde. Dem muss auf Grund der vorstehenden Untersuchungen widersprochen werden, da in diesem Falle die Eintragung – ähnlich wie bei der Eintragung der Pfändung eines Buchgrundpfandrechts – konstitutiv für das Entstehen der Zwangshypothek wäre (§ 867 Abs. 1 S. 2 ZPO) und es daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass einer derartigen Anordnung auch für den Fall bedürfte, dass sie von einer ausländischen Registerbehörde vollzogen werden soll. 655 Dabei bezieht sich Jestaedt ausdrücklich nur auf das inzwischen weitgehend irrelevante EuGVÜ (vgl. Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001). Da aber das Luganer Übereinkommen und die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in ihrem Anwendungsbereich in gleicher Weise wie das EuGVÜ § 23 ZPO ausschließen, liegt es in der Logik seiner Ausführungen, dass sie auch für diese Regelungswerke Geltung beanspruchen.
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ZPO in der Bundesrepublik Deutschland hat656. Auf einen praktischen Beispielsfall übertragen würde dies etwa bedeuten, dass ein deutsches Vollstreckungsgericht auch bei deutschem Wohnsitz/Sitz des Drittschuldners den Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig zurückweisen müsste, wenn der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz in Luxemburg hat657. Diese praktisch unbefriedigenden Konsequenzen besagen allerdings noch nichts über die „Richtigkeit“ der Auffassung Jestaedts. Es ist daher ergebnisoffen zu untersuchen, ob sie auf einer zutreffenden Auslegung des LGVÜ bzw. der Verordnung (EG) 44/2001 und des § 828 Abs. 2 ZPO beruht und ihr daher gefolgt werden muss oder ob sie einem Denkfehler unterliegt. Setzt man dabei an dem Wortlaut des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO an, spricht zunächst einmal Einiges für die Auffassung Jestaedts. Denn immerhin ist in § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO von dem „Amtsgericht“ die Rede, „bei dem nach § 23 ZPO gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann“. Im räumlichen Geltungsbereich des LGVÜ bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 kann aber wegen deren Art. 3 Abs. 2 gerade nicht gegen den Schuldner im Erkenntnisverfahren Klage erhoben werden. Da der eindeutige Wortlaut anerkanntermaßen Grenze jeder Auslegung ist, wäre bereits an dieser Stelle die Auffassung Jestaedts zwingend, wenn der Wortlaut nicht auch ein abweichendes Verständnis zuließe. Dies ist aber, wie auch Jestaedt einräumen muss658, der Fall. Der Normtext sagt nämlich nicht zwingend aus, „dass eine internationale Zuständigkeit dann – und nur dann – begründet werden sollte, wenn der konkrete Schuldner in der Realität am Vermögensgerichtsstand verklagt werden könnte“, wie das OLG Saarbrücken zutreffend ausführt, sondern lässt sich auch als etwas missglückt formulierter Verweis auf die Voraussetzungen des Tatbestandes des § 23 ZPO verstehen659. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO nicht pauschal von dem für das Klageverfahren zuständigen Gericht, sondern von dem „Amtsgericht“ spricht, bei dem nach § 23 ZPO Klage erhoben werden kann, wohl wissend, dass im Erkenntnisverfahren anders als im Vollstreckungsverfahren je nach Streitwert auch eine Zuständigkeit des 656
Selbst in dem Fall zweifelt Jestaedt indes – wie bereits ausgeführt – aus völkerrechtlichen Gründen die Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen gegenüber Drittschuldnern mit ausländischem Sitz/Wohnsitz an (IPRax 2001, 438, 439 f.), so dass sich die Frage stellt, ob es bei Zugrundelegung seiner Auffassung überhaupt noch praktisch relevante Fallkonstellationen gibt, in denen in Fällen mit Auslandsberührung ein deutscher Pfändungsbeschluss rechtmäßig erlassen werden kann. 657 So in der Tat zu dieser Fallkonstellation: Jestaedt, IPRax 2001, 438 ff. 658 Jestaedt, IPRax 2001, 438, 440. 659 OLG Saarbrücken, IPRax 2001, 456, 457, Beschl. v. 11.07.2000 – 5 W 369/ 99 – 102 –.
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Landgerichts in Betracht käme. Alleine der Gesetzeswortlaut vermag mithin keine Antwort auf die hier untersuchte Fragestellung zu geben. Jestaedt meint indes, dass eine „systematisch-formale Argumentation“, mit anderen Worten also eine systematische Auslegung, zu dem von ihm gewonnenen Auslegungsergebnis führe. Dies ergebe sich daraus, dass zwar einerseits unstrittig weder die Vorschriften des LGVÜ noch die der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 für sich genommen eine Pfändung am Gerichtsstand des § 23 ZPO verböten, weil diese Vorschriften nur auf das Erkenntnisverfahren anwendbar sind, andererseits aber Art. 3 Abs. 2 der genannten Regelungswerke in ihrem räumlichen Geltungsbereich die für alle Verfahrensarten, also auch das Zwangsvollstreckungsverfahren, geltende Bestimmung des § 23 ZPO ausschlössen, so dass der Verweis des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO ins Leere greife. Der Ausschluss des § 23 ZPO im Pfändungsverfahren mit Bezug zu EU-Mitgliedsstaaten und Mitgliedsstaaten des Luganer Übereinkommens sei demnach Folge der „Tücke der Verweisungstechnik des § 828 Abs. 2 ZPO“, der der deutsche Gesetzgeber hätte entgehen können, wenn er den Tatbestand des § 23 ZPO in § 828 Abs. 2 ZPO aufgenommen hätte660. Diese Argumentation ist nur scheinbar logisch zwingend, weil sie bei näherer Betrachtung eben doch die auf das Erkenntnisverfahren beschränkte Reichweite des Ausschlusses des § 23 ZPO durch Art. 3 Abs. 2 des Luganer Übereinkommens bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 unterläuft und daher von falschen Prämissen ausgeht. Das Übereinkommen wie die Verordnung sind nach Wortlaut, Systematik und Intention der Vertragsparteien bzw. des Verordnungsgebers nicht auf die Anordnung und Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen als solchen anwendbar, sondern beziehen sich nur auf das Erkenntnisverfahren und Klagen und sonstige kontradiktorisch angelegte Verfahren im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsverfahren661. Daher kann und will auch Art. 3 Abs. 2 dieser Regelungswerke für ihren räumlichen Anwendungsbereich § 23 ZPO nicht pauschal aus dem Allgemeinen Teil „streichen“, sondern ihn lediglich im Rahmen ihres sachlichen Anwendungsbereichs, der gerade nicht die Anordnung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfasst, überlagern und für unanwendbar erklären. Daraus wiederum folgt, dass § 23 ZPO auch im räumlichen Geltungsbereich des Luganer Übereinkommens bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 als Regelung des Allgemeinen Teils der ZPO anwendbar und bildlich gesprochen „erhalten“ bleibt, soweit der sachliche Anwen660
Jestaedt, IPRax 2001, 438, 440 f. R. Geimer, IPRax 1986, 208, 209 (noch zum EuGVÜ, das aber weitgehend identisch mit dem Text des LGVÜ ist und das auch diesbezüglich in der es größtenteils ersetzenden Verordnung keine Änderung erfahren hat); ders., IZPR, Rdnr. 435 (auch bezogen auf die Verordnung); Schack, IZVR, Rdnr. 957; Harald Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, S. 204 f. (zum EuGVÜ). 661
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
dungsbereich dieser Regelungswerke nicht eröffnet ist. Die Verweisung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO greift daher bei exakter Beachtung der Reichweite des Art. 3 Abs. 2 Luganer Übereinkommen bzw. Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 auch im räumlichen Geltungsbereich dieser Regelungswerke keineswegs ins Leere662. Schließlich ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung nichts anderes. Allerdings ist es dabei, wie Jestaedt zutreffend anmerkt663, nicht ausreichend einfach pauschal auf den Sinn und Zweck der Zwangsvollstreckung als Instrument zur Durchsetzung des materiellen Rechts abzuheben664. Jedoch lässt sich aus der weiten Formulierung des § 828 Abs. 2 ZPO und aus den bereits besprochenen Gesetzgebungsmaterialien entnehmen, dass der historische Gesetzgeber bewusst eine möglichst weitgehende internationale Zuständigkeitsnorm schaffen wollte665. Dieser Zweck hat auch aus heutiger Sicht nichts an Aktualität verloren und steht vielmehr voll im Einklang mit der in Art. 19 Abs. 4 GG verkörperten objektiven Wertentscheidung der Verfassung. Mithin ist die Deutung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO als Pauschalverweis auf § 23 ZPO auch vom objektiv wie subjektiv bestimmten Sinn und Zweck der Verweisungsregelung gedeckt. Nach alledem kann der Auffassung, wonach bei Sachverhalten mit Bezugspunkten zu Mitgliedsstaaten des Luganer Übereinkommens oder der Europäischen Union der Verweis des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO „gesperrt“ ist und somit lediglich § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO als internationale Zuständigkeitsnorm in Betracht kommt, nicht gefolgt werden. d) Beschränkung auf den Tatbestand des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO i.V. m. § 23 S. 2 Var. 1 ZPO (Tatbestand Nr. 2: „Zuständigkeit kraft inländischen Drittschuldnersitzes/wohnsitzes“)? Wie bereits erörtert lässt sich die Beschränkung der deutschen internationalen Zuständigkeit im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ZPO ff. auf die Fälle inländischen Drittschuldnersitzes/wohnsitzes entgegen mancher Stimmen im Schrifttum nicht mit den Erfordernissen des Völkergewohnheitsrechts begründen. Demnach könnte sich dieses Ergebnis allenfalls noch aus einer Auslegung der ZPO selbst ergeben. In der Tat ist im älteren Schrift662 Im Ergebnis ebenso: OLG Saarbrücken, IPRax 2001, 456, 457, Beschl. v. 11.07.2000 – 5 W 369/99 – 102 –; R. Geimer, IPRax 1986, 208, 209 (zum EuGVÜ); ders., IZPR, Rdnrn. 435 und 1226 (zu LGVÜ und der Verordnung); Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 557 Fußn. 43; Schack, IZVR, Rdnr. 982, Fußn. 1; Harald Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, S. 204 f. (zum EuGVÜ). 663 Jestaedt, IPRax 2001, 438, 440. 664 So aber das OLG Saarbrücken, IPRax 2001, 456, 457, Beschl. v. 11.07.2000 – 5 W 369/99 – 102 –. 665 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 103.
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tum vertreten worden, § 23 S. 2 ZPO sei als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens des deutschen Rechts, wonach eine Forderung dort belegen ist, wo der Schuldner seinen Sitz/Wohnsitz hat (sogen. „Lokalisierungsgrundsatz“)666, im Rahmen aller internationaler Zuständigkeitstatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO anwendbar, was praktisch dazu führen würde, dass der inländische Drittschuldnersitz/wohnsitz der allein maßgebliche Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit wäre667. Diese Auffassung wird von der heute ganz h. M. zu Recht abgelehnt668. Sie krankt schon daran, dass § 23 S. 2 ZPO keineswegs einen allgemeinen Rechtsgedanken des deutschen (Zuständigkeits-)Rechts verkörpert. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die deutsche Rechtsordnung auf die Fiktion des § 23 S. 2 ZPO auch in anderen Konstellationen in einer Weise zurückgreift, dass sich daraus ein verallgemeinerbarer, hinter der Norm stehender Gedanke ableiten ließe. Dies ist nicht der Fall. So wird etwa in § 2369 Abs. 2 S. 2 BGB (ggf. i.V. m. § 73 Abs. 3 S. 3 FGG) ein Anspruch als im Inland belegen fingiert, wenn er bei einem deutschen Gericht eingeklagt werden könnte. Damit wird aber durch diese Normen für die Belegenheitsfiktion auch auf Gerichtsstandsnormen wie z. B. § 29 ZPO Bezug genommen, die eine Klage ohne Rücksicht auf den Schuldnersitz/wohnsitz ermöglichen669. Hinzu kommt, dass § 23 ZPO und damit auch § 23 S. 2 ZPO wegen Art. 3 Abs. 2 des EuGVÜ und heute der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (i.V. m. deren Anhang I) und des LGVÜ in deren Anwendungsbereich auch mit Wirkung für die deutsche Rechtsordnung ausgeschlossen ist und somit selbst in seinem eigentlichen Anwendungsbereich nur noch eine sehr eingeschränkte Bedeutung hat670. Daher kann § 23 S. 2 ZPO schon mangels um666 RGZ 140, 340, 343, Urt. v. 16.05.1933 – II 421/32. Das RG hat sich in dieser Entscheidung allerdings keineswegs für eine ausdehnende Anwendung des von ihm postulierten allgemeinen Rechtsgedankens auf die übrigen Tatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO ausgesprochen und auf diesem Wege in casu die internationale Pfändungszuständigkeit unter Hinweis auf den ausländischen Drittschuldnersitz/wohnsitz verneint, sondern aus dem von ihm befürworteten „Lokalisierungsgrundsatz“ lediglich den Schluss gezogen, dass die Forderungspfändung bei ausländischem Drittschuldnersitz/wohnsitz eine Auslandszustellung des Pfändungsbeschlusses erfordere (vgl. RGZ 140, 340, 344). 667 So etwa Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 292 f., der allerdings auch § 23 S. 2 Var. 2 ZPO zum Inhalt dieses allgemeinen Rechtsgedankens rechnet, was allerdings nicht der h. M. seiner Zeit entsprach wie man bei Nussbaum, Deutsches IPR, S. 417 Fußn. 4 und Riezler, IZPR, S. 660 nachvollziehen kann, denen zufolge § 23 S. 2 Var. 2 ZPO keine Bedeutung für die Lokalisierung der zu pfändenden Forderung im Pfändungsverfahren zukommen soll; vgl. ferner zu dieser Ansicht: Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 20 f. m. w. N. 668 Vgl. statt aller: Schack, Rpfleger 1980, 175. 669 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 97; Schack, Rpfleger 1980, 175 Fußn. 3. 670 So mit Recht Schack, Rpfleger 1980, 175 Fußn. 4.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
fassender Bedeutung für das zivilverfahrensrechtliche Zuständigkeitsrecht keine taugliche normative Grundlage für einen allgemeinen Rechtsgedanken des Zivilverfahrensrechts liefern671. Aber auch jenseits des Verfahrensrechts bestätigt sich dieser Befund. So gilt etwa nach den Grundsätzen des deutschen internationalen Privatrechts allgemein der Erfüllungsort als Sitz der Forderung672. Ein allgemeiner Rechtsgedanke des deutschen Rechts, wonach eine Forderung am Schuldnerwohnsitz belegen ist, existiert mithin nicht. Hinzu kommt, dass der Regelungsgehalt des § 23 S. 2 ZPO mit dem Inhalt des ihm zugeschriebenen allgemeinen Rechtsgedankens gar nicht übereinstimmt, so dass selbst wenn der Vorschrift im deutschen Zivilverfahrensrecht eine solche Bedeutung zukäme, dass man aus ihr einen allgemeinen Rechtsgedanken herleiten könnte, dieser Rechtsgedanke nicht zu einer Einschränkung des § 828 Abs. 2 ZPO auf Fälle ausländischen Drittschuldnersitzes/wohnsitzes führen würde. § 23 S. 2 ZPO dient als Bestandteil des § 23 ZPO erkennbar dem Zweck, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu Gunsten des Gläubigers zu erweitern. Der in § 23 S. 2 ZPO enthaltene Rechtsgedanke geht mithin dahin, dass eine Forderung, deren Schuldner im Inland wohnt, zum Zwecke der Zuständigkeitsbegründung als inlandsbelegen fingiert werden kann. Dieser Gedanke gibt aber für eine Zuständigkeitsbeschränkung nichts her, sondern würde vielmehr geradezu, wenn er zur Begründung einer solchen herangezogen werden würde, in sein Gegenteil verkehrt673. Des weiteren spricht auch die Gesetzessystematik gegen eine Reduktion des § 828 Abs. 2 ZPO auf eine Verweisung auf § 23 S. 2 ZPO. Betrachtet man § 828 Abs. 2 ZPO, so fällt auf, dass die Vorschrift zur Zuständigkeitsbegründung primär an den inländischen allgemeinen Gerichtsstand des Vollstreckungsschuldners anknüpft (§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO) und erst für den Fall, dass es einen solchen nicht gibt, auf § 23 ZPO verweist (§ 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO). Damit enthält § 828 Abs. 2 ZPO primär eine eigenständige Zuständigkeitsanknüpfung und ist seiner Regelungsstruktur nach erst sekundär (Rechtsgrund-)Verweisungsnorm. Der primär in § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO geregelte Zuständigkeitstatbestand würde aber bei einer Reduktion des Gesetzeswortlauts durch den (angeblichen) Rechtsgedanken des § 23 S. 2 ZPO vollkommen bedeutungslos. Des weiteren würde die Vollverweisung auf § 23 ZPO in eine beschränkte Verweisung auf § 23 S. 2 671 Im Ergebnis ebenso – bezogen auf das Zivilprozessrecht: Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts, Band I, S. 115; ders., System des Deutschen Zivilprozessrechts, Band 2, S. 335; Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 13. 672 Schumann in: Stein/Jonas, ZPO, § 23 Rdnr. 22. 673 Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 14; Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 22 f.; Schack, Rpfleger 1980, 175.
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ZPO umgewandelt. Im Ergebnis würde damit eine Norm, die ihrem eindeutigen Wortlaut nach einen eigenständigen Zuständigkeitstatbestand und weitere Zuständigkeitstatbestände durch Vollverweis auf § 23 ZPO regelt, unter Berufung auf ein angeblich unvollkommen verwirklichtes Konzept des Gesetzgebers („allgemeiner Rechtsgedanke“) in einen beschränkten Verweis auf § 23 S. 2 ZPO „umgestaltet“. Hätte der Gesetzgeber diesen Rechtsgedanken aber wirklich in geltendes Gesetzesrecht umsetzen wollen, so hätte nichts näher gelegen, als § 828 Abs. 2 ZPO als beschränkten Verweis auf § 23 S. 2 ZPO auszugestalten. Die soeben umschriebene Regelungsstruktur des § 828 Abs. 2 ZPO, aus der sich mühelos vier Zuständigkeitstatbestände herauspräparieren lassen, zeigt aber, dass der Gesetzgeber dies offensichtlich nicht gewollt hat. Wer durch die Anwendung eines angeblich in § 23 S. 2 ZPO enthaltenen Rechtsgedankens so tief in die Normstruktur eingreifen muss, um dem Regelungskonzept des Gesetzgebers erst zur Geltung zu verhelfen, zeiht den Gesetzgeber vollkommener Unfähigkeit und widerlegt sich damit selbst. Schließlich würde die Beschränkung der internationalen Pfändungszuständigkeit aus § 828 Abs. 2 ZPO auf die Fälle des inländischen Drittschuldnersitzes/wohnsitzes auch zu empfindlichen und vom Gesetz nicht gewollten Rechtsschutzlücken im Falle des Drittschuldnerwechsels führen674. Insbesondere könnte ein findiger Vollstreckungsschuldner, der sich dem Vollstreckungszugriff in eine Forderung entziehen möchte, diese auch auf anderem Wege als der ihm möglicherweise unliebsamen Abtretung retten, indem er, sofern seine Schuldner und eine weitere Person mitwirkungsbereit sind, einer befreienden Schuldübernahme zu Lasten einer im Ausland wohnhaften Person zustimmt (vgl. § 414 f. BGB). Damit würde das deutsche Vollstreckungsrecht ohne Not einem brisanten Weg zur Manipulation und Vollstreckungsvereitelung Tür und Tor öffnen, da sich bei lukrativen Forderungen mittels für den Vollstreckungsgläubiger nur schwer beweisbarer interner Absprachen „finanzielle Anreize“ und Ausgleichsmechanismen vereinbaren ließen, die eine Person mit Auslandswohnsitz durchaus dazu bewegen könnten, an einer solchen Schuldübernahme mitzuwirken675, 676. Nach alledem ist eine 674
Vgl. dazu R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3217. Da eine solche kollusive Schuldübernahme regelmäßig gegen § 138 BGB verstoßen dürfte, könnte der Vollstreckungsgläubiger zwar weiterhin sein „Glück“ in der Pfändung der Forderung und Erhebung der Einziehungsklage gegen den ursprünglichen Drittschuldner suchen. Doch müsste er dabei das Risiko in Kauf nehmen, dass sich daraus ergibt, dass er die Beweislast für die tatsächlichem Umstände trägt, die die Bewertung der Schuldbefreiungsvereinbarung als sittenwidrig rechtfertigen. 676 Demgegenüber ist das von R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3217, angeführte Beispiel eines Drittschuldnerwechsels auf Grund eines Erbfalls hin zu einem Erben mit ausländischem Wohnsitz als Argument gegen die ausdehnende Anwendung des § 23 675
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Reduktion des § 828 Abs. 2 auf die Verweisung in § 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 2 Var. 1 ZPO nicht zu befürworten677.
e) Beschränkung auf die Tatbestände 1–3 unter Ausschluss des Tatbestandes Nr. 4 (Zuständigkeit kraft von der zu pfändenden Forderung verschiedenen, inlandsbelegenen Vollstreckungsschuldnervermögens“)? Wie bereits im Rahmen der Untersuchung des Zulässigkeitsgesichtspunktes „Deutsche Gerichtsbarkeit“ herausgearbeitet, ist Tatbestand Nr. 4 (§ 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO i.V. m. § 23 S. 1 ZPO) der einzige aus völkerrechtlicher Sicht problematische internationale Zuständigkeitstatbestand, der aber bei Ergänzung des Tatbestandes um das Merkmal des hinreichenden Inlandsbezugs der zu pfändenden Forderung mit dem Völkergewohnheitsrecht im Einklang steht. Es fragt sich aber, ob dieser internationale Zuständigkeitstatbestand bei richtiger Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO überhaupt existiert. Insbesondere Mühlhausen will das verneinen678. Er stützt dies darauf, dass § 828 Abs. 2 ZPO nicht allgemein die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners regelt, sondern vielmehr nur die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte. Berücksichtigt man dies, so könne man § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO nur so verstehen, dass sich die Verweisung nicht auf § 23 ZPO in toto, sondern lediglich auf § 23 S. 2 ZPO beziehe. Daher sei internationale Zuständigkeit aus § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO nur dann gegeben, wenn der Drittschuldner seinen Sitz/Wohnsitz im Inland habe (§ 23 S. 2 Var. 1 ZPO) oder zumindest eine für die Forderung haftende Realsicherheit im Inland belegen sei (§ 23 S. 2 Var. 1 ZPO), nicht aber wenn er lediglich sonstiges Vermögen im Inland halte, das in keinerlei Beziehung zu der zu pfändenden Forderung steht679. Bei Lichte besehen beruft sich Mühlhausen damit auf die systematische Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO, weil er sein vom Gesetzeswortlaut abweichendes Verständnis der Reichweite der Verweisung auf § 23 ZPO auf den Regelungsstandort des § 828 Abs. 2 ZPO stützt. Genau darin liegt die Schwäche seiner Argumentation begründet. § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO arbeitet nämlich dem Normtext nach nicht mit einem zur sinngemäßen Anwendung der in Bezug geS. 2 ZPO auf alle Tatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO nur von geringer Überzeugungskraft. Würde ein solcher Erbfall zu einem Wegfall deutscher internationaler Pfändungszuständigkeit führen, so wäre das zwar in der Tat misslich für den Vollstreckungsgläubiger. Wenn dieses Ergebnis aber der Gesetzeslage entspräche, so müsste er dies hinnehmen. 677 Im Ergebnis ebenso: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 558; Harald Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, S. 204. 678 Mühlhausen, WM 1986, 957, 959. Ebenso: Gottwald, IPRax 1991, 285, 290. 679 Mühlhausen, WM 1986, 957, 959.
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nommenen Vorschrift führenden Verweis, indem etwa formuliert würde, § 23 ZPO sei im Pfändungsverfahren „entsprechend anwendbar“, sondern mit der den Verweis enthaltenden Formulierung, es sei das Amtsgericht zuständig, „bei dem nach § 23 ZPO gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann“. Damit bietet aber bereits der Wortlaut der Verweisvorschrift keine Stütze für gesetzessystematisch begründete Einschränkungen, wie sie etwa Merkmale wie „entsprechende Anwendung“, die den Rechtsanwender dazu auffordern, die Vorschrift, auf die verwiesen wird, an den Regelungskontext anzupassen, erfordern. Es verhält sich mit dem Wortlaut nachgerade umgekehrt: Er steht einer gesetzessystematisch aus dem Regelungsstandort hergeleiteten Einschränkung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO entgegen. Dies deshalb, weil durch die Formulierung „Amtsgericht, bei dem nach § 23 ZPO gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann“ jeder funktionale Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des Vollstreckungszugriffs und der internationalen Zuständigkeit durchbrochen wird und lediglich darauf abgestellt wird, ob der Tatbestand des § 23 ZPO bei einem hypothetischen Klageverfahren erfüllt wäre. Da aber auch im Erkenntnisverfahren das gemäß § 23 ZPO zuständigkeitsbegründende Vermögen in keinem funktionalen Zusammenhang zum Streitgegenstand stehen muss, lässt der Gesetzeswortlaut keinen Raum für die von Mühlhausen vertretene gesetzessystematisch bedingte Einschränkung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO680. Möglicherweise ist diese Einschränkung aber als Folge objektiv-teleologischer Auslegung geboten. So könnte man die Auffassung vertreten, § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO sei so auszulegen, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der zu pfändenden Forderung und der gesetzlichen Zuständigkeitsanknüpfung bestehen müsse681, weil zum einen die vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung nur beim Bestehen eines solchen inneren Zusammenhangs nachvollziehbar sei und zum anderen nur beim Bestehen eines solchen Zusammenhangs hinreichend realistische Chancen für den Vollstreckungsgläubiger bestünden, die gepfändete Forderung bzw. das gepfändete Recht auch wirklich verwerten zu können682. Dabei vermag der Gesichtspunkt der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Zuständigkeitsanknüpfung an § 23 ZPO am wenigsten zu überzeugen. Er stellt sich nämlich im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht anders als im Erkenntnisverfahren. Hier wie dort entbehrt es aber keineswegs dem zuständigkeitsrechtlichen 680
Im Ergebnis ebenso: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 95. So etwa Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 293 f.; vgl. ferner zu diesem Gedanken: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 95. 682 So ähnlich argumentiert Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 293 f., der allerdings vom Gedanken der Sicherstellung einer erfolgreichen Verwertung ausgehend die internationale Zuständigkeit noch weitergehend auf die Tatbestände des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO i.V. m. § 23 S. 2 Var. 1 und Var. 2 ZPO beschränken will. 681
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Minimum an Plausibilität, die Inanspruchnahme von Gerichtsbarkeit über einen vermögensrechtlichen Verfahrensgegenstand daran zu knüpfen, dass der Antragsgegner im Inland Vermögen hält683. Schwerer wiegt demgegenüber die Überlegung, das Gesetz könne zur Zuständigkeitsbegründung deshalb einen inneren Zusammenhang zwischen dem inlandsbelegenen Vollstreckungsschuldnervermögen und der zu pfändenden Forderung erfordern, weil nur auf diese Weise hinreichend sichergestellt sei, dass Pfändung und Überweisung in Fällen mit Auslandsberührung dem Vollstreckungsgläubiger regelmäßig realistische Verwertungsmöglichkeiten eröffnen. Dieser Gedanke speist sich daraus, dass der Vollstreckungsgläubiger bei inländischem Drittschuldnerwohnsitz/sitz (§ 23 S. 2 Var. 1 ZPO) regelmäßig im Inland, wo die Wirksamkeit des deutschen Pfändungsakts außer Frage steht, Einziehungsklage erheben kann (vgl. §§ 12, 17 ZPO; Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 bzw. des LGVÜ) und dass er ferner bei inlandsbelegenen Realsicherheiten (§ 23 S. 2 Var. 2 ZPO) im Inland auf diese zugreifen kann, wo wiederum die als Vorfrage zu prüfende Wirksamkeit des deutschen Pfändungsakts nicht angezweifelt werden wird. Bei genauerer Betrachtung vermag der Aspekt der Sicherstellung der Verwertung indes als Auslegungstopos für eine objektiv-teleologische Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO nicht zu tragen. Dies ergibt sich schon aus der Existenz des § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO, der die These, der Zuständigkeitsregelung des § 828 Abs. 2 ZPO liege der Gedanke der Gewährleistung realistischer Verwertungschancen zu Grunde, widerlegt. Denn anders als in den Fällen des § 23 S. 2 ZPO ist bei der Anknüpfung an den inländischen allgemeinen Gerichtsstand des Vollstreckungsschuldners keineswegs gewährleistet, dass ein inländischer Gerichtsstand für das Einziehungsverfahren eröffnet ist oder inländische Realsicherheiten zur Verfügung stehen, auf die bei Verwertungsreife – nötigenfalls auch nach Durchlaufen des Klagewegs – im Inland zugegriffen werden könnte. Hinzu kommt, dass die Anerkennung deutscher Pfändungsakte gerade bei ausländischem Drittschuldnersitz/wohnsitz oft nicht gegeben sein wird684, so dass also bei dem Zuständigkeitstatbestand des § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO von einer Ausrichtung des Gesetzes an den Verwertungsaussichten nicht die Rede sein kann. Wenn demnach der Gedanke der Gewährleistung realistischer Verwertungschancen den übrigen Alternativen des § 828 Abs. 2 ZPO nicht ausnahmslos zu Grunde liegt, liegt es fern, die Beachtung dieses Gedankens ausgerechnet bei §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 ZPO als Ausdruck der gesetzgeberischen Konzeption einzufordern. Eine solche Konzeption gibt es nämlich, wie § 828 Abs. 2 Var. 1 683
Im Ergebnis ebenso: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 95. Vgl. etwa zur Rechtslage in Österreich: Schima, in: FS Dölle Band 2, 341, 353 f.; allgemein: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 562; Mühlhausen, WM 1986, 985, 988 Fußn. 46. 684
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ZPO beweist, nicht. Die in Wirklichkeit aus § 828 Abs. 2 ZPO herauslesbare gesetzgeberische Konzeption ist vielmehr eine ganz andere. Sie erschließt sich, wenn man bedenkt, dass auch beim Tatbestand des §§ 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO, 23 S. 1 ZPO keineswegs keinerlei Verwertungschancen bestünden. So kann es z. B. ohne weiteres so liegen, dass deutsche Gerichte, etwa weil Vollstreckungs- und Drittschuldner einen deutschen Gerichtsstand vereinbart hatten, § 29 ZPO eingreift oder der Drittschuldner sich rügelos zur Sache einlässt, für das Einziehungsklageverfahren international zuständig sind und sich vollstreckbares Vermögen des Drittschuldners im Inland befindet. §§ 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO, 23 S. 1 ZPO gewährleistet damit unter Ausreizung der vernünftigen Zuständigkeitsanknüpfungen ein Minimum realistischer Verwertungsmöglichkeiten. Angesichts dessen, des weiten Gesetzeswortlautes, der Tatsache, dass der Gesetzgeber – wie bereits ausgeführt – mit § 828 Abs. 2 ZPO eine möglichst weitgehende internationale Zuständigkeitsregelung schaffen wollte und des hinsichtlich der Verwertungschancen ebenfalls sehr großzügigen § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO, ist in einer wertenden Gesamtschau dieser Einzelaspekte davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO mit der Aussicht auf die soeben umrissenen Verwertungschancen begnügt hat, um im Interesse des Vollstreckungsgläubigers das Potential vernünftiger Anknüpfungspunkte, die ein Mindestmaß an Verwertungsaussicht bieten, möglichst weitgehend auszuschöpfen. Angesichts des sich daraus ergebenden gesetzgeberischen Konzepts, so lange ein Minimum an realistischen Verwertungsmöglichkeiten gewährleistet ist, ein Maximum an Vollstreckungsschutz zu gewährleisten, ist für eine mit der Sicherstellung hinreichender Verwertungschancen begründete objektiv-teleologische Einschränkung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO kein Raum. Die Auffassung, wonach sich der in § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO enthaltene Verweis auf § 23 S. 2 ZPO beschränke, ist mithin weder durch systematische noch durch teleologische Auslegung zu begründen, und daher insgesamt abzulehnen685.
685 Im Ergebnis ebenso: Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 558; Harald Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, S. 204; Hellwig, System des Deutschen Zivilprozessrechts, Band 2, S. 335 mit dem plastischen Beispiel, dass das AG Berchtesgarden, in dessen Bezirk der in Moskau wohnhafte Russe A Eigentum an einem Villengrundstück habe, dessen Forderung gegen seinen Landsmann B in Kasan pfänden könne.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
f) Beschränkung aller Tatbestände (1–4) auf die Fälle des Gleichlaufs mit der internationalen Zuständigkeit für die Einziehungsklage? Schließlich könnte man noch erwägen, die internationale Pfändungszuständigkeit hinsichtlich aller Tatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO zu verneinen, wenn deutsche Gerichte für die Einziehungsklage nicht international zuständig wären, sei es, weil kein internationaler Zuständigkeitstatbestand für eine solche Klage bereit stünde, sei es, weil Vollstreckungs- und Drittschuldner für die Geltendmachung der Forderung eine ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbart haben686. Im Ergebnis würde man dadurch einen Gleichlauf der internationalen Pfändungszuständigkeit mit der internationalen Zuständigkeit für die Durchführung des Einziehungsklageverfahrens herbeiführen. Wiewohl diese Lösung den Charme hätte, dass sie dem Vollstreckungsgläubiger nahezu alle „Anerkennungsprobleme“ ersparen würde, weil die deutschen Gerichte die Pfändung als wirksam erachten und bei materiell-rechtlichem Bestand der gepfändeten Forderung diese im Einziehungsklageverfahren auch titulieren werden und ausländische Gerichte diesen Titel, jedenfalls im Geltungsbereich des LGVÜ und der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, regelmäßig anerkennen und für vollstreckbar erklären werden, ist sie, wie sich aus den vorstehenden Erörterungen zur objektiv-teleologischen Einschränkung des § 828 Abs. 2 Var. 2 ZPO ergibt, mit dem Gesetz nicht vereinbar: Weder der Gesetzeswortlaut noch die Entstehungsgeschichte der Norm bieten einen Anhaltspunkt für eine Berücksichtigung der späteren Zuständigkeit für die Einziehungsklage schon bei der Pfändungszuständigkeit. Im Übrigen ist eine solche Einschränkung des Gesetzestextes nicht mit der Konzeption des Gesetzgebers vereinbar, die dahin geht, internationale Pfändungszuständigkeit zu eröffnen, so lange auch nur abstrakt die Aussicht auf ein Minimum an Verwertungsmöglichkeiten gegeben ist. Dies ist aber auch in den Fällen fehlender internationaler deutscher Zuständigkeit für das Einziehungsverfahren nicht auszuschließen, in denen zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Drittschuldner in „Anerkennung“ von Forderung und Pfändung auf die Forderung zahlt, sich gegenüber einer in Deutschland erhobenen Klage rügelos einlässt oder ausländische Gerichte, z. B. bei inländischem Drittschuldnerwohnsitz, die deutsche Pfändung anerkennen könnten687. Schließ686 Nach dem Grundsatz, dass Pfändung und Überweisung die Rechtsstellung des Drittschuldners nicht beeinträchtigen dürfen, kann der Drittschuldner dem Pfändungsgläubiger auch eine derartige Vereinbarung mit Erfolg entgegenhalten: vgl. Mühlhausen, WM 1986, 985, 990 f. m. w. N.; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3275; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 562. 687 Demgegenüber ist die Möglichkeit des Vollstreckungsgläubigers für den Fall, dass er zugleich Schuldner des Drittschuldners ist, seine Schuld durch Aufrechnung
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lich ist gegen eine Verknüpfung der internationalen Pfändungszuständigkeit mit der internationalen Zuständigkeit für die Durchführung des Einziehungsklageverfahrens einzuwenden, dass sie den bereits mehrfach thematisierten, für das deutsche Zivilverfahrensrecht bedeutsamen Grundsatz der strikten Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren missachtet. Die Schaffung je selbständiger Verfahren mit selbständigen Verfahrensvoraussetzungen macht sich gerade in der Verschiedenheit der Zuständigkeitsbestimmungen im 1. und im 8. Buch der Zivilprozessordnung bemerkbar, aus der man ablesen kann, dass den Gesetzgeber bei der Regelung der Kompetenz zum Erkenntnisverfahren andere Erwägungen geleitet haben als bei der Regelung der Kompetenz zur Zwangsvollstreckung. Diese vom Gesetzgeber bewusst geschaffenen Unterschiede würde man aber wieder einebnen, wenn man die internationale Pfändungzuständigkeit von der internationalen Zuständigkeit zur Durchführung des Einziehungsklageverfahrens abhängig machen würde688. Mithin ist auch eine Einschränkung der Tatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO unter dem Aspekt des Gleichlaufs mit der Zuständigkeit für die Einziehungsklage abzulehnen689.
g) Bewertung der vorstehenden Erörterungen zur Erforderlichkeit einer Einschränkung des § 828 Abs. 2 ZPO Die meisten der vorstehend erörterten Vorschläge zur einschränkenden Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO beruhen auf der – meist unausgesprochenen – Prämisse, dass es für die Pfändung von Forderungen und Rechten mit mit der gepfändeten Forderung zum Erlöschen zu bringen, kein Aspekt, der in diesen Konstellationen eine aussichtsreiche Verwertungsmöglichkeit begründet: Beruft sich der Vollstreckungsgläubiger nämlich in einem ausländischen Erkenntnisverfahren auf die Aufrechnung, so würde das ausländische Gericht, das die Wirksamkeit der Pfändung als Vorfrage prüfen muss, diese in den meisten Fällen mangels „Anerkennung“ der deutschen Pfändung für unwirksam erachten; beruft sich der Vollstreckungsgläubiger dagegen als Beklagter im inländischen Erkenntnisverfahren auf die Aufrechnung, so darf das deutsche Gericht die Aufrechnung, jedenfalls so lange die Gegenforderung nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist (Schack, IZVR, Rdnr. 355), nicht prüfen, da sonst die Derogationsvereinbarung ausgehebelt werden würde (BGHZ 60, 85, 87–91, Urt.v. 20.12.1972 – VIII ZR 186/70). 688 Ebenso Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 303–306, dessen Erörterungen sich allerdings auf die Voraussetzungen für eine Anerkennung ausländischer Pfändungsakte durch deutsche Gerichte beziehen, dennoch aber ohne weiteres auch für die vorliegende Fragestellung übertragbar und wertvoll sind. 689 Im Ergebnis ebenso: Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 18, dessen Ausführungen sich zwar auf das Rechtsschutzbedürfnis beziehen, das nicht mit dem Hinweis auf einen fehlenden inländischen Gerichtsstand für die Einziehungsklage abgelehnt werden dürfe, indes aber logisch voraussetzen, dass in diesen Fällen internationale Zuständigkeit besteht; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3213.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Auslandsbezug nicht ausreicht, dass ein internationaler Zuständigkeitstatbestand aus § 828 Abs. 2 ZPO gegeben ist, sondern dass vielmehr zum Eingreifen eines solchen Tatbestandes das ungeschriebene Erfordernis einer irgendwie gearteten inländischen Belegenheit der zu pfändenden Forderung/ des zu pfändenden Rechts hinzutreten muss690, damit die Pfändung zulässig ist. Nimmt man die im Rahmen des Zulässigkeitsgesichtspunkts „Deutsche Gerichtsbarkeit“ erörterten Vorschläge hinzu, so gibt es in der Diskussion um die Zulässigkeit internationaler Forderungspfändung einen bunten Strauß an Anknüpfungspunkten, die aus der Sicht des deutschen Rechts in der ein oder anderen Weise die Forderungsbelegenheit und damit auch die Zulässigkeit der Pfändung von Forderungen und Rechten mit Auslandsberührung begründen sollen. Dabei reicht die Palette der angeblich maßgeblichen Kriterien vom Erfüllungsort, dem auf die Forderung/das Recht anwendbaren Sachrecht, der aus dem Inhalt des Rechts folgenden territorialen Bindung über den Wohnsitz/Sitz des Drittschuldners bis hin zur internationalen Zuständigkeit für das Einziehungsklageverfahren. All diese Kriterien sind indes unerheblich, weil schon die Prämisse, dass es zur Zulässigkeit der Vollstreckung einer inländischen Rechtsbelegenheit bedürfe, falsch ist. Völkergewohnheitsrechtlich ist sie, wie gezeigt, nicht zu begründen, weil weder das Territorialitätsprinzip noch der genuine-link-Satz es gebieten und es keine völkergewohnheitsrechtlich verbindlichen Vorgaben zur Bestimmung der Rechts- bzw. Forderungsbelegenheit gibt. Aber auch das deutsche Vollstreckungsrecht deckt diese Prämisse nicht, wie bereits Rosenbaum zutreffend herausgearbeitet hat. Zwar trifft es zu, dass bei Fällen mit Auslandsberührung zur Zulässigkeit des deutschen Vollstreckungszugriffs auf körperliche Gegenstände immer auch Inlandsbelegenheit der Sachen gegeben sein muss. Doch ergibt sich dies nicht etwa aus einem allgemeinen Grundsatz des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts, sondern lediglich aus dem Zusammentreffen der gesetzlichen Konzeption der ZPO der Vollstreckung in diese Vermögensobjekte, die einen körperlichen Zugriff auf diese Gegenstände voraussetzt und dem Völkergewohnheitsrecht, das das Setzen von Hoheitsakten auf ausländischem Territorium verbietet. Mit anderen Worten: Könnte man diese Gegenstände nach deutschem Zwangsvollstreckungsrecht ebenfalls durch vergeistigte, nichtkörperliche Vollstreckungsmaßnahmen wie den Erlass eines Pfändungsbeschlusses pfänden, so stünde 690 Am deutlichsten wird dieses Verständnis bei Schramm, GRUR 1958, 480: „Zu diesen mehr subjektiv begründeten Voraussetzungen des Gerichtsstands muss jedoch noch die „Belegenheit“ der zu pfändenden Sache oder des Rechts kommen“. Deutlich auch Harald Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, S. 179: „Die internationale Zuständigkeit für Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner wird gemeinhin an die Belegenheit von Vollstreckungsobjekten angeknüpft“. Harald Koch a. a. O. steht dieser Verknüpfung bei der Pfändung von Forderungen und Rechten aber ebenso wie die vorliegende Arbeit ablehnend gegenüber.
C. Internationale Zuständigkeit für Pfändungsbeschlüsse
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ihre bloße Auslandsbelegenheit der Zulässigkeit des deutschen Pfändungsakts aus völkerrechtlichen Gründen nicht entgegen, weil dieser Pfändungsakt nur Geltung für das deutsche Hoheitsgebiet beanspruchen würde und es dem Ausland frei stünde, den Pfändungsakt anzuerkennen oder nicht691. Demgegenüber hat sich das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht hinsichtlich der Forderungen und Rechte, bei denen auf Grund ihrer Natur als nichtkörperlicher, gedanklicher Konstrukte ein „Handanlegen im physischen Sinne“692 nicht in Betracht kommt, dafür entschieden, den Vollstreckungszugriff durch einen vergeistigten Vorgang, nämlich den Erlass eines Gerichtsbeschlusses, auszugestalten, der in Fällen mit Auslandsberührung kein Tätigwerden eines deutschen Hoheitsorgans auf fremdem Territorium erfordert, weswegen auch das Völkerrecht keine Inlandsbelegenheit des Pfändungsobjekts erfordert. Gerade dies zeigt, dass die Behauptung, die Rechtsbzw. Forderungspfändung setze ebenso wie die Vollstreckung in körperliche Gegenstände eine wie auch immer geartete Belegenheit des Rechts bzw. der Forderung voraus, nicht auf einem dem Vollstreckungsrecht zu Grunde liegenden allgemeinen Grundsatz, sondern auf einer petitio principii beruht693. Diese dürfte sich im Wesentlichen damit erklären lassen, dass viele Autoren sich unreflektiert von dem Bewusstsein leiten lassen, das Völkerrecht gebiete eine Forderungsbelegenheit und gestatte nur die Pfändung inlandsbelegener Vermögenswerte und dieses Vorverständnis dann mehr oder minder intuitiv in die Auslegung des § 828 Abs. 2 ZPO einfließen lassen694, 695. Demgegenüber ist das Gesetz wörtlich zu nehmen: Die internationale Zuständigkeit im Pfändungsverfahren ergibt sich bis auf die wenigen vorstehend erörterten Ausnahmen nahezu uneingeschränkt aus § 828 Abs. 2 ZPO. Sonstige, in § 828 Abs. 2 ZPO nicht enthaltene, Umstände sind demgegenüber bedeutungslos696.
691
Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 16. So die plastische Formulierung von Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 16. 693 So zutreffend Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 15 f. 694 Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür liefern wiederum die Ausführungen von Schramm, GRUR 1958, 480, der zunächst ausführt, zum Eingreifen eines Tatbestandes aus § 828 Abs. 2 ZPO müsse immer noch die Belegenheit des zu pfändenden Rechts hinzutreten und dann zur Begründung ausführt: „Die Zwangsvollstreckung ist ein staatlicher Hoheitsakt, dessen Wirkung an der Staatsgrenze endet“. 695 Ähnlich: Harald Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, S. 179. 696 Im Ergebnis ähnlich Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 9, der allerdings das genuine link Gebot verkennt und von daher zu weitgehend auch von einer Einschränkung des Tatbestandes aus §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 ZPO absehen will. 692
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
III. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Überlegungen zur internationalen Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte im Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO für die Praxis 1. Entgegen neueren Vorschläge in der Literatur muss bei Fällen mit Auslandsberührung auch für das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO die internationale Zuständigkeit der deutschen Vollstreckungsgerichte gegeben sein. Diese kann daher nicht einfach aus dem Vorliegen eines deutschen Titels oder der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels durch ein deutsches Gericht abgeleitet werden, sondern muss eigenständig für das Pfändungsverfahren geprüft werden. Dabei ist mangels einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Normen und staatsvertraglicher Vereinbarungen § 828 Abs. 2 ZPO die Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit im Forderungs- bzw. Rechtspfändungsverfahren. 2. § 828 Abs. 2 i.V. m. § 23 ZPO beinhaltet vier Tatbestände für die deutsche internationale Pfändungszuständigkeit, nämlich die Zuständigkeit kraft inländischem allgemeinen Vollstreckungsschuldnergerichtsstands (§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO), kraft inländischen Drittschuldnerwohnsitzes (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 2 Var. 1 ZPO), kraft inlandsbelegener Realsicherheiten (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 2 Var. 2 ZPO) und kraft von der zu pfändenden Forderung verschiedenen, inlandsbelegenen Vollstreckungsschuldnervermögens (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 ZPO). 3. Von diesen Tatbeständen ist als Folge der im Rahmen der Erörterung der deutschen Gerichtsbarkeit gewonnenen Erkenntnisse lediglich der letztere einschränkend auszulegen und aus völkerrechtlichen Gründen nur anzuwenden, wenn die zu pfändende Forderung einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Im Übrigen sind alle Zuständigkeitstatbestände uneingeschränkt ihrem Wortlaut gemäß anwendbar; eine wie auch immer zu bestimmende Inlandsbelegenheit des zu pfändenden Rechts/der zu pfändenden Forderung muss nicht gegeben sein und ist daher auch kein ungeschriebenes Merkmal aller Zuständigkeitstatbestände des § 828 Abs. 2 ZPO. Alle bisher zur Einschränkung des § 828 Abs. 2 ZPO vertretenen Lösungsansätze haben sich als entweder mit dem Gesetz unvereinbar oder gar als Ergebnis unzulässiger Rechtsfortbildung herausgestellt. Das gilt namentlich für die Vorschläge, die Zuständigkeit auf die Fälle inländischen Drittschuldnerwohnsitzes (§ 23 S. 2 Var. 1 ZPO), des inneren Zusammenhangs des zuständigkeitsbegründenden Vermögens mit der zu pfändenden Forderung oder des Bestehens einer deutschen internationalen Zuständigkeit auch für die Einziehungsklage zu beschränken. Schließlich ergibt sich auch nicht aus der Verweisungstechnik des § 828 Abs. 2 ZPO, dass die deutsche internationale Pfändungszuständigkeit im räumlichen Geltungsbe-
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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reich des LGVGÜ bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 auf § 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO beschränkt ist. Vielmehr ist § 828 Abs. 2 ZPO auch bei Fällen mit Auslandsberührung zu LGVÜ- bzw. EU-Mitgliedsstaaten uneingeschränkt anwendbar. 4. Auch hinsichtlich der Pfändung auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte (z. B. ausländische Grundpfandrechte, ausländische Immaterialgüterrechte etc.) ist die internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte aus § 828 Abs. 2 ZPO grundsätzlich uneingeschränkt eröffnet. Eine Ausnahme ist aber für diejenigen Fälle zu machen, in denen eine wirksame Pfändung von der Eintragung in ein ausländisches öffentliches Register abhängig wäre, wie dies in erster Linie bei ausländischen Buchpfandrechten in Betracht kommt. In diesen Fällen, in denen die Eintragung der Pfändung nicht bloß deklaratorischen Charakter hätte, ist die deutsche internationale Pfändungszuständigkeit mit der Lehre von der internationalen sachlichen Unzuständigkeit zu verneinen, weil § 828 Abs. 2 ZPO zur Begründung einer internationalen Zuständigkeit für einen solchen Hoheitsakt, dessen Komplettierung zwingend die Mitwirkung einer ausländischen Behörde voraussetzt, nicht ausreicht, da es hierzu einer diesbezüglichen ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfte.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen I. Problemaufriss Auch wenn hinsichtlich eines Pfändungsgesuchs deutsche Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit eröffnet sind, kann ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur ergehen, wenn die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht pfändbar ist. Aber selbst wenn die zu pfändende Forderung pfändbar ist, ist im Hinblick auf dem Umfang der Pfändung zu beachten, dass bestimmte, grundsätzlich oder in Abhängigkeit von einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts bedingt pfändbare Forderungen wie z. B. der Anspruch auf Arbeitslohn oder gesetzliche Unterhaltsrente nur beschränkt bis zu einer bestimmten Höhe pfändbar sind (vgl. für das deutsche Recht §§ 850–850 k ZPO). Ein diese gesetzlich fixierte Höhe übersteigender Pfändungs- und Überweisungsbeschluss darf ebenfalls nicht erlassen werden. Diese Pfändungsbeschränkungen können wiederum zu Gunsten bestimmter „privilegierter“ Vollstreckungsforderungen wie z. B. gesetzlicher Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten gelockert sein (vgl. z. B. § 850 d ZPO). Schließlich ist vorstellbar, dass in einer Rechtsordnung bestimmte Forderungen bzw. Rechte (wie z. B. gesetzliche Unterhaltsansprüche, Ansprüche auf Arbeitslohn) zu Lasten bestimmter „diskri-
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
minierter“ Vollstreckungsforderungen (z. B. aus Schenkungsversprechen etc.) nicht oder nur beschränkt pfändbar sind697. Hinsichtlich all dieser Gesichtspunkte, also der Pfändbarkeit sowie dem Eingreifen von Pfändungsbeschränkungen und Pfändungserleichterungen, stellt sich bei einer Pfändung mit Auslandsberührung unwillkürlich die Frage, welche Rechtsordnung über sie entscheidet. Der Gedanke liegt nahe, dass das nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts auf die jeweils in Rede stehende Forderung bzw. das jeweils in Rede stehende Recht anwendbare Sachrecht hierfür von Bedeutung sein könnte. Daher soll die Fragestellung je getrennt für den Fall untersucht werden, dass es sich dabei einmal um deutsches und ein andermal um ausländisches Recht handelt. Ferner betrifft die Pfändbarkeit zwar nur die zu pfändende Forderung. Das Eingreifen von Pfändungsbeschränkungen und -erleichterungen jedoch kann, wie soeben gezeigt, auch von der Art der titulierten Forderung, der „Vollstreckungsforderung“, abhängen (Stichwort. „privilegierte bzw. diskriminierte Forderung“). Daher muss bei der Untersuchung auch insoweit differenziert werden. Somit ergeben sich als für die Frage der für die Pfändbarkeit und das Eingreifen von Pfändungsbeschränkungen- bzw. erleichterungen maßgeblichen Rechtsordnung folgende relevante und nachfolgend zu untersuchende Fallgruppen: 1. die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht unterliegt dem deutschen Sachrecht, 2. die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht unterliegt ausländischem Sachrecht, 3. die Vollstreckungsforderung unterliegt dem deutschen Sachrecht, 4. die Vollstreckungsforderung unterliegt ausländischem Sachrecht698. II. Fallgruppe 1: Die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht unterliegt deutschem Sachrecht 1. Lösung der h. M.
Am einfachsten ist die Frage nach der für die Pfändbarkeit und das Eingreifen von auf die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht bezogenen Pfändungsbeschränkungen maßgeblichen Rechtsordnung in dem Fall zu beantworten, dass die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts deutschem Sach697 Soweit ersichtlich gibt es hierfür kein Beispiel im deutschen Recht. Es ist aber ohne weiteres vorstellbar, dass eine fremde Rechtsordnung eine derartige Regelung, wonach z. B. Arbeitseinkommen nicht zur Erfüllung eines Anspruchs aus einem Schenkungsversprechen gepfändet werden darf, vorsieht. Vgl. hierzu: Reichel, AcP 131 (1929), 293, 300. 698 Differenzierung angelehnt an Reichel, AcP 131 (1929), 293, 299–306, der allerdings nur die Fallgruppen 2 und 4 untersucht.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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recht unterliegt. In diesem Fall beurteilen sich die Pfändbarkeit sowie die an der Forderung/dem Recht anknüpfenden Pfändungsbeschränkungen nach nahezu unstrittiger Meinung alleine nach deutschem Recht699. Soweit man die Pfändbarkeitsvorschriften, auch wenn sie in der ZPO geregelt sind, als materiell-rechtliche Bestimmungen einordnet700, ergibt sich dies von selbst, nämlich aus der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts. Soweit man die Pfändbarkeitsvorschriften und die Pfändungsbeschränkungen/-erleichterungen dagegen als verfahrensrechtliche Bestimmungen ansieht, ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus der nach h. M.701 für das gesamte Internationale Zivilverfahrensrecht geltenden, jedenfalls aber für das Internationale Zwangsvollstreckungsrecht nahezu unbestrittenen702, lex-fori-Regel, die auf das Zwangsvollstreckungsverfahren bezogen besagt, dass die deutschen Vollstreckungsorgane auch in Fällen mit Auslandsberührung nur ihr „eigenes“, also deutsches, Zwangsvollstreckungsrecht anwenden dürfen703. Soweit danach in § 851 Abs. 1 ZPO die Pfändbarkeit an die materiell-rechtlichen Regeln über die Übertragbarkeit gekoppelt wird, ergibt sich für die vorliegende Fragestellung die Anwendbarkeit deutschen Rechts daraus, dass auf die zu pfändende Forderung deutsches Sachrecht anzuwenden ist.
699 Vgl. Riezler, IZPR, S. 663 f.; Nussbaum, Deutsches IPR, S. 420; Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 24-S. 30; Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 303; Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 162 ff., Gottwald, IPRax 1991, 285, 290; Nagel/Gottwald, IZPR, Rdnr. 62–64; Schack, IZVR, Rdnr. 961, die überwiegend nicht wie hier differenzieren, aber mit den jeweils von ihnen vertretenen Lösungen im vorliegenden Fall ebenfalls eindeutig zu diesem Ergebnis kämen. 700 So Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 26; ähnlich, jedenfalls in Bezug auf die §§ 850 ff. ZPO: Jessurum d’Oliveira, FamRZ 1969, 631, 633; differenzierend: Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 162 ff. Zum eigenen Ansatz in dieser Frage siehe die nachfolgenden Ausführungen. 701 Grundlegend: Leipold, Grundfragen, S. 25 ff. m.N. zur Minderung. 702 So Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 158 f., Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rdnr. 4 und Schütze, IZPR, S. 191, die abweichende Stimmen gar nicht erst anführen; Gottwald, IPRax 1991, 285, der die Geltung der lex-fori-Regel für das Internationale Zwangsvollstreckungsrecht als „unstreitig“ bezeichnet; Schack, IZVR, Rdnr. 41, der insgesamt der ausnahmslosen Geltung der lex-fori-Regel gegenüber ablehnend gegenübersteht, die von der h. M. für sie angeführte Begründung, sie stelle Verhaltensnormen für die Staatsorgane auf, als für den „Teilbereich“ der Zwangsvollstreckung als „richtig“ bezeichnet und sich sodann a. a. O., Rdnr. 957 und Rdnr. 961 implizit für die Anwendung der lex-fori-Regel im Zwangsvollstreckungsrecht ausspricht; dagegen aber etwa: Jessurum d’Oliveira, FamRZ 1969, 631, 633 einschließlich Fußn. 8. 703 Vgl. statt aller: Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 158 f.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen 2. Kritische Überprüfung der h. M.
a) Anwendung der Pfändungsbeschränkungen des deutschen Rechts zu Gunsten auslandsdomizilierter Vollstreckungsschuldner? Dennoch könnte man auch hinsichtlich dieser scheinbar so unproblematischen Fallgruppe in dem Fall Zweifel an dem soeben gefundenen Ergebnis anmelden, in dem die Anwendbarkeit deutscher Pfändungsbeschränkungen, etwa in §§ 850 ff. ZPO, einem Vollstreckungsschuldner mit Auslandswohnsitz zu Gute kommt. Diese Zweifel nähren sich daraus, dass die Pfändungsbeschränkungen durchweg auf die inländischen Lebensverhältnisse zugeschnitten sind und zugeschnitten sein müssen, so dass sie, wenn sie auf im Ausland wohnende Vollstreckungsschuldner angewendet werden, in Abhängigkeit von den im Wohnsitzstaat herrschenden wirtschaftlichen Verhältnissen zu fragwürdigen Ergebnissen führen können. An einem plastischen Beispiel verdeutlicht: Der auf die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland zugeschnittene pfändungsfreie Grundbetrag in § 850 c Abs. 1 S. 1 ZPO ist gemessen an dem Durchschnittsverdienst eines sogenannten Entwicklungslandes viel zu hoch und kann auf einen dort wohnhaften Vollstreckungsschuldner angewandt dazu führen, dass dessen Arbeitslohn, dem in der vorliegenden Fallgruppe ein dem deutschen Arbeitsrecht unterliegender Arbeitsvertrag zu Grunde liegt, vollkommen unpfändbar ist. Hinzu kommt, dass viele Vollstreckungsschutzvorschriften in den §§ 850 ff. ZPO, insbesondere die §§ 850–850 k ZPO, nicht nur dem Schuldnerschutz, sondern wenigstens gleichberechtigt auch dem öffentlichen Interesse daran dienen, dass sich ein Gläubiger nicht auf Kosten der Allgemeinheit befriedigen können soll, die sodann dem „kahlgepfändeten“ Vollstreckungsschuldner aus Steuermitteln und/oder Mitteln der Sozialversicherung den notwendigen Lebensunterhalt sichern muss704. Man könnte nun aber meinen, dass dieser Schutzzweck der §§ 850–850 k ZPO, der nur zu Gunsten der deutschen und nicht etwa zu Gunsten der ausländischen öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungssysteme, zu deren Schutz der deutsche Gesetzgeber nicht berufen ist, eingreift, sich bei ausländischem Vollstreckungsschuldnerwohnsitz erledigt. Folge davon wäre, dass §§ 850–850 k ZPO mangels Schutzzweckeröffnung bei ausländischem Vollstreckungsschuldnerwohnsitz nicht anwendbar wären705. Damit würde sich auch das soeben aufgezeigte Problem, dass die Pfändungsbeschränkungsvorschriften häufig auf ausländische Lebensverhältnisse nicht „passen“, in Wohlgefallen auflösen.
704 Vgl. zu diesen Schutzzweckerwägungen statt aller: Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, § 850 Rdnr. 1. 705 Vgl. zu derartigen Erwägungen Reichel, AcP 131 (1929), 293, 310 f.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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Die Versuchung ist groß, diese Anfang des letzten Jahrhunderts zunächst von der schweizerischen höchstrichterlichen Rechtsprechung befürwortete Auffassung706, mit dem lapidaren Hinweis auf ihre Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG abzulehnen707. Allein dies dürfte zu kurz gesprungen sein, weil die vorgenannten Erwägungen durchaus sachliche Gründe darstellen dürften, die eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, wenn es sich angesichts der ungleichartigen Sachverhalte überhaupt um eine solche handeln sollte, ohne weiteres tragen würde708. Mithin kann man aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Argument gegen die Anwendbarkeit deutscher Pfändungsbeschränkungen gegenüber Vollstreckungsschuldnern mit Auslandswohnsitz herleiten. Dennoch ist bei Fallgruppe 1 die ausnahmslose Anwendung deutschen Rechts auch gegenüber im Ausland wohnhaften Vollstreckungsschuldnern gerechtfertigt. Dies ergibt sich einmal daraus, dass die Nichtanwendbarkeit deutscher Vollstreckungsschutzvorschriften zu dem unhaltbaren, insbesondere mit den Grundrechten des im Ausland wohnhaften Vollstreckungsschuldners (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip)709, unvereinbaren Ergebnis führen würde, dass diesem keinerlei Vollstreckungsschutz zur Seite stünde und er sozusagen zur „Kahlpfändung“ freigegeben wäre. Ordnet man nämlich die einschlägigen Vollstreckungsschutzvorschriften als Normen des materiellen Rechts ein, folgt das daraus, dass auf die zu pfändende Forderung nur deutsches Sachrecht anwendbar ist, so dass die Anwendung etwaiger (materiell-rechtlicher) Vollstreckungsschutzvorschriften des Wohnsitzstaates ausscheidet. Sieht man die Vollstreckungsschutzvorschriften dagegen als verfahrensrechtliche Normen an, so folgt die Unanwendbarkeit etwaiger ausländischer Pfändungsbeschränkun706 Nachweise dazu bei Nussbaum, Deutsches IPR, S. 420 einschließlich Fußn. 2, wo auch ersichtlich wird, dass das schweizerische Bundesgericht diese Auffassung Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts aufgegeben hat. 707 Das absolute Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG dürfte schon deshalb nicht eröffnet sein, weil hier weder an die Staatsangehörigkeit noch an die Herkunft des Vollstreckungsschuldners anknüpft wird, sondern vielmehr nur an den Wohnsitz, so dass die Nichtanwendbarkeit der §§ 850 ff. ZPO auch zu Lasten deutscher Staatsbürger mit Auslandswohnsitz eingreifen würde. 708 In diese Richtung weisen auch die vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund ihrer Entstehung verständlichen Ausführungen Reichels, AcP 131 (1929), 293, 309– 311, der in dieser Konstellation eine Nichtanwendung der Pfändungsschutzvorschriften, nicht etwa gestützt auf die „Staatsraison“, wohl aber „von einem reinen Rechtsstandpunkt“ her betrachtet für diskutabel hält. 709 Vollstreckungsschuldnerschutz vor „Kahlpfändung“ konkretisiert dessen aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip folgenden Anspruch auf Schutz vor Übergriffen der Vollstreckungsbehörden in sein zu einer bescheidenen Lebensführung erforderliches Existenzminimum: siehe Stöber in: Zöller, § 811 Rdnr. 1; Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 130.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
gen daraus, dass deutsche Vollstreckungsbehörden nach zutreffender, nahezu unstrittiger Meinung710 nur ihr eigenes Vollstreckungsrecht anwenden dürfen, da es sich beim Zwangsvollstreckungsrecht um öffentlich-rechtliche Eingriffsnormen handelt, deren Adressat aus der Sicht des jeweiligen Gesetzgebers jeweils nur die Behörden des eigenen Staates sind. Aus dieser Begründung wird auch ersichtlich, dass der Gedanke, das Nichteingreifen des mit den Pfändungsbeschränkungen verfolgten öffentlichen Interesses führe dazu, dass diese Normen gegenüber Auslandsschuldnern mangels Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zwecks nicht angewendet werden dürfen, verkennt, dass die Normen einen doppelten Schutzzweck, nämlich Schuldnerschutz und Schutz der Allgemeinheit verfolgen, wobei beide Zwecke gleichberechtigt nebeneinander bestehen und die Anwendung der Normen rechtfertigen. Demgegenüber kann sich insbesondere der inländische Vollstreckungsgläubiger nicht darauf berufen, die Anwendung der deutschen Pfändungsbeschränkungen gegenüber Vollstreckungsschuldnern mit Wohnsitz in einkommensschwachen Entwicklungsländern führe zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Beeinträchtigung seines Anspruchs auf effektive Zwangsvollstreckung711. Dies geht deshalb fehl, weil der Vollstreckungsgläubiger den Einsatz des staatlichen Vollstreckungsinstrumentariums nur in der Gestalt verlangen kann, die es nun einmal in der ZPO gefunden hat. Dabei hat sich der Gesetzgeber im Einklang mit dem Prinzip der Formalisierung der Zwangsvollstreckung für die Normierung einheitlicher Pfändungsbeschränkungen entschieden, die im Falle ihrer Anwendbarkeit auf Fälle mit Auslandsberührung gleichermaßen gegenüber Inländern wie Ausländern gelten. Diese Regelung, die auch gegenüber Schuldnern mit Auslandswohnsitz auf das inländische Schutzniveau abstellt, ist einsehbar, da der Gesetzgeber auch gegenüber im Ausland wohnhaften Schuldnern einerseits Schutz vor Kahlpfändung gewährleisten muss, andererseits aber schwerlich eine Regelung schaffen kann, die jeweils passend auf die Lebensverhältnisse aller Staaten der Erde zugeschnitten sind. Angesichts dieser Regelungssituation muss der inländische Vollstreckungsgläubiger etwaige Unzuträglichkeiten, die sich aus der Anwendung deutscher Pfändungsbeschränkungen auf im Ausland wohnhafte Vollstreckungsschuldner ergeben, hinnehmen. Dies kann ihm auch zugemutet werden, da er regelmäßig im Wohnsitzstaat des Vollstreckungsschuldners die Vollstreckbarerklärung seines deutschen Titels herbeiführen und dann unter Beachtung der auf die Einkommenssituation in diesem Staat abgestimmten ausländischen Pfändungsbeschränkungen pfänden kann712. In der Fallgruppe 1 sind
710 711
310.
