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German Pages 3016 Year 2021
Graf-Schlicker (Hrsg.) Insolvenzordnung
InsO Kommentar zur Insolvenzordnung 6. Auflage
Herausgegeben von Ministerialdirektorin a. D. Marie Luise Graf-Schlicker, Berlin
Bearbeitet von Alexander Bornemann, Dr. Bettina E. Breitenbücher, Michael Bremen, Dr. Klaus-Peter Busch, Ben Dany, M.A., Marie Luise Graf-Schlicker, Konstantin Handschumacher, LL.M., Dr. Matthias Hofmann, Prof. Dr. Michael Huber, Dr. Frank Kebekus, Thomas Kexel, Alexander Kubusch, Marc D. Lienau, Prof. Dr. Anette U. Neußner, LL.M., Dr. Uwe Paul, Frank Pollmächer, Ernst Riedel, Dr. Benjamin Webel, Sylvia Wipperfürth, LL.M.
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG · Köln
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Vorwort Erst Anfang 2020 ist die 5. Auflage dieses Kommentars erschienen. Das Insolvenzrecht hat sich aber in der Zwischenzeit mit großen Schritten weiterentwickelt und ist auch von der COVID-19-Pandemie nicht unberührt geblieben. Die Neuauflage soll in bewährt übersichtlicher, kompakter Form einen schnellen Einstieg in die zahlreichen Gesetzesänderungen ermöglichen. Mit zwei umfangreichen Gesetzen wurden die Vorgaben der „Richtlinie (EU) 2019/ 1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), vorzeitig in innerdeutsches Recht umgesetzt. Den Mitgliedstaaten der Europäischen Union war dafür in Art. 34 dieser Richtlinie im Wesentlichen eine Frist bis 17.7.2021 eingeräumt worden. Das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, 3328), das im Wesentlichen rückwirkend zum 1.10.2021 in Kraft getreten ist, setzt in seinem Kern die Vorgaben der Richtlinie zur Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase auf drei Jahre ohne gesetzliche Mindestquote um, beschränkt diese Verkürzung jedoch nicht auf Selbständige, sondern bezieht auch die Verbraucherinnen und Verbraucher ein. Gegenstand des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), vom 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, ist – entsprechend den Vorgaben der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz – zunächst die Schaffung eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens im Vorfeld der Insolvenz. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse der Evaluierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch die Forschergemeinschaft, bestehend aus Prof. Dr. Jacoby, Prof. Dr. Madaus, Prof. Dr. Sack, H. Schmidt und Prof. Dr. Thole, die ihren Bericht am 30.4.2018 vorgelegt hat, zum Anlass genommen, vor allem die Vorschriften zur Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren grundlegend umzugestalten und den Zugang dazu gegenüber der alten Rechtslage erheblich zu erschweren. Die neuen Anforderungen an die Eigenverwaltung gelten im Jahre 2021 aber nicht für Unternehmen, die durch die COVID-19-Pandemie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Das Gesetz enthält ferner Änderungen zu den Insolvenzgründen und überführt die bisher in den gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen geregelten Zahlungsverbote von Geschäftsleitern in die Insolvenzordnung. Schließlich werden auch die insolvenzrechtlichen Vergütungsvorschriften angepasst. Das Werk bietet einen strukturierten Überblick über das Nebeneinander von alten und neuen Vorschriften unter Einbeziehung der COVID-19-Regelungen und stellt den Kommentierungen für eine schnelle Einarbeitung in die neue Rechtslage zum
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Vorwort Teil grundlegende einführende Vorbemerkungen voran. Die neuen Regelungen, die viel Stoff für weitere Diskussionen bieten, werden erläutert und einer ersten Bewertung unterzogen. Wie gewohnt, sind auch die neue Rechtsprechung seit dem letzten Erscheinen des Kommentars und die sehr umfangreichen Literaturmeinungen im praktisch bedeutsamen Umfang in die Bearbeitung einbezogen worden. Zugleich werden bei den relevanten Vorschriften bereits künftige Änderungen durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (PfändungsschutzkontoFortentwicklungsgesetz – PKoFoG), die im Wesentlichen zum 1.12.2021 in Kraft treten, sowie durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG), die im Wesentlichen am 1.1.2022 in Kraft treten, in den Blick genommen. Der Kommentar ist gedruckt sowie elektronisch (Datenbank oder E-Book) erhältlich. Er steht auch unter www.juris.de und https://beck-online.beck.de zur Verfügung, sofern ein entsprechender Zugang zu diesen Informationssystemen besteht. Aus dem Team der Bearbeiterinnen und Bearbeiter sind leider Hans Werner Castrup, Oliver Sabel, Claudia Steh, Rudolf Voß und Marcus Wehler ausgeschieden. Ihnen gilt mein besonderer Dank für die langjährige gute, fruchtbare Zusammenarbeit. Es freut mich sehr, dass sich drei ausgewiesene Praktikerinnen und Praktiker bereit erklärt haben, neu in dem Kommentierungsteam mitzuwirken: Rechtsanwalt Konstantin Handschuhmacher, LL.M., Weiterer aufsichtsführender Richter am Amtsgericht Frank Pollmächer und Dipl.-Rechtspflegerin Sylvia Wipperfürth, LL.M. Ganz besonders herzlich danke ich Frau Rechtsanwältin Iris Theves-Telyakar und Herrn Rechtsanwalt Markus J. Sauerwald, die das Autorenteam seit vielen Jahren verlagsseitig ausgezeichnet motivieren und betreuen. Ohne ihre hervorragende Begleitung hätte diese Auflage so zeitnah nicht erscheinen können. Berlin, im September 2021
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Marie Luise Graf-Schlicker
Inhaltsübersicht Seite Vorwort ....................................................................................................................... V Bearbeiterverzeichnis ............................................................................................... XI Literaturverzeichnis ................................................................................................ XV Kommentierung InsO Erster Teil
Allgemeine Vorschriften (§§ 1 – 10a) .................................... 1
Zweiter Teil
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Erfaßtes Vermögen und Verfahrensbeteiligte (§§ 11 – 79) ............................................................................ Eröffnungsvoraussetzungen und Eröffnungsverfahren (§§ 11 – 34) ........................................................... Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger (§§ 35 – 55) .................................. Insolvenzverwalter. Organe der Gläubiger (§§ 56 – 79) ......................................
Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Dritter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Vierter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Fünfter Teil
107 107 359 554
Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 80 – 147) ...................................................... 715 Allgemeine Wirkungen (§§ 80 – 102) .................................. 715 Erfüllung der Rechtsgeschäfte. Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 – 128) ....................... 843 Insolvenzanfechtung (§§ 129 – 147) .................................. 1036 Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse (§§ 148 – 173) ........................................................... Sicherung der Insolvenzmasse (§§ 148 – 155) ................... Entscheidung über die Verwertung (§§ 156 – 164) ............ Gegenstände mit Absonderungsrechten (§§ 165 – 173) ......................................................................
1301 1301 1346 1365
Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt
Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Einstellung des Verfahrens (§§ 174 – 216) ...................... 1395 Feststellung der Forderungen (§§ 174 – 186) .................... 1395 Verteilung (§§ 187 – 206) ................................................... 1474 Einstellung des Verfahrens (§§ 207 – 216) ........................ 1516
Sechster Teil Erster Abschnitt
Insolvenzplan (§§ 217 – 269) ............................................ 1561 Aufstellung des Plans (§§ 217 – 234) ................................. 1561
VII
Inhaltsübersicht Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Siebter Teil
Annahme und Bestätigung des Plans (§§ 235 – 253) ...................................................................... 1596 Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung (§§ 254 – 269) ............... 1623
Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt
Koordinierung der Verfahren von Schuldnern, die derselben Unternehmensgruppe angehören (§§ 269a – 269i) ................................................................... 1649 Allgemeine Bestimmungen (§§ 269a– 269c) ..................... 1649 Koordinationsverfahren (§§ 269d– 269i) .......................... 1663
Achter Teil
Eigenverwaltung (§§ 270 – 285) ....................................... 1681
Neunter Teil
Restschuldbefreiung (§§ 286 – 303a) ............................... 1831
Zehnter Teil
Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 – 314) .............. 1961
Elfter Teil
Besondere Arten des Insolvenzverfahrens (§§ 315 – 334) ...................................................................... Nachlaßinsolvenzverfahren (§§ 315 – 331) ....................... Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 332) ........................ Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (§§ 333 – 334) ......................................................................
Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt
Zwölfter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Dreizehnter Teil
Internationales Insolvenzrecht (§§ 335 – 358) ............... Allgemeine Vorschriften (§§ 335 – 342) ............................ Ausländisches Insolvenzverfahren (§§ 343 – 353) ............ Partikularverfahren über das Insolvenzvermögen (§§ 354 – 358) ......................................................................
2037 2037 2069
2071 2075 2075 2123 2135
Inkrafttreten (§ 359) ......................................................... 2141
Anhang §§ 270–285 a. F. .................................................................. 2143 Kommentierung EuInsVO Kapitel I Kapitel II Kapitel III Kapitel IV
VIII
Vorbemerkung ................................................................... Allgemeine Bestimmungen (Art. 1 – 18) ........................... Anerkennung der Insolvenzverfahren (Art. 19 – 33) ....................................................................... Sekundärinsolvenzverfahren (Art. 34 – 52) ....................... Unterrichtung der Gläubiger und Anmeldung ihrer Forderungen (Art. 53 – 55) .......................................
2243 2268 2431 2475 2582
Inhaltsübersicht Kapitel V
Abschnitt 1 Abschnitt 2 Kapitel VI Kapitel VII Anhang
Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe (Art. 56 – 77) ....................................................................... Zusammenarbeit und Kommunikation (Art. 56 – 60) ....................................................................... Koordinierung (Art. 61 – 77) ............................................. Datenschutz (Art. 78 – 83) ................................................. Übergangs- und Schlussbestimmungen (Art. 84 – 92) ....................................................................... Erwägungsgründe ............................................................... Anhang A – D der EuInsVO ..............................................
2599 2599 2641 2711 2722 2737 2755
Kommentierung InsVV Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt
Dritter Abschnitt Vierter Abschnitt Fünfter Abschnitt
Vorbemerkung ................................................................... Vergütung des Insolvenzverwalters (§§ 1 – 9) .................. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 10 – 13) .................... Vergütung des Treuhänders nach § 293 der Insolvenzordnung (§§ 14 – 16) .......................................... Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§§ 17 – 18) .......................................................................... Übergangs- und Schlußvorschriften (§§ 19 – 20) .............
2769 2771
2837 2867 2876 2883
Stichwortverzeichnis ........................................................................................... 2889
IX
Bearbeiterverzeichnis Alexander Bornemann ................................................................................. § 104 InsO Ministerialrat §§ 269a – 269i InsO Bundesministerium der Justiz §§ 335 – 359 InsO und für Verbraucherschutz, Art. 1 – 23 EuInsVO Berlin Art. 31 – 52 EuInsVO Art. 56 – 77 EuInsVO/Art. 102c EGInsO Dr. Bettina E. Breitenbücher ................................................................ §§ 87 – 90 InsO Rechtsanwältin, FAinInsR, § 103, §§ 105 – 112 InsO Breitenbücher Rechtsanwälte, § 155 InsO Dresden Lehrbeauftragte an der Hochschule Nürtingen-Geislingen Michael Bremen ................................................................................... §§ 15a – 19 InsO Rechtsanwalt, § 38, § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 4, Abs. 3 InsO FAInsR/FAArbR, vereidigter Buchprüfer, §§ 47 – 55 InsO PLUTA Rechtsanwalts GmbH, Düsseldorf Dr. Klaus-Peter Busch .................................................................................... § 83 InsO Richter am Amtsgericht Detmold a. D. §§ 315 – 334 InsO Dozent an der Hagen Law School Ben Dany, M.A. ......................................................................... Art. 53 – 55 EuInsVO Regierungsdirektor Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin Marie Luise Graf-Schlicker .............................................. §§ 3a – 3e, § 13a, § 22a InsO Ministerialdirektorin a. D. §§ 30 – 37, §§ 56 – 57 InsO Bundesministerium der Justiz §§ 100 – 101 InsO und für Verbraucherschutz, §§ 156 – 158 InsO Berlin §§ 174 – 186 InsO §§ 269a – 269i, §§ 270 – 285 InsO Anhang §§ 270 – 285 a. F. InsO Art. 24 – 30 EuInsVO Art. 78 – 92 EuInsVO/Art. 102c EGInsO Konstantin Handschumacher, LL.M. (Kapstadt) ...................................... § 210a InsO Rechtsanwalt §§ 217 – 269 InsO Kebekus et Zimmermann, Düsseldorf XI
Bearbeiterverzeichnis Dr. Matthias Hofmann ......................................................................... §§ 91 – 96 InsO Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt, FAInsR §§ 159 – 173 InsO Pohlmann Hofmann Insolvenzverwalter, Rechtsanwälte Partnerschaft, München, Augsburg, Ulm Prof. Dr. Michael Huber ................................................................... §§ 129 – 134 InsO Präsident des Landgerichts Passau a. D. §§ 136 – 142 InsO Honorarprofessor an der Universität Passau § 143 Abs. 1 – 2 InsO §§ 144 – 147 InsO Dr. Frank Kebekus ............................................................... § 210a, §§ 217 – 269 InsO Rechtsanwalt, FAInsR Kebekus et Zimmermann, Düsseldorf Thomas Kexel .......................................................... §§ 1 – 3, §§ 4 – 13, §§ 14 – 15 InsO Ministerialdirigent §§ 30 – 37, 40 InsO Ministerium der Justiz des §§ 286 – 303a InsO Landes Nordrhein-Westfalen, §§ 311 – 314 InsO Düsseldorf Alexander Kubusch ................................................................................ §§ 67 – 72 InsO Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt, §§ 113 – 128 InsO FAInsR/FA Handels- und Gesellschaftsrecht, §§ 148 – 154 InsO Curator AG Insolvenzverwaltungen, München, Nürnberg, Köln Marc D. Lienau ................................................................... §§ 20 – 22, §§ 23 – 29 InsO Ministerialrat §§ 41 – 44, §§ 45 – 46 InsO Ministerium für Justiz und Gleichstellung §§ 97 – 99 InsO des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg § 102 InsO
Prof. Dr. Anette U. Neußner, LL.M. oec. (Jena) ...... § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, 4, 5 InsO Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin § 44a InsO Breitenbücher Rechtsanwälte, § 135 InsO Erfurt § 143 Abs. 3 InsO Honorarprofessorin an der Universität Erfurt Dr. Uwe Paul ................................................. Steuerrechtliche Kommentierungen zu Rechtsanwalt, FAStR § 3, § 4, § 14, § 35, § 41, § 55 InsO PLUTA Rechtsanwalts GmbH, Vor §§ 60, 61, § 80, §§ 82 – 83, § 93 InsO Düsseldorf § 97, § 143, §§ 165 – 166 InsO § 200, § 203, § 225a, § 254, § 270 InsO § 294, § 301, Vor §§ 315 – 331 InsO XII
Bearbeiterverzeichnis Frank Pollmächer .............................................................................. §§ 304 – 310 InsO Richter am Amtsgericht Düsseldorf Weiterer aufsichtsführender Richter Abteilungsleiter des Insolvenz- und Restrukturierungsgerichts Düsseldorf Ernst Riedel .................................................................................................... § 66 InsO Dipl.-Rechtspfleger (FH) §§ 187 – 210 InsO Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern §§ 211 – 216 InsO Dr. Benjamin Webel ............................................................ §§ 58 – 59, §§ 60 – 62 InsO Richter am Amtsgericht Ulm §§ 80 – 82, §§ 84 – 86 InsO
Sylvia Wipperfürth, LL.M. (com.) ...................................... §§ 63 – 65, §§ 73 – 79 InsO Dipl.-Rechtspflegerin §§ 1 – 20 InsVV Mediatorin BM®
XIII
Literaturverzeichnis Themenspezifische Fachliteratur, Zeitschriften- und Festschriftbeiträge sind in den Literaturübersichten zu Beginn der Kommentierungen aufgeführt.
Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2020 (zit.: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Bearbeiter, InsR) Altmeppen, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG, Kommentar, 10. Aufl. 2021 Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, Kommentar, 4. Aufl. 2018 (zit.: Andres/Leithaus-Bearbeiter, InsO) Arnold/Meyer-Stolte/Rellermeyer/Hintzen/Manfred, RPflG, Kommentar, 8. Aufl. 2015 (zit.: Bearbeiter in: Arnold/Meyer-Stolte/u. a.) Ascheid/Preis/Schmidt, I., Kündigungsrecht, Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 6. Aufl. 2021 Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, Kommentar, 7. Aufl. 2019 (zit.: Bearbeiter in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht) Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 39. Aufl. 2020 Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, 22. Aufl. 2019 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 79. Aufl. 2021 Beck/Samm/Kokemoor, Kreditwesengesetz und CRR, Kommentar, Loseblatt, 216. EL 2020 Beck’scher Online-Kommentar InsO, hrsg. v. Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Ed. 15 Stand: 15.7.2021 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-InsO) Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl. 2017 Blersch/Goetsch/Haas, Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Loseblatt, 73. EL 9/2020 (zit.: InsR) von Boehmer, (Deutsches) Internationales Insolvenzrecht im Umbruch, 2006 Bork, Sanierungsrecht in Deutschland und England, 2011 Bork, Zahlungsverkehr in der Insolvenz, 2002 (zit.: Zahlungsverkehr) Bork/Mangano, European Cross-Border Insolvency Law, 2016 (zit.: Bearbeiter in: Bork/Mangano, European Cross-Border Insolvency Law) Bork/Thole, Die Verwalterauswahl, Gerichtliche Informationsgewinnung, Qualitätsmessung und der Einfluss von Zertifizierungen, 2018 (zit.: Bork/Thole, Die Verwalterauswahl) Bork/van Zwieten, Commentary on the European Insolvency Regulation, 2016 (zit.: Bork/van Zwieten-Bearbeiter, EIR)
XV
Literaturverzeichnis Braun, Insolvenzordnung, Kommentar, 8. Aufl. 2020 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, Grundlagen, Gestaltungsmöglichkeiten, Sanierung mit der Insolvenzordnung, 1997 (zit.: Unternehmensinsolvenzen) Breitenbücher, Masseunzulänglichkeit, Eine Analyse zu Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzmasse, 2017 Brinkmann, European Insolvency Regulation, 2019 (zit.: EIR) Brünkmans, Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht, 2009 Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, 2. Aufl. 2020 Busch, Die Haftung des Erben, 2008 Dammann/Sénéchal, Le droit de l’insolvabilité internationale, 2018 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2017 Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997 Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 9. Aufl. 2020 Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzordnung, Kommentar, 2002 Ebke/Seagon/Piekenbrock, Überschuldung: Quo vadis?, 2020 Eckhardt, Die Anfechtungsklage wegen Gläubigerbenachteiligung, 1994 (zit.: Gläubigerbenachteiligung) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, hrsg. v. Müller-Glöge/Preis/Schmidt, I., 21. Aufl. 2021 (zit.: Bearbeiter in: ErfKomm-ArbR) Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, 2014 Flöther, Konzerninsolvenzrecht, Handbuch, 2. Aufl. 2018 Flöther, Sanierungsrecht, 2019 Flöther, StaRUG, Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, Kommentar, 2021 Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, 2. Aufl. 2012 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2010 (zit.: Bearbeiter in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR) Gerhardt, Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung, 1969 (zit.: Gläubigeranfechtung) v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. 2002 (zit.: Kapitalersatzrecht) Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht – Die Abstimmung von Haupt- und Sekundärverfahren nach der EuInsVO, 2010 Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009 (zit.: MoMiG) XVI
Literaturverzeichnis Goette/Habersack, Eigenkapitalersatzrecht, 2. Aufl. 2001 Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG und das Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, RWS-Skript 317, 6. Aufl. 2010 (zit.: Gesellschafterfinanzierung) Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997 Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020 (zit.: Gottwald/Haas-Bearbeiter, InsR-Hdb.) Graeber/Graeber, InsVV, Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung, Kommentar, 3. Aufl. 2019 Graeber/Graeber, InsVV-Online, Kommentar, Stand: 3/2021 Haarmeyer/Huber, M./Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 4. Aufl. 2020 (zit.: Haarmeyer/M. Huber/Schmittmann-Bearbeiter, Insolvenzanfechtung) Haarmeyer/Mock, InsVV, Insolvenzrechtliche Vergütung, Kommentar, 6. Aufl. 2019 Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, hrsg. v. Ulmer, 8. Aufl. 1992 ff (Reprint 2015) Hahn, Die gesamten Materialien zur Konkursordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 1. Februar 1877 sowie zu dem Gesetze, betreffend die Konkursverfahren vom 21. Juli 1879, Bd. IV, 1881 Hartmann, Kostengesetze, Kommentar, 5. Aufl. 2020 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007 Hess, Insolvenzrecht, Großkommentar, 2. Aufl. 2012 f (zit.: InsR) Hess/Oberhammer/Bariatti/Koller/Laukemann/Requejo Isidro/Villata, The Implementation of the new Insolvency Regulation, 2017 (zit.: Hess/Oberhammer/Bariatti/u. a.) Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, Heidelberg-LuxembourgVienna Report, 2014 (zit.: Bearbeiter in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, EIL, Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report) Hess/Weis/Wienberg, InsO, Kommentar, 2. Aufl. 2001 Himmer, Das europäische Konzerninsolvenzrecht nach der reformierten EuInsVO, 2019 Hölzle, Praxisleitfaden ESUG, 2. Aufl. 2014 Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2014 Huber, M., Anfechtungsgesetz, Kommentar, 12. Aufl. 2021 Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt, H./Thole, ESUG-Evaluierung, Forschungsbericht zur Evaluierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011, 2019 Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, hrsg. v. Henckel/Gerhardt, 2004 ff
XVII
Literaturverzeichnis Jaeger, Konkursordnung, Kommentar, 9. Aufl. 1997 ff Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016 Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl. 2010 (zit.: Zwangsvollstreckung) Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, RWS-Skript 349, 2. Aufl. 2011 Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl. 2020 (zit.: Kayser/Thole-Bearbeiter, HK-InsO) Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 5. Aufl. 2021 (zit.: Vergütung) Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, B./Betz-Rehm, BetrAVG, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 9. Aufl. 2020 Kilger/Schmidt, K., Insolvenzgesetze – KO, VerglO, GesO, Kommentar, 17. Aufl. 1997 Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, Kommentar, 4. Aufl. 2021(zit.: Zwangsvollstreckung) Kindler/Nachmann/Bitzer, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, 7. EL 2020 Klinck, Die Grundlagen der besonderen Insolvenzanfechtung, 2011 Kölner Kommentar zur Insolvenzordnung. hrsg. v. Hess, 2016 ff (zit.: Bearbeiter in: KölnKomm-InsO) König/Trenker, Die Anfechtung nach der (österreichischen) IO, 6. Aufl. 2020 Kraemer/Vallender/Vogelsang, Handbuch zur Insolvenz, Loseblatt, 95. EL 10/2020 (zit.: Kraemer/Vallender/Vogelsang-Bearbeiter, InsO) Kübler, HRI – Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, 3. Aufl. 2019 (zit.: Bearbeiter in: Kübler, HRI) Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, RWS-Dok. 18, 2. Aufl. 2000 (zit.: RWS-Dok. 18) Kübler/Prütting/Bork, InsO, Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt, 87. EL 3/2021 Kusche, Die Anerkennung des Scheme of Arrangement in Deutschland, 2014 Leonhardt/Smid/Zeuner, Internationales Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2012 (zit.: Leonhardt/Smid/Zeuner-Bearbeiter, IIR) Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2020 Mankowski/Müller/Schmidt, J., EuInsVO 2015, 2016 (zit.: Mankowski/Müller/J. Schmidt-Bearbeiter, EuInsVO 2015) Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2001 (zit.: Gegenseitige Verträge) Maucher, Die Europäisierung des Internationalen Bankeninsolvenzrechts, 2010 Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, 9. Aufl. 2015 (zit.: Bearbeiter in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb. Insolvenzverwaltung) XVIII
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XXI
Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 1994, BGBl. I 1994, 2866, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. August 2021, BGBl. I 2021, 3436
Erster Teil Allgemeine Vorschriften §1 Ziele des Insolvenzverfahrens Kexel
1
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. 2Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Literatur: Eidenmüller, Verfahrenskoordination bei Konzerninsolvenzen, ZHR 169 (2005), 528; Funke, Die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger als Hauptziel des Insolvenzverfahrens, BFuP 1995, 26. Übersicht I. Allgemeines, Normzweck ................... 1 II. Die Ziele im Einzelnen ........................ 2 1. Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger ............................................... 2
I.