A.A. etwa Jessurum d’Oliveira, FamRZ 1969, 631, 633 einschließlich Fußn. 8. Ansätze zu diesem Gedanken finden sich bei Reichel, AcP 131 (1929), 293,
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mithin die Pfändungsbeschränkungen des deutschen Rechts auch auf im Ausland wohnhafte Vollstreckungsschuldner anzuwenden.
b) Anwendung der Pfändungserleichterungen des deutschen Rechts zu Gunsten auslandsdomizilierter Vollstreckungsgläubiger? Gleiches gilt in Fallgruppe 1 auch für die Anwendung der deutschen Pfändungserleichterungen zu Gunsten von Vollstreckungsgläubigern mit Auslandswohnsitz/sitz gegenüber Vollstreckungsschuldnern mit Inlandswohnsitz/sitz, die sich mit entsprechender Begründung rechtfertigen lässt. Die Anwendung dieser Vorschriften in dieser Konstellation kann dem Vollstreckungsschuldner insbesondere auch deshalb zugemutet werden, weil die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht deutschem Sachrecht unterliegt, so dass der Vollstreckungsschuldner als Forderungs-/Rechtsinhaber das Recht von vorneherein mit diesen „Pfändungserleichterungen“ belastet erworben und im Falle der Pfändung mit der Anwendung dieser Vorschriften rechnen musste. c) Ergebnis Nach alledem bestimmen sich nach der sich als zutreffend erwiesenen allgemeinen Ansicht in Fällen mit Auslandsberührung die Pfändbarkeit sowie Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen bezüglich zu pfändender Forderungen bzw. Rechte, die dem deutschen Sachrecht unterliegen, ausnahmslos nach deutschem Recht. Ein ausländischer Wohnsitz oder gar nur die ausländische Staatsangehörigkeit der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten vermag daran nichts zu ändern713.
712 Dass dann jedenfalls nach der ganz h. M. im deutschen IZVR die §§ 850– 850 k ZPO im ausländischen Pfändungsverfahren nicht eingreifen, wird noch zu zeigen sein und entspricht auch der ganz überwiegenden Praxis der Staaten, die unabhängig davon, welchem Recht die zu pfändende Forderung unterliegt, nur ihr eigenes Zwangsvollstreckungsrecht anwenden. Vgl. aber auch Jessurum d’Oliveira, FamRZ 1969, 631 ff., der über eine faktische Anwendung der §§ 850–850 k ZPO durch die niederländischen Vollstreckungsorgane bei der Vollstreckung deutscher Unterhaltsansprüche berichtet. 713 Im Ergebnis ebenso: Riezler, IZPR, S. 663 f.; Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 29 f.; ausführlich: Reichel, AcP 131 (1929), 293, 306– 311.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
III. Fallgruppe 2: Die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht unterliegt ausländischem Sachrecht 1. Die Qualifikation der Pfändbarkeitsbestimmungen, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen als Schlüssel zur Lösung des Problems
Unterliegt die zu pfändende Forderung nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts ausländischem Sachrecht, so scheint sich die Frage nach der für die Pfändbarkeit bzw. für etwaige Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen maßgeblichen Rechtsordnung auf den ersten Blick auch leicht zu beantworten: Nach der lex-fori-Regel sind ausschließlich die §§ 850 ff. ZPO für die deutschen Pfändungsorgane maßgeblich und nur soweit in § 851 Abs. 1 ZPO die Pfändbarkeit an die materiell-rechtliche Übertragbarkeit gekoppelt ist, entscheidet sich die Pfändbarkeit nach dem über § 851 Abs. 1 ZPO zur Anwendung berufenen ausländischen Sachrecht, das die Frage beantwortet, ob die Forderung übertragbar und damit nach § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar ist714. Trotz dieser scheinbar so eindeutigen Rechtslage werden zu Fallgruppe 2 eine Vielzahl verschiedener Meinungen vertreten, die nachfolgend vorgestellt und auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden sollen. Ein wichtiger Grund für diese Meinungsvielfalt besteht darin, dass die soeben dargestellte, sich auf den ersten Blick aufdrängende Meinung mit dem Eingreifen der lex-fori-Regel „steht und fällt“. Nun ist zwar die lex-fori-Regel im Internationalen Zwangsvollstreckungsrecht kaum bestritten, so dass insoweit kein nennenswerter Raum für Streit ist, jedoch setzt ihr Eingreifen voraus, dass die kraft ihrer anzuwendende deutsche Norm als verfahrensrechtliche und nicht als materiell-rechtliche Bestimmung zu qualifizieren ist, wobei die Qualifikationsentscheidung selbst nach ganz h. M. von der lex fori, also dem Recht des Gerichtsstaats, getroffen wird (Qualifikation lege fori)715. Wie nun aber die Pfändbarkeitsbestimmungen sowie die Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen insgesamt oder auch nur in bestimmten Einzelfällen nach deutschem Recht zu qualifizieren sind, daran scheiden sich ebenso die Geister wie an der Frage, ob § 851 Abs. 1 ZPO wirklich, wie soeben unterstellt, für den Fall, dass die zu pfändende Forderung ausländischem Sachrecht unterliegt, die Übertragbarkeit dem ausländischen Sachrecht unterstellt oder ob nicht auch in diesem Fall die lex-fori-Regel eine Entscheidung der Vorfrage der Abtretbarkeit nach deutschem Recht gebietet, damit dem verfahrensrechtlichen Charakter des § 851 Abs. 1 ZPO, 714 715
Diese Lösung vertritt denn auch z. B. Schack, IZVR, Rdnr. 961. Schack, IZVR, Rdnr. 47; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 314; Schütze, IZPR, S. 16.
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so denn die Qualifikation des § 851 Abs. 1 ZPO nach der lex fori einen solchen ergibt, umfassend Rechnung getragen wird. a) Meinungsspektrum in der Literatur Wenden wir uns zunächst der Frage zu, wie die Pfändbarkeitsbestimmungen, Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen nach deutschem Recht zu qualifizieren sind. Hierzu werden sowohl Extrempositionen als auch differenzierende Lösungsansätze vertreten. So findet sich am einen Ende der Skala denkbarer Qualifizierungsvorschläge die Auffassung, die die Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen sowie -erleichterungen regelnden Normen seien, unabhängig davon, ob sie in der ZPO geregelt sind oder nicht, keine Verfahrensregeln, sondern Normen des materiellen Rechts716. Eine Anwendung deutscher Bestimmungen auf ausländischem Recht unterstehende, zu pfändende Forderungen komme daher nur dort in Betracht, wo das deutsche Recht Pfändbarkeitsausschlüsse bzw. -beschränkungen enthalte, die das ausländische Recht nicht kenne. Dann könne die Anwendbarkeit des ausländischen Rechts wegen Verstoßes gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) nicht zur Anwendbarkeit kommen, so dass ersatzweise das deutsche Recht eingreife717. Dem steht die entgegensetzte Ansicht gegenüber, derzufolge die Regelungen über Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erleichterungen sämtlich Regelungen des Verfahrensrechts sind, so dass unabhängig davon, welcher Rechtsordnung die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht untersteht, immer nur deutsches Recht zur Anwendung kommt718. Von diesen beiden schematisch vorgehenden Extrempositionen heben sich vereinzelt vertretene Lösungsansätze ab, die für eine differenzierte Betrachtungsweise plädieren. So verficht etwa Jahr die Auffassung, man müsse jede Norm, die die Pfändbarkeit bzw. Pfändungsbeschränkungen/-erleichterungen regelt, unabhängig von ihrem Regelungsstandort gesondert daraufhin untersuchen, ob sie nach deutschem Recht als vollstreckungsrechtliche oder als materiellrechtliche Bestimmung zu qualifizieren sei. Als materiell-rechtliche Vorschrift sei eine Pfändbarkeitsbestim716 Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 26 f.; Jessurum d’Oliveira, FamRZ 1969, 631, 633 einschließlich Fußn. 11. 717 So Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 27 einschließlich Fußn. 1 und 2: Im Ergebnis kann damit eine dem ausländischen Sachrecht unterstehende Forderung nur gepfändet werden, wenn sie weder nach der ausländischen, noch nach der deutschen Rechtsordnung einer Pfändbarkeitsbeschränkung unterworfen ist. 718 Nussbaum, Deutsches IPR, S. 420 f. einschließlich Fußn. 3; Riezler, IZPR, S. 662–664; Reichel, AcP 131 (1929), 293, 301–303; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rdnr. 62; Gottwald, IPRax 1991, 285, 290; Schack, IZVR, Rdnr. 961.
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mung dann zu qualifizieren, wenn sie den Inhalt eines subjektiven Rechts ausgestalte, als vollstreckungsrechtliche Vorschrift sei sie einzuordnen, wenn sie auf sozialpolitischen Erwägungen beruhe und bei Durchführung eines Pfändungsverfahrens in Deutschland unbedingte Geltung verlange – unabhängig davon, welcher Rechtsordnung das zu pfändende Recht untersteht719. Wende man diese Abgrenzungskriterien auf die deutschen Bestimmungen an, so seien §§ 851 Abs. 1, 852 Abs. 1 und 2, 857 Abs. 3, 859 und 860 ZPO als materiell-rechtliche Normen und die §§ 850 ff. ZPO als vollstreckungsrechtliche Normen zu qualifizieren. Erstere seien daher auf ausländischem Recht unterstehende Forderungen/Rechte nicht anwendbar, während die §§ 850 ZPO ausnahmslos deutsche wie ausländische Forderungen/ Rechte erfassten. Anstelle der als materiell-rechtlich qualifizierten Bestimmungen deutschen Normen seien auf ausländischem Recht unterstehende Forderungen/Rechte die als materiell-rechtlich zu qualifizierenden Pfändbarkeitsbestimmungen des ausländischen Rechts unter dem Vorbehalt anzuwenden, dass deren Anwendung nicht ordre-public-widrig sei (Art. 6 EGBGB)720. Für eine jeweils auf die einzelne Norm bezogene Qualifikationsentscheidung tritt ebenso wie Jahr auch Rheinstein ein. Er plädiert allerdings für eine andere Abgrenzungsformel. Danach soll eine Pfändbarkeitsbestimmung als materiell-rechtliche Norm qualifiziert werden, wenn sie auf Erwägungen zum Schutze des Drittschuldners beruhe, und als vollstreckungsrechtliche Norm dann, wenn sie als Vollstreckungsschutzbestimmung auf die Interessen des Vollstreckungsschuldners abstelle721. b) Eigener Ansatz aa) Qualifikation nach dem Regelungsstandort? Will man die Stichhaltigkeit und Folgerichtigkeit der vorgenannten Auffassungen kritisch überprüfen, dann muss man sich dabei nochmals vor Augen halten, dass es im Ausgangspunkt bei der Qualifikationsentscheidung einzig um die Beantwortung der Frage geht, ob die jeweiligen Pfändbarkeitsbestimmungen nach Maßgabe des deutschen Rechts als Normen des materiellen Rechts oder als Normen des Zwangsvollstreckungsrechts einzustufen sind. Das denkbar einfachste Kriterium für diese Einstufung könnte der Regelungsstandort sein: Soweit Vorschriften über die Pfändbarkeit in der ZPO geregelt sind, wären sie demnach ohne weiteres als Verfahrensvorschriften 719 720 721
Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 162 f. Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 303.
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zu werten, soweit sie dagegen nicht in einer Verfahrensordnung enthalten sind, wie z. B. die §§ 113–119 UrhG, wären sie materiell-rechtliche Normen. Damit würde sich die Ansicht, die die Pfändbarkeitsbestimmungen generell als Verfahrensnormen einordnet, weitestgehend als richtig erweisen. Gegen das Kriterium des Regelungsstandortes spricht, dass der Regelungsstandort generell nur bedingt aussagekräftig ist, wenn es um die Bestimmung der Rechtsnatur einer Norm geht. Dies folgt daraus, dass sich sowohl anerkannte Beispiele für materiell-rechtliche Normen in der ZPO als auch für verfahrensrechtliche Normen im BGB anführen lassen. So entspricht es etwa der ganz h. M., dass die in §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2 und 945 ZPO geregelten Schadensersatzansprüche trotz ihrer Regelung in der ZPO materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen darstellen722. Umgekehrt enthalten z. B. die Regelungen über das Erbscheinsverfahren in §§ 2353 ff. BGB unstrittig verfahrensrechtliche Bestimmungen. Deshalb ist das Kriterium des Regelungsstandorts für die Einstufung einer Norm als verfahrensoder materiell-rechtlich ungeeignet723. bb) Im Zweifel prozessrechtliche Qualifikation (Basedow)? Hilfreicher könnte dagegen das „Plädoyer“ Basedows „für eine vermehrte prozessrechtliche Qualifikation“ sein, wonach bei Qualifikationsentscheidungen die prozessrechtliche Qualifikation die Regel sein solle, zu der eine Ausnahme nur dann gerechtfertigt sei, wenn bei der zu qualifizierenden Norm der Bezug zum materiellen Recht eindeutig überwiege724. Basedow begründet dieses von ihm befürwortete Regel-Ausnahme-Verhältnis damit, dass das Prozessrecht entgegen einer landläufigen Meinung nicht nur eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Recht habe, sondern auch einen Eigenwert an sich darstelle725. Vor allem aber sei eine regelmäßige prozessrechtliche Qualifikation und damit auch eine Anwendung deutschen Rechts in Fällen mit Auslandsberührung deshalb geboten, weil nur so in Zeiten wachsender Internationalisierung die Effizienz der gesamten Rechtspflege, die durch die Anwendung ausländischer Rechtsvorschriften beeinträchtigt werde, gewährleistet werden könne726. Dem Plädoyer Basedows kann nicht beigepflichtet werden. Ein wesentliches Gegenargument gegen seine Thesen formuliert er selbst: Seine Auffassung gibt dem Rechtsanwen722 Vgl. etwa Herget in: Zöller, § 717 Rdnr. 3; Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 717 Rdnr. 6; Thomas in: Thomas/Putzo, ZPO, § 302 Rdnr. 16. 723 Im Ergebnis ebenso: Basedow, Qualifikation, S. 136; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 54. 724 Basedow, Qualifikation, S. 140. 725 Basedow, Qualifikation, S. 139. 726 Basedow, Qualifikation, S. 138–140.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
der kein inhaltliches Kriterium für die Qualifikationsentscheidung an die Hand und ist daher in der praktischen Rechtsanwendung nur bedingt brauchbar727. Im Übrigen verkennt Basedow, dass die Qualifikationsentscheidung eine nach Maßgabe des deutschen Rechts zu fällende Rechtsentscheidung beinhaltet, die nicht mit Hilfe gesetzesfremder Folgenerwägungen, sondern im Wege methodengerechter Rechtsanwendung unter Ausschöpfung der klassischen Auslegungsmethoden getroffen werden muss728. cc) Methode der funktionellen Qualifikation? Hierbei hat sich im Deutschen Internationalen Zivilverfahrensrecht zwischenzeitlich die Methode der funktionellen Qualifikation durchgesetzt729, die aus der Sicht der Methodenlehre der teleologischen Auslegung zugeordnet werden kann730 und die die Qualifikationsentscheidung entscheidend von der Funktion der zu qualifizierenden Norm/des zu qualifizierenden Rechtsinstituts abhängig macht731. Wendet man diese Qualifikationsmethode auf die deutschen Pfändbarkeitsbestimmungen an, so zeigt sich, dass die beiden pauschalen Sichtweisen, die diese Bestimmungen generell als materiell-rechtlich oder vollstreckungsrechtlich einordnen, mit der Vielgestaltigkeit dieser Normen, mit der auch jeweils verschiedene Normzwecke verknüpft sind, nicht vereinbar sind. Zur Verdeutlichung dieser Vielgestaltigkeit genügt es, die Pfändbarkeitsbestimmungen in § 852 Abs. 1 ZPO und in § 850 Abs. 1 i.V. m. §§ 850 a–850 l ZPO beispielhaft einander gegenüberzustellen und miteinander zu vergleichen. Die Pfändbarkeitsbeschränkung für Pflichtteilsansprüche in § 852 Abs. 1 ZPO dient mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem dem Schutz der Entscheidungsfreiheit des pflichtteilsberechtigten Vollstreckungsschuldners, dem die höchstpersönliche Entscheidung darüber, ob er im Falle der Enterbung Pflichtteilsansprüche gegen den/die Erben geltend 727
Basedow, Qualifikation, S. 140. Damit liefert die Argumentation Basedows ein Paradebeispiel für die sogenannte „Folgenorientierte Auslegung“ (vgl. dazu statt aller: Deckert, JuS 1995, 480 ff.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 227–236). Diese ist nach inzwischen gefestigter Ansicht in der Methodenlehre als Auslegungsmethode „jenseits der Gesetzesbindung“ (Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 229) mit Rücksicht auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) erst dann zulässig, wenn nicht schon eine überzeugende Auslegung mit den klassischen Auslegungsmethoden „diesseits der Gesetzesbindung“ möglich ist (vgl. statt aller: Koch/Rüßmann, a. a. O., S. 227 ff.). Diesen Nachweis bleibt Basedow aber schuldig. 729 Kropholler, IPR, § 17 I; R. Geimer, IZPR, Rdnrn. 313 f; Sonnenberger, in: MüKo, BGB, Einl. IPR, Rdnrn. 469–472. 730 Kropholler, IPR, § 17 I. 731 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 314. 728
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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machen will, nicht durch Pfändung aus der Hand geschlagen werden soll732. Demgegenüber dienen die Pfändbarkeitsbeschränkungen für Ansprüche auf in Geld zahlbares Arbeitseinkommen gemäß § 850 Abs. 1 i.V. m. §§ 850 a–850 l ZPO dem Zweck, eine Kahlpfändung des Vollstreckungsschuldners sowohl aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen des Gemeinwohls (Schutz der öffentlichen Haushalte/sozialen Sicherungssysteme vor Inanspruchnahme durch kahlgepfändeten Vollstreckungsschuldner) als auch des Schuldnerschutzes zu verhindern. Damit wird durch die beiden Pfändbarkeitsbestimmungen also das eine Mal (§ 852 Abs. 1 ZPO) eine Forderung/ein Recht in Verfolgung eines privatrechtsdogmatischen Anliegens als höchstpersönliches Recht näher ausgestaltet und ein andermal aus auch im öffentlichen Interesse liegenden Gründen in bestimmtem Umfang dem Pfändungszugriff entzogen. Damit wird offenbar, dass den beiden Pfändbarkeitsbestimmungen vollkommen verschiedene Regelungszwecke zu Grunde liegen. Wollte man beide Normen einheitlich entweder als materiell- oder vollstreckungsrechtlich qualifizieren, dann würde man der Verschiedenheit der mit ihnen verfolgten Normzwecke nicht gerecht werden. dd) Qualifikation nach der Schutzrichtung der Norm (Vollstreckungsschuldnerschutz versus Drittschuldnerschutz)? Wenn demnach die beiden Extrempositionen zur Qualifikation der Pfändbarkeitsbestimmungen ausscheiden, stellt sich die Frage, welche der differenzierenden Auffassungen überzeugender ist. Rheinstein stellt darauf ab, ob die Pfändbarkeitsbestimmung dem Vollstreckungsschuldner- oder dem Drittschuldnerschutz dient. Damit wird der funktionellen Methode formell Rechnung getragen, weil zur Qualifikation der jeweiligen Norm auf voneinander verschiedene Funktionen der Pfändbarkeitsbestimmungen abgestellt wird. Es ist aber fraglich, ob die zur Abgrenzung herangezogenen Normzwecke in einem solchen inhaltlichen Zusammenhang zum Vollstreckungsrecht einerseits und zum materiellen Recht andererseits stehen, dass sie nach den Maßstäben des deutschen Rechts eine zutreffende Zuordnung gewährleisten. Dagegen spricht aber, dass der Drittschuldnerschutz nicht per se geringere oder andersgeartete Bezüge zum Vollstreckungsrecht aufweist als der Vollstreckungsschuldnerschutz. Dies folgt bei dogmatischer Betrachtung daraus, dass der Drittschuldner nach zutreffender733, wenn auch bestrittener734, Auffassung ebenso wie der Vollstreckungsschuldner in das Vollstreckungsrechtsverhältnis einbezogen ist und deshalb keineswegs die 732 733 734
BGH, NJW 1993, 2876, 2877, Urt. v. 08.07. 1993 – IX ZR 116/92. G. Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 436–438. Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 28–30.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Position eines außerhalb der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbeziehungen stehenden Dritten hat. Dem ist zwar Gaul, der die Einbeziehung des Drittschuldners in das Vollstreckungsrechtsverhältnis wegen § 840 ZPO für diskutabel hält, mit der Begründung entgegengetreten, aus § 840 ZPO lasse sich eher eine durch den Vollstreckungszugriff begründete Sonderbeziehung zwischen Vollstreckungsgläubiger und Drittschuldner als eine Einbeziehung des Drittschuldners in das Vollstreckungsrechtsverhältnis herleiten. Ferner müsse man § 840 ZPO nicht zwingend vollstreckungsrechtlich verstehen. Vielmehr lasse sich die schadensersatzbewehrte Auskunftsobliegenheit mit einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht, etwa wie der allgemeinen Zeugnispflicht, vergleichen. Aus alledem folge, dass der Drittschuldner in Bezug auf das Vollstreckungsverfahren nur die Stellung eines außerhalb desselben stehenden Dritten einnehme735. Dieser Auffassung Gauls steht aber entgegen, dass die Pfändung einer Forderung/eines Rechts Rechtswirkungen entfaltet, die über das Entstehen einer Sonderbeziehung zwischen Gläubiger und Drittschuldner hinausgehen und für eine Einbeziehung des Drittschuldners in das Vollstreckungsverfahren sprechen. So ist der Drittschuldner im Hinblick auf den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf des § 766 ZPO erinnerungsbefugt. Ferner wird er durch § 840 ZPO in einer die allgemeine Bürgerpflicht übersteigenden Weise in Anspruch genommen. Wollte § 840 ZPO nämlich nur eine derartige Bürgerpflicht konkretisieren, dann würde es genügen, wenn das Gesetz das Gericht bei deren Nichtbeachtung zur Verhängung von Ordnungsmitteln ermächtigen würde. Die Zuerkennung eines echten Schadensersatzanspruches, der dem Vermögen des Vollstreckungsgläubigers und nicht wie ein Ordnungsgeld der Staatskasse zufließt, lässt sich dagegen nur so verstehen, dass durch den Vollstreckungszugriff eine engere Beziehung zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Drittschuldner geschaffen wird. Diese Beziehung beschränkt sich aber nicht auf diese beiden, sondern erfasst auch den Vollstreckungsschuldner. Dies ergibt sich schon aus der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion, wonach die Pfändung nicht etwa mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner, sondern erst mit dessen Zustellung an den Drittschuldner wirksam wird (§§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Schließlich folgt dies daraus, dass die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen Vollstreckungs- und Drittschuldner herbeiführt. So verliert der Vollstreckungsschuldner die Prozessführungsbefugnis zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung/des gepfändeten Rechts, die auf den Vollstreckungsgläubiger übergeht. Des weiteren kann der Drittschuldner nicht mehr befreiend an den Vollstreckungsschuldner leisten. Aus alledem ergibt sich, dass der von Gerhard Lüke entwickelten Auffassung, wonach 735
Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 29.
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der Drittschuldner in das Vollstreckungsrechtsverhältnis und in das Vollstreckungsverfahren einbezogen ist, zu folgen ist. Das aber wiederum hat zur Folge, dass die Unterscheidung zwischen drittschuldner- und schuldnerschützenden Vorschriften für eine Abgrenzung spezifisch vollstreckungsrechtlicher Pfändbarkeitsbeschränkungen von spezifisch materiell-rechtlichen Pfändbarkeitsbestimmungen nicht geeignet ist. ee) Qualifikation in Anlehnung an die Kriterien zur Abgrenzung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht? Ein taugliches Abgrenzungskriterium muss vielmehr daran anknüpfen, dass das Vollstreckungsrecht nach allgemeiner Ansicht klassisches Öffentliches Recht darstellt, während materiell-rechtliche Pfändbarkeitsbeschränkungen als Annexbestimmungen zu den ihnen unterliegenden zu pfändenden Forderungen/Rechte dem Zivilrecht zuzuordnen sind. Das erlaubt es, bei der Abgrenzung als Unterscheidungskriterium auf den spezifisch öffentlich-rechtlichen Gehalt des Vollstreckungsrechts abzustellen, der all den Pfändbarkeitsbestimmungen, die als vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren sind, zwingend innewohnen muss. Was aber nun gerade den öffentlichrechtlichen Charakter einer Norm in Abgrenzung einer Norm des Privatrechts ausmacht, ist Gegenstand eines uralten, inzwischen weitgehend ausgetragenen „Theorienstreits“, auf dessen Darstellung vorliegend angesichts seiner allgemeinen Bekanntheit verzichtet werden soll736. Dabei ist zwischenzeitlich weitgehend anerkannt, dass die drei im Wesentlichen heute vertretenen „Abgrenzungstheorien“ (Interessentheorie, Subordinationstheorie, modifizierte Subjektstheorie)737 sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern je nach Eignung, gegebenenfalls auch nebeneinander, anzuwenden sind738. Für die vorliegende Abgrenzung eignet sich alleine die „Interessentheorie“, weil die beiden anderen „Theorien“, die auf das Bestehen eines Über-Unterordnungsverhältnisses oder darauf, dass gerade der Staat Zuordnungssubjekt eines Rechtssatzes ist, abstellen, für die Zuordnung der Pfändbarkeitsbestimmungen zum Öffentlichen Recht oder zum Privatrecht nicht aussagekräftig sind, was aus der Eigenart des Vollstreckungsrechts resultiert, bei der die Staatsmacht in atypischer Weise gerade zur Durchsetzung privater Rechte des Individuums eingesetzt wird. Die „Interessentheorie“ dagegen, die einen Rechtssatz danach zuordnet, ob er alleine dem Individualinteresse oder einem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist739, 736 Vgl. dazu statt aller: 14–19. 737 Maurer, Allgemeines 738 Maurer, Allgemeines 739 Maurer, Allgemeines
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 III, 2 Rdnrn. Verwaltungsrecht, § 3 III, 2 Rdnrn. 14–18. Verwaltungsrecht, § 3 III, 2 Rdnr. 19. Verwaltungsrecht, § 3 III, 2 Rdnr. 15.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
„passt“ genau auf das Problem der Zuordnung der Pfändbarkeitsbestimmungen, weil es bei diesen gerade darum geht, ob der Staat sich selbst im Vollstreckungsverfahren Zugriffsschranken aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen auferlegt hat oder ob er damit primär den Schutz von Individualinteressen fördern wollte. Kommt es damit wegen des öffentlichrechtlichen Charakters des Vollstreckungsrechts für die Zuordnung der Pfändbarkeitsbestimmungen zum Vollstreckungsrecht auf die Kriterien der „Interessentheorie“ an, so zeigt sich, dass die hierfür von Jahr angeführte Zuordnungsformel, wonach Pfändungsbeschränkungen dann als vollstreckungsrechtliche Bestimmungen anzusehen sind, wenn sie auf im öffentlichen Interesse liegenden sozialpolitischen Erwägungen beruhen740, den Kern der Sache trifft. Aber auch die von Jahr für die Zuordnung einer Pfändbarkeitsbeschränkung zum materiellen Recht befürwortete Formel, wonach eine Bestimmung, die kein Vollstreckungsschutzrecht enthält, sondern den Inhalt einer Forderung/eines Rechts näher bestimmt und ausgestaltet, dem materiellen Zivilrecht zuzuordnen ist741, erweist sich danach als zutreffend. Sie stimmt nämlich zwanglos mit der allgemeinen Definition des Privatrechts als derjenigen Rechtsordnung, die Bestehen, Inhalt und Wirksamkeit der privaten Rechtsverhältnisse regelt und durch Ausgestaltung und Festlegung der subjektiven Rechte die Reichweite der Privatautonomie bestimmt742, überein und stellt damit wiederum zutreffend auf die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von Öffentlichem Recht und Privatrecht ab. ff) Ergebnis Nach alledem hat sich von den vorstehend vorgestellten Auffassungen alleine die Auffassung Jahrs als zutreffend herausgestellt. Ist nach den Grundsätzen des Deutschen Internationalen Privatrechts auf die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht ausländisches Recht anwendbar, so ist die Frage danach, nach welcher Rechtsordnung sich die auf die Forderung anzuwendenden Pfändbarkeitsvorschriften bestimmen, nicht pauschal für jeden Einzelfall beantwortbar. Vielmehr müssen zunächst die einschlägigen Vorschriften des deutschen Rechts daraufhin untersucht werden, ob sie auch auf im öffentlichen Interesse liegenden sozialpolitischen Erwägungen beruhen und damit dem Vollstreckungsrecht zuzuordnen sind oder ob es sich bei ihnen um privatrechtliche Inhaltsbestimmungen des Rechts/ der Forderung handelt. Nur wenn diese Prüfung ergibt, dass die einschlä740 741 742
Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163. Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 162 f. Basedow, Qualifikation, S. 136.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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gige deutsche Pfändbarkeitsbestimmung dem Vollstreckungsrecht zuzuordnen ist, ist sie nach der lex-fori-Regel anwendbar. In einem nächsten Schritt sind sodann die einschlägigen Pfändbarkeitsvorschriften des ausländischen Rechts zu ermitteln und auf die gleiche Weise zuzuordnen. Ergibt die Prüfung dabei, dass eine Vorschrift des ausländischen Rechts, dem materiellen Privatrecht zuzuordnen ist, so ist sie ebenfalls anzuwenden. 2. Die Qualifikation der wichtigsten Vorschriften des deutschen Rechts im Einzelnen
Nachfolgend sollen die wichtigsten Pfändbarkeitsvorschriften des deutschen Rechts daraufhin untersucht werden, ob sie nach den soeben aufgezeigten Abgrenzungskriterien als vollstreckungsrechtlich oder materiellrechtlich zu qualifizieren sind. a) Qualifikation der Pfändbarkeitsbestimmungen in §§ 850 a–850 k ZPO Unproblematisch ist die Qualifikation der Pfändbarkeitsbestimmungen in § 850 Abs. 1 i.V. m. §§ 850 a–850 k ZPO. Hierbei handelt es sich, wie bereits dargelegt, um Bestimmungen die insbesondere auch aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen geschaffen worden sind, so dass sie als vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren sind743. b) Qualifikation des § 851 Abs. 1 ZPO Fraglich ist dagegen die Zuordnung des § 851 Abs. 1 ZPO, bei dem sich überdies, wie bereits kurz angerissen, die zusätzliche Frage stellt, nach welcher Rechtsordnung sich die Vorfrage entscheidet, ob eine Forderung übertragbar ist. Jahr vertritt dazu die Auffassung, § 851 Abs. 1 ZPO sei eine „Doppelnorm“, die sowohl materiell-rechtlicher als auch vollstreckungsrechtlicher Natur sei. Die vollstreckungsrechtliche Natur ergebe sich unter anderem aus dem Regelungsstandort in der ZPO, die materiell-rechtliche daraus, dass die Vorschrift eine Inhaltsbestimmung der von ihr betroffenen Forderungsrechte enthalte, die den Bestimmungen über den Ausschluss der Übertragbarkeit völlig gleichstehe und daher auch gemäß § 400 BGB Grundlage des Ausschlusses der Übertragbarkeit sein könne744. Soweit Jahr die Bejahung des „auch materiell-rechtlichen“ Charakters des § 851 Abs. 1 743 Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163; im Ergebnis ebenso mit die ganz h. M. 744 Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
ZPO darauf stützt, dass diese Vorschrift durch die Regelung der Pfändbarkeit von Forderungen deren Inhalt ausgestalte, vermag dies nicht zu überzeugen. Dies müsste nämlich streng genommen dazu führen, dass man die „Pfändbarkeit“ generell als privatrechtliche Eigenschaft jeder Forderung/jedes Rechts ansieht, so dass ihre Regelung zumindest immer auch eine materiell-rechtliche Komponente enthielte, was wiederum bedeuten würde, dass jede Pfändbarkeitsbestimmung zumindest eine „auch-materiell-rechtliche“ „Doppelnorm“ wäre745. Genau dies vertritt Jahr, der, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich für eine Unterscheidung von materiell-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Pfändbarkeitsbestimmungen eintritt, nicht, weil er von der richtigen Prämisse ausgeht, dass man regelmäßig Pfändbarkeitsbestimmungen, die öffentlichen Interessen dienen und daher eine öffentlich-rechtliche Natur haben, klar von privaten Interessen dienenden Pfändbarkeitsbestimmungen unterscheiden kann. Mithin vermag die pauschale Behauptung, die Regelung der Pfändbarkeit in § 851 Abs. 1 ZPO gestalte die von der Regelung betroffenen Forderungen inhaltlich aus, kein überzeugendes Argument für eine materiell-rechtliche Qualifikation der Vorschrift zu liefern. Gewichtiger könnte demgegenüber die von Jahr gezogene Parallele zur Regelung des Ausschlusses der Übertragbarkeit von Forderungen und der damit verknüpfte Hinweis auf die Vorschrift des § 400 BGB sein, die spiegelbildlich zu § 851 Abs. 1 ZPO die Übertragbarkeit an die Pfändbarkeit koppelt. Die wechselseitige Verknüpfung von Übertragbarkeit und Pfändbarkeit in § 851 Abs. 1 ZPO und § 400 BGB könnte nämlich in der Tat auf einem die beiden Vorschriften zu einer Sinneinheit verbindenden einheitlichen dogmatischen Konzept beruhen, das § 851 Abs. 1 ZPO zumindest einen nicht unerheblichen materiell-rechtlichen Gehalt verleihen würde, wenn es nicht sogar die Bewertung rechtfertigen würde, die Vorschrift sei rein materiell-rechtlicher Natur. In diese Richtung weisen einige Stimmen in der Literatur, die den Zusammenhang von §§ 851 Abs. 1 ZPO und § 400 BGB kryptisch damit umschreiben, es handele sich hier um einen Fall, bei dem materielles Recht und Verfahrensrecht in einer „Wechselbeziehung“ stünden746. Diese verbreitete Formulierung aufgreifend wollen etwa Rosenberg/ Gaul/Schilken in §§ 851 Abs. 1 ZPO und § 400 BGB „sich zu einem System einheitlicher Unabtretbarkeit und Unpfändbarkeit summierende Regelungen“ erkennen, die noch durch das Verbot der Rechtsverpfändung bei Unübertragbarkeit und dem Aufrechnungsverbot bei Unpfändbarkeit zu ei745 So in der Tat Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 26, der denn auch konsequent die Pfändbarkeitsbestimmungen in §§ 850 ff. ZPO ausnahmslos als materiell-rechtliche Vorschriften werten will. 746 Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 I 1 b; Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, 851 Rdnr. 1; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 851 Rdnr. 1. Zu Recht kritisch gegenüber dieser Formulierung: Smid, in: MüKo, ZPO, § 851 Rdnr. 1.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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nem einheitlichen Ganzen ergänzt würden747. Folgt man dem, so wäre § 851 Abs. 1 ZPO Teil eines die deutsche Privatrechtsordnung prägenden Systems einheitlicher Unübertragbarkeit von Forderungen und man müsste allenfalls noch darüber nachdenken, welche gemeinsamen Wertungen diesem System zu Grunde lägen. Dass dieses System aber (zumindest auch) privatrechtlicher Natur wäre, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Es fragt sich aber, ob § 851 Abs. 1 ZPO und § 400 BGB wirklich gemeinsame Wertungen zu Grunde liegen und ob die beiden Vorschriften darauf gerichtet sind, ein einheitliches System der Unübertragbarkeit zu schaffen, bei dem die Abtretungsverbote durch Pfändungsverbote und die Pfändungsverbote durch Abtretungsverbote ausgebaut und verstärkt werden. Betrachtet man zunächst die Regelung des § 400 BGB isoliert für sich, so spricht sehr viel für diese These. Denn § 400 BGB dient – ebenso wie § 394 BGB – alleine dem Zweck, das mit den Unpfändbarkeitsvorschriften verfolgte Schutzanliegen auch im Fall der freiwilligen (rechtsgeschäftlichen) Aufgabe der Forderung zur Geltung zu bringen, um das Pfändungsverbot auch im materiellen Recht abzusichern und zu verstärken748. Damit nimmt § 400 BGB tatsächlich die Wertungen, die sich in den Pfändungsverboten niedergeschlagen haben, auf und überträgt sie auf das materielle Recht. Es stellt sich daher die Frage, ob § 851 Abs. 1 ZPO in gleicher Weise die in den materiell-rechtlichen Übertragbarkeitsausschlüssen verkörperten materiell-rechtlichen Wertungen aufgreift, um ihnen im Vollstreckungsrecht Geltung zu verleihen, so dass man im Hinblick auf § 851 Abs. 1 ZPO und § 400 BGB tatsächlich von einem Prinzip der Wechselwirkung sprechen könnte. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn die in § 851 Abs. 1 ZPO für den Fall der Unübertragbarkeit einer Forderung angeordnete Unpfändbarkeit ebenso konstitutiv wirken würde wie die in § 400 BGB für den Fall der Unpfändbarkeit angeordnete Unübertragbarkeit. Dies kann aber nicht bejaht werden. Das ergibt sich daraus, dass die Pfändung nicht anders als die rechtsgeschäftliche Verpfändung eine Abspaltung („Teilabtretung“) von Gläubigerbefugnissen, genauer gesagt der Verwertungsbefugnis, beinhaltet, die rechtlich nicht möglich ist, wenn das Recht als Ganzes nicht übertragen werden kann749. Gäbe es § 851 Abs. 1 ZPO nicht, so würde sich mithin an der Rechtslage nichts ändern, so dass § 851 Abs. 1 ZPO nur deklaratorischer Natur ist und lediglich Klarstellungsfunktion hat750. Damit aber stellt § 851 Abs. 1 ZPO kein vollstreckungsrechtliches Pendant zu 747
Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 I 1 b. Roth, in: MüKo, BGB, § 400 Rdnr. 1. 749 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, Band I, § 25, 25.1; Smid, in: MüKo, ZPO, § 851 Rdnr. 1; Stöber in: Zöller, § 851 Rdnr. 1. 750 So wohl auch Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 851 Rdnr. 1; Reichel, AcP 131 (1929), 293, 305: „ungeschriebener, von selbst einleuch748
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
§ 400 BGB dar, das spiegelbildlich zu § 400 BGB dazu dient, materiellrechtliche Wertungen im Vollstreckungsrecht zur Geltung zu bringen und mit § 400 BGB durch ein gemeinsames dogmatisches Konzept verbunden ist. Vielmehr stellt § 851 Abs. 1 ZPO nur klar, dass aus der zwangsvollstreckungsrechtlichen Konzeption der Pfändung als einer durch staatlichen Zwangsakt herbeigeführten Abspaltung („Teilabtretung“) des Verwertungsrechts, logisch folgt, dass die Pfändung ebenso wie die rechtsgeschäftliche Vollrechtsübertragung ausgeschlossen ist, wenn die zu pfändende Forderung nicht übertragbar ist. Dieser Normzweck des § 851 Abs. 1 ZPO751 ist aber ein rein vollstreckungsrechtlicher, so dass die Norm entgegen Jahr keine „auch materiell-rechtliche“ „Doppelnorm“, sondern eine Norm (nur) des Vollstreckungsrechts ist. Daraus ergibt sich, dass in der hier erörterten Fallgruppe 2 § 851 Abs. 1 ZPO auch dann anzuwenden ist, wenn die zu pfändende Forderung einer fremden Rechtsordnung unterliegt. Damit ist aber die weitere Frage, nach welcher Rechtsordnung die im Rahmen des § 851 Abs. 1 ZPO zu entscheidende Vorfrage der Unübertragbarkeit bestimmt wird, noch nicht geklärt. Nussbaum plädiert dafür, auch insoweit die lex-fori-Regel anzuwenden, weil es im Hinblick auf die Regelungen in § 400 BGB und § 851 Abs. 1 ZPO eine untergeordnete Frage sei, ob der Gesetzgeber von der Unübertragbarkeit oder der Unpfändbarkeit ausgeht752. Damit stützt sich seine Auffassung letztlich auf die soeben verworfene Prämisse, Unpfändbarkeit und Unübertragbarkeit seien gleichwertige Eigenschaften einer Forderung, die über § 400 BGB und § 851 Abs. 1 ZPO mit konstitutiver Wirkung aneinander gekoppelt seien. Dem ist aber nicht so: Die Unpfändbarkeit ist als Minus in der Unübertragbarkeit enthalten, so dass die Unübertragbarkeit, soweit nichts Abweichendes geregelt ist753, auch ohne § 851 Abs. 1 ZPO die Unpfändbarkeit zur Folge hätte, während umgekehrt ohne die Regelung des § 400 BGB die Unpfändbarkeit nicht zur Unübertragbarkeit führen würde. Diese Erkenntnis, dass § 851 Abs. 1 ZPO nur klarstellend nachzeichnet, was ohnehin aus der Konstruktion der Forderungs- bzw. Rechtspfändung als zwangsweiser Abspaltung („Teilabtretung“) der Verwertungsbefugnis vom Stammrecht folgt, hat auch zwingende Konsequenzen für das Problem der Vorfragenqualifikation. Da die Übertragbarkeit vom materiellen Recht tender Grundsatz, dass unveräußerliche Vermögensstücke auch dem Zwangszugriff des Gläubigers nicht unterliegen“. 751 Smid, in: MüKo, ZPO, § 851 Rdnr. 1; Becker, in: Musielak, § 851 Rdnr. 1. 752 Nussbaum, Deutsches IPR, S. 420 f. Fußn. 3. 753 Die in § 851 Abs. 1 ZPO gewählte Formulierung „in Ermangelung besonderer Vorschriften“ bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber materiell-rechtlich unübertragbare Forderungen durch Spezialnorm als pfändbar ausgestalten kann: vgl. Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 851 Rdnr. 1.
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vorgegeben ist und § 851 Abs. 1 ZPO aus dieser Entscheidung des materiellen Rechts lediglich die zwangsvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen zieht, kann es für § 851 Abs. 1 ZPO nur darauf ankommen, wie das die Forderung beherrschende Sachrecht diese hinsichtlich der Übertragbarkeit ausgestaltet hat. Handelt es sich dabei um ausländisches Recht, so kann dieses naturgemäß nicht durch das deutsche Recht ausgestaltet werden. Unterliegt die zu pfändende Forderung also einer ausländischen Rechtsordnung, so ist im Pfändungsverfahren auf sie § 851 Abs. 1 ZPO anzuwenden und dabei zu prüfen, ob die ausländische Rechtsordnung die Forderung als übertragungsfähig ausgestaltet hat oder nicht. Die Vorfrage der Abtretbarkeit beurteilt sich also entgegen Nussbaum754 und mit der h. M.755 nach dem Forderungsstatut. c) Die Qualifikation des § 851 Abs. 2 ZPO Leichter als im Fall des § 851 Abs. 1 ZPO fällt die Qualifikationsentscheidung bei § 851 Abs. 2 ZPO, der als Ausnahme zu § 851 Abs. 1 ZPO die Pfändung auch in dem Fall für zulässig erklärt, in dem der Vollstreckungs- und der Drittschuldner bezüglich der zu pfändenden Forderung ein Abtretungsverbot vereinbart haben und der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist756. Die Vorschrift des § 851 Abs. 2 ZPO hat nämlich offensichtlich einen genuin vollstreckungsrechtlichen Gehalt, der sich in der Wertung niederschlägt, dass es dem Vollstreckungsschuldner nicht möglich sein soll, seine Forderungen gegen Dritte durch eine vertragliche Vereinbarung zu Lasten seiner (künftigen) Vollstreckungsgläubiger dem Vollstreckungszugriff zu entziehen757. Des weiteren kann die vollstre754
Dezidiert gegen Nussbaum: Riezler, IZPR, S. 664 einschließlich Fußn. 32. Im Ergebnis ebenso: Reichel, AcP 131 (1929), 293, 305 f.; Schack, IZVR, Rdnr. 961; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rdnr. 63; Gottwald, IPRax 1991, 285, 290. 756 § 851 Abs. 2 ZPO gilt nach allgemeiner Ansicht ohne Rücksicht auf seinen zu weit geratenen Wortlaut nur für die 2. Variante des § 399 BGB, also nur für den vertraglich vereinbarten Abtretbarkeitsausschluss (vgl. dazu Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 356 m. w. N.). 757 Reichel, AcP 131 (1929), 293, 306. Selbst Rosenbaum, der, wie bereits dargestellt, grundsätzlich alle Pfändbarkeitsvorschriften materiell-rechtlich qualifizieren will, kommt mit ähnlicher Begründung wie hier in Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 26, zu dem Ergebnis, dass § 851 Abs. 2 ZPO vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren sei. Allerdings will er dies noch an das zusätzliche Erfordernis knüpfen, dass die maßgebende Rechtsordnung von den Parteien gewillkürt und die Forderung nur auf Grund dieser gewillkürten Rechtsordnung der Pfändung entzogen sein würde. Diese Einschränkung ist aber nicht zu befürworten. Es ist nämlich nicht einzusehen und wird auch von Rosenbaum nicht begründet, warum die nach der lex-fori-Regel eingreifende zwangsvollstreckungsrechtliche Regelung des § 851 Abs. 2 ZPO eine auf einem außervertraglichen Schuldverhältnis beruhende Forde755
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ckungsrechtliche Qualifikation des § 851 Abs. 2 ZPO damit begründet werden, dass die Vorschrift als gesetzliche Ausnahme zu § 851 Abs. 1 ZPO, dessen vollstreckungsrechtliche Zuordnung soeben begründet wurde, dessen Rechtsnatur teilen muss. Das Tatbestandserfordernis, dass der geschuldete Gegenstand nicht der Pfändung entzogen sein darf, knüpft regelmäßig an die Pfändungsbeschränkungen in § 811 oder § 850 Abs. 1 i.V. m. §§ 850 a– k ZPO an, die ihrerseits, wie bereits erörtert, als vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren sind und daher der lex-fori-Regel unterliegen. d) Die Qualifikation der §§ 852 Abs. 1 und 852 Abs. 2 ZPO Die bereits angesprochenen Pfändbarkeitsbeschränkungen in § 852 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO für den Pflichtteilsanspruch, den dem Schenker nach § 528 BGB gegen den Beschenkten zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Geschenks und den Anspruch eines Ehegattengatten auf Zugewinnausgleich sind auf der Basis der hier vertretenen Ansicht ohne weiteres als materiell-rechtlich einzustufen, weil sie den Pfändungszugriff nicht zumindest aus auch im öffentlichen Interesse liegenden Gründen beschränken, sondern vielmehr die vorgenannten Ansprüche aus privatrechtsdogmatischen Gründen, vornehmlich im Interesse des Vollstreckungsschuldners, dessen Entscheidungsfreiheit bei der Ausübung „höchstpersönlicher“ Vermögensrechte nicht eingeschränkt werden soll, beschränken. Untersteht ein Anspruch, der nach deutschem Recht als ein unter § 852 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO fallender Anspruch zu qualifizieren wäre, ausländischem Recht, so findet § 852 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO demnach auf ihn keine Anwendung758. e) Die Qualifikation der §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1, 857 Abs. 3 ZPO Auch die Qualifikation der für die Pfändung „sonstiger Vermögensrechte“ geltenden Bestimmung in §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1, 857 Abs. 3 ZPO, wonach diese Rechte im Falle der materiell-rechtlich angeordneten Unübertragbarkeit, solange nichts Abweichendes bestimmt ist, ebenso wie Forderungen unpfändbar sind, jedoch insoweit gepfändet werden können, als ihre Ausübung einem anderen überlassen werden kann, bereitet auf der Basis der vorstehenden Überlegungen keine größeren Probleme. Denn soweit § 857 Abs. 1 ZPO auf § 851 Abs. 1 ZPO und die Pfändbarkeit an die rung, die nach deutschem Internationalem Privatrecht ausländischem Sachrecht untersteht, nicht erfassen soll. Auch hier muss sich die Wertung des deutschen Gesetzgebers durchsetzen, dass sich im deutschen Pfändungsverfahren vertragliche Abtretungsverbote grundsätzlich nicht zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers auswirken dürfen. 758 Ebenso: Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163.
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Übertragbarkeit koppelt, gilt das bei § 851 Abs. 1 ZPO Gesagte: Die Vorschrift zieht lediglich mit deklaratorischer Wirkung die Konsequenz aus der Regelung der Pfändung als zwangsweiser „Teilabtretung“ der Verwertungsbefugnis und ist daher vollstreckungsrechtlicher Natur, so dass sie auch auf solche Vermögensrechte anzuwenden ist, die nach deutschem Internationalen Privatrecht einer fremden Rechtsordnung unterliegen759. Die Vorfrage der Übertragbarkeit ist deswegen nach dem anwendbaren ausländischen Recht zu beurteilen. Aber auch für § 857 Abs. 3 ZPO gilt nichts anderes. Die Zuordnung dieser Vorschrift zum Vollstreckungsrecht ergibt sich schon daraus, dass sie die Regelung in §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1 ZPO, die nach den vorstehenden Ausführungen zum Vollstreckungsrecht gehört, modifiziert, so dass sie deren Rechtsnatur teilt. Im Übrigen beinhaltet auch sie – ähnlich wie § 851 Abs. 2 ZPO – eine genuin vollstreckungsrechtliche Wertung, die darin besteht, dass die Pfändung eines Vermögensrechts auch bei dessen Unübertragbarkeit im Interesse des Vollstreckungsgläubigers so weit durchgeführt werden soll, wie es dogmatisch möglich und mit den unverzichtbaren Schutzbedürfnissen des Vollstreckungsgläubigers vereinbar ist. Dies wird bei unübertragbaren Rechten wie z. B. dem Nießbrauch (§ 1059 BGB), deren Ausübung übertragbar ist, dadurch erreicht, dass das Recht zwar gepfändet werden kann, der Vollstreckungsgläubiger sich aber, wie § 857 Abs. 4 ZPO zum Ausdruck bringt, nicht durch Verwertung des Rechts, sondern nur aus dessen Nutzungen befriedigen darf760. Ebenso wie bei § 851 Abs. 1 ZPO ist schließlich auch die Frage nach der maßgebenden Rechtsordnung für die Entscheidung der Vorfrage der Übertragbarkeit der Ausübung eines unübertragbaren Rechts zu entscheiden. Da § 857 Abs. 3 ZPO nur vollstreckungsrechtliche Schlussfolgerungen aus der Ausgestaltung des zu pfändenden Rechts durch das materielle Recht zieht, entscheidet sich die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsausübung nach dem ausländischen Sachrecht, dem das zu pfändende Recht unterliegt. Dies ist auch deshalb zwingend, weil die Frage der Ausgestaltung eines Rechts als unübertragbar mit der Frage der Übertragbarkeit seiner Ausübung untrennbar zusammenhängt und diese Fragen nicht mit sinnentstellender Wirkung auseinandergerissen werden dürfen. f) Die Qualifikation der §§ 859 Abs. 1 und Abs. 2, 860 ZPO Die in §§ 859 Abs. 1 und Abs. 2, 860 ZPO enthaltenen Regelungen über die Pfändbarkeit der Anteile des Mitglieds einer Gesamthandsgemeinschaft 759
Dies entspricht der ganz h. M.: vgl. etwa Gottwald, IPRax 1991, 285, 290; abweichend Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163, der § 857 Abs. 3 ebenso wie § 851 Abs. 1 ZPO als „Doppelnorm“ qualifiziert. 760 Stöber in: Zöller, ZPO, § 857 Rdnr. 12.
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am Gesamthandsvermögen und der zum Gesamthandsvermögen gehörenden Einzelgegenstände stellen von privatrechtsdogmatischen Gründen getragene Ausgestaltungen dieser Rechte dar, die nicht im öffentlichen Interesse erlassen worden sind, und daher als rein materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Sie finden daher auf nach deutschem Recht entsprechend zu qualifizierende ausländischem Sachrecht unterliegende Rechte keine Anwendung761. g) Die Qualifikation des § 863 ZPO § 863 ZPO schließlich ist als „Doppelnorm“, also sowohl materiell- wie vollstreckungsrechtlich, zu qualifizieren, da die Vorschrift sowohl an vorhandene Rechtsinstitute des deutschen Erb- und Familienrechts anknüpft und diese inhaltlich ausgestaltet als auch im öffentlichen Interesse (im Einklang mit dem Willen des Erblassers) den Unterhalt des Vollstreckungsschuldners und/oder von dessen unterhaltsberechtigtem (früherem) Ehegatten, Lebenspartner bzw. gesetzlich unterhaltsberechtigten Verwandten sichert. Daher ist § 863 ZPO auf einem ausländischen Recht unterstehende Nutzungen, die aus Sicht des deutschen Rechts als Nutzungen i. S. d. § 863 ZPO zu qualifizieren sind, anzuwenden. Ebenso müsste ein ausländisches Vollstreckungsorgan bei der Pfändung einer Nutzung i. S. d. § 863 ZPO, auf die aus der Sicht des nationalen internationalen Privatrechts des Vollstreckungsstaats deutsches Sachrecht Anwendung findet, ebenfalls § 863 ZPO anwenden. h) Die Qualifikation der §§ 112–119 UrhG Von den übrigen Pfändbarkeitsbestimmungen außerhalb der ZPO sollen nachfolgend im Hinblick auf die praktische Relevanz lediglich noch die §§ 112–119 UrhG untersucht werden. Unter diesen Vorschriften, die auch Regelungen über die Sachpfändung beinhalten, sind für die Rechtspfändung in erster Linie die §§ 113, 115 UrhG von Interesse. Sie erklären die Pfändung des Urheberrechts nur mit der Einwilligung des Urhebers bzw. im Falle des noch nicht erschienen Werkes seines Rechtsnachfolgers und nur insoweit für zulässig, soweit diese gemäß § 31 UrhG Nutzungsrechte einräumen können. Diese von der Regelungsstruktur an § 857 Abs. 3 ZPO erinnernde Regelung zieht die Konsequenz aus der Tatsache, dass das Urheberrecht zwar grundsätzlich nicht übertragbar ist (§ 29 Abs. 1 S. 2 UrhG), dass der Urheber/sein Rechtsnachfolger aber Nutzungsrechte an ihm einräumen kann. Wenn nämlich das Urheberrecht im Interesse und zum Schutz 761
Ebenso: Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 163.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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des Urhebers, insbesondere im Hinblick auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht, schon nicht übertragbar und damit gemäß §§ 112 UrhG, 857 Abs. 1, 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbar ist, so soll die Pfändung im Interesse des Vollstreckungsgläubigers und im Einklang mit der allgemeinen Dogmatik des Urheberrechts wenigstens so weitgehend möglich sein, dass zum Zwecke der Verwertung durch den Vollstreckungsgläubiger zwangsweise Verwertungsrechte am Urheberrecht begründet werden können. Diese insbesondere dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts und damit dem Urheber dienenden Regelungen sind nicht aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen geschaffen worden, sondern knüpfen an die inhaltliche Ausgestaltung des deutschen Urheberrechts an und entwickeln diese auf die Zwangsvollstreckungssituation bezogen im Rahmen der allgemeinen Dogmatik des deutschen Urheberrechts fort. Damit handelt es sich nicht um eine zwangsvollstreckungsrechtliche Regelung, die auch bei ausländischen Urheberrechten, die durchaus anders ausgestaltet sein können, angewendet werden will, sondern um eine materiell-rechtliche Regelung. Die §§ 112– 119 UrhG sind demnach auf die Pfändung ausländischer Urheberrechte nicht anwendbar. Etwaige Pfändungsbeschränkungen für solche Urheberrechte sind vielmehr dem jeweils einschlägigen ausländischen Urheberrecht zu entnehmen.
IV. Fallgruppe 3: Die titulierte Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterliegt deutschem Sachrecht Unterliegt die titulierte Forderung nach den Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts deutschem Sachrecht, so fragt sich, nach welchem Recht sich in Fällen mit Auslandsberührung diejenigen Pfändungsbeschränkungen bzw. -erleichterungen beurteilen, die, wie z. B. § 850 d ZPO, an die titulierte Forderung anknüpfen. Zur Beantwortung dieser Frage kann man ähnlich verfahren wie in Fallgruppe 1: Eine Qualifikation der jeweils in Betracht kommenden Pfändungsbeschränkungen bzw. -erleichterungen des deutschen wie des ausländischen Rechts kann auf sich beruhen, da ohnehin nur deutsches Recht zur Anwendung kommen kann. Sofern die Pfändungsbeschränkungen- bzw. -erleichterungen materiell-rechtlich zu qualifizieren sind, ergibt sich das daraus, dass auf die Vollstreckungsforderung ungeachtet des auf die zu pfändende Forderung anzuwendenden Sachrechts nur deutsches Sachrecht anzuwenden ist. Sofern die Beschränkungen bzw. Erleichterungen dagegen vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren sind, ergibt sich die alleinige Anwendbarkeit deutschen Rechts aus dem Eingreifen der lex-fori-Regel, die im Zwangsvollstreckungsrecht nach allgemeiner und zutreffender Ansicht ohne Rücksicht auf das die betroffene Forderung beherrschende Sachrecht zur Anwendung kommt.
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Ebenso wie in Fallgruppe 1 ändert sich an diesem Ergebnis auch dadurch nichts, dass etwaige Pfändungserleichterungen des deutschen Rechts einem Vollstreckungsgläubiger mit Auslandswohnsitz/sitz bzw. etwaige Pfändungsbeschränkungen einem Vollstreckungsschuldner mit Auslandswohnsitz/sitz zu Gute kommen. Denn zum einen hat der privilegierte Vollstreckungsgläubiger als Inhaber einer deutschem Sachrecht unterliegenden Forderung bzw. der privilegierte Vollstreckungsschuldner als Schuldner einer deutschem Sachrecht unterliegenden Forderung die mit diesen Privilegien ausgestattete Forderung erworben/begründet, so dass es im Hinblick auf den Vertrauensschutz nicht angeht, sie ihm nur im Hinblick auf seinen Auslandssitz/wohnsitz zu versagen. Das würde nämlich etwa bedeuten, dass der Inhalt der Forderung, auf den die Parteien bei Begründung der Forderung vertrauen durften, sich nur durch Verlegung des Gläubiger-/Schuldnerwohnsitzes ändern könnte, ohne dass die jeweils andere Seite darauf Einfluss nehmen könnte. Im Übrigen knüpfen die jeweiligen Erleichterungen bzw. Beschränkungen bewusst daran an, dass die privilegierte/diskriminierte Forderung deutschem Sachrecht unterliegt und nehmen es dabei bewusst in Kauf, dass sie auch in Fällen mit Auslandsberührung zur Anwendung kommen, obwohl sie dort nicht immer passen mögen. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung dieser Normen notgedrungen an den inländischen Wirtschafts- und Lebensverhältnissen orientieren musste, weil er eine auf alle denkbaren Sitzstaaten dieser Welt passende Regelung unmöglich schaffen konnte.
V. Fallgruppe 4: Die titulierte Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterliegt ausländischem Sachrecht Schließlich stellt sich noch die Frage, welche Rechtsordnung für etwaige Pfändungserweiterungen bzw. -beschränkungen zu Gunsten oder zu Lasten einer Vollstreckungsforderung maßgeblich ist, die nach deutschem Internationalem Privatrecht ausländischem Sachrecht unterliegt. Hier muss es nach vorstehenden Erörterungen zu Fallgruppe 2 darauf ankommen, ob die in Rede stehenden Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen nach deutschem Recht vollstreckungsrechtlich oder materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Sind sie vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren, greift die lexfori-Regel, so dass die deutsche Rechtsordnung maßgeblich ist, sind sie materiell-rechtlich zu qualifizieren, greift das anwendbare ausländische Sachrecht ein, so dass die ausländische Rechtsordnung maßgeblich ist. Auch hier muss es für die Qualifizierung getreu den vorstehenden Ausführungen darauf ankommen, ob die zu qualifizierende Vorschrift zumindest auch im öffentlichen Interesse erlassen worden ist oder ob es sich bei ihr um eine lediglich im Privatinteresse liegende dogmatische Ausgestaltung eines mate-
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riell-rechtlichen Rechtsinstituts handelt. Allerdings wird eine nach diesen Kriterien durchgeführte Qualifizierung von an den Charakter der Vollstreckungsforderung anknüpfenden Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen regelmäßig zu einer vollstreckungsrechtlichen Zuordnung der Bestimmung führen. Denn im Gegensatz zu Pfändbarkeitsbestimmungen bzw. -beschränkungen, die an die zu pfändende Forderung anknüpfen, kommt bei Bestimmungen, die bestimmte Vollstreckungsforderungen in der Vollstreckung privilegieren oder diskriminieren, eine dahingehende Wertung, die Vorschrift gestalte die Vollstreckungsforderung materiell-rechtlich aus, nicht in Betracht. Vielmehr wird durch solche Bestimmungen eine Regelung nur mit Bezug zum Vollstreckungsverfahren getroffen, die zum Gegenstand hat, dass zur zwangsweisen Durchsetzung einer bestimmten Art von Forderungen das Pfändungsverfahren nicht, nur in beschränkten oder gar in erweitertem Umfang zur Verfügung gestellt wird. Regelungen, die das Ob sowie Art und Maß der Bereitstellung staatlicher Zwangsmaßnahmen betreffen, sind aber immer vollstreckungsrechtlicher Natur762. Mithin sind Bestimmungen, die an bestimmte Forderungstypen anknüpfend die Durchführung des Pfändungsverfahrens versagen oder aber den Pfändungszugriff beschränken oder erweitern regelmäßig als vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren, so dass die lex-fori-Regel auf sie Anwendung findet. Auch ausländischem Sachrecht unterliegende Vollstreckungsforderungen unterliegen daher nur solchen an sie anknüpfenden Pfändungsbeschränkungen oder -erweiterungen, die dem deutschen Vollstreckungsrecht angehören; derartige Bestimmungen des ausländischen Rechts bleiben demgegenüber außer Betracht763. VI. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Überlegungen zu der für die Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen maßgeblichen Rechtsordnung bei Pfändungen mit Auslandsberührung für die Praxis 1. Dogmatische Gründe sowie die Klarheit der Gedankenführung legen es nahe, die Frage der für das Eingreifen von Pfändbarkeits- sowie pfändungsbeschränkenden bzw. -erweiternden Vorschriften maßgeblichen Rechtsordnung bei Forderungs-/Rechtspfändungen mit Auslandsberührung getrennt nach Fallgruppen zu untersuchen. Da bei internationalen Forderungs- und Rechtspfändungen sowohl die Vollstreckungsforderung als auch die zu pfändende Forderung nach den Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts entweder deutschem oder ausländischem Sachrecht unterliegen kön762 763
Reichel, AcP 131 (1929), 293, 300. Ebenso: Reichel, AcP 131 (1929), 293, 300 f.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
nen, und das auf diese Forderungen anwendbare Sachrecht für die vorliegende Fragestellung relevant sein könnte, wird in dieser Arbeit – anknüpfend an die tiefgründigen Vorarbeiten von Reichel764 – zwischen folgenden vier Fallgruppen unterschieden: (1) die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht unterliegt deutschem Sachrecht, (2) die zu pfändende Forderung/das zu pfändende Recht unterliegt ausländischem Sachrecht, (3) die titulierte Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterliegt deutschem Sachrecht, (4) die titulierte Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterliegt ausländischem Sachrecht. 2. Bei Fallgruppe (1) („zu pfändende Forderung unterliegt deutschem Sachrecht“) kommen hinsichtlich solcher Pfändbarkeitsbestimmungen, -erweiterungen, -beschränkungen, die an die zu pfändende Forderung anknüpfen, in Übereinstimmung mit der ganz h. M. nur Vorschriften des deutschen Rechts zur Anwendung. Dabei ist es unerheblich, ob einer der am Pfändungsverfahren Beteiligten einen Auslandswohnsitz oder die ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. 3. Bei Fallgruppe (2) („zu pfändende Forderung unterliegt ausländischem Sachrecht“) herrscht Streit über die „richtige Lösung“ und es werden eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungsansätze vertreten. Streitentscheidend ist, ob und inwieweit, die im deutschen internationalen Zwangsvollstreckungsrecht nach ganz h. M. geltende lex-fori-Regel auf die in Frage kommenden Pfändbarkeitsbestimmungen Anwendung findet. Das wiederum hängt davon ab, ob die einschlägigen Vorschriften des deutschen und des ausländischen Rechts nach Maßgabe des deutschen Rechts als vollstreckungs- oder materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Die zu dieser Qualifizierungsentscheidung vertretenen Meinungen reichen von den beiden denkbaren Extrempositionen, wonach entweder alle Pfändbarkeitsvorschriften vollstreckungsrechtlicher bzw. alle materiell-rechtlicher Natur sind, bis hin zu differenzierenden Lösungsansätzen, die dies nicht pauschal, sondern in Ansehung der jeweiligen Vorschrift entscheiden wollen. Angesichts der Heterogenität der Pfändbarkeitsbestimmungen, mit denen der Gesetzgeber teilweise ganz unterschiedliche Normzwecke verbunden hat, kommen alleine die differenzierenden Ansätze in die engere Auswahl. Zu überzeugen vermag schließlich die von Jahr entwickelte Abgrenzungsformel, wonach alle diejenigen Pfändbarkeitsbestimmungen, die auf dem öffentlichen Interesse, insbesondere sozialpolitischen Erwägungen, beruhen, dem Zwangsvollstreckungsrecht zuzuordnen sind, wohingegen diejenigen Bestimmungen, die vornehmlich dem Schutz privater Interessen dienen und die von ihnen betroffenen Forderungen/Rechte inhaltlich näher ausgestalten, dem materiellen Recht unterfallen. Für diese Abgrenzungsformel spricht, dass sie dem 764
Reichel, AcP 131 (1929), 293 ff.
D. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen
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öffentlich-rechtlichen Charakter des Zwangsvollstreckungsrechts gerecht wird, indem sie für die zwangsvollstreckungsrechtliche Qualifikation auf die Kriterien der sogenannten „Interessentheorie“ zur Abgrenzung des Privatrechts vom Öffentlichen Recht abstellt. Demnach müssen also in Fallgruppe (2) die einschlägigen Pfändbarkeitsbestimmungen/-beschränkungen/-erweiterungen des deutschen wie des ausländischen Rechts daraufhin untersucht werden, ob sie als vollstreckungs- oder materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Zur Anwendung kommen dabei im Ergebnis diejenigen Bestimmungen des deutschen Rechts, die als vollstreckungsrechtlich und diejenigen Bestimmungen des ausländischen Rechts, die als materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Wendet man die Zuordnungsformel auf die wichtigsten Pfändbarkeitsbestimmungen an, so erweisen sich §§ 850 Abs. 1 i.V. m. §§ 850 a–k, 851 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 857 Abs. 1, Abs. 3 ZPO als vollstreckungsrechtliche Normen, die nach der lex-fori-Regel uneingeschränkt auf ausländischem Sachrecht unterliegende Forderungen/Rechte zur Anwendung kommen. Demgegenüber erweisen sich §§ 852 Abs. 1 und Abs. 2, 859, 860 sowie §§ 112–119 UrhG als materiell-rechtliche Normen, die auf ausländischem Sachrecht unterstehende Forderungen/Rechte nicht zur Anwendung kommen. Schließlich erweist sich § 863 ZPO als „Doppelnorm“ sowohl des materiellen wie des Vollstreckungsrechts mit der Folge, dass sie auf ausländischem Recht unterliegende Nutzungen, die unter § 863 ZPO subsumiert werden können, anzuwenden ist und umgekehrt nach unserem Verständnis bei der Pfändung deutschem Sachrecht unterliegender Nutzungen i. S. d. § 863 ZPO durch ausländische Vollstreckungsorgane berücksichtigt werden müsste. 4. Fallgruppe (3) („titulierte Forderung unterliegt deutschem Sachrecht“) ist hinsichtlich solcher Pfändungsbeschränkungen/-erweiterungen, die an die Art der titulierten Forderung anknüpfen, ebenso zu behandeln wie Fallgruppe (1): Auf derartige Pfändungsvorschriften findet ausschließlich deutsches Recht Anwendung, ohne dass es dabei eine Rolle spielt, ob einer der am Pfändungsverfahren Beteiligten einen Auslandswohnsitz/sitz oder eine ausländische Staatsangehörigkeit innehat. 5. Bei Fallgruppe (4) („titulierte Forderung unterliegt ausländischem Sachrecht“) schließlich ist hinsichtlich pfändungsbeschränkender/-erweiternder Vorschriften im Grunde ebenso zu verfahren wie bei Fallgruppe (2), so dass die einschlägigen Vorschriften des deutschen bzw. ausländischen Rechts aus der Sicht des deutschen Rechts als vollstreckungs- bzw. materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Allerdings wird es sich in aller Regel bei solchen Vorschriften, die das Ob sowie Art und Maß der Zwangsvollstreckung im Hinblick auf bestimmte Vollstreckungsforderungen regeln, um vollstreckungsrechtliche Vorschriften handeln, so dass in Fallgruppe (4) regelmäßig gemäß der lex-fori-Regel deutsches Recht zur Anwendung kommt.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
E. Das Rechtsschutzbedürfnis (Vollstreckungsinteresse) bei der internationalen Rechts- und Forderungspfändung I. Bedeutung des Zulässigkeitsgesichtspunkts „Rechtsschutzbedürfnis“ (Vollstreckungsinteresse) für das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO Nach ganz h. M. kann der Zulässigkeitsgesichtspunkt „Vollstreckungsinteresse“ als Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses765 der Zulässigkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen766. Dies ergibt sich für die ganz h. M. daraus, dass sie – aufbauend auf den grundlegenden Untersuchungen Adolf Schönkes767 – das Rechtsschutzbedürfnis nicht nur als allgemeine Prozessvoraussetzung, sondern darüber hinaus auch als „allgemeine Rechtsschutzgewährungsvoraussetzung“ begreift, die für die Zulässigkeit aller Prozesshandlungen einschließlich der Anträge an die Vollstreckungsorgane gilt768. Für den Bereich der internationalen Rechtsund Forderungspfändung wird das Vollstreckungsinteresse in Sonderheit für zwei Fallkonstellationen problematisiert und von manchen Autoren verneint: zum einen für die Konstellation, dass die zur Herbeiführung der Wirksamkeit des Pfändungsbeschlusses nötige Zustellung desselben (angeblich) auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt769 (Beispiel: Botschaft eines ausländischen Staates als Drittschuldner)770 und zum anderen für die Konstellation, dass die Verwertung des gepfändeten Rechts (angeblich) nicht möglich ist, weil es sich um ein auslandsterritorial gebundenes Vermögensrecht handelt771 (Beispiel: neuseeländisches Patent oder Nießbrauch an einem französischen Grundstück)772. Nachfolgend soll nur die letztere Konstellation untersucht werden, weil die erstere Konstellation inhaltlich besser zu dem im Anschluss zu erörternden Zustellungsrecht passt und sich das Problem „Vollstreckungsinteresse und Zustellungsschwierigkeiten“ 765
Zur Terminologie vgl. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, § 6 VI, Rdnr.
6.67. 766 Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23, II 8; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 28 jeweils bezogen auf Vollstreckungsanträge allgemein. 767 Kurzfassung in AcP 150 (1949), 216 ff. 768 Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23, II 8. 769 Vgl. zu dieser Diskussion: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 98–100. 770 Vgl. dazu die Beschlüsse: AG Bonn, MDR 1961, 511 f., Beschl. v. 17.01.1961 – 23 M 3550/60; AG Bonn, MDR 1966, 597, Beschl. v. 11.02.1966 – 23 M 5547/65; LG Bonn, MDR 1966, 935, Beschl. v. 21.06.1966 – 4 T 64/66. 771 Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 165. 772 Beispiele nach Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, S. 165.
E. Rechtsschutzbedürfnis bei internationaler Rechtspfändung
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überdies, wie noch zu zeigen sein wird, mit dem Zustellungsrechtsreformgesetz weitgehend erledigt hat. II. Dogmatische Berechtigung des Zulässigkeitsgesichtspunkts „Rechtsschutzbedürfnis“ im Zivilverfahrensrecht Geht man der Frage, ob eine etwaige Unmöglichkeit der Verwertung des gepfändeten Rechts das Vollstreckungsinteresse entfallen lassen kann, auf den Grund, so muss man zunächst einmal klären, ob das fehlende Vollstreckungsinteresse wirklich, wie die ganz h. M. behauptet, ein Zulässigkeitsgesichtspunkt ist, der dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen kann. Diese Fragestellung mutet zugegebenermaßen auf den ersten Blick angesichts der Alltäglichkeit und Üblichkeit des Prüfungspunktes „Rechtsschutzbedürfnis“ seltsam an, erhellt sich aber dann, wenn man sich inhaltlich mit den vereinzelten Stimmen in der Literatur auseinandersetzt, die den Zulässigkeitsgesichtspunkt „Rechtsschutzbedürfnis“ für das gesamte Zivilverfahrensrecht und damit auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren kategorisch ablehnen773 oder zumindest stark einschränkend auslegen774. Eine nähere Beschäftigung mit diesen Auffassungen ergibt nämlich, dass sie sehr triftige Argumente gegen die Berechtigung des Gesichtspunktes „Rechtsschutzbedürfnis“ im Rahmen jedweder zivilverfahrensrechtlichen Zulässigkeitsprüfung anführen können, so dass man über sie als relevante Vorfrage im Rahmen des hier zu erörternden Problems nicht einfach mit dem Hinweis auf die ihnen entgegenstehende „ganz h. M.“ hinweggehen kann, selbst wenn dies mit sich bringt, dass damit auch über die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit hinaus zu einer zivilverfahrensrechtlichen Grundsatzfrage Stellung genommen werden muss. Die Gegner des Zulässigkeitsgesichtspunktes „Rechtsschutzbedürfnis“ führen für ihre Auffassung in erster Linie ins Feld, dass es für diesen Zulässigkeitsgesichtspunkt, der zusätzliche Anforderungen an den Erfolg eines Antrages stellt und damit den Rechtsschutz des Antragstellers in für diesen belastender Weise begrenzt775, an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage ermangele776, die es etwa in lateinischen Rechtssystemen, in denen ähnliche Institute befürwortet werden, gebe777. Die ZPO sehe das Rechtsschutzbe773 Dabei handelt es sich für das deutsche Recht insbesondere um Allori, ZZP 67 (1954), 321 ff. und Schumann, in: FS Fasching, 439 ff. sowie ders. in Stein/Jonas, ZPO, Vor § 253, Rdnrn. 100 ff. 774 Pohle, in: FS Lent, 195 ff.; Wiesner, ZZP 98 (1985), 427, 434. 775 Pohle, in: FS Lent, 195, 204. 776 Schumann, in: FS Fasching, 439, 440; Allorio, ZZP 67 (1954), 321, 323. 777 Allorio, ZZP 67 (1954), 321, 322 f.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
dürfnis als eigenständiges Zulässigkeitserfordernis eines Antrages demgegenüber lediglich in § 256 Abs. 1 ZPO für die Feststellungsklage, in § 66 Abs. 1 ZPO für die Nebenintervention und in § 485 Abs. 2 ZPO für die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens, bezüglich dessen Verfahrensgegenstandes noch kein Rechtsstreit anhängig ist, vor778, woraus man im Umkehrschluss folgern müsse, das Gesetz wolle dieses Zulässigkeitserfordernis auf die wenigen, spezialgesetzlichen Fälle beschränken, während es für die übrigen schlechthin davon ausgehe, dort bestehe per se ein Rechtsschutzinteresse779. Des weiteren sei der Begriff des Rechtsschutzinteresses trotz der vielfältigen Bemühungen um seine Konturierung in Rechtsprechung und Literatur viel zu unbestimmt, um vorhersehbare Entscheidungen zu garantieren, und führe daher auch rechtstatsächlich dazu, dass die Gerichte häufig dazu verleitet würden, komplizierten materiell-rechtlichen oder prozessualen Fragen unter Berufung auf ein (angeblich) fehlendes Rechtsschutzbedürfnis auszuweichen780. Dabei erweise sich das Rechtsschutzbedürfnis auf Grund seiner begrifflichen Weite als rechtsstaatlich bedenkliches Einfallstor für außerrechtliche Wertungen, das denn auch im sogen. „Dritten Reich“ mannigfach zur Begründung ideologisierter Entscheidungen missbraucht worden sei781. Schließlich führe das Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses, das den Zugang zu einer sachlichen Bescheidung eines Antrags beschränke, zu einem Eingriff in den Justizgewähranspruch (Art. 20 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG), der mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff nicht zu rechtfertigen sei782. Diese von der das Rechtsschutzbedürfnis befürwortenden ganz h. M. ignorierten Argumente sind durchaus plausibel, vermögen aber einer kritischen Prüfung nicht standzuhalten. So ist das Argument von der fehlenden Rechtsgrundlage jedenfalls aus heutiger Sicht deshalb erheblichen Bedenken ausgesetzt, weil das allgemeine Zulässigkeitserfordernis „Rechtsschutzbedürfnis“ nach dem Zweiten Weltkrieg in Rechtsprechung und Lehre kritiklos übernommen und seither ständig in der Überzeugung seiner Geltung angewendet worden ist783, so dass sich auf Grund dieser von der nahezu allgemeinen Rechtsüberzeugung getragenen ständigen Übung zwischenzeitlich ein entsprechender Satz des Gewohnheitsrechts herausgebildet hat784. Selbst wenn 778 Zu den wenigen weiteren Beispielen vgl. Schumann, in: FS Fasching, 439, 440 Fußn. 10. 779 Schumann, in: FS Fasching, 439, 440; Allorio, ZZP 67 (1954), 321, 323. 780 Schumann, in: FS Fasching, 439, 440–444; Allorio, ZZP 67 (1954), 321, 342 f. 781 Schumann, in: FS Fasching, 439, 445–449; Allorio, ZZP 67 (1954), 321, 343. 782 Schumann, in: FS Fasching, 439, 444 f. 783 Schumann, in: FS Fasching, 439, 448 f.
E. Rechtsschutzbedürfnis bei internationaler Rechtspfändung
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man dem nicht folgen wollte, also dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis die gewohnheitsrechtliche Geltung abspricht, schließt dies nicht aus, dass das Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls für bestimmte Fallgruppen in bestimmten Fallkonstellationen auch durch Analogiebildung zu bereits bestehenden Vorschriften begründet werden kann785. Als eine solche auf die Forderungsbzw. Rechtspfändung in der Fallgruppe „Nutzlosigkeit der Pfändung wegen Unmöglichkeit der Verwertung“ passende Rechtsgrundlage ist § 803 Abs. 2 ZPO anzusehen, da der Pfändungszugriff bei Unmöglichkeit der Verwertung ebenso sinnlos ist wie in dem in § 803 Abs. 2 ZPO unmittelbar geregelten Fall786. Allerdings kann der berechtigte Hinweis der Mindermeinung auf die Gesetzessystematik, wonach das Rechtsschutzinteresse nur für bestimmte Anträge positiv geregelt ist, in den übrigen Fällen durch das Argument der zwischenzeitlichen gewohnheitsrechtlichen Geltung des Rechtsschutzbedürfnisses nur teilweise entkräftet werden. Denn auch wenn man eine gewohnheitsrechtlich oder durch Analogie zu einer passenden Vorschrift begründete Geltung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses bejaht, muss doch der Tatsache, dass das Rechtsschutzbedürfnis für bestimmte Anträge positiv spezialgesetzlich geregelt ist, dadurch Rechnung getragen werden, dass zwischen diesen gesetzlich geregelten Fällen des Rechtsschutzinteresses und dem allgemeinen Rechtsschutzinteresse qualitative Unterschiede herausgearbeitet werden. Als ein solcher qualitativer Unterschied bietet sich die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast an. Sie könnte sich im Hinblick auf die Regelungsstruktur der ZPO, wonach es ein allgemeines, nicht ausdrücklich geregeltes Rechtsschutzbedürfnis und in bestimmten Fällen ein spezialgesetzlich angeordnetes, besonderes Rechtsschutzbedürfnis gibt, in den beiden Fällen dahingehend unterscheiden, dass den Antragsteller in den spezialgesetzlich normierten Fällen des Rechtsschutzbedürfnisses (wie z. B. § 256 Abs. 1 ZPO) die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen des Rechtsschutzinteresses trifft, während umgekehrt den Antragsgegner in den Fällen des allgemeinen, gewohnheitsrechtlich geltenden Rechtschutzinteresses die Darlegungs- und Beweislast für das ausnahmsweise Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses trifft787. 784 Vgl. beispielsweise: BGH, Urt. v. 28.03.1996, IX ZR 77/95, NJW 1996, 2035, wo der BGH ohne jede Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen bzw. Hinweise hierauf zum Merkmal „Rechtsschutzinteresse“ ausführt, hierbei handele es sich um ein „für jede Klage vorauszusetzendes allgemeines Erfordernis“. 785 Wieser, ZZP 98 (1985), 427, 434 hält dies offenbar für den einzig richtigen methodischen Ansatz, wenn er schreibt, die Berufung auf das Rechtsschutzbedürfnis ersetze nicht die Begründung aus dem Gesetz: „So wie das Feststellungsinteresse in § 256 Abs. 1 ZPO eine gesetzliche Grundlage hat, muss auch für andere Erscheinungsformen des Rechtsschutzinteresses eine gesetzliche Grundlage nachgewiesen werden“. 786 Im Ergebnis ebenso: Wieser, ZZP 67 (1985), 427, 435 f.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Für diese differenzierende Handhabung der Darlegungs- und Beweislast sprechen die Gesetzessystematik, der Sinn und Zweck des Instituts „Rechtsschutzbedürfnis“ sowie schließlich der Zusammenhang zwischen dem Zulässigkeitsgesichtspunkt „Rechtsschutzbedürfnis“ und den Grundrechten des Antragstellers, insbesondere dem Justizgewähranspruch. Das gesetzessystematische Argument wurde bereits angesprochen: Wenn das Gesetz das Rechtsschutzinteresse für bestimmte Anträge ausdrücklich zur Sachbescheidungsvoraussetzung erklärt und man dennoch darüber hinaus für alle anderen Anträge ein gewohnheitsrechtlich geltendes Rechtsschutzbedürfnis anerkennen will, müssen diese sich qualitativ voneinander unterscheiden: Denn mit der nur ausnahmsweise ausdrücklichen gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber implizit zum Ausdruck gebracht, dass er in den durch die positive Regelung herausgehobenen Fällen Rechtsschutz nur für den Fall gewähren will, dass ein Rechtsschutzinteresse positiv feststeht, während er in den übrigen Fällen regelmäßig unausgesprochen vom Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ausgeht. In den Fällen, in denen das Rechtsschutzinteresse nicht durch positive Regelung zur Antragsvoraussetzung erhoben worden ist, ist es daher sozusagen bereits stillschweigend in die gesetzliche Regelung über den Antrag eingearbeitet788 und wird vom Gesetzgeber als typischerweise gegeben unterstellt. Soll in diesen Fällen der Antrag dennoch am Zulässigkeitsgesichtspunkt „Rechtsschutzinteresse“ scheitern, so muss diese gesetzliche Vermutung ausgeräumt, mithin also nicht eine Antragsvoraussetzung positiv erfüllt, sondern vielmehr umgekehrt dem grundsätzlich zulässigen Antrag ein ausnahmsweise eingreifendes Zulässigkeitshindernis entgegengehalten werden. Für dieses nur ausnahmsweise eingreifende rechtshindernde Zulässigkeitshindernis muss aber nach den allgemeinen Regeln derjenige die Beweislast tragen, der dessen Anwendung zu seinen Gunsten begehrt. Das ist der Antragsgegner. Diese aus der Gesetzessystematik hergeleitete Begründung wird durch den Sinn und Zweck des Zulässigkeitsgesichtspunkts „Rechtsschutzinteresse“ unterstützt. Das Rechtsschutzbedürfnis soll als einschränkendes Korrektiv gegenüber den abstrakt-generellen Vorschriften der ZPO789 im Einzelfall solche Rechtsschutzbegehren verhindern, die ausnahmsweise nicht von den Prozesszwecken der ZPO, der Feststellung und Durchsetzung des 787
So mit Recht Pohle, in: FS Lent, 195, 209. Pohle, in: FS Lent, 195, 212; Allorio, ZZP 67 (1954), 321, 340, der daraus sogar schlussfolgert, dass der Richter, der trotz vom Gesetz unterstelltem Rechtsschutzbedürfnis einem Antrag, der die gesetzlich normierten Antragsvoraussetzungen erfüllt, unter Berufung auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis den Erfolg verweigert, in einer die Gewaltenteilung missachtenden Weise seine eigene Auffassung an die Stelle der Auffassung des Gesetzgebers stelle. 789 Diese Funktion des Rechtsschutzbedürfnisses wird am Klarsten herausgearbeitet von Pohle, in: FS Lent, 195, 210 f. 788
E. Rechtsschutzbedürfnis bei internationaler Rechtspfändung
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subjektiven Rechts und der Herstellung von Rechtsfrieden790, gedeckt sind791. Zusätzlich soll das Rechtsschutzbedürfnis – nach allerdings umstrittener Ansicht – auch dazu dienen, den Staat im öffentlichen Interesse vor einer ungerechtfertigten, ressourcenvergeudenden Inanspruchnahme seiner Justizorgane zu schützen, damit diese sich effektiver auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können792. Betrachtet man diesen hinter dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis stehenden Zweck, so liegt es nahe, dass man das allgemeine, „ungeschriebene“ Rechtsschutzbedürfnis nur als ein lediglich ausnahmsweise eingreifendes „Hindernis“, also als eine negative Verfahrensvoraussetzung, verstehen muss. Denn dann geht es bei diesem Zulässigkeitsgesichtspunkt lediglich darum, in ressourcenschonender Weise in jedem Einzelfall sicher zu stellen, dass die gesetzgeberische Grundannahme, dass gesetzlich zugelassene Anträge nur im Rahmen der Prozesszwecke gestellt werden, sich bestätigt und dass Anträge, die nicht im Einklang mit diesen Zwecken stehen, nicht in der Sache beschieden werden. Demgegenüber kann in den Fällen, in denen der Gesetzgeber das Rechtsschutzinteresse ausdrücklich zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhoben hat, davon ausgegangen werden, dass er nicht darauf vertraut und mithin nicht gleichsam stillschweigend unterstellt hat, dass diese regelmäßig im Einklang mit den Prozesszwecken stehen. Daher muss der Antragsteller das Rechtsschutzinteresse in diesen Fällen darlegen und beweisen. Schließlich wird das hier vertretene Ergebnis auch durch den Zusammenhang des Rechtsschutzbedürfnisses mit den Grundrechten, insbesondere mit dem Justizgewähranspruch793, gestützt. Dieser grundrechtlich verbürgte Anspruch, der sowohl effektiven Rechtsschutz als auch effektive Zwangsvollstreckung garantiert, gebietet es, wie bereits dargelegt, das Prozessrecht und die ihm zugehörigen Zulässigkeitsgesichtspunkte möglichst rechtsschutzfreundlich auszulegen794. Erkennt eine Rechtsordnung wie die unsere dem Bürger einen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu, so trägt ein an die Gerichte/Vollstreckungsorgane herangetragenes prozessuales Gesuch, das die gesetzlich normierten Antragsvoraussetzungen erfüllt, die Vermutung der Zulässigkeit in sich. Das bedeutet natür790 Zu den Prozesszwecken vgl. statt aller: G. Lüke, MüKo ZPO, Einleitung, Rdnr. 7 f. 791 Grundlegend insoweit Schönke, AcP 150 (1949), 216, 217 f. und 223 f., der allerdings noch von der zwischenzeitlich überholten Auffassung ausging, die objektive Bewährung des Rechts sei neben der Herstellung von Rechtsfrieden der maßgebliche Prozesszweck. 792 So etwa Schönke, AcP 150 (1949), 216, 218; exemplarisch für diese Auffassung: Wieser, ZZP 98 (1985), 427, 431 f.; kritisch dagegen Pohle, in: FS Lent, 195, 198 f. 793 Zu diesem Zusammenhang vgl. Schumann, in: FS Fasching, 438, 444. 794 Ähnlich: Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 18.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
lich nicht, dass die Darlegungs- und Beweislast für positive Antragsvoraussetzungen (wie z. B. das Rechtsschutzinteresse in § 256 Abs. 1 ZPO) mit Rücksicht auf den Justizgewähranspruch auf den Antragsgegner verlagert werden dürften, weil der Gesetzgeber sich mit der Formulierung dieser Voraussetzungen in verfassungskonformer Weise dafür entschieden hat, dem Antragssteller hierfür die Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen. Wohl aber bedeutet das, dass man, wenn man schon einen auf Gewohnheitsrecht basierenden allgemeinen Gesichtspunkt wie das „Rechtsschutzbedürfnis“ akzeptiert, der das Gericht/Vollstreckungsorgan trotz Erfüllung der gesetzlichen Antragsvoraussetzungen zur Zurückweisung eines Antrags berechtigt, diesen Gesichtspunkt wenigstens restriktiv und rechtsschutzfreundlich anwenden muss. Das ist aber nur gegeben, wenn man das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als negative Verfahrensvoraussetzung versteht, die dazu da ist, das in der Normierung der Verfahrensvoraussetzungen zum Ausdruck gekommene, gesetzlich unterstellte Rechtsschutzinteresse ausnahmsweise im Hinblick auf die Verfehlung des Verfahrenszwecks zu verneinen. Nach alledem ist das allgemeine Rechtsschutzinteresse aus gesetzessystematischen, teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründen als negative Verfahrensvoraussetzung zu verstehen, für die, anders als in den wenigen Fällen der ausdrücklichen Normierung des Rechtsschutzinteresses, den Antragsgegner die Darlegungs- und Beweislast trifft. Hiermit hat sich auch hinsichtlich des allgemeinen Rechtsschutzinteresses einmal mehr die in dieser Arbeit gewonnene Erkenntnis bestätigt, dass die mit dem Begriff „Verfahrens-/Prozessvoraussetzung“ von der ganz h. M. verbundene Verknüpfung von amtswegiger Prüfung795 und Darlegungs- und Beweislast verfehlt ist und dadurch aufgelöst werden muss, dass die Zulässigkeitsgesichtspunkte jeweils getrennt unter den Gesichtspunkten „Prüfung von Amts wegen“ und „Beweislastverteilung“ systematisiert werden müssen. Somit verbleibt als bisher noch nicht untersuchtes Argument der Gegner des Rechtsschutzinteresses der Hinweis auf die die Rechtssicherheit gefährdende Unbestimmtheit des Instituts, das ein gefährliches Einfallstor für außerjuristische, insbesondere politisch-ideologische, Wertungen darstelle. Auch dieser Einwand ist keineswegs von der Hand zu weisen, gibt es doch zahlreiche Beispiele dafür, dass Gerichte bzw. Literaturstimmen schwierigen Rechts- bzw. Sachfragen unter Berufung auf die weite Formel vom Rechtsschutzbedürfnis ausweichen796. Als besonders anschauliches Beispiel mag die These Schönkes dienen, eine Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn sie ohne jeden Beweis erhoben worden ist, wo795 Das Rechtsschutzbedürfnis ist nach der insoweit zutreffenden ganz h. M. von Amts wegen zu prüfen (vgl. Pohle, in: FS Lent, 195, 207). 796 Vgl. die Beispiele bei Pohle, in: FS Lent, 195, 195, 212 ff.
E. Rechtsschutzbedürfnis bei internationaler Rechtspfändung
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mit glatt verkannt wird, dass eine solche Klage geradezu einen Schulfall für die Konstellation darstellt, in der eine Klage nach fruchtloser Erteilung eines entsprechenden richterlichen Hinweises (§ 139 ZPO) wegen Beweisfälligkeit durch Sachurteil als unbegründet abzuweisen ist797. Dennoch begründet auch der Hinweis auf die Weite des Begriffs „Rechtsschutzbedürfnis“ kein durchschlagendes Argument gegen einen so bezeichneten Zulässigkeitsgesichtspunkt, weil er nicht anders als andere generalklauselartige Rechtsbegriffe der Auslegung und fallgruppenweisen Konkretisierung zugänglich ist, zumal eine derartige Konkretisierung bereits durch die langjährige Anwendung des Instituts in der Spruchpraxis der Gerichte geleistet worden ist. III. Fehlendes Vollstreckungsinteresse bei zweifelhaften Verwertungsaussichten bezüglich der gepfändeten Forderung/des gepfändeten Rechts? Überträgt man die vorstehenden Überlegungen auf das Verfahren nach §§ 828 ff. ZPO, so folgt aus ihnen zunächst einmal, dass ein fehlendes „Vollstreckungsinteresse“ grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Pfändungsgesuchs führen kann. Praktische Relevanz könnte dies, wie bereits erörtert, dann haben, wenn die Verwertbarkeit des gepfändeten Rechts (wie z. B. bei territorial gebundenen Rechten) zweifelhaft ist. In diesen Fällen könnte sich das Fehlen des Vollstreckungsinteresses und damit die Unzulässigkeit des Pfändungsgesuchs nämlich daraus ergeben, dass das Rechtsschutzinteresse anerkanntermaßen dann fehlt, wenn „ein Antrag objektiv sinnlos ist, wenn also der Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen rechtlichen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann“798. Das dürfte indes für das Vollstreckungsgericht in den seltensten Fällen aus dem Pfändungsgesuch selbst hervorgehen, weil das Vollstreckungsgericht regelmäßig keine eigene Kenntnis davon haben wird, ob nach der Rechtsordnung eines anderen Staates eine realistische, faktische Chance auf Verwertung des gepfändeten Rechts besteht bzw. nicht besteht. Überdies könnte sich unabhängig davon ein Rechtsvorteil für den Vollstreckungsgläubiger daraus ergeben, dass er das Recht im Inland auf Grund des Pfändungsaktes (z. B. in einem Schadensersatzprozess wegen Verletzung dieses Rechts) geltend machen kann oder etwaige Drittschuldner den Pfändungsakt respektieren und den Vollstreckungsgläubiger „freiwillig“, also unabhängig davon, ob die Pfändung in ihrem Staat anerkannt wird, befriedigen. Geht aber nach den vorstehenden Ausführungen bei zweifelhafter Verwer797 798
Schumann, in: FS Fasching, 438, 441. BGH, Urt. v. 28.03.1996, IX ZR 77/95, NJW 1996, 2035, 2037.
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1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
tungsaussicht die Sinnlosigkeit des Pfändungsgesuchs für das Vollstreckungsgericht regelmäßig nicht bereits aus dem Pfändungsgesuch selbst hervor, so hat das Gericht den Vollstreckungsschuldner wegen § 834 ZPO hierzu nicht vor Erlass des Pfändungsbeschlusses anzuhören. Es hat auch diesbezüglich keine amtswegigen Ermittlungen in die Wege zu leiten. Denn die für das Rechtsschutzinteresse bestehende Pflicht des Gerichts zur Prüfung von Amts wegen bedeutet keine Amtsermittlungspflicht799. Vielmehr bleibt es beim Beibringungsgrundsatz, so dass das Vollstreckungsgericht wegen der soeben erörterten Beweislastverteilung vom Bestehen eines Rechtsschutzinteresses für das Pfändungsgesuch ausgehen muss. Das Vollstreckungsgericht muss sich aber unter Umständen auch bei Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses800 näher mit der Sinnhaftigkeit des Pfändungsgesuchs auseinandersetzen, wenn der Vollstreckungsgläubiger mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht nur wegen der titulierten Hauptsacheforderung, sondern zugleich auch wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung, also des Pfändungsverfahrens gemäß §§ 828 ff. ZPO, vollstreckt. Das Vollstreckungsgericht darf nämlich die Pfändung nur dann auch auf die Zwangsvollstreckungskosten erstrecken, wenn die vom Gläubiger darzulegenden und analog § 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machenden (§ 294 ZPO)801 Voraussetzungen des § 788 Abs. 1 ZPO erfüllt sind, wonach die Zwangsvollstreckungskosten dem Vollstreckungsschuldner zur Last fallen, wenn sie „notwendig“ waren. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu dem Zeitpunkt, in dem er die kostenverursachende Vollstreckungsmaßnahme, also das Pfändungsgesuch, in die Wege geleitet hat, objektiv für erfolgversprechend halten durfte, um seinen titulierten Anspruch zwangsweise durchzusetzen802. Maßstab der ex ante zu ermittelnden „Notwendigkeit“ ist der Grundsatz Prozesswirtschaftlichkeit803. Unter Zugrundelegung dieses Maß799
Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 9. Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 788 Rdnr. 31, Fußn. 281 weist mir Recht darauf hin, dass „Notwendigkeit“ i. S. des § 788 Abs. 1 ZPO und Vollstreckungsinteresse nicht deckungsgleich sein müssen, was sich schon daraus ergibt, dass § 788 Abs. 1 ZPO implizit voraussetzt, dass es nicht notwendige Vollstreckungsmaßnahmen gibt, die dennoch durchgeführt werden. In der vorliegend diskutierten Konstellation der Nutzlosigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ergibt sich indes das möglicherweise Auseinanderfallen von „Notwendigkeit“ und „Vollstreckungsinteresse“ nicht aus einer inhaltlichen Verschiedenheit der Begriffe, sondern aus einer unterschiedlichen Beweislastverteilung. 801 Lackmann, in: Musielak, § 788 Rdnr. 20; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, § 788 Rdnr. 34. 802 Greger in: Zöller, § 788 ZPO, Rdnr. 9a; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, § 788 Rdnr. 22. 803 Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, § 788 Rdnr. 23, 24. 800
E. Rechtsschutzbedürfnis bei internationaler Rechtspfändung
271
stabs ist ein Pfändungsgesuch nicht „notwendig“, wenn es für den Vollstreckungsgläubiger im konkreten Fall und zur gegebenen Zeit erkennbar überflüssig bzw. erkennbar aussichtslos war804, wobei ihn allerdings keine Pflicht zu vorherigen Nachforschungen trifft. Legt man dies zu Grunde, so ist die Überflüssigkeit der Pfändung auslandsterritorial gebundener Rechte für den nicht nachforschungspflichtigen Gläubiger regelmäßig ebenso wenig erkennbar wie für das Vollstreckungsgericht. Man wird daher von ihm zur Glaubhaftmachung der „Notwendigkeit“ des Pfändungsgesuchs allenfalls – in Beschränkung seiner grundsätzlichen Wahlfreiheit hinsichtlich der gewählten Vollstreckungsobjekte – verlangen können, an Eides statt zu versichern, dass er keine Kenntnis von ausreichenden pfändbaren „inlandsbelegenen“ Vollstreckungsobjekten des Vollstreckungsschuldners hat. Deswegen werden in diesen Fällen auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers regelmäßig auch die Zwangsvollstreckungskosten in den Pfändungsbeschluss aufgenommen werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob Vollstreckungs- und/oder Drittschuldner (z. B. bei der Pfändung territorial gebundener Rechte) den Pfändungsund Überweisungsbeschluss nach dessen Erlass über den Rechtsbehelf des § 766 ZPO mit der Begründung anfechten können, dem Vollstreckungsgläubiger fehle das Vollstreckungsinteresse, weil er keine realistische Chance auf Verwertung des gepfändeten Rechts habe. Dafür spricht, dass der den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss angreifende Vollstreckungsund/oder Drittschuldner in diesem Verfahren die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für den Vollstreckungsgläubiger vollkommen sinnlos war und er aus ihm keinerlei schützenswerten Vorteil ableiten kann. Wenn ihm dieser Nachweis gelingt, so könnte man weiter argumentieren, steht zugleich auch fest, dass die Bearbeitung des Pfändungsgesuchs staatliche Ressourcen vergeudet hat, was wiederum zu der Schlussfolgerung führt, dass der Vollstreckungsgläubiger kein Interesse am Erlass des Pfändungsbeschlusses hatte. Diese, auf den ersten Blick schlüssig erscheinende Argumentation, ist indes widersprüchlich. Sie würde nämlich dazu führen, dass ein Gerichtsverfahren alleine zu dem Zweck durchgeführt werden müsste, um aufwendig (z. B. durch Einholung von Rechtsgutachten über eine fremde Rechtsordnung etc.) zu klären, ob ein vorgehendes Gerichtsverfahren sinnlos und deshalb ressourcenvergeudend war. Salopp gesagt würde man also erneut Ressourcen vergeuden, um den Nachweis einer vorhergehenden Ressourcenvergeudung zu führen. Dafür aber fehlt dem Vollstreckungs- bzw. Drittschuldner das Rechtsschutzbedürfnis, es sei denn dass er über die ihn selbst nicht berührende Ressourcenvergeudung hinaus durch den sinnlosen Pfändungsbeschluss belastet 804
Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, § 788 Rdnr. 26.
272
1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
wird. Eine solche Belastung ergibt sich aber für den Vollstreckungsschuldner aus § 788 Abs. 1 ZPO, der wie bereits dargelegt, auch bei auslandsterritorial gebundenen Rechten regelmäßig dazu führt, dass der Vollstreckungsschuldner die Zwangsvollstreckungskosten zu tragen hat, weil die „Notwendigkeit“ der Vollstreckungsmaßnahme ex ante zu bestimmen ist und den Vollstreckungsschuldner keine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Aussichten des Pfändungsgesuchs trifft. Kann der Schuldner aber die aus dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis folgende Unzulässigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Verfahren gemäß § 766 nachweisen und die Aufhebung des Pfändungsbeschlusses herbeiführen, dann ergibt sich daraus auch, dass die „Notwendigkeit“ i. S. des § 788 Abs. 1 ZPO zu verneinen ist805. Daher würde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch insoweit aufgehoben, als in ihn bereits auf Antrag des Gläubigers die Kosten des Pfändungsverfahrens aufgenommen worden sind. Sollte das nicht erfolgt sein, so kann der Gläubiger, nachdem die Pfändung gemäß § 766 ZPO für unzulässig erklärt worden ist, auch nicht mehr erreichen, dass die Kosten des Pfändungsverfahrens nachträglich per Beschluss gemäß § 788 Abs. 2 ZPO zu Lasten des Vollstreckungsschuldners festgesetzt werden. Diese kostenrechtlichen Folgen begründen ein Rechtsschutzbedürfnis des Vollstreckungsschuldners für die auf das Fehlen des Vollstreckungsinteresses gestützte Durchführung des Erinnerungsverfahrens. IV. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den vorstehenden Überlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis (Vollstreckungsinteresse) bei internationalen Rechts- und Forderungspfändungen für die Praxis 1. Entgegen einer Mindermeinung in der Literatur ist das „allgemeine Rechtsschutzbedürfnis“ als Rechtsschutzgewährungsvoraussetzung für alle Prozesshandlungen, einschließlich der Anträge an die Vollstreckungsorgane („Vollstreckungsinteresse“), anzuerkennen, weil es gewohnheitsrechtliche Geltung erlangt hat. 2. Allerdings ergibt eine kritische Auseinandersetzung mit jener kaum beachteten Mindermeinung, dass das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis aus gesetzessystematischen, teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründen im Gegensatz zu dem spezialgesetzlich geregelten besonderen Rechtsschutzbedürfnis als negative Verfahrensvoraussetzung zu verstehen, für deren Eingreifen den Antragsgegner die Darlegungs- und Beweislast trifft. 3. Bei der internationalen Rechts- und Forderungspfändung spielt der Zulässigkeitsgesichtspunkt „Vollstreckungsinteresse“ vor allem in den Fallkon805
Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, § 788 Rdnr. 26.
E. Rechtsschutzbedürfnis bei internationaler Rechtspfändung
273
stellationen „unüberwindbare Zustellungshindernisse“ und „Aussichtslosigkeit der Verwertung gepfändeter auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte“ eine praktisch wichtige Rolle. Da erstere Fallgruppe im zweiten Teil der Arbeit betrachtet wird, geht es vorliegend nur um die Fallgruppe „Pfändung auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte“. 4. Übertragt man die Ergebnisse aus 1. und 2. auf die Konstellation der Pfändung auslandsterritorial gebundener Vermögensrechte ergibt sich, dass das Vollstreckungsgericht in dieser Fallgruppe den Erlass des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses regelmäßig nicht mit der Begründung ablehnen darf, es fehle das Vollstreckungsinteresse, weil keine reale Verwertungschance für das gepfändete Recht bestehe und die Vollstreckungsmaßnahme damit sinnlos sei und dem Vollstreckungsgläubiger keinerlei Vorteil bringe. Dies folgt daraus, dass eine derartige Aussichtslosigkeit der Verwertung sich regelmäßig nicht bereits aus dem Pfändungsgesuch ergeben wird und das Vollstreckungsgericht nicht zur Amtsermittlung berechtigt ist und mithin auf Grund der den nicht angehörten Antragsgegner (§ 834 ZPO) treffenden Darlegungs- und Beweislast vom Bestehen des Rechtsschutzinteresses ausgehen muss. 5. Beantragt der Vollstreckungsgläubiger zugleich gemäß § 788 Abs. 1 ZPO die Kosten des Pfändungsverfahrens in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit aufzunehmen, so muss der Antragssteller die „Notwendigkeit“ des Pfändungsgesuchs für seine Befriedigung glaubhaft machen (§ 104 Abs. 2 ZPO analog, 294 ZPO). Die „Notwendigkeit“, die sich danach bestimmt, ob der Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckungsmaßnahme bei prozesswirtschaftlicher Betrachtung ex ante objektiv für erforderlich halten durfte, ist regelmäßig zu bejahen, weil den Vollstreckungsgläubiger, der meist keine Erkenntnisse über die faktischen Verwertungschancen haben wird, keine Ermittlungspflicht trifft. Man wird allerdings von ihm verlangen können, dass er an Eides Statt versichert, dass ihm keine aussichtsreichen „inlandsbelegenen“ Vollstreckungsobjekte des Vollstreckungsschuldners bekannt sind. 6. Gleiches gilt, wenn der Vollstreckungsgläubiger nach Erlass des Pfändungsbeschlusses die Festsetzung der Zwangsvollstreckungskosten zu Lasten des Vollstreckungsschuldners begehrt (§ 788 Abs. 2 ZPO) und zwar selbst dann, wenn sich der Pfändungsakt nachträglich als sinnlos herausstellt, weil dies die gebotene ex ante Wertung nicht beeinträchtigt. 7. Da demnach der Vollstreckungsschuldner regelmäßig die Kosten der Pfändungsmaßnahme zu tragen hat, hat er ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Erinnerung (§ 766 ZPO), die sich darauf stützt, der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei unzulässig gewesen, weil der Beschluss sich als in jeder Hinsicht objektiv sinnlos herausgestellt habe. Da-
274
1. Teil: Zulässigkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
mit kann er nämlich eine Belastung mit den Vollstreckungskosten gemäß § 788 Abs. 1 ZPO abwehren. Allerdings trifft ihn für die objektive Sinnlosigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Darlegungs- und Beweislast. 8. Aus alledem folgt, dass der Vollstreckungsgläubiger, der ein auslandsterritorial gebundenes Vermögensrecht pfänden lassen will, damit rechnen muss, möglicherweise mit den Vollstreckungskosten belastet zu werden, wenn davon auszugehen ist, dass der Vollstreckungsschuldner zur Abwendung der Kostenlast möglicherweise bereit sein wird, die „Mühen“ des Erinnerungsverfahrens auf sich zu nehmen.
2. Teil
Zustellung der Pfändungsurkunden bei Pfändungen von Forderungen und Rechten mit Auslandsbezug A. Problemaufriss I. Bedeutung der Zustellung für den „Erfolg“ der Pfändung gemäß §§ 829 ff. ZPO Der „Erfolg“ der Forderungs- bzw. Rechtspfändung hängt regelmäßig davon ab, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam zugestellt werden kann. Dies ergibt sich daraus, dass § 829 Abs. 3 ZPO die Wirksamkeit des Pfändungsbeschlusses und § 835 Abs. 3 Satz 1 die Wirksamkeit des Überweisungsbeschlusses mit seiner wirksamen Zustellung an den Drittschuldner verknüpfen. Die gemäß § 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO angeordnete Zustellung des Beschlusses nebst einer Abschrift der Zustellungsurkunde (über die Drittschuldnerzustellung) an den Vollstreckungsschuldner ist dagegen kein Wirksamkeitserfordernis, sondern bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unberührt lässt806. Ausnahmen hiervon macht das Gesetz in § 830 Abs. 1 ZPO für die Pfändung hypothekarisch gesicherter Forderungen und in § 857 Abs. 2 ZPO für die Pfändung drittschuldnerloser Rechte (z. B. Immaterialgüterrechte). Bei hypothekarisch gesicherten Forderungen tritt im Falle der Briefhypothek die Briefübergabe bzw. -wegnahme und im Falle der Buchhypothek die Grundbucheintragung der Pfändung an die Stelle des allgemeinen Wirksamkeitserfordernisses der Drittschuldnerzustellung. Bei drittschuldnerlosen Rechten dagegen tritt die Wirksamkeit der Pfändung mit der Zustellung des Verfügungsverbotes an den Vollstreckungsschuldner ein (§ 857 Abs. 2 ZPO). Aus alledem ergibt sich, dass die wirksame Zustellung an den Drittschuldner bei allen Forderungen außer hypothekarisch gesicherten Forderungen und an den Vollstreckungsschuldner bei drittschuldnerlosen Rechten der Dreh- und Angelpunkt für das wirksame Zustandekommen des Pfändungsaktes ist.
806
BGH, NJW 2000, 730, Urt. v. 18.11.1999 – IX ZR 420/97.
276
2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
II. Rückblick: Zustellungsprobleme bis Ende der 90er Jahre Diese zentrale Rolle der Zustellung für die Wirksamkeit des Pfändungsaktes ist auch der Grund dafür, warum die Zustellung zur „Achillesferse“ der internationalen Rechts- und/oder Forderungspfändung werden konnte. Bis Ende der 90er Jahre entsprach es nämlich allgemeiner Einschätzung, dass die für die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entscheidende Zustellung an den auslandsdomizilierten Drittschuldner regelmäßig aussichtslos sei807. Dies wiederum führte dazu, dass die Pfändung von Forderungen und Rechten mit Auslandsbezug bei ausländischem Sitz/ Wohnsitz des Drittschuldners nur sehr geringe praktische Bedeutung hatte808. Eine solche Pfändung konnte im Ergebnis nur wirksam werden, wenn der Drittschuldner sich im Inland aufhielt (§ 180 ZPO a. F.; § 177 ZPO n. F.), wenn sein Unternehmen im Inland zumindest eine unselbständige Zweigniederlassung unterhielt und die Forderung Bezug zu dieser Niederlassung hatte oder wenn er einen personell besetzten Geschäftsraum im Inland (§ 183 Abs. 1 ZPO a. F. ; § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n. F.) unterhielt, so dass eine Inlands(ersatz)zustellung an ihn möglich war809. Diese schlechten Erfolgsaussichten für die Zustellung eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses an den im Ausland befindlichen Drittschuldner resultierten im Wesentlichen daraus, dass die Auslandszustellung an den Drittschuldner mangels einer § 829 Abs. 2 Satz 4 ZPO entsprechenden Regelung nicht als Inlandszustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175 ZPO n. F.; § 184 Abs. 1 ZPO n. F.) bewerkstelligt werden konnte, sondern als Auslandszustellung auf dem sogenannten Rechtshilfeweg (§ 199 ZPO a. F.) erfolgen musste810. Da der Rechtshilfeweg zugleich bedeutet, dass der Zustellungsvorgang die „Pflege der auswärtigen Angelegenheiten“ i. S. des Art. 32 Abs. 1 GG berührt811, beansprucht die Exekutive, nämlich die im Auftrag des Bundes handelnde Justizverwaltung der Länder, das Recht, die Weiterleitung eines Zustellungsersuchens zu verweigern, wenn der ersuchte Staat dem Ersuchen aller Voraussicht nach nicht Folge leisten will, das Ersuchen gegen internationale Gepflogenheiten verstößt oder die Bundesregierung außenpolitische Bedenken erhebt812. Dieses von der Exekutive rekla807 Schmidt, MDR 1956, 204, 205; Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 64; Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; Mühlhausen, WM 1986, 957, 959; Gottwald, IPrax 1991, 285, 289; Hök, JurBüro 2001, 179, 181; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 559–561. 808 Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; Gottwald, IPrax 1991, 285, 289. 809 Gottwald, IPrax 1991, 285, 289; Hök, JurBüro 2001, 179, 182; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3251. 810 Vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 16 f. 811 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 64 f.; krit. Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, 95, 100 f.
A. Problemaufriss
277
mierte „Recht“ steht in einem Spannungsverhältnis zu Art. 97 GG. Die überwiegende Auffassung in der Praxis löst dieses Spannungsverhältnis dahingehend auf, dass der Richter – geschützt durch Art. 97 GG – zwar eine Auslandszustellung anordnen dürfe, die Ausführung der Zustellung, also die Übermittlung des Zustellungsersuchens, aber wegen Art. 32 Abs. 1 GG in der exklusiven Kompetenz der Exekutive liege813. Von der aus dieser Kompetenz der Exekutive folgenden Befugnis, das Zustellungsersuchen zu prüfen und seine Weiterleitung zu verweigern, machten die Landesjustizverwaltungen bei Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an im Ausland befindliche Drittschuldner bis 1998 Gebrauch. Die Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen im Ausland mussten wegen § 28 Abs. 2 der Rechtshilfeordnung in Zivilsachen (ZRHO)814 von den mit der verwaltungsmäßigen Prüfung der Ersuchen befassten Prüfungsstellen (§ 9 Abs. 2 ZRHO: idR die jeweiligen Gerichtspräsidenten) den Landesjustizverwaltungen vorgelegt werden. In dieser Verwaltungsvorschrift wurden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an im Ausland befindliche Drittschuldner ausdrücklich als Beispiel für Zustellungsersuchen angeführt, die von dem ersuchten Staat möglicherweise als Eingriff in seine Hoheitsgewalt verstanden werden könnten815. Die Justizverwaltungen verweigerten bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen grundsätzlich die Weiterleitung der Zustellungsersuchen an den Drittschuldner, auch wenn der zu ersuchende Staat (wie beispielsweise Frankreich816 oder Österreich817) das Zustellungsersuchen erklärtermaßen nicht als Eingriff in seine Hoheitsgewalt wertete818. Dies wurde damit begründet, dass die deutsche Justizverwaltung Ersuchen ausländischer Staaten um Zustellung von Pfändungsbeschlüssen an im Inland wohnende Drittschuldner gestützt darauf ablehne, dass es sich bei diesen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen um einen Akt ausländischer Staatsgewalt handele, der in völkerrechtswidriger Weise in die Sphäre der deutschen Gerichtshoheit überzugreifen suche. Lehne man aber aus solchen grundsätzlichen Erwä812
R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2127. Pennig, Die internationale Zustellung, S. 47–50; R. Geimer, NJW 1989, 2204, 2205; ders., NJW 1991, 1431. 814 Abgedruckt bei Bülow/Böckstiegel-Geimer-Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Band IV, 900.1. 815 Vgl. Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 99–101; I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 110; Gottwald, IPRax 1999, 395; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 560. 816 I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 111; Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 63 Fußn. 1. 817 Gottwald, IPRax 1999, 395, 396. 818 I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 110 f.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 560 f. 813
278
2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
gungen die Zustellung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in Deutschland ab, müsse man konsequenterweise seinerseits keine derartige Ersuchen an fremde Staaten richten819. Selbst wenn die Landesjustizverwaltungen nicht so gehandelt hätten, wäre indes bei einigen Staaten (wie z. B. Schweiz oder Liechtenstein) das Zustellungsersuchen nicht umgesetzt worden, weil diese die Durchführung von Ersuchen um Zustellung von ausländischen Pfändungsbeschlüssen an im Inland befindliche Drittschuldner ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland als Verletzung ihrer Justizhoheit werteten und daher ablehnten820. Da die Durchführung der Auslandszustellung der Drittschuldneranzeige auf dem Rechtshilfewege regelmäßig aussichtslos war, wurden zahlreiche „Umgehungsversuche“ diskutiert, die aber allesamt nicht praktikabel waren. Eine Inlandszustellung an den im Ausland befindlichen Drittschuldner durch Aufgabe zur Post analog § 829 Abs. 2 Satz 4 ZPO kam nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber die Regelung des § 829 Abs. 2 Satz 4 ZPO bewusst und nicht etwa auf Grund eines Redaktionsversehens auf die Zustellung an den Vollstreckungsschuldner beschränkt hat821. Außerdem hätte es auch an der für die Analogiebildung wesentlichen Vergleichbarkeit der beiden Fallkonstellationen gefehlt, weil die Zustellung der Drittschuldneranzeige, die die Wirksamkeit des Pfändungsaktes herbeiführt, eine ganz andere Qualität als die Zustellung der Pfändungsurkunden an den Vollstreckungsschuldner hat, die alleine Informationszwecken dient, für die Wirksamkeit der Pfändung aber unerheblich ist. Auch eine öffentliche Zustellung der Drittschuldneranzeige gemäß § 203 ZPO a. F. wurde mit Recht ab819 Vgl. Schmidt, MDR 1956, 204, 205; Mühlhausen, WM 1986, 957, 959; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 110 f., die bei der Erstellung ihrer 1989 abgeschlossenen Dissertation diese Praxis durch eine Befragung der zuständigen Landesjustizministerien bestätigt fand; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 560; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 74 f. 820 Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 63 f.; Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; Mühlhausen, WM 1986, 957, 959, der allerdings, wie das Beispiel Frankreich zeigt, zu weit geht, wenn er sagt, dass fremde Staaten grundsätzlich die Ausführung der Zustellungsersuchen verweigerten; Gottwald, IPrax 1991, 285, 289; ders., IPRax 1999, 395, 396, der sogar darauf hinweist, dass nach seiner Einschätzung „positive Berichte über die Erledigung ausgehender Ersuchen überwiegen“ und dass nur in „Ausnahmefällen“ die Erledigung von Zustellungsersuchen verweigert werde. 821 Schack, Rpfleger 1980, 175, 176 und Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 57 f., die als zusätzliches Argument noch darauf abstellen, dass die Zustellung der Drittschuldneranzeige anders als die Zustellung der Pfändungsurkunden an den Vollstreckungsschuldner dazu dient, dem Drittschuldner tatsächliche Kenntnis von dem Pfändungsakt zu verschaffen, um ihn vor den Folgen der Zahlung an eine andere Person als den Vollstreckungsgläubiger zu schützen, was die Zustellung durch Aufgabe zur Post nicht gewährleisten könne; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 140; Gottwald, IPrax 1991, 285, 289.