2. 3. 4.
Einheitlichkeit des Verfahrens ............. 3 Restschuldbefreiung .............................. 4 Weitere Besonderheiten ........................ 5
Allgemeines, Normzweck
§ 1 hebt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit1) – Ziele des in der InsO geregelten Verfahrens hervor, die dieses insgesamt und in besonderer Weise prägen.2) Die erwähnten Ziele sind nicht justiziabel; die Norm kann gleichsam als Präambel3) verstanden werden. Die ausdrückliche Nennung mahnt jedoch die besondere Beachtung eben dieser Verfahrensziele bei der Auslegung der Einzelregelungen durch die Gerichte an, was auch in der Praxis Berücksichtigung findet.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 1 Rz. 3; a. A. Ganter/Bruns in: MünchKommInsO, § 1 Rz. 7. Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 108, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 149 f. Funke, BFuP 1995, 26. Vgl. etwa BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch); BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 – 6 C 4.04, NJW-RR 2005, 1207, 1210 = ZIP 2005, 1145, dazu EWiR 2005, 747 (Herchen/Herchen), zur Konkretisierung von Rechten und Pflichten des Insolvenzverwalters; dazu auch BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 f: „Insolvenzzweck“ als Beschränkung der Rechtsmacht.
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1
1
§1
Ziele des Insolvenzverfahrens
II. Die Ziele im Einzelnen 1. 2
2. 3
Restschuldbefreiung
Einen besonderen Schwerpunkt der InsO stellt die Möglichkeit der in den §§ 286 ff geregelten Restschuldbefreiung dar, die dem „redlichen“ Schuldner die Chance auf einen schuldenfreien Neubeginn nach der Durchführung eines Insolvenzverfahrens und dem Durchlaufen einer mehrjährigen „Wohlverhaltensperiode“, während derer ein Treuhänder das Arbeitseinkommen des Schuldners verwaltet und weiter an die Gläubiger verteilt, eröffnet. Die Definition der „Redlichkeit“ lässt sich in einem Umkehrschluss den Regelungen zu den Versagungsgründen der §§ 290, 296 und 297 entnehmen, die ihrerseits gerichtliche Konkretisierung und Ergänzung erfahren. 4.
5
Einheitlichkeit des Verfahrens
Im Gegensatz zu der früheren Aufspaltung in Konkurs- und Vergleichsverfahren lässt das Insolvenzverfahren sowohl die Verwertung des Schuldnervermögens durch Liquidation als auch die Sanierung und den Erhalt des Unternehmens zu. § 1 betont die Gleichwertigkeit dieser Maßnahmen zur Gläubigerbefriedigung und weist zudem ausdrücklich auf die Möglichkeit weiterer, kreativer Gestaltungen i. R. eines Insolvenzplans hin. Mit der Neuschaffung eines eigenen Rechtsrahmens zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen6) werden die Erhaltungsoptionen der InsO indes erheblich an Bedeutung verlieren. 3.
4
Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger
Das – zunächst selbstverständlich anmutende – Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung verdient seine besondere Nennung dem Umstand, dass gegenüber der Rechtslage vor Inkrafttreten der InsO einige Regelungen getroffen wurden, die gerade der „gemeinschaftlichen“, auch i. S. einer „gleichmäßigen“ Befriedigung weiter entgegenkommen sollen.5) Zu nennen sind hier insbesondere die Stärkung der Gläubigerautonomie durch teilweise erheblich weitergehende Befugnisse der Gläubigerversammlung, der Entzug tradierter Verwertungsrechte der gesicherten Gläubiger und die Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit durch weitgehende Abschaffung von Konkursvorrechten.
Weitere Besonderheiten
Keinen ausdrücklichen Niederschlag in § 1 haben weitere wesentliche und realisierte Anliegen des Gesetzgebers gefunden, etwa die Einführung eines speziell auf Verbraucher zugeschnittenen Verfahrens sowie die das Insolvenzverfahren ebenfalls prägenden zahlreichen Maßnahmen und Möglichkeiten zur Steigerung der Haftungsverwirklichung, etwa durch verschärfte Anfechtungsvorschriften, Erweiterung der Insolvenzmasse auf Neuerwerb und Neuvermögen und den Verfahrenskostenbeitrag _____________ 5) 6)
2
Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 1 Rz. 13. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).
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§2
Amtsgericht als Insolvenzgericht
der gesicherten Gläubiger. Schließlich und endlich dienen aber diese Instrumente gerade auch dazu, den Grundsätzen und Zielbestimmungen des § 1 Geltung zu verschaffen. Ebenso verhält es sich mit den mit Wirkung vom 21.4.2018 eingeführten besonderen Regelungen betreffend Konzerninsolvenzen,7) die die Verwirklichung solcher Insolvenzbewältigungsstrategien ermöglichen und erleichtern, welche den Gesamterlös für alle Gläubiger im Vergleich zur unkoordinierten Abwicklung der Einzelinsolvenzen verbessern, ohne dabei eine Schlechterstellung von Gläubigern einzelner Konzerngesellschaften mit sich zu bringen8) Als Nebenziele des Insolvenzverfahrens sind weiterhin zu nennen z. B. die Vollbeendigung der Gesellschaft bzw. der juristischen Person,9) ebenso die schlichte Ordnungsfunktion.10) _____________ 7) Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866. 8) Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 550 f; vgl. auch Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 16. 9) So noch ausdrücklich die Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 151 f, zur ursprünglich vorgeschlagenen Fassung des § 1, die dann auf der Grundlage der Beschlussempfehlung d. RA lediglich redaktionell gestrafft wurde (RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 155). 10) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 1 Rz. 2.
§2 Amtsgericht als Insolvenzgericht Kexel
(1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk dieses Landgerichts ausschließlich zuständig. (2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (3) 1Rechtsverordnungen nach Absatz 2 sollen je Bezirk eines Oberlandesgerichts ein Insolvenzgericht bestimmen, an dem ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a begründet werden kann. 2Die Zuständigkeit des bestimmten Insolvenzgerichts kann innerhalb eines Landes auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts erstreckt werden. Literatur: Landfermann, Der Ablauf eines künftigen Insolvenzverfahrens, BB 1995, 1649. Übersicht I. Allgemeines, Normzweck ................... 1 II. Die sachliche Zuständigkeit ............... 2 1. Ausschließliche Zuständigkeit (Abs. 1) .................................................. 2
2. 3.
Verfahren bei Unzuständigkeit ............ 3 Ermächtigung zur Ausnahmeregelung (Abs. 2, Abs. 3) ...................... 4 III. Die funktionelle Zuständigkeit .......... 6
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3
§2 I. 1
Amtsgericht als Insolvenzgericht
Allgemeines, Normzweck
§ 2 regelt nur die sachliche Zuständigkeit, die örtliche Zuständigkeit wird in § 3 bestimmt. Die funktionelle Zuständigkeit, also die Aufgabenverteilung innerhalb des Gerichts, erfährt in der InsO keine zusammenfassende Regelung; sie ergibt sich im Wesentlichen aus dem RPflG (siehe unten Rz. 6 ff). Die ausschließliche Zuständigkeit der AG wurde aus der KO übernommen; der Gesetzgeber hielt eine Übertragung auf die LG wegen des dort (noch) geltenden Kollegialsystems eher abträglich für die gewünschte zügige Erledigung.1) Mit der in Absatz 1 zur Regel gemachten Konzentration will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Richter und Rechtspfleger ausreichend Erfahrung und Sachkunde in Insolvenzsachen erlangen können und zudem die Bereitstellung erforderlicher Sachmittel gewährleistet werden kann.2) Die in Absatz 2 enthaltene Ausnahmeregelung steht daher auch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die anderweitige Zuweisung sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung verspricht. Der neu angefügte Absatz 3 ebnet dann den Weg für eine weitere Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit für konzernspezifische Verfahren, deren tatsächlicher und rechtlicher Komplexität damit Rechnung getragen werden soll.3) II. Die sachliche Zuständigkeit 1.
2
2. 3
Ausschließliche Zuständigkeit (Abs. 1)
§ 2 normiert eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit, die also einer Parteivereinbarung nicht zugänglich ist (§ 4 InsO i. V. m. § 40 Abs. 2 ZPO). Verfahren bei Unzuständigkeit
Hält sich das angerufene Gericht für unzuständig, so weist es den Antragsteller auf die Möglichkeit eines Verweisungsantrags hin (§ 4 InsO i. V. m. § 281 Abs. 1 ZPO). Wird der Verweisungsantrag gestellt, spricht es die Unzuständigkeit durch – regelmäßig bindenden4) – Beschluss aus und verweist an das zuständige AG.5) Ohne Verweisungsantrag muss der Eröffnungsantrag wegen Unzuständigkeit abgelehnt werden; _____________ 1) 2) 3) 4)
5)
4
Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 151. Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 151; Landfermann, BB 1995, 1649, 1651. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 26. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; grundsätzlich BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, ZIP 2006, 442, 443 m. w. N. = ZVI 2006, 147, 148; s. aber auch – jeweils zu § 3 – OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.7.2005 – 14 UH 13/05, ZVI 2005, 367, 368 = ZInsO 2005, 822; BayObLG, Beschl. v. 25.7.2003 – 1 Z AR 72/03, NJW-RR 2004, 986, 987 = NZI 2004, 88; BayObLG, Beschl. v. 13.8.2003 – 1 Z AR 83/03, NZI 2004, 90, 91 = Rpfleger 2003, 680, dazu EWiR 2004, 763 (G. Pape); BayObLG, Beschl. v. 19.9.2003 – 1 Z AR 102/03, NZI 2004, 148, 149 = BB 2003, 2370; OLG Celle, Beschl. v. 9.10.2003 – 2 W 108/03, ZIP 2004, 1022 = ZInsO 2004, 205, dazu EWiR 2005, 225 (Breitling); OLG Celle, Beschl. v. 16.12.2003 – 2 W 117/03, ZIP 2004, 581 = NZI 2004, 260, m. Anm. Neuenhahn, dazu EWiR 2004, 809 (Voss); OLG Schleswig, Beschl. v. 4.2.2004 – 2 W 14/04, ZIP 2004, 1476 = NZI 2004, 264; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.11.2003 – 8 AR 16/03, OLGR 2004, 184, 186 f = ZInsO 2004, 750, 751 f – keine Bindung bei „objektiver“ Willkür. Vgl. RG, Beschl. v. 4.4.1928, RGZ 121, 21; RG, Urt. v. 27.1.1931, RGZ 131, 200.
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§2
Amtsgericht als Insolvenzgericht
gegen den entsprechenden Beschluss steht dem Antragsteller entsprechend § 34 Abs. 1 die sofortige Beschwerde zu.6) Gegen die Eröffnung durch das unzuständige Gericht kann sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde nach § 34 Abs. 2 wenden.7) Diese ist allerdings – auch für die sachliche Zuständigkeit8) – nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen, soweit dem Beschwerdeführer vor Verfahrenseröffnung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. 3.
Ermächtigung zur Ausnahmeregelung (Abs. 2, Abs. 3)
Eine Ausnahmeregelung nach Absatz 2 soll nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass sie der sachdienlichen Förderung oder der schnelleren Erledigung zugute kommt. Hier wird man den Landesregierungen bzw. den Justizverwaltungen einen Ermessens- und Prognosespielraum zugestehen müssen.9) Der mit den Regelungen zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen eingeführte Absatz 3 gibt aber einen deutlichen Hinweis, dass der Bundesgesetzgeber sich von einer weiteren Konzentration für konzernspezifische Verfahren, namentlich für die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands nach § 3a Abs. 1 und damit auch für die Einleitung eines Koordinationsverfahrens nach den §§ 269d ff, nämlich auf Ebene der OLG bzw. nach Absatz 3 Satz 3 sogar über deren Bezirk hinaus, gerade eine solche sachdienliche Förderung und/oder schnellere Erledigung verspricht.10) Macht ein Land von der Ausnahme des Absatzes 2 Gebrauch, so soll es demnach regelhaft auch die Konzentration nach Absatz 3 einbeziehen.
4
Von der Ermächtigung nach Absatz 2 haben viele Länder Gebrauch gemacht. Das jeweils zuständige Insolvenzgericht lässt sich über das Justizportal des Bundes und der Länder, www.justiz.de, und dort das „Orts- und Gerichtsverzeichnis“ präzise bestimmen.
5
III. Die funktionelle Zuständigkeit Dem Rechtspfleger sind mit den in § 18 RPflG genannten Ausnahmen grundsätzlich die Geschäfte des AG in Insolvenzverfahren übertragen (§ 3 Nr. 2 Buchst. e RPflG i. V. m. Art. 14 Nr. 1 EGInsO). Danach bleiben kraft Gesetzes dem Richter vorbehalten: –
das Verfahren bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag unter Einschluss dieser Entscheidung und der Ernennung des Insolvenzverwalters sowie das Schuldenbereinigungsplanverfahren nach den §§ 305 – 310 (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG);
–
bei einem Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners die Entscheidungen nach den §§ 287a, 290, 296 bis 297a und 300 (bei Beantragung des Verfahrens vor dem
_____________ 6) LG Bochum, Beschl. v. 11.2.2005 – 10 T 65/04, n. v.; Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 3 Rz. 48. 7) Vgl. zur KO: LG Göttingen, Beschl. v. 17.3.1997 – 6 T 36/97, ZIP 1997, 988; Kilger/ K. Schmidt, KO, § 71 Anm. 5. 8) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 45. 9) Vgl. etwa LG Berlin, Beschl. v. 29.6.1999 – 1 AR 72/99, DZWIR 1999, 517, m. Anm. Müller-York. 10) Vgl. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 26.
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§2
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1.7.2014: §§ 289, 296, 297 und 300), wenn ein Insolvenzgläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, sowie die Entscheidung über den Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 RPflG); –
Entscheidungen nach den §§ 344 – 346 bei einem ausländischen Insolvenzverfahren (§ 18 Abs. 1 Nr. 5 RPflG);
–
seit dem 1.1.201311) auch das Verfahren über einen Insolvenzplan nach den §§ 217 bis 256 und den §§ 258 bis 269 (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG);
–
im Zuge der m. W. v. 21.4.2018 neugeschaffenen Regelungen für konzernspezifische Verfahren die Entscheidung über die Begründung des GruppenGerichtsstands nach § 3a Abs. 3, die Entscheidung über den Antrag auf Verweisung an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands nach § 3d Abs. 1 sowie das Koordinationsverfahren nach den §§ 269d – 269i (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG).
7
Unabhängig davon hat der Richter die Möglichkeit, sich einzelne Verfahrensteile oder auch das gesamte Verfahren nach § 18 Abs. 2 Satz 1 RPflG vorzubehalten, soweit er es für geboten erachtet. Er kann das Verfahren auch wieder auf den Rechtspfleger zurückübertragen, wenn er den Vorbehalt nicht mehr für erforderlich hält (§ 18 Abs. 2 Satz 2 RPflG). Nach vorzugswürdiger Ansicht kommt dem Richter infolge des § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG ein nicht nur den letzteren Fall betreffendes, sondern ein umfassendes Evokationsrecht zu; es steht ihm immer, wegen der Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 1 RPflG nämlich auch für den Fall des gesetzlichen Übergangs der Geschäfte auf den Rechtspfleger, offen, jede gerichtliche Maßnahme innerhalb des Insolvenzverfahrens im Verhältnis zum Rechtspfleger selber zu treffen, wenn er es für erforderlich erachtet.12) Bei der Frage der Gebotenheit bzw. Erforderlichkeit ist dem Richter ein Beurteilungsermessen eingeräumt; hält er die Voraussetzungen für gegeben, so muss er das Verfahren an sich ziehen.13) Der Vorbehalt sollte aktenkundig gemacht werden; er ist unanfechtbar.
8
Der Richter hat ferner die nicht dem Insolvenzverfahren zuzurechnenden Entscheidungen nach § 89 Abs. 3 zu treffen (§ 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG).
9
Auch ohne Übertragung oder Vorbehalt sind die vom Richter anstelle des Rechtspflegers getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen immer wirksam (§ 8 Abs. 1 RPflG); umgekehrt gilt dies nicht, sondern hat die Unwirksamkeit zur Folge (§ 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG). Einen Sonderfall regelt § 18 Abs. 3 RPflG, hier gibt es nach § 18 Abs. 3 RPflG ein Antragsverfahren zur Wiederholung der Abstimmung nach richterlicher Neufestsetzung des Stimmrechts, soweit die Entscheidung des Rechtspflegers über die Gewährung des Stimmrechts nach § 77 Auswirkungen auf das Ergebnis einer Abstimmung gehabt hat.14) _____________ 11) Art. 10 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 12) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 2 Rz. 37; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 2 Rz. 55 a. E. m. w. N.; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 2 Rz. 21; a. A. Hintzen in: Arnold/MeyerStolte/u. a., RPflG, § 18 Rz. 56 ff. 13) In diesem Sinne wohl auch Jaeger-Gerhardt, InsO, § 2 Rz. 56. 14) Vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428, 2429 = ZInsO 2009, 34, dazu EWiR 2009, 117 (U. Keller).
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Örtliche Zuständigkeit
§3 Örtliche Zuständigkeit Kexel
(1) 1Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 2Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. (2) Hat der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gemäß § 29 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes in Anspruch genommen, ist auch das Gericht örtlich zuständig, das als Restrukturierungsgericht für die Maßnahmen zuständig war. ) (3) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.
)
§ 3 Abs. 2 eingefügt durch Art. 5 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, m. W. v. 1.1.2021. Übersicht
I. II. III. 1.
I.
Allgemeines, Normzweck ................... Prüfung von Amts wegen ................... Örtliche Zuständigkeit ....................... Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (Abs. 1 Satz 2) ....................................... a) Selbständige Tätigkeit .................... b) Wirtschaftliche Tätigkeit ............... c) Mittelpunkt ....................................
1 3 4 5 5 6 7
2.
Allgemeiner Gerichtsstand (Abs. 1 Satz 1) ..................................... 10 3. Vorbefasstes Restrukturierungsgericht (Abs. 2) ....................................... 11 IV. Mehrfache Zuständigkeit (Abs. 3) ..... 14 V. Ausschließliche Zuständigkeit ......... 15 VI. Internationale Zuständigkeit ........... 16 VII. Zuständigkeitserschleichung ............ 17 VIII. Verfahren bei Unzuständigkeit ..... 19 IX. Zuständigkeit des Finanzamts .......... 21
Allgemeines, Normzweck
§ 3 regelt die örtliche Zuständigkeit des nach § 2 sachlich zuständigen Gerichts. Die ausschließlichen Gerichtsstände nach Absatz 1 werden bei vorheriger Befassung eines Restrukturierungsgerichts nach Absatz 2 durch eine zusätzliche „Option“ ergänzt. Absatz 3 enthält eine Regelung für die konkurrierende Zuständigkeit. Eine Modifikation kann sich ebenfalls noch in den Fällen des § 3a ergeben (Konzernzuständigkeit), wobei eine durch § 3a begründete Zuständigkeit für Folgeverfahren den nach Absatz 1 gegebenen Gerichtsstand des Mittelpunkts der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der jeweiligen Konzerngesellschaft nicht verdrängt, ihm aber die Ausschließlichkeit nimmt, vgl. § 3c Abs. 2.1) Eine weitere Zuständigkeitsregelung findet sich für die Nachlassinsolvenz in § 315.
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Die Zuständigkeitsregelung orientiert sich an Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen; der Großteil der Masse und der Gläubiger wird sich dort befinden, wo der Schuldner schwerpunktmäßig seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet oder seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.2) Die zusätzliche Option in Absatz 2 leitet _____________
2
1) 2)
Vgl. auch Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 26. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 2 Rz. 37.
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ihre Berechtigung indes vornehmlich aus Effizienzgesichtspunkten her; einem bereits mit der Sache befassten Restrukturierungsgericht sollte die gewonnene Sachkenntnis die Bearbeitung eines anschließenden Insolvenzverfahrens – auch zum Wohle der Betroffenen – erleichtern.3) II. Prüfung von Amts wegen 3
Das angerufene Gericht muss von Amts wegen seine Zuständigkeit nach den §§ 2, 3 prüfen. Die Ermittlungspflicht setzt jedoch erst dann ein, wenn ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt.4) Dieser muss als solcher Tatsachen angeben und belegen, die dem Gericht die Überprüfung der Voraussetzungen des Absatzes 1 – ggf. auch des Absatzes 2 – ermöglichen; erst dann ist das Gericht gehalten, von Amts wegen ggf. weitere seine Zuständigkeit begründenden Umstände zu ermitteln5) (siehe auch unten Rz. 17). Entsprechendes gilt für die Frage der internationalen Zuständigkeit.6) III. Örtliche Zuständigkeit
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Absatz 1 bestimmt zunächst gleich zwei ausschließliche Zuständigkeiten; eine Zuständigkeit nach Satz 2 verdrängt dabei die Zuständigkeit nach Satz 1, sie ist daher stets vorrangig zu prüfen.7) Absatz 2 weicht diese Ausschließlichkeit für den Fall auf, dass der Schuldner bereits ein Restrukturierungsgericht „beschäftigt“ hat. 1.
Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (Abs. 1 Satz 2)
a) Selbständige Tätigkeit 5
Selbständige Tätigkeit setzt Handeln im eigenen Namen voraus.8) Nicht hierunter fallen also abhängig Beschäftigte; der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers kann nicht zuständigkeitsbestimmend sein. Ausreichend ist aber die selbständige wirtschaftliche Tätigkeit, die neben einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird; sie darf jedoch nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung sein.9) Selbständig wirtschaftlich tätig kann in diesem Sinne dann auch der Gesellschafter, etwa einer OHG oder GbR, sein, der seine organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse ausübt.10) _____________ 3) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 191. 4) OLG Köln, Beschl. v. 1.8.1988 – 2 W 131/88, ZIP 1988, 1070, dazu EWiR 1988, 1111 (G. Pape); Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 42; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3 Rz. 23. 5) BGH, Beschl. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, ZIP 2012, 139 = WM 2012, 142; BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 6/12, ZIP 2012, 1615 ff; Uhlenbruck-I. Pape, InsO, § 3 Rz. 14; JaegerGerhardt, InsO, § 3 Rz. 42; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3 Rz. 28. 6) BGH, Beschl. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, ZIP 2012, 139 = WM 2012, 142; BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 6/12, ZIP 2012, 1615 ff. 7) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.7.2005 – 14 UH 13/05, ZVI 2005, 367, 368 = ZInsO 2005, 822; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 4. 8) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3 Rz. 7. 9) KG Berlin, Beschl. v. 16.11.1999 – 28 AR 136/99, NZI 2001, 156, 157 = ZIP 2000, 1170, dazu EWiR 2000, 679 (Frind); Jaeger-Gerhardt, InsO, § 10 Rz. 21; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3 Rz. 7, „bloß nebensächliche Bedeutung“; i. E. ähnlich Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 9 – dann ausreichend, wenn Insolvenz auf dieser Tätigkeit beruht. 10) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 15 m. w. N.; a. A. Uhlenbruck-I. Pape, InsO, § 3 Rz. 10.