A. Problemaufriss
279
gelehnt. Eine direkte Anwendung der Vorschrift scheiterte bereits daran, dass der Drittschuldner nicht „Partei“ des Pfändungsverfahrens ist822. Aber auch eine analoge Anwendung des § 203 ZPO a. F. kam nicht in Betracht, weil § 203 ZPO a. F. als eng auszulegende, abschließende und nicht analogiefähige Vorschrift mit ultima ratio-Funktion konzipiert war823. Daher kam eine öffentliche Zustellung gemäß § 203 ZPO nur in Betracht, wenn es um die Pfändung eines drittschuldnerlosen Rechts ging, weil die dann gemäß § 857 Abs. 2 ZPO für die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erforderliche Zustellung an den Vollstreckungsschuldner Zustellung an eine „Partei“ war824. Ferner schied nach ganz h. M. auch die Bestellung eines Abwesenheitspflegers (§ 1911 BGB) zum Zwecke der (Inlands-) Zustellung der Drittschuldneranzeige aus, weil die Vermögensverhältnisse des abwesenden Drittschuldners keiner Fürsorge bedurften und durch die Bestellung des Pflegers auch nicht gefördert worden wären825. Schließlich wurde, vor allem von Schack, vorgeschlagen, Drittschuldneranzeigen an im Ausland befindliche Drittschuldner unmittelbar auf dem Postweg zuzustellen. Der mit diesem Übermittlungsweg verbundene Zustellungsmangel könne sodann gemäß § 187 ZPO a. F. (§ 189 ZPO n. F.) mit dem tatsächlichen Zugang beim Drittschuldner geheilt werden826. Dieser rechtspolitisch sympathische Vorschlag war allerdings schon deshalb praktisch aussichtslos, weil der BGH bei dem Zustellungsadressaten formlos übermittelten Schriftstücken die Anwendbarkeit des § 187 ZPO a. F. (§ 189 ZPO n. F.) auf gemäß § 199 ZPO a. F. durchzuführende Auslandszustellungen ablehnte827. Jedenfalls für die von Schack vorgeschlagene Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen durch die Post war diese Position auch in der Sache gerechtfertigt. Sofern der Vorschlag nämlich so zu verste822
Schmidt, MDR 1956, 204, 206; Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 58 f.; Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; Mühlhausen, WM 1986, 957, 959; I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 140; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 560; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2105b und 2142; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 16. 823 Vgl. nur Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, 23. Auflage, § 203 ZPO, Rdnr. 2. 824 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 17. 825 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2143; im Ergebnis ebenso: G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 16. 826 Schack, Rpfleger 1980, 175, 176. 827 BGHZ 58, 177, 179–181, Urt. v. 24.02.1972 – II ZR 7/71. Diese Rechtsprechung hat der BGH später für Zustellungen im Anwendungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens aufrecht erhalten (BGH, NJW 1993, 598, 599, Beschl. v. 02.12.1992 – XII ZB 64/91). Zur Begründung hat er auf die Exklusivität des Übereinkommens gegenüber dem nationalen Verfahrensrecht abgestellt, die auch für Zustellungsmängel gelte und bewirke, dass eine Heilung von Zustellungsmängeln grundsätzlich nicht in Betracht komme, weil das Abkommen eine solche Heilung durch tatsächlichen Zugang nicht vorsehe.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
hen war, dass der Vollstreckungsgläubiger selbst den Beschluss durch Briefsendung per Post ins Ausland übermitteln sollte (sogen. „Privatzustellung“ des Vollstreckungsgläubigers828), fehlte es bereits an dem für das Eingreifen des § 187 ZPO a. F. (§ 189 ZPO n. F.) erforderlichen, einem staatlichen Zustellungsorgan zurechenbaren, fehlerhaften Zustellungsakt829. Sollte der Vorschlag dagegen so zu verstehen gewesen sein, dass der Vollstreckungsgläubiger versuchen sollte, den zuständigen deutschen Gerichtsvollzieher (§§ 829 Abs. 2 Satz 1, 166 ZPO) zu einer direkten Postzustellung ins Ausland zu bewegen, so war das praktisch wenig aussichtsreich. Es war nämlich nur schwer vorstellbar, dass sich der Gerichtsvollzieher auf einen solchen Antrag eingelassen hätte, weil dieser ihm einen bewussten Rechtsverstoß abverlangte830, der für ihn disziplinarrechtliche Konsequenzen mit sich bringen konnte. Ungeachtet dessen ist es nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren, wenn man eine Heilungsvorschrift zu Lasten einer Partei auf solche Verfahrensmängel anwendet, die durch einen vorsätzlichen Rechtverstoß eines Justizorgans herbeigeführt worden sind. Sollte man demnach § 187 ZPO a. F. (§ 189 ZPO n. F.) seinem Wortlaut gemäß und entgegen der Auffassung des BGH auf die in Rede stehende Konstellation für anwendbar halten, so wäre dieses Ergebnis jedenfalls bei den von Schack befürworteten bewusst fehlerhaften Postzustellungen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 187 ZPO a. F. (§ 189 ZPO n. F.) zu korrigieren gewesen. Nach alledem war bis 1998 die Zustellung der Drittschuldneranzeige an einen im Ausland befindlichen Drittschuldner praktisch nahezu undurchführbar, weil die Zustellung im Wege der Rechtshilfe (§ 199 ZPO a. F.) am Widerstand der Justizverwaltungen scheiterte und rechtlich zulässige und praktisch umsetzbare „Umgehungsmöglichkeiten“ nicht existierten. III. Neue Entwicklungen im Zustellungsrecht Im Frühjahr 1998 verständigten sich das Bundesjustizministerium und die Justizministerien der Länder darauf, dass sie sich nunmehr der Meinung anschließen wollten, wonach die internationale Forderungspfändung keine völ828
Vgl. dazu: E. Schneider, DGVZ 1983, 33 ff. Grundlegend: E. Schneider, DGVZ 1983, 33, 34 f. 830 Da § 199 ZPO a. F. ebenso wie § 183 ZPO n. F. eine abschließende Regelung der Auslandszustellung enthielt, musste man der Norm zugleich ein Verbot anderer, in der Vorschrift nicht enthaltener Zustellungsformen entnehmen. Die von Schack empfohlene bewusste Ignorierung des § 199 ZPO verlangte daher dem verantwortlichen Amtsträger einen vorsätzlichen Gesetzesverstoß ab. So auch I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 141, die allerdings etwaige persönliche Konsequenzen für den Gerichtsvollzieher nicht anspricht. 829
A. Problemaufriss
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kerrechtswidrige Zwangswirkung entfaltet. Im Zuge dessen wurden auch die im Bund und in den Ländern vereinheitlichten Verwaltungsvorschriften (§§ 28 Abs. 2, 59 ZRHO), in denen ein- und ausgehende Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen als Beispiele für Maßnahmen angeführt wurden, die als Übergriff in fremde Justizhoheit gewertet werden können, entsprechend geändert und die Gerichte und die Prüfungsstellen i. S. des § 9 ZRHO angewiesen, künftig ein- und ausgehende Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zu erledigen831. Hinzu kam, dass am 31.05.2001 die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.05.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten in Kraft getreten ist832, die als unmittelbar geltendes Recht Erleichterungen für die Auslandszustellung in die EG-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks geschaffen und im Zusammenwirken mit dem die Zustellungsverordnung ergänzenden deutschen Durchführungsgesetz vom 09.07.2001 zu einer spürbaren Verkürzung der Zustellungszeiten von Auslandszustellungen in den Europäischen Justizraum geführt hat833. Schließlich ist zum 01.07.2002 das Zustellungsreformgesetz in Kraft getreten834, das ebenfalls Erleichterungen für die Auslandszustellung vorsieht und – was noch zu erörtern sein wird – möglicherweise die öffentliche Zustellung auch an „Nichtparteien“, wie z. B. Drittschuldner, ermöglicht (vgl. § 185 ZPO). Die soeben grob skizzierten Neuerungen im Recht der Auslandszustellung lassen schon im ersten Zugriff erwarten, dass die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an auslandsdomizilierte Drittschuldner erheblich erleichtert und damit praktisch bedeutsamer wird. Ob und inwieweit das der Fall ist, soll nachfolgend im Detail untersucht werden. Dabei wird – der Unterschiedlichkeit der Rechtsgrundlagen für Auslandszustellungen Rechnung tragend – zwischen Zustellungen von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung, im Anwendungsbereich multi- und bilaterlateralter Zustellungsübereinkommen und im reinen Anwendungsbereich des autonomen deutschen Rechts („vertragsloser Bereich“) unterschieden. 831 Gottwald, IPRax 1991, 395, 396; als Beispiel für die Bekanntmachung der Änderung der Rechtshilfeordnung in Zivilsachen in den Ländern vgl. die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz (Gz. 9341 – I – 2258/98), BayJMinBl. 1999, 48. 832 ABlEG Nr. L 160 v. 30.06.2000, S. 37 ff. 833 Heß, NJW 2002, 2417, 2422. 834 Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, verkündet am 25.06.2001, BGBl. I, 1206.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
B. Die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an auslandsdomizilierte Drittschuldner I. Die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.05.2000 (nachfolgend „Zustellungsverordnung“ genannt) 1. Anwendbarkeit der Zustellungsverordnung auf die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen
Zunächst einmal stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zustellungsverordnung auf die Zustellung eines im Verfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Anwendung findet. Gemäß Art. 1 Abs. 1 ist die Zustellungsverordnung „in Zivil- und Handelssachen835“ anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem Mitgliedsstaat aus in einen anderen Mitgliedsstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Da es bei der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an einen in einem Empfangsmitgliedsstaat domizilierten Drittschuldner um die Übermittlung eines gerichtlichen Schriftstückes von einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat zum Zwecke der Zustellung geht836, kommt es für die Anwendbarkeit der Zustellungsverordnung alleine darauf an, ob das Pfändungsverfahren als „Zivil- und Handelssache“ i. S. des Übereinkommens zu qualifizieren ist. Bei dem bezüglich dieses Tatbestandsmerkmals identisch formulierten Art. 1 Abs. 1 HZÜ entspricht es allgemeiner Ansicht, dass sich die Qualifikation als „Zivil- und Handelssache“ nach dem Streitgegenstand des Verfahrens richtet, in das das Zustellungsverfahren integriert ist837. Es ist kein Grund ersichtlich, warum man bei der Qualifikation nach Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung auf ein anderes Kriterium abstellen sollte. Auch hier kommt es also auf die Rechtsnatur des Verfahrensgegenstandes an. Wie der Verfahrensgegenstand des Pfändungsverfah835 Dem Begriff der „Handelssache“ kommt nach allgemeiner Ansicht keine eigenständige Bedeutung zu. Er stellt vielmehr lediglich einen Unterfall der „Zivilsachen“ dar. Vgl. dazu: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65. 836 So I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65 für die fast identische Formulierung in Art. Abs. 1 HZÜ mit dem zutreffenden Hinweis, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen der funktionellen Zuständigkeit der Amtsgerichte für das Pfändungsverfahren als „gerichtliches Schriftstück“ zu qualifizieren sei. 837 Vgl. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 116; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65 m. w. N.; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr, S. 34; Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 74.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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rens zu bestimmen ist, wird selten erörtert. Ilka Karen Mössle vertritt die Auffassung, das Vollstreckungsverfahren und mithin auch das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO habe keinen eigenen Verfahrensgegenstand838. Für die Qualifikationsfrage zieht sie daraus die Konsequenz, dass man auf den Streitgegenstand des vorangegangenen, auf Titelerlangung abzielenden Verfahrens abstellen müsse839. Im Ergebnis komme es entscheidend darauf an, dass der titulierte Anspruch oder der Sachverhalt aus dem er resultiert als zivilrechtlich zu qualifizieren sei840. Dieser Auffassung kann deshalb nicht gefolgt werden, weil die ihr zu Grunde liegende These, das Vollstreckungsverfahren habe im Gegensatz zum Erkenntnisverfahren keinen eigenen Verfahrensgegenstand, nicht zutrifft841. Wie bereits erörtert, geht es nämlich beim Erkenntnisverfahren um die Rechtsbehauptung, dass dem Kläger aus dem unterbreiteten Sachverhalt ein vom Gericht auf seinen Antrag hin festzustellendes Recht zustehe, während es beim Vollstreckungsverfahren darum geht, dass der Vollstreckungsgläubiger auf Grund eines Titels zur Vollstreckung in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners berechtigt ist und dass das in Beschlag genommene Vermögen für die titulierte Forderung haftet. Speziell bei der Pfändung nach §§ 828 ff. ZPO geht es darum, ob der Antragsteller zur Vollstreckung in ein bestimmtes dem Vollstreckungsschuldner (angeblich) zustehendes Recht berechtigt ist. Dies soll überdies nicht vom Vollstreckungsgericht festgestellt, sondern präjudiziell geprüft und dann durch tatsächlichen Zwangszugriff auf das Recht umgesetzt werden. Daraus ist ersichtlich, dass das Vollstreckungsverfahren nicht bloß als unselbständiger Annex des Erkenntnisverfahrens zu werten ist, sondern einen eigenen, vom Erkenntnisverfahren verschiedenen Verfahrensgegenstand hat. Auf diesen gilt es demnach bei der Qualifikation des Pfändungsverfahrens als „Zivil- und Handelssache“ i. S. des Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung abzustellen. Wie die Rechtsnatur des Vollstreckungsverfahrens, die von der Rechtsnatur der zu pfändenden Forderung bzw. des zu pfändenden Rechts abhängt, im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung zu bestimmen ist, ist eine bislang ungeklärte Frage. Auf Grund der mit Art. 1 Abs. 1 HZÜ identischen Formulierung des Tatbestandsmerkmals „Zivil- und Handelssache“ bietet es sich an, auf der Suche nach Lösungen für die Auslegung des Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung die zu Art. 1 Abs. 1 HZÜ vertretenen Lösungsansätze zu betrachten und auf ihre Tauglichkeit für die Auslegung des Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung hin zu untersuchen. 838 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65; a. A. (wie hier): Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht, Rdnr. 6. 839 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65 f. 840 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 66. 841 Ebenso Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht, Rdnr. 6.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
Zur Auslegung des Merkmals „Zivil- und Handelssache“ in Art. 1 Abs. 1 HZÜ wird eine breite Palette unterschiedlicher Meinungen vertreten, die sich im Kern um die Frage nach der für die Abgrenzung von „Zivil“- zu „Nichtzivilsachen“ maßgeblichen Rechtsordnung drehen. Dieser Frage kommt deshalb eine für den Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung entscheidende Rolle zu, weil in den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedliche Konzeptionen und Traditionen für die Abgrenzung von Zivil- und Öffentlichem Recht bestehen. Insbesondere die dem anglo-amerikanischen Rechtskreis zuzuordnende Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs Großbritanniens unterscheidet insoweit grundlegend anders als etwa das deutsche Recht und rechnet grundsätzlich jede Rechtsmaterie, die nicht zum Strafrecht gehört, zum Zivilrecht842. Rechtsmaterien, die deutschem Rechtsverständnis nach also klassisches materielles Verwaltungsrecht darstellen, sind danach materielles Zivilrecht. Zur Überwindung der damit notwendig verbundenen Qualifikationsprobleme im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 HZÜ wird teilweise vorgeschlagen, die Qualifikation im Interesse einer möglichst weitgehenden Anwendung des Zustellungsübereinkommens nach dem materiellen Recht des Gerichtsstaates vorzunehmen. Die Interessen des ersuchten Staates seien durch die ordre-public-Klausel des Art. 13 HZÜ hinreichend gewahrt843. Dem entgegnet eine andere Auffassung, dass das Abstellen auf das Recht des Gerichtsstaates das Interesse des ersuchten Staates an rechtlicher Souveränität und der Herrschaft über das innerstaatliche Verfahren über Gebühr beeinträchtigen könne und befürwortet daher eine Qualifikation nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates844. Vertreter einer vermittelnden Meinung plädieren dagegen für eine Doppelqualifikation, für die es darauf ankommt, ob kumulativ sowohl nach dem materiellen Recht des Gerichtsstaates als auch nach dem materiellen Recht des Empfangsmitgliedsstaates eine Zivil- und Handelssache vorliegt845. Im Ergebnis führt die Doppelqualifikation naturgemäß zu einer Verkürzung des Begriffs der „Zivil- und Handelssache“ auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Rechtsvorstellungen und damit dazu, dass sich der engere kontinentaleuropäische Zivilrechtsbegriff durchsetzt846. Schließlich wird noch eine von den nationalen Rechten unabhän842 Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 40 f.; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 116; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr, S. 34. 843 Böckstiegel/Schlafen, NJW 1978, 1073, 1074; Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 74. 844 Vgl. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 117 m. w. N.; im Ergebnis ebenso: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 73. 845 Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 36 f. 846 Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 50.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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gige, sogenannte „vertragsautonome Qualifikation“847 vertreten, die den Begriff der Zivil- und Handelssache ohne Rücksicht auf das materielle Recht des Gerichtsstaates oder des Empfangsstaates alleine aus dem Übereinkommen selbst heraus ableitet und das gewonnene Ergebnis daran misst, ob es der Zielsetzung des Übereinkommens entspricht, die Vereinfachung der Übermittlungswege und die Erleichterung der Rechtshilfe fördert und ob sich die Qualifikation als Zivil- und Handelssache unter Beachtung des wohlverstandenen Interesses der beteiligten Parteien (noch) rechtfertigen lässt848. Im Zweifel soll das Vorliegen einer Zivil- oder Handelssache liberal und großzügig bejaht werden, weil das nicht nur dem Interesse des ersuchenden Staates entspreche, sondern auch im Interesse des Empfangsstaates liege, der bei Unanwendbarkeit des Abkommens eine fiktive Inlandszustellung im Gerichtsstaat zu Lasten des in seinem Staatsgebiet domizilierten Zustellungsempfängers befürchten müsse849. Diese Auffassung kann sich zudem darauf berufen, dass sie mit der vom EuGH seit der „Eurocontrol“Entscheidung850 in ständiger Rechtsprechung für die Auslegung des Merkmals „Zivil- und Handelssache“ in Art. 1 Satz 1 EuGVÜ vertretenen autonomen Qualifikations-Lösung übereinstimmt. Die vorstehenden Lösungsansätze, die allesamt zu Art. 1 Abs. 1 HZÜ entwickelt worden sind, lassen sich auf Grund der unterschiedlichen Rechtsnatur von HZÜ (völkerrechtliches Übereinkommen) und Zustellungsverordnung (sekundäres Gemeinschaftsrecht), der bei allen Gemeinsamkeiten bestehenden Unterschiede von Wortlaut und Systematik beider Regelungswerke und der je verschiedenen Entstehungsgeschichte nicht ungeprüft auf Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung übertragen. Vielmehr ist für jeden Ansatz gesondert zu prüfen, ob er auf Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung „passt“ und hier zielführend ist. Gegen die Doppelqualifikation spricht, dass sie das Verfahren wegen der Qualifikation nach zwei Rechtsordnungen unnötig schwerfällig und kompliziert macht und zudem stets zur Durchsetzung des engsten Begriffsverständnisses führt, was nicht nur zu einer im Hinblick auf das effet-utilePrinzip bedenklichen Einschränkung des Anwendungsbereiches der Verordnung führt, sondern auch ganz einseitig den Standpunkt einer Rechtsordnung durchsetzt851. Die Qualifikation nach dem materiellen Recht des Gerichtsstaates hätte zwar den Charme, dass sie die Handhabung der Zustellungsverordnung für die ausführenden Zustellungsorgane im Gerichtsstaat 847 848 849 850 851
Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 118. Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 50. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 118. EuGH, Slg. 1976, 1541, Urt. v. 14.10.1976 – 29/76. So schon zum HZÜ: Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 117.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
erheblich vereinfachen würde, sie erscheint aber mit der Zustellungsverordnung am wenigsten vereinbar. Dies deshalb, weil man der Zustellungsverordnung durchgängig entnehmen kann, dass sie im Zweifel größere „Sympathie“ für die Anwendung des Rechts des Empfangsstaates aufweist. So wird in Erwägungsgrund Nr. 11 etwa darauf hingewiesen, dass sich der Zustellungszeitpunkt in den Mitgliedsstaaten regelmäßig nach unterschiedlichen Kriterien bestimmt, weswegen die Verordnung eine Regelung vorsehen müsse, wonach grundsätzlich das Recht des Empfangsstaates über den Zustellungszeitpunkt entscheidet. Das wurde denn auch in Art. 9 Abs. 1 Zustellungsverordnung als Regel normiert (Ausnahme: Art. 9 Abs. 2). Ferner wird in Art. 7 Abs. 1 Zustellungsverordnung bestimmt, dass die Zustellung grundsätzlich nach dem Recht des Empfangsstaates bewirkt wird. Eine Zustellung in einer vom Gerichtsstaat gewünschten besonderen Form ist nur möglich, „sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates vereinbar ist“. Auch hier setzt sich also im Zweifel das Recht des Empfangsmitgliedsstaates durch. Die in diesen Regelungen anklingende „Sympathie“ für das (Verfahrens-)Recht des Empfangsstaates lässt sich damit erklären, dass das Verfahren der Auslandszustellung nun mal im Empfangsmitgliedsstaat vollzogen wird, sich also dort „primär“ auswirkt und die Interessen des Empfangsmitgliedsstaates tangiert. Sie lässt es nicht zu, das Recht des Gerichtsstaates als für die Qualifikation allein maßgeblich anzusehen, ohne dass es außer pragmatischen Zweckmäßigkeitserwägungen rechtlich stichhaltige Gründe dafür gäbe. Allerdings bedeutet das keineswegs schon eine zwingende Entscheidung für eine Qualifikation nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates. Denn die soeben aufgezeigten Regelungen der Verordnung lassen eben nur im Verhältnis der nationalen Rechte zueinander eine gewisse Sympathie für die Anwendung des Verfahrensrechts des Empfangsmitgliedsstaates erkennen, sagen aber nichts darüber aus, ob diese Präferenz auch gegenüber einer autonomen Qualifikation besteht. Hieran muss man nämlich im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zum Merkmal der „Zivil- und Handelssache“ in Art. 1 Satz 1 EuGVÜ seine Zweifel haben. Zwar ist es auch hier wegen der unterschiedlichen Rechtsnatur beider Rechtsgrundlagen und ihres teilweise unterschiedlichen Wortlauts und Regelungszwecks nicht möglich, diese Rechtsprechung ungeprüft auf Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung zu übertragen. Allerdings ergibt eine genauere Analyse der tragenden Erwägungen dieser Rechtsprechung, dass sie durchaus auch im Rahmen der Zustellungsverordnung ihre Berechtigung hätte. So stellt der EuGH maßgeblich darauf ab, dass bei der Auslegung der den Anwendungsbereich des Übereinkommens bestimmenden Norm sichergestellt werden müsse, dass sich aus dem Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben. Dies sei aber nicht gewährleistet, wenn die in ihr verwendeten Ausdrücke
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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als bloße Verweisung auf das innerstaatliche Recht des einen oder anderen beteiligten Staates verstanden werden852. Diese Erwägung greift auch bei der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung und es steht zu erwarten, dass der EuGH sie auch hier fruchtbar machen wird. Hinzu kommt, dass eine autonome Qualifikation der Zivil- und Handelssachen nicht nur zu mehr Rechtssicherheit- und -einheit im Europäischen Justizraum, sondern mittelfristig auch zu einer erleichterten Handhabung führen wird, die es für die nationalen Zustellungsorgane entbehrlich machen wird, nach den Abgrenzungskriterien der anderen Mitgliedsstaaten zu „forschen“. Dies wird im Ergebnis die Anwendung der Verordnung fördern und damit auch die Effektivität der Zustellung im Europäischen Justizraum. Von daher spricht auch das europarechtliche Effektivitätsprinzip für eine autonome Qualifikation der Zivil- und Handelssachen im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung. Die Kriterien für diese überstaatliche Qualifikation lassen sich ebenfalls der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 1 Satz 1 EuGVÜ entnehmen. Danach besagt alleine die Tatsache, dass eine Forderung einer Rechtsbeziehung zwischen einer Behörde bzw. einem sonstigen Träger der Staatsgewalt und einem Bürger entspringt, noch nicht zwingend, dass die Forderung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist. Anstelle solcher formeller, auf die Beteiligten des Rechtsverhältnisses abstellender Kriterien soll entscheidend vielmehr sein, ob die in Rede stehende Rechtsbeziehung auf der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eines oder beider Parteien des Rechtsverhältnisses beruht. Dies soll insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Parteien ihre Rechtsbeziehungen nicht privatautonom auf der Ebene der Gleichordnung frei verhandeln und ausgestalten, sondern vielmehr eine Seite auf Grund ihrer diesbezüglichen Rechtsmacht einseitig Rechtsfolgen setzt, also beispielsweise Gebührenansprüche begründet853. Im Ergebnis erklärt der EuGH mithin das Subordinationskriterium (Bestehen eines hoheitsgeprägten Über-/Unterordnungsverhältnisses) zum maßgeblichen Entscheidungskriterium für die autonome Qualifikation854. Mit Hilfe dieses – dem deutschen Juristen wohlbekannten – Kriteriums sind mithin die zu pfändenden Forderungen und Rechte zu qualifizieren. Ergibt diese Prüfung, dass die zu pfändenden Forderungen keinem derartigen hoheitsgeprägten Über-/Unterordnungverhältnis entspringen, ist die Zustellungsverordnung anzuwenden.
852 853 854
EuGH, Slg. 1976, 1541, Urt. v. 14.10.1976 – 29/76. EuGH, Slg. 1976, 1541, Urt. v. 14.10.1976 – 29/76. Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 38.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden 2. Einbettung der Zustellungsverordnung in die Systematik des § 183 ZPO
§ 183 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wonach die Vorschriften der Zustellungsverordnung „unberührt“ bleiben, zieht die Konsequenz aus der Tatsache, dass eine kompetenzgemäß zustande gekommene EG-Verordnung Anwendungsvorrang vor nationalem Recht, also auch vor den Regeln des autonomen deutschen Zustellungsrechts, genießt. Dieser Anwendungsvorrang und mithin auch die Reichweite des § 183 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann sich aber nur auf solche Regelungen der Verordnung beziehen, die zur unmittelbaren Anwendung dem Bürger gegenüber bestimmt sind und nicht nur verbindliche Vorgaben für den Inhalt nationaler Rechtsgrundlagen enthalten. Ferner kann er nur dort eingreifen, wo die Verordnung nicht bewusst Lücken lässt, die der Auffüllung durch den nationalen Gesetzgeber bedürfen855. Daraus ergibt sich aber, dass Heß nicht uneingeschränkt gefolgt werden kann, wenn er das Verhältnis von § 183 Abs. 3 ZPO zu § 183 Abs. 1 ZPO so beschreibt, dass § 183 Abs. 3 ZPO Auslandszustellungen im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung erfasse, während § 183 Abs. 1 ZPO Auslandszustellungen außerhalb des Anwendungsbereichs der Zustellungsverordnung regele856. Vielmehr greift auch im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung § 183 Abs. 1 ZPO ein, falls die Verordnung „Lücken“ aufweist, die durch das nationale Durchführungsgesetz nicht geschlossen werden. 3. Zustellung nach dem Rogationsprinzip (§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 4–11 Zustellungsverordnung, § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO)
Als eine Möglichkeit der Auslandszustellung sieht die Zustellungsverordnung die Auslandszustellung nach dem Rogationsprinzip857 vor. Dieser Weg der Zustellung im internationalen Rechtshilfeverkehr858 der Staaten, der dem klassischen kontinentaleuropäischen Souveränitätsverständnis entspricht, ist im Prinzip dadurch gekennzeichnet, dass der Gerichtsstaat den fremden Staat, in dem sich der potentielle Zustellungsadressat aufhält, um Zustellungshilfe ersucht859. Dabei sind grundsätzlich vier Übermittlungs855
Vgl. R. Geimer in: Zöller, ZPO, § 183 Rdnr. 14: „Die EG-Zustellungsverordnung und die staatsvertraglichen Regelungen über Auslandszustellungen gehen vor, soweit sie nach ihrem Regelungsgegenstand in das nationale Recht eingreifen oder es überlagern.“ 856 Heß, NJW 2002, 2417, 2423, Fußn. 115. 857 Zum Begriff „Rogationsprinzip“ vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 1; R. Geimer in: Zöller, ZPO, § 183 Rdnr. 46. 858 Zum Begriff der internationalen Rechtshilfe vgl. etwa Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 13–20.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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wege denkbar, nämlich der diplomatische Weg860 und der konsularische Weg861, bei dem die diplomatische Vertretung bzw. der Konsul des Gerichtsstaates das Ersuchen an den um Zustellungshilfe ersuchten Staat übermittelt sowie der ministerielle und der unmittelbare Verkehr, bei dem das Zustellungsersuchen von der ersuchenden Stelle des Gerichtsstaates an eine „Zentrale Behörde“ des um Zustellungshilfe ersuchten Staates bzw. unmittelbar an die für die Zustellung zuständige Behörde des ersuchten Staates weiterleitet862. Die Zustellungsverordnung hat sich für den schnellsten dieser vier Übermittlungswege, nämlich den direkten bzw. unmittelbaren Verkehr zwischen „Übermittlungsstellen“ und „Empfangsstellen“ entschieden (Art. 4 Abs. 1, Art. 2 Zustellungsverordnung). Zuständige deutsche „Übermittlungsstelle“ für „gerichtliche Schriftstücke“, also auch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, ist „das die Zustellung betreibende Gericht“863 (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Durchführungsgesetz), also das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 2 ZPO). Damit ist gegenüber dem Haager Zustellungsübereinkommen, das sich für den ministeriellen Verkehr über „Zentrale Behörden“ des ersuchten Staates entschieden hatte864, ein schnellerer und effizienterer 859
G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 1. Dieser Weg ist deshalb so umständlich und zeitraubend, weil die diplomatische Vertretung des Gerichtsstaates sich nicht unmittelbar an die für die Zustellung zuständige Stelle wendet, sondern das Zustellungsersuchen zunächst beim Außenministerium des ersuchten Staates einreicht, das das Ersuchen dann an die für die Zustellung zuständige Stelle weiterleitet. Wegen dieser heute anachronistisch wirkenden überzogenen Förmlichkeit stellt dieser Übermittlungsweg im vertraglichen Rechtshilfeverkehr die Ausnahme dar. Vgl. statt aller Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 59 f. 861 Dieser Weg stellt gegenüber dem diplomatischen Weg eine erhebliche Verbesserung dar, da der umständliche Zwischenschritt über das Außenministerium des ersuchten Staates entfällt und der das Ersuchen übermittelnde Konsul des Gerichtsstaates das Ersuchen unmittelbar an die vom ersuchten Staat als für die Zustellung zuständig bezeichnete Stelle weiterleitet. Vgl. Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 61. 862 Vgl. Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 59–64; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2137; Schack, IZVR, Rdnr. 179. 863 Diese Formulierung passt nicht auf Zustellungen im Parteibetrieb, zu denen die Zustellung gemäß § 829 Abs. 2 Satz 1, § 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO gehört. Da die Zustellungsverordnung indes sowohl auf Partei- wie auf Amtszustellungen Anwendung findet (vgl. Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung, wo insoweit nicht unterschieden wird) und nicht anzunehmen ist, dass der deutsche Gesetzgeber dem Auftrag zur Bestimmung der zuständigen deutschen „Übermittlungsstelle“ in europarechtswidriger Weise teilweise nicht nachkommen wollte, ist § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes auf im Wege der Parteizustellung zu übermittelnde „gerichtliche Schriftstücke“ analog anzuwenden. 864 Vgl. statt aller: Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 63 f. 860
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
Übermittlungsweg gewählt worden865. Dennoch bedeutet dies aus deutscher Sicht nur gegenüber bestimmten EU-Mitgliedsstaaten eine Erleichterung, da bereits in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Zustellungsverordnung auf Grund besonderer Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland mit bestimmten Staaten der unmittelbare Verkehr praktiziert wurde. Als Beispiele für solche Staaten aus dem Kreis der EU-Mitgliedsstaaten kann man etwa Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Österreich und Schweden anführen866. Als weitere Erleichterung und Beseitigung von Zustellungshindernissen gegenüber dem Rechtshilfeverkehr im Anwendungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens (HZÜ) sieht die Zustellungsverordnung keinen Art. 13 Abs. 1 HZÜ entsprechenden rechtshilferechtlichen ordre-publicVorbehalt vor867. Damit ist gewährleistet, dass im Anwendungsbereich des Zustellungsübereinkommens Ersuchen um Zustellungen von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an auslandsdomizilierte Drittschuldner in jedem Falle ausgeführt und nicht unter Berufung auf den Ordre Public des ersuchten Staates blockiert werden. Die Zustellung wird, sofern nicht eine besondere Form ausdrücklich gewünscht wird, wofür es bei der Drittschuldnerzustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses keine Veranlassung gibt, nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates durchgeführt (Art. 7 Abs. 1 Zustellungsverordnung). Das nach § 828 Abs. 2 ZPO örtlich zuständige Amtsgericht als zuständige Übermittlungsstelle (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Durchführungsgesetz) darf die Übermittlung des Zustellungsersuchens nicht mit der Begründung verweigern, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom Vollstreckungsgläubiger nicht in die Sprache des Empfangsmitgliedsstaates übersetzt worden ist. Ebenso wenig dürfen die Empfangsstelle oder die Zustellungsbehörde des Empfangsmitgliedsstaates die Erledigung des Zustellungsersuchens mit dieser Begründung verweigern. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus Art. 8 Abs. 1 der Zustellungsverordnung, wonach bei fehlender Übersetzung der Drittschuldner als Zustellungsadressat von der Empfangsstelle darüber in Kenntnis zu setzen ist, dass er die Annahme des zuzustellenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verweigern darf, wenn das 865 Stadler, IPRax 2001, 514, 517; kritischer Gsell, EWS 2002, 115, 117, die darauf hinweist, dass das Schriftstück mit der Übermittlungs- und der Empfangsstelle u. U. zwei bloße Zwischenstellen passieren müsse, bevor es endlich zugestellt werden könne, was auch künftig zu unangemessen langen Zustellungsfristen im Rechtshilfeverkehr führen werde. 866 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2137; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 184. 867 Vgl. auch Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 184, der dieser Neuerung auf Grund der restriktiven Handhabung des Art. 13 Abs. 1 HZÜ nur geringe praktische Relevanz beimisst.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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zuzustellende Schriftstück nicht in die Amtssprache des Empfangsmitgliedsstaates übersetzt ist und er die Sprache des Gerichtsstaates nicht versteht. Übt der Drittschuldner bei fehlender Übersetzung das Annahmeverweigerungsrecht aus, so entscheidet die Rechtmäßigkeit seiner Verweigerung über die Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Zustellung und mithin über die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Hat der das Zustellungsersuchen beantragende Vollstreckungsgläubiger keine gesicherten Kenntnisse über die Sprachfähigkeiten des Drittschuldners bzw. ist es fragwürdig, ob ein Gericht ihn später als in der deutschen Sprache „sprachkompetent“ einschätzen wird868, ist ihm anzuraten, für eine Übersetzung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in die Amtssprache des Empfangsmitgliedsstaates durch einen vereidigten Dolmetscher zu sorgen. Ist der Drittschuldner dagegen auslandsdomizilierter Deutscher, so ist die Übersetzung überflüssig. Fraglich ist, welches Justizorgan innerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die Einleitung der Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen gemäß § 191 ZPO i.V. m. § 183 Abs. 3 ZPO, Art. 4–11 Zustellungsverordnung funktionell zuständig ist. Da die Zustellungsverordnung keine innerstaatlichen Zuständigkeiten bestimmt und auch das Durchführungsgesetz keine Regelung der funktionellen Zuständigkeit enthält, sondern sich auf die Bestimmung der sachlich zuständigen „Übermittlungsstelle“ beschränkt, wird eine „Lücke“ offenbar, die – wie bereits dargelegt – unter Rückgriff auf § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gefüllt werden kann. Danach ist der Vorsitzende des „Prozessgerichts“ für das Zustellungsersuchen an den fremden Staat funktionell zuständig. Da es im Vollstreckungsverfahren kein „Prozessgericht“ gibt, § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aber auch über §§ 829 Abs. 2 Satz 1, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur entsprechend anzuwenden ist, ist damit der zuständige Beamte beim für Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO zuständigen Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 2 ZPO) gemeint. Das ist gemäß § 20 Satz 1 Nr. 17 ZPO ein Rechtspfleger. Da es sich bei der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß §§ 829 Abs. 2 Satz 1, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO an den Drittschuldner um keine Amtszustellung gemäß §§ 166 ff. ZPO, sondern um eine Zustellung auf Betreiben der Parteien gemäß §§ 191 ff. ZPO han-
868 Für diese „Zweifelsfälle“ rät auch Stadler, IPRax 2001, 514, 518 mit Recht zu einer Übersetzung als „sicherstem“ Weg. 869 Die Zustellung an den Vollstreckungsschuldner gemäß §§ 829 Abs. 2 Satz 2, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO muss richtiger Ansicht nach übrigens auch im Wege der Parteizustellung erfolgen. Sie muss kraft Gesetzes im Anschluss an die Zustellung an den Drittschuldner erfolgen. Das Zustellungsorgan ist zu dieser Zustellung auch dann verpflichtet, wenn der Vollstreckungsgläubiger sie nicht beantragt hat oder ihr
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
delt869, ergeht das Ersuchen nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers870. Im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung sind Auslandszustellungen von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an Drittschuldner also jedenfalls im Rechtshilfeverkehr bedenkenlos möglich und werden bei hinreichender Berücksichtigung der „Übersetzungsproblematik“ (vgl. Art. 8 Abs. 1 Zustellungsverordnung) zum „Erfolg“ führen. 4. Neue Möglichkeiten der Direktzustellung871 im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung
a) Zustellung unmittelbar durch die Post (§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Verordnung EG Nr. 1348/2000) aa) Subsidiarität der Zustellung unmittelbar durch die Post? Als Alternative zu dem an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrag auf Zustellung im Rechtshilfeverkehr gemäß §§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 4–11 Zustellungsübereinkommen, § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO könnte dem Vollstreckungsgläubiger die raschere und unkompliziertere Zustellung unmittelbar durch die Post gemäß § 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Zustellungsübereinkommen offen stehen. Diese Alternative fiele allerdings aus, wenn die Zustellungsform der Zustellung unmittelbar durch die Post dem Vollstreckungsgläubiger kraft der Zustellungsverordnung nur subsidiär, also nach dem erfolglosen Durchlaufen der Zustellung im Rechtshilfeverkehr, zur Verfügung stünde.
sogar ausdrücklich widerspricht. Dennoch ist sie Zustellung im Parteibetrieb, weil sie als gesetzlich vorgeschriebener, „unabdingbarer“ und unselbständiger Annex zum Zustellungsauftrag „Zustellung an den Drittschuldner“ kraft Gesetzes vom Zustellungsauftrag des Vollstreckungsgläubigers mitumfasst wird. 870 Dies gilt richtiger, wenngleich umstrittener Ansicht nach auch dann, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausnahmsweise einmal nach einer vorherigen Anhörung des Vollstreckungsschuldners erlassen worden ist. Vgl. dazu Dressel, Rpfleger 1993, 100 ff. m. w. N. 871 Von „Direktzustellung“ spricht man, wenn der Gerichtsstaat eine Auslandszustellung ohne Inanspruchnahme der Rechtshilfe des fremden Staates, an dem der Zustellungsempfänger sich aufhält, durchführt. Wenn die Direktzustellung dem Gerichtsstaat von dem fremden Staat z. B. auf Grund einer völkerrechtlichen Vereinbarung gestattet wird, spricht man auch – in Abgrenzung von der Zustellung im Rechtshilfeverkehr – von „passiver Zustellungshilfe“ des Empfangsstaates. Zur Begrifflichkeit vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 21–26.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Die Frage, ob die Zustellungsverordnung eine Rangfolge der Zustellungswege mit Priorität der Zustellung nach dem Rogationsprinzip und Subsidiarität der Direktzustellung festlegt, ist im deutschen Schrifttum umstritten. Während die h. M. von einer Gleichrangigkeit der in der Verordnung normierten Zustellungswege ausgeht872, plädiert Heß für eine Subsidiarität der Zustellung unmittelbar durch die Post gegenüber der Zustellung im Rechtshilfeverkehr873. Er begründet seine Auffassung mit der Regelungssystematik der Verordnung, die die Zustellung im Rechtshilfeverkehr im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels als Regelfall und die Direktzustellungen, zu denen auch die Zustellung unmittelbar durch die Post gemäß Art. 14 Abs. 1 gehört, im nachfolgenden zweiten Abschnitt unter der Überschrift „Andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke“ platziert874. Vor allem aber spreche die gegenüber den detaillierten Vorschriften der Zustellung im Rechtshilfeverkehr lückenhaft erscheinende Regelung der Direktzustellungen für deren Subsidiarität875. Diese Argumentation hält allerdings einer kritischen Überprüfung nicht stand. Die Aufeinanderfolge von Zustellung im Rechtshilfeverkehr und Direktzustellung führt ohne zusätzliche Anhaltspunkte, beispielsweise im Normtext, nicht zwingend zu dem Schluss, dass die „an der Spitze“ platzierte Zustellung im Rechtshilfeverkehr Vorrang genießen soll. Da es solche zwingenden876 Anhaltspunkte für eine vom Verordnungsgeber gewollte Subsidiarität der Direktzustellung gegenüber der Zustellung nach dem Rogationsprinzip nicht gibt, kann man die Aufeinanderfolge in zwei nacheinander stehenden Abschnitten ebenso gut auch so deuten, dass beide Zustellungswege „regelungssystematisch gleichberechtigt nebeneinander“ angeordnet sind877. Bei genauerem Hinsehen spricht die Regelungssystematik sogar gegen eine Subsidiarität der Direktzustellung. Dies ergibt sich aus Art. 12 der Zustellungsverordnung, der wie die Direktzustellungsformen der Verordnung ebenfalls in Abschnitt 2 des 2. Kapitels geregelt ist und ausdrücklich vorsieht, dass er nur „in Ausnahmefällen“ eingreift. Daraus kann man aber ersehen, dass der Verordnungsgeber das Subsidiaritätsproblem gesehen und bei gewollter Subsidiarität eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung im Verordnungstext getrof872 Gsell, EWS 2002, 115, 117; Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 185 f.; Stadler, IPRax 2001, 514, 516. 873 Heß, NJW 2002, 2417, 2422; ders., NJW 2001, 15, 19. 874 Heß, NJW 2002, 2417, 2422, Fußn. 101. 875 Heß, NJW 2002, 2417, 2422 f. 876 Auch die unterschiedliche Regelungsdichte der Verordnung besagt nichts über Subsidiaritätsvorstellungen des Verordnungsgebers. Denn auch ein nur subsidiär gewollter Zustellungsweg muss gesetzestechnisch so geregelt sein, dass er, ist die Subsidiarität einmal überwunden, praktisch genutzt werden kann. 877 So in Opposition zu Heß ausdrücklich Stadler, IPRax 2001, 514, 516. 878 Ebenso Gsell, EWS 2002, 115, 117; Stadler, IPRax 2001, 514, 516.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
fen hat878. Ferner ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber beide Abschnitte in der Tat als gleichwertig angesehen hat, weil die Formulierung, dass Art. 12 nur „in Ausnahmefällen“ eingreife, sonst überflüssig wäre. Hinzu kommt schließlich, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtliche Normen bei möglicherweise vorhandenen Auslegungsspielräumen so auszulegen sind, dass ihre Wirkungen möglichst weitgehend zur Erreichung von Binnenmarktzielen beitragen (sogen. Prinzip des effet utile bzw. Effektivitätsprinzip)879. Laut Erwägungsgrund Nr. 2 der Zustellungsverordnung dient diese dem Zweck, durch eine verbesserte und beschleunigte Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, die in einem anderen Mitgliedsstaat zugestellt werden sollen, „das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“, also ein gewichtiges Gemeinschaftsziel, zu fördern. Dieses Ziel wird aber naturgemäß durch Direktzustellungen am besten gefördert. Daher ist es geboten, die Zustellungsverordnung bei bestehenden Auslegungsspielräumen so auszulegen, dass diese Zustellungsformen nicht beeinträchtigt werden. Auch dies spricht für die h. M., die davon ausgeht, dass die Zustellungsverordnung keine Rangfolge zwischen der Zustellung nach dem Rogationsprinzip (Art. 4–Art. 11 Zustellungsverordnung) und den von ihr vorgesehenen Direktzustellungen (Art. 14 f. Zustellungsverordnung) vorsieht. bb) Priorität der Zustellung unmittelbar durch die Post? Steht damit fest, dass sich aus § 183 Abs. 3 ZPO i.V. m. der Zustellungsverordnung keine Subsidiarität der Zustellung unmittelbar durch die Post (Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung) ergibt, ist aber noch nicht geklärt, ob man § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entnehmen kann, dass der Zustellung unmittelbar durch die Post im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung Priorität gegenüber den anderen Zustellungsformen zukommt880. Dies setzt voraus, dass § 183 Abs. 1 ZPO auch auf Zustellungen im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung anwendbar ist881. Das kann wegen des Vorrangs der Zustellungsverordnung gegenüber dem nationalen Recht nur der Fall sein, wenn § 183 Abs. 1 ZPO einem Regelungsauftrag der Verordnung nachkommt bzw. eine von der Verordnung belassene „Regelungslücke“ ausfüllt. Mangels eines diesbezüglichen an den nationalen Gesetzgebers gerichteten Regelungsauftrags der Verordnung zur Festlegung einer Rangfolge der Zustellungswege durch das nationale Recht kommt es mithin entscheidend darauf an, ob die Zustellungsverordnung die Rangfolgefrage abschließend 879 880 881
Vgl. statt aller: Kainer, JuS 2000, 431, 433 m. w. N. Hierfür ausdrücklich Gsell, EWS 2002, 115, 120. Richtig gesehen von Heß, NJW 2002, 2417, 2423, Fußn. 115.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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entscheidet oder insoweit dem nationalen Gesetzgeber noch Gestaltungsspielraum belässt. Gegen einen solchen Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers zur Bestimmung einer Rangfolge der Zustellungswege spricht indes, dass die Verordnung die verschiedenen Zustellungswege, wie erörtert, gleichberechtigt nebeneinander bestehen lässt. Dies eröffnet den Gerichten bzw. bei der Parteizustellung der die Zustellung betreibenden Partei eine Auswahl unter den verschiedenen Zustellungswegen unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und fördert daher die internationale Zustellung im Anwendungsbereich der Verordnung. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass die Zustellungsverordnung die Zustellung im Rechtshilfeverkehr und die Direktzustellungen abschließend als gleichberechtigte Zustellungsformen normiert. § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ordnet mithin im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung keine Priorität der Zustellung unmittelbar durch die Post an. Vielmehr steht es einem Vollstreckungsgläubiger, der die Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung herbeiführen will, frei, beim Vollstreckungsgericht ein Ersuchen für eine Zustellung im Rechtshilfeverkehr gemäß §§ 191, 183 Abs. 3 ZPO, Art. 4–11 Zustellungsverordnung, § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu beantragen oder gemäß § 191, 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung den funktionell zuständigen Gerichtsvollzieher (§ 192 Abs. 1 ZPO) durch Übergabe der zuzustellenden Schriftstücke (§ 192 Abs. 2 ZPO) selbst oder unter Vermittlung der Geschäftsstelle des örtlich zuständigen Amtsgerichts (§ 828 Abs. 2 ZPO) mit der Zustellung unmittelbar durch die Post zu beauftragen882. cc) Zulässigkeitsvoraussetzungen der Zustellung unmittelbar durch die Post Allerdings stellt sich auch bei der Zustellung unmittelbar durch die Post nach § 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung die Frage, welchen weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sie unterliegt. Gemäß Art. 14 Abs. 2 Zustellungsverordnung kann jeder Empfangsmitgliedsstaat Bedingungen bekannt geben, unter denen er eine Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post zulässt. Diesen Voraussetzungen des jeweiligen Empfangsstaates muss die deutsche Postzustellung demnach genügen. Hinsichtlich der von den Empfangsstaaten verlangten Übermittlungsform hat 882 So für die Amtszustellung auch Heß, NJW 2002, 2417, 2423, der dem Prozessgericht im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung zu Recht ein Auswahlermessen unter den verschiedenen Zustellungsformen einräumen will. 883 Vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 519 m. w. N. 884 Einschreiben ohne Rückschein verlangen beispielsweise Griechenland, Irland und die Niederlande: vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 519 m. w. N.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
sich bei vielen Staaten (so z. B. Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Österreich) das Einschreiben mit Rückschein durchgesetzt883. Sollte der Empfangsstaat dagegen geringere (wie z. B. Einschreiben ohne Rückschein)884 oder gar keine Anforderungen an die Übermittlungsform stellen885, so muss wegen § 183 Abs. 3 Satz 2 ZPO dennoch die Versandform des Einschreibens mit Rückschein gewählt werden. Ein weiteres von den Empfangsmitgliedsstaaten häufig geregeltes Zulässigkeitserfordernis betrifft die Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke. Auch hier unterscheiden sich die Regelungen der einzelnen Mitgliedsstaaten erheblich. So erklären einige Staaten das von ihnen aufgestellte Übersetzungserfordernis anders als im Rechtshilfeverkehr (vgl. Art. 8 Zustellungsverordnung) zum Zulässigkeitserfordernis für die direkte Postzustellung in ihr Land886. Andere billigen dem Zustellungsadressaten bei Verstoß gegen das von ihnen normierte Übersetzungserfordernis ein Annahmeverweigerungsrecht ein, über das der Zustellungsadressat belehrt werden muss887. Auch inhaltlich variieren die Übersetzungsanforderungen erheblich und orientieren sich teils an Art. 8 Zustellungsverordnung, weichen aber auch teils erheblich von Art. 8 Zustellungsverordnung ab888. Problematisch ist, welchen Übersetzungsanforderungen eine deutsche Postzustellung gemäß § 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung genügen muss, die in einen Empfangsmitgliedsstaat übermittelt werden soll, der kein Übersetzungserfordernis normiert hat889. Man könnte erwägen, in diesen Fällen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Zustellungsadressaten Art. 8 Zustellungsverordnung analog anzuwenden. Dagegen spricht aber aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, dass man schlechterdings nicht annehmen kann, der Verordnungsgeber habe es versehentlich versäumt, Art. 8 Zustellungsverordnung entsprechende gemeinschaftsweite Mindesterfordernisse für den Fall zu normieren, dass ein Mitgliedsstaat im Rahmen seiner Befugnis aus Art. 14 Abs. 2 Zustellungsverordnung keine Übersetzungserfordernisse normiert. Vielmehr muss man im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 Zustellungsver885 Gar keine Anforderungen an die Übermittlungsform stellen beispielsweise Portugal, Finnland und Schweden: vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 519 m. w. N. 886 So beispielsweise Belgien, Portugal, Italien, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland: vgl. Gsell, EWS 2002, 115, 121 m. w. N. 887 So beispielsweise Österreich, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland: vgl. Gsell, EWS 2002, 115, 122 m. w. N. Besonders gelungen ist dabei die österreichische Regelung, die dem Adressaten eine dreitägige Frist für die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts einräumt und dabei das leidige Problem umgeht, wie der Zustellungsadressat sein Annahmeverweigerungsrecht effektiv ausüben können soll, ohne Kenntnis vom Inhalt der ihm übermittelten Sendung zu haben. Zu diesem Problem vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 520. 888 Vgl. Gsell, EWS 2002, 115, 121 f. 889 Vgl. dazu ausführlich Gsell, EWS 2002, 115, 122.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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ordnung davon ausgehen, dass der Verordnungsgeber bewusst davon abgesehen hat, eine Art. 8 Zustellungsverordnung entsprechende Regelung für die Zustellung unmittelbar durch die Post zu schaffen und es in Kauf genommen hat, dass bestimmte Staaten die Zustellung auch ohne Erfüllung von Übersetzungserfordernissen zulassen890. Schon deshalb kommt eine analoge Anwendung des Art. 8 Zustellungsverordnung in diesen Fällen nicht in Betracht891. Aber auch aus der Sicht des im nationalen Verfassungsrecht verankerten Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) besteht kein Grund, in diesen Fällen ein nationales Übersetzungserfordernis zu konstruieren. Auf der Ebene formaler Argumentation ergibt sich dies schon daraus, dass die EG-Verordnung auch gegenüber dem Verfassungsrecht Anwendungsvorrang genießt. Aber auch vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 1 GG selbst besteht kein Anlass zu einer solchen Korrektur. Dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Drittschuldner wird nämlich durch einen nicht übersetzten deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Beschlussinhalt abgeschnitten, sondern lediglich die Obliegenheit auferlegt, sich durch Übersetzung Kenntnis zu verschaffen. Dies kann ihm aber mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG zugemutet werden. Dies zumal das deutsche Recht dem ausländischen Drittschuldner bei vorübergehendem Inlandsaufenthalt (z. B. anlässlich einer Urlaubsreise) ebenfalls die Inlandszustellung eines in der Gerichtssprache (§ 184 GVG) verfassten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zumutet. Wenn dies bei der Inlandszustellung mit Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar ist, ist nicht ersichtlich, warum das bei der Auslandszustellung anders sein soll. Daher ist bei Empfangsmitgliedsstaaten, die gemäß Art. 14 Abs. 2 Zustellungsverordnung keine Übersetzung verlangen, die Postzustellung eines nicht übersetzten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zulässig und wirksam. Wer allerdings beispielsweise bei einer ansonsten aussichtsreichen Forderungspfändung hohen Betrages und bei fehlender Liquidität des Vollstreckungsschuldners ganz sicher gehen will, dem wird man angesichts fehlender Rechtsprechung zu der Thematik dennoch anraten müssen, sicherheitshalber für eine Art. 8 Abs. 1 Zustellungsverordnung entsprechende Übersetzung zu sorgen, um jegliches Risiko der Unwirksamkeit der Zustellung auszuschließen. Nach alledem kann ein Vollstreckungsgläubiger den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung – ohne rechtliche Hindernisse – auch unmittelbar durch die Post zustellen lassen. Will er dies erreichen, muss er anstelle des an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrags auf Erlass und Übermittlung eines Rechtshilfeersu890 891
Ebenso Gsell, EWS 2002, 115, 122. Im Ergebnis ebenso Gsell, EWS 2002, 115, 122.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
chens den Gerichtsvollzieher selbst bzw. durch Vermittlung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts mit der Zustellung beauftragen. b) Zustellung durch Parteiauftrag an ein ausländisches Zustellungsorgan (§ 183 Abs. 3 ZPO, Art. 15 Abs. 1 EG Nr. 1348/2000)? Art. 15 Abs. 1 der Zustellungsverordnung schließt für den Fall, dass die lex fori des Gerichtsstaates für das konkret zu übermittelnde Schriftstück die Zustellung im Parteibetrieb zulässt, „nicht aus, dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedsstaates zustellen lassen kann, wenn der Empfangsmitgliedsstaat nicht gemäß Art. 15 Abs. 2 erklärt hat, dass er diese Form der Zustellung in seinem Hoheitsgebiet nicht zulässt. Fraglich ist, ob sich daraus ergibt, dass der Vollstreckungsgläubiger den im Parteibetrieb zuzustellenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung auch auf die Weise zustellen lassen kann, dass er eine nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates zuständige Amtsperson (beispielsweise einen Gerichtsvollzieher) unmittelbar selbst – also ohne Zwischenschaltung des deutschen Gerichtsvollziehers – mit der Zustellung beauftragt. Diese Frage ist bislang kaum erörtert worden, weil Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung meist als für die deutsche Auslandszustellung irrelevant eingestuft wird, weil er Parteizustellung voraussetze, das deutsche Zustellungsrecht aber vom Grundsatz der Amtszustellung beherrscht werde892. Dies hilft allerdings in den Fällen, in denen das deutsche Recht nun einmal wie beim Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Zustellung im Parteibetrieb vorsieht, nicht weiter893. Vereinzelt wird allerdings vertreten, die Zustellungsverordnung schaffe zwar keine Rechtsgrundlage für unmittelbar an ausländische Zustellungsbeamte gerichtete ausgehende Ersuchen. Diese Rechtsgrundlage lasse sich aber für das deutsche Recht den Vorschriften über die Parteizustellung (§§ 191 ff. ZPO) entnehmen894. Nach dieser Auffassung könnte der Vollstreckungsgläubiger bei der Beauftragung des Gerichtsvollziehers also anregen, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht gemäß §§ 191, 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung unmittelbar durch die Post, sondern gemäß §§ 191, 183 Abs. 3 ZPO, Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung durch Auftrag an einen ausländischen Zustellungsbeamten zuzustellen. Der Gerichtsvollzieher, der sich dieser Anregung gemäß verhalten würde, würde rechtmäßig handeln und bei 892 So beispielsweise Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 186; ebenso bereits Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, 95, 109 zu Art. 10 c HZÜ. 893 So mit Recht Jastrow, NJW 2002, 3382, 3384. 894 Jastrow, NJW 2002, 3382, 3384.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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ansonsten fehlerfreier Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates eine wirksame Pfändung herbeiführen. Diese Auffassung vermag indes nicht zu überzeugen. Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung schafft nämlich seinem Wortlaut gemäß anders als Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine ihm entsprechende Zustellungsform, weil er eine „Zustellung von der Partei an den ausländischen Gerichtsvollzieher“ nicht zulässt, sondern lediglich „nicht ausschließt“ und demnach für sein Eingreifen voraussetzt, dass der Gerichtsstaat eine Rechtsgrundlage für diese Form der Auslandszustellung schafft. Selbst wenn man dies bei Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung entgegen der hier vertretenen Auffassung ebenso sehen wollte, unterschieden sich diese beiden Fälle jedenfalls dadurch, dass § 183 Abs. 3 Satz 2 ZPO die „Zustellung gemäß Art. 14 Abs. 1“ ausdrücklich vorsieht und modifiziert und somit auf jeden Fall eine deutsche Rechtsgrundlage für diese Zustellungsform schafft. Eine derartige – § 183 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprechende – Rechtsgrundlage für Zustellungen gemäß Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung fehlt indes im deutschen Zustellungsrecht. § 191 ZPO schafft diese Rechtsgrundlage nicht, da er einen ganz anderen Fall als den der Parteizustellung gemäß Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung regelt. Dies ergibt sich daraus, dass die Zustellungsverordnung inhaltlich und regelungstechnisch in wesentlichen Punkten dem „Vorbild“ des Haager Zustellungsübereinkommens (HZÜ) nachempfunden ist895. Das HZÜ sieht aber als Formen der Direktzustellung neben der Zustellung unmittelbar durch die Post (Art. 10 a HZÜ) und der dem Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung entsprechenden Zustellung eines am Verfahren Beteiligten unmittelbar durch ein Zustellungsorgan des Empfangsstaates (Art. 10 c HZÜ) die Zustellung „von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher“ 896 (Art. 10 b HZÜ) vor. Eine Zustellung gemäß §§ 191, 183 Abs. 3 ZPO, Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung stünde dieser „Zustellung von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher“ näher als der Zustellung nach dem Modell des Art. 10 c HZÜ und des Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung. Deckungsgleich mit der Zustellung nach dem Modell des Art. 10 b HZÜ wäre zwar auch sie nicht, weil die „Zustellung von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher“ nicht auf die Zustellung im Parteibetrieb beschränkt ist. Sie hätte aber wegen der zwingenden funktionellen Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers für die Zustellung im Parteibetrieb (§ 192 Abs. 1 ZPO) mit der Zustellung 895
Vgl. etwa Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 183: „Vergleicht man die ZustVO mit dem HZÜ, dominieren zunächst die Gemeinsamkeiten“; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2074. 896 So die zwischenzeitlich im Fachjargon eingebürgerte, anschauliche Umschreibung dieser Form der Direktzustellung. Vgl. dazu ausführlich G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 26, S. 205 f. und S. 283.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
nach dem Modell des Art. 10 b HZÜ strukturell gemeinsam, dass der deutsche Gerichtsvollzieher das ausländische Zustellungsorgan mit der Zustellung im Empfangsstaat beauftragen müsste. Genau diese zwingende Zwischenschaltung des inländischen Gerichtsvollziehers soll aber nach dem Wortlaut des Art. 10 c HZÜ und Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung, die die Möglichkeit der Beauftragung des ausländischen Zustellungsorgans „unmittelbar“ durch den Verfahrensbeteiligten vorsehen, nicht erforderlich sein. Schon dies ergibt, dass die Regelung der Parteizustellung in §§ 191 ff. ZPO nicht auf die Zustellung gemäß Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung „passt“ und daher keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Eröffnung dieser Zustellungsform im deutschen Recht ist. Ein weiterer Grund dafür, dass § 191 ZPO als Rechtsgrundlage für die Eröffnung des Zustellungswegs des Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung in der Bundesrepublik Deutschland nicht genügt, ist, dass sich ein auf Eröffnung dieses Zustellungswegs gerichteter Gesetzgeberwille nicht hinreichend deutlich und bestimmt genug aus § 191 ZPO ergibt, wie ein Vergleich zu § 183 Abs. 3 Satz 2 ZPO ergibt. Der deutsche Gesetzgeber hat im Hinblick auf das HZÜ der Zustellungsform der Direktzustellung „von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher“ stets ablehnend gegenüber gestanden und ihre Einführung als mit dem System der Auslandszustellung nach deutschem Recht unvereinbar angesehen897. Solange er nicht durch eine eindeutige Eröffnung dieses Zustellungswegs mittels einer mit § 183 Abs. 3 Satz 2 ZPO vergleichbaren Norm von dieser Haltung Abstand nimmt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine „stillschweigende“ Einführung dieser Zustellungsform über den wortlautmäßig neutralen § 191 ZPO gewollt war. Nach alledem steht dem Vollstreckungsgläubiger im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung die Alternative, gemäß § 183 Abs. 3 ZPO, Art. 15 Abs. 1 Zustellungsverordnung ein ausländisches Zustellungsorgan selbst mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beim Drittschuldner zu beauftragen, nicht zur Verfügung. 5. Zustellung an den Vollstreckungsschuldner durch Aufgabe per Post (§§ 829 Abs. 2 Satz 4 bzw. 835 Abs. 3 Satz 1, 191, 184 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO)
Für die nach der Drittschuldnerzustellung gemäß §§ 829 Abs. 2 Satz 2, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderliche Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nebst Abschrift einer die Drittschuldnerzustellung dokumentierenden Zustellungsurkunde an den Vollstreckungsschuldner sieht 897 Vgl. dazu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 205 f.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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§§ 829 Abs. 2 Satz 4, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO die unkomplizierte Möglichkeit der Zustellung durch Aufgabe per Post (§§ 191, 184 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO) vor. Fraglich ist, ob diese Vorgehensweise auch im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung zulässig ist, obgleich die Zustellungsverordnung die Zustellung durch Aufgabe zur Post nicht vorsieht. Dies ist zu bejahen, weil es sich bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post nicht um eine Auslandszustellung, sondern um eine fiktive Inlandszustellung handelt, da sie gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwei Wochen nach der Aufgabe zur Post als bewirkt „gilt“ und der fiktive Zustellungsakt mithin an einen Inlandsvorgang anknüpft898. Da das Zustellungsübereinkommen nur die Durchführung, also das „Wie“, von Auslandszustellungen regelt und die Frage, ob eine Inlands- oder eine Auslandszustellung durchzuführen ist, nicht Regelungsgegenstand der Verordnung ist, sondern autonom durch das nationale Zustellungsrecht bestimmt wird899, kann die Anordnung und Ausgestaltung einer fiktiven Inlandszustellung durch das deutsche Zustellungsrecht nicht gegen die Zustellungsverordnung verstoßen. Demnach müssen900 die an den auslandsdomizilierten Vollstreckungsschuldner zuzustellenden Pfändungsurkunden auch im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. 6. „Taktische Überlegungen“ als Konsequenz aus den unterschiedlichen funktionellen Zuständigkeiten
Im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung kann der Vollstreckungsgläubiger also in jedem Fall die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den auslandsdomizilierten Drittschuldner erreichen. Dabei kann er zwischen der Zustellung im Rechtshilfeverkehr und der Zustellung unmittelbar durch die Post frei wählen, indem er entweder einen Antrag auf Erlass und Übermittlung eines Zustellungsersuchens an das Vollstreckungsgericht stellt oder dem Gerichtsvollzieher einen Zustellungsauftrag erteilt. Regelmäßig wird ihm anzuraten sein, sich für die Zustellung unmittelbar durch die Post zu entscheiden, da der Erfolg des Pfändungsverfahrens wesentlich von der Schnelligkeit der Drittschuldnerzustellung abhängt (vgl. §§ 829 Abs. 3 Satz 1, 804 Abs. 3 ZPO) und die Zustellung unmittelbar durch die Post gegenüber der Zustellung im Rechtshilfeverkehr der schnellere Weg ist. Um bei der Entscheidung für die Zustellung unmit898 Vgl. statt aller G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 38 f. 899 R. Geimer in: Zöller, ZPO, § 183 Rdnr. 14. 900 Das Gesetz lässt dem Gerichtsvollzieher, wie sich dem eindeutigen Wortlaut des § 829 Abs. 2 Satz 4 ZPO entnehmen lässt, nicht die Wahl, anstelle der Zustellung durch Aufgabe zur Post eine andere Zustellungsform zu wählen.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
telbar durch die Post den Zustellungsvorgang weiter zu beschleunigen, empfiehlt es sich regelmäßig, schon gleichzeitig mit dem Pfändungsgesuch die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gemäß § 192 Abs. 3 ZPO mit der Vermittlung des Zustellungsauftrags an den Gerichtsvollzieher zu beauftragen901. Dabei sollte der – anwaltlich vertretene – Vollstreckungsgläubiger sich über die vom jeweiligen Empfangsmitgliedsstaat gemäß Art. 14 Abs. 2 Zustellungsverordnung vorgegebenen Übersetzungserfordernisse erkundigen und dem Pfändungsgesuch gegebenenfalls bereits Übersetzungen des von ihm eingereichten Beschlussentwurfes beifügen, um die Zustellung maximal zu beschleunigen. II. Zustellung im Anwendungsbereich multi- bzw. bilateraler Zustellungsübereinkommen 1. Anwendungsbereiche (Abgrenzung zur Zustellungsverordnung)
Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragspartner zahlreicher völkerrechtlicher Verträge, die die Auslandszustellung in „Zivil- und Handelssachen“902 regeln. Rein formal kann man insoweit zwischen multilateralen und bilateralen Zustellungsübereinkommen unterscheiden und bei den bilateralen Zustellungsübereinkommen wiederum danach differenzieren, ob es sich um Zusatz- bzw. Vereinfachungsübereinkommen zu den multilateralen Übereinkommen oder um selbständige bilaterale Übereinkommen handelt. 901
Vgl. Stöber in: Zöller, ZPO, § 192 Rdnr. 8. Auch hier stellt sich wiederum stets die Frage nach der für das Merkmal „Zivil- und Handelssachen“ maßgeblichen Qualifikationsrechtsordnung. Die dazu vertretenen Auffassungen und ihre wesentlichen Argumente sind bereits im Zusammenhang mit der Erörterung des Parallelproblems in Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung vorgestellt worden. Anders als bei Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung ist bei den völkervertraglichen Übereinkommen indes nach Ansicht des Verfassers eine vertragsautonome Auslegung nicht zu befürworten. Das wünschenswerte Ziel einer solchen vertragsautonomen Auslegung, nämlich die einheitliche Handhabung des Übereinkommens in den Mitgliedsstaaten, lässt sich mangels eines für die Auslegung des Vertrages zuständigen gemeinsamen Obergerichts der Staaten anders als bei Art. 1 Abs. 1 Zustellungsverordnung praktisch nicht realisieren. Da die Doppelqualifikation, wie bereits gezeigt, stets eine Rechtsordnung einseitig begünstigt und das Abstellen auf das Recht des Gerichtsstaates dem Missbrauch Tür und Tor öffnet (Schulbeispiel: Qualifikation einer Enteignung als „Zivilsache“), ist daher im Anwendungsbereich der Zustellungsübereinkommen trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten der Auffassung der Vorzug einzuräumen, die das materielle Recht des Empfangsstaates zur maßgeblichen Qualifikationsrechtsordnung erklärt. Vgl. zu dieser überzeugenden Argumentationskette: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 65–75. Zur Bedeutung eines gemeinsamen Obergerichts der Vertragsstaaten als „wesentliche Erfolgsbedingung für die Rechtsangleichung“ vgl. statt aller: Koch, JuS 2003, 105, 110. 902
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Unter den die Auslandszustellung regelnden multilateralen Übereinkommen sind in erster Linie die „Haager Übereinkommen“ zu nennen, denen die Bundesrepublik Deutschland „beigetreten“ ist. Praktisch relevant903 sind insofern das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 01.03.1954 (HZPÜ)904, das in Art. 1–7 Regelungen über die Auslandszustellung enthält, und das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 (HZÜ)905. Das HZPÜ gilt bezüglich der in ihm enthaltenen Regeln über die Auslandszustellung gegenüber den Vertragsstaaten, die zwar das HZPÜ, nicht aber das HZÜ ratifiziert haben. Das praktisch bedeutsamere906 HZÜ, das gemäß seinem Art. 22 an die Stelle der Zustellungsregeln des HZPÜ tritt, gilt einerseits im Verhältnis zu den HZPÜ-Vertragsstaaten, die auch HZÜ-Vertragsstaaten sind, und andererseits gegenüber den HZÜ-Vertragsstaaten, die dem HZPÜ nicht beigetreten sind, es also sozusagen „übersprungen“ haben. Da die Haager Übereinkommen lediglich einen Mindeststandard des internationalen Rechtsverkehrs aufstellen, eine weitergehende Regelung durch die Vertragsstaaten aber nicht unterbinden wollen, ermöglichen sie den Abschluss von Annex- bzw. Zusatzvereinbarungen907. Aus diesem Grunde existieren im Verhältnis zu einigen Vertragsstaaten der Haager Übereinkommen zusätzliche bilaterale Übereinkommen zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs, die auch dann fortgelten, wenn ein 903 Das durch das HZPÜ abgelöste Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 17.07.1905 (RGBl. 1909. 410 ff.) spielt im heutigen internationalen Rechtshilfeverkehr der Bundesrepublik Deutschland praktisch kaum noch eine Rolle, da es nur noch im Verhältnis zu Island unstrittig gilt. Ob es darüber hinaus auch noch im Verhältnis zu Lettland gilt, oder ob insoweit das HZPÜ eingreift, ist umstritten. Vgl. einerseits Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 108 Fußn. 220 m. N. zur Gegenansicht und anderseits G. Geimer, Die Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 175 und S. 179. 904 BGBl. 1958 II, S. 576; Ausführungsgesetz: BGBl. 1958 I, S. 939. Zu den „reinen“ HZPÜ-Vertragsstaaten vgl. die Listen der Vertragsstaaten mit den jeweiligen Fundstellennachweisen im Bundesgesetzblatt bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 175; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 108, Fußn. 222 (Stand: 31.12.1994). 905 BGBl. 1977 II, S. 1453. Ausführungsgesetz: BGBl. 1977 I, S. 3105. Zu den HZPÜ-Vertragsstaaten, die auch HZÜ-Vertragsstaaten sind vgl. die Listen der Vertragsstaaten mit den jeweiligen Fundstellennachweisen im Bundesgesetzblatt bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 176 sowie Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 108, Fußn. 223 (Stand: 31.12.1994). Zu den „Nur“-HZÜ-Vertragsstaaten: vgl. die Listen der Vertragsstaaten mit den jeweiligen Fundstellennachweisen im Bundesgesetzblatt bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 179; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 110, Fußn. 224 (Stand: 31.12.1994). 906 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 110. 907 Vgl. statt aller: Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 111.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
Vertragsstaat sie mit einem anderen Vertragsstaat im Rahmen eines der vorgehenden Haager Abkommens abgeschlossen hat908. Schließlich hat die Bundesrepublik Deutschland einige selbständige, d.h. von den Haager Übereinkommen unabhängige, bilaterale Rechtshilfeverträge geschlossen, die, wenn die Vertragsparteien auch Mitgliedsstaaten der Haager Übereinkommen, also etwa des HZÜ, sind, von diesen nicht verdrängt werden, weil die Haager Übereinkommen nur einen Mindeststandard im Rechtshilfeverkehr setzen wollen und daher weiter gehenden Regelungen per se nicht entgegenstehen, so dass diese bilateralen Verträge neben den Haager Übereinkommen zur Anwendung kommen (vgl. Art. 25 HZÜ)909. Die vorstehend angeführten multi- bzw. bilateralen Übereinkommen werden im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung von dieser verdrängt, sofern sie keine weitergehenden, mit der Verordnung vereinbare Bestimmungen zur weiteren Beschleunigung oder Vereinfachung enthalten sollten (Art. 20 Abs. 1, 2 Zustellungsverordnung), was kaum vorkommen dürfte. Ferner hindert die Verordnung die Mitgliedsstaaten nicht daran, in ihrem Anwendungsbereich künftig weitergehende, mit der Verordnung vereinbare Übereinkommen abzuschließen (Art. 20 Abs. 2 Zustellungsverordnung). Soweit nach dem autonomen deutschen Zivilprozessrecht (wie z. B. § 828 Abs. 2 ZPO) bzw. der Verordnung Nr. 44/2001 künftig eine Auslandszustellung vorzunehmen ist, ist für den Regelfall also künftig zunächst zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung eröffnet ist und eine in ihr enthaltene Regelung eingreift. Ist dies nicht der Fall, so kann ein bilaterales Übereinkommen zur Anwendung kommen, wobei im Anwendungsbereich der Verordnung zusätzlich zu prüfen ist, ob die in dem bilateralen Übereinkommen vorgesehene, einschlägige Regelung mit der Verordnung vereinbar ist. Kommt auch kein bilaterales Übereinkommen zum Zuge, ist zu prüfen, ob eines der Haager Übereinkommen in Betracht kommt, wobei das HZÜ Anwendungsvorrang vor dem HZPÜ genießt. Nur wenn keine der vorstehenden Rechtsgrundlagen zur Anwendung kommt bzw. für den vorgesehenen Fall keine Regelung enthält, kann das autonome deutsche Recht der Auslandszustellung eingreifen, wobei im Anwendungsbereich der Verordnung bzw. eines der Übereinkommen stets sorgfältig zu prüfen ist, ob die einschlägige Bestimmung mit den vorrangigen Rechtsgrundlagen vereinbar ist. 908 Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 42 f.; vgl. die Zusammenstellung der deutschen Zusatzübereinkommen und ihrer wesentlichen Inhalte bei: G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 189–192. 909 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 114; Zusammenstellungen der Verträge bei Kondring, a. a. O., S. 113 f.; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 193–197 mit knapper Darstellung und Bewertung der wesentlichen Inhalte.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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2. Zustellungen im Anwendungsbereich der Haager Übereinkommen
a) Förmliche910 Zustellung nach dem Rogationsprinzip (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, Art. 2–7 HZÜ) aa) Förmliche Zustellung im Rechtshilfeverkehr nach dem HZÜ Anders als die Zustellungsverordnung, die sich bei Zustellungen im Rechtshilfeverkehr für den unmittelbaren Behördenverkehr entschieden hat, sieht das HZÜ nur den „zweitschnellsten“ Übermittlungsweg, den ministeriellen Verkehr, vor. Vom „ministeriellen Verkehr“ spricht man deshalb, weil das vom Gerichtsstaat ausgehende Zustellungsersuchen an eine von den Mitgliedsstaaten gemäß Art. 2 HZÜ zu errichtende „Zentrale Behörde“ des Empfangsstaates zu richten ist, die von vielen Mitgliedsstaaten auf Ministerialebene (z. B. beim Justizministerium) angesiedelt worden ist911. Für Rechtshilfeverhältnisse relativ schnell und unkompliziert ist der ministerielle Verkehr deswegen, weil die Zentrale Behörde des ersuchten Staates ihrerseits die Zustellung selbst vollzieht oder von den nach innerstaatlichem Recht zuständigen Behörden bewirken lässt und durch das Übereinkommen nicht festgelegt ist, in welcher Weise und durch welche Behörde der ersuchende Gerichtsstaat das Ersuchen an die Zentrale Behörde des ersuchten Staates zu übermitteln hat (vgl. Art. 5 HZÜ)912. Im Verhältnis der Bundesrepublik zu einigen Vertragsstaaten gilt allerdings auf Grund weitergehender, vereinfachender, bilateraler Abkommen anstelle des ministeriellen Verkehrs der sogenannte unmittelbare Behördenverkehr913. Im Falle ei910
Förmliche und formlose Zustellung im Rechtshilfeverkehr grenzen sich dadurch voneinander ab, dass die förmliche Zustellung auch bei fehlender Annahmebereitschaft des Zustellungsempfängers durchgeführt werden kann, während die formlose Zustellung nur bei Annahmebereitschaft des Zustellungsadressaten durchführbar ist (vgl. statt aller: R. Geimer in: Zöller, ZPO, § 183 Rdnr. 62). Die ZRHO definiert in § 5 Nr. 1 a und b: „Anträge auf formlose Zustellung, auf Grund deren die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger bewirkt werden soll, wenn er zur Annahme bereit ist; Anträge auf förmliche Zustellung, auf Grund deren die Zustellung entweder in der Form, die durch die innere Gesetzgebung des ersuchten Staates für gleichartige Zustellungen vorgeschrieben ist, oder in einer besonderen Form bewirkt werden soll, die der ersuchende Staat gewünscht hat“. Die Möglichkeit formloser Zustellungen im vertraglichen Rechtshilfeverkehr wird nicht näher beleuchtet, da sie bei fehlender Annahmebereitschaft des Zustellungsadressaten (Drittschuldners) scheitert, und daher bei der Drittschuldnerzustellung, bei der es ganz entscheidend auf den Zeitfaktor ankommt (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO), vollkommen ungeeignet ist. Vgl. Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, 95, 112. 911 Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 64. 912 Vgl. statt aller: Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 264.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
nes solchen Abkommens kann das Zustellungsersuchen also unmittelbar der für die Zustellung im Empfangsstaat zuständigen Behörde übermittelt werden. Für aus der Bundesrepublik Deutschland ausgehende Ersuchen greift mangels speziellerer, abweichender Regelung im HZÜ § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, wonach das Zustellungsersuchen vom Vorsitzenden des „Prozessgerichts“ erlassen wird. Im Pfändungsverfahren tritt an dessen Stelle der Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht (§§ 828 Abs. 2 ZPO, 20 Nr. 17 RpflG)914. Die jeweils örtlich zuständigen Rechtspfleger leiten die Ersuchen gemäß §§ 9, 27 ZRHO an die Prüfstellen (i. d. R. die zuständigen Gerichtspräsidenten, vgl. § 9 Abs. 2 ZRHO) weiter, die die Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen seit dem Beschluss der Justizministerkonferenz von 1998 mangels Besorgnis der Beeinträchtigung der Hoheitsrechte des ersuchten Staates nicht mehr gemäß § 28 Abs. 2 ZRHO der Landesjustizverwaltung vorlegen müssen, sondern bedenkenlos an die Zentralen Behörden des Empfangsstaates bzw. im bilateral vereinbarten unmittelbaren Behördenverkehr an dessen zustellende Behörden weiterleiten dürfen. Da der Übermittlungsweg an die Zentralen Behörden nicht im HZÜ geregelt ist, können die deutschen Prüfstellen jeden geeigneten, unkomplizierten Weg (wie z. B. den per Luftpost oder Kurierdienst915) wählen. Die Beseitigung der früher wegen des starren deutschen Souveränitätsdenkens bestehenden innerstaatlichen „Hürde“ in § 28 Abs. 2 ZRHO besagt allerdings nicht, dass Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Anwendungsbereich des HZÜ nunmehr stets unproblematisch im Wege des Rechtshilfeverkehrs an in Vertragsstaaten domizilierte Drittschuldner zugestellt werden könnten. Denn es ist weiterhin denkbar, dass der ersuchte Vertragsstaat sich – wie vor 1998 die deutschen Justizverwaltungen auch – auf den Standpunkt stellt, dass das Zustellungsbegehren seine Hoheitsrechte gefährdet und er deswegen gemäß Art. 13 HZÜ berechtigt ist, die Ausführung des Zustellungsersuchens zu verweigern. Überzeugend wäre diese Position zwar nicht, weil der rechtshilferechtliche Ordre-Public in Art. 13 HZÜ wegen seiner von den gängigen Ordre-PublicKlauseln abweichenden tatbestandlichen Fassung nach der zutreffenden h. M. eng auszulegen ist916 und daher bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, die – vorbehaltlich einer späteren, durch die Rechtshilfegewährung nicht präjudizierten Anerkennung – von vorneherein keine Geltung im 913
Vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2137. Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 71. 915 Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 264. In der deutschen Praxis dominiert der Postweg: vgl. Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 64. 916 Vgl. statt aller: G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 71 f.; Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 97 ff. m. w. N. zur Gegenansicht. 914
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Empfangsstaat beanspruchen und sich nur auf private Rechtsverhältnisse beziehen, nicht greift917. Im Übrigen ist es ja gerade das Charakteristikum jeder Rechtshilfehandlung, dass Akte fremder Staatsgewalt im um Rechtshilfe ersuchten Staat zur Wirksamkeit gebracht werden918. Das ändert aber nichts daran, dass die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei Berufung des Empfangsstaates auf Art. 13 HZÜ faktisch scheitert (vgl. Art. 14 HZÜ). In der Praxis sollte diese Gefahr des Scheiterns des Zustellungsersuchens wegen Art. 13 HZÜ – vorbehaltlich des Bestehens einer gefestigten „Verweigerungspraxis“ eines Empfangsstaates – allerdings nicht überwertet werden. Dies deshalb, weil die Zahl der Staaten, die ihre Hoheitsrechte durch ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gefährdet sehen, im Einklang mit dem weltweiten Trend der Liberalisierung des Souveränitätsverständnisses im Schwinden begriffen sein soll919. Im Übrigen hat mancher Staat (wie z. B. die Schweiz) bei deutschen Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in der Zeit vor 1998 aus Gegenseitigkeitserwägungen von Art. 13 HZÜ Gebrauch gemacht920, wozu seit des Meinungswandels der deutschen Justizverwaltungen nunmehr kein Grund mehr besteht. Sofern ein Vertragsstaat (wie z. B. auch die Bundesrepublik Deutschland für eingehende Ersuchen) in notifizierter Form erklärt hat, dass er bei förmlichen Zustellungen im Anwendungsbereich des HZÜ stets eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks verlangt, sind die deutschen Zustellungsorgane völkerrechtlich verpflichtet, dem Zustellungsersuchen eine Übersetzung der Pfändungsurkunden beizufügen (vgl. Art. 5 Abs. 3 HZÜ)921. Da im Übrigen eine solche Verpflichtung nicht besteht, ist eine 917 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 74 f. m. w. N.; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 122. 918 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 122. 919 Gottwald, IPRax 1999, 395 f. Selbst die in Souveränitätsfragen regelmäßig sehr konservative Schweiz stellt beispielsweise französische Drittschuldneranzeigen problemlos zu: vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 75. 920 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 75; I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 117. 921 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 279; a. A. Stade, NJW 1993, 184, 185, der meint formell korrekt notifizierte Übersetzungserfordernisse zu Art. 5 Abs. 3 HZÜ seien rechtlich unbeachtlich, da Art. 5 Abs. 3 HZÜ keinen generellen Widerspruchsvorbehalt normiere und daher lediglich im jeweiligen Einzelfall erklärte Vorbehalte abdecke. Die Notifikation eines entsprechenden Übersetzungserfordernisses sei, da sie keinen vom HZÜ vorgesehenen Vorbehalt betreffe, lediglich eine einseitige Mitteilung ohne vertragsmodifizierenden Charakter. Diese Argumentation übersieht indes, dass die Ermächtigung, im Einzelfall die Übersetzung verlangen zu dürfen, auch die verbindliche Notifikation eines abstrakt-generellen Übersetzungserfordernisses abdeckt, da es auf eine überzogene Förmelei hinausliefe, einen
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
erfolgreiche Zustellung von nicht übersetzten Pfändungsurkunden im Anwendungsbereich des HZÜ stets wirksam922. Stellt man aber in Rechnung, dass nach der Verwaltungsvorschrift des § 25 Abs. 1 ZRHO bei förmlichen Zustellungsersuchen stets Übersetzungen des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen sind, werden in der Praxis nur selten nicht übersetzte Pfändungsurkunden zugestellt werden. Daher ist es zu Beschleunigungszwecken in jedem Falle ratsam, den an das Vollstreckungsgericht gerichteten Anträgen auf Erlass eines an HZÜ-Vertragsstaaten gerichteten Zustellungsersuchens von einem vereidigten Dolmetscher bzw. Übersetzer gefertigte (§ 25 Abs. 1 Satz 1 ZRHO) Übersetzungen der Pfändungsurkunden beizufügen. bb) Förmliche Zustellung im Rechtshilfeverkehr nach dem HZPÜ (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, Art. 1–5 HZPÜ) Im Gegensatz zu dem vom HZÜ als Regelfall vorgesehenen ministeriellen Verkehr sieht das HZPÜ bei der Zustellung im Rechtshilfeverkehr den konsularischen Übermittlungsweg vor (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 HZPÜ). Das bedeutet, dass das vom Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht auf den Vollstreckungsgläubigerantrag hin erlassene Zustellungsersuchen (§§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 20 Nr. 17 RpflG) über die deutschen Prüfstellen (§§ 9, 27 ZRHO: i. d. R. die jeweiligen Gerichtspräsidenten) an den deutschen Konsul im Empfangsmitgliedsstaat weitergeleitet wird. Dieser wendet sich dann gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 HZPÜ als Antragsteller an die vom Empfangsstaat zu bezeichnende Stelle, die sodann die Zustellung bewirkt923. Auch hier ist wiederum auf Grund der veränderten Haltung der deutschen Justizverwaltungen nicht mehr damit zu rechnen, dass die Übermittlung des einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffenden Zustellungsersuchens an der verweigerten Weiterleitung durch deutsche Behörden scheitert. Vielmehr besteht ebenso wie im Rahmen des HZÜ lediglich die Möglichkeit, dass der ersuchte Staat sich auf den – wenig überzeugenden – Standpunkt stellen kann, das Zustellungsersuchen sei ordre-public-widrig i. S. des Art. 4 HZPÜ und deswegen die Erledigung des Ersuchens unanfechtbar (vgl. Art. 1 Abs. 2 HZPÜ) verweigert. Staat, der nun mal aus Prinzip stets auf Übersetzung besteht, darauf zu verweisen, in jedem Einzelfall ein Übersetzungsverlangen gemäß Art. 5 Abs. 3 HZÜ auszusprechen. Das würde überdies zu einer unnötigen Verfahrensverzögerung führen, weil das Übersetzungsverlangen gemäß Art. 5 Abs. 3 HZÜ das Verfahren länger blockiert, als ein den ersuchenden Staaten vorab bekannt gemachtes abstrakt-generelles Übersetzungserfordernis, das bereits bei der Übermittlung des Zustellungsersuchens berücksichtigt werden kann. 922 Vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 97 f. 923 Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 61.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Was das Übersetzungserfordernis angeht, so ist die Notwendigkeit von Übersetzungen in die Sprache des Empfangsstaates auf Grund der klaren Regelung in Art. 3 Abs. 2, 3 HZPÜ im Gegensatz zur Regelung im HZÜ bei Anträgen auf förmliche Zustellung stets zu bejahen. Wenn der Vollstreckungsgläubiger zu Beschleunigungszwecken bereits Übersetzungen anfertigen lässt, sollte er wegen Art. 3 Abs. 3 HZPÜ zugleich für eine Beglaubigung der Übersetzung durch den vereidigten Dolmetscher bzw. Übersetzer sorgen. b) Mögliche Formen der Direktzustellung aa) Zustellung unmittelbar durch die Post im Anwendungsbereich des HZÜ (§ 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 10a HZÜ) § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ermöglicht Auslandszustellungen durch Einschreiben mit Rückschein, „soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen“. Demnach kommt es im Anwendungsbereich des HZÜ darauf an, ob das HZÜ dem Vertragsstaat Deutschland die Befugnis zur Zustellung unmittelbar per Post in andere Vertragsstaaten einräumt. Nach dem Wortlaut des Art. 10a HZÜ ist das der Fall, „sofern der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch erklärt hat“. Stellt man alleine auf den Wortlaut des Art. 10a HZÜ ab, so hinge die völkervertraglich vereinbarte Befugnis der Bundesrepublik zur Auslandspostzustellung in einen HZÜ-Vertragsstaat davon ab, ob der jeweilige Vertragsstaat wirksam Widerspruch gegen Zustellungen gemäß Art. 10a HZÜ erklärt hat. Dies wird in der Tat im deutschsprachigen Schrifttum von einigen Autoren vertreten924 und würde bedeuten, dass im Anwendungsbereich des HZÜ Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an Drittschuldner, die in Vertragsstaaten domiziliert sind, die keinen Widerspruch gemäß Art. 10a HZÜ erklärt haben925, unmittelbar per Post zugestellt werden können. Die dies vertretenden Autoren begründen ihre Auffassung damit, Art. 10 HZÜ setze die Verbürgung der Gegenseitigkeit zu dem jeweils betroffenen Vertragsstaat nicht voraus, weil der Wortlaut der Vorschrift expressis verbis keinen Gegenseitigkeitsvorbehalt enthalte. Der von Deutschland gegenüber allen Zustellungsformen des Art. 10 HZÜ er924 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 184 f.; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 418, der allerdings im Ergebnis zutreffend aus § 6 Satz 2 Ausführungsgesetz zu den Haager Zustellungs- und Beweisübereinkommen ein an die deutschen Gerichte (bzw. Gerichtsvollzieher) gerichtetes Verbot der Auslandszustellung per Post ableitet; A. Junker, IPRax 1986, 197, 204. 925 Vgl. etwa die Zusammenstellung bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 183 f.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
klärte Widerspruch926 hindere mithin die Postzustellung in Vertragsstaaten, die ihrerseits keinen Widerspruch erklärt hätten, nicht927. Gegen diese Argumentation spricht indes der völkervertragsrechtliche Einwand, dass die einen völkervertraglich vereinbarten Widerspruchsvorbehalt ausfüllende Erklärung eines Vertragstaates gemäß Art. 21 Abs. 1 b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention)928, 929 im Verhältnis zu den von der Vorbehaltserklärung betroffenen Vertragsstaaten automatisch Gegenseitigkeitswirkungen auslöst. Daher ist es gerade umgekehrt: Da in Art. 10a HZÜ nicht ausdrücklich angeordnet wird, dass ein von einem Vertragsstaat erklärter Widerspruch keine Gegenseitigkeitswirkungen im Verhältnis zu den übrigen Vertragsstaaten entfaltet, führt der von der Bundesrepublik erklärte Widerspruch zu allen Zustellungsformen des Art. 10 HZÜ dazu, dass auch die Bundesrepublik die in Art. 10 HZÜ vorgesehenen Zustellungsformen nicht gegenüber den anderen Vertragsstaaten in Anspruch nehmen darf930. Mithin ist der Bundesrepublik Deutschland im Anwendungsbereich des HZÜ die Auslandszustellung unmittelbar per Post auch in die HZÜ-Vertragsstaaten völkervertraglich nicht gestattet, die keinen Widerspruch gemäß Art. 10a HZÜ erklärt haben. Daher können auch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nicht auf diese Weise zugestellt werden. bb) Zustellung unmittelbar durch die Post im Anwendungsbereich des HZPÜ (§ 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HZPÜ) Möglicherweise kommen Zustellungen unmittelbar per Post gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Anwendungsbereich des HZPÜ in Betracht, dessen Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 es nicht ausschließt, dass Schriftstücke den im Ausland 926 BGBl. 1979 II, S. 779. Vgl. ferner § 6 Ausführungsgesetz zu den Haager Zustellungs- und Beweisübereinkommen vom 22.12.11987, BGBl. 1977 I, S. 3105. 927 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 184. 928 Art 21 Abs. 1 Nr. 1 lautet wie folgt: „Ein gegenüber einer anderen Vertragspartei nach den Artikeln 19, 20 und 23 erklärter Vorbehalt a) ändert für den den Vorbehalt anbringenden Staat im Verhältnis zu der anderen Vertragspartei die Vertragsbestimmungen, auf die sich der Vorbehalt bezieht, in dem darin vorgesehenen Ausmaß und b) ändert diese Bestimmungen für die andere Vertragspartei im Verhältnis zu dem den Vorbehalt abringenden Staat in demselben Ausmaß“. 929 Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 b normiert einen schon vor Inkrafttreten der Vertragsrechtskonvention allgemein anerkannten Grundsatz des Völkervertragsrechts, so dass auch dann, wenn man das Übereinkommen wegen seines zeitlichen Anwendungsbereichs nicht auf das HZÜ anwenden wollte, nichts anderes gelten würde. Vgl. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 130. 930 Gsell, EWS 2002, 115, 119; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 130 f.; ders., IPRax 1997, 242; offen gelassen von Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, 95, 108.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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befindlichen Beteiligten durch die Post übersandt werden dürfen. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 HZPÜ macht diese Befugnis allerdings davon abhängig, dass sie dem Gerichtsstaat durch ein gesondertes (bilaterales) Abkommen zwischen den beteiligten Staaten eingeräumt wird oder der Empfangsstaat ihr beim Fehlen solcher Abkommen nicht widerspricht. Demnach ist also zwischen den HZPÜ-Vertragsstaaten, mit denen die Bundesrepublik bilaterale Zusatzübereinkommen geschlossen hat, und jenen, mit denen sie kein solches Zusatzübereinkommen geschlossen hat, zu unterscheiden. Besteht ein Zusatzübereinkommen, kommt es darauf an, ob dieses Übereinkommen die Postzustellung zwischen den Vertragsstaaten ausdrücklich zulässt. Nur dann ist sie gemäß Art. 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 HZPÜ im Verhältnis zu diesem Staat zulässig. Schweigt das Zusatzübereinkommen oder schließt es die Postzustellung gar aus, so scheidet sie im Verhältnis zu diesem Staat aus931. Da es bislang, soweit ersichtlich932, kein von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenes Zusatzübereinkommen zum HZPÜ gibt, in dem die Postzustellung ausdrücklich zugelassen wird, ist davon auszugehen, dass die Postzustellung gegenüber den „Nur-HZPÜ-Vertragsstaaten“933, mit denen (nach dem 01.03.1954)934 ein Zusatzabkommen geschlossen worden ist, nicht völkervertraglich zugelassen ist. Möglicherweise gilt das auch für Postzustellungen in die Nur-HZPÜ-Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine Zusatzübereinkommen abgeschlossen hat, wenn sie gegenüber diesen Staaten der Postzustellung wirksam widersprochen hat, was gemäß Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 b Wiener Vertragsrechtskonvention umfassende Gegenseitigkeitswirkungen auslösen würde. Dagegen spricht aber, dass eine völkerrechtlich wirksame Widerspruchserklärung der Bundesrepublik Deutschland bislang, soweit ersichtlich, nicht erfolgt ist. Dies ist, wie Jayme nachgewiesen hat935, darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung bisher einer Literaturstelle Glauben geschenkt hat, wonach ein entsprechender deutscher Widerspruch im Schweizerischen Bundesblatt mitgeteilt worden sei936. Die Überprüfung Jaymes hat aber ergeben, dass diese Fundstelle nur 931
G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 187 f. Vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 189– 192; S. 218–225. 933 So sollen künftig die Staaten bezeichnet werden, die „nur“ dem HZPÜ und nicht auch dem HZÜ beigetreten sind, so dass sich die die Auslandszustellung betreffenden völkervertragsrechtlichen Beziehungen zwischen diesen Staaten nur nach dem HZPÜ und nicht nach dem Art. 6 HZPÜ verdrängenden Art. 10 HZÜ bestimmen. 934 Mit „Zusatzabkommen“ i. S. des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 HZPÜ kann schon begrifflich nur ein solches Abkommen gemeint sein, das zeitlich nach der Vereinbarung des HZPÜ, also nach dem 01.03.1954, abgeschlossen worden ist. So zutreffend G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 187 Fußn. 79. 935 Jayme, IPRax 1997, 195. 932
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
einen von Seiten der deutschen Reichsregierung erklärten Widerspruch gegen Postzustellungen durch die Schweizer Behörden im Anwendungsbereich des Vorgängerübereinkommens zum HZPÜ von 1905 dokumentiert937. Offenbar ist es damals zu keiner generellen Widerspruchserklärung gekommen, weil man den Widerspruchsvorbehalt gegenüber verschiedenen Vertragsstaaten flexibel einzusetzen gedachte938. Liegt mithin kein dokumentierter rechtsverbindlich erklärter Generalwiderspruch der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 6 Abs. 2 HPZÜ vor939, so kann auch Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 b Vertragsrechtskonvention nicht eingreifen. Daraus ergibt sich, dass der Bundesrepublik Deutschland im Anwendungsbereich des HZPÜ Postzustellungen, auch von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, in NurHZPÜ-Vertragsstaaten, mit denen die Bundesrepublik keine Zusatzabkommen abgeschlossen hat940, völkervertragsrechtlich erlaubt sind. Für die demnach in diesen Fällen aussichtsreiche Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen unmittelbar durch die Post ist der Gerichtsvollzieher funktional zuständig (§§ 191, 192 Abs. 1 ZPO). cc) Weitere Formen der Direktzustellung im Anwendungsbereich von HZÜ (Art. 10 b und c HZÜ) bzw. HZPÜ (Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HZPÜ)? Im Anwendungsbereich des HZÜ stellt sich die Frage, ob von der Bundesrepublik Deutschland ausgehende Direktzustellungen in andere Vertragsstaaten „von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher“ gemäß Art. 10 b HZÜ bzw. „unmittelbar von der Partei zum ausländischen Gerichtsvollzieher“ gemäß Art. 10 c HZÜ zulässig sind. Dies ist indes bereits aus den gleichen Gründen wie bei Art. 10a HZÜ zu verneinen. Da die Bundesrepublik Deutschland allen Zustellungsformen des Art. 10 HZÜ wirksam widersprochen hat, muss sie diesen Widerspruch wegen Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 b Wiener Vertragsrechtskonvention auch gegen sich selbst gelten lassen. Aber selbst wenn man dieser Auffassung mit der Gegenansicht nicht folgen wollte, gilt nichts anderes. Denn auch Art. 10 HZÜ ist – ebenso wie Art. 15 der Zustellungsverordnung – so formuliert, dass er in Verbindung mit dem 936 Vgl. Linke, Probleme der internationalen Zustellung, 95, 108; Jayme, IPRax 1997, 195. 937 Jayme, IPRax 1997, 195. 938 Linke, Probleme der internationalen Zustellung, 95, 108. 939 So auch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 186 f.; Linke, Probleme der internationalen Zustellung, 95, 108; Jayme, IPRax 1997, 195 m. w. N. 940 Vgl. die Zusammenstellung dieser Staaten bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 224 m. w. N.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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deutschen Zustimmungsgesetz zum HZÜ nicht als innerstaatliche Rechtsgrundlage ausreicht, sondern vielmehr einer speziell auf die jeweils in ihm vorgesehene Zustellungsform zugeschnittenen innerstaatlichen Rechtsgrundlage bedarf941. Eine solche gibt es nicht. Für die in Art. 10 c vorgesehene Zustellungsform ist dies bereits im Rahmen des identisch konstruierten Art. 15 Zustellungsverordnung dargelegt worden. Aber auch für die in Art. 10 b HZÜ vorgesehene „Zustellung von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher“ trifft dies zu. Insoweit käme als „verwandte“ innerstaatliche Zustellungsform die Parteizustellung gemäß § 191 ff. ZPO in Betracht. Sie „passt“ aber auf die Zustellung gemäß Art. 10 b HZÜ deshalb nicht genau, weil sie auch die – im deutschen Recht dominierende – Amtszustellung erfasst. Der Vergleich mit § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und § 183 Abs. 3 ZPO zeigt zumal wie eine ausreichende innerstaatliche Rechtsgrundlage beschaffen sein muss. Sie muss nämlich entweder die innerstaatlich umgesetzte völkervertragliche Rechtsgrundlage expressis verbis benennen (vgl. § 183 Abs. 3 ZPO) oder dem im Übereinkommen vorgesehenen Zustellungsweg exakt entsprechen (vgl. § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Beides ist hinsichtlich Art. 10 b HZÜ nicht ersichtlich. Auch die in Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HZPÜ vorgesehenen Zustellungsformen stehen den deutschen Zustellungsorganen mangels sie umsetzender innerstaatlicher Rechtsgrundlagen nicht zur Verfügung, obgleich diese Zustellungsformen der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 6 Abs. 2 HZPÜ gegenüber nur HZPÜ-Staaten, mit denen kein bilaterales Zusatzübereinkommen existiert, offen stehen würden. 3. Postzustellung im Anwendungsbereich des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages vom 20.03.1928
Unter den selbständigen bilateralen Rechtshilfeverträgen ist unter dem Aspekt „Eröffnung der Direktzustellung“ einzig der deutsch-britische Rechtshilfevertrag vom 20.03.1928 bemerkenswert942. Er ist nämlich zum einen deshalb von praktischer Bedeutung, weil er zwar im Verhältnis zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich durch die Zustellungsverordnung verdrängt wird (Art. 20 Zustellungsverordnung), zugleich aber auch im Verhältnis Deutschlands zu zahlreichen Staaten gilt, deren internationale Beziehungen in früherer Zeit von Großbritannien wahrgenommen wurden, die nunmehr aber selbständige, souveräne Staaten sind943. Gegenüber diesen Staaten gilt der Vertrag auch dann fort, wenn diese Staaten zwi941 Zum Erfordernis einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage: vgl. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 132. 942 RGBl. 1928 II, S. 623.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
schenzeitlich HZÜ-Vertragsstaaten geworden sind (Art. 25 HZÜ)944. Zum anderen ist der Vertrag deshalb praktisch wichtig, weil er gemäß Art. 6 die Zustellung unmittelbar per Post dann zulässt, wenn „diese Art der Übermittlung nach dem Recht des Landes gestattet ist, in welchem das Schriftstück ausgestellt ist“. Da das autonome deutsche Zustellungsrecht die Auslandspostzustellung bei entsprechender völkervertraglich begründeter Befugnis zulässt (§ 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und dies gemäß § 191 ZPO auch für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gilt, können Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Anwendungsbereich des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages an in Vertragsstaaten domizilierte Drittschuldner unmittelbar per Post zugestellt werden. Funktionell zuständig ist der Gerichtsvollzieher (§ 192 Abs. 1 ZPO). III. Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr kommt nur die Zustellung gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO per vom Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht erlassenem Ersuchen in Betracht. Da es im vertragslosen Verkehr weder eine völkervertragliche, noch eine völkergewohnheitsrechtliche945 Pflicht der Staaten zur Gewährung von Zustellungsrechtshilfe gibt, ist der Erfolg des Zustellungsersuchens von vorneherein ungewiss. Allerdings wird von den meisten Staaten auch im vertragslosen Rechtshilfeverkehr auf Grund „courtoisie internationale“ Zustellungsrechtshilfe gewährt946, so dass auch hier Zustellungsersuchen keineswegs von vorneherein aussichtslos sind. Es besteht jedoch das auch im vertraglichen Rechtshilfeverkehr natürlich nicht zu leugnende Risiko, dass der Empfangsstaat die Durchführung eines auf Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gerichteten Ersuchens auf Grund von Souveränitätsbedenken verweigert. Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr kann nach dem Wortlaut des § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch die Behörden des Empfangsstaates oder durch die diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes, die in diesem Staat residiert, zugestellt werden. Die Zustellung durch die diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes stellt hoheitliches Handeln auf fremdem Territorium dar und kommt daher selbstredend nur in Betracht, wenn der Empfangsstaat 943 Vgl. die Zusammenstellung bei Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 115 Fußn. 258 sowie bei Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Nr. 227 Fußn. 2. 944 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 115 Fußn. 258. 945 Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 312; Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 22. 946 Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, S. 312; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 92.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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hierzu sein Einverständis, unter Umständen auch nur durch Duldung, erklärt hat947 (sogen. „passive Zustellungshilfe“948). Sofern ein solches Einverständnis vorliegt, ist es von Staat zu Staat verschieden, ob es sich nur auf Zustellungen an Staatsangehörige des Gerichtsstaates oder darüber hinaus auch auf staatenlose Personen bzw. Staatsangehörige von Drittstaaten oder sogar auch auf Staatsangehörige des Empfangstaates bezieht949, 950. Duldet der Empfangsstaat die Zustellung durch deutsche Konsuln, so sind diese gemäß § 16 KonsularG befugt, die Zustellung in eigener Zuständigkeit unmittelbar vorzunehmen. Kommt es auf diesem Wege zu einer Zustellung durch deutsche Behörden auf dem Territorium des Empfangsstaates, so liegt dennoch eine „Auslandszustellung“ im Sinne der ZPO vor, da die Zustellung nicht ohne die Gewährung von Rechtshilfe („passiver Zustellungshilfe“) des Empfangsstaates möglich gewesen wäre951. Jedenfalls aber können die in eigener Zuständigkeit auf fremdem Territorium zustellenden deutschen Behörden lediglich formlose Zustellungen (vgl. § 5 Nr. 1a ZRHO) vornehmen, die scheitern, wenn der Drittschuldner als Zustellungsadressat die Annahme verweigert oder nicht erreichbar ist, so dass nur noch die – bei der formlosen Zustellung nicht mögliche – Ersatzzustellung in Betracht käme952. Hat die formlose Zustellung aber auf Grund der Annahmebereitschaft und faktischen Erreichbarkeit des Drittschuldners Erfolg, so handelt es sich um eine vollwertige Zustellung953, die die Rechtswirkungen des § 829 Abs. 3, § 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO herbeiführt. Gewährt der Empfangsstaat keine passive Zustellungshilfe oder beantragt der Vollstreckungsgläubiger ausdrücklich Zustellung (nur) unter Inanspruchnahme aktiver ausländischer Zustellungshilfe954, so ist das Zustellungsersuchen an die zuständigen Behörden des Empfangsstaates zu richten. Welcher Übermittlungsweg dabei einzuschlagen ist, hängt von der zwischen der Bundesrepublik und dem jeweiligen Empfangsstaat praktizierten Übung oder dem Vorliegen eines diesbezüglichen Notenwechsels zwischen der Bundesregierung und der Regierung des Empfangsstaates ab955.
947
Schack, IZVR, Rdnr. 601. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 23. 949 Vgl. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 94. 950 Vgl. die Zusammenstellung im Länderteil der ZRHO, abgedruckt bei Bülow/ Böckstiegel/Geimer/Schütze, Band IV G I. 951 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 94. 952 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2138. 953 Ausführlich dazu Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 104 f. 954 Zur Zulässigkeit eines solchen Antrages vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2140, dessen Ausführungen zumal für die Zustellung im Parteibetrieb gelten müssen. 955 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern, S. 92. 948
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
IV. Öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 2 ZPO Der Wortlaut des § 185 ZPO sieht im Gegensatz zu § 203 ZPO a. F. keine Beschränkung der öffentlichen Zustellung auf Zustellungen an eine „Partei“ vor, sondern bezeichnet den Zustellungsadressaten neutral als „Person“. Es ist daher zu untersuchen, ob sich aus dieser Änderung des Gesetzestextes ableiten lässt, dass seit dem Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes am 01.07.2002 eine öffentliche Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner rechtlich möglich ist. Dies ist umstritten. Teile der Literatur sind der Auffassung, der Dritttschuldner lasse sich nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Person“ subsumieren956. Sie bleiben allerdings eine Begründung für ihre Auffassung schuldig und verweisen stoisch darauf, dass „Person“ im Sinne des § 185 ZPO eben nur ein Verfahrensbeteiligter sein könne957. Damit baut diese Ansicht aber auf einer petitio principii auf. Bereits auf der Wortlautebene lässt sich nämlich nicht hinwegdiskutieren, dass der Begriff „Person“ neutral ist und gerade keinen Bezug zu einer Verfahrensbeteiligung des Zustellungsadressaten herstellt. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das Merkmal „Partei“ durch das Merkmal „Person“ ersetzt hat, obwohl ihm bekannt gewesen sein muss, wie das Merkmal „Partei“ durch die ganz h. M. und die Rechtsprechung ausgelegt worden ist. Wenn er in Kenntnis dessen den inhaltlich klar umgrenzten Parteibegriff durch das sprachlich neutrale Merkmal „Person“ ersetzt, kann man dies nur so verstehen, dass er die öffentliche Zustellung auf nicht verfahrensbeteiligte Dritte wie den Drittschuldner ausdehnen wollte. Mithin ist mit der Gegenansicht in der Literatur davon auszugehen, dass seit der Zustellungsreform öffentliche Zustellungen gemäß § 185 ZPO an den Drittschuldner als Zustellungsadressaten möglich sind958. Die mit Rücksicht auf das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG subsidiär ausgestaltete959 öffentliche Zustellung kommt bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen mit Auslandsberührung gemäß § 185 Nr. 2 ZPO in Betracht, „wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht“. „Nicht möglich“ ist die Zustellung, wenn feststeht, dass die Rechtshilfe abgelehnt werden wird oder wenn die ersuchten Behörden nicht tätig werden und das mitteilen 960. Hat der Vollstreckungsgläubiger, 956 Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 185 Rdnr. 6; Wolst, in: Musielak, ZPO, § 185 Rdnr. 3; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 608. 957 Vgl. beispielsweise Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 608. 958 So auch R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2143; Schack, IZVR, Rdnr. 983; Stöber in: Zöller, ZPO, § 185 Rdnr. 2; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 185 Rdnr. 1; Wenzel in: MüKO, ZPO, Aktualisierungsband ZPO-Reform, § 185 Rdnr. 3. 959 Wolst in: Musielak, ZPO, § 185 Rdnr. 3.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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beispielsweise die Vollstreckungsabteilung eines weltweit tätigen Konzerns mit umfangreicher Vollstreckungstätigkeit „über die Grenzen hinweg“, aus bereits gescheiterten Zustellungsversuchen belegbare Erkenntnisse über die generell ablehnende Haltung eines Empfangsstaates in Bezug auf die Erledigung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse betreffenden Zustellungsersuchen (Beispiel: Berufung auf Art. 13 HZÜ bzw. Art. 4 HZPÜ), so kann er sofort bei dem funktionell zuständigen Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht (§§ 191, 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 20 Nr. 17 RpflG) Bewilligung öffentlicher Zustellung beantragen (§§ 191, 186 Abs. 1 ZPO). Mit diesem Antrag wird er des Weiteren Erfolg haben, wenn er sich auf die gerichtsbekannte Tatsache961 berufen kann, dass mit dem Empfangsstaat kein Rechtshilfeverkehr besteht. Hier genügt es, wenn er seinem Antrag einen Hinweis auf die entsprechende Fundstelle in der Sammlung von Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze beifügt. Beantragt ein Vollstreckungsgläubiger, der über keinerlei diesbezüglichen Kenntnisse verfügt, in einem solchen Fall den Erlass eines Zustellungsersuchens gemäß §§ 191, 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, so muss er bei entsprechenden Erkenntnissen der Justiz von Seiten des Vollstreckungsgerichts auf die „Unmöglichkeit“ der Zustellung hingewiesen werden, damit er die Gelegenheit bekommt, den „sachdienlichen“ Antrag auf Bewilligung öffentlicher Zustellung zu stellen (vgl. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Besteht aber ein Rechtshilfeverkehr mit dem Empfangsstaat und ist auch keine generell ablehnende Haltung des Staates über die Erledigung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse betreffenden Zustellungsersuchen bekannt, so muss zunächst die Zustellung im Rechtshilfeverkehr versucht werden. Öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 2 ZPO kommt dann erst in Betracht, „wenn die Zustellung keinen Erfolg verspricht“. Dies ist dann der Fall, wenn ein ausgehendes Zustellungsersuchen nicht in einer zumutbaren Zeitspanne erledigt worden ist. Als „Daumenregel“ für ein Eingreifen von § 185 Nr. 2 ZPO wird insoweit ein Wert von 6 Monaten seit Ausgang des Zustellungsersuchens gehandelt962. Allerdings beziehen sich die diesbezüglichen Ausführungen in der Kommentarliteratur stets auf das Erkenntnisverfahren, da eine Zustellung an den Drittschuldner gemäß § 185 ZPO erst seit dem Zustellungsreformgesetz vom 01.07.2002 möglich ist963. Angesichts der tatbestandlichen Weite des Merkmals der fehlenden Erfolgsaussicht der Auslandszustellung besteht aber kein Grund 960 961
Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 186 Rdnr. 9. Vgl. die Übersicht bei Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Band IV, G I An-
hang. 962 Vgl. Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 185 Rdnr. 10; Herget in: Zöller, ZPO, § 185 Rdnr. 3; Wenzel in: MüKo, ZPO, Aktualisierungsband, § 185 Rdnr. 7. Wolst in: Musielak, ZPO, § 185 Rdnr. 6 m. w. N. plädiert weitergehend sogar für einen Richtwert von 1 Jahr. Dies erscheint aber mit Rücksicht auf den Justizgewähranspruch überzogen.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
diese von Judikatur und Literatur für das Erkenntnisverfahren entwickelte „Daumenregel“ sklavisch auf das Pfändungsverfahren zu übertragen. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ist nämlich eine auf das jeweilige Verfahren bezogene Auslegung des § 185 Nr. 2 ZPO angebracht964, die das Merkmal „keinen Erfolg versprechen“ in der Weise interpretiert, dass Erfolglosigkeit auch dann bejaht werden kann, wenn zwar die Zustellung selbst auf lange Sicht noch möglich erscheint, das Verfahren, das durch die Zustellung in Gang gesetzt bzw. befördert werden soll, sich dann aber erledigt haben wird. Die Berechtigung einer solchen Auslegung ergibt sich daraus, dass die Zustellung nicht Selbstzweck ist, sondern stets der Förderung eines Verfahrens dient. Damit verknüpft ist aber, dass die Zustellung dann nicht mehr als „erfolgversprechend“ gewertet werden kann, wenn das Verfahren, dessen Förderung sie dient, sich mangels rechtzeitiger Zustellung absehbar durch Zeitablauf erledigt haben wird. Bestimmt man vor dem Hintergrund dieses Normverständnisses den Zeitraum, ab dem die Zustellung nicht mehr erfolgversprechend ist, so muss einerseits in die Bewertung einfließen, dass die öffentliche Zustellung vom Gesetzgeber mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG als subsidiär konzipiert worden ist. Andererseits muss aber auch den Besonderheiten des Pfändungsverfahrens Rechnung getragen werden, das nur bei Schnelligkeit Sinn macht, weil sein Erfolg jederzeit durch Abtretungsverträge des Vollstreckungsschuldners mit dritten Personen, Leistungen des Drittschuldners an den Vollstreckungsschuldner oder vorrangige Pfändungen im Empfangsstaat vereitelt werden kann. Diese Besonderheiten des Verfahrens rechtfertigen, wie man beispielsweise aus § 834 ZPO ersehen kann, Eingriffe in Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Gehörsgrundrecht im Pfändungsverfahren auf verfassungsrechtlicher Ebene mit dem Grundrecht des Vollstreckungsgläubigers auf effektive Zwangsvollstreckung kollidiert und nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden muss965. Ein solcher 963 Vgl. die bei Putzo, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 185 Rdnr. 10; Herget in: Zöller, ZPO, § 185 Rdnr. 3 für die „6-Monatsregel“ angegebenenen Belegfundstellen, die sich allesamt auf zu § 203 ZPO a. F. ergangene Judikatur beziehen. So auch BGH, WM 2003, 653, 654, Beschl.v. 14.02.2003 – Ixa ZB 56/03, der darauf hinweist, dass „die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zur öffentlichen Zustellung nur im Erkenntnisverfahren ergangen sind und sich die Literatur mit den Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht näher befasst“. 964 So auch, allerdings bezogen auf die Vollstreckungsschuldnerzustellung gemäß § 185 Nr. 1 ZPO, der BGH in WM 2003, 653, 654, Beschl.v. 14.02.2003 – Ixa ZB 56/03. Auch Wolst, in: Musielak, ZPO, § 185 Rdnr. 6 plädiert für eine verfahrensbezogene Auslegung des § 185 Nr. 2 ZPO. 965 Ähnlich argumentiert der BGH auch bei der öffentlichen Zustellung an den Vollstreckungsschuldner: vgl. WM 2003, 653, 654, Beschl.v. 14.02.2003 – Ixa ZB 56/03.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Ausgleich, der den schwer miteinander vereinbarenden Gesichtspunkten „Erforderlichkeit schnellen Pfändungszugriffs“ und „Subsidiarität der öffentlichen Zustellung“ gleichermaßen Rechnung zu tragen sucht, muss in jedem Falle zu einem Ergebnis führen, das unterhalb der für das Erkenntnisverfahren aufgestellten „6-Monatsregel“ liegt. So willkürlich jede Grenzziehung ist, ist das Bedürfnis der Praxis nach einer solchen doch unabweisbar, weil es ohne eine solche Grenzziehung zu noch willkürlicheren Einzelfallentscheidungen kommen wird. Dem Verfasser erscheint insoweit eine Halbierung des von der Praxis für das Erkenntnisverfahren angesetzten Wertes angemessen. Demnach wäre auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers die öffentliche Zustellung in der Regel zu bewilligen, wenn seit Ausgang des Zustellungsersuchens mehr als 3 Monate fruchtlos verstrichen sind966. Bei näherer Betrachtung der öffentlichen Zustellung ist diese allerdings mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG zumindest in den Fällen unbefriedigend, in denen der Zustellungsadressat – anders als im Falle des § 185 Nr. 1 ZPO – nicht faktisch unerreichbar ist, sondern lediglich eine Zustellung an ihn nicht bewirkt werden kann. Wird die Zustellung nämlich durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel bewirkt (§§ 186 Abs. 2 Satz 1 ZPO, 188 ZPO) und allenfalls noch zusätzlich eine ein- oder mehrmalige Veröffentlichung der Benachrichtigung im Bundesanzeiger oder sonstigen Zeitungen angeordnet (§ 187 ZPO), so wird deutlich, dass der Zustellungsadressat meist keine realistische Chance auf Kenntnisnahme von der öffentlichen Zustellung haben wird, obgleich die bloße Information des Adressaten über die Zustellung faktisch ohne weiteres möglich wäre. Eine so weit gehende Beschneidung des Gehörsgrundrechts ist indes in den Fällen des § 185 Nr. 2 ZPO nicht „erforderlich“ im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil man den Adressaten ohne Schwierigkeiten durch eine postalische Mitteilung über die öffentliche Zustellung informieren könnte. Hinzu kommt, dass dies im Falle des Pfändungsverfahrens gemäß §§ 828 ff. ZPO auch im Interesse des Vollstreckungsgläubigers dringend geboten ist, weil der Vollstreckungsgläubiger sonst Gefahr läuft, dass der Drittschuldner befreiend an den Vollstreckungsschuldner oder einen nachrangigen Vollstreckungsschuldner leisten kann (vgl. § 407 BGB analog). Damit aber würde der Erfolg des Pfändungsverfahrens faktisch ebenso vereitelt wie durch eine verzögerte bzw. nichtausgeführte Zustellung. Aus die966 In diese Grenzziehung fließt der Umstand mit ein, dass öffentliche Zustellungen nicht sofort, sondern erst frühestens einen Monat nach dem Aushang der Benachrichtigung wirksam werden (§ 188 ZPO). Das bedeutet, dass öffentlich zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse frühestens vier Monate nach Ausgehen des Zustellungsersuchens an die ausländischen Behörden wirksam werden. Dies ist aber das Maximum dessen, was dem Vollstreckungsgläubiger zugemutet werden kann, wenn das Pfändungsverfahren noch eine realistische Erfolgschance haben soll.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
sem Grunde ist § 183 Nr. 2 ZPO im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin zu ergänzen, dass das die öffentliche Zustellung bewilligende Vollstreckungsgericht dem Drittschuldner den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von Amts wegen auf dem Postwege mittels Einschreibens mit Rückschein informationshalber und „in neutraler Aufmachung“ übersenden muss967. Erreicht dieses Schreiben den Drittschuldner zeitlich vor dem Wirksamwerden der öffentlichen Zustellung (vgl. § 188 ZPO), bringt dies die Gefahr mit sich, dass der Drittschuldner den Pfändungsbeschluss durch rasche Leistung an den Vollstreckungsschuldner unterläuft. Aus diesem Grunde darf das Vollstreckungsgericht den Drittschuldner erst nach dem Wirksamwerden der öffentlichen Zustellung gemäß § 188 ZPO unterrichten. Dem Vollstreckungsgläubiger ist anzuraten, die postalische Benachrichtung zugleich mit dem Antrag auf Bewilligung öffentlicher Zustellung anzuregen. Für den Fall, dass seiner Anregung nicht Folge geleistet wird, sollte er selbst den Drittschuldner nach Wirksamwerden der öffentlichen Zustellung mittels Einschreibens mit Rückschein unterrichten, um zu verhindern, dass dieser zwischenzeitlich schuldbefreiend leistet. V. Zustellungen an Immunitätsträger 1. Grundproblem: Auswirkungen der Ausgestaltung der Zustellung als Hoheitsakt im deutschen Recht auf die Immunitätsproblematik
a) Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an potentiell immune Drittschuldner Im 1. Teil der Arbeit wurde bereits im Zusammenhang mit den der internationalen Zwangsvollstreckung durch das Territorialitätsprinzip gezogenen völkerrechtlichen Grenzen erörtert, ob man bei völkerrechtlicher Betrachtung Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und Zustellung desselben an den Drittschuldner als einheitlichen Hoheitsakt oder als zwei voneinander getrennt zu bewertende Hoheitsakte ansehen muss. Ergebnis dieser Betrachtung war, dass es sich um zwei voneinander getrennt zu bewertende Ho967 Ebenso R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2087; Schack, IZVR, Rdnr. 596; im Ergebnis ebenso mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG: OLG Kön, Beschl. v. 30.10.1985 – 4 WF 141/85, FamRZ 1985, 1278, 1279 (bezogen auf das Erkenntnisverfahren); Wenzel in: MüKo, ZPO, Aktualisierungsband, § 185 Rdnr. 7; a. A. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 364 f., der – viel zu weitgehend – formlose gerichtliche Mitteilungen über öffentliche Zustellungen nur bei Einverständnis des Empfangsstaates mit der Übersendung zulassen will und im Übrigen als völkerrechtswidrig ablehnt. Postsendungen rein informativen Charakters, die allenfalls im Gerichtsstaat (vgl. § 407 BGB) Rechtsfolgen auslösen können, stellen aber unter keinen Umständen hoheitliches Handeln des Gerichtsstaates im Empfangsstaat dar.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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heitsakte handelt [vgl. 1. Teil, B. II. 2. c) aa) (1)]. Dies erhellt sich daraus, dass die Zustellung, auch wenn sie im Parteibetrieb erfolgt, im deutschen Zivilprozessrecht als Hoheitsakt ausgestaltet ist968, obgleich sie ebenso gut, wie dies in den Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises der Fall ist, auch als nichthoheitlicher Realakt ausgestaltet werden könnte. Der öffentlich-rechtliche Charakter der deutschen Regelung der Zustellung im Parteibetrieb folgt daraus, dass das Gesetz die Kompetenz zur Durchführung der Zustellung ausschließlich Amtspersonen, in der Regel dem Gerichtsvollzieher (vgl. § 192 ZPO), zuweist und den Zustellungsvorgang mit der Errichtung einer öffentlichen (Zustellungs-)Urkunde verknüpft (vgl. § 418 ZPO). Hierbei handelt es sich um spezifische, von dem Pfändungsakt zu unterscheidende Ausübung von Hoheitsgewalt, die mithin auch eine getrennte immunitätsrechtliche Bewertung erforderlich machen könnte. Da, wie ebenfalls bereits erörtert, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss selbst im Hinblick auf den Drittschuldner mangels Ausübung von Zwangsgewalt gegenüber demselben und vor dem Hintergrund der Lehre von der funktionell begründeten Staatenimmunität keinerlei immunitätsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist [vgl. 1. Teil, B. I. 2. c) ff)], stellt sich die Frage, ob möglicherweise der eigenständig zu bewertende Hoheitsakt „Drittschuldnerzustellung“ derartigen völkerrechtlichen Bedenken unterliegt. Dies kann nach der Lehre von der funktionell begründeten Immunität nur der Fall sein, wenn die spezifisch hoheitlichen Aspekte der Zustellung, insbesondere der als öffentlich rechtlich zu bewertende Beurkundungsvorgang, den Staat in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Kernaufgabe beeinträchtigt. Das ist nicht vorstellbar. Da der Beurkundungsvorgang als solcher auf die Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben keinen Einfluss haben kann, kann die Zustellung den Immunitätsträger als Zustellungsadressaten nämlich nur insoweit in der Wahrnehmung seiner Hoheitsaufgaben beeinträchtigen, als sie ein staatliches Verfahren fördert (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO), das derartige negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung kernhoheitlicher Aufgaben hat. Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss kann den Drittschuldner aber, wie bereits dargelegt, nie in der Wahrnehmung hoheitlicher Kernaufgaben beeinträchtigen [vgl. 1. Teil, B. I. 2. c) ff)]. Daraus wiederum folgt, dass die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an potentiell immune Drittschuldner, beispielsweise fremde Staaten, völkergewohnheitsrechtlich zulässig ist. Eine andere Bewertung kann sich allerdings im Anwendungsbereich völkervertraglicher Übereinkommen ergeben, wenn diese die Zustellung untersagen bzw. von der Beachtung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen.
968 Vgl. dazu ausführlich: G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 129 f.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
b) Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an potentiell immune Vollstreckungsschuldner Anders als beim Drittschuldner stellt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegenüber dem Vollstreckungsschuldner Ausübung hoheitlicher Zwangsgewalt dar. Steht bereits zur Zeit des Eingangs des Pfändungsgesuchs beim Vollstreckungsgericht fest, dass der Vollstreckungsschuldner Vollstreckungsimmunität genießt, darf der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur ergehen, wenn der Vollstreckungsschuldner zuvor wirksam auf seine Vollstreckungsimmunität verzichtet hat. Ergeht der Beschluss ohne einen derartigen Verzicht, so ist er nichtig. Daraus ergibt sich, dass die Zustellung der Pfändungsurkunden an einen Vollstreckungsschuldner vor dem Hintergrund der Lehre von der funktionell begründeten Staatenimmunität ebenfalls grundsätzlich nicht an der Immunität des Vollstreckungsschuldners scheitern kann. Die als öffentlich-rechtlich zu bewertende Beurkundung des Zustellungsvorgangs selbst, kann den Vollstreckungsschuldner nämlich nicht in der Wahrnehmung hoheitlicher Kernaufgaben behindern. Das durch die Zustellung geförderte Pfändungsverfahren dagegen, vermag dies ebenso wenig: Hat der Vollstreckungsschuldner wirksam auf seine Vollstreckungsimmunität verzichtet, hat er sich freiwillig des Immunitätsschutzes begeben und ist nicht schutzwürdig. Hat er dies nicht und ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dennoch ergangen, so ist er unheilbar nichtig und vermag schon von daher keine negativen Auswirkungen auf die Aufgabenwahrnehmung zu entfalten. Hinzu kommt, dass das Erfordernis der Zustellung an den Vollstreckungsschuldner – mit Ausnahme der drittschuldnerlosen Rechte – lediglich schuldnerschützenden Informationszwecken dient, für das wirksame Zustandekommen des Pfändungsaktes aber unbeachtlich ist, so dass die Zustellung auch von daher die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung durch den Vollstreckungsschuldner nicht zu beeinträchtigen vermag. Demnach ist die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner per se immunitätsrechtlich unbedenklich, es sei denn, dass sich aus völkervertraglichen Übereinkünften ein anderes ergibt.
2. Völkervertraglich begründete Zustellungsimmunität
Da das Völkergewohnheitsrecht keine „Zustellungsimmunität“ im Vollstreckungsverfahren begründet, kann sich eine solche auf die Zustellung bezogene Immunität im jeweiligen Einzelfall nur noch aus immunitätsbegründenden völkervertraglichen Vereinbarungen ergeben. Daher sollen nachfolgend die für die Praxis mit Abstand wichtigsten Abkommen mit Regelungen zur Vollstreckungsimmunität, die bei der Pfändung von Forde-
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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rungen und Rechten mit Auslandsbezug eine Rolle spielen können, daraufhin untersucht werden, ob sie diesbezügliche Regelungen enthalten. Das sind das Baseler Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität (EuÜbk.SI), das Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WDÜ) und das Nato-Truppenstatut (NTS) nebst dem Zusatzabkommen vom 03.08.1959 (NTS-ZA). a) Die Regelung im EuÜbk.SI Das EuÜbk.SI enthält auch für den Fall, dass die beteiligten Vertragsstaaten durch Erklärungen gemäß Art. 24 Abs. 1 vom Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität gemäß Art. 23 abgewichen sind, keine Regelungen über die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. Hinsichtlich der Drittschuldnerzustellung ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 EuÜbk.SI, wonach die Zustellungsregelungen des EUÜbk.SI „für Verfahren gegen einen Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats“ gelten. Da das Pfändungsverfahren sich nicht gegen den Drittschuldner richtet, dieser demnach nicht Beteiligter, sondern nur Dritter ist, passt diese Vorschrift nicht auf die Drittschuldnerzustellung. Für die Zustellung der Pfändungsurkunden an den Vollstreckungsschuldner gilt aber nichts anderes. Hier würde zwar der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 EUÜbk.SI durchaus eingreifen, jedoch ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang des Art. 16 EUÜbk.SI, dass die in ihm enthaltenen Zustellungsregelungen sich ausschließlich auf das Erkenntnisverfahren beziehen. Dies ergibt sich besonders deutlich aus Art. 16 Abs. 6 und Abs. 7 EUÜbk.SI, die die Wirkungen der Zustellung gemäß Art. 16 Abs. 2 EUÜbk.SI danach ausrichten, ob sich der Zustellungsadressat „an dem Verfahren beteiligt“. „Beteiligt“ er sich, so gilt dies als Einwendungsverzicht gegen die Art der Zustellung (Art. 16 Abs. 6 EUÜbk.SI), „beteiligt“ er sich nicht, kann unter Beachtung weiterer Voraussetzungen eine „Versäumnisentscheidung“ gegen ihn ergehen (Art. 16 Abs. 7 EUÜbk.SI). Da das Pfändungsverfahren, sieht man von der Einlegung von Rechtsbehelfen ab, regelmäßig weder eine „Beteiligung“ des Drittschuldners noch eine „Beteiligung“ des Vollstreckungsschuldners und erst Recht keine Möglichkeit der Versäumnisentscheidung vorsehen, wird erkennbar, dass die Regelungen in Art. 16 EUÜbk.SI nicht auf dieses Verfahren zugeschnitten sind. Daraus folgt, dass Zustellungen an potentiell immune Vollstreckungsschuldner und an staatliche Drittschuldner im Anwendungsbereich des EUÜbk.SI nach den allgemeinen Regeln vollzogen werden.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
b) Die Regelung im WDÜ Diplomaten und zu deren Haushalt gehörende nichtdeutsche Familienmitglieder sind grundsätzlich absolut vollstreckungsimmun ratione personae. Unter den hierzu bestehenden Ausnahmen dürfte für die Forderungs- bzw. Rechtspfändung vor allem die in Art. 31 Abs. 1 c, Abs. 3 (ggf. i.V. m. Art. 37 Abs. 1) WDÜ geregelte Ausnahme von Bedeutung sein, wonach der Diplomat/der Familienangehörige des Diplomaten im Hinblick auf gegen ihn gerichtete Ansprüche aus freiberuflicher bzw. gewerblicher Tätigkeit keine Vollstreckungsimmunität genießt, wenn die jeweilige Vollstreckungsmaßnahme durchführbar ist, „ohne die Unverletzlichkeit seiner Person oder seiner Wohnung zu beeinträchtigen“. Da der Diplomat bzw. sein geschützter Familienangehöriger in diesem speziellen Fall für das Vollstreckungsverfahren der deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt ist und die Drittschuldner- bzw. Vollstreckungsschuldnerzustellung Bestandteil dieses Vollstreckungsverfahrens ist, kann sie dem Diplomaten bzw. dessen geschützten Familienangehörigen gegenüber durchgeführt werden, es sei denn, dass durch sie die Unverletzlichkeit seiner Person (Art. 29, ggf. i.V. m. Art. 37 Abs. 1 WDÜ) („persönliche Immunität“) bzw. seiner Wohnung (Art. 30 Abs. 1, ggf. i.V. m. Art. 37 Abs. 1 WDÜ) („räumliche Immunität“) beeinträchtigt wird. Daraus ergibt sich unstrittig, dass die (Drittschuldner- wie Vollstreckungsschuldner-)Zustellung an den Diplomaten bzw. dessen geschützten Familienangehörigen weder in den Räumlichkeiten der Mission (Art. 22 Abs. 1 WDÜ) noch in dessen Privatwohnung (Art. 30 Abs. 1, ggf. i.V. m. Art. 37 Abs. 1 WDÜ) durchgeführt werden darf, es sei denn, dass der Missionschef bzw. der geschützte Wohnungsinhaber mit der Zustellung in den geschützten Räumen einverstanden ist (Art. 22 Abs. 1 Satz 2, ggf. i.V. m. Art. 30 Abs. 1 WDÜ) und damit auf die räumliche Immunität der Mission bzw. der Diplomatenwohnung verzichtet969. Dadurch kann die Zustellung, etwa an einen nicht mitwirkungswilligen Drittschuldner, erheblich erschwert, nicht aber unmöglich gemacht werden, da die Zustellung gemäß §§ 177, 191 ZPO „an jedem Ort“ erfolgen kann, an dem der Zustellungsadressat angetroffen wird. Es fragt sich aber, ob die Zustellung an den Diplomaten bzw. seinen geschützten Familienangehörigen, auch wenn sie ohne Verletzung der räumlichen Immunität durchgeführt werden kann, nicht jedenfalls an der „persönlichen Immunität“ des Zustellungsadressaten scheitert. Diese Frage wird von der h. M. in der deutschen Literatur im Anschluss an die grundlegende Arbeit von Pfeiffer970 bejaht971. Nach dieser 969
Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 117; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2147. Pfeiffer, Die internationale Zustellung, S. 114 f. 971 von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2884; Heß, RIW 1989, 254, 257; Buch, NZM 2000, 367, 368. 970
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Auffassung ist die Zustellung an einen Diplomaten bzw. einen seiner geschützten Familienangehörigen nur möglich, wenn der Entsendestaat gemäß Art. 32 Abs. 1 und Abs. 2 WDÜ ausdrücklich auf die Immunität des Zustellungsadressaten verzichtet972. Zur Begründung dieser Ansicht wird darauf abgestellt, die in Art. 31 Abs. 3 WDÜ enthaltene Aufhebung der Vollstreckungsimmunität könne nichts daran ändern, dass der Diplomat bzw. seine geschützten Angehörigen persönlich immun (Art. 29, 37 Abs. 1 WDÜ) und damit generell von der deutschen „Zwangsgewalt“, zu der auch Zustellungen gehörten, befreit seien973. Diese umfassende Reichweite der persönlichen Immunität ergebe sich aus dem mit ihr verfolgten Zweck, das reibungslose Funktionieren des Botschaftsbetriebs zu gewährleisten974. Reinhold Geimer folgt dieser Argumentation nicht975 und das mit Recht. Die persönliche Immunität wird dem Diplomaten nämlich nicht als persönliches Privileg gewährt, sondern, wie die h. M. insoweit zutreffend ausführt, zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Botschaftsbetriebes. Der Botschaftsbetrieb kann aber durch die Zustellung als solche nicht beeinträchtigt werden. Das in der Zustellung bei fehlender Annahmebereitschaft des Zustellungsadressaten angelegte Zwangselement ist nämlich denkbar gering und vermag den Botschaftsbetrieb unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu tangieren. Dieses Zwangselement ist nämlich lediglich darin zu sehen, dass die Annahmeverweigerung eine Zustellungsfiktion auslöst (§ 179 Satz 3 ZPO)976. Damit wird im Ergebnis aber nur das Verfahren durchgeführt bzw. gefördert, in dem der Adressat ohnehin keine Immunität genießt. Diese Argumentation wird bestätigt durch § 185 Nr. 3 ZPO, wonach die öffentliche Zustellung zulässig ist, wenn die Zustellung nicht erfolgen kann, „weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt“. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Zustellung an Diplomaten bzw. deren Angehörige, für den Fall, dass diese grundsätzlich der deutschen Gerichtsbarkeit unterstehen (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Abs. 3 WDÜ), als lediglich im Hinblick auf die räumliche Immunität der Missionen bzw. der Diplomatenwohnungen problematisch angesehen hat. Ansonsten wäre nämlich vor dem Hintergrund des Regelungszwecks des § 185 ZPO nicht nachvollziehbar, warum er den Fall, dass die Zustellung an der persönlichen Immunität des Diplomaten scheitert, nicht 972
Pfeiffer, Die internationale Zustellung, S. 115. Pfeiffer, Die internationale Zustellung, S. 114. 974 Heß, RIW 1989, 254, 277. 975 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2146. 976 Dabei können die zuzustellenden Pfändungsurkunden infolge der räumlichen Immunität nicht gemäß § 179 Satz 1 in der Wohnung des Adressaten zurückgelassen werden, sondern sind nach § 179 Satz 2 ZPO zurückzusenden. 973
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
in § 185 Nr. 3 ZPO eingearbeitet hat. Demnach scheitert die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an einen Diplomaten bzw. dessen geschützte Familienangehörige nicht an deren persönlicher Immunität, wenn sie im konkreten Fall keine Vollstreckungsimmunität genießen. c) Die Regelung im NTS-ZA Wie bereits im 1. Teil der Arbeit erörtert, gewährt das ZA zum NTS den Vertragsstaaten Drittschulderimmunität. Dies wirkt sich in der Weise aus, dass, sofern es sich bei dem zu pfändenden Anspruch um einen gegen den Vertragsstaat gerichteten Zahlungsanspruch „aus der Beschäftigung bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge (. . .) oder aus unmittelbaren Lieferungen oder sonstigen Leistungen an eine Truppe oder ein ziviles Gefolge“ handelt, die §§ 828 ff. ZPO durch Art. 35 NTS-ZA teilweise verdrängt und modifziert werden: Erfolgt die Zahlung auf den Anspruch durch Vermittlung einer deutschen Behörde, so wird diese durch das Vollstreckungsgericht ersucht, nicht an den Vollstreckungsschuldner, sondern an den Pfändungsgläubiger zu zahlen (Art. 35 a NTS-ZA). Erfolgt die Zahlung durch den Vertragsstaat selbst, so ist dieser durch das Vollstreckungsgericht um Hinterlegung zu ersuchen (Art. 35 b i NTS-ZA). In beiden Fällen ist also zur Pfändung keine an den Vertragsstaat gerichtete Zustellung gemäß §§ 829 Abs. 2, Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderlich. Das vorliegend untersuchte Problem der Zustellungsimmunität des Vertragsstaates stellt sich nicht. Mithin stellt sich im Anwendungsbereich des NTS-ZA nur die Frage, ob es Regelungen der „Zustellungsimmunität“ zu Gunsten von Mitgliedern der Truppe, des zivilen Gefolges bzw. deren Angehörigen gibt. Hier greifen die Sonderregeln Art. 32 und Art. 36 NTS-ZA ein, die als leges specialis die Zustellungsvorschriften der ZPO verdrängen977. Aus Art. 32 Abs. 1 a Satz 1 NTS-ZA ergibt sich, dass „eine Klageschrift oder eine andere Schrift oder gerichtliche Verfügung, die ein nichtstrafrechtliches Verfahren vor einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde einleitet“, Mitgliedern der Truppe, des zivilen Gefolges bzw. deren Angehörigen nicht auf dem normalen Weg der Inlandszustellung zugestellt werden kann, sondern durch Ersuchen „einer Verbindungsstelle, die von jedem Entsendestaat errichtet oder bestimmt wird“. Diese bestätigt unverzüglich den Eingang des Zustellungsersuchens und übermittelt das zuzustellende Schriftstück dem Führer der Einheit oder dessen Beauftragten, der die Übergabe an den Empfänger veranlasst978. Hat das Vollstreckungsgericht binnen 21 Tagen, gerechnet 977 978
Schwenk, NJW 1964, 1000, 1001. Schwenk, NJW 1964, 1000, 1001.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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vom Ausstellungsdatum der Eingangsbestätigung durch die Verbindungsstelle an, weder eine Urkunde über die vollzogene Zustellung, noch eine Mitteilung darüber erhalten, dass die Zustellung nicht erfolgen konnte, so übermittelt es eine weitere Ausfertigung des Ersuchens an die Verbindungsstelle. Dieses zweite Ersuchen wird verbunden mit der Ankündigung, dass die Zustellung sieben Tage nach seinem Eingang bei der Verbindungsstelle als bewirkt gilt (Art. 35 c i). Nach frustlosem Fristablauf greift eine Zustellungsfiktion (Art. 35 c i Satz 2). Die vorgenannte Zustellungsregelung findet auch auf das Pfändungsverfahren Anwendung, da es sich bei diesem um ein nichtstrafrechtliches Verfahren handelt und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch ohne weiteres unter das weit auszulegende Merkmal979 der „gerichtlichen Verfügung“ fällt. Da die Regelung keinerlei Unterschied zwischen „Parteien“ und „Dritten“ macht, gilt sie sowohl für die Zustellung an den Dritt- als auch an den Vollstreckungsschuldner. Die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird durch Art. 36 Abs. 1 NTS-ZA sowohl für die Drittschuldnerals auch für die Vollstreckungsschuldnerzustellung ausgeschlossen, wenn es sich beim Zustellungsadressaten um ein Mitglied der Truppe, des zivilen Gefolges bzw. einen Angehörigen handelt. Dies fällt allerdings nicht weiter ins Gewicht, weil bei einer Weigerung der Verbindungsstellen, das Zustellungsersuchen auszuführen, die Zustellungsfiktion des Art. 35 c i Satz 2 NTS-ZA eingreift. 3. Insbesondere: Zustellungen an fremde Staaten
Da, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben haben, Zustellungen an fremde Staaten grundsätzlich nicht an der völkergewohnheitsrechtlich begründeten Staatenimmunität scheitern und ihnen regelmäßig keine nennenswerten, völkervertraglichen Hindernisse entgegenstehen, stellt sich die Frage, wie diese Zustellungen praktisch durchzuführen sind. Im ersten Zugriff drängt sich der Gedanke auf, eine Inlandszustellung in der Weise durchzuführen, dass die Pfändungsurkunden dem Leiter der diplomatischen Mission des betroffenen Staates als Vertreter dieses Staates (vgl. § 170 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) zugestellt werden. Gegen diese Vorgehensweise spricht aber, dass Art. 3 Abs. 1a WDÜ, wonach der Botschafter den fremden Staat im Empfangsstaat „vertritt“, nur die politische Vertretungsbefugnis meint980. Er ist auch nicht „Leiter“ des Staates i. S. des § 170 Abs. 2 ZPO, weil er keiner zentralen, rechtsfähigen Organisationseinheit des Staa979
Vgl. Schwenk, NJW 1964, 1000, 1001 m. w. N. Pfeiffer, Die internationale Zustellung, S. 120; Heß, RIW 1989, 254, 257. In diesem Fall bedarf es zu einer erfolgreichen Zustellung aber des Weiteren eines Verzichtes auf die persönliche Immunität des Diplomaten durch den Entsendestaat 980
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
tes vorsteht. Deswegen kommt der Botschafter des fremden Staates als empfangsberechtigter Zustellungsadressat lediglich ausnahmsweise in Betracht, wenn der Staat ihn ausdrücklich zu seiner prozessualen Vertretung vor den Gerichten und Vollstreckungsorganen des Empfangsstaates bevollmächtigt haben sollte981. Da dies praktisch nur sehr selten vorkommen dürfte, kommt bei (Dritttschuldner- bzw. Vollstreckungsschuldner-)Zustellungen an fremde Staaten in der Regel nur eine Auslandszustellung gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Betracht982. Ist das diesbezügliche Zustellungsersuchen vom Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht erlassen worden, so ist es von der jeweiligen Prüfstelle (i. d. R. die Gerichtspräsidenten) gemäß §§ 28 Abs. 2, 35 ZRHO der Landesjustizverwaltung vorzulegen. Dabei ist dem Ersuchen eine Denkschrift (§§ 24, 7 Nr. 3 ZRHO) beizufügen, in der sorgfältig begründet wird, warum für das Pfändungsverfahren und die Zustellung deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist. Bei dieser Denkschrift wird es sich in aller Regel um ein wissenschaftliches Gutachten handeln983. Hält die Landesjustizverwaltung die Zustellung ebenfalls für zulässig, so ist die Zustellung im diplomatischen Verkehr in die Wege zu leiten, d.h. über Bundesjustizministerium, Außenministerium und deutsche Botschaft im Empfangsstaat zum dortigen Außenministerium984. Ob diese Zustellung Erfolg hat, lässt sich kaum prognostizieren und hängt davon ab, ob der Empfangsstaat sich im Anwendungsbereich der Haager Abkommen auf den rechtshilferechtlichen ordre public beruft (Art. 4 HZPÜ bzw. Art. 13 HZÜ) oder im vertragslosen Verkehr die Zustellung ohne Angabe von Gründen bzw. unter Berufung auf seine Immunität ablehnt. VI. Öffentliche Zustellung an Immunitätsträger Scheitert die Zustellung an einen Immunitätsträger, so kommt eine öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 3 ZPO in Betracht. Insoweit ist indes zwischen Diplomaten, Konsuln und deren Familienangehörigen einerseits und den fremden Staaten selbst andererseits zu unterscheiden. Hat die Zustellung an einen Diplomaten, Konsul bzw. einen geschützten Familienangehörigen nämlich im Hinblick auf die räumliche Immunität der Mission bzw. der Diplomatenwohnung keinen Erfolg, so ist die öffentliche Zustellung im Hinblick auf deren ultima ratio-Funktion nur unter der weiteren Voraussetzung zulässig, dass an den Zustellungsadressaten auch eine Ausund eines Verzichts auf die räumliche Immunität der Mission durch den Missionschef. 981 Pfeiffer, Die internationale Zustellung, S. 120 f.; Heß, RIW 1989, 254, 257. 982 Heß, RIW 1989, 254, 257. 983 Heß, RIW 1989, 254, 258. einschließl. Fußn. 76. 984 Heß, RIW 1989, 254, 258.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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landszustellung im diplomatischen Verkehr durchgeführt wird und ebenfalls scheitert985. Bei fremden Staaten ist dagegen ohnehin nur eine Auslandszustellung im diplomatischen Verkehr zulässig. Scheitert diese oder überschreitet sie die Zumutbarkeitsschwelle von 3 Monaten, so kann gemäß § 185 Nr. 2 ZPO öffentlich zugestellt werden. Dies ist völkerrechtlich unbedenklich, da die öffentliche Zustellung Inlandszustellung ist und von daher die Territorialhoheit des fremden Staates nicht beeinträchtigen kann.