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b) Wirtschaftliche Tätigkeit Als wirtschaftlich kann jede nachhaltige Tätigkeit am Markt mit der Absicht der Gewinnerzielung bzw. des Erwerbs angesehen werden.11) Es reicht danach also z. B. auch eine freiberufliche oder landwirtschaftliche Tätigkeit an einem bestimmten Ort aus; es bedarf nicht einer gewerblichen oder – i. S. des HGB – kaufmännischen Betätigung, schon gar nicht einer gewerblichen Niederlassung des Schuldners i. S. des Gewerbe- oder Steuerrechts.12)
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c) Mittelpunkt Ausgehend vom Normzweck soll das Insolvenzverfahren dort abgewickelt werden, wo der Schuldner oder das Schuldnerunternehmen den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit entfaltet hat; „die Gläubiger sollen die Befriedigung ihrer Forderung dort suchen, wo sie ihr Vertrauen gelassen haben.“13) Entsprechend liegt der Mittelpunkt an dem Ort, von dem aus der wesentliche Teil der Geschäfte selbständig getätigt wird und wo die wesentlichen Entscheidungen über die Geschäfte des Unternehmens getroffen werden.14) Entscheidend ist dabei auf die das operative Geschäft betreffenden Entscheidungen abzustellen, die – losgelöst von inneren Abhängigkeiten – im Verkehr nach außen im Vordergrund stehen.15) Nach zutreffender, wohl auch h. M. in Rechtsprechung und Literatur ist ein Mindestmaß „werbender“ Tätigkeit für die Bejahung dieser Voraussetzung zu fordern.16) Die bloß noch verwaltende Abwicklung einer Gesellschaft sollte danach eine Zuständigkeit nach Absatz 1 Satz 2 nicht begründen können;17) anders verhält es sich bei der Durchführung noch „wirtschaftlicher“ Abwicklungsmaßnahmen, etwa dem Verkauf von Lagerbeständen pp.18)
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Das Erfordernis des „Mittelpunkts“ der wirtschaftlichen Tätigkeit schließt es aus, dass jeder Niederlassungsort eines Unternehmens die Zuständigkeit des jeweiligen _____________
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11) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.8.1999 – 19 Sa 65/99, NZI 2000, 601; OLG Hamm, Beschl. v. 24.6.1999 – 1 Sbd 16/99, ZInsO 1999, 534; OLG Rostock, Beschl. v. 19.10.2001 – 1 UH 3/01, ZInsO 2001, 1065. 12) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 152. 13) Uhlenbruck-I. Pape, InsO, § 3 Rz. 2. 14) OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2002 – 1 AR 27/02, ZIP 2002, 1590 = NZI 2002, 438; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, InsO, § 3 Rz. 9, „grundlegende Entscheidungen der Unternehmensleitung“; so wohl auch Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10. 15) OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2002 – 1 AR 27/02, ZIP 2002, 1590 = NZI 2002, 438; BayObLG, Beschl. v. 8.9.1998 – 1 Z AR 77/98, NZI 1998, 84 = NJW 1999, 367; Ganter/ Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10. 16) Vgl. zuletzt OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.5.2005 – 15 AR 8/05, NZI 2005, 505, 506 = ZIP 2005, 1475; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.11.2003 – 8 AR 16/03, OLGR 2004, 184, 186 f = ZInsO 2004, 750, 751 f m. w. N.; OLG Hamm, Beschl. 24.6.1999 – 1 Sbd 16/99, ZInsO 1999, 533, 534; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 8 m. N. 17) OLG Hamm, Beschl. 24.6.1999 – 1 Sbd 16/99, ZInsO 1999, 533, 534; BayObLG, Beschl. v. 25.7.2003 – 1 Z AR 72/03, NZI 2004, 88, 89 = DB 2003, 2385; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.2.2014 – 11 SV 102/13, juris; vgl. aber auch BGH, Beschl. v. 20.3.1996 – X ARZ 90/96, ZIP 1996, 847, 848 = WM 1996, 933, dazu EWiR 1996, 741 (Paulus). 18) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, InsO, § 3 Rz. 8; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 7b – „Abwicklungsmaßnahmen mit Außenwirkung“; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 11; so wohl auch OLG Schleswig, Beschl. v. 11.2.2010 – 2 W 11/10, ZInsO 2010, 574 = NZI 2010, 260.
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AG begründen kann; hier wird – und soll19) – es regelmäßig auf die Hauptniederlassung ankommen.20) Wiederum sind nur die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend; Gewerbeanmeldungen, Registereintragungen und satzungsmäßige Festlegungen allein begründen die Zuständigkeit nicht, sind aber regelmäßig wichtige Anhaltspunkte für die gerichtliche Prüfung.21) 9
Die bisherigen Versuche der Rechtsprechung, über eine extensive Auslegung der Zuständigkeitsregelung in Absatz 1 Satz 2 auch in Fällen von Konzerninsolvenzen zu einer einheitlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Ort der Konzernleitung zu gelangen,22) sind mit der Schaffung der vom 21.4.2018 an geltenden §§ 3a ff künftig nicht mehr notwendig.23) 2.
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3. 11
Allgemeiner Gerichtsstand (Abs. 1 Satz 1)
Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 nicht vor, so ist das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk (§ 2!) der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dieser wird durch die §§ 13 – 19 ZPO bestimmt. Vorbefasstes Restrukturierungsgericht (Abs. 2)
Absatz 2 sieht in Ergänzung von Absatz 1 eine ggf. zusätzliche örtliche Zuständigkeit desjenigen Insolvenzgerichts vor, welches in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung bereits als Restrukturierungsgericht mit dem schuldnerischen Unternehmen befasst war. Voraussetzung ist eine Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens gemäß § 29 StaRUG24) durch den Schuldner innerhalb dieses Zeitraums. Hiermit soll eine effiziente und erleichterte Verfahrensbearbeitung sowie Kontinuität bei den Gerichten ermöglicht werden. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Insolvenzgericht, das bereits als Restrukturierungsgericht zuständig war, in besonderem Maße mit den Besonderheiten des schuldnerischen Unternehmens und den handelnden Personen sowie einem Teil der Gläubigerschaft vertraut sei und diese Kenntnisse verfahrensförderlich einsetzen und eine _____________ 19) Vgl. auch Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 152. 20) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3 Rz. 15 m. N.; Ganter/Bruns in: MünchKommInsO, § 3 Rz. 11. 21) OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2002 – 1 AR 27/02, OLG-NL 2002, 287, 288 = ZIP 2002, 1590; BayObLG, Beschl. v. 8.9.1998 – 1 Z AR 77/98, NZI 1998, 84 = Rpfleger 1999, 37; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10a; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 22 – „widerlegliche Vermutung“. 22) So etwa AG Köln, Beschl. v. 19.2.2008 – 73 IE 1/08, ZIP 2008, 423, dazu EWiR 2008, 531 (Paulus); AG Essen, Beschl. v. 1.9.2009 – 166 IN 119/09 (Arcandor/Quelle), ZIP 2009, 1826, dazu EWiR 2009, 679 (Brünkmans); vgl. auch schon LG Dessau, Beschl. v. 30.3.1998 – 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006 – zu § 1 Abs. 1 der Gesamtvollstreckungsordnung. 23) Ein wesentliches Motiv dieser Neuregelungen; vgl. etwa Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 15 f. 24) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).
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reibungslose sowie kompetente Verfahrensabwicklung sicherstellen könne.25) Ausgehend von diesen Erwägungen kann bei dem „Inanspruchnehmen“, an das sich die Sechs-Monats-Frist anschließt, nicht auf den Zeitpunkt einer entsprechenden Antragstellung des Schuldners abgestellt werden; eine „Inanspruchnahme“ der Instrumente bedeutet vielmehr, dass die Maßnahmen tatsächlich vorgenommen oder durchgeführt werden und das Gericht somit tatsächlich die Möglichkeit hatte, in eine vertiefte Prüfung und Fallbefassung einzusteigen, um diese nähere Sachkenntnis aufzubauen. Maßgeblich für den Beginn des Sechs-Monats-Zeitraums, innerhalb dessen die zusätzliche Zuständigkeit im Falle eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben ist, muss somit der Zeitpunkt der letztmaligen sachlichen Befassung des Gerichts mit eben jenem Instrument bzw. der vorgenommenen Maßnahme gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 – 4 StaRUG sein. Dem Insolvenzantragsteller – hier kommt nicht nur der Schuldner in Betracht, die Vorzüge der Vorbefassung gelten auch bei einem Gläubigerantrag – wird bzgl. des damit zusätzlich möglichen Gerichtsstandes also ein Wahlrecht eingeräumt; i. Ü. gilt auch für diesen Fall die Regelung des Absatzes 3. Ausdrücklich geht es eben um eine zusätzliche und – auch wenn dies mit gerade den überzeugenden Erwägungen zu bestmöglicher Praktikabilität und Effizienz vielleicht wünschenswert gewesen wäre – nicht verdrängende Zuständigkeit.
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Für erst nach dem Sechs-Monats-Zeitraum gestellte Anträge verbleibt es (allein) bei den Zuständigkeiten des Absatzes 1; ein größerer zeitlicher Abstand schwächt das Argument der idealerweise nutzbaren, bereits gewonnenen Sachkenntnis des Restrukturierungsgerichts nachvollziehbarerweise deutlich ab.26)
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IV. Mehrfache Zuständigkeit (Abs. 3) Kommen nach Absatz 1 mehrere Insolvenzgerichte als zuständig in Betracht, etwa bei mehreren Wohnsitzen des Schuldners oder mehreren Orten selbständigen wirtschaftlichen Tätigwerdens, ohne dass ein Mittelpunkt festzustellen ist, oder auch für den Fall des Absatzes 2, entscheidet nach Absatz 3 das Prioritätsprinzip. Das zuerst (mit dem Insolvenzantrag) befasste Gericht schließt alle weiteren für die Dauer der Anhängigkeit aus. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Eingangs des Eröffnungsantrages;27) eine nachträgliche Veränderung der zuständigkeitsbegründenden Verhältnisse vermag die einmal gegebene Zuständigkeit nicht mehr zu berühren.28) Dies gilt – innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten – auch bei grenzüberschreitenden Veränderungen, etwa einer Sitzverlegung ins Ausland.29) Ist dagegen der Antrag bei einem örtlich unzuständigen _____________ 25) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 191. 26) Vgl. auch Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 191. 27) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767, 768 = ZInsO 2006, 431, dazu EWiR 2006, 937 (Mankowski); OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.2000 – 1 Sbd 100/99, NZI 2000, 220, 221; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 40. 28) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 164/06, ZIP 2007, 878 = ZInsO 2007, 440, dazu EWiR 2007, 599 (G. Pape); Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 40; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 5, 20; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3 Rz. 20. 29) EuGH, Urt. v. 17.1.2006 – Rs. C-1/04 (Staubitz-Schreiber), ZIP 2006, 188 = NZI 2006, 153; BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 418/02, ZIP 2006, 529, 530 = ZVI 2006, 205; BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767, 768 = ZInsO 2006, 431.
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§3
Örtliche Zuständigkeit
Gericht eingegangen, so können spätere tatsächliche Veränderungen, die die Zuständigkeit des Gerichts betreffen, noch berücksichtigt werden.30) V. Ausschließliche Zuständigkeit 15
Auch die in § 3 bestimmte örtliche Zuständigkeit ist eine ausschließliche; für sie gilt also wie schon zu § 2, dass sie einer Parteivereinbarung nicht zugänglich ist (§ 4 InsO i. V. m. § 40 Abs. 2 ZPO). VI. Internationale Zuständigkeit
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Die internationale Zuständigkeit wird regelmäßig durch die örtliche Zuständigkeit indiziert,31) sodass § 3 grundsätzlich auch für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Insolvenzgerichts heranzuziehen ist.32) Innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist Art. 3 EuInsVO vorrangig zu beachten. Für Entscheidungen in ausländischen Insolvenzverfahren nach den §§ 344 – 347 gilt § 348 Abs. 1. VII.
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Zuständigkeitserschleichung
Auch für das Insolvenzverfahren gilt wie im Bereich der ZPO der Grundsatz des prozessualen Missbrauchsverbots; prozessuale Befugnisse dürfen nicht für verfahrensfremde Zwecke missbraucht werden. Als solcher prozessualer Missbrauch kommen auch Fälle einer Zuständigkeitserschleichung in Betracht, die in zwei Varianten auftreten kann: entweder täuscht der Antragsteller das Gericht vorsätzlich über zuständigkeitsbegründende Tatsachen, oder er manipuliert diese bestimmten zuständigkeitsbegründenden Tatsachen selbst.33) Eine Manipulation in letzterem Sinne und damit die Verneinung einer entsprechenden Zuständigkeitsbegründung nach § 3 wird von einem beträchtlichen Teil der Rechtsprechung34) und Literatur35) in Fällen der „gewerblichen Firmenbestattung“ angenommen, die oftmals mit einer kurz vor Insolvenzantragstellung erfolgenden Verlegung des Firmensitzes einhergeht. _____________ 30) AG Göttingen, Beschl. v. 27.11.2009 – 74 IN 271/09, ZIP 2010, 640 = DStR 2010, 11; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3 Rz. 20. 31) Grds. BGH, Urt. v. 17.2.1997 – II ZR 343/95, NJW 1997, 2245 = WM 1997, 1310 m. w. N.; BGH, Vers.-Urt. v. 17.12.1998 – IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, 1396 = ZIP 1999, 196 m. N., dazu EWiR 1999, 673 (Holzer); Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 52. 32) OLG Köln, Beschl. v. 23.4.2001 – 2 W 82/01, ZInsO 2001, 623 = NZI 2001, 380, dazu EWiR 2001, 967 (Mankowski). 33) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.5.2005 – 15 AR 8/05, NZI 2005, 505, 506 = ZIP 2005, 1475 m. w. N. 34) Grds. akzeptierend BGH, Beschl. v. 13.12.2007 – IX ZB 238/06, juris, dazu EWiR 2008, 181 (Webel); BayObLG, Beschl. v. 25.7.2003 – 1 Z AR 72/03, NJW-RR 2004, 986, 987 = NZI 2004, 88; BayObLG, Beschl. v. 13.8.2003 – 1 Z AR 83/03, NZI 2004, 90, 91 = Rpfleger 2003, 680, dazu EWiR 2004, 763 (G. Pape); BayObLG, Beschl. v. 19.9.2003 – 1 Z AR 102/03, NZI 2004, 148, 149 = BB 2003, 2370; OLG Celle, Beschl. v. 9.10.2003 – 2 W 108/03, ZIP 2004, 1022 = ZInsO 2004, 205, dazu EWiR 2005, 225 (Breitling); OLG Celle, Beschl. v. 16.12.2003 – 2 W 117/03, ZIP 2004, 581 = NZI 2004, 260, m. Anm. Neuenhahn, dazu EWiR 2004, 809 (Voss); OLG Schleswig, Beschl. v. 4.2.2004 – 2 W 14/04, ZIP 2004, 1476 = NZI 2004, 264; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.11.2003 – 8 AR 16/03, OLGR 2004, 184, 186 f = ZInsO 2004, 750, 751 f. 35) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 38 ff m. w. N.
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Örtliche Zuständigkeit
Hier wird vermutet, dass durch die „Firmenbestattung“ möglichst ein ordnungsgemäßer Gang der Abwicklung vermieden werden solle;36) dass viele Gläubiger so nichts oder nur verspätet von der Insolvenz erführen und die Verantwortlichen sich so mit Erfolg eventueller Haftung entziehen könnten.37) Es ist letztlich Sache und Verantwortung des Tatrichters, sich im Einzelfall von dem Vorliegen einer Zuständigkeitserschleichung zu überzeugen.38) Hierbei hat er ggf. Veränderungen der tatsächlichen Umstände noch bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen.39) Umstritten ist, ob hierfür bereits die Inanspruchnahme der „gewerblichen Firmenbestattung“ – oder gar nur der entsprechende Verdacht – ausreichen kann.40) Die Beantwortung dieser Frage ist insbesondere bedeutsam für die Definition der Ermittlungspflicht des angegangenen Insolvenzgerichts. Die Anforderungen sollten hier nicht überspannt werden; im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens erscheint bei bloßen, nicht weiter zu belegenden Zweifeln an einer Ernsthaftigkeit der Sitzverlegung die Eröffnung am neuen Sitz grundsätzlich unbedenklich.41) Den beschriebenen Gefahren kann und sollte dann aber immer mit Veröffentlichungen gerade auch am alten Sitz begegnet werden.42) Erwägt ein Gericht jedoch die beantragte Verweisung an das AG dieses „neuen“ Sitzes, hat es von Amts wegen der Frage nachzugehen, ob nicht doch ein Gerichtsstand bei ihm begründet war.43) Unterbleibt eine solche Prüfung trotz gegebenen Anlasses, wird ein entsprechender Verweisungsbeschluss nach der Rechtsprechung der für die Zuständigkeitsbestimmung letztinstanzlichen Gerichte in der Regel als willkürlich ergangen und damit nicht bindend angesehen (siehe unten Rz. 19 und die Nachweise bei Fn. 44).
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VIII. Verfahren bei Unzuständigkeit Hält sich das angerufene Gericht für unzuständig, so weist es den Antragsteller auf die Möglichkeit eines Verweisungsantrags hin (§ 4 InsO i. V. m. § 281 Abs. 1 ZPO). _____________ 36) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 40. 37) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 40; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 40 m. w. N.; i. E. auch Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3 Rz. 22. 38) BGH, Beschl. v. 13.12.2007 – IX ZB 238/06, juris. 39) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.2.2014 – 11 SV 102/13, juris. 40) Bejahend insbesondere BayObLG, Beschl. v. 25.7.2003 – 1 Z AR 72/03, NJW-RR 2004, 986, 987 = NZI 2004, 88; BayObLG, Beschl. v. 13.8.2003 – 1 Z AR 83/03, NZI 2004, 90, 91 = Rpfleger 2003, 680; BayObLG, Beschl. v. 19.9.2003 – 1 Z AR 102/03, NZI 2004, 148, 149 = BB 2003, 2370; a. A. OLG Karlsruhe, (Vorlage-)Beschl. v. 30.5.2005 – 15 AR 8/05, NZI 2005, 505, 507 = ZIP 2005, 1475 – nicht „ohne das Hinzutreten weiterer Umstände“; ähnlich auch BGH, Beschl. v. 20.3.1996 – X ARZ 90/96, ZIP 1996, 847, 848 = WM 1996, 933; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3 Rz. 21 – „Indiz“; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 41; offenlassend BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, ZIP 2006, 442, 443 = ZVI 2006, 157, 158. 41) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3 Rz. 22. 42) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3 Rz. 22; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 44. 43) BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, ZIP 2006, 442, 443 = ZVI 2006, 157, 158; OLG Celle, Beschl. v. 5.6.2007 – 4 AR 40/07, juris; auch OLG Celle, Beschl. v. 11.1.2010 – 4 AR 3/10, ZIP 2010, 489 = NZI 2010, 194; OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2010 – 1 AR 36/10, juris.
Kexel
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§3
Örtliche Zuständigkeit
Wird der Verweisungsantrag gestellt, spricht es die Unzuständigkeit durch – regelmäßig bindenden44) – Beschluss aus und verweist an das zuständige AG.45) Ohne Verweisungsantrag muss der Eröffnungsantrag wegen Unzuständigkeit abgelehnt werden; gegen den entsprechenden Beschluss steht dem Antragsteller entsprechend § 34 Abs. 1 die sofortige Beschwerde zu.46) Gegen die Eröffnung durch das unzuständige Gericht kann sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde nach § 34 Abs. 2 wenden.47) Diese ist allerdings nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen, soweit dem Beschwerdeführer vor Verfahrenseröffnung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. 20
Haben sich mehrere Gerichte, von denen eines zuständig sein muss, rechtskräftig für unzuständig erklärt oder liegt ein anderer Fall des § 36 ZPO vor, so bestimmt das übergeordnete Gericht das zuständige Gericht; der Beschluss ist gemäß § 37 Abs. 2 ZPO unanfechtbar und entfaltet bindende Wirkung.48) IX. Zuständigkeit des Finanzamts Paul
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt die bisherige örtliche Zuständigkeit der Finanzverwaltung unberührt. Es findet grundsätzlich kein Zuständigkeitswechsel statt. Ändern sich ausnahmsweise die die örtliche Zuständigkeit begründenden Umstände ist in Insolvenzsituationen § 26 Satz 3 AO zu beachten. Nach dieser mit dem JStG 200849) eingefügten Regelung tritt entgegen § 26 Satz 1 AO solange kein Zuständigkeitswechsel ein, wie über einen Insolvenzantrag noch nicht entschieden wurde, wie ein eröffnetes Verfahren noch nicht aufgehoben wurde oder wie sich eine Personengesellschaft oder eine juristische Person in Liquidation befindet. Verlegt ein Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, aber vor _____________ 44) § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; grundlegend BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, ZIP 2006, 442, 443 = ZVI 2006, 157, 158; s. aber zu § 3 auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.7.2005 – 14 UH 13/05, ZVI 2005, 367, 368 = ZInsO 2005, 822; BayObLG, Beschl. v. 01.7.2016 – 34 AR 77/16, ZInsO 2016, 1702 f = ZVI 2016, 388 f; BayObLG, Beschl. v. 25.7.2003 – 1 Z AR 72/03, NJW-RR 2004, 986, 987 = NZI 2004, 88; BayObLG, Beschl. v. 13.8.2003 – 1 Z AR 83/03, NZI 2004, 90, 91 = Rpfleger 2003, 680; BayObLG, Beschl. v. 19.9.2003 – 1 Z AR 102/03, NZI 2004, 148, 149 = BB 2003, 2370; OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2010 – 1 AR 36/10, juris; OLG Celle, Beschl. v. 27.9.2011 – 4 AR 51/11, ZInsO 2011, 2004; OLG Celle, Beschl. v. 11.1.2010 – 4 AR 3/10, ZIP 2010, 489 = NZI 2010, 194; OLG Celle, Beschl. v. 9.10.2003 – 2 W 108/03, ZIP 2004, 1022 = ZInsO 2004, 205; OLG Celle, Beschl. v. 16.12.2003 – 2 W 117/03, ZIP 2004, 581 = NZI 2004, 260, m. Anm. Neuenhahn; OLG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2015 – 2 AR 27/15, ZIP 2016, 231 = ZInsO 2016, 231 = ZVI 2016, 101; OLG Schleswig, Beschl. v. 11.2.2010 – 2 W 11/10, ZInsO 2010, 574 = NZI 2010, 260; OLG Schleswig, Beschl. v. 4.2.2004 – 2 W 14/04, ZIP 2004, 1476 = NZI 2004, 264; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.11.2003 – 8 AR 16/03, OLGR 2004, 184, 186 = ZInsO 2004, 750, 751 f; OLG Hamm, Beschl. 24.6.1999 – 1 Sbd 16/99, ZInsO 1999, 533, 534 – jeweils keine Bindung bei „objektiver“ Willkür. 45) Vgl. RG, Beschl. v. 4.4.1928, RGZ 121, 21; RG, Urt. v. 27.1.1931, RGZ 131, 200. 46) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 32; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 45; LG Bochum, Beschl. v. 11.2.2005 – 10 T 65/04, n. v. 47) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 32; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 45; vgl. auch zur KO: LG Göttingen, Beschl. v. 17.3.1997 – 6 T 36/97, ZIP 1997, 988. 48) RG, Urt. v. 11.5.1915 – II 75/15, RGZ 86, 404, 406. 49) Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008), v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150; vgl. hierzu FinMin. NRW v. 10.1.2011 – S 0127, AO-Kartei NW § 26 AO Karte 801.