VII. Zustellungsschwierigkeiten und Rechtsschutzbedürfnis Im 1. Teil der Arbeit wurde die Frage, inwieweit der Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses schon auf Grund erkennbarer Zustellungsschwierigkeiten unter Berufung auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis (Vollstreckungsinteresse) zurückgewiesen werden kann, offen gelassen (vgl. 1. Teil, E. I.). Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass seit der Zustellungsreform kaum mehr ein Fall vorstellbar ist, in dem die Zustellung endgültig scheitern wird, weil nunmehr in nahezu allen „Problemfällen“ gemäß § 185 Nr. 2 bzw. Nr. 3 ZPO öffentlich zugestellt werden kann. Daher stellt sich das Problem grundsätzlich nicht. Allerdings lassen sich Fälle konstruieren, in denen auch künftig nicht öffentlich zugestellt werden kann. So ist etwa die öffentliche Zustellung im Anwendungsbereich des Zusatzabkommens zum Natotruppenstatut (NTS-ZA) gegenüber Mitgliedern der Truppe, des zivilen Gefolges bzw. deren Angehörigen unzulässig (Art. 36 NTS-ZA). Aber auch die statt dessen zulässige Zustellung über die Verbindungsstelle nebst Zustellungsfiktion kann scheitern, wenn auch die Truppe selbst (z. B. auf Grund von Fahnenflucht) keinen Zugriff mehr auf den Zustellungsadressaten hat. In einem solchen Fall oder in ähnlichen Fällen, in denen unüberwindbare Zustellungsschwierigkeiten an den Drittschuldner im Raum stehen, darf das Vollstreckungsgericht den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht unter Berufung auf fehlendes Vollstreckungsinteresse zurückweisen. Dies ist nämlich stets mit vagen Zukunftsvorhersagen über den voraussichtlichen Erfolg des Zustellungsverfahrens verknüpft, die sich überhaupt nicht in justizförmiger Weise treffen lassen986. So ist es beispielsweise denkbar, dass das fahnenflüchtige Natotruppenmitglied wieder auftaucht, aus der Truppe entfernt wird oder einen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat. Ebenso unvorhersehbar ist es, ob sich ein Diplomat bzw. dessen Angehöriger auf die räumliche Immunität 985
Pfennig, Die internationale Zustellung, S. 118 f.; Wolst in: Musielak, ZPO, § 185 Rdnr. 7; Hartmann in: Baumbach/Albers/Lauterbach/Hartmann, ZPO, § 185 Rdnr. 13. 986 F. A. Mann, NJW 1990, 618.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
der Mission bzw. der Diplomatenwohnung berufen wird987. Da es aber weder die Aufgabe des Vollstreckungsgerichts sein kann, diesbezügliche Ermittlungen anzustellen (Stichwort: „Formalisierung der Zwangsvollstreckung“)988, noch eine justizförmige Entscheidungen auf Spekulationen zu gründen989, sind etwaige Zustellungsschwierigkeiten für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Erlasses eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unerheblich. VIII. Zusammenfassung 1. Bis 1998 war die für das Wirksamwerden des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erforderliche (§§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO) Zustellung der Pfändungsurkunden an den Drittschuldner die „Achillesferse“ der internationalen Rechts- und Forderungspfändung. Sie kam nämlich bei auslandsdomizilierten Drittschuldnern praktisch nicht in Betracht, weil sich schon die deutschen Justizverwaltungen auf Grund von Souveränitätsbedenken weigerten, diesbezügliche Zustellungsersuchen an ausländische Behörden weiterzuleiten und praktisch umsetzbare „Umgehungsmöglichkeiten“ nicht existierten, da die öffentliche Zustellung gemäß § 203 ZPO a. F. nur auf „Parteien“, zu denen der Drittschuldner nicht zählt, Anwendung fand und die Zustellung unmittelbar per Post auf Grund der abschließenden Regelung der Auslandszustellung in § 199 ZPO a. F. den Zustellungsorganen untersagt war. Dies hat sich seit 1998 Schritt für Schritt geändert, weil seitdem die deutschen Justizverwaltungen ihre strenge Haltung aufgegeben haben und ein- wie ausgehende Zustellungsersuchen weiterleiten und mit dem Inkraftreten der europäischen Zustellungsverordnung (31.05.2001) und des Zustellungsreformgesetzes (01.07.2002) erhebliche Erleichterungen für die Auslandszustellungen eingreifen. 2. Seitdem gilt für die bei der Auslandszustellung anzuwendenden Rechtsgrundlagen folgendes Rangverhältnis: Im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung ist diese vor allen Staatsverträgen und dem autonomen Zustellungsrecht anzuwenden (Art. 20 Zustellungsverordnung). Sofern die Verordnung nicht anwendbar ist oder Raum für ergänzende bzw. weiter gehende Regelungen lässt, sind selbständige bilaterale Rechtshilfeabkommen bzw. der weiteren Vereinfachung der Haager Übereinkommen dienende bilaterale Zusatzübereinkommen anzuwenden. Greifen auch diese nicht, ist im Verhältnis zu den jeweiligen Vertragsstaaten das Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) und gegenüber den Vertragsstaaten des Haager 987 988 989
Vgl. F. A. Mann, NJW 1990, 618 f. So mit Recht: I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 100. F. A. Mann, NJW 1990, 618.
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
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Zivilprozessübereinkommens von 1954 (HZPÜ), die nicht HZÜ-Vertragsstaaten sind, das HZPÜ anzuwenden. Nur so weit die vorgenannten Rechtsgrundlagen nicht anwendbar bzw. bewusst lückenhaft sind, greift das autonome deutsche Zustellungsrecht ein. 3. Das Zustellungsübereinkommen ist anwendbar, wenn der Verfahrensgegenstand des durch die Zustellung geförderten Verfahrens als „Zivil- und Handelssachen“ zu qualifizieren ist (Art. 1 Abs. 1 Zustellungsübereinkommen). Da beim Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO der Verfahrensgegenstand durch die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht, also den Vollstreckungsgegenstand, bestimmt wird, kommt es auf deren bzw. dessen Qualifikation an. Welche Rechtsordnung über die Qualifikation entscheidet ist bislang offen. Eine einheitliche und möglichst effektive Anwendung der Verordnung ist nur gewährleistet, wenn die Qualifikation nach übernationalen, verordnungsautonomen Kriterien erfolgt, deren Einhaltung der EuGH sicherstellen kann. Entsprechend der EuGH-Rechtsprechung zur Auslegung des wortlautidentischen Merkmals im EuGVÜ bietet es sich an, darauf abzustellen, ob die Forderung bzw. das Recht einem hoheitsgeprägten Über-/Unterordnungsverhältnis entspringt. 4. Die Zustellungsverordnung sieht als für das Pfändungsverfahren interessierende Zustellungswege die Zustellung nach dem Rogationsprinzip im unmittelbaren Behördenverkehr (Art. 4–11) sowie die Direktzustellung unmittelbar durch die Post (Art. 14) bzw. die Zustellung durch unmittelbaren Parteiauftrag an das ausländische Zustellungsorgan (Art. 15) vor. Diese Zustellungswege sind regelungstechnisch und dem Verordnungswortlaut nach gleichberechtigt ausgestaltet. Dafür spricht auch das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsprinzip. Die Direktzustellungen sind nicht subsidiär. Umgekehrt legt das deutsche Zustellungsrecht im Anwendungsbereich der Verordnung aber auch keinen Vorrang der Postzustellung fest, weil dies dem vom Verordnungsgeber gewollten Gleichrang der Zustellungswege widerspräche. Der Zustellungsweg gemäß Art. 15 Zustellungsverordnung ist in Deutschland für ausgehende Zustellungen nicht eröffnet, da die Verordnung selbst diesen Zustellungsweg nur ermöglicht, ohne ihn auch innerstaatlich zur Verfügung zu stellen und weil das deutsche Recht keine diese dem deutschen Gesetzgeber eingeräumte Befugnis aufgreifende innerstaatliche Rechtsgrundlage geschaffen hat. Die Postzustellung (§§ 191, 183 Abs. 3 ZPO, Art. 14 Abs. 1 Zustellungsverordnung) erfolgt durch Einschreiben mit Rückschein nach Antrag an den funktionell zuständigen Gerichtsvollzieher (§ 192 Abs. 1 ZPO). Die Zustellung nach dem Rogationsprinzip nach Antrag an den Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht (§§ 191, 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 20 Nr. 17 RpflG, Art. 4–11 Zustellungsverordnung). Aus Gründen der Schnelligkeit ist regelmäßig der Übermittlungsweg der Postzustellung vorzuziehen.
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
5. Im Anwendungsbereich des HZÜ ist alleine die Zustellung nach dem Rogationsprinzip eröffnet (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, Art. 2–7 HZÜ). Die Zustellung unmittelbar per Post gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 10a HZÜ scheitert daran, dass die Bundesrepublik dieser Zustellungsform für eingehende Zustellungen widersprochen hat und dieser Widerspruch wegen Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 b Wiener Vertragsrechtskonvention gegenüber den übrigen Vertragsstaaten reziproke Wirkung entfaltet. Ob die Zustellung im Rechtshilfeverkehr erfolgreich ist, hängt davon ab, ob der Empfangsstaat die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen als souveränitätsbeeinträchtigend empfindet (Art. 13 HZÜ), was – seitdem die Bundesrepublik dies ihrerseits nicht mehr tut – zunehmend seltener der Fall ist, aber immerhin vorkommt. Sonstige Direktzustellungsformen (vgl. Art. 10 b–c HZÜ) kommen in der Bundesrepublik schon mangels innerstaatlicher Rechtsgrundlage nicht in Betracht. 6. Im Anwendungsbereich des HZPÜ kommen postalische Direktzustellungen an die HZPÜ-Vertragsstaaten, die nicht auch HZÜ-Vertragsstaaten sind („Nur-HZPÜ-Staaten“), nicht in Betracht, mit denen bilaterale Zusatzabkommen existieren, die keine Regelung zur Postzustellung enthalten (Art. 6 Abs. 2 HZPÜ). Gegenüber den übrigen Nur-HZPÜ-Vertragsstaaten sind ebenso wie im Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung Zustellungen unmittelbar per Post gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 HZPÜ zulässig, weil die Bundesrepublik keinen wirksamen, allgemeinen Widerspruch gemäß Art. 6 HZPÜ erklärt hat. Sonstige Direktzustellungformen (Art. 6 Abs. 1 Nr. 2–3 HZPÜ) kommen mangels innerstaatlicher Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Sofern nach dem Rogationsprinzip zugestellt wird (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, Art. 1–4 HZPÜ), hängt der Erfolg der Zustellung davon ab, ob der Empfangsstaat sich durch das Ersuchen in seiner Souveränität beeinträchtigt sieht (Art. 4 HZPÜ), was seltener der Fall sein dürfte, seitdem die Bundesrepublik dies ihrerseits bei eingehenden Ersuchen nicht mehr so wertet. 7. Unter den selbständigen bilateralen Rechtshilfeabkommen ist das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr von 1928 erwähnenswert, weil dieses zwar im Verhältnis zum Vereinigten Königreich selbst durch die Zustellungsverordnung verdrängt wird, aber gegenüber den vormals von Großbritannien mitvertretenen Staaten, die heute selbständig sind, weiter gilt und weil es die Postzustellung ermöglicht (§§ 183 Abs. 1 Nr. 1, Art. 6). 8. Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr sind die potentiellen Empfangsstaaten nicht zur Ausführung der Zustellungsersuchen der Bundesrepublik verpflichtet. Sie leisten aber dennoch, sofern keine Souveräntätsbedenken geltend gemacht werden, auf Grund „courtoisie internationale“ Zustellungs-
B. Die Zustellung an auslandsdomizilierte Drittschuldner
333
rechtshilfe. Dabei kommt es vor, dass sie die Durchführung formloser Zustellungen durch deutsche Konsuln (§ 16 KonsularG) dulden (sogen. „passive Zustellungshilfe“). Die formlosen Zustellungen haben aber die Schwäche, dass sie nur bei Annahmebereitschaft des Drittschuldners und fehlender Erforderlichkeit der Ersatzzustellung erfolgreich sind, weswegen sie bei dem auf Schnelligkeit angewiesenen Pfändungsverfahren im vertraglichen Rechtshilfeverkehr untauglich und tunlichst zu vermeiden sind. Dulden die Staaten das Handeln deutscher Beamter in eigener Zustellungshilfe nicht, so leisten sie gelegentlich auf Ersuchen aktive Zustellungshilfe durch eigene Behörden. 9. Sofern kein Rechtshilfeverkehr mit einem Staat besteht bzw. dieser bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen weder aktive noch passive Zustellungshilfe leistet, kommt öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 2 ZPO in Betracht. Gleiches gilt, wenn ein Zustellungsersuchen drei Monate nach seinem Ausgang nicht erledigt ist. Wünscht der Vollstreckungsgläubiger öffentliche Zustellung, so hat er sie beim Vollstreckungsgericht zu beantragen (§ 191, 186 Abs. 1 ZPO). Die öffentliche Zustellung wird frühestens einen Monat nach Aushang der Zustellungsbenachrichtigung wirksam (§ 188 ZPO). Nach dem Wirksamwerden der Zustellung sind die Vollstreckungsgerichte zur formlosen Übermittlung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner verpflichtet, um dessen rechtliches Gehör zu wahren und den Vollstreckungsgläubiger vor dem Erlöschen der Forderung durch in Unkenntnis vorgenommene Leistung des Drittschuldners (§ 407 BGB analog) zu bewahren. Der Vollstreckungsgläubiger sollte dies zugleich mit dem Antrag auf Bewilligung öffentlicher Zustellung anregen und notfalls ersatzweise selbst tun. 10. Zustellungen von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sind auf Grund der getrennt vorzunehmenden völkerrechtlichen Bewertung von Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und Zustellung desselben unter dem Aspekt der völkergewohnheitsrechtlich begründeten Immunität uneingeschränkt zulässig, da die im Zustellungsvorgang selbst liegende Zwangsausübung (öffentliche Beurkundung des Zustellungsvorgangs, Negierung fehlender Annahmebereitschaft durch Zustellungsfiktion) den Immunitätsträger unter keinem Gesichtspunkt in der Wahrnehmung seiner kernhoheitlichen Aufgaben behindern kann. Völkervertragsrechtlich kann die Immunität insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn der Zustellungsadressat Diplomat, Konsul bzw. geschützter Angehöriger derselben ist. Dann ist nämlich zu beachten, dass die Zustellung in den immunitätsrechtlich geschützten Räumlichkeiten (z. B. diplomatische Mission bzw. Diplomatenwohnung) nicht ohne Zustimmung des Berechtigten durchgeführt werden kann. Zustellungen an fremde Staaten sind gemäß § 35 ZRHO stets im diplomatischen Verkehr durchzuführen und mit einer die Zulässigkeit des Verfahrens und
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2. Teil: Zustellung der Pfändungsurkunden
der Zustellung begründenden Denkschrift zu versehen. Verweigert der Staat die Mitwirkung, so kann öffentlich zugestellt werden (§ 185 Nr. 2 ZPO). Auch an Diplomaten bzw. deren Angehörige kann öffentlich zugestellt werden, wenn die Zustellung an der räumlichen Immunität der Mission bzw. der Diplomatenwohnung scheitert und auch eine an sie gerichtete Auslandszustellung im diplomatischen Verkehr keinen Erfolg hat.
3. Teil
Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse A. Das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur I. Ausgangslage: Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.03.1996 Auf Grund der im 2. Teil der Arbeit für die Zeit bis 1998 beschriebenen Zustellungsschwierigkeiten hatten von deutschen Vollstreckungsgerichten erlassene internationale Rechts- bzw. Forderungspfändungen eine sehr geringe praktische Relevanz990. Noch geringer war folglich die praktische Bedeutung der Thematik, welche Rechtswirkungen ausländische Rechts- bzw. Forderungspfändungen in der Bundesrepublik Deutschland haben. Ilka Karen Mössle zog daraus für ihre 1991 veröffentlichte Dissertation zum Thema „Internationale Forderungspfändung“ die Konsequenz, dass sie dieses Thema nur kursorisch behandelte, weil eine ausführliche Erörterung sich so lange erübrige, „wie sich nicht die Grundhaltung der Staaten, was die internationale Forderungspfändung im allgemeinen angeht, ändert“991. Da sich jedenfalls die Haltung der deutschen Justizverwaltungen gegenüber ausländischen Zustellungsersuchen geändert hat und eingehende, ausländische Ersuchen um Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an in der Bundesrepublik Deutschland domizilierte Drittschuldner nunmehr regelmäßig erledigt werden, wird das Thema künftig an praktischer Relevanz gewinnen und kann daher nicht mehr ausgespart werden. Aber auch schon vor der Änderung der deutschen Haltung konnte das Problem der Inlandswirkungen gelegentlich praktisch werden. Dies war etwa dann der Fall, wenn ein ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss irrtümlich doch an einen im Inland domizilierten Drittschuldner zugestellt 990
Die Landesjustizverwaltungen lehnten bis zur Änderung ihrer Haltung im Frühjahr 1998 gestützt auf § 59 ZRHO auch die Erledigung eingehender, ausländischer Ersuchen um Zustellung an in Deutschland domizilierte Drittschuldner ab: vgl. R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2165. 991 I. K. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 238. Sie widmet der Thematik insgesamt 41/2 Seiten ihrer 243 Seiten starken Arbeit.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
wurde oder eine Inlandszustellung nicht erforderlich, jedenfalls aber entbehrlich war, weil der Drittschuldner (auch) im Ausland domiziliert war. Letztere Konstellation lag denn auch dem Urteil des BAG vom 19.03.1996992 zu Grunde, das auf Grund der spärlichen deutschen Rechtsprechung zum Problem der Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse den Charakter eines „leading case“ hat. Der Entscheidung lag kurz gefasst folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger begehrte als Arbeitnehmer der Beklagten, deren Hauptgeschäftsstelle in den USA lag, die aber in Frankfurt ihren europäischen Stützpunkt unterhielt, Restlohnzahlung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung, sie habe den streitigen Betrag auf Grund eines ihrer Hauptgeschäftsstelle zugestellten „Writ of Income Withholding to Employer“, den die vom Kläger geschiedene Ehefrau zur Befriedigung von Unterhaltsansprüchen vor einem District Court erwirkt habe, einbehalten und an die „W County Family Court Services“ abgeführt. Nachdem die Klage in den ersten beiden Instanzen erfolgreich war, musste das BAG über die von der Beklagten eingelegte Revision entscheiden. Das BAG wies die Revision der Beklagten als unbegründet zurück. Es begründete dies damit, dass der Restlohnanspruch weder durch Gläubigerwechsel aus dem Vermögen des Klägers ausgeschieden, noch durch die Abführung des einbehaltenen Lohns an die W County Family Court Services erloschen sei, weil die einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss entsprechende „Writ of Income Withholding to Employer“ in der Bundesrepublik Deutschland keine Rechtswirkungen entfalte. Dieses Ergebnis stützte das BAG bei Lichte besehen auf zwei merkwürdig ineinander verschränkte Begründungen993. Zum einen stellte es darauf ab, dass die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Rechtswirkungen ausländischer Forderungspfändungen in Deutschland anzuerkennen sind, bisher weder staatsvertraglich noch gesetzlich geregelt sei. Ausländische Gläubiger seien dadurch aber nicht rechtsschutzlos gestellt, weil sie in der Lage seien, ausländische Titel in Deutschland für vollstreckbar erklären zu lassen (§§ 722, 723 ZPO) und einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim für den Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners zuständigen Amtsgericht zu erwirken (§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO). Da demnach für ausländische Vollstreckungsgläubiger eine Vollstreckungsmöglichkeit vorhanden sei, liege es nahe, „aus der bisherigen gesetzlichen Nichtregelung der Erstreckung von Rechtswirkungen 992
BAGE 82, 243 ff., Urt. v. 19.03.1996 – 9 AZR 656/94. Dies wurde in den Urteilsanmerkungen zu dieser Entscheidungen durchweg anders gesehen. Schack, IPRax 1997, 318 und Mankowski, EWiR 1996, 1055 stellen einseitig darauf ab, das BAG verneine die Anerkennung ausländischer Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse für den Fall, dass eine deutsche internationale Zuständigkeit für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses besteht. 993
A. Das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur
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ausländischer Vollstreckungsakte darauf zu schließen, dass vom nationalen Gesetzgeber die Anerkennung ausländischer Forderungspfändungen durch inländische Gerichte nicht vorgesehen ist“. Davon geht denn das BAG auch aus und wertet die in der Literatur zur Vermeidung von Doppelleistungspflichten des Drittschuldners vorgestellten Lösungen als „rechtspolitischer Natur“. Zum anderen stellt das BAG darauf ab, dass die Anerkennung der Pfändung auch deshalb abzulehnen sei, weil für die Pfändung des Klägers die deutsche internationale Zuständigkeit gegeben sei und fremde Pfändungsmaßnahmen in der Regel nicht von anderen Staaten anerkannt würden, soweit die eigene internationale Zuständigkeit angenommen werde. Abschließend prüft das BAG, ob der Verweigerung der gerichtlichen Anerkennung der ausländischen Forderungspfändung „rechtsstaatliche Bedenken“ entgegen stünden und verneint dies, weil der ausländische Vollstreckungsgläubiger nach Anerkennung und Vollstreckbarerklärung seines Titels im Inland pfänden könne. Im Ergebnis lehnt das BAG eine Erstreckung der Rechtswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf die Bundesrepublik Deutschland mangels gesetzlicher bzw. staatsvertraglicher Regelung grundsätzlich ab. Allerdings lässt es unausgesprochen offen, ob es daran auch für den Fall einer fehlenden deutschen internationalen Zuständigkeit für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses festhalten würde, indem es darauf verweist, die fehlende Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sei jedenfalls dann geboten und zugleich rechtsstaatlich unangreifbar, wenn eine deutsche internationale Zuständigkeit zum Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bestehe. Selbst wenn man dies aber so verstehen wollte, dass das BAG ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse anerkennt, wenn es keine deutsche internationale Zuständigkeit für ihren Erlass gibt, würde dies auf Grund der sehr weitgehenden Regelung der deutschen internationalen Zuständigkeit nur in seltenen Fällen zur Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland führen.
II. Überlick über die sonstigen Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur 1. Abweichende Rechtsprechung des Reichsgerichts
Im Gegensatz zum BAG urteilte das RG anerkennungsfreundlicher und erkannte – ohne dafür indes eine Rechtsgrundlage zu benennen – im Ausland erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen Inlandswirkungen zu, wenn diese nach dem Recht des Vollstreckungsstaates rechtmäßig ergangen sind und die gepfändete Forderung bzw. das gepfändete Recht ge-
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
messen an § 23 Satz 2 ZPO als im Vollstreckungsstaat „belegen“ zu werten ist994. Bei inländischem Drittschuldnerwohnsitz/sitz kam nach dieser Auffassung eine Anerkennung des ausländischen Pfändungsaktes mithin nicht in Betracht995. Diese Anerkennungsschranke fußt, wie man den Formulierungen des RG entnehmen kann996, ersichtlich auf der Vorstellung, dass die Pfändung und Überweisung von gemäß § 23 Satz 2 ZPO als in Deutschland belegen gewerteten Forderungen bzw. Rechten ein völkerrechtswidriger Akt sei, der per se nichtig und daher unbeachtlich ist. Dabei war das RG indes ebenso wie das BAG bereit, die Gefahr der Doppelinanspruchnahme des Drittschuldners hinzunehmen997. 2. Lösungsansätze in der Literatur
a) Ansatz Rosenbaums: Vorbehaltlose Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse Einen besonders weitgehenden Ansatz vertritt Rosenbaum. Danach soll, davon auszugehend, dass jede Rechtsordnung ohne völkerrechtlichen Zwänge frei darüber entscheiden kann, ob sie ausländischen Hoheitsakten für ihr Staatsgebiet Rechtswirkungen beimisst oder nicht, im Zweifel anzunehmen sein, dass ausländische Hoheitsakte bei fehlender gesetzlicher Regelung der Anerkennungsfrage von der deutschen Rechtsordnung anerkannt werden998. Dies wiederum bedeute für ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, für die es keine besonderen Regeln über die Anerkennung gebe, weil die §§ 328, 722 ZPO auf sie keine Anwendung finden, dass sie grundsätzlich im Inland anzuerkennen seien, soweit sie nach dem Recht des Vollstreckungsstaates gesetzmäßig sind und keinen Eingriff in die deutsche Gerichtsbarkeit darstellen999. Letztere Einschränkung, die mit der Anerkennungsformel des RG übereinstimmt, kommt aber nach der Rosenbaumschen Auffassung nur selten zum tragen, da Rosenbaum – anders als 994
RGZ 77, 355, 356 f., Urt. v. 12.10.1895 – Rev. I. 180/95. Die hierfür meist angeführte Entscheidung RGZ 36, 250 ff., Urt. v. 03.11.1911 – Rev. VII. 150/11 ist als Beleg für diese Rechtsprechung indes nicht geeignet, weil ratio decidendi dieser Entscheidung war, dass die vom RG für nicht anerkennungsfähig erachtete Entscheidung zeitlich nach einer wirksamen deutschen Arrestpfändung ergangen war. 996 Das RG führt dazu in RGZ 77, 355, 357, Urt. v. 12.10.1895 – Rev. I. 180/95 wörtlich aus: „Allerdings sind ausländische prozessuale Handlungen, die einen Eingriff in die diesseitige Gerichtsbarkeit enthalten, als rechtswirksam nicht anzuerkennen“. 997 RGZ 36, 250, 253 f., Urt. v. 03.11.1911 – Rev. VII. 150/11. 998 Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 34. 999 Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 35. 995
A. Das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur
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das RG – keine wie auch immer zu bestimmende Forderungs- bzw. Rechtsbelegenheit akzeptiert und folglich Pfändungen gegen in Deutschland domizilierte Drittschuldner gerichteter Forderungen nicht als Übergriff in die deutsche Gerichtsbarkeit einstuft1000. Dies begründet er nicht nur dogmatisch, sondern in erster Linie auch mit Überlegungen vom Ergebnis her. Beschränke man die jeweilige staatliche Vollstreckungsgewalt nur auf Forderungen, deren Schuldner im Vollstreckungsstaat ihren Sitz/Wohnsitz haben, so führe dies zu „praktisch unbrauchbaren Ergebnissen“: Hinsichtlich im Inland ausgebrachter Pfändungen bewirke das nämlich, dass die Interessen der „deutschen“ Gläubiger geschädigt würden, während nur die im Ausland wohnhaften, nicht aber die in Deutschland wohnhaften Drittschuldner vor der Gefahr doppelten Leistensmüssens geschützt würden. Hinsichtlich ausländischer Pfändungen führe die Beschränkung der deutschen Anerkennung auf Vollstreckungen, die eine Forderung gegen einen außerhalb Deutschlands wohnenden Drittschuldner zum Gegenstand haben, dazu, dass wiederum die deutschen Drittschuldner benachteiligt würden, ohne dass damit den in Deutschland ansässigen Gläubigern genützt werde1001. Allerdings schränkt Rosenbaum seinen weit gehenden Ansatz für den Fall ein, dass der Gläubiger den Drittschuldner auf Grund des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Deutschland auf Leistung verklagt. Hier soll danach zu unterscheiden sein, ob sich die Tätigkeit des angegangenen deutschen Prozessgerichts noch im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner bewege und damit die Beachtung des § 722 ZPO erfordere oder ob sie damit nichts mehr zu tun habe. Ersteres bejaht Rosenbaum, wenn die gepfändete Forderung dem Vollstreckungsgläubiger zur Einziehung überwiesen worden ist, weil dann die Vollstreckung erst mit dem Empfang des Geldes beendet sei. Daraus folge, dass die Einziehungsklage als Teilakt des ausländischen Vollstreckungsverfahrens zu werten sei. Die Vornahme einzelner Handlungen im Rahmen einer ausländischen Vollstreckung sei aber deutschen Gerichten, wie man aus §§ 722, 723 ZPO entnehmen könne, untersagt. Aus diesen Vorschriften ergebe sich nämlich, dass die Vollstreckung in Geldforderungen des Vollstreckungsschuldners auf Grund eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur in dem ausländischen Vollstreckungsstaat, in Deutschland dagegen nur auf Grund eines deutschen Vollstreckungsurteils und eines deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfolgen dürfe. Konsequenz dessen ist, dass deutsche Gerichte auf ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gestützte Einziehungsklagen auf Grund fehlender Prozessführungsbefugnis des Vollstre1000 1001
Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 40 f. Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 40 f.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
ckungsgläubigers abweisen müssen1002. Bei der – praktisch zu vernachlässigenden – Überweisung an Zahlungs Statt, die bei Bestehen der gepfändeten Forderung bereits zur Befriedigung des Gläubigers (§ 835 Abs. 2 ZPO) und damit zur Beendigung der Vollstreckung führe, sieht Rosenbaum hinsichtlich der Einziehungsklage keinen Zusammenhang mit der Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner mehr und zieht daraus die Konsequenz, dass das mit der Einziehungsklage angegangene deutsche Gericht den ausländischen Überweisungsbeschluss und damit die Aktivlegitimation anerkennen müsse1003. b) Dem Reichsgericht folgende Autoren zur Zeit des Deutschen Reiches Die Auffassung des Reichsgerichts, wonach ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in Deutschland unter den Voraussetzungen anerkannt werden können, dass sie nach dem Recht des Vollstreckungsstaates rechtmäßig ergangen sind und dass die Vollstreckungsobjekte gemessen an § 23 Satz 2 ZPO als im Vollstreckungsstaat „belegen“ anzusehen sind, wurde zur Zeit des Deutschen Reiches von einigen namhaften Zivilprozessrechtslehrern, unter ihnen Rheinstein und Nussbaum, geteilt1004. Dabei hat sich namentlich Rheinstein um eine sorgfältige dogmatische Absicherung dieser Auffassung bemüht, die nachfolgend kurz dargestellt werden soll. Ausgangspunkt für die Überlegungen Rheinsteins ist die Feststellung, dass die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse weder völkerrechtlich geboten noch gesetzlich bzw. staatsvertraglich geregelt ist1005. Daher falle der Wissenschaft die Aufgabe zu, diese „Lücke“ durch „Abwägung der in Frage stehenden Interessen im Sinn der in ihrer gesamten Rechtsordnung zum Ausdruck kommenden Wertungen zu beantworten“1006. Hierbei sei im Ergebnis weder eine allgemeine Anerkennung im Sinne Rosenbaums noch eine allgemeine Anerkennungsverweigerung zu befürworten1007. Gegen den Rosenbaumschen Ansatz führt Rheinstein das fiktive Beispiel ins Feld, dass „irgendein geldbedürftiger Staat“ seine Gerichte beliebigen Personen zu Versäumnisurteilen und nachfolgender Pfändung und Überweisung von Forderungen zur Verfügung stelle, ohne zu verlangen, dass die 1002 1003 1004 1005 1006 1007
Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 37 f. Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 37. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277 ff.; Nussbaum, Deutsches IPR, S. 418. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 285. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 285. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 289.
A. Das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur
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gepfändeten Forderungen irgendeinen Berührungspunkt zu ihm aufweisen. Da ein solcher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach Rosenbaums Lehre in Deutschland anerkannt werden müsse, was ein unannehmbares Ergebnis sei, führe dieser Ansatz nicht weiter1008. Überdies sei die von Rosenbaum für seine Auffassung angeführte Gefahr der Doppelinanspruchnahme des Drittschuldners auch anders überwindbar. Werde nämlich der Drittschuldner, der bereits im Ausland auf Grund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsgläubiger zahlen musste, in Deutschland vom Vollstreckungsschuldner auf Leistung verklagt, so könne er sich gegen diese Inanspruchnahme auch ohne inländische Anerkennung des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch Erhebung der Bereicherungseinrede effektiv verteidigen. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass man hinsichtlich der Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zwischen den „privatrechtlichen Wirkungen“ bezüglich der gepfändeten Forderung („Verfügungsbeschränkung und Übertragung“) und den Wirkungen bezüglich der titulierten Forderung („Vollstreckungsforderung“) unterscheiden könne. Dabei müsse man in Betracht ziehen, dass die deutsche Rechtsordnung die Wirkungen einer ausländischen Pfändung bezüglich der titulierten Forderung anerkenne und bezüglich der gepfändeten und überwiesenen Forderung nicht1009. Das etwaige Erlöschen der titulierten Forderung beurteile sich nämlich, ohne dass es insoweit auf eine Anerkennung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ankomme, nach dem Recht, das nach deutschem Internationalen Privatrecht zur Anwendung komme. Selbst wenn aber nach diesem Recht die titulierte Forderung nicht erloschen sein sollte, so bringe die ausländische Vollstreckung es aber jedenfalls mit sich, dass sie für das Gebiet des Vollstreckungsstaates als erloschen gelte. Das sei aber selbst dann als ein dem Schuldner zugeflossener Vermögensvorteil zu werten, wenn die titulierte Forderung nach deutschem Recht nicht erloschen sein sollte. Für diesen „erlangten“ Vorteil fehle es indes gegenüber dem Drittschuldner am „Rechtsgrund“, wenn die im Ausland gepfändete und überwiesene Forderung mangels deutscher Anerkennung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Inland nicht als erloschen gelte. Damit begründe die Inanspruchnahme des Drittschuldners auf Grund des ausländischen Pfändungsund Überweisungsbeschlusses auch im Inland einen Bereicherungsanspruch gegen den Vollstreckungsschuldner, mittels dessen der Bereicherungsschuldner in die Lage versetzt wird, etwaige inländische Leistungsklagen des Vollstreckungsschuldners abzuwehren1010.
1008 1009 1010
Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 289. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 287 f. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 288.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Demgegenüber will Rheinstein Anerkennungskriterien aus einer Parallele zum Internationalen Enteignungsrecht entwickeln. Dies sei deshalb angebracht, weil die Überweisung, gleich ob zur Einziehung oder an Zahlungs Statt, die Forderung zu Gunsten des Vollstreckungsgläubigers enteigne1011. Im Internationalen Enteignungsrecht sei es aber anerkannt, dass die Staaten untereinander Enteignungen auch für ihr Staatsgebiet als wirksam anerkennten, wenn sich die enteigneten Sachen im Zeitpunkt, in dem nach dem Recht des Enteignungsstaates die Enteignung wirksam werden solle, im Gebiete des Enteignungsstaates befänden1012. Daraus lasse sich der allgemeine Rechtsgedanke ableiten, dass zur Ausübung eines Hoheitsaktes allgemein stets der Staat berufen sei, der durch faktische Einwirkung auf das physische Substrat tatsächlich in der Lage sei, die von ihm gewollte neue Situation herzustellen. Dies sei, auf Rechte und Forderungen übertragen, der Staat, in dem der Mittelpunkt des den Haftungsgegenstand bildenden schuldnerischen Vermögens liege, nämlich der Sitz/Wohnsitz des Schuldners1013. Diesem Rechtsgedanken trage für die deutsche Rechtsordnung § 23 Satz 2 ZPO Rechnung, der daher auch bei der Anerkennung ausländischer Pfändungsakte eine entscheidende Rolle spielen müsse1014. In Übereinstimmung mit der Auffassung des RG müsse für die Anerkennung des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu der nach § 23 Satz 2 ZPO zu bestimmenden „Belegenheit“ der zu pfändenden Forderung die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses nach dem Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates hinzukommen. Diese Anerkennungsvoraussetzung rechtfertige sich dadurch, dass sie „universell anerkannt“ sei1015. c) Ansatz der derzeit h. M. in der Literatur und des OLG Oldenburg Die derzeit h. M. in der Literatur ist fast so anerkennungsfreundlich wie die Ansicht Rosenbaums und unterscheidet sich von dieser vor allem im dogmatischen Ansatz. Sie geht nämlich anders als Rosenbaum nicht davon aus, dass ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse per se in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt werden1016, sondern bemüht sich, im Wege der Rechtsfortbildung1017 Anerkennungsvoraussetzungen zu entwickeln. Dabei ist man sich im Ergebnis weitgehend einig, dass auslän1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017
Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 287. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 291. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 300 f. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 301–309. Rheinstein, RabelsZ 8 (1934), 277, 286. So etwa Kreuzer, IPRax 1990, 365, 366. Offen ausgesprochen von Mankowski, EWiR 1996, 1055, 1056.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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dische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen sind, wenn der Vollstreckungsstaat nach deutschem Vollstreckungsrecht international zuständig war und die ihm durch das Völkerrecht gezogenen Grenzen seiner Vollstreckungsgewalt beachtet hat, der Vollstreckungsakt nach dem Recht des Vollstreckungsstaates wirksam ist und einer ordre public-Kontrolle standhält1018. Unsicherheit herrscht indes über die dogmatische Begründung dieser Rechtsfortbildung. Während die Mehrzahl der Autoren keine Rechtsgrundlage für das von ihnen befürwortete Ergebnis benennen1019, führen Reinhold Geimer1020 und Schack1021 und ihnen folgend das OLG Oldenburg1022 § 328 ZPO in analoger Anwendung an. Allerdings bekennt Schack, dass er im allgemeinen eine materiellrechtliche Lösung, die „direkt internationalprivatrechtlich die lex rei sitae anwendet“ bevorzugen würde. Bei der Rechts- oder Forderungspfändung will er aber mangels tatsächlicher Belegenheit von Rechten und Forderungen letztlich doch einer international verfahrensrechtlichen Betrachtungsweise vor einer internationalprivatrechtlichen Lösung mit kollisionsrechtlicher Belegenheitsfiktion und einem näher auszudifferenzierenden ordrepublic-Vorbehalt den Vorzug geben1023.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung I. Rechtsprechung des BAG Die Auffassung des BAG steht und fällt mit der These, dass aus der fehlenden gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Regelung der Erstreckung der Rechtswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu schließen ist, dass das geltende Recht eine Anerkennung dieser Pfändungsakte nicht zulässt. Diese 1018
OLG Oldenburg, IPRax 1997, 338, 340, Urt. v. 25.04. 1995 – 1 U 161/94; Kreuzer, IPRax 1990, 365, 368; Gottwald, IPRax 1991, 285, 288, der allerdings nur die ordre-public-Kontrolle anspricht; Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, § 829 Rdnr. 103; Mankowski, EWiR 1996, 1055, 1056; Schack, IPRax 1997, 318, 320–323; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3283 mit Unterschieden im Detail sowie Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 97, der indes nur auf das Vorliegen internationaler Zuständigkeit aus der Sicht des deutschen Rechts abstellt. 1019 So etwa Marquordt, Recht der internationalen Forderungspfändung, S. 97; Kreuzer, IPRax 1990, 365, 368; Gottwald, IPRax 1991, 285, 288; Brehm in: Stein/ Jonas, ZPO, § 829, Rdnr. 103; Mankowski, EWiR 1996, 1055, 1056. 1020 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3283. 1021 Schack, IPRax 1997, 318, 320–323. 1022 OLG Oldenburg, IPRax 1997, 338, 340, Urt. v. 25.04. 1995 – 1 U 161/94. 1023 Schack, IPRax 1997, 318, 319.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
These vermag nur zu überzeugen, wenn aus dem Schweigen des Gesetzes abgeleitet werden kann, dass eine die Anerkennung ermöglichende Rechtsfortbildung ausgeschlossen ist. Das ist fragwürdig. Wie bereits mehrfach erörtert, geht die neuere Methodenlehre davon aus, dass eine Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf das Gesetzesbindungspostulat ausscheidet, wenn sie gegen das vom Gesetzgeber Gesagte und Gewollte verstoßen würde1024. Dabei kann unter Umständen auch gesetzgeberisches Schweigen als Rechtsfortbildungssperre fungieren, wenn es den Charakter „beredten Schweigens“ hat, weil der Gesetzgeber nicht nur „schlicht nichts sagt“, sondern durch ein bewusstes Unterlassen der Schaffung einer Regelung bzw. der Änderung einer bestehenden Regelung eine bestimmte Rechtslage, wie z. B. die bewusste Billigung einer Rechtsanwendungspraxis, fixieren will1025. Dies käme vorliegend nur dann in Betracht, wenn der historische ZPO-Gesetzgeber bewusst auf die Schaffung einer Anerkennungsregelung für Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse verzichtet hat oder wenn die fehlende Anerkennung einer gängigen Gerichtspraxis entspräche, die der heutige ZPO-Gesetzgeber kennt und bei den zahlreichen ZPO-Reformen nicht antasten wollte. Beides ist zu verneinen. Der historische ZPO-Gesetzgeber hat nicht bewusst von der Schaffung einer Anerkennungsregelung für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse abgesehen, weil er dieser ablehnend gegenüber stand. Den für die Ermittlung des Gesetzgeberwillens bedeutsamen Materialien1026 kann man eine derartige gesetzgeberische Entscheidung nicht mit der für eine eventuelle Rechtsfortbildungssperre nötigen Klarheit entnehmen. Vielmehr ergeben die Materialien nur, dass der Abgeordnete Gaupp seinen von der Mehrheit abgelehnten Antrag, die deutsche internationale Pfändungszuständigkeit auf Forderungen mit inländischem Erfüllungsort zu beschränken, damit begründete, dass die inländische Pfändung von Forderungen mit ausländischem Erfüllungsort für den Drittschuldner „schwierige Verwicklungen“ zur Folge haben könne, „weil die Pfändung im Ausland nicht als berechtigt anerkannt werde“1027. Der darauf entgegnende Direktor von Amsberg vertrat dagegen die Auffassung, derartige Verwicklungen seien nicht zu befürchten. Es stehe nämlich bei der inländischen Pfändung und Überweisung einer Forderung mit ausländischem Erfüllungsort nicht anders als wenn jemand auf einen anderen Titel hin auf eine solche Forderung Anspruch erhebe. Ebenso wie in diesem Falle gelte für die Pfändung, dass der Gläubiger, dessen Schuldner bereits vor der Pfändung über die Forderung disponiert habe, sich die daraus erwachsenden Einwendungen entgegensetzen lassen müsse. Die dem 1024 1025 1026 1027
Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 255. Vgl. Rüßmann, in: Elemente einer juristischen Begründungslehre, 135, 144 f. Rüßmann, in: Elemente einer juristischen Begründungslehre, 135, 148. Hahn, Die gesammten Materialien zur CPO, S. 847.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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Drittschuldner gegen die Forderung zustehenden „Einreden“ seien durch die Pfändung nämlich nicht „präjudiziert“1028. Nicht einmal der Stellungnahme des Abgeordneten Gaupp lässt sich mit Gewissheit entnehmen, auf Grund welcher Überlegung er wie selbstverständlich von der fehlenden Anerkennungsfähigkeit einer deutschen Forderungspfändung im Ausland ausging. Womöglich war ihm eine entsprechende Staatenpraxis bekannt, womöglich hielt er dies für ein Gebot des Völkerrechts. Daher kann man aus dieser Stellungnahme auch nicht zwingend darauf zurückschließen, ob Gaupp auch von einer fehlenden Anerkennungsfähigkeit ausländischer Pfändungen in Deutschland ausging. Aber selbst wenn man Gaupp so verstehen wollte, dass er wie selbstverständlich davon ausging, dass ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in Deutschland nicht anerkennungsfähig sind, so lässt sich der entgegnenden Stellungnahme von Amsbergs und der den Antrag zurückweisenden Mehrheit nicht entnehmen, ob die anderen Abgeordneten ebenso dachten. Vielmehr legt der Beitrag Amsbergs, der die von Gaupp befürchteten „Verwicklungen“ des Drittschuldners in Abrede stellte, nahe, dass es auch andere Meinungen zu den grenzüberschreitenden Wirkungen von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen gab als diejenige Gaupps. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei späteren Änderungen der ZPO in Kenntnis einer die Anerkennung ablehnenden Rechtsprechungspraxis bewusst davon Abstand genommen hätte, die Anerkennung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zu regeln. Dies liegt schon deshalb fern, weil es keine derartige gefestigte obergerichtliche Rechtsprechungspraxis gibt. Vielmehr gab es bis zur Entscheidung des BAG im März 1996 keine höchstrichterliche Entscheidung zu Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse. Daher konnte die Praxis allenfalls auf die Rechtsprechung des RG zurückgreifen, das aber eine Anerkennung grundsätzlich befürwortete. Die Entscheidung des BAG ist dagegen vereinzelt geblieben und auf breite Kritik in der Literatur gestoßen. Mangels einer gefestigten Rechtsprechungspraxis zur Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse kann man daher auch nicht davon ausgehen, der Gesetzgeber habe es in Kenntnis und Billigung einer die Anerkennung ablehnenden höchstrichterlichen Rechtsprechung bewusst unterlassen, eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Für die These des BAG, dass das geltende deutsche Recht mangels gesetzlicher bzw. staatsvertraglicher Regelung einer Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse entgegen stehe, könnte indes § 802 ZPO sprechen. Dies deshalb, weil eine ausschließliche internationale Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsgerichte und die Anerkennung aus1028
Hahn, Die gesammten Materialien zur CPO, S. 847.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
ländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sachlogisch nicht miteinander vereinbar wären. Es ist allerdings fraglich, ob § 802 ZPO überhaupt die internationale Zuständigkeit erfasst. Während der BGH diese Frage bislang ausdrücklich offen stehen ließ1029 und dies von Teilen der Literatur generell bejaht1030 und von anderen generell verneint wird1031, neigt Schack zu einer differenzierenden Lösung, die sich daran orientiert, ob eine aus § 802 ZPO folgende ausschließliche internationale Zuständigkeit auf den jeweiligen Zuständigkeitstatbestand „passt“1032. Die Lösung muss am Sinn und Zweck des Institutes der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit ansetzen. Dieses erscheint zunächst paradox, hat doch der deutsche Gesetzgeber nur die Rechtsmacht, deutschen Gerichten die Zuständigkeit für die Entscheidung über auslandsbezogene Sachverhalte zuzuweisen, nicht aber die Rechtsmacht, ausländischen Gerichten die Zuständigkeit für solche Sachverhalte abzusprechen. Dies ist aber auch mit ausschließlicher internationaler Zuständigkeit nicht gemeint. Vielmehr wendet sich natürlich auch die Regelung eines ausschließlichen internationalen Gerichtsstandes nur an die deutschen Justizbehörden und weist sie an, ausländische Gerichtsakte in den gesetzlich bestimmten Fällen unter keinen Umständen anzuerkennen1033. Da mit der Regelung einer ausschließlichen sachlichen bzw. örtlichen Zuständigkeit ganz andere Regelungsinteressen verfolgt werden als mit der Regelung einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit, ist weitgehend anerkannt, dass ausschließliche sachliche bzw. örtliche Zuständigkeit und ausschließliche internationale Zuständigkeit nicht deckungsgleich sind, dass also aus der einen Ausschließlichkeit keineswegs zwingend die andere Ausschließlichkeit folgt1034. Trotzdem ist erstaunlicherweise die Auffassung verbreitet, nach deutschem Recht folge 1029
BGH, NJW 1997, 2245, 2246, Urt. v. 17.02.1997 – II ZR 343/95 bezogen auf § 893 Abs. 2 ZPO. 1030 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 877a; ders., in: Zöller, ZPO, IZPR, Rdnr. 40. 1031 Wolfsteiner, in: MüKo, ZPO, § 802 Rdnr. 1; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, § 802 Rdnr. 1 jeweils unter Berufung auf BGH NJW 1997, 2245, 2246, wo diese Frage indes gerade nicht entschieden wurde. 1032 Nur so lässt sich erklären, dass Schack in § 802 ZPO für die Verfahren gemäß §§ 766, 767, 771 und 879 ZPO eine Regelung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit sieht, während er für das Verfahren gemäß §§ 829 ff. ZPO für eine großzügige Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse plädiert: Schack, IZVR, Rdnrn. 322; 985; ders., IPRax 1997, 318, 321; ähnlich wohl auch G. Vollkommer, IPRax 1997, 323, 325, der für § 893 Abs. 2 ZPO gesondert prüft, „ob § 802 ZPO auch die in § 893 Abs. 2 ZPO mitgeregelte internationale Zuständigkeit erfasst“. 1033 Kropholler, HBIZVR, Band 1, S. 258. 1034 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 865 und Rdnr. 873; Schack, IZVR, Rdnr. 197; Kropholler, HBIZVR, Band 1, S. 257; a. A. Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337, 386 f.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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auch hinsichtlich der Frage der Ausschließlichkeit die internationale Zuständigkeit regelmäßig der Regelung für die örtliche Zuständigkeit, so dass ein nach deutschem Recht örtlich ausschließlich zuständiges Gericht in der Regel auch international ausschließlich zuständig sei1035. Dem ist zu widersprechen. Die Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, die Zuständigkeit für einen bestimmten Verfahrensgegenstand innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bei einem bestimmten deutschen Gericht zu konzentrieren, müssen keineswegs stets zu der Annahme führen, der Gesetzgeber habe ausländischen Gerichtsakten zu diesem Verfahrensgegenstand unter allen Umständen die Chance auf Anerkennung nehmen wollen1036. Hinzu kommt, dass ausschließliche internationale Zuständigkeiten in aller Regel mit bedenklichen Rechtsfolgen verbunden sind. Sie schränken nämlich, weil sie derogationsfest sind (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), in bevormundender Weise die Freiheit der Parteien zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen ein und beschwören, da sie eine Anerkennungssperre auslösen, die Gefahr international divergierender Entscheidungen herbei1037. Aus diesem Grunde muss die Formel der derzeit wohl h. M. geradezu umgekehrt werden: Bei der Bejahung ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten ist nach deutschem Recht Zurückhaltung geboten, so dass in der Regel aus einer ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit nicht auf eine ausschließliche internationale Zuständigkeit geschlossen werden kann1038. Mit Rücksicht auf die Funktion der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit, eine deutsche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in jedem Falle zu vermeiden, kann eine Ableitung der ausschließlichen internationale Zuständigkeit aus einer ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit lediglich dann in Betracht kommen, wenn (ausnahmsweise) unmittelbare Staatsinteressen bzw. sonstige öffentliche Interessen von Belang der Grund für die Normierung der die Ausschließlichkeit anordnenden Zuständigkeitsnorm waren1039. Wendet man dieses Kriterium auf § 802 ZPO an, so ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Zuständigkeitsnorm von derartigen unmittelbaren Staatsinteressen bzw. sonstigen öffentlichen Interessen geleitet worden ist. Er ließ sich bei der Schaffung dieser Bestimmung vielmehr von der pragmatischen Erwägung leiten, dass es für das Zwangs1035 Kropholler, HBIZVR, Band 1, S. 257; ähnlich Schack, IZVR, Rdnr. 197, der ausführt, meist lasse sich das gesetzgeberische Ziel nur erreichen, wenn beide Zuständigkeiten ausschließlich sind. 1036 So auch Schack, IPRax 1997, 318, 321, der sogar meint, dass der ZPO-Gesetzgeber von 1877, wenn er an die Anerkennungszuständigkeit gedacht hätte, § 802 ZPO in einer §§ 606a Abs. 1 Satz 2, 640a Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechenden Weise hätte öffnen müssen. 1037 Schack, IZVR, Rdnr. 198. 1038 Ähnlich: G. Vollkommer, IPRax 1997, 323, 325; R. Geimer, IZPR, Rdnr. 874. 1039 R. Geimer, IZPR, Rdnr. 874.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
vollstreckungsverfahren zweckmäßiger sei, wenn das Verfahren an einem Ort konzentriert werde1040. Demnach ist der Auffassung Reinhold Geimers zuzustimmen, wonach § 802 ZPO die internationale Zuständigkeit generell nicht erfasst. § 802 ZPO steht mithin einer Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nicht entgegen. Nach alledem ist kein Grund dafür ersichtlich, warum das geltende Recht eine Rechtsfortbildungssperre für die Entwicklung von Regeln über die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse enthalten sollte. Schließlich vermag auch die abschließende Prüfung des BAG, ob die von ihm befürwortete fehlende Anerkennungsfähigkeit ausländischer Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse mit der Verfassung, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip, vereinbar ist, nicht zu überzeugen. Das BAG bejaht die Rechtsstaatskonformität nämlich vorschnell mit der Erwägung, der ausländische Vollstreckungsgläubiger könne seinen im Ausland erwirkten Titel in der Bundesrepublik anerkennen und für vollstreckbar erklären lassen und sodann in der Bundesrepublik einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirken. Dies überzeugt schon mit Blick auf den Vollstreckungsgläubiger nicht, weil dieser den Vollstreckungsschuldner durch das Verfahren nach §§ 722 f. ZPO warnen müsste, so dass dieser genügend Zeit hätte, den Pfändungszugriff auf seine Forderung bzw. sein Recht zu vereiteln. Der größte Schwachpunkt dieser Argumentation ist indes, dass sie einseitig auf den Vollstreckungsgläubiger abstellt und dabei die Rechtsposition des Drittschuldners völlig außer Acht lässt. Für diesen bringt nämlich die Anerkennungsverweigerung die größte Belastung mit sich, weil ihm, wie gerade der vom BAG entschiedene Fall besonders eindrucksvoll belegt, die Gefahr der Doppelinanspruchnahme droht. Wenn die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland die Haftung des mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogenen Drittschuldners dem Vollstreckungsschuldner bzw. „nachrangigen“ inländischen Pfändungsgläubigern gegenüber durch pauschale Anerkennungsverweigerung ausländischer Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse fortbestehen lässt, setzt sie ihn sehenden Auges der Gefahr der Doppelinanspruchnahme aus. Stellt der Inlandsstaat seine Gerichte und Zwangsvollstreckungsorgane zur Durchsetzung einer solchen Doppelinanspruchnahme des Drittschuldners zur Verfügung, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz markierte „Opfergrenze“ überschritten zu werden droht. Dies verdeut1040 Bei Hahn, Die gesammten Materialien zur CPO, S. 448 heißt es dazu lapidar: „Für alle Fälle der Teilnahme der Gerichte an dem Zwangsvollstreckungsverfahren ist die Ausschließlichkeit der bestimmten Zuständigkeit hauptsächlich deshalb wünschenswert, damit nicht dieselbe Sache nach einander zur Entscheidung verschiedener Gerichte gelangt“.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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licht, dass die pauschale Anerkennungsverweigerung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse mit Blick auf den Drittschuldner das Rechtsstaatsprinzip verletzen könnte, wenn ihm kein substantieller Inlandsrechtsbehelf zur Verfügung gestellt wird, um der unausweichlichen Doppelinanspruchnahme zu entgehen. Diese Problematik verkennt das BAG mit seiner einseitig auf die Vollstreckungsgläubigerinteressen abstellenden Argumentation vollkommen. II. Auffassung Rosenbaums Dreh- und Angelpunkt der Auffassung Rosenbaums ist die These, die Hoheitsakte eines Staates seien in den Rechtsordnungen der anderen Staaten im Zweifel stets anzuerkennen, wenn und soweit es in diesen Staaten keine spezielle gesetzliche Regelung gebe, die die Anerkennung ausschließe oder diese von der Erfüllung besonderer Voraussetzungen abhängig mache. Dies ergebe sich daraus, dass nach allgemeinem Völkerrecht zwar einerseits jede Rechtsordnung in der Entscheidung darüber, ob sie ausländische Hoheitsakte anerkennen wolle, autonom sei, andererseits aber ohne den Grundsatz gegenseitiger Anerkennung der Staatshoheitsakte jeder Gedanke an internationale Rechtssicherheit von vorneherein ausgeschlossen sei1041. Diese These hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Nach allgemeinem Völkerrecht werden die Hoheitsakte eines Staates gerade nicht automatisch in den Rechtsordnungen der anderen Staaten anerkannt1042. Dies beruht rechtstechnisch gesehen auf der Tatsache, dass die Rechtsordnung jeden Staates auf Grund seiner Gebietshoheit nur für sein Staatsgebiet und seine Staatsorgane gilt, so dass die Hoheitsakte eines anderen Staates in einem Staat nur dann gelten können, wenn dieser sie für die eigene Rechtsordnung verbindlich gemacht hat1043. Dies erfordert aber nach sich konstruktiv voneinander unterscheidenden völkerrechtlichen Theorien entweder eines Transformationsaktes, der den ausländischen Hoheitsakt in einen inländischen Hoheitsakt transformiert oder aber eines inländischen Rechtsanwendungsbefehls, der bestimmt, dass der fremde Hoheitsakt auch im Inland als fremder Rechtsakt angewendet wird1044, 1045. Das allgemeine Völkerrecht widerlegt also die 1041
Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, S. 34. Bleckmann, JZ 1985, 1072, 1073; Kreuzer, IPRax 1990, 365, 366. 1043 Bleckmann, JZ 1985, 1072, 1073; ähnlich: Kreuzer, IPRax 1990, 365, 366. 1044 Dieser völkerrechtliche Theorienstreit hat keine praktische Relevanz und kann daher für die praktische Rechtsanwendung offen bleiben: vgl. Bleckmann, JZ 1985, 1072, 1073. 1045 Bleckmann weist in JZ 1985, 1072, 1073 f. allerdings nach, dass im Gegensatz zu dieser von der h. M. vertretenen dualistischen bzw. pluralistischen „Theorie“ auch eine „Theorie“ von der „Einheit der Weltrechtsordnung“ vertreten wird, die 1042
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
These Rosenbaums von der im Zweifel automatischen Anerkennung ausländischer Staatsakte im Inland, so dass im Gegensatz zur Auffassung Rosenbaums eine Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nur in Betracht kommt, wenn es eine Rechtsgrundlage im deutschen Recht gibt, die diese Anerkennung vorsieht und ermöglicht. Davon abgesehen ist fraglich, was von Rosenbaums These zu halten ist, bei der auf Grund eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Inland erhobenen Einziehungsklage sei zwischen der Überweisung zur Einziehung und der Überweisung an Zahlungs Statt zu unterscheiden und nur bei Letzterer eine Prozessführungsbefugnis des Vollstreckungsgläubigers anzuerkennen, da die Einziehungsklage bei der Überweisung zur Einziehung noch Bestandteil des Vollstreckungsverfahrens sei und das deutsche Recht die Mitwirkung an Teilakten eines ausländischen Vollstreckungsverfahrens nicht kenne. Gegen die Schlüssigkeit dieser Argumentation spricht bereits im ersten Zugriff, dass es widersprüchlich ist, einerseits ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse umfassend anerkennen zu wollen und andererseits die Inlandswirkung des auf Überweisung zur Einziehung gerichteten Einziehungsbeschlusses in bestimmten Fällen wieder zu negieren. Entscheidend gegen diese Argumentation Rosenbaums spricht aber, dass sie zu sehr auf das ausländische Vollstreckungsverfahren fixiert ist. Wenn man nämlich ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Inland anerkennt und daraus wiederum die Prozessführungsbefugnis bzw. die Aktivlegitimation des Vollstreckungsgläubigers für eine inländische Einziehungsklage folgt, ist es für das deutsche Recht irrelevant, ob die Einziehungsklage sich mit Blick auf das ausländische Vollstreckungsverfahren als Fortsetzung desselben darstellt. Dies ergibt sich daraus, dass Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation des Vollstreckungsgläubigers lediglich Begründungselemente des auf die Klage ergehenden Inlandsurteils darstellen. Darin erschöpft sich aber die Bedeutung des ausländischen Vollstreckungsverfahrens für das inländische Einziehungsklageverfahren, das im Übrigen aus inländischer Sicht ein „normales“, selbständiges Klageverfahren darstellt und nicht etwa bloß unselbständiger Annex des ausländischen Vollstreckungsverfahrens ist. Aus diesem Grund ist, die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit ausländischer Pfändungs- und Überauf den ersten Blick die Auffassung Rosenbaums stützen könnte. Bleckmann legt jedoch überzeugend dar, dass auch auf der Grundlage dieser „Theorie“ nur ausnahmsweise eine automatische Anerkennung ausländischer Hoheitsakte in Betracht kommt, weil die nationalen Interessen und die Rechtsordnungen der Einzelstaaten unterschiedlich, die Regierungen aber gegenüber ihrem Volk zur Durchsetzung der nationalen Interessen verpflichtet sind. Deswegen sei auch auf dieser völkerrechtstheoretischen Grundlage eine Anerkennung nur möglich, wenn der ausländische Hoheitsakt dem inländischen ordre public nicht widerspreche und wenn der fremde Staat den Akt im Rahmen seiner internationalen Zuständigkeit gesetzt habe.