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§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
Ablauf der Abtretungsfrist von § 287 Abs. 2 seinen Wohnsitz in einen anderen Finanzamtsbezirk, kommt es zu einem Zuständigkeitswechsel mit der Folge, dass das neu zuständig gewordene Finanzamt die Besteuerung durchzuführen hat. Bei Gefahr in Verzug ist nach § 29 AO für unaufschiebbare Maßnahmen jede Finanzbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Eine derartige Notsituation kann bei einer kurz bemessenen Frist zur Abgabe von Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren vorliegen.50) Ist während eines laufenden Insolvenzverfahrens ein Abrechnungsbescheid zu erlassen, ist hierfür die nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen (§§ 16 ff AO) zuständige Finanzbehörde berufen.51) _____________ 50) BFH, Urt. v. 23.2.2010 – VII R 48/07, ZIP 2010, 859 = ZVI 2010, 309, dazu EWiR 2010, 577 (v. Spiessen). 51) BFH, Urt. v. 19.3.2019 – VII R 27/17, BFHE 263, 483, unter ausdrücklicher Aufgabe von BFH, Urt. v. 12.7.2011 – VII R 69/10, DStR 2011, 1758 = DB 2011, 2075.
§ 3a Gruppen-Gerichtsstand
Graf-Schlicker
(1) 1Auf Antrag eines Schuldners, der einer Unternehmensgruppe im Sinne von § 3e angehört (gruppenangehöriger Schuldner), erklärt sich das angerufene Insolvenzgericht für die Insolvenzverfahren über die anderen gruppenangehörigen Schuldner (Gruppen-Folgeverfahren) für zuständig, wenn in Bezug auf den Schuldner ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt und der Schuldner nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist. 2 Eine untergeordnete Bedeutung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr die Zahl der vom Schuldner im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 15 Prozent der in der Unternehmensgruppe im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer ausmachte und 1.
die Bilanzsumme des Schuldners mehr als 15 Prozent der zusammengefassten Bilanzsumme der Unternehmensgruppe betrug oder
2.
die Umsatzerlöse des Schuldners mehr als 15 Prozent der zusammengefassten Umsatzerlöse der Unternehmensgruppe betrugen.
3 Haben mehrere gruppenangehörige Schuldner zeitgleich einen Antrag nach Satz 1 gestellt oder ist bei mehreren Anträgen unklar, welcher Antrag zuerst gestellt worden ist, ist der Antrag des Schuldners maßgeblich, der im vergangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr die meisten Arbeitnehmer beschäftigt hat; die anderen Anträge sind unzulässig. 4Erfüllt keiner der gruppenangehörigen Schuldner die Voraussetzungen des Satzes 2, kann der Gruppen-Gerichtsstand jedenfalls bei dem Gericht begründet werden, das für die Eröffnung des Verfahrens für den gruppenangehörigen Schuldner zuständig ist, der im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr im Jahresdurchschnitt die meisten Arbeitnehmer beschäftigt hat.
(2) Bestehen Zweifel daran, dass eine Verfahrenskonzentration am angerufenen Insolvenzgericht im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt, kann das Gericht den Antrag nach Absatz 1 Satz 1 ablehnen. Graf-Schlicker
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§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
(3) Das Antragsrecht des Schuldners geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter und mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergeht, auf diesen über. (4) Auf Antrag des Schuldners erklärt sich unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 das für Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht, sofern es nach § 34 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes für Entscheidungen in Restrukturierungssachen zuständig ist, als Restrukturierungsgericht auch für Gruppen-Folgeverfahren in Insolvenzsachen nach Absatz 1 für zuständig. )
)
§ 3a Abs. 4 eingefügt durch Art. 5 Nr. 2 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281, m. W. v. 1.1.2021.
Literatur: Berner/Zenker, Bemerkungen zum neuen Konzerninsolvenzrecht, in: Festschrift für Marie Luise Graf-Schlicker, 2018, S. 171; Blankenburg, Begründung des Gruppengerichtsstands gemäß § 3a InsO bei konzentrierten „Konzerninsolvenzgerichten“, ZInsO 2019, 169; Brünkmans, Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen: Kritische Analyse und Anregungen aus der Praxis, ZIP 2013, 193; Eidenmüller/ Frobenius, Ein Regulierungskonzept zur Bewältigung von Gruppeninsolvenzen: Verfahrenskonsolidierung im Kontext nationaler und internationaler Reformvorhaben, ZIP Beilage Heft 22/2013, 1; Fölsing, Konzerninsolvenz: Gruppen-Gerichtsstand, Kooperation und Koordination, ZInsO 2013, 413; Frind, Gefahren und Probleme bei der insolvenzgesetzlichen Regelung der Insolvenz der „Unternehmensgruppe“, ZInsO 2014, 927; Graeber, Das Konzerninsolvenzverfahren des Diskussionsentwurfs 2013, ZInsO 2013, 409; Graf-Schlicker, Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht – eine wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit, AnwBl. 2013, 620; Graf-Schlicker, Konzerninsolvenzrechtsreform, in: Bankenregulierung, Insolvenzrecht, Kapitalanlagegesetzbuch, Honorarberatung, Bankrechtstag 2013, S. 27; Harder, Das neue deutsche Konzerninsolvenzrecht im Überblick, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach InsO und EuInsVO – Probleme und Fragen aus gerichtlicher Sicht, ZInsO 2017, 2585; Leutheusser-Schnarrenberger, Dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform – Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, ZIP 2013, 97; Prütting, Insolvenzantragspflichten im Konzern, in: Festschrift für Friedrich Wilhelm Metzeler, 2003, S. 3; Schaaf/Filbinger, Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Begründung des Gruppengerichtsstands nach § 3a InsO, BB 2019, 1801; Schmidt, J., Das Prinzip „eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“ und seine Durchbrechungen vor dem Hintergrund der aktuellen Reformen im europäischen und deutschen Recht, KTS 2015, 19; Thole, Das neue Konzerninsolvenzrecht in Deutschland und Europa, KTS 2014, 351; Vallender, Einführung eines Gruppen-Gerichtsstandes – ein sachgerechter Ansatz zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 162; Vallender/Deyda, Brauchen wir einen Konzerninsolvenzgerichtsstand?, NZI 2009, 825; Verhoeven, Konzerne in der Insolvenz nach dem Regierungsentwurf zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (RegE) – Ende gut, alles gut … und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!, ZInsO 2014, 217. Übersicht 4. I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Voraussetzungen für die Begründung 5. eines Gruppen-Gerichtsstands ............. 3 1. Zulässige Anträge (Abs. 1 Satz 1, III. Abs. 3) .................................................... 3 2. Gruppenangehöriger Schuldner (Abs. 1 Satz 1) ....................................... 5 IV. 3. Keine untergeordnete Bedeutung für die Unternehmensgruppe (Abs. 1 Satz 2, Satz 4) ........................... 6
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Mehrere Anträge (Abs. 1 Satz 3) .................................................... 8 Gemeinsames Gläubigerinteresse (Abs. 2) ................................................ 10 Zuständigkeitsverknüpfung von Insolvenzen und Restrukturierungen ........................... 11 Funktionelle Zuständigkeit .............. 13
Graf-Schlicker
§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
I. Normzweck und -inhalt Die Absätze 1 – 3 der Norm sind durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen1) eingefügt worden, das für gruppenverbundene Unternehmensinsolvenzen Koordinierungsmechanismen schafft, um damit verbundene Transaktionsvorteile2) zu nutzen und die Wertschöpfung durch die wirtschaftliche Einheit der Gruppe möglichst für die Gläubiger zu erhalten.3) Sie räumt dem Schuldner eines gruppenangehörigen Unternehmens ergänzend zur Zuständigkeitsregelung des § 34) die Möglichkeit ein, einen einheitlichen Gerichtsstand für alle insolventen gruppenverbundenen Unternehmen zu begründen. Antragsberechtigt ist der Schuldner, nicht der Gläubiger. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Antragsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über. Im Eröffnungsverfahren steht diese Berechtigung nur einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungsund Verfügungsbefugnis („starker“ Insolvenzverwalter) zu. Die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands setzt außerdem ein gemeinsames Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration beim angerufenen Insolvenzgericht voraus sowie eine nicht offensichtlich untergeordnete Bedeutung des Schuldners für die gesamte Unternehmensgruppe (vgl. § 3e). Absatz 4 ist durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungsund Insolvenzrechts vom 22.12.2020 (SanInsFoG) eingefügt worden.5) Diese Norm soll ermöglichen, dass bei der vorausgehenden Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens gruppenverbundene Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners bei einem Restrukturierungsgericht durchgeführt werden können.6)
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II. Voraussetzungen für die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands 1.
Zulässige Anträge (Abs. 1 Satz 1, Abs. 3)
Verfahrensrechtlich setzt die Errichtung eines Gruppen-Gerichtsstands zunächst einen zulässigen Insolvenzeröffnungsantrag des Schuldners oder eines Gläubigers7) nach §§ 13, 14 bei dem für das Insolvenzverfahren zuständigen Gericht voraus.8) Von _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
8)
Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866, in Kraft getreten am 21.4.2018. Eidenmüller/Frobenius, ZIP Beilage Heft 22/2013, 1, 6 f. Das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen verzichtet bewusst auf eine Konsolidierung der Vermögensmassen, vgl. zu den Gründen dieser Entscheidung BT-Drucks. 18/407, S. 16; vgl. dazu Vor §§ 269a ff Rz. 4. Dies ergibt sich aus § 3c Abs. 2. Vgl. auch Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 20; Schaaf/Filbinger, BB 2019, 1801, 1803 ff. Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Druck. 19/24181, S. 191. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 26; Eidenmüller/Frobenius, ZIP Beilage Heft 22/2013, 1, 8; Kübler/ Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3a Rz. 4; Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3a Rz. 7; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3a Rz. 4. AG Hannover, Beschl. v. 24.9.2018 – 903 IN 540/18 – 8, ZIP 2018, 2285, 2286; dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 3/2019 Anm. 5.
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§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
diesem Antrag zu unterscheiden ist derjenige nach §§ 3a, 13a auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands für alle Folgeverfahren der gruppenangehörigen insolventen Unternehmen. Um insbesondere die Planbarkeit des Insolvenzbewältigungsprozesses für die betroffene Unternehmensgruppe nicht zu beeinträchtigen,9) kann die Einrichtung des Gruppen-Gerichtsstandes nur von einem Schuldner beantragt werden, der einer Unternehmensgruppe angehört. Für den Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1) im Eröffnungsverfahren geht das Recht auf diesen (Abs. 3 Halbs. 2), nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über (Abs. 3 Halbs. 1). Der Antrag ist – wie sich aus der Grundnorm des § 13 herleiten lässt – schriftlich zu stellen (§ 13),10) er hat die notwendigen Angaben nach § 13a Abs. 1 zu enthalten. Außerdem sind die Unterlagen nach § 13a Abs. 2 beizufügen. 4
Streitig ist, wo die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands zu stellen sind, wenn die Länder von der Ermächtigung des § 2 Abs. 3 Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für einen Gruppen-Gerichtsstand konzentriert haben.11) Der Gruppen-Gerichtsstand ist ein zusätzlicher Gerichtsstand,12) der ausschließlich auf Antrag des Schuldners begründet werden kann, während der Insolvenzantrag sowohl vom Gläubiger als auch vom Schuldner beim gemäß § 3 Abs. 1 örtlich zuständigen Insolvenzgericht zu stellen ist. Nach dem Sinn und Zweck der Konzentrationsregelung ist der Antrag auf Implementierung eines Gruppen-Gerichtsstands an das nach § 2 Abs. 3 zuständige Schwerpunktgericht zu richten.13) Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Expertise dieses Gerichts bei den zur Beurteilung anstehenden Fragen, ob eine Unternehmensgruppe vorliegt, in der der Schuldner nicht offensichtlich eine untergeordnete Bedeutung hat, und die Verfahrenskonzentration im _____________ 9) Vgl. dazu Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 20. 10) Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3a Rz. 10; a. A. Vuia in: MünchKomm-InsO, § 13 Rz. 6. 11) Von der Möglichkeit der Zuständigkeitskonzentration haben die Länder BadenWürttemberg: AGe Karlsruhe, Mannheim (ZuVOJu v. 8.5.2018, GBl. 2018, 195); Bayern: AGe Nürnberg, München, (GZVJu v. 13.5.2018, GVBl. 2018, 372); Brandenburg: AG Potsdam (GerZV v. 26.11.2018, GVBl. II 2018 Nr. 89); Bremen: AG Bremen (Insolvenzgerichts-BestimmungsVO v. 10.4.2018, Brem.GBl. 2018, 89); Hessen: AG Frankfurt/M. (§ 6 JuZuV v. 12.12.2018); Niedersachsen: AGe Göttingen, Hannover, Oldenburg (JustVOJustiz v. 27.8.2019, Nds. GVBl. 16/2019, 264); Nordrhein-Westfalen: AGe Bielefeld, Essen, Düsseldorf, Köln (KonzentrationsVO Gruppen-Gerichtsstand in Insolvenzsachen v. 21.4.2018, GV. NRW 2018, 239); Sachsen: AG Leipzig (VO v. 7.12.2018, SächsGVBl. 2018, 735); Sachsen-Anhalt: AG Halle (LSAZivGerZustVO v. 20.7.2018, GVBl. LSA 2018, 237). 12) Dies ergibt sich aus § 3c Abs. 2. Vgl. auch Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 20; Schaaf/Filbinger, BB 2019, 1801, 1803 ff; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3a Rz. 3. 13) Im Ergebnis ebenso Blankenburg, ZInsO 2019, 169, 171 ff; a. A. Braun-Baumert, InsO, § 2 Rz. 16 und Kraemer/Vallender/Vogelsang-Pollmächer, InsO, Fach 2 Kap. 25 Rz. 21, die sich dafür aussprechen, dass beide Anträge beim Konzentrationsgericht gestellt werden.
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§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt, genutzt werden kann.14) Erst wenn das Schwerpunktgericht die Voraussetzungen für eine Konzentration der Verfahren einer Unternehmensgruppe bejaht, ist die Zuständigkeit des Gerichts des GruppenGerichtsstands begründet. Ab diesem Zeitpunkt wird das Insolvenzgericht, bei dem der Insolvenzantrag gestellt wurde, unzuständig. Es hat das Verfahren an das aufgrund der Konzentrationsverordnung zuständige Gericht des Gruppen-Gerichtsstands abzugeben.15) 2.
Gruppenangehöriger Schuldner (Abs. 1 Satz 1)
Der antragstellende Schuldner hat darüber hinaus Teil einer „Unternehmensgruppe“ zu sein, die in § 3e definiert wird. Der Gruppenbegriff ist bewusst weit gefasst worden, um der Vielzahl der Unternehmensverbindungen Rechnung tragen zu können. Er lehnt sich an das Handelsbilanzrecht an, das in § 290 HGB darauf abstellt, ob zwei Unternehmen derart miteinander verbunden sind, dass eines die Möglichkeit hat, auf das andere einen beherrschenden Einfluss auszuüben. Nicht übernommen wurde die Regelung aus § 290 Abs. 1 HGB, dass das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft sein muss, weil eine Verfahrenskoordinierung auch dann sinnvoll sein kann, wenn das herrschende Unternehmen eine andere Rechtsform hat. Um auch Gleichordnungskonzerne einzubeziehen, die nicht über das Kriterium der Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses erfasst werden können, ist – in Anlehnung an das Aktienkonzernrecht (vgl. § 18 Abs. 2 AktG) – als zusätzliche Voraussetzung die einheitliche Leitung aufgenommen worden. Unter den Begriff der Unternehmensgruppe fallen ebenfalls kapitalistische Personengesellschaften wie die GmbH & Co KG (§ 3e Abs. 2).16) Die Unternehmensgruppe muss den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben. Vgl. i. Ü. die Ausführungen unter § 3e. 3.
5
Keine untergeordnete Bedeutung für die Unternehmensgruppe (Abs. 1 Satz 2, Satz 4)
Das antragstellende Unternehmen darf innerhalb der zugehörigen Unternehmensgruppe keine offensichtlich untergeordnete Bedeutung haben. Wann eine solche untergeordnete Bedeutung nicht anzunehmen ist, wird durch Regelbeispiele in Absatz 1 Satz 2, die keinen abschließenden Charakter haben,17) näher bestimmt. Keine untergeordnete Bedeutung liegt danach vor, wenn beim antragstellenden Unter_____________ 14) Vgl. dazu auch die Ausführungen von Berner/Zenker in: FS Graf-Schlicker, S. 171, 176 f. 15) Vgl. dazu Uhlenbruck-Pape, InsO, § 2 Rz. 11. 16) Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21. 17) In der Begründung des RegE des Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen ist deshalb von einem „quantitativen Orientierungspunkt“ die Rede, BTDrucks. 18/407, S. 26. Im Ergebnis ebenso AG Hamburg, Beschl. v. 9.6.2020 – 67g IN 136/20, ZRI 2020, 391; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3a Rz. 7; Wilken in: Flöther, Konzerninsolvenzrecht, § 4 Rz. 57; Gelbrich/Flöther in: BeckOK-InsO, § 3a Rz. 13; a. A. Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3a Rz. 6, der eine widerlegliche negative Vermutung annimmt (Rz. 5) und bei den Schwellenwerten eine abweichende Einschätzung für zulässig erachtet (Rz. 6); ebenfalls eine widerlegbare Vermutung nehmen an: WimmerWimmer-Amend, FK-InsO, § 3a Rz. 24; Harder, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche, ZInsO 2017, 2585, 2590.
Graf-Schlicker
19
6
§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
nehmen im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr mehr als 15 % der insgesamt in der Unternehmensgruppe im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer (§ 267 Abs. 5)18) tätig waren.19) Darüber hinaus müssen vom antragstellenden Unternehmen mehr als 15 % entweder der Bilanzsumme oder der Umsatzerlöse der zusammengefassten Gruppe erwirtschaftet worden sein. Dafür hat der Antragsteller die gemäß § 13a Abs. 2 notwendigen Unterlagen vorzulegen. Besteht für die Unternehmensgruppe keine Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach §§ 290 ff HGB oder liegen solche Abschlüsse nicht vor, sind diese Schwellenwerte anhand untechnischer Zusammenfassungen der Abschlüsse nach freiem richterlichen Ermessen abzuschätzen.20) 7
Erfüllt keines der gruppenzugehörigen insolventen Unternehmen die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 und ist deshalb unklar, bei welchem Insolvenzgericht ein Gruppen-Gerichtsstand begründet werden kann, ist auf die Anzahl der Arbeitnehmer im vergangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr abzustellen. Als Gruppen-Gerichtsstand kann in diesem Fall das Gericht bestimmt werden, das für den gruppenangehörigen Schuldner mit der höchsten Arbeitnehmerzahl21) zuständig ist (Abs. 1 Satz 4).22) _____________ 18) Die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl der Unternehmensgruppe lässt sich dem Anhang zum Konzernabschluss gemäß § 314 Abs. 1 Nr. 4 HGB entnehmen; vgl. auch WimmerWimmer-Amend, FK-InsO, § 3a Rz. 27. 19) Das Abstellen auf die Arbeitnehmer soll sicherstellen, dass den Betriebsstandorten mit einer großen Beschäftigtenzahl bei der Bestimmung des Gruppen-Gerichtsstands hinreichend Rechnung getragen wird, vgl. Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21. 20) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 27. 21) Für den Begriff des Arbeitnehmers, der auch in § 22a enthalten ist, sind das Arbeitsrecht sowie die Auslegung durch das BAG maßgebend. Arbeitnehmer ist danach eine natürliche Person, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags einem anderen zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist, Reiner in: MünchKommHGB, § 267 Rz. 8; Gelbrich/Flöther in: BeckOK-InsO, § 3a Rz. 16. Zu den Arbeitnehmern gehören demnach: Heimarbeiter, wegen Mutterschaft Beurlaubte, in einem Probearbeitsverhältnis Befindliche, unselbständige Handelsvertreter (§ 84 Abs. 2 HGB), wegen einer Wehrübung kurzfristig Freigestellte, Aushilfskräfte sowie Teilzeitkräfte, die allerdings voll zu berücksichtigen sind. Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer sind nach § 267 Abs. 5 HGB bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl einzubeziehen. Nicht dazu zählen z. B. freie Mitarbeiter, Arbeitnehmer in Elternzeit, da das Arbeitsverhältnis – im Gegensatz zu Arbeitnehmern in Mutterschaftsurlaub – ruht, Ein-Euro-Jobs nach § 16d SGB II, Leiharbeitnehmer i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, Auszubildende, Umschüler, Volontäre, Praktikanten, wenn das Ausbildungsverhältnis den Schwerpunkt bildet (§ 267 Abs. 5 HGB), Mitglieder der Gesellschaftsorgane, allerdings nur dann, wenn sie der Weisung oder der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft unterliegen und jederzeit ohne Einschränkung von ihrem Amt abberufen werden können (bspw. als Geschäftsführer), Reiner in: MünchKomm-HGB, § 267 Rz. 8. Nach der Rspr. des BAG zählen dazu auch im Entleiherbetrieb regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer, BAG, Beschl. v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, Rz. 21 ff, ZIP 2013, 1489, 1490, dazu EWiR 2013, 539, (Korff); als Arbeitnehmer eingestuft werden können auch Crowdworker, BAG, Urt. v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552. 22) Die Regelung ist erst durch den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingefügt worden, vgl. Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21.
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Graf-Schlicker
§ 3a
Gruppen-Gerichtsstand
4.
Mehrere Anträge (Abs. 1 Satz 3)
Maßgebend für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands ist der erste hierauf gerichtete Antrag eines gruppenangehörigen Unternehmens,23) wie sich einem Umkehrschluss aus Absatz 1 Satz 3 entnehmen lässt.24) Das Gesetz knüpft bewusst nicht an den Standort des Mutterunternehmens an.25) Eine solche Anknüpfung wäre unangemessen, wenn das Mutterunternehmen gar nicht insolvent wäre oder den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Ausland hätte. Gegen das Prioritätsprinzip spricht auch nicht das häufig angeführte Argument, es ermögliche eine missbräuchliche Wahl eines Gruppen-Gerichtsstands.26) Anders als bei grenzüberschreitenden Sachverhalten hat die Zuständigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland keine Auswirkungen auf das anzuwendende Recht eines Insolvenzverfahrens. Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, das geltende Recht werde innerhalb der deutschen Gerichtsbarkeit nicht richtig angewandt.27) Möglich könnte allerdings sein, dass vermehrt Gerichtsstände dort begründet werden, wo aufgrund einer Konzentration der Verfahren größere Sachkunde und Erfahrung bei den Gerichten vorhanden ist. Das stellt jedoch einen sachlichen und keinen missbräuchlichen Anknüpfungspunkt dar, der zudem seitens der Landesjustizverwaltungen durch die gesetzlich möglichen Konzentrationen der Insolvenzverfahren nach § 2 Abs. 3 bewusst gesteuert werden kann.28)
8
Für den Fall, dass mehrere Anträge auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands zeitgleich29) gestellt werden oder Unklarheit über den Zeitpunkt des ersten Antrags besteht, ordnet Absatz 1 Satz 3 an, dass der Antrag des Schuldners maßgebend ist, der im abgelaufenen Geschäftsjahr die meisten Arbeitnehmer beschäftigt hat. Die anderen Anträge sind unzulässig.
9
_____________ 23) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 26. 24) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 27; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3a Rz. 9. 25) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 19. 26) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 19; Verhoeven, ZInsO 2014, 217, 218; Frind, ZInsO 2014, 927. 27) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 19. 28) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 19. Davon haben zahlreiche Länder Gebrauch gemacht. BadenWürttemberg: AGe Karlsruhe, Mannheim (ZuVOJu v. 8.5.2018, GBl. 2018, 195); Bayern: AGe Nürnberg, München, (GZVJu v. 13.5.2018, GVBl. 2018, 372); Brandenburg: AG Potsdam (GerZV v. 26.11.2018, GVBl. II 2018 Nr. 89); Bremen: AG Bremen (InsolvenzgerichtsBestimmungsVO v. 10.4.2018, Brem.GBl. 2018, 89); Hessen: AG Frankfurt/M. (§ 6 JuZuV v. 12.12.2018); Niedersachsen: AGe Göttingen, Hannover, Oldenburg (JustVO-Justiz v. 27.8.2019, Nds. GVBl. 16/2019, 264); Nordrhein-Westfalen: AGe Bielefeld, Essen, Düsseldorf, Köln (KonzentrationsVO Gruppen-Gerichtsstand in Insolvenzsachen v. 21.4.2018, GV. NRW, 2018, 239); Sachsen: AG Leipzig (VO v. 7.12.2018, SächsGVBl. 2018, 735); Sachsen-Anhalt: AG Halle (LSAZivGerZustVO v. 20.7.2018, GVBl. LSA 2018, 237). 29) S. dazu § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3.
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§ 3a 5. 10
Gruppen-Gerichtsstand
Gemeinsames Gläubigerinteresse (Abs. 2)
Die Regelung in Absatz 2 räumt dem Insolvenzgericht die Möglichkeit ein, die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands abzulehnen, wenn Zweifel bestehen, dass eine Konzentration der Verfahren am angerufenen Gericht im gemeinsamen Interesse sämtlicher Gläubiger der Unternehmensgruppe liegt. Das Insolvenzgericht hat also nicht positiv festzustellen, dass ein Kooperationsvorteil besteht. Zweifel sind jedenfalls dann nicht angebracht, wenn durch die Verfahrensbündelung Koordinationsgewinne zu erwarten sind, die einigen Insolvenzmassen zufließen, ohne die anderen zu benachteiligen.30) III. Zuständigkeitsverknüpfung von Insolvenzen und Restrukturierungen
11
Nach Absatz 4 soll das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands für Insolvenzverfahren auch für Entscheidungen in Restrukturierungssachen gruppenverbundener Unternehmen zuständig sein, sofern dieses Gericht nach § 34 StaRUG31) sachlich für diese Sachen zuständig ist. Die Vorschrift ergänzt quasi spiegelbildlich § 37 Abs. 3 StaRUG, mit dem – durch Erweiterung der Zuständigkeit des RestrukturierungsGruppen-Gerichtsstand auf Insolvenzverfahren – ebenfalls eine möglichst weitgehende Zusammenfassung der Insolvenz- und Restrukturierungssachen innerhalb einer Unternehmensgruppe bei einem Gericht erreicht werden soll.32)
12
Der Verweis auf die sachliche Zuständigkeit des § 34 StaRUG ist notwendig, weil es durch die Zuständigkeitskonzentration auf höchstens ein Restrukturierungsgericht pro OLG-Bezirk weniger Restrukturierungsgerichte als Insolvenzgerichte für Unternehmensgruppen gibt.33) IV. Funktionelle Zuständigkeit
13
Die Entscheidung über die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands ist von weitreichender Bedeutung für gruppenverbundene Insolvenzverfahren. Deshalb soll die funktionelle Zuständigkeit für die Entscheidung nicht davon abhängen, ob das Verfahren bereits eröffnet ist oder sich noch in der Eröffnungsphase befindet.34) Der Gesetzgeber hat daher die Entscheidung, die nicht rechtsmittelfähig ist (§ 6), auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Richter vorbehalten (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG).
_____________ 30) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 27. 31) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 32) Begr. RegE SansInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142; Flöther-Laroche, StaRUG, § 37 Rz. 13. 33) Begr. RegE SansInsFoG, BT-Druck. 19/24181, S. 191. 34) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 42.
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§ 3b
Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands
§ 3b Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands Graf-Schlicker
Ein nach § 3a begründeter Gruppen-Gerichtsstand bleibt von der Nichteröffnung, Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens über den antragstellenden Schuldner unberührt, solange an diesem Gerichtsstand ein Verfahren über einen anderen gruppenangehörigen Schuldner anhängig ist. Literatur: Birnbreier, Begründung und Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands, NZI Beilage Heft 1/2018, 11; Graf-Schlicker, Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht – eine wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit, AnwBl. 2013, 620; Harder, Das neue deutsche Konzerninsolvenzrecht im Überblick, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach InsO und EuInsVO – Probleme und Fragen aus gerichtlicher Sicht, ZInsO 2017, 2585. Übersicht I.
Normzweck und -inhalt ...................... 1
I.
Normzweck und -inhalt
II. Keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit ........................................ 2
Die Norm1) regelt die Auswirkungen der Beendigung des für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands maßgebenden Verfahrens auf die an diesem Gerichtsstand anhängigen Folgeverfahren. Sie legt fest, dass ein einmal begründeter Gruppen-Gerichtsstand fortbesteht, solange noch mindestens ein gruppenzugehöriges Verfahren dort anhängig ist.2)
1
II. Keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit Voraussetzung für die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands ist nur ein zulässiger, kein begründeter Insolvenzantrag. Deshalb sind Fälle denkbar, in denen sich der zulässige Eröffnungsantrag zu einem späteren Zeitpunkt als unbegründet (z. B. § 26) erweist. Möglich ist auch, dass das Verfahren zwar eröffnet, aber später eingestellt (§ 207 Abs. 1, 211 Abs. 1) oder aufgehoben (§ 200 Abs. 1) wird. Die Norm bestimmt, dass sich solche Änderungen auf den einmal begründeten Gruppen-Gerichtsstand nicht auswirken, wenn noch andere gruppenangehörige Verfahren dort anhängig sind. Für bereits anhängige Verfahren folgt das Fortbestehen der Zuständigkeit bereits aus § 4 InsO, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Über diese Regelungen hinaus bestimmt § 3b jedoch, dass der Gruppen-Gerichtsstand auch für noch nicht anhängige Folgeverfahren bestehen bleibt, solange das Insolvenzgericht mit mindestens einem Verfahren eines gruppenangehörigen Schuldners befasst ist.
2
Dagegen ist die Norm nicht einschlägig, wenn das Ausgangsverfahren beendet und kein Folgeverfahren am Gruppen-Gerichtsstand mehr anhängig ist.3) In einem solchen Fall müsste das Verfahren nach § 3a auf Begründung eines GruppenGerichtsstands erneut eingeleitet werden. _____________
3
1) 2) 3)
Eingefügt durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866, in Kraft getreten am 21.4.2018. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 20. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3b Rz. 6; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3b Rz. 3.
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§ 3c
Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren
§ 3c Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren Graf-Schlicker
(1) Am Gericht des Gruppen-Gerichtsstands ist für Gruppen-Folgeverfahren die Abteilung zuständig, die für das Verfahren zuständig ist, in dem der GruppenGerichtsstand begründet wurde. ) (2) Der Antrag auf Eröffnung eines Gruppen-Folgeverfahrens kann auch bei dem nach § 3 Absatz 1 zuständigen Gericht gestellt werden.
)
§ 3c Abs. 1 geändert durch Art. 5 Nr. 3 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281, m. W. v. 1.1.2021. § 3c Abs. 1 i. d. F. bis 31.12.2020 lautete: „(1) Am Gericht des Gruppen-Gerichtsstands ist für Gruppen-Folgeverfahren der Richter zuständig, der für das Verfahren zuständig ist, in dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wurde.“
Literatur: Birnbreier, Begründung und Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands, NZI Beilage Heft 1/2018, 11; Blankenburg, Leitfaden für die Insolvenzgerichte durch das Konzerninsolvenzrecht, ZInsO 2018, 897; Eidenmüller/Frobenius, Ein Regulierungskonzept zur Bewältigung von Gruppeninsolvenzen: Verfahrenskonsolidierung im Kontext nationaler und internationaler Reformvorhaben, ZIP Beilage Heft 22/2013, 1; Graf-Schlicker, Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht – eine wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit, AnwBl. 2013, 620; Harder, Das neue deutsche Konzerninsolvenzrecht im Überblick, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach InsO und EuInsVO – Probleme und Fragen aus gerichtlicher Sicht, ZInsO 2017, 2585; Leithaus/Lange, Konzerninsolvenzrecht oder altes Recht – für alle Fälle geeignet?, NZI Beilage Heft 11/2018, 44; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Teil 1), ZInsO 2020, 2579. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Konzentration der Verfahren bei einem Richter (Abs. 1) .................. 2
I. 1
III. Zuständigkeit für den Antrag auf Begründung des GruppenGerichtsstands (Abs. 2) ....................... 4
Normzweck und -inhalt
Die Norm1) bezweckt, auch innerhalb des Gruppen-Gerichts die Bearbeitung der Verfahren durch denselben Abteilungsrichter sicherzustellen. Ferner schafft sie die Möglichkeit, den Antrag zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstand auch bei dem nach § 3 zuständigen Insolvenzgericht zu stellen. II. Konzentration der Verfahren bei einem Richter (Abs. 1)
2
Die Konzentration der Gruppen-Verfahren bei einem Insolvenzgericht würde wenig Sinn machen, wenn auf der Ebene der Richterinnen und Richter die Zersplitterung der Zuständigkeit fortgesetzt würde und innerhalb des Gerichts unterschiedliche Personen für die gruppenangehörigen Verfahren zuständig wären. Deshalb
_____________ 1)
24
Eingefügt durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866, in Kraft getreten am 21.4.2018.
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Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren
§ 3c
bestimmt Absatz 1, dass die Abteilung des AG,2) die nach dem vom Präsidium des Gerichts aufgestellten Geschäftsverteilungsplan für das Verfahren zuständig ist, mit dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wird, auch die Gruppen-Folgeverfahren zu bearbeiten hat. Insoweit wird die Gestaltungsfreiheit des Präsidiums bei der Geschäftsverteilung nach § 21e Abs. 1 GVG durch eine gesetzliche Zuständigkeitsbestimmung eingeengt.3) In der Regel wird dies derselbe Richter sein.4) Eine Änderung in der Richterzuständigkeit dürfte es nur bei einem Richterwechsel innerhalb der zuständigen Abteilung geben. Eine entsprechende Regelung für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sieht das Gesetz nicht vor. Dennoch liefert die richterliche Zuständigkeitsregelung für die Behördenleitungen der Gerichte, die für die Geschäftsverteilung der Rechtspflegeraufgaben zuständig sind, einen gewichtigen Anhaltspunkt, wie die Zuständigkeitsregelungen für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger festgelegt werden sollten.5)
3
III. Zuständigkeit für den Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands (Abs. 2) Der Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a ist kein ausschließlicher Gerichtsstand, wie sich aus Absatz 2 herleiten lässt.6) Deshalb kann grundsätzlich sowohl dort als auch bei dem nach § 3 Abs. 1 zuständigen Insolvenzgericht der Antrag auf Eröffnung eines Gruppen-Folgeverfahrens gestellt werden. Zu der Frage, wo die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands zu stellen sind, wenn die Länder von der Ermächtigung des § 2 Abs. 3 Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für einen Gruppen-Gerichtsstand konzentriert haben, siehe § 3a Rz. 4. _____________ 2)
3)
4)
5)
6)
Durch Art. 5 Nr. 3 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281, ist der Begriff des „Richters“ in „Abteilung“ geändert worden. Der Begriff der „Abteilung“ des Amtsgerichts ist – im Gegensatz zu § 23b GVG (Familiengerichte) und § 23c GVG (Betreuungsgerichte) – für Insolvenzsachen nicht gesetzlich definiert. Verstanden werden sollte er als Spruchkörper am AG, dem der Einzelrichter vorsitzt, a. A. offensichtlich Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2581, der den Begriff der „Abteilung“ offenbar nicht dem einzelnen Spruchkörper zuordnet. Der Begriffswechsel soll Probleme beim Richterwechsel innerhalb des Spruchkörpers, aber auch in Vertretungsfällen verhindern, Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. Der Forderung des BR, die zwingende Ist-Bestimmung in eine Soll-Bestimmung umzugestalten (vgl. BR-Drucks. 663/1/13, S. 2), ist der Gesetzgeber bewusst nicht gefolgt, um die einheitliche Bearbeitung durch einen Richter sicherzustellen. Vgl. dazu auch die Regelung in § 36 StaRUG und § 10a Abs. 3 InsO, an die § 3a InsO angepasst wurde, s. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 142; Begr. RegE SanInsFoG z. Nr. 22, BR-Drucks. 619/20 (Beschluss), S. 20; Bericht d. RA z. RegE SanInsFoG, BTDrucks. 19/25353, S. 11. So im Ergebnis auch Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3b Rz. 6; Kayser/TholeSternal, HK-InsO, § 3c Rz. 4; AG Hamburg, Beschl. v. 9.6.2020 – 67g IN 136/20, juris, – die die Norm analog auf die Rechtspfleger anwenden wollen, ohne sich allerdings näher mit den Voraussetzungen einer Analogie auseinander zu setzen; a. A. Laroche, ZInsO 2017, 2585, 2589. Wimmer, jurisPR-InsR 8/2017 Anm. 1; krit. dazu: Eidenmüller/Frobenius, ZIP Beilage Heft 22/2013, 1, 9.
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4
§ 3d 5
Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand
War in Bezug auf andere gruppenangehörige Schuldner vor dem Beschluss des Gerichts zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, so geht – gemäß § 3 Abs. 2 – dieser Antrag etwaigen späteren Anträgen vor.7) Nach § 3d besteht sodann die Möglichkeit der Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand. _____________ 7)
Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 28.
§ 3d Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand Graf-Schlicker
(1) 1Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners bei einem anderen Insolvenzgericht als dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands beantragt, kann das angerufene Gericht das Verfahren an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands verweisen. 2Eine Verweisung hat auf Antrag zu erfolgen, wenn der Schuldner unverzüglich nachdem er Kenntnis von dem Eröffnungsantrag eines Gläubigers erlangt hat, einen zulässigen Eröffnungsantrag bei dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands stellt. (2) 1Antragsberechtigt ist der Schuldner. 2§ 3a Absatz 3 gilt entsprechend. (3) Das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands kann den vom Erstgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter entlassen, wenn dies erforderlich ist, um nach § 56b eine Person zum Insolvenzverwalter in mehreren oder allen Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu bestellen. Literatur: Baumert, Konzerninsolvenzrecht: Antragslose Verweisung an den GruppenGerichtsstand und Recht auf gesetzlichen Richter, NZI 2019, 103; Birnbreier, Begründung und Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands, NZI Beilage Heft 1/2018, 11; Harder, Das neue deutsche Konzerninsolvenzrecht im Überblick, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach InsO und EuInsVO – Probleme und Fragen aus gerichtlicher Sicht, ZInsO 2017, 2585; Thole, Das neue Konzerninsolvenzrecht in Deutschland und Europa, KTS 2014, 351. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Verweisungsmöglichkeiten beim Insolvenzantrag des Schuldners ......... 2 III. Verweisungsmöglichkeiten beim Insolvenzantrag des Gläubigers (Abs. 1, Abs. 2) ..................................... 3
I. 1
IV. Entscheidungsform und -wirkungen .................................... 4 V. Entlassung des Insolvenzverwalters (Abs. 3) ..................................... 6
Normzweck
Die Norm1) dient dazu, durch Verweisungsmöglichkeiten einen Gruppen-Gerichtsstand für alle gruppenangehörigen Unternehmen zu begründen. Um das Verfahren auch in einem solchen Fall möglichst effektiv zu gestalten, sieht Absatz 3 vor, dass _____________ 1)
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Eingefügt durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866, in Kraft getreten am 21.4.2018.
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Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand
§ 3d
das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands den vom Erstgericht bestellten Insolvenzverwalter entlassen kann. II. Verweisungsmöglichkeiten beim Insolvenzantrag des Schuldners Stellt ein gruppenangehöriges Unternehmen bei einem anderen Gericht als dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so kann das angerufene Gericht das Verfahren dorthin verweisen. Die Verweisung liegt im Ermessen des Gerichts, ein Antrag des Schuldners hierfür ist nicht erforderlich.2) Das Gericht hat – nach Anhörung des Schuldners3) – abzuwägen, ob eine Verweisung unter Berücksichtigung des Verfahrensstands den Interessen der Gläubiger entspricht oder das Verfahren bereits so weit fortgeschritten ist, dass Effektivitätsgewinne nicht mehr erzielt werden können.4) Die Verweisung setzt voraus, dass der Gruppen-Gerichtsstand bei dem aufnehmenden Gericht bereits begründet wurde.5)
2
III. Verweisungsmöglichkeiten beim Insolvenzantrag des Gläubigers (Abs. 1, Abs. 2) Auf Antrag eines Gläubigers kann ein Gruppen-Gerichtsstand nicht begründet werden.6) Stellt jedoch der Schuldner eines gruppenverbundenen Unternehmens unverzüglich7) nach der Kenntnis von dem Gläubigerantrag einen zulässigen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem Gericht des GruppenGerichtsstands, hat das Gericht das Verfahren auf Antrag des Schuldners, des „starken vorläufigen Insolvenzverwalters“ oder des Insolvenzverwalters zu verweisen. Durch das Erfordernis der unverzüglichen Eigenantragstellung soll sichergestellt sein, dass eine Verweisung nicht mehr in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem beim aufnehmenden Gericht schon entscheidende Weichen gestellt sind.8)
3
IV. Entscheidungsform und -wirkungen Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss,9) der zumindest im Falle der Ermessensentscheidung zu begründen ist. Funktionell zuständig ist – unabhängig vom Verfahrensstand – der Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG). _____________ 2)
3) 4) 5)
6) 7) 8) 9)
So auch Thole, KTS 2014, 351, 357; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3d Rz. 4, 5; a. A. Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3d Rz. 3, der eine Antragspflicht – zu Unrecht – aus dem Zusammenspiel von Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 herleitet. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3d Rz. 6; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3d Rz. 5; Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3d Rz. 5. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 28. Thole, KTS 2014, 351, 357; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3d Rz. 3; Kayser/ Thole-Sternal, HK-InsO, § 3d Rz. 2; a. A. Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3d Rz. 3, wonach schon der Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands ausreichen soll, allerdings ohne sich damit auseinander zu setzen, dass bei mehreren Anträgen zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands das verweisende Gericht diesen dann selbst bestimmen würde. Baumert, NZI 2019, 103, 104. Vgl. dazu die Definition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 28. Im Ergebnis ebenso Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3d Rz. 6; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3d Rz. 5; Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3d Rz. 3.
Graf-Schlicker
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4
§ 3e 5
Unternehmensgruppe
Die Verweisung ist – wie sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Bindungswirkung solcher Entscheidungen gemäß §§ 17a Abs. 2 Satz 3, 102 Satz 2 GVG, §§ 281 Abs. 2 Satz 4, 506 Abs. 2 ZPO, § 48 ArbGG, § 3 Abs. 3 Satz 2 FamFG herleiten lässt10) – für das aufnehmende Gericht bindend, es sei denn, die Verweisung ist unter Verstoß gegen elementare Rechtsvorschriften ergangen, z. B. gegen Art. 103 Abs. 1,11) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG,12) oder entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage und ist deshalb als willkürlich zu betrachten.13) V. Entlassung des Insolvenzverwalters (Abs. 3)
6
Absatz 3 räumt dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands die Möglichkeit ein, den in dem verwiesenen Verfahren bereits bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter zu entlassen, um eine effiziente Verfahrensabwicklung am Gruppen-Gerichtsstand bewirken zu können. Seinem Sinn und Zweck nach gilt die Regelung ebenfalls, sofern in dem verwiesenen Verfahren bereits ein Insolvenzverwalter bestellt war.14) Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 6). _____________ 10) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 28. 11) BGH, Beschl. v. 15.3.1978 – IV ARZ 17/78, NJW 1978, 1163; BGH, Beschl. v. 11.7.1990 – XII ARZ 25/90, FamRZ 1990, 1101. 12) BGH, Beschl. v. 15.8.2017 – X ARZ 204/17, Rz. 15, NJW-RR 2017, 1213. 13) BGH, Beschl. v. 15.8.2017 – X ARZ 204/17, Rz. 15, NJW-RR 2017, 1213; BGH, Beschl. v. 9.6.2015 – X ARZ 115/15, Rz. 9, ZIP 2015, 1803. 14) Ebenso Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3d Rz. 9; Braun-Baumert, InsO, § 3d Rz. 6; a. A. Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3d Rz. 26, unter Hinweis darauf, dass im Falle der Abberufung eines bereits bestellten Insolvenzverwalters die Verfahren fortgeschritten seien und der Verwalterwechsel daher nachteilig für die Gläubiger sei. Eine Ablösung des Verwalters sei nur noch nach § 57 oder § 59 InsO möglich, ebenso Uhlenbruck-G. Pape, InsO, § 3d Rz. 15.
§ 3e Unternehmensgruppe Graf-Schlicker
(1) Eine Unternehmensgruppe im Sinne dieses Gesetzes besteht aus rechtlich selbständigen Unternehmen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind durch 1.
die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder
2.
eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung.
(2) Als Unternehmensgruppe im Sinne des Absatzes 1 gelten auch eine Gesellschaft und ihre persönlich haftenden Gesellschafter, wenn zu diesen weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft zählt, an der eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. Literatur: Graf-Schlicker, Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht – eine wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit, AnwBl 2013, 620; Graf-Schlicker, Konzerninsolvenzrechtsre-
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Graf-Schlicker
§ 3e
Unternehmensgruppe
form, in: Bankenregulierung, Insolvenzrecht, Kapitalanlagegesetzbuch, Honorarberatung, Bankrechtstag 2013, S. 27; Laroche, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach InsO und EuInsVO – Probleme und Fragen aus gerichtlicher Sicht, ZInsO 2017, 2585; Mock, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, DB 2017, 951; Thole, Das neue Konzerninsolvenzrecht in Deutschland und Europa, KTS 2014, 351. Vallender, Konzernsanierung durch Aufrechterhaltung der (faktischen) Leitungsmacht mittels Eigenverwaltung, NZI 2020, 761. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Begriff der Unternehmensgruppe ..... 2
I.
1. 2.
Regelung in Absatz 1 ............................ 2 Regelung in Absatz 2 ............................ 6
Normzweck
Die Norm1) definiert den Gruppenbegriff, um den Anwendungsbereich der konzernrechtlichen Regelungen bestimmen zu können.
1
II. Begriff der Unternehmensgruppe 1.
Regelung in Absatz 1
Durch die Ausgestaltung des Gruppenbegriffs sollte einerseits vermieden werden, dass bei der Frage, ob die konzernrechtlichen Regelungen Anwendung finden, komplexe Rechts- und Tatsachenprüfungen zu erfolgen haben, andererseits sollte der Begriff hinreichend weit sein, um der Vielgestaltigkeit des Konzernphänomens Rechnung tragen zu können.2)
2
Eine Unternehmensgruppe besteht demgemäß aus mindestens zwei Unternehmensträgern, die rechtlich selbständig sind,3) ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt im Inland haben und über eines der beiden in Absatz 1 Nr. 1 und 2 aufgeführten Kriterien unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind.4) Unternehmerisch tätige natürliche Personen fallen – wie Absatz 2 verdeutlicht – nicht unter den Gruppenbegriff.5)
3
Das erste Kriterium, die „Möglichkeit beherrschenden Einfluss auszuüben“, knüpft an § 290 HGB an.6) Es handelt sich um ein relativ einfach zu handhabendes und hinreichend weit gefasstes Kriterium, weil im Einzelfall nicht zu klären ist, ob der beherrschende Einfluss tatsächlich ausgeübt wird. Zur Auslegung dieses Kriteriums kann auf die typisierenden Tatbestände des § 290 Abs. 2 HGB zurückgegriffen
4
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Eingefügt durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866, in Kraft getreten am 21.4.2018. Graf-Schlicker in: Bankrechtstag 2013, S. 27, 30. Vgl. zur Eigenverwaltung in der Konzerninsolvenz Vallender, NZI 2020, 761. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3e Rz. 2; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3e Rz. 2; Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3e Rz. 3. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 28. Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3e Rz. 2; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3e Rz. 3; a. A. Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 3e Rz. 8; Mock, DB 2017, 951. Graf-Schlicker, AnwBl. 2013, 620.