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weisungsbeschlüsse im Inland vorausgesetzt, kein Grund dafür ersichtlich, warum man bei der ausländischen Überweisung zur Einziehung dem Vollstreckungsgläubiger im inländischen Einziehungsklageverfahren die Prozessführungsbefugnis absprechen sollte1046. III. Auffassung des RG und der ihm folgenden Autoren – Kritische Analyse der Ansicht, der Drittschuldner sei bereicherungsrechtlich vor einer Doppelinanspruchnahme geschützt 1. Rechtsprechung des RG
Die Auseinandersetzung mit der Auffassung des RG kann kurz ausfallen. Der vom RG zum maßgeblichen Anerkennungskriterium erhobene Rechtsgedanke des § 23 Satz 2 ZPO ist, wie bereits im 1. Teil dieser Arbeit ausführlich dargelegt wurde, weder Bestandteil der allgemeinen Regeln des Völkerrechts noch ein die inländische Rechts- bzw. Forderungspfändung prägender Rechtsgedanke des deutschen Rechts. Da die Auffassung des RG aber auf dieser Prämisse aufbaut und das von ihm bejahte, aber verfehlte Zuständigkeitskriterium auch auf die Anerkennung übertragen will, ist die Auffassung des RG abzulehnen. 2. Bereicherungseinrede des bereits mit einem ausländischen Pfändungsund Überweisungsbeschluss überzogenen Drittschuldners?
a) Anspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB? (Auffassung Rheinsteins) Die Ausführungen Rheinsteins, der im Ergebnis der Rechtsprechung des RG folgt und diese dogmatisch zu untermauern versucht, bedürfen dagegen einer vertieften Auseinandersetzung. Dies deshalb, weil Rheinsteins These, dem Drittschuldner drohe bei einer Anerkennungsverweigerung bzw. einer begrenzten Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse keine Doppelinanspruchnahme das zentrale Argument aller Befürworter großzügiger Anerkennungsmodelle erschüttert. Rheinstein stützt seine These darauf, dass der Drittschuldner, der auf einen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hin an den Vollstreckungsgläubiger geleistet hat, einer inländischen Leistungsklage des Vollstreckungsschuldners auch bei fehlender Anerkennung des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Bereicherungseinrede entgegenhalten könne. 1046 Im Ergebnis ebenso Schack, Rpfleger 1980, 175, 178; ders., IPRax 1997, 318, 323.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Die Bereicherungseinrede greife deshalb, weil der Vollstreckungsschuldner „auf Kosten“ des Drittschuldners zumindest dadurch bereichert sei, dass infolge der Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger die Forderung des Vollstreckungsgläubigers gegen den Vollstreckungsschuldner jedenfalls für das Gebiet des Vollstreckungsstaates erloschen sei und es für die damit verbundene Vermögensverschiebung im Verhältnis des Drittschuldners zum Vollstreckungsschuldner am „Rechtsgrund“ fehle, weil und soweit das deutsche Recht die Wirksamkeit des ausländischen Pfändungsund Überweisungsbeschlusses nicht anerkenne. Nachfolgend soll untersucht werden, ob diese für das Problem der Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zentrale bereicherungsrechtliche Bewertung zutrifft. Die Auffassung Rheinsteins ist bereits auf den ersten Blick nicht schlüssig. Sie unterliegt nämlich folgendem Denkfehler: Stellt man darauf ab, dass der Vollstreckungsschuldner dadurch bereichert sei, dass er für das Gebiet des Vollstreckungsstaates von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger befreit ist, dann darf man nicht außer Acht lassen, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates wirksam ist. Das wiederum führt dazu, dass diese Rechtsordnung die gepfändete Forderung auf Grund der Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger als erloschen behandeln wird. Dem Vermögensvorteil „Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger für das Gebiet des Vollstreckungsstaates“ steht mithin der Vermögensnachteil „Erlöschen des Anspruchs des Vollstreckungsschuldners gegen dem Drittschuldner für das Gebiet des Vollstreckungsstaates“ gegenüber. Vermögenszufluss und -abfluss decken sich. Der Drittschuldner ist bei dieser Betrachtungsweise also entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB). Schon deswegen kann der Drittschuldner keinen Bereicherungsanspruch gegen den Vollstreckungsschuldner haben, den er diesem im Falle der Klageerhebung im Inland einredeweise entgegen setzen könnte. b) Anspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB? Möglicherweise ließe sich die Konstruktion Rheinsteins, dass der im Inland vom Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommene Drittschuldner, der bereits auf Grund eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsgläubiger gezahlt hat bzw. von diesem mit Erfolg in Anspruch genommen worden ist, sich regelmäßig durch Erhebung der Bereicherungseinrede verteidigen kann, dadurch „retten“, dass man als Bereicherungsgegenstand anstatt der Befreiung des Vollstreckungsschuldners von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger die
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an den Vollstreckungsgläubiger geflossene Zahlung ansieht. Dies setzt allerdings voraus, dass man diese Zahlung als „Leistung“ des Drittschuldners an den Vollstreckungsschuldner werten kann, würde also im Ergebnis bedeuten, dass anstatt des von Rheinstein angeführten Anspruchs des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB („Nichtleistungskondiktion“) § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB („Leistungskondiktion“) die einschlägige Anspruchsgrundlage wäre. aa) Streit um die Bestimmung des „richtigen“ Leistungsempfängers und Kondiktionsschuldners – Meinungsstand Die Frage, wer bei einer auf Grund eines nichtigen1047 Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses geleisteten Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger als Kondiktionsschuldner des Drittschuldners anzusehen ist, ist umstritten. Der BGH hat dies bisher nur für den Fall der Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf Grund des Nichtbestehens der gepfändeten Forderung entschieden und für diese Konstellation den Vollstreckungsgläubiger als Leistungsempfänger und Kondiktionsschuldner des Drittschuldners angesehen1048. Da der BGH bereits bei der bereicherungsrechtlich eng „verwandten“ Konstellation der versehentlichen Zahlung des Drittschuldners an den nachrangigen Pfändungspfandgläubiger ebenso judiziert hatte1049, ist davon auszugehen, dass er den Vollstreckungsgläubiger auch im Falle der Zahlung des Drittschuldners auf Grund eines im Inland nicht anerkennungsfähigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses als den „richtigen“ Kondiktionsschuldner ansehen würde. Dies entspricht auch der ganz h. M. in der Literatur, die bei auf Grund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erbrachten Zahlungen des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger eine Leistungsbeziehung zwischen Drittschuldner und Vollstreckungsgläubiger und bei Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einen Anspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB bejaht1050. Demgegenüber hält eine vereinzelt vertretene Auffassung in der Literatur in dieser Konstellation den Vollstreckungsschuldner für den 1047 Die „Nichtigkeit“ eines inländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entspricht hinsichtlich der Rechtsfolgen der fehlenden inländischen Anerkennung eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, weil der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in beiden Fällen keinerlei Rechtsfolgen zeitigt. 1048 BGH, NJW 2002, 2871 f., Urt. v. 13.06.2002 – IX ZR 242/01. 1049 BGHZ 82, 28 ff., Urt. v. 08.10.1981 – VII ZR 319/80. 1050 Schlosser, ZZP 76 (1963), 73, 76–80; Canaris, FS Larenz, 799, 836; Joost, WM 1981, 82, 89 f.; Lieb, ZIP 1982, 1153, 1155–1157; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 492; W. Lorenz, in: Staudinger, Bearbeitung April 1999, § 812 Rdnr. 41; Schöpflin, JA 2003, 99, 101.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
„richtigen“ Kondiktionsschuldner, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger bei der Entgegennahme der Zahlung positiv gewusst hat, dass der Drittschuldner auf einen nichtigen Überweisungsbeschluss zahlt1051. Der BGH und Teile der h. M. argumentieren vornehmlich vom Leistungsbegriff her. Sie stellen darauf ab, das Interesse des Drittschuldners sei – für den Vollstreckungsgläubiger erkennbar – darauf gerichtet, mit der Zahlung an ihn das bei der Überweisung zur Einziehung durch den Überweisungsbeschluss begründete Einziehungsrecht zum Erlöschen zu bringen, weil er jeder weiteren Inanspruchnahme entgehen wolle. Auch wenn er mit der Zahlung gleichzeitig seine Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsschuldner tilgen wolle, verfolge er mit ihr daher jedenfalls „auch“ den Zweck, das Einziehungsrecht des Vollstreckungsgläubigers zum Erlöschen zu bringen1052. Demgegenüber stellen andere Vertreter der h. M. darauf ab, die Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger auf Grund eines nichtigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei mit anderen Fallgruppen von Zuwendungen im Dreipersonenverhältnis vergleichbar, bei denen die Direktkondiktion im Zuwendungsverhältnis zu befürworten sei. Eine solche Parallele wird von manchen gezogen mit Zuwendungen des (vermeintlichen) Schuldners an den Zessionar nach (z. B. unwirksamer) Abtretung1053, des Schuldners an den begünstigten Dritten beim echten Vertrag zu Gunsten Dritter1054, des Schuldners an seinen Vertragspartner, der einen Dritten im Wege „verdeckter Stellvertretung“ „vertritt“1055 oder der Zuwen1051
Buciek, ZIP 1986, 890, 899 f.; Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, § 836 Rdnr. 7. BGH, NJW 2002, 2871, Urt. v. 13.06.2002 – IX ZR 242/01; ähnlich bereits: LG Bremen, NJW 1971, 1366 f., Urt. v. 18.12.1970 – 1 S 406/70; LG Wiesbaden, NJW 1956, 186 f., Urt. v. 29.07.1955 – 1 S 212/55; Schlosser, ZZP 76 (1963), 73, 79, der sogar davon spricht, der Drittschuldner verfolge „in erster Linie“ den Zweck, das Einziehungsrecht zum Erlöschen zu bringen; Joost, WM 1981, 82, 89 f. 1053 Medicus, NJW 1971, 1366; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 492. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung rechtsgrundlos erbrachter Zuwendungen des Schuldners an den Zessionar ist indes umstritten. Der BGH und etliche Stimmen in der Literatur betrachten in dieser Konstellation im Gegensatz zu den vorstehenden Autoren grundsätzlich den Zedenten als Schuldner des Kondiktionsanspruchs an. Der Zessionar soll demgegenüber ausnahsmweise dann als Kondiktionsschuldner in Betracht kommen, wenn er die Leistung besonders intensiv verlangt habe (vgl. BGHZ 105, 365, 368 ff., Urt. v. 02.11.1988 – IVb ZR 102/87; BGHZ 122, 46, 50 ff., Urt. v. 10.03.1993 – XII ZR 253/91 m. w. N.; gegen diese Differenzierung und für die „Durchgriffskondiktion“ beim Zessionar mit Recht z. B. Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 685a. 1054 Schlosser, ZZP 76 (1963), 73, 78. Auch in dieser Konstellation ist der „richtige“ Kondiktionsschuldner umstritten. Die h. M. sieht beim echten Vertrag zu Gunsten Dritter entgegen Schlosser regelmäßig den Versprechensempfänger als den Leistungsempfänger und Kondiktionsschuldner an (vgl. dazu und zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz: Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 681–683 m. w. N.). 1055 Schlosser, ZZP 76 (1963), 73, 79. 1052
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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dung eines vermeintlich Angewiesenen bei Unwirksamkeit bzw. Nichtexistenz der Anweisung1056. Die für eine Kondiktion beim Vollstreckungsschuldner plädierende Mindermeinung hält diesen Argumenten entgegen, die Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger stelle bei Lichte besehen nur eine abgekürzte Form einer Leistungskette dar. Der Drittschuldner leiste mit dieser Zahlung auf seine Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsschuldner, der bei der Überweisung zur Einziehung ja Forderungsinhaber geblieben sei, während der Vollstreckungsschuldner mit der Zahlung des Drittschuldners auf seine Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger leiste. Innerhalb dieser Leistungsbeziehungen müsse daher auch wieder rückabgewickelt werden1057. Ferner sei die Kondiktion beim Vollstreckungsschuldner auch auf Grund der das Bereicherungsrecht bestimmenden Wertungen geboten. Sie gewährleiste nämlich zum einen, dass der Vollstreckungsgläubiger vor Einwänden aus einem Drittverhältnis abgeschirmt werde. Als ein solcher Einwand stelle sich die Berufung des Drittschuldners auf die Rechtsgrundlosigkeit der erbrachten Leistung dar, weil Rechtsgrund dieser Leistung der mit der Zahlung (angeblich) erfüllte Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner sei. Streitigkeiten über den (Fort-)Bestand und die Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs sollten nach der Zahlung des Drittschuldners aber zwischen dem Vollstreckungs- und dem Drittschuldner ausgetragen werden1058. Des weiteren führe auch das Kriterium „gerechte Verteilung des Insolvenzrisikos“ dazu, dass man den Vollstreckungsschuldner zum Kondiktionsschuldner bestimmen müsse. Der Satz, dass jeder das Insolvenzrisiko des von ihm gewählten Vertragspartners tragen müsse, helfe in der in Rede stehenden Konstellation nicht weiter, weil sowohl der Drittschuldner als auch der Vollstreckungsgläubiger mit dem Vollstreckungsschuldner kontrahiert hätten. Aus diesem Grunde sei es gerecht, das Insolvenzrisiko demjenigen aufzuerlegen, der überhaupt noch etwas beitreiben wolle. Das sei aber der Drittschuldner1059. Schließlich trage nur die Kondiktion beim Vollstreckungsschuldner den berechtigten Vertrauensschutzerwartungen des Vollstreckungsgläubigers Rechnung. Der Vollstreckungsgläubiger, dem bei der Entgegennahme der Zahlung des Drittschuldners die Nichtigkeit des 1056 W. Lorenz, in: Staudinger, Bearbeitung April 1999, § 812 Rdnr. 41. Zur Fallgruppe der Leistungskondiktion bei den sogen. „Anweisungsverhältnissen“ vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 674 ff. 1057 Buciek, ZIP 1986, 890, 891. 1058 Buciek, ZIP 1986, 890, 894. Für das hier interessierende Problem, dass die Rechtsgrundlosigkeit der vom Drittschuldner erbrachten Leistung aus der Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses resultiert, will sich Buciek a. a. O. allerdings nicht festlegen, weil dieser „Rechtsmangel“ „aus der Sphäre des Vollstreckungsgläubigers“ stamme. 1059 Buciek, ZIP 1986, 894.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht bekannt sei, dürfe darauf vertrauen, die Leistung ungeachtet der Rechtsbeziehungen zwischen Vollstreckungs- und Drittschuldner behalten zu dürfen. Dies trage dem Umstand Rechnung, dass den voreilig Zahlenden das Risiko seiner voreiligen Zahlung treffe und berücksichtige angemessen, dass es der Drittschuldner und nicht der Vollstreckungsgläubiger sei, dem die Prüfung der gepfändeten Forderung obliege und der daher auch die Gefahr einer „Fehldiagnose“ tragen müsse1060. Dies führe denn auch zu einer sachgerechten und wünschenswerten Parallele zur Behandlung der Anweisungsfälle und der Leistungen auf Grund eines Vertrages zugunsten Dritter1061. bb) Eigener Ansatz Die Bestimmung des „richtigen“ Leistungsempfängers und Kondiktionsschuldners bei Zuwendungen im Drei- oder Mehrpersonenverhältnis erfolgt häufig fallgruppenweise. Taucht eine neue Fallkonstellation auf, so wird daher meist versucht, sie mit anderen, bereits bekannten Fallgruppen zu vergleichen und die Lösung aus diesem Vergleich abzuleiten. So verfahren in der hier in Rede stehenden Konstellation denn auch, wie soeben aufgezeigt, Teile der h. M. und die Mindermeinung und gelangen dabei – teilweise unter Berufung auf die gleichen Fallgruppen1062 – zu entgegengesetzten Ergebnissen. Dies allein zeigt bereits die Unbrauchbarkeit dieser Methode. Sie muss nämlich schon daran scheitern, dass über die bereicherungsrechtliche Behandlung der einzelnen Fallgruppen, wie das Beispiel der Behandlung der „Zessionsfälle“ zeigt, oft keine Einigkeit besteht, so dass dann automatisch und ohne Not „alte“ Streitfragen auf neue Problemkonstellationen übertragen werden. Hinzu kommt, dass der BGH zu Recht in ständiger Rechtsprechung darauf verweist, dass sich die bereicherungsrechtliche Bewertung von Vermögensverschiebungen, an denen mehrere Personen beteiligt sind, jeder schematischer Lösung entzieht1063, weil jede Fallkonstellation spezifische Eigenheiten aufweisen kann, die sie von anderen unterscheidet und die für die Charakterisierung der Leistungsbeziehungen erheblich sein kann. Auch deshalb vermag der Vergleich neuartiger Fallkonstellationen mit bereits bekannten Fallgruppen von Zuwendungen in Mehrpersonenverhältnissen nichts zur bereicherungsrechtlichen Bewertung beizutragen. 1060
Buciek, ZIP 1986, 899 f. Buciek, ZIP 1986, 899. 1062 So berufen sich beispielsweise Schlosser, ZZP 76 (1963), 73, 78 und Buciek, ZIP 1986, 890, 899 f. auf die Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Konstellation mit dem Vertrag zugunsten Dritter und kommen dabei zu entgegengesetzten Ergebnissen. 1063 Kritisch zu dieser „stereotypen Formel“ beispielsweise Lieb, ZIP 1982, 1153. 1061
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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Für diese bereicherungsrechtliche Bewertung ist vielmehr von zweierlei Prämissen auszugehen: Grundsätzlich wird jeder Zuwendungsgeber für den Zuwendungsempfänger erkennbar das Interesse haben, mit seiner Zuwendung die gegen ihn gerichtete Forderung zum Erlöschen zu bringen. Daher ist jede Zuwendung regelmäßig mit einer dies bewirkenden konkludenten Tilgungsbestimmung verbunden und mithin als „Leistung“ an die für die eigene Schuld empfangszuständige Person zu verstehen1064. Auf dieser Prämisse aufbauend ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Zuwendungsempfänger diese empfangszuständige Person und mithin der „Leistungsempfänger“ ist, es sei denn die Zuwendung müsste ausnahmsweise auf Grund eines besonderen Zurechnungselmentes (wie z. B. einer Anweisung) einer anderen Rechtsbeziehung zugewiesen werden1065. Diese zweite Prämisse beruht auf dem durch die Lebenserfahrung gestützten Umstand, dass der Zuwendungsgeber seine Zuwendung regelmäßig nur dem unmittelbar zufließen lassen wird, der für die „eigene“ Schuld empfangszuständig ist. Wenn man diese Prämissen vorliegend fruchtbar machen will, muss man zunächst exakt untersuchen, wer nach dem Wirksamwerden eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der gepfändeten Forderung in dem vorstehenden Sinne als „empfangszuständige Person“ anzusehen ist. Durch den Pfändungsbeschluss wird dem Drittschuldner verboten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, während dem Schuldner geboten wird, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Pfändungsbeschluss führt also dazu, dass der Drittschuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber1066 an den Drittschuldner leisten kann (§§ 135 f. BGB). Er kann also noch keine „Empfangszuständigkeit“ des Vollstreckungsgläubigers begründen. Eine solche kann sich indes aus dem Überweisungsbeschluss ergeben. Um dies beurteilen zu können, ist es erforderlich, zwischen der Überweisung zur Einziehung (§ 835 Abs. 1 Var. 1 ZPO) und der Überweisung an Zahlungs Statt zum Nennwert zu unterscheiden (§ 835 Abs. 1 Var. 2 ZPO), weil beide unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Bei der Überweisung zur Einziehung wird durch Hoheitsakt ein Einziehungsrecht des Vollstreckungsgläubigers begründet, 1064 Von dieser Grundprämisse geht der BGH in ständiger Rechtsprechung aus, so auch ausdrücklich in der für die vorliegende Konstellation wichtigen Entscheidung BGH, NJW 2002, 2871 f., Urt. v. 13.06.2002 – IX ZR 242/01. 1065 Grundlegend Lieb, ZIP 1986, 1153, 1155; ihm folgend Schöpflin, JA 2003, 99, 101. 1066 Wie bereits dargelegt, plädiert G. Lüke, Zwangsvollstreckungsrecht, Nr. 184 mit guten Gründen dafür, dass die Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsschuldner mangels Empfangszuständigkeit desselben Leistung an einen Nichtberechtigten (vgl. § 362 Abs. 1 BGB) und daher entgegen der h. M. absolut unwirksam sei.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
während der Vollstreckungsschuldner Forderungsinhaber bleibt. Der Vollstreckungsschuldner kann daher seine Gläubigerrechte nur noch unter dem Vorbehalt ausüben, dass er dadurch nicht die Rechte des Vollstreckungsgläubigers beeinträchtigt. Dieser ist kraft seines Einziehungsrechts berechtigt, die gepfändete Forderung, auch klageweise, im eigenen Namen gegenüber dem Drittschuldner geltend zu machen1067. Zahlt der Drittschuldner auf die Forderung an den Vollstreckungsgläubiger als Inhaber des Einziehungsrechts, so wird der Drittschuldner gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB analog von seiner Verbindlichkeit befreit1068. Nimmt man die Wirkungen des Pfändungsbeschlusses hinzu (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 135 f. BGB), so ergibt sich, dass der Drittschuldner bei der Überweisung zur Einziehung für die Dauer des Bestandes des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit allseitig befreiender Wirkung nur an den Vollstreckungsgläubiger leisten kann. Bei der Überweisung an Zahlungs Statt zum Nennwert tritt demgegenüber wie bei einer Zession ein Forderungsinhaberwechsel ein: Der Vollstreckungsschuldner verliert seine Gläubigerstellung, die auf den Vollstreckungsgläubiger übergeht (§ 835 Abs. 2 ZPO) („Zwangszession“). Daraus folgt ohne weiteres, dass der Drittschuldner bei der Überweisung an Zahlungs Statt ab dem Wirksamwerden des Überweisungsbeschlusses von seiner Verbindlichkeit nur noch durch Zahlung an den Vollstreckungsgläubiger als seinem neuen Gläubiger freiwerden kann (§ 362 Abs. 1 BGB). Vergleicht man die soeben beschriebenen Rechtsfolgen der Überweisung zur Einziehung und der Überweisung an Zahlungs Statt, so ergibt sich, dass sich beide, was die Möglichkeit des Drittschuldners zur endgültigen Befreiung von seiner Verbindlichkeit angeht, nicht wesentlich voneinander unterscheiden: Der Vollstreckungsschuldner kann nach dem Wirksamwerden beider Überweisungen endgültige Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber jedermann nur erlangen, wenn er mit Tilgungsbestimmung an den Vollstreckungsgläubiger zahlt. Da diese endgültige Befreiung aber das Ziel des Drittschuldners ist, will er von seiner Interessenlage her betrachtet auch nur an den Vollstreckungsgläubiger leisten, der mithin, gleich welche Überweisung erfolgt sein mag, hinsichtlich der gepfändeten Forderung als die alleinige „empfangszuständige Person“ im Sinne des Bereicherungsrechts anzusehen ist. Die Zuwendung an den Vollstreckungsgläubiger ist also mangels eines Zurechnungsgesichtspunktes, der ihre Zuordnung zu einem anderen Rechtsverhältnis gebietet, als „Leistung“ an den Vollstreckungsgläubiger als alleinig empfangszuständiger und einziehungsberechtigter Person zu werten. Dieses Ergebnis unterscheidet sich von der Lösung des BGH und 1067 Vgl. statt aller Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 634, 639, 640, 645. 1068 Buciek, ZIP 1986, 890, 891.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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der ganz h. M. nur in der Nuance, dass in der Zuwendung keinerlei an den Vollstreckungsschuldner gerichtete Tilgungsbestimmung gesehen wird. Es liegen also entgegen dieser Auffassung nicht etwa zwei Zuwendungszweckbestimmungen vor, so dass wertend bestimmt werden müsste, welche von ihnen überwiegt und die andere verdrängt, sondern nur eine einzige, die eindeutig auf Leistung an den Vollstreckungsgläubiger gerichtet ist. Dies deshalb, weil der Drittschuldner nach dem Wirksamwerden des Überweisungsbeschlusses keinen Grund dafür hat, zur Erreichung seines Ziels „Erfüllung der Verbindlichkeit mit Wirkung gegenüber jedermann“, wie der BGH formuliert, „auch“ an den Vollstreckungsschuldner zu leisten1069. Nach alledem spricht eine strikt am Leistungsbegriff orientierte Bestimmung der Leistungsbeziehungen dafür, den Vollstreckungsgläubiger als alleinigen Leistungsempfänger und Kondiktionsschuldner anzusehen. Eine solche am Leistungsbegriff ausgerichtete Lösung muss allerdings stets damit rechnen, als begriffsjuristisch abgetan zu werden1070. Daher wird zurückgehend auf einen grundlegenden Beitrag von Canaris in der ersten Festschrift für Larenz1071 alternativ zum Leistungsbegriff vorgeschlagen, die Leistungsbeziehungen unter Rückgriff auf die für das gesamte Bürgerliche Recht maßgeblichen Wertungskriterien zu bestimmen1072. Dabei geht es darum, dass jeder Partei eines fehlerhaften Kausalverhältnisses ihre Einwendungen gegen die andere Partei erhalten bleiben sollen, dass jede Partei vor Einwendungen aus Rechtsverhältnissen ihres Vertragspartners zu einem Dritten geschützt werden muss und dass das Insolvenzrisiko in der Weise verteilt werden solle, dass jede Partei nur das Risiko der Zahlungsunfähigkeit desjenigen tragen solle, den sie sich selbst als Vertragspartner ausgesucht hat1073. Die vorstehend entwickelte Auffassung muss daher auch mit diesen Wertungen abgeglichen werden, zumal die für den Vollstreckungsschuldner als Kondiktionsschuldner plädierende Mindermeinung behauptet, 1069 Die Konsequenz einer derartigen „Sowohl-als-auch-Leistung“ müsste denn auch eine Haftung des Vollstreckungsschuldners und des Vollstreckungsgläubigers als „Gesamt-Bereicherungsschuldner“ sein – eine Hypothese, die bisher noch nicht erwogen worden ist und der die h. M. nur durch den „Kunstgriff“ entrinnen kann, dass sie eine der beiden von ihr erkannten Zuwendungszweckbestimmungen hinter der anderen zurücktreten lässt, weil sie diese als überwiegend wertet: vgl. dazu Schlosser, ZZP 76 (1963), 73, 78 f., der dies mit bemerkenswerter Klarheit herausarbeitet und diesen „Kunstgriff“ als einziger Autor offen legt. 1070 Siehe nur Canaris, FS Larenz, 799, 858, der mit Blick auf den von ihm bekämpften Leistungsbegriff von einer „unheiligen Allianz zwischen Begriffsjurisprudenz und Topik“ spricht. 1071 Canaris, FS Larenz, 799 ff. 1072 Vgl. statt aller: Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 667 ff. 1073 Canaris, FS Larenz, 799, 857 ff.; knappe und bestechend präzise Zusammenfassung bei Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 667.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
nur sie stehe im Einklang mit den von Canaris für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen entwickelten Kriterien1074. Bei dieser Prüfung scheidet indes vorliegend das Kriterium der Erhaltung der Einwendungen aus dem fehlerhaften Kausalverhältnis mit dem Vertragspartner von vorneherein aus: Sofern es um die Rückabwicklung wegen Zahlung auf einen nichtigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss geht, ist nicht ersichtlich, welche Einwendungen aus dem Kausalverhältnis dem Rückgriff nehmenden Drittschuldner verloren gehen könnten, wenn er anstelle des Vollstreckungsschuldners auf den Vollstreckungsgläubiger als Kondiktionsschuldner verwiesen wird. Daher wird dieses Kriterium auch in der Literatur bei der in Rede stehenden Konstellation nicht näher thematisiert1075. Möglicherweise stellt aber die Behandlung des Vollstreckungsgläubigers als Kondiktionsschuldner einen Verstoß gegen das Kriterium der Einwendungsneutralität dar. Dies wird von der Mindermeinung mit dem Hinweis darauf geltend gemacht, die Berufung des Drittschuldners auf die Rechtsgrundlosigkeit seiner Zahlung stelle sich für den Vollstreckungsgläubiger im Grunde als ein Einwand aus einem Drittverhältnis dar1076. Dagegen spricht aber, dass die Belastung des Vollstreckungsgläubigers mit Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungs- und Drittschuldner schon kraft gesetzlicher Ausgestaltung des Verfahrens gemäß §§ 829 ff. ZPO zu den Eigentümlichkeiten der Rechts- bzw. Forderungspfändung gehört. Dies äußert sich darin, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem nur die „angebliche“ Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner gepfändet wird, nicht etwa zur Titulierung der gepfändeten Forderung führt, sondern es vielmehr bei beiden Formen der Überweisung dem Vollstreckungsgläubiger obliegt, gegen den leistungsunwilligen Drittschuldner Einziehungsklage zu erheben, bei der er – ganz wie es der Vollstreckungsschuldner an seiner Stelle tun müsste – die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Es ist aber nicht einzusehen, warum eine Rechtslage, die in der Zeit vor der Zahlung zu den gesetzlichen Eigentümlichkeiten des Pfändungsverfahrens gemäß §§ 829 ff. ZPO gehört, sich in der Zeit nach der Zahlung, wie die Mindermeinung ausführt, als unzulässiger Einwand aus einem Drittrechtsverhältnis darstellen soll. Vielmehr muss das, was vor der Zahlung galt, auch nach der Zahlung gelten: So wie der Vollstreckungsgläubiger unmittelbar nach dem Wirksamwerden des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von dem Drittschuldner nur Leistung verlangen konnte, wenn der gepfändete Anspruch bestand und durch1074 1075 1076
Buciek, ZIP 1986, 890, 894–896. Vgl. wiederum Buciek, ZIP 1986, 890, 894–896. Buciek, ZIP 1986, 890, 894.
B. Kritik an den Lösungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung
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setzbar war, darf er auch nach der Zahlung seitens des Drittsschuldners diese Leistung nur behalten, wenn die Zahlung auf den gepfändeten Anspruch dieses Behaltendürfen materiell-rechtlich rechtfertigt. Das Kriterium der Einwendungsneutralität steht also einer Behandlung des Vollstreckungsgläubigers als Kondiktionsschuldner nicht entgegen1077. Fraglich ist indes, ob, wie die Mindermeinung anführt1078, die Bejahung eines Kondiktionsanspruchs gegen den Vollstreckungsgläubiger eine unangemessene Verteilung des Insolvenzrisikos zur Folge hat. Die Bejahung eines Kondiktionsanspruchs gegen den Vollstreckungsgläubiger führt in der Tat dazu, dass dieser und nicht der Drittschuldner das Insolvenzrisiko des Vollstreckungsschuldners tragen muss. Dieses – angesichts der Vollstreckungssituation reale – Risiko trifft den Vollstreckungsgläubiger allerdings schon deshalb nicht unbillig, weil er sich, ebenso wie der Drittschuldner, den Vollstreckungsschuldner als Vertragspartner ausgesucht hat oder dieser ihm als gesetzlicher Haftungsschuldner zugewiesen wurde1079. Wieso es in der Situation ein gerechtes Risikoverteilungskriterium sein soll, denjenigen mit dem Insolvenzrisiko zu belasten, der noch etwas beitreiben will1080, ist nicht nachvollziehbar. Es liegt nämlich gerade umgekehrt: Derjenige, der Erfüllung vom Vollstreckungsschuldner begehrt und deswegen zur Vollstreckung greifen musste, ist der Vollstreckungsgläubiger. Er steht daher dem Risiko, mit seinem Anspruch gegen den Vollstreckungsschuldner auszufallen, erheblich näher als der Drittschuldner, der mit diesem Problem ursprünglich nichts zu tun hatte und erst infolge des Vollstreckungsverfahrens in es verstrickt worden ist. Wenn nun der Vollstreckungsschuldner die ihm vom Drittschuldner zugewendete Zahlung wieder an diesen zurückgewähren muss, dann lebt nur das ohnehin stets latent auf dem Vollstreckungsgläubigervermögen lastende Risiko wieder auf, dass er mit seinem Anspruch gegen den Vollstreckungsschuldner ausfällt1081. Schließlich ist auch das von der Mindermeinung ins Feld geführte Argument, der Vollstreckungsgläubiger sei in seinem Vertrauen darauf, die vom Drittschuldner erbrachte Leistung behalten zu dürfen, schutzwürdig, nicht stichhaltig. Der Vollstreckungsgläubiger muss im Vollstreckungsverfahren nämlich stets damit rechnen, dass er auf Vermögensgegenstände zugreift, die nicht zu dem für seine Forderung haftenden Vollstreckungsschuldnervermögen gehören und die er daher wieder preisgeben muss1082.
1077 1078 1079 1080 1081 1082
Im Ergebnis ebenso Schöpflin, JA 2003, 99, 101. Buciek, ZIP 1986, 890, 894 f. Das muss auch Buciek, ZIP 1986, 890, 894 einräumen. So für die Mindermeinung Buciek, ZIP 1986, 890, 894. Ähnlich Schöpflin, JA 2003, 99, 101. Schöpflin, JA 2003, 99, 101.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Aus alledem ergibt sich, dass die Bestimmung des Vollstreckungsgläubigers zum Kondiktionsschuldner des Drittschuldners auch einem Abgleich mit den von Canaris für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen entwickelten Wertungskriterien standhält. Es ist daher dem BGH und der ganz h. M. darin zuzustimmen, dass der Drittschuldner bei Zahlung auf einen nichtigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Vollstreckungsgläubiger und nicht etwa beim Vollstreckungsschuldner aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB Rückgriff nehmen kann. Da mithin bereicherungsrechtliche Ansprüche des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner nicht in Betracht kommen, ist der Auffassung Rheinsteins, der im Inland vom Vollstreckungsschuldner (bzw. inländischen Vollstreckungsgläubigern) auf Leistung in Anspruch genommene Drittschuldner, der bereits auf einen im Inland nicht anerkennungsfähigen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gezahlt hat, könne die inländische Inanspruchnahme regelmäßig auf die Erhebung der Bereicherungseinrede gestützt abwehren, zu widersprechen. Die daraus gezogene Schlussfolgerung Rheinsteins, der mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogene inlandsdomilizierte Drittschuldner sei nicht schutzwürdig, entbehrt daher jeder Grundlage. IV. Ansatz der derzeit h. M. in der Literatur und des OLG Oldenburg Wie bereits dargelegt, kann nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen ein ausländischer Hoheitsakt im Inland nur Rechtswirkungen entfalten, wenn er durch einen inländischen Transformationsakt oder Rechtsanwendungsbefehl in die deutsche Rechtsordnung inkorporiert worden ist. Deshalb vermag es nicht zu überzeugen, wenn Teile der h. M. in der Literatur keine Rechtsgrundlage für ihr anerkennungsfreundliches Ergebnis benennen. Einer solchen bedarf es nämlich. Aber auch diejenigen Vertreter der h. M., die § 328 ZPO in analoger Anwendung als Rechtsgrundlage für eine Anerkennung anführen, überzeugen nicht restlos, weil sie es versäumen, die Zulässigkeit und Erforderlichkeit der von ihnen befürworteten Rechtsfortbildung nachzuweisen. Ein solcher „Nachweis“ ist aber zur Legitimation einer Rechtsfortbildung, die ja als Rechtsschöpfung „jenseits der Gesetzesbindung“ in besonderer Weise rechtfertigungsbedürftig ist, unabdingbar1083.
1083
Vgl. Lange, in: Opuscula Honoraria für Egon Müller, 147, 158 ff.
C. Eigener Ansatz
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C. Eigener Ansatz I. Zulässigkeit und Gebotenheit einer Rechtsfortbildung 1. Erforderlichkeit eines Analogieschlusses – Qualifikation der Rechtsnatur der Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse
Fraglich ist zunächst, ob dem Ausgangspunkt der h. M. gefolgt werden kann, dass eine Herbeiführung von Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nur im Wege der Rechtsfortbildung möglich ist. Unabhängig davon, ob man ob man Rechtsfortbildung vom Vorliegen einer „Lücke“ im Gesetz abhängig macht oder nicht1084, ist sie jedenfalls nur dort zulässig, wo man dem Gesetzestext nicht bereits mit den Mitteln der Auslegung eine dem gesetzgeberischen Willen nicht widersprechende Lösung entnehmen kann1085. Dies verneint die h. M. mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass die deutsche Rechtsordnung Normen über die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nicht kennt, weil § 328 ZPO sich nur auf rechtskraftfähige Entscheidungen bezieht und Art. 102 EGInsO nur die Gesamtvollstreckung erfasst. Dies führt unweigerlich zu dem von der h. M. befürworteten Befund einer fehlenden gesetzlichen Rechtsgrundlage, wenn man der h. M. auch darin folgt, dass eine Herbeiführung von Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nur über das Institut der Anerkennung erreicht werden kann. Dies ist deshalb nicht selbstverständlich, weil man, wie Schack treffend ausführt1086, durchaus auch daran denken könnte, dass die Inlandswirkungen rein materiell-rechtlicher Natur sind. Folge davon wäre, dass die materiell-rechtlichen Wirkungen des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, wenn insoweit nach deutschem Internationalen Privatrecht das Sachrecht des Vollstreckungsstaates zur Anwendung käme, automatisch auch in der Bundesrepublik eintreten würden. Eine die Rechtsfortbildung erfordernde „Lücke“ im deutschen Recht gäbe es dann nicht. Dieser die Rechtsfortbildung überflüssig machende Weg über das materielle Recht setzt voraus, dass die für eine Inlandswirkung in Frage kommenden Rechtsfolgen des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach deutschem Recht als materiell-rechtlicher Natur zu qualifizieren sind. Sind sie demgegenüber prozessrechtlicher Natur, dann kann ihre Inlandswirkung nur im Wege der Anerkennung begründet werden1087. Bevor diese Qualifikationsfrage beantwortet wird, ist es erforderlich, die für 1084 Gegen dieses von der h. M. aufgestellte Erfordernis: Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 254. 1085 Lange, in: Opuscula honoraria, 147, 159. 1086 Schack, IPRax 1997, 318, 319.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
eine Inlandswirkung in Betracht kommenden Rechtsfolgen eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu beleuchten. Als solche Inlandswirkungen kommen die Erfüllung der gepfändeten Forderung in Folge der Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger, das Recht des Vollstreckungsgläubigers zum Behaltendürfen der vom Drittschuldner erbrachten Zahlung, der Wegfall der Prozessführungsbefugnis und/oder der Aktivlegitimation des Vollstreckungsschuldners bzw. die Begründung der Prozessführungsbefugnis und/oder der Aktivlegitimation des Vollstreckungsgläubigers sowie die Rangfolge der Vollstreckungsgläubiger bei mehreren Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in Betracht. Diese Rechtsfolgen sollen nunmehr einzeln auf ihre Rechtsnatur hin untersucht werden. a) Erlöschen der gepfändeten Forderung in Folge der Zahlung des Drittschuldners auf den ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss? Beruft sich der im Inland vom Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommene Drittschuldner, der bereits auf Grund eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsgläubiger gezahlt hat, auf „Erfüllung“, so erscheint die Qualifikation dieser Rechtsfolge denkbar einfach, da es sich bei der Erfüllung um eine eindeutig materiellrechtliche Rechtsfolge handelt. Diese Betrachtungsweise entpuppt sich aber bei näherem Hinsehen als Trugschluss. Die Erfüllungswirkung der Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger ist nämlich keine unmittelbare, sondern nur eine mittelbare Rechtsfolge des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Sie wird erst dadurch ermöglicht, dass der Vollstreckungsgläubiger infolge des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Empfangszuständigkeit für die Entgegennahme der Drittschuldnerzahlung erlangt hat. Dieser Wechsel der Empfangszuständigkeit, der sich bei der Überweisung zur Einziehung durch die hoheitliche Begründung eines Einziehungsrechts und bei der Überweisung an Zahlungs Statt durch die hoheitliche Übertragung der Forderungsinhaberschaft vom Vollstreckungsschuldner auf den Vollstreckungsgläubiger vollzieht, ist Folge des privatrechtsgestaltenden Hoheitsakts „Einziehungsbeschluss“1088. Von der Wirksamkeit dieses Hoheitsakts hängt folglich die Erfüllungswirkung der Zah1087
Vgl. dazu nur den grundlegenden Beitrag von Matscher, FS Schima, 264, 277, der a. a. O. mit Recht das Wesen der Anerkennung in der Transformation der prozessrechtlichen Rechtsfolgen eines Justizakts in eine fremde Rechtsordnung sieht. 1088 Vgl. etwa Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 638; Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 310.
C. Eigener Ansatz
365
lung des Drittschuldners unmittelbar ab. Erkennt das deutsche Recht diesen Hoheitsakt als wirksam an, dann folgt daraus ohne weiteres auch die Erfüllungswirkung der Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger. Gegenstand der Qualifikation ist mithin die für die Erfüllungswirkung der Drittschuldnerzahlung „verantwortliche“ privatrechtsgestaltende Wirkung des Einziehungsbeschlusses. Diese Wirkung, der hoheitlich herbeigeführte Wechsel der Empfangszuständigkeit, ist als eine zwangsvollstreckungsrechtliche Wirkung des Überweisungsbeschlusses zu qualifizieren. Die stark verkürzt unter dem Stichwort „Erfüllungswirkung der Drittschuldnerzahlung“ umschriebene Wirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist nach alledem eine prozessrechtliche Rechtsfolge, die nur durch Anerkennung ins deutsche Recht transformiert werden kann. b) Recht des Vollstreckungsgläubigers zum Behaltendürfen der vom Drittschuldner auf Grund des ausländischen Pfändungsund Überweisungsbeschlusses erbrachten Zahlung? Nimmt der Drittschuldner den Vollstreckungsgläubiger auf Rückzahlung der auf Grund eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an ihn erbrachten Zahlung in Anspruch, so wird der Vollstreckungsgläubiger sich darauf berufen, er habe wegen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein Recht zum Behaltendürfen dieser Zahlung. Bevor man zur Qualifikation dieses vom Vollstreckungsgläubiger geltend gemachten „Rechtsgrundes“ im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB schreitet, ist zu klären, woraus man bei einer Inlandspfändung den „Rechtsgrund“ ableiten müsste. Insoweit könnte man zunächst an das infolge der Pfändung entstandene Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers an der gepfändeten Forderung1089 denken, dessen Rechtsnatur bekanntlich umstritten ist. Dagegen spricht allerdings, dass die Figur des Pfändungspfandrechts nicht geeignet ist, zur Lösung von Sachproblemen, wie der „Behaltensberechtigung“ im Verhältnis Drittschuldner-Vollstreckungsgläubiger, beizutragen1090. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Immobiliarvollstreckung nach dem ZVG, bei der dieselben Probleme auftreten, ohne das Pfändungspfandrecht auskommen muss1091. Statt des Abstellens auf die Existenz eines Pfändungspfandrechts sind vielmehr für die jeweiligen Sachprobleme eigenständige 1089 Auch bei der Pfändung gemäß §§ 829 ff. ZPO erwirbt der Gläubiger regelmäßig ein Pfändungspfandrecht am Vollstreckungsgegenstand. Vgl. statt aller: Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55 I 3 a cc. 1090 Rüßmann, ZZP 102 (1989), 399, 401; Kerwer, Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung, S. 187. 1091 G. Lüke, AcP 153 (1954), 533, 539; Rüßmann, ZZP 102 (1989), 399, 402; Kerwer, Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung, S. 187.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Entscheidungskriterien zu entwickeln, die im Gegensatz zur Konstruktion des Pfändungspfandrechts die vom Rechtsanwender zu Grunde gelegten Wertungen offen legen1092. Als ein solches Entscheidungskriterium kommt für die Behaltensberechtigung im Verhältnis Drittschuldner-Vollstreckungsgläubiger nur in Betracht, ob der Drittschuldner mit befreiender Wirkung auf eine gegen ihn gerichtete Forderung des Vollstreckungsschuldners gezahlt hat, die zum Haftungsvermögen der titulierten Forderung gehört1093. Ist dies der Fall und hat die Zahlung zum Erlöschen der gepfändeten Forderung geführt, so ist die Zahlung des Drittschuldners durch einen Rechtsgrund gedeckt1094. Demnach hängt also die Rechtsfolge „Behaltensberechtigung“ von der Erfüllungswirkung der Drittschuldnerzahlung ab. Für diese wurde aber bereits vorstehend dargelegt, dass sie mit der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses, der zu einem Wechsel der Empfangszuständigkeit führt, steht und fällt und dass man diese originär zwangsvollstreckungsrechtliche Wirkung des Überweisungsbeschlusses als prozessrechtliche Wirkung qualifizieren muss, die nur durch eine Anerkennung in die deutsche Rechtsordnung transformiert werden kann. c) Wegfall der Prozessführungsbefugnis bzw. der Aktivlegitimation des Vollstreckungsschuldners? Wird der Drittschuldner, der mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogen wurde, noch vor der Zahlung an den Vollstreckungsgläubiger im Inland vom Vollstreckungsschuldner auf Leistung verklagt, so wird er im Falle einer Überweisung zur Einziehung geltend machen, die Klage des Vollstreckungsschuldners sei unzulässig, weil er auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Prozessführungsbefugnis verloren habe. Im Falle der Überweisung an Zahlungs Statt wird er sich darauf berufen, die Klage sei unbegründet, weil der Vollstreckungsschuldner auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Aktivlegitimation verloren habe. Wird der Drittschuldner dagegen vom Vollstreckungsgläubiger verklagt, wird er meist geltend machen, dem Vollstreckungsgläubiger fehle mangels einer Inlandswirkung des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Prozessführungsbefugnis bzw. die Aktivlegitimation. Bei inländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen beruht der Verlust der Prozessführungsbefugnis des Vollstre1092 Rüßmann, ZZP 102 (1989), 399, 401; Kerwer, Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung, S. 187. Darin liegt denn auch, wie Rüßmann a. a. O. zutreffend ausführt, der Wert der öffentlich-rechtlichen Theorie, die dem Pfändungspfandrecht „den ihm gebührenden Platz eines materiellrechtlichen Nullums zuweist“. 1093 Vgl. Rüßmann, ZZP 102 (1989), 399, 402. 1094 Medicus, NJW 1971, 1366.
C. Eigener Ansatz
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ckungsschuldners auf dem im Pfändungsbeschluss angeordneten Einziehungsverbot (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bei der Überweisung an Zahlungs Statt folgt der Verlust der Aktivlegitimation des Vollstreckungsschuldners aus der durch den Einziehungsbeschluss herbeigeführten Verdrängung aus der Gläubigerposition. Die Begründung der Prozessführungsbefugnis bzw. der Aktivlegitimation des Vollstreckungsgläubigers beruht auf dem durch den Einziehungsbeschluss geschaffenen Einziehungsrecht bzw. Forderungsinhaberwechsel. Das im Pfändungsbeschluss ausgesprochene Einziehungsverbot sowie der durch den Einziehungsbeschluss herbeigeführte Wechsel der Empfangszuständigkeit hängen von der Wirksamkeit des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses ab. Sie sind, was für das hoheitliche Einziehungsverbot außer Frage stehen dürfte, und für den zwangsweise herbeigeführten Wechsel der Empfangszuständigkeit bereits mehrfach dargelegt worden ist, prozessrechtliche Wirkungen des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, die im Inland nur durch Anerkennung Geltung erlangen können. d) Rangfolge der Vollstreckungsgläubiger bei mehrfachen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen Liegen sowohl ein deutscher als auch ein ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vor, so wird sich der in Deutschland domizilierte Drittschuldner fragen, ob er gemäß § 853 ZPO berechtigt oder auf ein etwaiges Verlangen des ausländischen Vollstreckungsgläubigers verpflichtet ist, den Schuldbetrag mit befreiender Wirkung (§ 378 BGB) zu hinterlegen. Dies hängt, da § 853 ZPO mehrere, wirksame Pfändungen voraussetzt, davon ab, ob die Auslandspfändung auch im Inland gilt. Damit ist Qualifikationsgegenstand die Existenz des Pfändungsbeschlusse selbst, der ohne weiteres als „prozessrechtliche Wirkung“ einzustufen ist. Fraglich ist, ob das auch für die Rangfolge der Vollstreckungsgläubiger, also die Frage gilt, wer von ihnen das „bessere Recht“ zur Befriedigung aus der gepfändeten Forderung hat. Diese Frage entscheidet sich – Inlandsanerkennung unterstellt – auch im Verhältnis von in- und ausländischem Pfändungsbeschluss nach § 804 Abs. 3 ZPO, jedenfalls in entsprechender Anwendung, nach dem Prioritätsprinzip1095, das zu den Grundprinzipien der Einzelzwangsvollstreckung gehört1096 und wegen seines engen Zusammenhangs zur Privatautonomie auch eine zentrale Stellung im deutschen Privatrecht einnimmt1097. 1095 Für das Eingreifen des Prioritätsprinzips in dieser Konstellation im Ergebnis auch I.K. Mössle, Internationale Forderungspfändung und Schack, Rpfleger 1980, 175, 178. 1096 Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 322 f.; J. Neuner, AcP 203 (2003), 46, 60. 1097 J. Neuner, AcP 203 (2003), 46, 78.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Danach käme es – wiederum, ohne dass die fruchtlosen Pfändungspfandrechtstheorien dabei eine Rolle spielten1098 – darauf an, welcher Pfändungsbeschluss zuerst wirksam geworden ist1099. Das Wirksamwerden des Pfändungsbeschlusses ist aber eine prozessrechtliche Wirkung, die nur durch Anerkennung ins deutsche Recht transformiert werden kann. e) Zusammenfassende Bewertung Nach alledem sind alle in Betracht kommenden Inlandswirkungen eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses als prozessrechtliche Wirkungen zu qualifizieren1100, die nur durch Anerkennung in der deutschen Rechtsordnung Geltung erlangen können. Das Internationale Privatrecht vermag also die These von der „Lückenhaftigkeit“ des deutschen Rechts im Hinblick auf die Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nicht zu widerlegen. Da es demnach weder eine gesetzliche noch eine staatsvertragliche Rechtsgrundlage für die Herbeiführung von Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gibt, ohne eine solche Rechtsgrundlage aber nach allgemeinem Völkerrecht keine Inlandswirkungen eintreten können, liegt die h. M. richtig, wenn sie davon ausgeht, dass die Begründung von Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nur im Wege der Rechtsfortbildung erreicht werden kann. Als methodisches Instrument der Rechtsfortbildung bietet sich vorliegend der Analogieschluss an. Eine Rechtsfortbildung im Wege des Analogieschlusses setzt aber voraus, dass die dem Rechtsanwender durch den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 GG) gezogenen äußeren Grenzen der Rechtsfortbildung eingehalten sind und dass der Analogieschluss sachlich gerechtfertigt ist1101.
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Rüßmann, ZZP 102 (1989), 399, 402. Für den Fall, dass das ausländische Zwangsvollstreckungsrecht das Wirksamwerden des Pfändungsbeschlusses anders als das deutsche Recht nicht an die Drittschuldnerzustellung knüpft, will Schack, Rpfleger 1980, 175, 178 darauf abstellen, wann der Drittschuldner das erste Mal nachgewiesenermaßen Kenntnis von dem Beschluss erlangt hat. Dies überzeugt nicht. Greift § 804 Abs. 3 ZPO direkt oder entsprechend ein und entfaltet der ausländische Pfändungsbeschluss Inlandswirkung, so kommt es darauf an, wann der im Inland anerkannte Pfändungsbeschluss nach dem Recht des Vollstreckungsstaates wirksam geworden ist. 1100 Im Ergebnis ebenso R. Geimer, IZPR, Rdnr. 3283. 1101 Lange, in: Opuscula Honoraria für Egon Müller, 147, 166 f. 1099
C. Eigener Ansatz
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2. Äußere Grenzen der Rechtsfortbildung (Gesetzesbindungspostulat)
Wie bereits in der Kritik an der Rechtsprechung des BAG dargelegt, würde eine auf die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse abzielende Rechtsfortbildung die äußeren Grenzen der Rechtsfortbildung nicht verletzen, weil sich dem geltenden Recht eine diesbezügliche Rechtsfortbildungssperre nicht entnehmen lässt. 3. Sachliche Rechtfertigung eines Analogieschlusses
Demnach ist eine die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ermöglichende Rechtsfortbildung zu befürworten, wenn ein dies ermöglichender Analogieschluss auch in der Sache gerechtfertigt ist. Da der Analogieschluss letztlich nichts anderes als ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist1102, ist dies zu bejahen, wenn die von einer analogietauglichen Rechtsgrundlage erfassten Sachverhalte und die die Inlandswirkung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse betreffenden, vom Gesetz nicht geregelten Sachverhalte als wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden1103. a) Die analogietaugliche Rechtsgrundlage Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob die von einigen Vertretern der h. M. für den Analogieschluss herangezogene Rechtsgrundlage des § 328 ZPO überhaupt auf den Fall der Anerkennung der Wirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse „passt“. Dafür spricht, dass es in beiden Fällen um die Erstreckung der Wirkungen eines in einem Zivilprozess ergangenen verfahrensabschließenden, ausländischen Justizhoheitsakts geht. Das würde aber ebenso für § 16a FGG gelten, der indes soweit ersichtlich von keinem Autor als analogietaugliche Rechtsgrundlage in Erwägung gezogen wird. Gegen die Vergleichbarkeit des von § 328 ZPO geregelten Falles mit der Anerkennung eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses spricht aber, dass es bei § 328 ZPO um die Wirkungen einer im Erkenntnisverfahren ergangenen Entscheidung, die erst nach einer Vollstreckbarerklärung im Inland vollstreckt werden kann, und nicht um eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme geht. Beide Fälle betreffen also Hoheitsakte, die sich in Zielrichtung und Eingriffsintensität deutlich voneinander unterscheiden. Dem Fall der Anerkennung ausländischer Pfän1102 1103
Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 260. Lange, in: Opuscula Honoraria für Egon Müller, 147, 167.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
dungs- und Überweisungsbeschlüsse wesentlich näher als § 328 ZPO steht dagegen Art. 102 Abs. 1 EGInsO, der die Anerkennung einer echten zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsmaßnahme, die auch Forderungen und Rechte erfasst, regelt. Daher ist Art. 102 Abs. 1 EGInsO gegenüber § 328 ZPO als für einen Analogieschluss in Frage kommende Rechtsgrundlage vorzugswürdig. b) Gebotenheit des Analogieschlusses Die analoge Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO auf ausländische Pfändungsbeschlüsse ist nach alledem zu befürworten, wenn durch diese Norm die Inlandswirkungen ausländischer Insolvenzverfahren und die Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse als wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden. Die wesentliche Gleichheit beider Sachverhalte kann bejaht werden. In beiden Fallgestaltungen geht es im Wesentlichen darum, ob und unter welchen Voraussetzungen eine ausländische Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Inland, die sich (auch) auf Forderungen bzw. Rechte als Vollstreckungsgegenstand bezieht, anerkannt wird. Die danach für die Berechtigung des Analogieschlusses maßgebliche Frage ist, ob die gesetzliche Ungleichbehandlung beider Fälle sachlich gerechtfertigt ist. Als einen solchen sachlichen Grund könnte man anführen, dass mit der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren eine ganz spezifisch insolvenzrechtliche Zielsetzung verfolgt wird, die mit der die Internationale Rechts- bzw. Forderungspfändung beherrschenden Interessenlage nicht vergleichbar ist. Die spezifisch insolvenzrechtliche Zielsetzung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO ist darin zu sehen, dass jedes Gesamtvollstreckungsverfahren primär das Ziel der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger verfolgt, das aber durch eine Verweigerung der Inlandsanerkennung von Auslandsinsolvenzverfahren bedroht ist, weil eine solche Anerkennungsverweigerung tendenziell zur ungerechtfertigten Bevorzugung der inlandsdomizilierten Vollstreckungsgläubiger führt1104. Diese in der Tat spezifisch auf das Insolvenzverfahren bezogene Zielsetzung stellt allerdings nur vordergründig einen sachlichen Grund zur gesetzlichen Ungleichbehandlung des Forderungspfändungsverfahrens dar. Bei näherem Hinsehen lässt sich diese Zielsetzung nämlich durchaus aus ihrem Regelungskontext herauslösen und einer höheren Abstraktionsebene zuordnen, die eine Regelung Art. 102 Abs. 1 EGInsO entsprechende auch im Verfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO erforderlich erscheinen lässt. Betrachtet man nämlich die Zielsetzung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO von einer höheren Abstraktionsebene aus, so ver1104
Schack, IZVR, Rdnrn. 1038 ff.
C. Eigener Ansatz
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folgt die Regelung im Grunde genommen das Ziel der Sicherung des Verfahrenszwecks und der dem Verfahren zu Grunde liegenden zwangsvollstreckungsrechtlichen Wertungen. Genau aber diesem Anliegen würde auch eine analoge Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO auf das Verfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO dienen. Denn sie würde bei Lichte besehen dem Schutz des Prioritätsprinzips dienen, das die Einzelzwangsvollstreckung ebenso prägt, wie der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger die Gesamtvollstreckung. Beide zwangsvollstreckungsrechtlichen Wertungen verbindet bei aller Unterschiedlichkeit, dass sie auf ihre Weise im Einklang mit der jeweiligen Ausgestaltung des Zwangsvollstreckungsverfahrens einen gerechten Verteilungsmaßstab für die Verteilung der zu knappen Haftungsmasse unter den Vollstreckungsschuldnern umzusetzen suchen. Dabei geht es im Kern, so paradox das klingen mag, sowohl um den Schutz und die Ausgestaltung als auch um die Beschränkung des Rechts der Vollstreckungsgläubiger auf effektive Zwangsvollstreckung. In der Einzelzwangsvollstreckung wird den zu spät kommenden Gläubigern die Pflicht zur Duldung des schnelleren Zugriffs auferlegt, weil und soweit jeder die Chance hatte, der Erste zu sein, und so sein Recht auf effektive Zwangsvollstreckung zu realisieren. Damit werden zugleich der schnellste Gläubiger geschützt und die langsameren Gläubiger beschränkt. Ebenso liegt es in der Gesamtvollstreckung: Hier wird jedem Gläubiger die Pflicht zur Duldung einer niedrigeren Befriedigung im Interesse der gerechten Verteilung der Masse auf alle auferlegt. Somit dient diese das Recht auf effektive Zwangsvollstreckung beschränkende Duldungspflicht zugleich dem Schutz der Vollstreckungsinteressen der übrigen Gläubiger. Aus dieser prinzipiellen Vergleichbarkeit der der Einzel- und der Gesamtvollstreckung zu Grunde liegenden Wertungen und aus ihrer Bedeutung für das jeweilige Verfahrensziel ergibt sich aber, dass das Regelungsziel des Art. 102 Abs. 1 EGInsO bei näherem Hinsehen weniger spezifisch insolvenzrechtlich als spezifisch zwangsvollstreckungsrechtlich ist. Der Regelungszweck des Art. 102 Abs. 1 EGInsO kann daher nicht als sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Ungleichbehandlung von Insolvenzverfahren und Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO herhalten. Er spricht vielmehr bei wertender Betrachtung für die sachliche Rechtfertigung des Analogieschlusses, da dieser es ebenso wie Art. 102 Abs. 1 EGInsO in direkter Anwendung ermöglicht, das Verfahrensziel und die grundlegenden zwangsvollstreckungsrechtlichen Wertungen des in Rede stehenden Vollstreckungsverfahrens vor einer Beeinträchtigung bei Sachverhalten mit Auslandsberührung zu schützen. Andere sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung der beiden Sachverhalte zu legitimieren vermögen, sind nicht ersichtlich. Das wird vor allem deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass man genau genommen bei einem vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG vorgenommenen Ver-
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
gleich beider Sachverhalte nicht auf alle von Art. 102 Abs. 1 EGInsO geregelten Sachverhalte abstellen darf, sondern nur auf die Fälle, in denen Art. 102 Abs. 1 EGInsO Forderungen und Rechte erfasst. Denn nur insoweit haben beide Sachverhalte einen eindeutig übereinstimmenden Bezugspunkt. Soweit Art. 102 Abs. 1 EGInsO aber Forderungen und Rechte erfasst, führt er nicht nur zum Schutz des Prinzips der Gleichbehandlung aller Gläubiger, sondern auch zum Schutz inlandsdomizilierter Drittschuldner davor, trotz Leistung in die ausländische Insolvenzmasse erneut im Inland vom Insolvenzschuldner oder anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners mit Erfolg in Anspruch genommen und verklagt zu werden. Hierbei handelt es sich auch nicht nur um einen bloßen Reflex des Art. 102 Abs. 1 EGInsO, also eine bloße Nebenfolge dieser Bestimmung. Denn Art. 102 Abs. 1 EGInsO soll umfassend zur „international-privatrechtlichen Gerechtigkeit“ beitragen und den Bedürfnissen einer modernen, grenzüberschreitenden Wirtschaft Rechnung tragen1105. Beides erfordert aber nicht nur den Schutz der Insolvenzgläubiger, sondern auch der von einem ausländischen Insolvenzverfahren betroffenen Drittschuldner. Erkennt man dies aber an, dann ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, diesen Drittschuldnerschutz des Art. 102 Abs. 1 EGInsO nur den von einem ausländischen Insolvenzverfahren betroffenen Drittschuldnern zu gewähren und ihn den von einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betroffenen Drittschuldnern vorzuenthalten. Nach alledem ist der Analogieschluss mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten, da Art. 102 Abs. 1 EGInsO ohne ihn zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der von einem ausländischen Insolvenzverfahren betroffenen und der mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogenen inlandsdomizilierten Drittschuldner führen würde. Aber auch wenn man der vorstehenden Herleitung nicht folgen will und den Analogieschluss mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht für geboten hält, ließe sich die analoge Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO auf ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sachlich rechtfertigen. Diese sachliche Rechtfertigung lässt sich methodisch mit der Notwendigkeit der analogen Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO zur Herstellung von Verfassungskonformität, also mit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung begründen. Die Notwendigkeit der analogen Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO zur Herstellung von Verfassungskonformität folgt aus der Situation, in die der mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogene Drittschuldner geriete, wenn man dem Beschluss die Anerkennung im Inland versagen würde. Wie bereits dargelegt, 1105
Gottwald, in: Insolvenzrechtshandbuch, § 130 Rdnr. 3.