Graf-Schlicker
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§4
Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
werden.7) Die Regelung setzt jedoch nicht – wie § 290 Abs. 1 HGB – voraus, dass das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, vielmehr werden vom Gruppenbegriff dieser Norm auch andere Unternehmensträger erfasst, wenn sie die Stellung eines Mutterkonzerns einnehmen. Ebenso wenig ist der Gruppenbegriff durch die Befreiung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses in § 290 Abs. 5 HGB eingeschränkt. Die Koordinierung der gruppenverbundenen Insolvenzverfahren kann unabhängig davon, ob eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses besteht, notwendig sein, um optimale Ergebnisse bei der Gläubigerbefriedigung zu erzielen. 5
Das weitere Kriterium „Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung“, welches an § 18 Abs. 2 AktG angelehnt ist, dient dazu, auch Gleichordnungskonzerne in den Gruppenbegriff einbeziehen zu können.8) 2.
6
Regelung in Absatz 2
Die Regelung in Absatz 2 ist erst durch den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingefügt worden.9) Sie erweitert den Gruppenbegriff um Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, an denen auch mittelbar keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist.10) Mit dieser Regelung wird die Streitfrage geklärt, ob auf kapitalistische Personengesellschaften die konzernrechtlichen Regelungen Anwendung finden.11) Hauptanwendungsfall dürfte die GmbH & Co. KG sein. Absatz 2 fingiert daher auch für solche Gesellschaften das Bestehen einer Unternehmensgruppe.12) _____________ 7) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 29. 8) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 29. 9) Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 7, 21 f. 10) Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21. 11) Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 7, 21. 12) Begr. RA z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21 f.
§4 Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung Kexel
1
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. 2§ 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können. )
)
30
§ 4 Satz 2 eingefügt durch Art. 5 Nr. 4 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, m. W. v. 1.1.2021.
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§4
Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
Literatur: Mantz/Spoenle, Corona-Pandemie: Die Verhandlung per Videokonferenz nach § 128a ZPO als Alternative zur Präsenzverhandlung, MDR 2020, 637; Windau, Die Verhandlung im Wege der Bild und Tonübertragung – Praxisorientierte Überlegungen zu Gegenwartsproblemen des Zivilprozessrechts, NJW 2020, 2753. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Anwendbare Vorschriften der ZPO ..... III. Videokonferenz, § 128a ZPO (Satz 2) ................................................... IV. Sonderbestimmungen ......................... V. Prozesskostenhilfe ...............................
I.
1 2 3 6 7
1. Antrag eines Insolvenzgläubigers ......... 7 2. Antrag des Insolvenzverwalters ........... 8 3. Antrag des Schuldners .......................... 9 VI. Anwendbarkeit weiterer Gesetze ..... 11 VII. Auskunfts- und Vorlageverlangen des Finanzamts (§§ 93, 97 AO) ........ 12
Normzweck
Die InsO verzichtet auf ein eigenständiges, umfassendes Verfahrensrecht. § 4 erklärt die Vorschriften der ZPO für entsprechend anwendbar, soweit nicht einzelne Bestimmungen entgegenstehen. An zahlreichen Stellen finden sich in der InsO jedoch bereits spezielle Verweisungen auf Regeln der ZPO,1) sodass § 4 auch als Auffangtatbestand angesehen werden kann. Die explizite Verweisung auf § 128a ZPO im durch das SanInsFoG mit dem Ziel der Effektuierung des Insolvenzverfahrens2) angefügten Satz 2 stellt klar, dass sich auch das Insolvenzgericht der Möglichkeit der Videokonferenztechnik bedienen kann; die als Maßgabe ausgesprochene Hinweisverpflichtung soll dem Schutz der Vertraulichkeit in nichtöffentlichen Terminen dienen.3)
1
II. Anwendbare Vorschriften der ZPO Die Anwendbarkeit einzelner Normen der ZPO kann schon im Hinblick auf die weitreichenden Unterschiede zwischen Insolvenz- und Erkenntnisverfahren nur eine entsprechende bzw. sinngemäße sein. Grundsätzlich können auch nur die Normen herangezogen werden, die dem besonderen Charakter des Insolvenzverfahrens nicht zuwiderlaufen.4) So sind etwa Vorschriften des 8. Buches der ZPO größtenteils unanwendbar, weil das Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren in einem Gegensatz zur Einzelvollstreckung nach den §§ 703 ff ZPO steht.5) Als prinzipiell anwendbare Regelungen können angesehen werden:6) –
Vorschriften über den allgemeinen Gerichtsstand (§§ 13 ff ZPO, siehe oben § 3 Rz. 10),
–
Bestimmung des zuständigen Gerichts (§§ 36, 37 ZPO; siehe oben zu § 3 Rz. 19 f),
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
§§ 8 Abs. 1 Satz 2, 26 Abs. 2 Satz 2, 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2, 64 Abs. 3 Satz 2, 85 Abs. 1 Satz 2, 98 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 148 Abs. 2 Satz 2, 186 Abs. 1 Satz 2, 308 Abs. 1 Satz 2. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 3. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 191. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 4 Rz. 2 m. w. N. BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZB 77/08, ZIP 2008, 2441, 2442 = ZVI 2009, 74, dazu EWiR 2009, 223 (S. Schmidt) – dort aber ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 765a ZPO als „Generalklausel“ des Schuldnerschutzes im Ausnahmefall bejahend. Vgl. detailliert Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 4 Rz. 3 ff.
Kexel
31
2
§4
Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
–
Ablehnung und Ausschließung von Gerichtspersonen (§§ 41 – 49 ZPO),7)
–
Partei- und Prozessfähigkeit, Vertretung (§§ 50 ff,8) 80 ff ZPO,9)),
–
Verfahrenskosten (§§ 91 ff ZPO, soweit eine kontradiktorische Verfahrenssituation gegeben ist),10)
–
Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff ZPO; siehe unten Rz. 7),
–
Prozessleitung (§§ 136 – 144 ZPO),
–
Protokollierung (§§ 156 – 165 ZPO),11)
–
Zustellungen (§§ 166 ff ZPO, mit den Modifikationen der §§ 8 und 9 InsO),12)
–
Fristen, Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis (§§ 217, 222, 224 Abs. 2, 225 ZPO),13)
–
Verweisung bei Unzuständigkeit (§ 281 ZPO;14) siehe oben § 3 Rz. 19 f),
–
Beweiswürdigung, Glaubhaftmachung (§§ 286,15) 287,16) 291, 294 ZPO),17)
–
Akteneinsicht (§ 299 ZPO),18)
–
Berichtigung (§§ 319 f ZPO),19)
–
Rechtskraftwirkung (§§ 322 ff ZPO),20)
_____________ 7) BGH, Beschl. v. 15.7.2004 – IX ZB 280/03, ZVI 2004, 753; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548 f = ZInsO 2007, 326, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann) – nicht des Verwalters. 8) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.10.2000 – 3 W 171/00, ZIP 2000, 2172 = ZInsO 2001, 88, dazu EWiR 2001, 233 (Paulus). 9) KG Berlin, Beschl. v. 18.2.1965 – 1 W 49/65, KTS 1965, 171 (KO). 10) Vgl. insbesondere zur Erledigungserklärung BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91 f = ZVI 2005, 125; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 194/04, juris; BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 131/07, ZIP 2008, 2285 = ZInsO 2008, 1206. 11) Zu § 164 ZPO: BGH, Beschl. v. 24.11.2016 – IX ZB 4/15, ZIP 2017, 386 = ZInsO 2017, 320, dazu EWiR 2017, 213 (Ahrens). 12) Etwa BGH, Beschl. v. 12.5.2016 – IX ZA 33/15 juris. 13) Vgl. BGH, Beschl. v. 17.6.2010 – IX ZB 37/10, ZInsO 2010, 1499. 14) Aber nicht mehr nach rechtskräftiger Eröffnung, OLG Celle, Beschl. v. 7.5.2007 – 4 AR 27/07, ZIP 2007, 1922 f = NZI 2007, 465 m. w. N., dazu EWiR 2008, 143 (Schmerbach). 15) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 541 = NJW 2003, 3558 ff. 16) BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – IX ZB 284/03, ZIP 2005, 1281 ff = ZVI 2005, 442. 17) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 541 = NJW 2003, 3558 ff; BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 159/06, juris. 18) Zur grundsätzlichen Annahme eines rechtlichen Interesses bei Akteneinsicht durch einen Gläubiger vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IV AR(VZ) 1/06, WM 2006, 1435, 1436 f = ZIP 2006, 1154, dazu EWiR 2006, 447 (G. Pape); zuletzt auch BGH, Beschl. v. 15.10.2020 – IX AR (VZ) 2/19, ZRI 2021, 36 = ZIP 2020, 2519 – zum Akteneinsichtsrecht des Kommanditisten. 19) BGH, Beschl. v. 24.11.2016 – IX ZB 4/15, ZIP 2017, 386 = ZInsO 2017, 320; LG Deggendorf, Beschl. v. 20.2.2002 – 1 T 20/02, ZInsO 2002, 336, 337 – Eröffnungsbeschluss; LG Göttingen, Beschl. v. 23.1.2003 – 10 T 7/03, ZVI 2003, 227 = ZInsO 2003, 815 – Insolvenztabelle. 20) Vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, ZIP 2002, 1695 = ZInsO 2002, 818; zur KO: BGH, Urt. v. 17.10.1985 – III ZR 105/84, ZIP 1986, 319, 323 = WM 1986, 331, dazu EWIR 1986, 295 (Eickmann).
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Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
–
Beweisaufnahme (§§ 355 ff ZPO),
–
sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde (§§ 567 ff ZPO, siehe zu § 6 Rz. 2 ff),
–
Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO, soweit ein urteilsvertretender Beschluss erging).21)
III. Videokonferenz, § 128a ZPO (Satz 2) Durch die ausdrückliche Erwähnung in Satz 2 ist nunmehr klargestellt, dass sich das Insolvenzgericht der Möglichkeit der Videokonferenztechnik bedienen darf und so auch in Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen dem Schuldner, den Gläubigern und sonstigen Teilnahmeberechtigten die Teilnahme ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bildund Tonübertragung gestatten kann.22) Diese Gestattung kann auf Antrag oder auch von Amts wegen erfolgen; sie liegt allein im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und muss sich nicht auf die Gesamtheit der Teilnehmer, sondern kann und wird sich häufig auch nur auf einzelne beziehen. Selbst jenen aber steht es jederzeit frei, ihre Rechte dennoch als präsenter Teilnehmer in den also weiterhin auch stets dafür zur Verfügung zu stellenden Räumlichkeiten wahrzunehmen.23) Das Ermessen des Gerichts hat dabei sicher zuvörderst zu berücksichtigen, ob überhaupt eine geeignete Technik zur Verfügung steht. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte diese hinreichend zuverlässig arbeiten, Datenschutz- und Datensicherheitsbelangen Rechnung tragen, die effektive Leitung der Versammlung zulassen, die zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung sowie der Stimmrechte vor jeder einzelnen Abstimmung sicherstellen und allen Teilnehmern eine effektive Ausübung ihrer Rechte einschließlich der Einsichtnahme in Unterlagen und Kommunikation mit dem Gericht und allen anderen Teilnehmern ermöglichen.24)
3
Satz 2 i. V. m. § 128a ZPO statuiert keine Ansprüche: Weder Verfahrensbeteiligten – außer im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null, wie sie möglicherweise allein in Pandemielagen in Betracht kommen könnte25) – auf eine Gestattung noch dem Gericht selbst auf eine entsprechende technische Ausstattung durch die Justizverwaltung.26) Die Entscheidung über die Gestattung ist gemäß Satz 2 i. V. m. § 128a Abs. 3 Satz 2 ZPO unanfechtbar.
4
Mit der durch Beschluss ergehenden Gestattung hat das Gericht nach der in Satz 2 ausgesprochenen Maßgabe die Beteiligten auf die dort genannten Verpflichtungen hinzuweisen. Der Gesetzgeber sieht diese Hinweise gerade auch im Hinblick auf
5
_____________ 21) 22) 23) 24) 25) 26)
BGH, Beschl. v. 2.2.2006 – IX ZB 279/04, ZIP 2006, 587 f = ZVI 2006, 117. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 191. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 191 f. Vgl. etwa Mantz/Spoenle, MDR 2020, 637, Rz. 26 f; Windau, NJW 2020, 2753, Rz. 22. Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/6036, S. 120; Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. Gesetzentwurf Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren, BT-Drucks. 17/12418, S. 17; Zöller-Greger, ZPO, § 128a Rz. 1; a. A. etwa Windau, NJW 2020, 2753, Rz. 19.
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§4
Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
die entsprechende Strafbewehrung in § 201 StGB als zum Schutze der Vertraulichkeit genügend an, eine effektive Kontrolle der Einhaltung dürfte dem Gericht auch kaum möglich sein. Zur Erfüllung der Pflicht der Teilnehmenden zur „Sicherstellung“, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können, sollte mindestens eine dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Virensoftware eingesetzt sein.27) IV. Sonderbestimmungen 6
Abweichende bzw. vorrangige Regelungen finden sich insbesondere in den §§ 3, 4a – 4d, 5, 8, 9, 10. V. Prozesskostenhilfe 1.
7
Im Rahmen des Insolvenzantrags eines Gläubigers sind die Regeln über die Prozesskostenhilfe anwendbar.28) 2.
8
Antrag eines Insolvenzgläubigers
Antrag des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter kann gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Prozesskostenhilfe für Masseansprüche beantragen,29) ebenso für seine eigenen Vergütungsansprüche.30) Dies ist allerdings letztlich keine Frage des Insolvenzverfahrens bzw. der InsO, sondern des ordentlichen, streitigen Verfahrens. 3.
Antrag des Schuldners
9
Für ab dem 1.12.2001 eröffnete Verfahren ist die Anwendung der Regeln über die Prozesskostenhilfe durch die mit dem InsOÄndG 2001 eingeführten, speziellen Regelungen über die Stundung der §§ 4a – 4d grundsätzlich ausgeschlossen. Diese erfassen jedoch nicht die Rechtsmittelinstanzen – hier kann der Schuldner nach der Rechtsprechung des BGH Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff ZPO beantragen und erhält diese abhängig von den Erfolgsaussichten des jeweils eingelegten Rechtsmittels.31)
10
Für die vor diesem Zeitpunkt eröffneten Verfahren bleibt umstritten, ob dem Schuldner Prozesskostenhilfe gewährt werden kann.32) Soweit dies noch praxisrelevant wird, sollte die in einem „obiter dictum“ des BGH getroffene Feststellung Beach_____________ 27) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192. 28) BVerfG, Beschl. v. 27.10.1988 – 1 BvR 1340/88, ZIP 1989, 719, dazu EWiR 1989, 515 (G. Pape); BGH, Urt. v. 27.9.1990 – IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490 = NJW 1991, 40, dazu EWiR 1990, 1243 (Merz). 29) OLG Köln, Beschl. 6.4.1998 – 1 W 22/98, NZI 1999, 80 = Rpfleger 1998, 439, dazu EWiR 1998, 765 (Hess). 30) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.6.1997 – 21 W 30/97, ZIP 1997, 1600, dazu EWiR 1997, 859 (Grub). 31) BGH, Beschl. v. 9.10.2014 – IX ZA 20/14, ZVI 2015, 79 = ZInsO 2014, 2320; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 = ZVI 2003, 405; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574; zum Meinungsstand vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 74 ff m. w. N. 32) Vgl. zum Meinungsstand m. w. N.: Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 4 Rz. 13 ff.
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§4
Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
tung finden, dass der Gesetzgeber vor dem InsOÄndG 2001 von einer Bereitstellung öffentlicher Mittel bewusst abgesehen habe.33) VI. Anwendbarkeit weiterer Gesetze Dass § 4 nur auf die ZPO verweist, schließt die ergänzende Anwendung weiterer verfahrensspezifischer Regelungen nicht aus; diese – etwa solche des GVG – werden von der InsO vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt.34) Auch sie sind aber nur insoweit anwendbar, als sie einschlägige und mit dem Insolvenzverfahren vereinbare Bestimmungen enthalten. Zu u. a. hieraus abgeleiteten wesentlichen Verfahrensgrundsätzen vgl. nachfolgend die Kommentierung zu § 5.
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VII. Auskunfts- und Vorlageverlangen des Finanzamts (§§ 93, 97 AO) Paul
Literatur: Bruschke, Die Haftung der Vertreter nach § 69 AO, BB 2017, 3040 (Teil 1) und BB 2018, 32 (Teil 2); Paul, Kostenerstattungspflicht des Finanzamtes bei Auskunfts- und Vorlageverlangen (§§ 93, 97 AO), ZInsO 2007, 80.
Neben dem allgemeinen Akteneinsichtsrecht der Gläubiger (§ 299 ZPO) stehen der Finanzverwaltung weitergehende Sonderrechte zu. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten und anderen Personen die Vorlage von Urkunden in Form von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren etc. verlangen.
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Der Insolvenzverwalter sieht sich einem Auskunfts- und/oder Vorlageverlangen insbesondere dann gegenüber, wenn die Finanzverwaltung die Voraussetzungen eines Haftungsbescheids gegen den Geschäftsführer prüft.35) Dann erhält er meist ein „kombiniertes“ Auskunfts- und Vorlageverlangen, das vom „isolierten“ Vorlageersuchen deshalb abzugrenzen ist, weil der Betroffene nur dann, wenn (auch) Auskunft durch die Finanzverwaltung begehrt wird, Anspruch auf eine Entschädigung nach dem JVEG hat.36) Von einem „isolierten“ Vorlageersuchen ist auszugehen, wenn der in Anspruch Genommene keinerlei eigenes Wissen – als Vorfrage zur Vorlage von Urkunden – abrufen muss. Das Finanzamt ist also gehalten, die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig zu benennen, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der Unterlagen beschränkt.37)
13
Ob sich die Finanzverwaltung der Beweismittel der §§ 93 ff AO bedient, steht in deren Ermessen (§ 92 AO). Deshalb hat die Finanzbehörde immer zu prüfen, ob die Sachverhaltsaufklärung statt durch „Dritte“ (also den Insolvenzverwalter) nicht durch die „Beteiligten“ (also den Geschäftsführer) erfolgen kann (§ 93 Abs. 1 _____________
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33) BGH, Beschl. v. 16.3.2000 – IX ZB 2/00, ZIP 2000, 755 = ZInsO 2000, 280. 34) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 4 Rz. 3. 35) Ausführlich zum Haftungsbescheid: Bruschke, BB 2017, 3040 (Teil 1) und BB 2018, 32 (Teil 2). 36) BFH, Urt. v. 8.8.2006 – VII R 29/05, ZIP 2007, 69 = BB 2006, 2624, dazu EWiR 2007, 1 (Vortmann); Paul, ZInsO 2007, 80. 37) BFH, Urt. v. 8.8.2006 – VII R 29/05, ZIP 2007, 69 = BB 2006, 2624.
Paul
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
Satz 3 AO).38) Wendet der Geschäftsführer gegenüber einem Auskunftsverlangen des Finanzamts mangelnden Besitz an den Geschäftsunterlagen ein, ist das nur dann relevant, wenn der Insolvenzverwalter es dem Geschäftsführer nicht ermöglicht, Einsicht in die Geschäftspapiere zu nehmen. Räumt der Verwalter diese Möglichkeit ein, ist seine Heranziehung zur Auskunftserteilung durch das Finanzamt ermessensfehlerhaft.39) _____________ 38) Zum sog. Subsidiaritätsgrundsatz: BFH, Urt. v. 29.7.1015 – X R 4/14, DStR 2015, 2846; BFH, Urt. v. 12.5.2016 – II R 17/14, DStR 2016, 1862 („Sammelauskunftsersuchen“). 39) FG Brandenburg, Urt. v. 12.5.2004 – 1 K 2447/01, EFG 2005, 838 = ZIP 2005, 41.
§ 4a Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens Kexel
(1) 1Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so werden ihm auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken. 2Die Stundung nach Satz 1 umfasst auch die Kosten des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan und des Verfahrens zur Restschuldbefreiung. 3Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Versagungsgrund des § 290 Absatz 1 Nummer 1 vorliegt. 4Liegt ein solcher Grund vor, ist eine Stundung ausgeschlossen. (2) 1Werden dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet, so wird ihm auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. 2§ 121 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. (3) 1Die Stundung bewirkt, dass 1.
die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten, b) die auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen den Schuldner geltend machen kann;
2.
der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen den Schuldner nicht geltend machen kann.
2
Die Stundung erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt besonders. 3Bis zur Entscheidung über die Stundung treten die in Satz 1 genannten Wirkungen einstweilig ein. § 4b Abs. 2 gilt entsprechend.
Literatur: Ahrens, Versagung oder Aufhebung der Kostenstundung, ZVI 2003, 268; Blankenburg, Versagung der Stundung bei deliktischen Forderungen, ZVI 2015, 239; Dawe, Gläubigerautonomie im (neuen) Recht der Verfahrenskostenstundung, ZVI 2014, 435; Ernst, Gläubigerbenachteiligung durch Wahl einer ungünstigen Steuerklasse, ZVI 2003, 107; Frind, Gläubigerschutz bei der Verfahrenskostenstundung -Stundungsgewährung, Eingangsentscheidung und Stundungsaufhebung nach dem neuen Privatinsolvenzrecht seit 1.7.2014, ZInsO 2015, 542; Göbel, Die Auswirkungen der geplanten Überleitungs-
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
vorschrift auf laufende Insolvenzverfahren, ZInsO 2001, 500; Graf-Schlicker, Schwachstellenanalyse und Änderungsvorschläge zum Regelinsolvenzverfahren, ZIP 2002, 1166; Grote/Pape, G., Das Ende der Diskussion? Die wichtigsten Neuregelungen zur Restschuldbefreiung, ZInsO 2013, 1433; Hergenröder, Die Reform des Verfahrens zur Entschuldung natürlicher Personen, KTS 2013, 385; Pape, G., Eröffnungsantrag des Schuldners als Voraussetzung für die Restschuldbefreiung, NZI 2004, 543; Pape, G., Aktuelle Entwicklungen im Verbraucherinsolvenzverfahren und Erfahrungen mit den Neuerungen des InsO-Änderungsgesetzes 2001, ZVI 2002, 225; Schmerbach, Aus und vorbei – der Abschied des BGH von der Sperrfristrechtsprechung?, NZI 2014, 990; Streck, Die Eingangsentscheidung gem. § 287a InsO – mehr Arbeit für Gerichte und Verwalter?, ZVI 2014, 205; Vallender, Die Vorschusspflicht des Ehegatten im Stundungsverfahren, ZVI 2003, 505; Vallender, Die bevorstehenden Änderungen des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens aufgrund des InsOÄndG 2001 und ihre Auswirkungen auf die Praxis, NZI 2001, 561. Übersicht I. II. III. 1.
2.
I.
Anwendungsbereich ............................ 1 Normzweck ........................................... 2 Stundung (Abs. 1) ................................ 3 Formelle Voraussetzungen der Stundung ................................................ 3 a) Natürliche Person .......................... 4 b) Antrag auf Restschuldbefreiung ...... 5 c) Eröffnungsantrag ........................... 6 d) Antrag auf Verfahrenskostenstundung .............................. 7 aa) Antragsberechtigung ..................... 7 bb) Form ............................................... 8 cc) Erklärung zu Versagungsgründen ........................................... 9 dd) Inhalt ............................................. 10 e) Hinweispflicht des Gerichts ........ 12 Materielle Voraussetzungen der Stundung .............................................. 17 a) Keine Ausschlussgründe ............. 17 aa) Kein Vorliegen von Versagungsgründen – „Vorwirkungsrechtsprechung“ .................................... 17
bb) Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung – „Sperrfristrechtsprechung“ .................... 24 cc) Weitere „Ausschlussgründe“? ....................................... 32 b) Mangelnde Verfahrenskostendeckung ......................................... 34 aa) Stundung je Verfahrensabschnitt ....................................... 35 bb) Kosten des Verfahrens ................. 36 cc) Vermögen des Schuldners ........... 37 dd) Verfahrenskostendeckung durch Vorschuss ........................... 46 3. Entscheidung des Gerichts ................. 51 IV. Wirkungen der Stundung (Abs. 3) ................................................ 54 V. Beiordnung (Abs. 2) .......................... 59 1. Antrag .................................................. 60 2. Verfahrenskostenstundung ................. 61 3. Erforderlichkeit der Vertretung ......... 62 4. Entscheidung ....................................... 67
Anwendungsbereich
Die mit dem InsOÄndG 2001 eingefügten §§ 4a – 4d ermöglichen eine Stundung der Kosten des Verfahrens für alle natürlichen Personen, die Restschuldbefreiung begehren. Sie gelten daher sowohl für das Verbraucher- als auch das Regelinsolvenzverfahren. Die Verfahrenskostenstundung kann nach Art. 103 EGInsO nur in den Verfahren erfolgen, die ab dem 1.12.2001 eröffnet werden, nicht auf zu diesem Zeitpunkt bereits eröffnete Verfahren.1) _____________ 1)
BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZA 9/04, ZVI 2004, 753 = NZI 2004, 635; BGH, Beschl. v. 1.10.2010 – IX ZB 155/09, ZVI 2010, 109 = ZInsO 2010, 492; OLG Celle, Beschl. v. 30.7.2001 – 2 W 79/01, ZInsO 2001, 799 = NZI 2001, 603; Kayser/Thole-Sternal, HKInsO, § 4a Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 3; Göbel, ZInsO 2001, 500; Vallender, NZI 2001, 561, 568; a. A. nur AG Duisburg, Beschl. v. 30.4.2003 – 62 IN 91/00, ZVI 2003, 360 = ZInsO 2003, 386.
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1
§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
II. Normzweck 2
Die Stundungslösung soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch völlig mittellosen natürlichen Personen den Weg zu einem wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Diesen kann nur mit dem Einsatz öffentlicher Mittel über die „Kostenhürde“ in der Insolvenz, nämlich der bei Massearmut drohenden Abweisung eines Eröffnungsantrags nach § 26 Abs. 1, geholfen werden. Durch die Stundung wird der Zugang zum Insolvenzverfahren und damit auch zum Restschuldbefreiungsverfahren gewährleistet. Das Stundungsmodell unterscheidet sich dabei von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Wesentlichen dadurch, dass die Kosten des Verfahrens bei vorhandenem Vermögen oder pfändbarem Einkommen des Schuldners ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Gerichte von dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder vorrangig an die Staatskasse zurückzuführen sind.2) Die Stundungslösung soll damit auch deutlich machen, dass eine Restschuldbefreiung ohne zumutbaren finanziellen Beitrag des Schuldners nicht zu erreichen ist.3) III. Stundung (Abs. 1) 1.
3
Formelle Voraussetzungen der Stundung
Der Weg zu einer Stundungsbewilligung führt über eine Reihe von Verfahrensvoraussetzungen, die in Absatz 1 nur knapp erwähnt werden und ohne Gesamtüberblick über das Gesetzeswerk kaum erfasst werden können. Der antragstellende Schuldner, stets eine natürliche Person (a), muss insgesamt drei Anträge stellen: einen Antrag auf Restschuldbefreiung (b), einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (c) und den eigentlichen Stundungsantrag (d). Mit der Komplexität der Regelung korrespondiert eine besondere Fürsorgepflicht des Gerichts, welches den Schuldner vor der Abweisung eines Stundungsantrags als unzulässig umfänglich auf Mängel hinzuweisen hat (e). a) Natürliche Person
4
Antragsteller können nur natürliche Personen sein. Die Stundung differenziert jedoch nicht nach Verbrauchern oder Unternehmern, sondern soll allen mittellosen Personen den Zugang zum Verfahren ermöglichen. b) Antrag auf Restschuldbefreiung
5
Der Stundungsantrag ist nur zulässig, wenn zugleich ein Antrag auf Restschuldbefreiung vorliegt. Dies erklärt sich bereits aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die gerade den wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners ermöglichen will.4) Als gleichsam „ungeschriebenem Tatbestandsmerkmal“ folgt daraus zwingend, dass der Restschuldbefreiungsantrag nicht nur gestellt, sondern insbesondere auch zulässig sein muss5) – siehe hierzu § 287a und insbesondere nachfolgend Rz. 24 ff. _____________ 2) 3) 4) 5)
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Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 2. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 13. Vgl. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Ducks. 14/5680, S. 12. Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 20.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
c) Eröffnungsantrag Der Antrag auf Restschuldbefreiung setzt wiederum einen Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, selbst wenn bereits ein Gläubigerantrag vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Verbraucher- oder Regelinsolvenzverfahren handelt.6)
6
d) Antrag auf Verfahrenskostenstundung aa) Antragsberechtigung Der Antrag kann nur vom Schuldner selbst gestellt werden, wie sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, aber nach Sinn und Zweck der Norm ergibt.7) Andere Verfahrensbeteiligte dürfen dem Schuldner nicht die Belastung der sich aus der Stundung ergebenden Obliegenheiten aufdrängen.8)
7
bb) Form Der Antrag auf Stundung ist schriftlich, elektronisch (§ 130a ZPO) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 129a ZPO) zu stellen. Es gibt keinen Formularzwang; weder die auf Grundlage des § 305 Abs. 5 erlassene VbrInsVV9) noch § 117 ZPO sind der analogen Anwendung auf den Stundungsantrag zugänglich.10) Der Schuldner kann, muss sich aber nicht der Vordrucke des Gerichts bedienen, es genügt auch eine formlose Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
8
cc) Erklärung zu Versagungsgründen In vor dem 1.7.2014, dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte,11) beantragten Verfahren hat der Schuldner dem Stundungsantrag weiterhin nach Absatz 1 Satz 3 eine Erklärung beizufügen, ob einer der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat) oder § 290 Abs. 1 Nr. 3 (keine Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) vorliegt. In ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ist eine Erklärung des Schuldners zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 nicht mehr erforderlich, weil das Gericht die Frage der Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren bereits von Amts wegen nach § 287a Abs. 2 Nr. 1 als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Restschuldbe_____________ 6) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, ZVI 2004, 492 = NZI 2004, 593, dazu EWiR 2005, 481 (G. Pape); BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 24/03, ZVI 2003, 606, 607 = NZI 2004, 511; Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 9 m. w. N.; G. Pape, ZVI 2002, 225, 231; G. Pape, NZI 2004, 543, 545 m. w. N. 7) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 20; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 40. 8) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 40. 9) Rechtsverordnung des BMJ zur Einführung von Vordrucken für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren(VbrInsVV), v. 17.2.2002, BGBl. I 2002, 703, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Bd. Texte. 10) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 70/03, ZVI 2004, 745 = ZInsO 2004, 1307; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574, 575. 11) Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379.
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
freiungsantrag, der seinerseits Voraussetzung für die Stundung der Verfahrenskosten ist, zu prüfen hat.12) dd) Inhalt 10
Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Schuldner dem Gericht in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt, dass sein Vermögen voraussichtlich zur Deckung der Kosten nicht ausreicht; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist dabei nicht zu verlangen.13) Aus § 20 Abs. 1 folgt, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht umfassend Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen hat, insbesondere ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner sowie eine geordnete Übersicht über seine Vermögensgegenstände vorzulegen hat.14) Auch die Bezugnahme auf ein bereits vorliegendes, zeitnah erstelltes Gutachten kann genügen.15) Der Schuldner hat jedoch nur insoweit Auskunft zu erteilen, als diese für die Beurteilung benötigt wird, ob sein Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht.16)
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Soweit ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehepartner (oder Lebenspartner, § 5 LPartG) in Betracht kommt, gehört zur umfassenden Auskunft auch die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse desselben.17) e) Hinweispflicht des Gerichts
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Aus der in Absatz 2 Satz 1 ausdrücklich erwähnten Fürsorgepflicht des Gerichts folgt, dass es den Schuldner auf Mängel des Stundungsantrags hinweisen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe einräumen muss, bevor es einen Stundungsantrag als unzulässig abweisen darf.
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Sind Angaben – etwa zur Vermögenslage – unvollständig, hat das Insolvenzgericht zunächst die Mängel konkret zu bezeichnen und dem Schuldner aufzugeben, binnen einer angemessenen Frist die Angaben zu ergänzen oder Nachweise zu erbringen.18) Es darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass die Prüfung des Gerichts in diesem Verfahrensstadium lediglich summarisch erfolgt; die Stundung der Kosten darf nicht durch übersteigerte Informationsauflagen erschwert werden. Bestehen aufgrund eines in sich stimmigen Stundungsantrags objektiv keine Zweifel, dass der Antragsteller voraussichtlich nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, ist in der Regel Stundung zu gewähren.19) So hat das Insolvenzgericht vor der Ent_____________ 12) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 20. 13) BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 = ZInsO 2005, 264. 14) BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 = ZInsO 2005, 264; BGH, Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZB 270/03, ZVI 2005, 120 = ZInsO 2005, 265, dazu EWiR 2005, 435 (G. Pape); BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. 15) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308 = ZVI 2004, 745. 16) BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 254/09, ZInsO 2011, 931. 17) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 21. 18) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308 = ZVI 2004, 745; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. 19) BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 254/09, ZInsO 2011, 931.
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scheidung über den Stundungsantrag auch nicht etwa die Ursachen der Insolvenz aufzuklären und daher auch nicht zu prüfen, aus welchem Grund der Schuldner nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten aufzubringen.20) Besondere Hinweispflichten treffen das Gericht auch im Hinblick auf die Notwendigkeit des Restschuldbefreiungs- und ggf. Eigenantrags und die hierbei zu beachtenden Fristen. So beginnt die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 1 zur Stellung des Restschuldbefreiungsantrags erst zu laufen, wenn der Schuldner über das Antragserfordernis21) sowie über den Zeitpunkt des Ablaufs der Frist belehrt worden ist und diese Belehrung dem Schuldner nachweisbar zugegangen ist.22) Notwendig für den Beginn des Fristablaufs ist außerdem, dass der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat.
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Fehlt der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist der Schuldner darüber zu belehren, dass ein solcher Antrag für die Bewilligung der Stundung notwendig ist. Ihm ist darüber hinaus eine Frist zur Stellung des Insolvenzantrags zu setzen. Dafür ist nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 maßgebend.23) Denn bei der Frage, ob der Schuldner einen Eigenantrag stellen will, reicht diese kurze Frist, die als gesetzliche Frist nicht verlängerbar ist, nicht aus. Vielmehr muss der Schuldner, wenn er der Meinung ist, er sei nicht insolvenzreif, die Möglichkeit haben, den Rat eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers einzuholen. Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens sollte die Frist jedoch nicht zu lang sein. Sie sollte deshalb nicht über vier Wochen hinausgehen, jedoch bei Bedarf verlängerbar sein (§ 4 InsO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO).24) Sie stellt aber ohnehin keine Ausschlussfrist dar, auf die § 230 ZPO entsprechend anzuwenden ist; der Schuldner kann auch nach Ablauf der richterlichen Frist bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers einen Eigenantrag stellen.25)
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In Einzelfällen wird man sogar eine rückwirkende Antragstellung zulassen müssen. Versäumt es der Schuldner etwa aufgrund eines fehlerhaften, unvollständigen oder verspäteten Hinweises des Insolvenzgerichts, rechtzeitig im Eröffnungsverfahren einen Stundungsantrag auch für die im Eröffnungsverfahren anfallenden Verfahrenskosten zu stellen, sind ihm ggf. noch rückwirkend die im Eröffnungsverfahren angefallenen Verfahrenskosten zu stunden; der Schuldner soll grundsätzlich nicht aus Rechtsunkenntnis die Chance auf Restschuldbefreiung verlieren, soweit anderen-
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_____________ 20) BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 = ZInsO 2005, 264; BGH, Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZB 270/03, ZVI 2005, 120 = ZInsO 2005, 265. 21) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311, dazu EWiR 2005, 311 (Smode); BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593, 594 = ZVI 2004, 492. 22) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311; BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593, 594 = ZVI 2004, 492. 23) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311; Vuia in: MünchKomm-InsO, § 20 Rz. 96; Stephan in: MünchKomm-InsO § 287 Rz. 18. 24) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311. 25) BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976 = ZInsO 2008, 924, dazu EWiR 2009, 155 (Sailer).
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falls eine Einstellung mangels Masse die Durchführung des Insolvenzverfahrens hindern würde.26) 2.
Materielle Voraussetzungen der Stundung
a) Keine Ausschlussgründe aa) Kein Vorliegen von Versagungsgründen – „Vorwirkungsrechtsprechung“ 17
Für vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren bestimmten Absatz 1 Satz 3 und 4 a. F., dass eine Stundung nicht in Betracht kommt, soweit entweder der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, §§ 280c – 283c StGB) oder des § 290 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (Versagung oder Erteilung der Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag bzw. nach diesem) vorliegt. Die Regelung beschränkte sich nach der damaligen Gesetzesbegründung auf diese beiden Tatbestände, da hier an leicht feststellbare und auch für den Schuldner offensichtliche Tatsachen angeknüpft werden kann und keine aufwendigen Prüfungen das Verfahren verzögern.27)
18
In Absatz 1 Nr. 3 n. F. wird ausdrücklich nur noch auf § 290 Abs. 1 Nr. 1 Bezug genommen. Die Frage nach Auswirkungen der Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Insolvenzverfahren findet nunmehr i. R. der nach § 287a zwingend vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit des gestellten Restschuldbefreiungsantrags statt, siehe hierzu sogleich Rz. 24 ff.
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Nach jedenfalls für die vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren gefestigter Rechtsprechung – der sog. „Vorwirkungsrechtsprechung“ – soll aber trotz der abschließend erscheinenden Aufzählung in Absatz 1 Satz 3 die Stundung auch dann abgelehnt werden, wenn die Voraussetzungen irgendeines weiteren der in § 290 Abs. 1 genannten Versagungsgründe bereits zum Zeitpunkt der Stundungsentscheidung zweifelsfrei und ohne Notwendigkeit umfangreicher Prüfungen vorliegen.28) Dies ist mit dem Gesetzeswortlaut und insbesondere auch der Begründung nur mühsam zu vereinbaren.29) Indes führt es zu dem sicher praxisgerechten Ergebnis, dass öffentliche Mittel nicht für eine Stundung eingesetzt werden, wenn das Scheitern der Restschuldbefreiung bereits absehbar ist.30) _____________ 26) BGH, Beschl. v. 9.7.2015 – IX ZB 68/14, ZVI 2015, 438 = ZInsO 2015, 1734. 27) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 12, 20. 28) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124 = ZInsO 2005, 207, dazu EWiR 2005, 397 (G. Pape); BGH, Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZA 20/04, juris; BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346; BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 52/07, ZVI 2008, 179, 180 = ZInsO 2008, 319; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515 f = ZInsO 2008, 860; zuletzt noch BGH, Beschl. v. 25.6.2015 – IX ZB 60/14, ZVI 2015, 458 = ZInsO 2015, 1790; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4a Rz. 33; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 4a Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 45; a. A. LG Berlin, Beschl. v. 22.5.2002 – 86 T 267/02, ZInsO 2002, 680, 681; Ahrens, ZVI 2003, 268, 269. 29) S. G. Pape, EWiR 2005, 397 (Urteilsanm.); Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 39; vgl. auch die 4. Aufl.; BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 24/06, ZVI 2006, 511, 512 = ZInsO 2006, 1103, 1104, sieht immerhin „die der Auslegung … gesetzten Grenzen erreicht“. 30) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207.
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Die Frage, ob diese Vorwirkungsrechtsprechung auch nach der gesetzlichen Neuregelung für nach dem 1.7.2014 beantragte Verfahren generell fortgilt, ist höchstrichterlich bisher nicht beantwortet,31) jedenfalls noch nicht für alle Fallgestaltungen.32) Mit der soweit ersichtlich überwiegenden Meinung in Instanzrechtsprechung33) und Literatur34) ist jedoch davon auszugehen, dass die Änderungen im Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.201335) einer weiteren Anwendung dieser Grundsätze nicht im Wege stehen. Hier dürfte ein entscheidender Gesichtspunkt sein, dass sich der Gesetzgeber trotz unzweifelhaft bestehender Kenntnis der – umfangreichen – Vorwirkungsrechtsprechung jedweder darauf bezogener gesetzlicher Korrektur enthalten hat. Zur Begründung der Änderung des § 4a Abs. 1 Satz 3, die sich auf die Streichung des Verweises auf die mit der Neuregelung entfallende Regelung des § 290 Abs. 1 Satz 3 beschränkt, wird lediglich ausgeführt, dass es einer solchen Verweisung angesichts der Verlagerung der entsprechenden Prüfung in die Prüfung der Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags nicht mehr bedürfe.36) Nun würde das entsprechende „Schweigen“ des Gesetzgebers an dieser Stelle nicht ohne weiteres zu dem genannten Schluss folgen müssen, bestünde nicht ein ganz wesentlicher Schwerpunkt des Gesetzes gerade in einer absichtsvollen gesetzlichen (Neu-)Ordnung der in engster Verwandschaft zur „Vorwirkungsrechtsprechung“ entwickelten „Sperrfristrechtsprechung“ des BGH. So wird das Schweigen an dieser Stelle zu einem gleichsam „beredten“ Schweigen, dass jedenfalls die gesetzgeberische Duldung nahelegt.37) Als Indiz hierfür mag man auch noch werten, dass die Gesetzesbegründung an anderer Stelle nonchalant den Fall einer Versagung der Kostenstundung in einem _____________ 31) Dies zuletzt noch ausdrücklich offenlassend BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444. 32) Ausdrücklich aber für den Fall, dass die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen gemäß § 302 von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind, BGH, Beschl. v. 13.2.2020 – IX ZB 39/19, ZVI 2020, 135 = ZIP 2020, 622, dazu EWiR 2020, 403 f (Kexel); vgl. auch unten Rz. 22. 33) AG Marburg, Beschl. v. 16.1.2018 – 22 IN 178/17, ZVI 2018, 259; LG München I, Beschl. v. 30.5.2017 – 14 T 7607/17, juris; LG Düsseldorf, Beschl. v. 21.11.2016 – 25 T 744/16, ZVI 2017, 145; AG Göttingen, Beschl. v. 14.10.2015 – 74 IN 181/15, ZVI 2015, 460; AG Hamburg, Beschl. v. 4.8.2015 – 68c IK 460/15, ZVI 2015, 397; a. A. AG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2015 – 67g IN 357/14, ZVI 2016, 226 f; offenbar auch LG NürnbergFürth, Beschl. v. 13.7.2017 – 11 T 4173/17, ZVI 2018, 363, das indes allein die Berücksichtigung der Vorwirkungs-Rspr. im RSB-Verfahren und gerade nicht im Stundungsverfahren behandelt. 34) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 13 Rz. 142; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 4a Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 49; Kübler/Prütting/Bork-G. Pape, InsO, § 13 Rz. 210; Frind, ZInsO 2015, 542 m. w. N.; Schmerbach, NZI 2014, 990 f; UhlenbruckSternal, InsO, § 287a Rz. 6; Hergenröder, KTS 2013, 385, 397; Streck, ZVI 2014, 205, 209 f; wohl auch Blankenburg, ZVI 2015, 239, 241; a. A. Dawe, ZVI 2014, 435, 438; Grote/ G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1440. 35) Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379. 36) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 20. 37) So auch BGH, Beschl. v. 13.2.2020 – IX ZB 39/19, ZVI 2020, 135 = ZIP 2020, 622, dazu EWiR 2020, 403 f (Kexel).
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Vorverfahren erwähnt, „weil nach Feststellungen des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist“38) und diesen Umstand so als ohne weiteres gegeben betrachtet. Schlussendlich werden auch die tragenden Erwägungen der „Vorwirkungsrechtsprechung“, die bereits genannte Schonung öffentlicher Ressourcen bei offenkundiger Zweck- und Erfolglosigkeit eines kompletten Verfahrensdurchlaufs, weder durch sonstige Ausführungen des Gesetzgebers noch durch die grundlegende Zielstellung der Neuregelungen nicht ansatzweise in Frage gestellt.39) 21
Bei – nach alledem auch weiterhin zulässiger – Anwendung dieser Rechtsprechungsvorgabe trifft die Insolvenzgerichte jedoch in ganz besonderem Maße die Verantwortung, die Stundung auch wirklich nur bei tatsächlich und rechtlich eindeutigen, also eben „zweifelsfreien“ Sachverhalten zu versagen.40)
22
Mit der genannten Prämisse kann die Stundung zudem versagt werden, wenn die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen, die nicht unter § 290 fallen, offensichtlich nicht erreicht werden kann.41) Dies kommt etwa bei einem unzulässigen Schuldnerantrag,42) auch einem offensichtlich unbegründeten Eröffnungsantrag43) oder für den Fall, dass die wesentlichen44) – und durchsetzbaren45) – Forderungen gemäß § 302 von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind,46) in Betracht.
23
In nach einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren nicht mehr zulässig ist jedoch i. R. der Entscheidung über die Stundung eine Vorwirkung auch solcher Tatbestände, die nach der alten „Sperrfristrechtsprechung“ zu einer Versagung geführt hätten. Dieser ist nach der gesetzgeberischen Neuregelung der Boden entzogen, soweit sie nicht ausdrücklich i. R. der Modifikationen des Restschuldbefreiungsverfahrens und insbesondere des § 287a neu kodifiziert wurde (siehe dazu sogleich Rz. 24 ff). Eine Berücksichtigung der alten Rechtslage i. R. der Vorwirkungsrechtsprechung würde den Willen des Gesetzgebers an dieser Stelle umgehen bzw. ihn sogar konterkarieren.47) _____________ 38) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 39) In diesem Sinne auch Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 49. 40) In diesem Sinne auch G. Pape, EWiR 2005, 397 (Urteilsanm.); diese Voraussetzung ebenfalls betonend BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515 f = ZInsO 2008, 860. 41) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207; BGH, Beschl. v. 13.2.2020 – IX ZB 39/19, ZVI 2020, 135 = ZIP 2020, 622, dazu EWiR 2020, 403 f (Kexel). Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 45. 42) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207; AG Köln, Beschl. v. 19.9.2002 – 71 IN 292/02, ZVI 2002, 414 = NZI 2002, 618. 43) LG Bochum, Beschl. v. 25.10.2005 – 10 T 44/05, n. v. 44) Hierzu BGH, Beschl. v. 13.2.2020 – IX ZB 39/19, ZVI 2020, 135 = ZIP 2020, 622, dazu EWiR 2020, 403 f (Kexel). 45) BGH, Beschl. v. 16.1.2014 – IX ZB 64/12, ZVI 2014, 156 = ZInsO 2014, 450. 46) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207; AG München, Beschl. v. 16.1.2003 – 1502 IN 1870/02, ZVI 2003, 369, 370; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 45; zu weitgehend AG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.2007 – 503 IN 301/06, ZInsO 2008, 334 f. 47) So i. E. auch BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287a Rz. 64 m. w. N.
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bb) Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung – „Sperrfristrechtsprechung“ Für vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren bestimmten Absatz 1 Satz 3 und 4 a. F., dass eine Stundung auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (Versagung oder Erteilung der Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag bzw. nach diesem) vorliegt. Mit der Überlegung, dass durch die Befugnis zu einer uneingeschränkten Antragswiederholung die Rechtskraft einer die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen versagenden Entscheidung, etwa aus den in § 290 Abs. 1 aufgeführten, völlig zur Disposition des Schuldners gestellt würde, wenn dieser nach Belieben immer neue Verfahren einleiten könnte, und ein auch in diesen Fällen als „unredlich“ anzusehender Schuldner dadurch in den Stand gesetzt würde, im Anschluss an die zu Recht ergangene Versagung der Restschuldbefreiung durch eine Anpassung der tatsächlichen Grundlagen nachträglich doch eine Restschuldbefreiung zu erwirken,48) hat die höchstrichterliche Rechtsprechung indes eine Regelungslücke identifiziert und diese seit Mitte 2009 mit einer gleich doppelten Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 auszufüllen versucht.49) Zur Frage der Sperrfrist siehe näher unten § 287 Rz. 4 ff.