C. Eigener Ansatz
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würde dies dazu führen, dass der Drittschuldner unentrinnbar der Gefahr des Doppelleistenmüssens ausgesetzt wäre, weil der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Vollstreckungsgläubiger im Ausland die Rechtsmacht, zur Geltendmachung und Durchsetzung der gepfändeten Forderung verleihen und dazu führen würde, dass der Vollstreckungsgläubiger nach dem Recht des Vollstreckungsstaates die Leistung behalten darf, diese Rechtswirkungen im Inland aber mangels Anerkennung des Beschlusses nicht eintreten würden. Darüber hinaus könnte der Drittschuldner sich im Inland mit den Mitteln des Bereicherungsrechts nur unzureichend zur Wehr setzen, weil ihm bei einer Leistung an den auslandsdomizilierten Vollstreckungsgläubiger kein Bereicherungsanspruch gegen den Vollstreckungsschuldner zusteht, den er dessen inländischem Leistungsbegehren entgegen setzen könnte und sein gegen den auslandsdomizilierten Vollstreckungsgläubiger begründeter Bereicherungsanspruch regelmäßig nichts Wert sein dürfte, weil er im Ausland rechtlich und im Inland mangels Gerichtsstandes oder Vollstreckungsmasse faktisch nicht durchsetzbar wäre. Diese bei pauschaler Nichtanerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse den Drittschuldner treffenden Belastungen überschreiten die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch für privatrechtliche Rechtsnormen gezogene „Opfergrenze“ und verletzen daher das Rechtsstaatsprinzip. Da diese Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch eine analoge Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO vermieden werden kann, ist die Analogie als verfassungskonforme Rechtsfortbildung gerechtfertigt und geboten. Die derzeit h. M. zur Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hat sich demnach im Ergebnis als richtig erwiesen und muss nur dahingehend modifiziert werden, dass die Anerkennung aus einer analogen Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO und nicht aus § 328 ZPO folgt. II. „Voraussetzungen“ einer Anerkennung analog Art. 102 Abs. 1 EGInsO Aus der analogen Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO folgt, dass ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Inland unmittelbar kraft Gesetzes ohne Durchführung eines Anerkennungsverfahrens anerkannt werden (Art. 102 Abs. 1 Satz 1 EGInsO), sofern der Anerkennung keine Anerkennungshindernisse entgegenstehen (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGInsO). Diese Anerkennungshindernisse sollen nachfolgend untersucht werden. Ferner soll geprüft werden, ob es noch weitere Anerkennungshindernisse oder -voraussetzungen über den Gesetzestext hinaus gibt.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
1. Keine Unzuständigkeit der Vollstreckungsorgane des Vollstreckungsstaates nach inländischem Recht („Spiegelbildprinzip“) (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGInsO analog)
Dem Vorbild der §§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und 16a Nr. 1 FGG folgend, bestimmt Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGInsO die nach deutschem Recht zu beurteilende, fehlende internationale Zuständigkeit des Vollstreckungsstaates („Anerkennungszuständigkeit“)1106 zum Anerkennungshindernis. Dabei ist die Anerkennungszuständigkeit nach dem sogenannten „Spiegelbildprinzip“ zu bestimmen, also danach zu fragen, ob das Gericht des Vollstreckungsstaates unter hypothetischer Geltung des § 828 Abs. 2 ZPO international entscheidungszuständig gewesen wäre1107. Das führt auf Grund der sehr weit gehenden Regelung der Entscheidungszuständigkeit in § 828 Abs. 2 ZPO zu einer großzügigen Anerkennungzuständigkeit1108. Überträgt man die im 1. Teil der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zur Entscheidungszuständigkeit auf die Anerkennungszuständigkeit, bedeutet dies, dass ausländische Vollstreckungsorgane grundsätzlich anerkennungszuständig sind kraft allgemeinen Vollstreckungsschuldnergerichtsstands im Vollstreckungsstaat (§ 828 Abs. 2 Var. 1 ZPO), kraft Drittschuldnerwohnsitzes im Vollstreckungsstaat (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 2 Var. 1 ZPO), kraft im Vollstreckungsstaat belegener Realsicherheiten (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 2 Var. 2 ZPO) und kraft von der zu pfändenden Forderung verschiedenen im Vollstreckungsstaat belegenen Vollstreckungsschuldnervermögens (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 ZPO). Allerdings ist allgemein anerkannt, dass die auf dem Spielbildprinzip aufbauenden Anerkennungszuständigkeitstatbestände nur eingreifen, wenn der Gerichtsstaat in völkerrechtsgemäßer Weise innerhalb der Grenzen seiner Gerichtsbarkeit gehandelt hat1109. Daraus ergibt sich, dass die Anerkennungszuständigkeit – auf den Ergebnis1106 Der Begriff der „Anerkennungszuständigkeit“ hat sich zwischenzeitlich durchgesetzt. Er ist als Unterbegriff zum Oberbegriff der internationalen Zuständigkeit zu verstehen, die sich demnach in die Entscheidungszuständigkeit und die Anerkennungszuständigkeit aufgliedert. Dabei bestimmt die Entscheidungszuständigkeit, wann das deutsche internationale Zivilprozessrecht bei Sachverhalten mit Auslandsbezug deutschen Gerichten die Zuständigkeit zum Betreiben eines Verfahrens zuweist und die Anerkennungszuständigkeit (auch „indirekte internationale Zuständigkeit“ genannt), wann das deutsche internationale Zivilprozessrecht die Inanspruchnahme der Entscheidungszuständigkeit durch die Gerichte anderer Staaten akzeptiert: vgl. statt vieler: Schack, IZVR, Rdnrn. 829 ff. 1107 So die prägnante Formel von Schack, IZVR, Rdnr. 831. 1108 Schack, IPRax 1997, 318, 320. 1109 Allgemeine Ansicht. Vgl. statt aller: R. Geimer, IZPR, Rdnrn. 533 ff. und Rdnr. 2894 f., der dies dogmatisch zutreffend darauf stützt, dass völkerrechtswidrige Akte nun einmal nichtig sind, was sich auch in der Anerkennung niederschlagen muss.
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sen des 1. Teils der Arbeit aufbauend – im Fall der Zuständigkeit kraft von der zu pfändenden Forderung verschiedenen im Vollstreckungsstaat belegenen Vollstreckungsschuldnervermögens (§§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 ZPO) zu verneinen ist, wenn die zu pfändende Forderung keinen hinreichenden Bezug zum Vollstreckungsstaat aufweist. Ferner ist die Anerkennungszuständigkeit zu verneinen, wenn der ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die völkergewohnheitsrechtlich geltenden Immunitätsregeln verletzt. Wenn die Anerkennungszuständigkeit gemäß Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGInsO analog zu bejahen ist, spielt es für die Anerkennung keine Rolle, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss unter Beachtung der innerstaatlichen Vorschriften des Vollstreckungsstaates über die örtliche und sachliche Zuständigkeit zustande gekommen ist. Etwaige Verletzungen des innerstaatlichen Zuständigkeitsrechts des Vollstreckungsstaats sind wegen Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGInsO für die Anerkennung irrelevant1110. 2. Keine Unvereinbarkeit des Ergebnisses der Anerkennung mit dem „ordre public“ (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGInsO)
Als weiteres Anerkennungshindernis normiert Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGInsO, dass die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, „offensichtlich“ unvereinbar ist. Ein derartiger Ordre-public-Verstoß ergibt sich nicht bereits daraus, dass die anzuerkennende Entscheidung im Ergebnis gegen zwingendes deutsches Recht verstößt1111, sondern erfordert vielmehr, dass die Entscheidung aus verfahrens- oder materiell-rechtlicher Sicht mit das deutsche Recht tragenden Gedanken, seinen Fundamenten und Grundprinzipien unvereinbar ist1112. Die Entscheidung muss – mit den Worten des BGH gesprochen – „zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starken Widerspruch stehen, dass sie nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint“1113. Um diese Definition für die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse fruchtbar zu machen, gilt es nachfolgend herauszuarbeiten, welche das Pfändungsverfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO betreffenden Regelungen als so wesentlich und grundlegend für das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht angesehen werden müssen, dass ihre 1110 Dies gilt für alle auf dem Spiegelbildprinzip basierenden Vorschriften des deutschen internationalen Zivilprozessrechts in gleicher Weise. Vgl. etwa in Bezug auf § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: R. Geimer, IZPR, Rdnr. 2898. 1111 Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 328 Rdnr. 93. 1112 Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 328 Rdnr. 31. 1113 BGH, NJW 1993, 3269, 3270, Beschl.v. 16.09.1993 – IX ZB 82/90.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Nichtbeachtung im ausländischen Pfändungsverfahren als untragbarer Widerspruch zur deutschen Rechtsordnung zu werten ist. a) Fehlende Drittschuldnerzustellung als Ordre-public-Verstoß? Fraglich ist, ob man es bereits als Ordre-public-Verstoß werten kann, dass es zu keiner §§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechenden Drittschuldnerzustellung gekommen ist, weil das Recht des Vollstreckungsstaates eine solche nicht vorsieht. Das setzt voraus, dass man §§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu den wesentlichen Grundgedanken der Regelung des Verfahrens gemäß §§ 828 ff. ZPO rechnen kann, deren Nichtbeachtung aus Sicht des deutschen Rechts untragbar erscheint. Das in diesen Normen vorgesehene Zustellungserfordernis und die Verknüpfung der Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit der Drittschuldnerzustellung ist in der Tat ein markantes Charakteristikum der deutschen Regelung des Rechts- bzw. Forderungspfändungsverfahrens. Doch macht es dies bereits zum unverzichtbaren tragenden Gedanken dieser Regelung? Dies könnte sich daraus ergeben, dass diese Regelung eine spezifische Ausprägung des vom deutschen Gesetzgeber für wesentlich erachteten Drittschuldnerschutzes darstellt. Dafür könnte der Sinn und Zweck dieser Regelung sprechen, der auch darin gesehen wird, dass die Kenntnis des Drittschuldners von der Vollstreckungsmaßnahme sichergestellt werden soll1114. Allerdings ist dieser Regelungszweck nicht alternativlos auf die derzeit geltende Regelung „angewiesen“. Er ließe sich beispielsweise ebenso dadurch umsetzen, dass das Wirksamwerden des Pfändungsbeschlusses mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Pfändungsbeschlusses oder der Übersendung desselben durch die Post verknüpft wird1115. Das Abstellen auf die tatsächliche Kenntniserlangung würde dabei sogar dem Ziel der sicheren Kenntnisverschaffung auf Seiten des Drittschuldners effektiver Rechnung tragen, weil Zustellung keineswegs notwendig zur tatsächlichen Kenntniserlangung beim Zustellungsadressaten führt, wie die Möglichkeit der Ersatzzustellung (§§ 178 ff. ZPO), insbesondere durch Niederlegung (§ 181 ZPO), anschaulich belegt. Stellt aber das Zustellungserfordernis die Drittschuldnerinformation gar nicht in optimaler Weise sicher, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass das Erfordernis gar nicht in erster Linie dem Drittschuldnerschutz, sondern Beweiszwecken dient1116. Eine Beweiszwecken dienende Regelung mag man – insbesondere aus der Sicht des Vollstreckungsgläubigers – als zweckmäßig betrachten. Einen tragenden Rechtsgrundsatz normiert sie aber 1114 1115 1116
Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; ders. IPRax 1997, 318, 321. Schack, Rpfleger 1980, 175, 176. Schack, Rpfleger 1980, 175, 176.
C. Eigener Ansatz
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sicher nicht. Mithin ist eine Auslandspfändung nicht schon deshalb als ordre-public-widrig anzusehen, weil sie anders als bei Geltung des § 829 Abs. 3 ZPO auch ohne Drittschuldnerzustellung wirksam geworden ist1117. b) Fehlende Drittschuldnerkenntnis als Ordre-public-Verstoß? Möglicherweise verstößt ein ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aber deswegen gegen den deutschen ordre public, weil er ohne jede Rücksicht auf die Sicherstellung der Kenntnis des Drittschuldners wirksam wird1118. Dafür könnte sprechen, dass die Sicherstellung der Kenntnis des Drittschuldners zu einem wirksamen Drittschuldnerschutz beiträgt und der Drittschuldnerschutz der Regelung der §§ 828 ff. ZPO und des Zessionsrechts (§§ 404 BGB ff.) zu Grunde liegt und daher zu den wesentlichen Grundgedanken des deutschen Zivil(prozess)rechts gerechnet werden kann1119. Allerdings setzt dies voraus, dass der Drittschuldnerschutz durch die Anerkennung von ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, die ohne Sicherstellung der Drittschuldnerinformation wirksam werden, beeinträchtigt werden kann. Dies ist aber nur der Fall, wenn der Drittschuldner, der in Unkenntnis von einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an den Vollstreckungsschuldner oder einen nachrangigen deutschen Vollstreckungsgläubiger gezahlt hat, Gefahr läuft, auf Grund des im Inland anerkannten ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nochmals vom auslandsdomizilierten Vollstreckungsgläubiger mit Erfolg in Anspruch genommen zu werden. Dies ist nicht der Fall. Hat der Drittschuldner nämlich in Unkenntnis eines im Inland anerkannten ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner geleistet, ist er ebenso wie bei einem reinen Inlandssachverhalt analog § 407 BGB von seiner Verbindlichkeit frei geworden1120. Leistet er in Unkenntnis des zeitlich früher wirksam gewordenen und daher vorrangigen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an einen nachrangigen inlandsdomizilierten Vollstreckungsgläubiger wird der Drittschuldner ebenfalls analog §§ 408 Abs. 2, 407 BGB frei1121. Ist aber 1117 Ähnlich Schack, IPRax 1997, 318, 322 allerdings mit der Einschränkung, dass der Drittschuldner in der Zwischenzeit keine Dispositionen getroffen hat. Diese Einschränkung ist aber, wie die nachfolgenden Ausführungen zur Ordre-PublicWidrigkeit fehlender Drittschuldnerkenntnis zeigen werden, zur Sicherstellung des Drittschuldnerschutzes nicht erforderlich. 1118 In diese Richtung gehen die Überlegungen von Schack, IPRax 1997, 318, 321. 1119 Vgl. BGHZ 105, 358, 360 f., Urt. v. 27.10.1988 – IX ZR 27/88. 1120 BGHZ 86, 337, 338 f., Urt. v. 26.01.1983 – VIII ZR 258/81; BGHZ 105, 358, 359 f., Urt. v. 27.10.1988 – IX ZR 27/88. 1121 G. Lüke, Zwangsvollstreckungsrecht, Nr. 185.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
ein effektiver Drittschuldnerschutz nicht auf die obligatorische Drittschuldnerkenntnis angewiesen, so kann diese auch nicht zum deutschen Ordre public gerechnet werden. c) Fehlende Zustellung des Beschlusses an den Vollstreckungsschuldner als Ordre-public-Verstoß? Die Frage, ob ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die ohne Zustellung an den Vollstreckungsschuldner zustande gekommen sind, dem deutschen Ordre public genügen, wirft keine besonderen Probleme auf. Da nach der Regelung des §§ 829 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO deutsche Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse – abgesehen von dem Ausnahmefall drittschuldnerloser Rechte – auch ohne die gesetzlich vorgeschriebene Vollstreckungsschuldnerzustellung wirksam werden, kann man dieses Erfordernis nicht zu den wesentlichen Grundgedanken des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts zählen1122, dessen Nichtbeachtung einen Ordre-public-Verstoß mit sich bringt. d) Fehlende Vollstreckungsschuldnerkenntnis als Ordre-public-Verstoß? Noch viel weniger kann die fehlende Sicherstellung der Kenntnis des Vollstreckungsschuldners einen Ordre-public-Verstoß auslösen. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör ist bereits gewahrt, wenn er den Pfändungsund Überweisungsbeschluss jederzeit gerichtlich überprüfen lassen kann. Lediglich wenn er dieses Recht nach dem Vollstreckungsrecht des Vollstreckungsstaates durch Verfristung verlieren kann, kommt wegen fehlender Sicherstellung seiner Information ein Ordre-public-Verstoß in Betracht. e) Verstoß gegen Unpfändbarkeits- und Pfändungsschutzvorschriften als Ordre-public-Verstoß? Fraglich ist, ob und wie es sich auf die Anerkennung auswirkt, dass der ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen ist, obgleich die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht nach deutschem Recht unpfändbar wäre. Zur Beantwortung dieser Frage empfiehlt es sich auf Grund der bereits zur internationalen Inlandspfändung gewonnenen Erkenntnisse danach zu differenzieren, ob die zu pfändende Forderung nach deutschem Internationalem Privatrecht deutschem oder ausländischem Sachrecht unterliegt. 1122
Ebenso Schack, IPRax 1997, 318, 322.
C. Eigener Ansatz
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Unterliegt die zu pfändende Forderung nach deutschem Internationalem Privatrecht deutschem Sachrecht, gilt es weiter zwischen materiell-rechtlichen und zwangsvollstreckungsrechtlichen Unpfändbarkeits- und Pfändungsschutzbestimmungen zu unterscheiden. Ist ein ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss unter Verstoß gegen Unpfändbarkeitsbzw. Pfändungsschutzbestimmungen des deutschen materiellen Rechts zustande gekommen, dann geht er ebenso wie ein entsprechender deutscher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ins Leere. Das Problem der Anerkennung stellt sich nicht mehr. Diese Lösung scheint auf den ersten Blick gegen das zu § 328 ZPO entwickelte Verbot der „révision au fond“, wonach die anzuerkennende Enscheidung gerade nicht auf einfach-rechtliche Fehler unterhalb der Ebene des Ordre public untersucht wird, zu verstoßen. Bei näherem Hinsehen ist sie indes konsequent. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erwachsen nach deutschem Recht nicht in Rechtskraft mit der Folge, dass bestimmte materiell-rechtliche „Fehler“ (wie z. B. das Nichtbestehen der Forderung bzw. der Verstoß gegen Unpfändbarkeitsbestimmungen) anders als bei einem in Rechtskraft erwachsenden Urteil nicht perpetuiiert werden, sondern schlicht zur Wirkungslosigkeit des Pfändungsakts führen. Da aber die Anerkennung den ausländischen Pfändungsakt nur ins deutsche Recht überführt und ihm dort die gleichen Wirkungen verleiht, die auch ein deutscher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hätte, kann ihre Wirkung nicht weiter reichen als die Wirkungen eines deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses reichen würden. Dieser ginge aber bei Verstoß gegen eine Unpfändbarkeits- bzw. Pfändungsschutzvorschrift ins Leere. Fraglich ist, was bei einem „Verstoß“ gegen als zwangsvollstreckungsrechtlich zu qualifizierende deutsche Unpfändbarkeits- bzw. Pfändungsschutzvorschriften gilt, die für das ausländische Vollstreckungsgericht, das nur das eigene Vollstreckungsrecht anwendet, nicht maßgeblich sind. Hier kommt anders als bei Verstößen gegen materielle Bestimmungen eine Anerkennung analog Art. 102 Abs. 1 EGInsO in Betracht, wenn der Pfändungsakt nicht ordre-public-widrig ist. Dies kann man etwa bei einem „Verstoß“ gegen § 851 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO nicht allgemeingültig, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall durch sorgfältige Subsumtion unter die Ordre-Public- Definition beantworten. Für den praktisch sicher wichtigsten Fall, dass bei einer deutschem Arbeitsrecht unterliegenden Lohnforderung gegen die §§ 850 a ff. ZPO verstoßen wurde, gilt, dass bei Unterschreitung des deutschen Pfändungsschutzniveaus ein Ordre-PublicVerstoß zu bejahen ist1123. Dies ergibt sich daraus, dass die §§ 850 a ff. ZPO in Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips dasjenige Existenzminimum konkretisieren, das dem Vollstreckungsschuldner auch unter Berücksichtigung des Rechts des Vollstreckungsgläubigers auf effektive Zwangs1123
Ebenso Schack, Rpfleger 1980, 175, 177 f.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
vollstreckung zu belassen ist. Ferner soll der Staat davor geschützt werden, dass ein Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungsschuldner zu Lasten der öffentlichen Kassen „kahlpfändet“ und damit das von ihm zu tragende Insolvenzrisiko seines Schuldners auf die Allgemeinheit abwälzt. Diese für das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht zentrale Wertung muss sich auch gegenüber ausländischen Pfändungsakten durchsetzen, da es nicht angeht, dass auslandsdomizilierte Vollstreckungsgläubiger sich auf Kosten des deutschen Steuerzahlers sanieren. Fraglich ist, ob der gegen die §§ 850 a ff. ZPO verstoßende ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen seiner Ordre-public-Widrigkeit überhaupt nicht anerkannt werden kann oder ob er in der Höhe anerkannt wird, die mit den deutschen Pfändungsfreigrenzen im Einklang steht. Letzteres läuft auf seine sogenannte Teilanerkennung heraus, die bereits nach dem Wortlaut des Art. 102 Abs. 1 EGInsO möglich ist („soweit“) und lediglich voraussetzt, dass die anzuerkennende Rechtsfolge teilbar ist. Dies ist aber bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, die unter Verstoß gegen §§ 850 a ff. ZPO eine Lohnforderung pfänden ohne weiteres der Fall. Solche Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse werden mithin im Inland in der Höhe anerkannt, die mit den §§ 850 a ff. ZPO vereinbar ist. Unterliegt die zu pfändende Forderung nach deutschem Internationalem Privatrecht ausländischem Sachrecht, so ist ebenfalls zwischen nach deutschem Recht zu qualifizierenden materiell-rechtlichen und zwangsvollstreckungsrechtlichen Unpfändbarkeits- bzw. Pfändungsschutzvorschriften zu unterscheiden. Hat der ausländische Pfändungsakt gegen die materiell-rechtlichen Pfändbarkeitsbestimmungen des ausländischen Sachrechts verstoßen, so ist er ebenso wie beim Verstoß gegen die entsprechenden deutschen Bestimmungen wirkungslos. Sieht das anwendbare ausländische Sachrecht dagegen Unpfändbarkeitsbestimmungen nicht vor, die das deutsche Recht kennt (wie z. B. § 852 Abs. 1 ZPO), so hindert dies die Anerkennung unter keinem Gesichtspunkt. Insbesondere kommt dann ein Ordre-public-Verstoß nicht in Betracht, weil die diesbezügliche Ausgestaltung des ausländischen Sachrechts im Rahmen der Anerkennung nach Art. 102 Abs. 1 EGInsO hinzunehmen und keiner gesonderten Ordre-public-Kontrolle zu unterziehen ist. Sieht dagegen die lex fori des Vollstreckungsstaates bestimmte als zwangsvollstreckungsrechtlich zu qualifizierende Pfändungsschutzvorschriften nicht vor, die im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht vorgesehen sind, kann dies zur Ordre-public-Widrigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führen. Am praktisch bedeutsamsten dürften auch hier wieder Lohnpfändungen sein, die das in §§ 850 a ff. ZPO vorgesehene Schutzniveau unterschreiten. Hier kann aber die Anwendbarkeit ausländischen Sachrechts an den für die Anerkennung maßgeblichen Erwägungen, die bereits für den Fall der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts herausgearbeitet wor-
C. Eigener Ansatz
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den sind, nichts ändern. Denn auch wenn der inlandsdomizilierte Vollstreckungsschuldner einen dem Recht des Vollstreckungsstaates unterliegenden Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, will es die deutsche Rechtsordnung unter keinen Umständen hinnehmen, dass der Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungsschuldner auf Kosten des deutschen Steuerzahlers kahlpfänden kann. Mithin verstößt auch bei Anwendbarkeit ausländischen Arbeitsrechts eine ausländische Lohnpfändung, die das Schutzniveau der §§ 850 a ff. ZPO unterschreitet, gegen den deutschen Ordre public und kann nur in der Höhe anerkannt werden, die den deutschen Pfändungsfreigrenzen genügt. 3. Sonstige Anerkennungsvoraussetzungen oder -hindernisse?
a) Verbürgung der Gegenseitigkeit? Selbst die Autoren, die sich für eine analoge Anwendung des § 328 ZPO aussprechen, wollen nicht so weit gehen, entsprechend § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Verbürgung der Gegenseitigkeit zu verlangen1124. Schack begründet dies etwa pragmatisch damit, das Gegenseitigkeitserfordernis könne auch deutsche Vollstreckungsgläubiger treffen und stehe zudem einer international funktionierenden Zwangsvollstreckung entgegen, weil dann jeder Staat auf den ersten Schritt des anderen warten würde1125. Wenn man indes anstatt § 328 ZPO Art. 102 Abs. 1 EGInsO für die „richtige“ Rechtsgrundlage für den Analogieschluss hält, gibt es erst recht keinen Grund die Gegenseitigkeitsverbürgung zu verlangen, da Art. 102 Abs. 1 EGInsO von diesem Erfordernis bewusst Abstand nimmt. b) Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Vollstreckungstitels? Wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet, stellt eine Anerkennung eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses analog Art. 102 EGInsO keine inländische Mitwirkung am ausländischen Vollstreckungsverfahren dar. Deswegen kommt es für die Anerkennung des ausländischen Pfändungsaktes nicht darauf an, ob der ihm zu Grunde liegende ausländische Vollstreckungstitel in Deutschland anerkannt wird und/oder ob er gemäß §§ 722 f. ZPO für vollstreckbar erklärt worden ist.
1124 1125
Vgl. beispielsweise Schack, IPRax 1997, 318, 322. Schack, IPRax 1997, 318, 322.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
III. Problem des Drittschuldnerschutzes bei nachrangigen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen Das auch im Rahmen der Anerkennung gemäß Art. 102 Abs. 1 EGInsO geltende Prioritätsprinzip wirft die Frage auf, wie es sich auf den Drittschuldnerschutz auswirkt, wenn bei je einer deutschen und einer ausländischen Pfändungsmaßnahme der deutsche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss früher wirksam geworden ist, der Drittschuldner aber dennoch auf den ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gezahlt hat, weil er beispielsweise in einem ausländischen Einziehungsklageverfahren unterlegen ist bzw. die zu pfändende Forderung im ausländischen Pfändungsverfahren mittituliert wird und er einer unabwendbaren ausländischen Zwangsvollstreckungsmaßnahme zuvor kommen wollte. Dies entspricht im Wesentlichen der Fallkonstellation, die der so häufig für die Gefahr der Doppelinanspruchnahme des Drittschuldners angeführten Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 36, 250 ff.1126 zu Grunde lag. Es ist offenkundig, dass die hier befürwortete Lösung einer großzügigen Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse analog Art. 102 Abs. 1 EGInsO den Drittschuldner in dieser Fallkonstellation ebenso wenig wie die Lösung des Reichsgerichts vor der Doppelinanspruchnahme bewahrt. Der einzige in dieser Konstellation die Doppelinanspruchnahme verhindernde Weg wäre auf das Prioritätsprinzip zu verzichten und den Drittschuldner bei solchen internationalen Mehrfachinanspruchnahmen bei der Leistung an jeden beliebigen Vollstreckungsgläubiger freizustellen. Dies ist allerdings mit der klaren gesetzlichen Regelung in § 804 Abs. 3 ZPO nicht zu vereinbaren. Fraglich ist, ob diese einfachgesetzliche Rechtslage mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist oder ob hier nicht eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung wegen Überschreitung der „Opfergrenze“ zu Lasten des Drittschuldners in Betracht zu ziehen ist. Dafür spricht, dass ein wesentliches Argument für die analoge Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO ist, dass eine die Doppelinanspruchnahme des Drittschuldners ermöglichende Rechtslage die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gezogene „Opfergrenze“ überschreiten kann. Allerdings ist bei der Bestimmung dieser Opfergrenze zu beachten, dass sich im Normalfall „nur“ die Interessen des Vollstreckungsschuldners, der auf Grund der ausländischen Vollstreckungsmaßnahme im Ausland von seiner Verbindlichkeit frei geworden ist und keine Inanspruchnahme durch den Vollstreckungsgläubiger mehr befürchten muss bzw. des zeitlich nachrangigen deutschen Vollstreckungsgläubigers auf der einen Seite und des durch die ausländische Pfändungsmaßnahme „unschuldig“ in die Auseinandersetzung zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger hineingezogenen Drittschuld1126
Urt. v. 03.11.1911 – Rev. VII. 150/11.
C. Eigener Ansatz
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ners auf der anderen Seite gegenüber stehen. Hier fällt die Abwägung klar und unproblematisch zu Gunsten des Drittschuldners aus, weil der Vollstreckungsschuldner, der durch die ausländische Pfändungsmaßnahme ja gegenüber seinem Gläubiger frei geworden ist bzw. der Vollstreckungsgläubiger, der mit seiner Pfändungsmaßnahme nach der Wertung des § 804 Abs. 3 ZPO zu spät gekommen ist, keine schützenswerte Rechtsposition inne haben und ihr gegen den Drittschuldner gerichtetes Leistungsbegehren grob ungerecht und sogar rechtsmissbräuchlich ist. Anders ist es aber, wenn sich die Interessen des nach der Wertung des § 804 Abs. 3 ZPO vorrangig berechtigten inlandsdomizilierten Vollstreckungsgläubigers und des Drittschuldners gegenüber stehen. Hier ist zwar der Drittschuldner immer noch in der „Opferposition“, aber diese ist dem vorrangig berechtigten Vollstreckungsgläubiger nicht zuzurechnen. Sie beruht vielmehr entweder auf einer Nachlässigkeit des Drittschuldners, der es versäumt hat, die vorrangige deutsche Pfändungsmaßnahme im ausländischen Vollstreckungsverfahren einzuwenden und sich gegen die Inanspruchnahme im Ausland zu Wehr zu setzen oder aber auf einer ungerechten Regelung im Vollstreckungsstaat. Im ersteren Falle ist der Drittschuldner ohnehin nicht schützenwert. Im letzteren Falle aber sind seine Interessen mit denen des inländischen Vollstreckungsgläubigers nahezu gleich schützenswert, so dass die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, den Interessen des Vollstreckungsgläubigers den Vorrang einzuräumen als eine mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip vertretbare Entscheidung gewertet werden muss. Dem Drittschuldner verbleiben als einziger „Trost“ Bereicherungsansprüche gegen den nachrangigen Vollstreckungsgläubiger, die ihm allerdings nur bei Bestehen einer deutschen internationalen Zuständigkeit für die Bereicherungsklage und inlandsbelegenem Vermögen dieses Vollstreckungsgläubigers weiterzuhelfen vermögen. Nach alledem kann dem Drittschuldner in dieser Konstellation nicht durch eine auf das Rechtsstaatsprinzip gestützte verfassungskonforme Einschränkung „geholfen“ werden. Sie ist mithin die einzige Konstellation, in der der Drittschuldner bei „richtiger“ Anwendung des deutschen Rechts einer realen Gefahr der Doppelinanspruchnahme ausgesetzt ist. IV. Zusammenfassung: Schlussfolgerungen aus den dargestellten Problemen der Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse für die Praxis 1. Die Frage, ob und inwieweit ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse Inlandswirkungen entfalten, ist nicht nur für inlandsdomizilierte Drittschuldner mit Auslandsvermögen, die bei Überziehung mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eine Doppelinanspruchnahme befürchten müssen, von Interesse. Vielmehr ist die Frage
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
für den Vollstreckungsgläubiger von elementarer taktischer Bedeutung. Hat er Inlandsvermögen, so wird er sich fragen, ob er sich infolge fehlender Inlandswirkung des ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Bereicherungsansprüchen des Drittschuldners ausgesetzt sieht und deswegen die Finger von der ausländischen Pfändungsmaßnahme lassen sollte. Hat der Drittschuldner beachtliches Inlandsvermögen, aber seinen Wohnsitz/Sitz im Ausland und ist die Auslandszustellung des inländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erkennbar schwerfällig und mühsam, so dass der Erfolg der Pfändungsmaßnahme zu scheitern droht (Rangverlust, zwischenzeitliche Verfügungen des Vollstreckungsschuldners), wird auch der inlandsdomizilierte Vollstreckungsgläubiger die Herbeiführung eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Inlandspfändung vorziehen, wenn er sich sicher sein kann, dass die ausländische Pfändungsmaßnahme im Inland (z. B. im Rahmen eines Einziehungsprozesses) anerkannt wird. 2. Die demnach aus „verfahrenstaktischer Sicht“ höchst bedeutsame Frage der Inlandswirkung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ist indes auf Grund der bis 1998 bestehenden Zustellungsprobleme weit von einer endgültigen Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entfernt. „Leading case“ ist insoweit eine Entscheidung des BAG, die den extremen Standpunkt einnimmt ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse seien grundsätzlich nicht anerkennungsfähig. Offen bleibt lediglich, ob das auch gilt, wenn es keine deutsche internationale Zuständigkeit für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gäbe. Neben dieser Auffassung gibt es ein ganzes Spektrum abweichender Meinungen, die vom anderen Extremstandpunkt, ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse seien auch ohne besondere Rechtsgrundlage stets anerkennungsfähig, ausgehend über vermittelnde Ansätze reicht, die die Anerkennungszuständigkeit durch den Rechtsgedanken des § 23 Satz 2 ZPO beschränken oder die Anerkennung von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 328 ZPO in analoger Anwendung abhängig machen wollen. Letztere Auffassung, die als einzige klar ausspricht, dass die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nur im Wege der Rechtsfortbildung begründet werden kann, entspricht der heute ganz h. M. in der Literatur. 3. Die bislang vertretenen Lösungsansätze halten einer kritischen Prüfung nicht stand. Das BAG stützt seine Auffassung von der grundsätzlichen Nichtanerkennbarkeit ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse darauf, dass es weder eine gesetzliche noch eine staatsvertragliche Rechtsgrundlage für eine solche Anerkennung gebe. Dies überzeugt allerdings nicht, weil das BAG die Möglichkeit der Rechtsfortbildung unbeachtet lässt und man
C. Eigener Ansatz
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aus dem Schweigen des Gesetzgebers allenfalls dann auf eine Rechtsfortbildungssperre schließen kann, wenn es sich um „beredtes Schweigen“ handelt. Es ist aber aus den Gesetzgebungsmaterialien zur ZPO nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ausschließen wollte. Auch aus § 802 ZPO kann man eine solche Rechtsfortbildungssperre nicht ableiten, da diese Regelung sich aus auf das inländische Vollstreckungsverfahren bezogenen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus nur auf das inländische Zuständigkeitsgefüge bezieht, nicht aber auf die internationale Zuständigkeit. Schließlich vermag auch die Erwägung des BAG, seine Auffassung sei rechtsstaatlich bedenkenfrei, weil der auslandsdomizilierte Vollstreckungsgläubiger seinen Titel gemäß §§ 722 f. ZPO für vollstreckbar erklären und im Inland pfänden könne, nicht zu überzeugen, da hierbei die rechtsstaatlich bedenkliche Gefahr des Doppelleistensmüssens des Drittschuldners völlig außer Acht gelassen wird. Die v. a. von Rosenbaum vertretene These, ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse seien auch ohne besondere Rechtsgrundlage grundsätzlich im Inland anzuerkennen, hält einer völkerrechtlichen Kontrolle nicht stand. Denn nach allgemeinem Völkerrecht entfaltet ein ausländischer Hoheitsakt nicht per se im Inland Rechtsfolgen, sondern erst dann, wenn er durch einen inländischen Transformationsakt bzw. einen Rechtsanwendungsbefehl in die inländische Rechtsordnung integriert worden ist. Die insbesondere vom RG und in der älteren Literatur vertretene Auffassung, ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse seien zwar grundsätzlich anerkennungsfähig, allerdings müsse die Anerkennungszuständigkeit mit Hilfe des Rechtsgedankens des § 23 Satz 2 ZPO beschränkt werden, basiert auf dem bereits im 1. Teil der Arbeit verworfenen Ansatz, Forderungen bzw. Rechte wiesen nach einem dem deutschen Recht zu Grunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken oder gar auf Grund völkerrechtlicher Vorgaben eine „Belegenheit“ auf. Dies wurde bereits ausführlich für die Entscheidungszuständigkeit widerlegt und gilt daher auch für die Anerkennungszuständigkeit nicht. Die derzeit wohl h. M. führt zu einer großzügigen Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und ist daher im Ergebnis zu begrüßen. Ihre Begründung bedarf indes der näheren Prüfung bzw. Absicherung, da sie entweder keine Rechtsgrundlage für die von ihr befürwortete Rechtsfortbildung anführt oder aber ohne weitere Prüfung der Berechtigung einer Analogie § 328 ZPO analog anwenden will. 4. Der eigene Ansatz geht davon aus, dass ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ex lege analog Art. 102 Abs. 1 EGInsO im Inland anzuerkennen sind.
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
Ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse können Inlandswirkungen nur über das prozessrechtliche Institut der Anerkennung entfalten, weil jegliche materiell-rechtliche Folgewirkung der Auslandspfändung stets von der entscheidenden Vorfrage der Geltung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Inland abhängt. Da es einerseits eine gesetzliche bzw. staatsvertragliche Rechtsgrundlage für die Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nicht gibt, andererseits aber auch mangels Eingreifens des § 802 ZPO und mangels entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens keine Rechtsfortbildungssperre existiert, kommt eine analoge Anwendung bestehender deutscher Anerkennungsnormen in Betracht. Am ehesten „einschlägig“ ist insoweit Art. 102 Abs. 1 EGInsO, weil diese Norm sich anders als § 328 ZPO und § 16a FGG mit der Anerkennung justizieller Akte aus dem Zwangsvollstreckungsverfahren befasst. Der Analogieschluss lässt sich damit legitimieren, dass die deutsche Rechtsordnung mit Art. 102 Abs. 1 EGInsO und dem Fehlen einer entsprechenden Regelung für das Verfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO ohne sachliche Rechtfertigung wesentlich Gleiches ungleich behandelt (Art. 3 Abs. 1 GG). Soweit Art. 102 Abs. 1 EGInsO nämlich Forderungen und Rechte des Insolvenzschuldners erfasst, werden inlandsdomizilierte Drittschuldner des Insolvenzschuldners durch die Vorschrift im Gegensatz zu den inlandsdomizilierten Drittschuldnern des Vollstreckungsschuldners im Einzelzwangsvollstreckungsverfahren vor Doppelinanspruchnahme effektiv geschützt. Für diese Ungleichbehandlung ist kein legitimer Grund ersichtlich. Die Tatsache, dass Art. 102 Abs. 1 EGInsO dem spezifisch insolvenzrechtlichen Ziel des Schutzes des Verfahrenszwecks „Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger“ bei Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung dient, stellt keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung dar. Denn eine Art. 102 Abs. 1 EGInsO entsprechende Norm für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse würde zum Schutz des für das Verfahren gemäß §§ 828 ff. ZPO prägenden Prioritätsprinzips beitragen. Aber auch wenn man dieser auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützten Argumentation nicht folgt, ist der Analogieschluss deshalb legitimiert, weil er zur Vermeidung einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips geboten ist. Eine solche Verletzung des Rechtsstaatsprinzips ergäbe sich nämlich bei fehlender Anerkennung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse daraus, dass inlandsdomizilierte Drittschuldner regelmäßig der Gefahr der Doppelinanspruchnahme ausgesetzt wären, was die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz markierte „Opfergrenze“ überschreiten würde. Dieser Gefahr der Doppelinanspruchnahme können mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogene Drittschuldner regelmäßig nicht mit den Mitteln des Bereicherungsrechts abwenden. Die insbesondere von Rheinstein vertretene These, der Drittschuldner, der be-
C. Eigener Ansatz
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reits auf einen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gezahlt habe, könne bei im Inland erfolgender Inanspruchnahme seitens des Vollstreckungsschuldners diesem die Bereicherungseinrede entgegenhalten, geht fehl. Es ist nämlich mit dem BGH und der h. M. in der Literatur davon auszugehen, dass der Drittschuldner, der auf einen nichtigen bzw. (damit identisch) nicht im Inland anerkannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zahlt, mit dieser Zahlung einen Kondiktionsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB) nur gegen den Vollstreckungsgläubiger, nicht aber gegen den Vollstreckungsschuldner erwirbt. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl die Überweisung zur Einziehung als auch die Überweisung an Zahlungs Statt die alleinige Empfangszuständigkeit des Vollstreckungsgläubigers bestimmen, so dass auch mit der Zahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger lediglich eine Leistungsbeziehung zwischen Vollstreckungsgläubiger und Drittschuldner begründet wird. Ein Anspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsschuldner wegen Befreiung von dessen Verbindlichkeit gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger mit Wirkung jedenfalls für das Gebiet des Vollstreckungsstaates (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB) scheidet ebenfalls aus, weil der Vollstreckungsschuldner durch die Zahlung für das Gebiet des Vollstreckungsstaates auch des Anspruchs gegen den Drittschuldner verlustig geht und daher entreichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). 5. Im einzelnen folgt aus der analogen Anwendung des Art. 102 Abs. 1 EGInsO, dass ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse anerkannt werden, wenn das ausländische Vollstreckungsorgan nach deutschem Recht international zuständig gewesen wäre (sogen. „Spiegelbildprinzip“) (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO) und der ausländische Pfändungsakt nicht gegen den deutschen Ordre public verstößt (Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Das Spiegelbildprinzip führt auf Grund der Weite des § 828 Abs. 2 ZPO zu einer großzügigen Anerkennungszuständigkeit. Der Zuständigkeitstatbestand des §§ 828 Abs. 2 Var. 2, 23 S. 1 ZPO ist in seiner spiegelbildlichen Anwendung mit Rücksicht auf den völkergewohnheitsrechtlich geltenden Genuine-Link-Grundsatz einschränkend auszulegen, wenn die Zuständigkeit auf von der zu pfändenden Forderung verschiedenes, im Vollstreckungsstaat belegenes Drittschuldnervermögen gestützt wird. Dann muss gewährleistet sein, dass die zu pfändende Forderung einen hinreichenden Bezug zum Vollstreckungsstaat aufweist. Ferner ist solchen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen die Anerkennung zu versagen, die gegen die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln des Immunitätsrechts verstoßen. Bei der Ordre-Public-Kontrolle ist darauf zu achten, dass der Begriff des Ordre-Public eng auszulegen ist und nur diejenigen grundlegenden Wertungen des deutschen Rechts erfasst, deren Nichtbeachtung zu einem unerträglichen Widerspruch zum deutschen Recht führt. Als ein der-
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3. Teil: Inlandswirkungen ausländischer Pfändungsbeschlüsse
artiger Ordre-public-Verstoß kommt im Ergebnis nur in Betracht, dass die Pfändung – gleich ob nach deutschem Internationalen Privatrecht deutsches oder ausländisches Sachrecht auf die zu pfändende Forderung bzw. das zu pfändende Recht anzuwenden ist – gegen besonders gewichtige Unpfändbarkeits- bzw. Pfändungsschutzbestimmungen des Zwangsvollstreckungsrechts verstößt. Dies ist bei Lohnpfändungen stets bei einer Unterschreitung des Schutzniveaus der §§ 850 a ff. ZPO zu bejahen und führt dann zu einer Teilanerkennung in der Höhe, die mit den Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 a ff. ZPO im Einklang steht. Sonstige Anerkennungsvoraussetzungen bzw. -hindernisse gibt es nicht. Insbesondere ist es ohne Belang, ob das ausländische Recht Gegenseitigkeit verbürgt, also deutsche Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse überhaupt oder im gleichen Umfang anerkennt. 6. Auf Grund der vorstehend entwickelten Lösung kann der inlandsdomizilierte Drittschuldner, der (auch) mit einem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überzogen worden ist, regelmäßig effektiv vor der Gefahr einer Doppelinanspruchnahme bewahrt werden. Einzig in der Konstellation der ausländischen Inanspruchnahme auf Grund eines nachrangigen ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses lässt sich dieses Risiko für den Fall, dass das Recht des Vollstreckungsstaates den deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht (als vorrangig) anerkennt, auf der Grundlage des geltenden deutschen Rechts nicht vermeiden.
Schlussbetrachtung und Ausblick Da in dieser Arbeit jedem größeren, zusammenhängenden Sinnabschnitt eine Zusammenfassung angefügt wurde, soll an dieser Stelle auf eine „Zusammenfassung der Zusammenfassungen“ verzichtet und statt dessen ein wertendes Resumee geliefert werden. Betrachtet man die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit aus der Perspektive eines in Deutschland domizilierten Vollstreckungsgläubigers, der in Forderungen bzw. Rechte seines Vollstreckungsschuldners mit Auslandsbezug vollstrecken will bzw. muss, so ergeben sich auf Grund der seit 1998 eingetretenen Entwicklungen auf dem Sektor des Zustellungsrechts interessante Vollstreckungsmöglichkeiten, die nur in seltenen Ausnahmefällen an völkerrechtlichen Hindernissen oder einer fehlenden internationalen Zuständigkeit der deutschen Vollstreckungsgerichte scheitern werden. Dennoch wird man dem Vollstreckungsgläubiger nicht pauschal raten können, von den ihm eingeräumten Möglichkeiten der internationalen Forderungsvollstreckung in der Bundesrepublik Gebrauch zu machen. Im Einzelnen: Ist der Drittschuldner (bzw. bei drittschuldnerlosen Rechten der Vollstreckungsschuldner) in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (derzeit noch: mit Ausnahme Dänemarks) oder einem „Nur-Vertragsstaat“ des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 01.03.1954 domiziliert, so kann der Vollstreckungsgläubiger ihm den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf dem Postweg zustellen lassen. Da die Anerkennung des deutschen Pfändungsakts im Ausland allerdings, wie die Rechtsprechung des BAG zeigt, höchst ungewiss ist, wird man dem Vollstreckungsgläubiger dennoch nur unter der Voraussetzung zu einem Pfändungsgesuch an ein deutsches Vollstreckungsgericht raten können, dass die deutschen Gerichte für das Einziehungsklageverfahren international zuständig sind. Soweit es sich bei dem Sitz-/Wohnsitzstaat des Drittschuldners um einen „Nur-HZPÜ-Vertragsstaat“ handelt, wird man wegen der Anerkennungsprobleme eines im deutschen Einziehungsklageverfahren erlassenen Urteils in diesem Staat sogar zusätzlich darauf achten müssen, dass der Drittschuldner vollstreckungstaugliches Inlandsvermögen besitzt. Wären die deutschen Gerichte für ein Einziehungsklageverfahren nicht international zuständig (EU-Mitgliedsstaat) und/oder fehlt es an vollstreckungstauglichem Inlandsvermögen des auslandsdomizilierten Drittschuldners („NurHZPÜ-Vertragsstaat“), so nützt die Möglichkeit der Zustellung des deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Postweg dem Vollstre-
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ckungsgläubiger herzlich wenig. Er wird vielmehr gut beraten sein, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung seines deutschen Vollstreckungstitels im Sitz-/Wohnsitzstaat des Drittschuldners zu betreiben und dort ein Pfändungsgesuch beim zuständigen Vollstreckungsorgan einzureichen. In den übrigen Fällen, in denen die Zustellung des deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in einen HZÜ-Vertragsstaat oder einen Staat erfolgen müsste, mit dem die Bundesrepublik Deutschland weder durch die EG-Verordnung noch durch ein völkervertragliches Rechtshilfeabkommen rechtshilferechtlich verbunden ist, gelten die vorstehenden Überlegungen zur Vorzugswürdigkeit der Vollstreckung im Wohnsitz-/Sitzstaat des Drittschuldners um so mehr. Hier kann man wegen der absehbaren Langatmigkeit des Zustellungsverfahrens dem Vollstreckungsgläubiger zu einer von Deutschland aus betriebenen Forderungspfändung nur raten, wenn zu der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für das Einziehungsklageverfahren und zu dem Vorhandensein vollstreckungstauglichen Drittschuldnervermögens in der Bundesrepublik entweder hinzukommt, dass der deutsche Vollstreckungstitel im Sitz-/Wohnsitzstaat des Drittschuldners voraussichtlich nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden würde und/ oder dass nicht damit zu rechnen ist, dass die von Deutschland aus betriebene Vollstreckung auf Grund Zeitablaufs vereitelt werden kann. Letzteres könnte man beispielsweise bei Lohnforderungen eines Vollstreckungsschuldners bejahen, der auf Grund seiner guten wirtschaftlichen Situation voraussichtlich keinen anderweitigen Pfändungsmaßnahmen ausgesetzt sein wird und lediglich aus Renitenz nicht an den Vollstreckungsgläubiger zahlt. Des weiteren stellt sich die Frage, was aus den vorstehenden Ergebnissen für die Beratung eines inlandsdomizilierten Drittschuldners folgt, der sowohl mit einem inländischen als auch mit einem ausländischen Pfändungsund Überweisungsbeschluss überzogen worden ist und nun vor der Frage steht, ob und an wen er zahlen soll. Betrachtet man die Ergebnisse aus dem 3. Teil der Arbeit, so scheint die Antwort auf der Hand zu liegen. Danach kann man dem Drittschuldner nämlich nur raten, an den deutschen Pfändungsgläubiger dann zu zahlen, wenn der deutsche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zeitlich vor dem ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam geworden ist und im umgekehrten Fall im deutschen Einziehungsklageverfahren fehlende Prozessführungsbefugnis bzw. Aktivlegitimation einzuwenden. Allerdings wird man sich mit diesem Rat schwer tun, da er immerhin im Widerspruch zur bislang einzigen höchstrichterlichen Entscheidung zu dieser Problematik steht, die zu dem Ergebnis kommt, dass der ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschluss grundsätzlich nicht anzuerkennen ist und der Drittschuldner in aller Regel an den deutschen Vollstreckungsgläubiger zu zahlen hat. Dennoch ist es wohl nicht vermessen, dem Drittschuldner, der sich in der unersprießlichen
Schlussbetrachtung und Ausblick
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Lage befindet, mit einem ausländischen und einem zeitlich danach wirksam gewordenen deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder einem inländischen Leistungsklageverfahren des Vollstreckungsschuldners überzogen geworden zu sein, dazu zu raten, nicht „kampflos“ aufzugeben. Denn, wiewohl man mit dieser Wertung sehr vorsichtig sein sollte, muss man die Entscheidung des BAG zur grundsätzlichen Nichtanerkennungsfähigkeit ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse doch wohl als unvertretbare Fehlentscheidung qualifizieren, so dass gewisse Aussichten bestehen, dass man die Gerichte – zumal anderer Gerichtsbarkeiten – von der Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung überzeugen kann. Aber selbst wenn die Rechtsprechung zu einer großzügigen Anerkennungslösung auf der Basis richterrechtlicher Rechtsfortbildung bereit sein sollte, bleibt die Rechtslage unbefriedigend. Denn auch eine großzügige Anerkennung analog Art. 102 EGInsO vermag dem Drittschuldner nicht zu helfen, wenn er im Ausland zeitlich nach dem Wirksamwerden eines deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit einem weiteren Pfändungsund Überweisungsbeschluss überzogen wird und der ausländische Staat den deutschen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht anerkennt. Diese für den Drittschuldner latente Gefahr des Doppelleistenmüssens, die das deutsche Recht allenfalls durch Bereicherungsansprüche gegen den ausländischen Vollstreckungsgläubiger abmildern kann, ist unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten unerträglich. Es ist aber unvermeidbar, so lange die Staaten der Welt kein aufeinander abgestimmtes, geschlossenes System von Zuständigkeit und Anerkennung von Forderungsvollstreckungsmaßnahmen vorsehen. Man muss kein Pessimist sein, wenn man prognostiziert, dass ein solches völkervertraglich organisiertes weltweites System auch mittelfristig nicht in Sicht ist. Anders liegt es aber in der Europäischen Union. Hier wiegt die latente Gefahr des Doppelleistenmüssens des Drittschuldners auf Grund der politisch gewünschten zunehmenden Verflechtung der Volkswirtschaften im Binnenmarkt besonders schwer und vermag den Drittschuldner in der Ausübung seiner Grundfreiheiten erheblich zu beeinträchtigen. Zugleich wäre aber die Herbeiführung eines aufeinander abgestimmten, geschlossenen Systems von Zuständigkeit und Anerkennung von Rechts- bzw. Forderungsvollstreckungsmaßnahmen im Europäischen Justizraum – ein entsprechendes Problembewusstsein und einen entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt – auch kurzfristig möglich. Daher ist die derzeitige Rechtslage mit ihrer durch die EG – Zustellungsverordnung gewachsenen Gefahr der Doppelinanspruchnahme des Drittschuldners für den Europäischen Justizraum rechtspolitisch nicht akzetabel. Das rechtspolitische Ergebnis dieser Arbeit ist demnach, dass Europa dringend ein gemeinschaftsrechtlich geregeltes, geschlossenes System von Zuständigkeit und Anerkennung von Rechts- bzw. Forderungsvollstreckungsmaßnahmen braucht.
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Sachverzeichnis Abgrenzung – Deutsche Gerichtsbarkeit/Internationale Zuständigkeit 24 – materielles Recht/Verfahrensrecht 240, 249 – Öffentliches Recht/Privatrecht 247, 284 Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29.05.1933 40 Aktivlegitimation 340, 350, 366 allgemeine Regeln des Völkerrechts 23 Anerkennung – ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse 363 – fremder Hoheitsakte 349 Anerkennungszuständigkeit 374, 384 Anfechtung des Immunitätsverzichts 131 Anwendungsbereich der EG – Zustellungsverordnung 282 Auslandszustellung 276, 286, 288, 300, 304, 315 Auslegung von Völkergewohnheitsrecht 67, 75, 107, 183 ausschließliche internationale Zuständigkeit 346 Befehlsgewalt 160, 162, 164, 166 befreiende Schuldübernahme 223 Beginn der Zwangsvollstreckung 57, 65 Belegenheit von Forderungen/Rechten 171, 207, 210, 221, 230, 338, 342, 385 Bereicherungsrecht 351, 387 Beweislast – für das Rechtsschutzinteresse 265
– für das Vorliegen von Vollstreckungsimmunität 77, 82 Beweismaß für den Nachweis der Vollstreckungsimmunität 85 Beweisnähe 193 Botschaftskonto 65 Botschaftskontobeschluss des Bundesverfassungsgerichts 54, 69, 81, 83, 85, 101, 106 Briefhypothek 172, 178 Brüsseler Konvention zur Einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10.04.1926 40 Bürgschaft 194 Buchhypothek/Buchgrundschuld 176, 178, 215, 233 Denkschrift 328 deutsch-britischer Rechtshilfevertrag vom 20.03.1928 313 deutsche Gerichtsbarkeit 22, 31, 37, 43, 145, 167, 176, 200, 211, 277 diplomatische Zustellung 289, 328 Direktzustellung 292, 309 Doppelcharakter der Immunität 110 Drittschuldnerauskunft 139, 163, 246 Drittschuldnerimmunität 48, 135, 321, 326 Drittschuldnerlose Rechte 195, 275, 279 Drittschuldnerschutz 245 Drittschuldnerverbot 136, 161, 162 effektiver Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren 80, 84, 95, 102, 106, 202, 238, 318, 372
Sachverzeichnis EG – VO Nr. 1346/2000 vom 29.05.2000 über das Insolvenzverfahren 180 – VO Nr. 1348/2000 vom 29.05.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen 281, 282 – VO Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 204, 217, 221, 228 eidesstattliche Versicherung 56, 58 Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung 341, 351, 387 Einziehungsklageverfahren 140, 193, 226, 340, 350, 360, 382, 389 Einziehungsrecht 354, 357, 364 Empfangsstelle 289 Erbscheinsverfahren 243 Erfüllungsort 167, 193, 198, 222 Ersatzzustellung 315 Exequaturverfahren 155, 201 extraterritoriale Anwendung von Staatsgewalt 150, 151 extraterritoriale Jurisdiktion 151, 161, 164, 168, 181 fiktive Inlandszustellung 301 folgenorientierte Auslegung 244 Formalisierung der Zwangsvollstrekkung 103, 238, 330 funktionell begründete Immunität 106, 110, 114, 117, 125, 141, 322 funktionelle Zuständigkeit – für die Auslandszustellung 301 – für die Auslandszustellung unmittelbar durch die Post 295, 312, 314 – für den Erlass des Zustellungsersuchens 291, 306 Gebietshoheit 63, 168, 349 Gebot der Vermeidung völkerrechtswidriger Hoheitsakte 95
405
Gegenseitigkeitsprinzip 208, 209, 309, 381, 388 Gehörsgrundrecht 297, 316 Geltungsbereich staatlicher Hoheitsakte 147, 150, 164, 168, 170, 198 genuine-link-Erfordernis 152, 183, 184, 230 Gerichtsgewalt 31 Gerichtshoheit 59, 278 Gerichtsstand des Vermögens 154, 186, 217 Glaubhaftmachung 55 Grundpfandrechte 175, 196, 212 Grundsatz – der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren 370, 386 – der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung 94, 103 Haager Übereinkommen – über den Zivilprozess vom 01.03.1954 303, 389 – über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 303 hypothekarisch gesicherte Forderungen 194, 275 Immaterialgüterrechte 175, 196, 208, 212, 233, 275 Immunität – ratione materiae 110 – ratione personae 51, 110, 324 – rechtlich selbständiger Gebilde 109 Immunitätsverzicht 46, 56, 84, 98, 120 Inlandsbezug von Forderungen/Rechten 192, 211 Inlandswirkungen ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse 335 Inlandszustellung 276 Interessentheorie 248
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Sachverzeichnis
Interventionsverbot 60, 62, 85, 107, 108, 118, 157 in dubio pro immunitate 82 in dubio pro jurisdictione 82 internationale Zuständigkeit 31, 145, 154, 184, 200, 204, 232, 337, 383 internationales Insolvenzrecht 179 internationales Steuerrecht 183 Justizgewähranspruch 80, 132, 203, 264, 267 Justizhoheitsakte im Dienste der Privatrechtspflege 179, 182 Kahlpfändung 237, 245 Kernbereich der Staatsgewalt 102 konsularische Zustellung 289, 308 Kosten des Pfändungsverfahrens 270 Lehre – vom abgeschwächten Territorialitätsprinzip 149, 150, 169, 178 – vom strengen Territorialitätsprinzip 146, 148, 150 – von der absoluten Vollstreckungsimmunität 43, 50, 148 – von der funktionell begründeten Immunität 52, 106, 110, 114, 117, 125, 141, 322 – von der relativen Vollstreckungsimmunität 51, 56, 109 – von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit 211 lex-fori-Regel 235, 240, 257 Lokalisierungsgrundsatz 221 Lotus-Entscheidung des StIGH 149, 157 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 146, 204, 217, 221, 228 Methode der funktionalen Qualifikation von Rechtsnormen 244
Methodenlehre der Völkerrechtswissenschaft 67 ministerieller Verkehr 289, 305 Mixed-Accounts-Problematik 108, 117 National-Iranian-Oil-Company-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes 60, 81, 84 Nato Truppenstatut vom 19.06.1951 47, 135, 326, 329 negativer Freiheitssatz 150 Nicht-Partei 316, 323 Nießbrauch 255, 262 notarielle Urkunde 44, 59, 126, 142 Objektimmunität 111, 120 öffentliche Register 176, 215, 233 offentliche Zustellung 278, 316, 327, 328, 329 – an Diplomaten 325, 328 Ordre public – materiell-rechtlicher 241 – rechtshilferechtlicher 306, 308, 328 – verfahrensrechtlicher 376 Parteizustellung 289, 291, 298 passive Zustellungshilfe 315 Personalitätsprinzip 148, 151 Pfändbarkeitsbeschränkungen 233, 236, 257 Pfändbarkeitsbestimmungen 233, 240, 249 Pfändungserweiterungen 233, 239, 257 Pfändungspfandrecht 365, 368 Pflichtteilsanspruch 244, 254 Prinzip – der Formalisierung der Zwangsvollstreckung 103, 238, 330 – der untersten Grenze 54, 68, 74, 84 Prioritätsprinzip 367, 371, 382, 386 Prozessführungsbefugnis 340, 350, 366 Prozessimmunität 38, 140 Prozessrechtslehre 88, 263 Prozessvergleich 44, 126, 142
Sachverzeichnis Prozesszwecke 266 Prüfungsreihenfolge Gerichtsbarkeit/internationale Zuständigkeit 32 Qualifikationsstatut für die Bestimmung der Vollstreckungsimmunität 62, 100 räumliche Immunität 324 Rechtsberatung in internationalen Forderungspfändungsverfahren 141, 389 Rechtsfortbildung 96, 188, 209, 213, 343, 344, 362, 382, 384 Rechtshilfe 278, 288, 305, Rechtshilfeordnung in Zivilsachen 277, 305, 306, 308, 328 Rechtspolitik 391 Rechtsprechungsgewalt 31, 128 Rechtsschutzinteresse 208, 262, 329 Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Vollstreckungsimmunität und Gerichtsbarkeit 77 Regelungsbereich staatlicher Hoheitsakte 147, 150, 164, 169, 198 Rogationsprinzip 288, 292, 305 rügelose Einlassung 98, 193 Sozialstaatsprinzip 237 Spiegelbildprinzip 374, 387 Staatenimmunität 49 substantiierte Darlegung des Vorliegens von Vollstreckungsimmunität 85, 108, 118 territorial gebundene Vermögensrechte 175, 194, 196, 198, 208, 212, 214, 233, 262, 269, 273 Territorialitätsprinzip 50, 145, 175, 197, 212, 230 Übermittlungsstelle 289 Übersetzung zuzustellender Schriftstücke – im Anwendungsbereich der EG-Zustellungsverordnung 290, 296
407
– im Anwendungsbereich des HZÜ 307 – im Anwendungsbereich des HZPÜ 309 Universalitätsprinzip 180 unmittelbarer Zustellungsverkehr 289 Urheberpersönlichkeitsrecht 257 Urheberrecht 256 Verbot des Setzens von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet 64, 75, 150, 152, 160, 173, 196 Verfahrensgegenstand des Vollstrekkungsverfahrens 156, 184, 195, 283 Verfahrenshindernis 88 Verfahrenskollisionsrecht 207, 212 vertragsloser Rechtshilfeverkehr 314 Verwaltungsakt 138 Völkergewohnheitsrecht (Feststellung und Auslegung) 67 völkerrechtskonforme Auslegung 187 Völkerrechtstheorie 70 Vollstreckungsgewalt 31, 128 Vollstreckungsimmunität 37, 43, 45, 47, 49, 66, 135 – der Zentralbanken 117 – juristischer Personen des öffentlichen Rechts 115 – von Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit 112 Vollstreckungsrechtsverhältnis 246 Vollstreckungsschutz 237 Vollstreckungsunterwerfungserklärung 127 Währungspolitik 119 Wertpapiere 173 wesenseigene internationale Unzuständigkeit 211 Wesentlichkeitstheorie 216 Widerruf des Immunitätsverzichts 131 Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.04. 1961 45, 324
408 Wiener Vertragsrechtskonvention 312
Sachverzeichnis 310,
Zentralbanken 117 Zugewinnausgleichsanspruch 254 Zustellung – als Hoheitsakt 320 – an Immunitätsträger 320, 322 – des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner 161, 278, 316, 321 – des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner 165, 278, 301, 322
– durch Aufgabe zur Post 276, 278, 300 – durch Parteiauftrag an das ausländische Zustellungsorgan 298, 312 – im Pfändungsverfahren 275 – unmittelbar durch die Post 280, 292, 309, 310, 313 Zustellungsreformgesetz 2002 281
vom
01.07.
Zwangsvollstreckung zur Erwirkung vertretbarer Handlungen 167 Zwei-Elemente-Lehre 68, 78