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Nach dieser insoweit auch verfestigten sog. „Sperrfristrechtsprechung“ wurden erneute Anträge innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Scheitern eines früheren Restschuldbefreiungsverfahrens danach durchweg als bereits unzulässig angesehen, praktisch unabhängig davon, welcher Versagungsgrund seinerzeit einschlägig war50) – und bei Versagungsgründen allein machte diese Betrachtung nicht halt, auch Fristenverstöße u. Ä. wurden einbezogen (siehe näher zu alledem § 287 Rz. 4 ff). Mit dieser Rechtsprechung sah nicht nur eine Vorauflage51) die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung mindestens erreicht, wenn nicht gar überschritten; wegen der konsequenten Beibehaltung bzw. noch weiteren Ausbaus seitens des BGH war diese durch die Instanzgerichte aber nicht zu ignorieren und wurde entsprechend angewendet. War danach ein Restschuldbefreiungsantrag in einem erneuten Verfahren als unzulässig anzusehen, war konsequenterweise auch die Stundung zu versagen. Für alle vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren sind diese Sperrfristrechtsprechung und ihre Auswirkungen auf die Stundungsentscheidung weiter zu beachten.52)
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In den seit einschließlich 1.7.2014 beantragten Verfahren und damit nach den zu diesem Datum in Kraft tretenden Neuregelungen durch das Gesetz zur Verkür-
26
_____________ 48) BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777, dazu EWiR 2009, 681 (Hackländer). 49) Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 45/09, ZVI 2010, 100 f = ZInsO 2010, 490; BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZA 40/09, ZInsO 2010, 491 f; BGH, Beschl. v. 9.3.2010 – IX ZA 7/10, ZInsO 2010, 783 f = NZI 2010, 445. 50) Eine zusätzliche Sperrfrist soll nur dann nicht in Betracht kommen, wenn der Versagungsgrund selbst bereits eine Sperrfrist von drei oder mehr Jahren kennt, BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – IX ZB 194/11, ZVI 2013, 23 ff = ZInsO 2013, 262. 51) Graf-Schlicker-Kexel, InsO, 4. Aufl, § 4a Rz. 19. 52) Vgl. BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846, der die Anpassung dieser Rspr. für die Zeit vor Inkrafttreten der Neuregelungen ausdrücklich ablehnt; auch zuletzt BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444, der die Anwendung für die „Altfälle“ nicht in Frage stellt.
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zung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.201353) kann auf diese Rechtsprechung nicht mehr zurückgegriffen werden. Die Änderungen im Verfahren der Restschuldbefreiung hatten als einen wesentlichen Schwerpunkt gerade das Aufgreifen jener Sperrfristrechtsprechung und ihre bewusst nur teilweise Transformation in geschriebenes Recht. Über die in § 287a n. F. nunmehr normierten Tatbestände hinaus, bei deren Vorliegen eine Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren eine Sperrwirkung für das neue Verfahren entfaltet, kommt eine Anwendung der alten Rechtsprechung nicht mehr in Betracht. Nach zutreffender Ansicht steht dem nicht nur der klare und eindeutig abschließende Gesetzeswortlaut entgegen, sondern auch das Fehlen einer allein für eine Erweiterung in diesem Sinne tauglichen „Gesetzeslücke“ – die Materialien weisen eine umfassende Auseinandersetzung mit der Sperrfristrechtsprechung auf, eine „Planwidrigkeit“ als Voraussetzung einer Analogie kann diesbezüglich nicht angenommen werden.54) 27
Für die Entscheidung über die Stundung gilt insofern also nunmehr Folgendes: Nach Absatz 1 Satz 3 und 4 n. F. allein kommt eine Stundung lediglich dann nicht mehr in Betracht, wenn der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, §§ 280c – 283c StGB) vorliegt. Ebenfalls ab dem 1.7.2014 sind jedoch in § 287a Abs. 2 ausdrücklich – und abschließend (siehe oben) – die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen ein Restschuldbefreiungsantrag unzulässig ist; ist dies der Fall, kommt auch eine Stundung nicht in Betracht. Die damit angeordnete Prüfung des Gerichts von Amts wegen hat sich also auf folgende (nunmehr gesetzlich geregelte) Tatbestände, für die – gestuft nach ihrem „Unrechtsgehalt“ – unterschiedliche Sperrfristen für einen erneuten Antrag gelten, zu erstrecken:
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Eine elfjährige Sperrfrist ist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 vorgesehen, wenn dem Schuldner vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag bereits Restschuldbefreiung innerhalb dieses Zeitraums erteilt wurde. fünf Jahre beträgt die Sperrfrist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 297 wegen einer Verurteilung nach §§ 283 – 283c StGB zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist versagt wurde.
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Eine Sperrfrist von drei Jahren für einen wiederholten Restschuldbefreiungsantrag hat der Gesetzgeber in § 287a Abs. 2 Nr. 2 vorgesehen, wenn dem Schuldner in einem früheren Verfahren die Restschuldbefreiung versagt worden ist, weil er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5), er unzutreffende Angaben in den vorzulegenden Unterlagen gemacht (§ 290 Abs. 1 Nr. 6) _____________ 53) Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379. 54) So i. E. auch BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444; AG Göttingen, Beschl. v. 14.3.2017 – 71 IN 17/17, ZVI 2017, 233; AG Hannover, Beschl. v. 28.1.2015 – 908 IK 1769/14 – 8, ZVI 2015, 236 = ZInsO 2015, 368; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 287a Rz. 18; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287a Rz. 54 ff, 63 m. w. N.
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oder Obliegenheiten nach § 290 Abs. 1 Nr. 7, § 296 Abs. 1 nicht beachtet hat. Das gilt auch, wenn die Restschuldbefreiung erst nach dem Schlusstermin oder nach der Einstellung mangels Masseunzulänglichkeit (§ 211) wegen der in §§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 aufgeführten Gründen versagt wurde (§ 287a Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2). Für weitere Fälle hat der Gesetzgeber Sperrfristen bei wiederholten Restschuldund Stundungsanträgen ausdrücklich ausgeschlossen und insoweit bewusst die entsprechende Rechtsprechung des BGH nicht kodifiziert, weil er keinen vergleichbaren Unrechtsgehalt mit den in § 287a Abs. 2 Nr. 2 aufgeführten Versagungsgründen gesehen hat.55) Das gilt für die Nichtzahlung der Mindestvergütung für den Treuhänder,56) weil es insoweit „bereits an einem im ersten Verfahren gestellten Versagungsantrag eines Gläubigers und an der Feststellung, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde“,57) fehlt. Ebenso gilt das in den Fällen eines als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrages58) oder eines trotz Hinweises des Gerichts unterlassenen Eigenantrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Gläubigerantrags.59) In diesen Fällen liegt zwar ein nachlässiges Verhalten des Schuldners vor, daraus muss jedoch nicht auf ein unredliches Verhalten geschlossen werden.60) Grund für die Sperrfristenregelung ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein durch das Gericht auf den Versagungsantrag eines Gläubigers festgestelltes Fehlverhalten des Schuldners.61) Deshalb ist die Sperrfristenregelung auch nicht auf den Fall ausgedehnt worden, in dem „eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist.“62) Für den Fall des Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 hat der Gesetzgeber ebenfalls bewusst keine Sperrfristenregelung vorgesehen. Die Frist für die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners bei der Begründung _____________ 55) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25; dies ausdrücklich „akzeptierend“ BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444. 56) Vgl. LG Baden-Baden, Beschl. v. 10.12.2015 – 2 T 77/15, ZVI 2016, 141 = NZI 2016, 91; LG Hagen, Beschl. v. 13.2.2014 – 6 T 43/14, NZI 2014, 574; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 27.5.2016 – 3f IN 158/16 Lu, ZVI 2016, 484; AG Montabaur, Beschl. v. 8.7.2016 – 14 IK 88/16, ZVI 2017, 193. Anders – schon unter Bezugnahme auf den seinerzeit vorliegenden, aber noch nicht realisierten Gesetzesentwurf – noch BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846; die Entwurfsbegründung ist dabei aber offenbar nicht vollständig berücksichtigt worden. Im Ergebnis diese Rspr. für die Rechtslage ab 1.7.2014 (wohl) ebenfalls aufgebend BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444. 57) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 58) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140. 59) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, NZI 2010, 195. 60) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 61) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 62) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25; vgl. zu ähnlicher Fallgestaltung auch BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444, „unbefriedigend“.
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unangemessener Verbindlichkeiten oder der Verschwendung von Vermögen, wodurch er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte von einem auf drei Jahre angehoben worden. Angesichts dieser Anhebung hätte sich eine unverhältnismäßig lange Sperrfrist ergeben. Das gilt ebenso für die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 2.63) 31
Unabhängig davon, ob das Verfahren vor oder nach dem 1.7.2014 beantragt wurde, ist jedenfalls nach Ablauf der jeweiligen Sperrfrist (und nach Aufhebung eines ggf. eröffneten Insolvenzverfahrens)64) der Weg für einen neuen Antrag des Schuldners voraussetzungslos wieder frei; früher aufgestellte Prämissen, dass etwa ein neuer Gläubiger hinzugekommen sein müsse65) oder der Schuldner in der Zwischenzeit neues verteilbares Vermögen erworben habe, sind – zu Recht – ausdrücklich aufgegeben worden.66) cc) Weitere „Ausschlussgründe“?
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Sowohl in vor als auch ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren hat eine Stundung aber auch keinen Sinn, wenn die Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 4c bereits zum Zeitpunkt der Stundungsentscheidung offensichtlich vorliegen.67)
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Das Gericht hat jedoch nicht zu untersuchen, ob der Schuldner sich redlich i. S. des § 1 Satz 2 verhalten hat.68) Für eine derartige Prüfung findet sich in der InsO keine Grundlage.69) Ebenso wenig kann ihm in diesem Verfahrensstadium vorgehalten werden, er habe keine Rücklagen für die Verfahrenskosten angespart.70) Generell wird man auch an dieser Stelle einer Erweiterung der Gründe, mit denen eine Stundung und damit auch einem mittellosen Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden kann, nach eben der gesetzgeberischen Neuregelung und der damit einhergehenden _____________ 63) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25; schon für das alte Recht BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – IX ZB 194/11, ZVI 2013, 23 = ZInsO 2013, 262. 64) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195; vgl. auch grundsätzlich zur Unzulässigkeit eines zweiten Eröffnungsantrags während eines laufenden Verfahrens, BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 = ZInsO 2004, 739; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2009, 1976 = ZInsO 2008, 924. 65) So noch BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 263/05, ZVI 2006, 406 f = NZI 2006, 601. 66) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, NZI 2010, 153 = ZInsO 2010, 140; BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195. 67) In diesem Punkt sicher richtig LG München I, Beschl. v. 26.9.2003 – 14 T 13149/03, ZVI 2003, 544, 545; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 37. 68) Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 40; a. A. AG München, Beschl. v. 20.5.2003 – 1506 IN 748/02, ZVI 2003, 292; offenbar auch AG Hannover, Beschl. v. 20.1.2004 – 905 IK 643/03-0, ZVI 2004, 501 = NZI 2004, 391. 69) Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 40. 70) Unbeschadet der Möglichkeit einer späteren Feststellung einer Vermögensverschwendung: BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 24/06, ZVI 2006, 511, 512 = NZI 2006, 712, 714; BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46, 47; anders noch AG Duisburg, Beschl. v. 13.12.2005 – 60 IN 82/05, ZVI 2006, 34 f; AG Leipzig, Beschl. v. 23.10.2006 – 401 IN 1281/06, InVo 2007, 64 ff; zutreffend hingegen AG Hamburg, Beschl. v. 17.12.2007 – 68c IK 910/07, ZVI 2008, 35, 37 = ZInsO 2008, 51, für einen eindeutigen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflicht unmittelbar vor Antragstellung.
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bewussten und gewollten Beschränkung auf missbräuchlich wiederholte Restschuldbefreiungsverfahren71) eher sehr zurückhaltend gegenüberstehen müssen.72) b) Mangelnde Verfahrenskostendeckung Die Stundung setzt voraus, dass das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Die Prüfung durch das Gericht, die sich jeweils auf einzelne Verfahrensabschnitte (aa) bezieht, erfolgt also in zwei Schritten: Zunächst werden die absehbaren Verfahrenskosten (bb) ermittelt, denen anschließend das „Vermögen“ des Schuldners (cc) i. S. des § 4a gegenübergestellt wird. Beiden Positionen wohnt ein prognostisches Element inne, da die tatsächliche Entwicklung nicht umfassend vorhersehbar ist. Daher lässt die Regelung es für die Bewilligung der Stundung auch ausreichen, wenn voraussichtlich eine Deckungslücke besteht; auch wenn diese nur teilweise besteht, muss die Stundung in vollem Umfang für den jeweiligen Verfahrensabschnitt ausgesprochen werden.73) Vorab ist jedoch noch an einen Verfahrenskostenvorschuss zu denken (dd).
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aa) Stundung je Verfahrensabschnitt Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass die Stundung für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu erfolgen hat. Bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung ist dementsprechend der jeweilige Verfahrensabschnitt isoliert zu betrachten. Unter „Verfahrensabschnitt“ ist jeder Teil des gesamten Insolvenzverfahrens zu verstehen, der besondere Kosten verursacht und für den bei der ursprünglichen Stundung noch nicht alle einer Restschuldbefreiung möglicherweise entgegenstehenden Umstände geprüft werden konnten.74) Im Verbraucherverfahren fallen hierunter das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren, das Eröffnungsverfahren, das eröffnete Insolvenzverfahren und die Restschuldbefreiungsphase.75) Die Entscheidung über die Stundung der Kosten für den jeweiligen Verfahrensabschnitt ist erst dann zu treffen, wenn der entsprechende Abschnitt durchgeführt werden soll. So kann nicht über die Stundung der Kosten für das Schuldenbereinigungsplanverfahren entschieden werden, bevor nicht feststeht, dass dieser Verfahrensabschnitt tatsächlich durchgeführt wird. Dasselbe gilt für die Restschuldbefreiungsphase.76)
_____________ 71) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 72) Dies verkennend etwa AG Augsburg, Beschl. v. 12.9.2017 – IK 459/17, juris, drei Jahre Sperrfrist wegen einer im vorangegangenen Verfahren erfolgten Stundungsaufhebung infolge der Nichtabgabe einer Erklärung über pers. und wirtschaftl. Verhältnisse; ebenso AG Aachen, Beschl. v. 4.7.2016 – 91 IK 78/16, juris. 73) BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285, 286 = ZInsO 2006, 773. 74) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 24; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4a Rz. 45. 75) BGH, Beschl. v. 20.10.2011 – IX ZB 128/11, VuR 2012, 158; BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, NJW 2003, 3780, 3781 = NZI 2002, 665 f. 76) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 71/03, ZVI 2004, 121 = ZBB 2004, 160; LG Kiel, Beschl. v. 11.8.2006 – 13 T 56/06, ZInsO 2006, 1007 f; Kraemer/Vallender/Vogelsang-GrafSchlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 33; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 28.
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bb) Kosten des Verfahrens 36
Nach oben (siehe Rz. 34 f) Ausgeführtem müssen die Kosten des jeweiligen Verfahrensabschnitts gesondert ermittelt werden. Folgende Positionen sind dabei jeweils zu beachten: –
Eröffnungsverfahren: 5/10 Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2310 GKG-KV (immer) sowie ggf. Auslagen, insbesondere Veröffentlichungskosten (Nr. 9004 GKG-KV), Sachverständigenkosten (Nr. 9005 GKG-KV, die den Verweis auf das JVEG enthält),77) Kosten eines vorläufigen Insolvenzverwalters.
–
Schuldenbereinigungsplanverfahren: Keine Gerichtskosten, sondern im Wesentlichen nur Auslagen für Zustellungen. Es wird aber kein Auslagenvorschuss erhoben (§ 17 Abs. 4 Satz 3 GKG). Stundungsrelevant könnten also nur Kosten eines beigeordneten Rechtsanwalts sein.
–
Insolvenzverfahren: Relevant sind die in § 54 aufgeführten Kosten, also die Gerichtskosten sowie die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters (im Verbraucherinsolvenzverfahren des Treuhänders) und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Dagegen bleiben die sonstigen Masseverbindlichkeiten außer Betracht.78) Auch Umsatzsteuer aus der Verwertung von Massegegenständen fällt nicht unter den Begriff der Verfahrenskosten des § 54, der Gesetzgeber hat diesen Begriff bewusst eng gefasst.79) Für die Durchführung des Insolvenzverfahrens fallen 2,5 Gerichtsgebühren an (Nr. 2320 GKG-KV), beim Gläubigerantrag drei Gerichtsgebühren (Nr. 2330 KV-GKG). Sie werden gemäß § 58 GKG nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Die Kosten müssen geschätzt werden, weil die genaue Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch nicht feststeht.80) Das gilt auch für die Vergütungen des Insolvenzverwalters und des Treuhänders, die sonst gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 InsVV an dem in der Schlussrechnung ausgewiesenen Wert der Insolvenzmasse zu bemessen sind.
–
Restschuldbefreiungsphase: Mindestvergütung des Treuhänders (§ 14 Abs. 3 InsVV).
cc) Vermögen des Schuldners 37
Es ist sodann zu prüfen, ob die so ermittelten Kosten des Verfahrensabschnitts vom Schuldnervermögen gedeckt werden können. Das Vermögen i. S. des § 4a ist gleichzusetzen mit der (künftigen) Insolvenzmasse, sodass §§ 35 – 37 zur Bestim_____________ 77) Zum Stundensatz des SV: ehedem str., LG Bochum, Beschl. v. 28.1.2005 – 10 T 97/04, ZInsO 2005, 308 (80 €); a. A. OLG Bamberg, Beschl. v. 25.1.2005 – 1 W 1/05, ZInsO 2005, 202 = NZI 2005, 266 (65 €); durch die Neuregelung im Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts, die am 1.8.2013 in Kraft getreten ist, geklärt: Nach § 9 Abs. 2 80 €. 78) Begr. RegE InsO § 30/§ 26, BT-Drucks. 12/2443, S. 118, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 188; vgl. zum Meinungsstand Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 26 Rz. 11 f. 79) BGH, Beschl. v.14.10.2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252; Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 12; Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166, 1174. 80) Braun-Herzig, InsO, § 26 Rz. 7.
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mung heranzuziehen sind.81) Da nach § 35 auch der Neuerwerb, also auch das pfändbare Einkommen, zur Insolvenzmasse zählt,82) hat das Gericht zu prüfen, ob während des Insolvenzverfahrens bzw. des konkreten Verfahrensabschnitts aus dem pfändbaren Einkommen des Schuldners und seinem sonstigen Vermögen voraussichtlich genügend Insolvenzmasse erzielt wird, um die Kosten zu decken.83) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die prognostizierte Masse auch für die voraussichtlich in der Wohlverhaltensperiode, also nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstehenden Kosten heranzuziehen ist; ggf. hat der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder selbst bei der Schlussverteilung eine entsprechende Rückstellung zu bilden.84) Bei der Berechnung des Vermögens bleiben also zunächst die auch in der Einzelzwangsvollstreckung unpfändbaren Vermögenswerte nach § 36 Abs. 1 außer Betracht. Pfändbare Gegenstände können hingegen vollumfänglich mit ihrem Wert in die Berechnung eingestellt werden, weil sie grundsätzlich der Verwertung i. R. des Insolvenzverfahrens unterliegen. Anders als bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss nicht im Einzelfall nach der Zumutbarkeit der Verwertung von Vermögensgegenständen, etwa bei der Veräußerung von Grundbesitz,85) gefragt werden.
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Rechtlich begründete Ansprüche des Schuldners selbst gegen Dritte – dies können auch Pflichtteilsansprüche sein86) sind dann zum Vermögen des Schuldners zu rechnen, wenn die gerichtliche Prüfung ergibt, dass sie kurzfristig realisiert werden können.87) Im Regelfall ist hierbei auf die Fälligkeit des Anspruchs abzustellen.88) Dies gilt aber dann nicht, wenn der Schuldner davon absieht, eine lediglich von seinem Handeln abhängige Fälligkeit herbeizuführen (§ 162 BGB). Daher kann dem Schuldner i. R. der Vermögensprüfung etwa entgegengehalten werden, bislang ihm zustehende Steuererstattungsansprüche nicht geltend gemacht zu haben.89)
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_____________ 81) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 20; BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665. 82) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665; Kraemer/ Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 16, Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 4a Rz. 34. 83) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 71/03, ZVI 2004, 121 = ZBB 2004, 160; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 34; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 24, Kraemer/ Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 16; a. A. BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, NZI 2003, 665, 666 = ZVI 2004, 58. 84) BGH, Beschl. v. 20.11.2014 – IX ZB 16/14, ZIP 2015, 85 = ZVI 2015, 61; LG Duisburg, Beschl. v. 23.12.2004 – 7 T 282/04, juris; LG Essen, Beschl. v. 19.7.2005 – 16a T 40/05, juris; a. A. LG Kleve, Beschl. v. 31.7.2006 – 4 T 174/06, juris – „schlichtweg rechtswidrig“. 85) LG Kleve, Beschl. v. 2.2.2011 – 4 T 6/11, NZI 2011, 332; AG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2002 – 21 IN 277/02, MDR 2003, 176; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 26. 86) LG Koblenz, Beschl. v. 7.5.2004 – 2 T 230/04, ZInsO 2004, 690, 691 = Rpfleger 2004, 649; LG Aschaffenburg, Beschl. v. 3.1.2003 – 5 T 260/02, ZVI 2003, 346, 347 = ZInsO 2003, 236; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 36. 87) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46; JaegerEckardt, InsO, § 4a Rz. 33; insofern sehr fraglich LG Kleve, Beschl. v. 2.2.2011 – 4 T 6/11, NZI 2011, 332, das eine solche auch noch bei einem Zeitraum von einem halben Jahr annehmen will. 88) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46. 89) BGH, Beschl. v. 8.6.2010 – IX ZB 156/08, ZVI 2010, 298 f = ZInsO 2010, 1224.
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Bleiben jedoch Zweifel an der Realisierbarkeit, dürfen sie dem Vermögen i. R. der ersten Stundungsentscheidung nicht zugerechnet werden.90) Gleiches gilt für mögliche Rückzahlungsansprüche, die infolge einer Anfechtung zur Insolvenzmasse gelangen können. Dabei dürfen im Interesse eines beschleunigten Verfahrens die Anforderungen an die Prüfungspflicht des Gerichts aber nicht überspannt werden;91) ggf. kommt eine spätere Korrektur der Stundungsentscheidung in Betracht.
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Der Schwerpunkt der Prüfung dürfte regelmäßig auf der Frage liegen, welcher Anteil der vom Schuldner angegebenen – und ggf. belegten – Einkünfte pfändbar ist und damit zur Insolvenzmasse gerechnet werden kann; hier sind die § 36 Abs. 1, § 850c ZPO i. V. m. §§ 850a und 850e ZPO maßgebend. Das Gericht hat zunächst das Nettoeinkommen i. S. des § 850e ZPO zu bestimmen. Regelmäßig ist dies das Bruttoarbeitseinkommen abzgl. der Positionen nach § 850e Abs. 1 ZPO: –
Nach § 850a ZPO unpfändbare Beträge, z. B. die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung, Urlaubsgelder, Weihnachtsvergütungen bis höchstens 500 €, Erziehungsgelder und Studienbeihilfen;
–
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sodann die „unmittelbar aufgrund steuer- und sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen“ abzuführenden Beträge, also Lohn-, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung; – diesen Beträgen stehen gleich Leistungen des Schuldners nach den Vorschriften des SGB zur Weiterversicherung und Beträge, die er an eine Ersatzkasse oder an eine private Krankenversicherung entrichtet hat, sofern sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; – vermögenswirksame Leistungen (§ 851 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 2 Abs. 7 5. VermBG bzw. § 13 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 5. VermBG). Nicht abgezogen werden i. R. der Stundung weitere Lebenshaltungskosten, wie etwa Miete, Kreditraten, Werbungskosten, z. B. Fahrtkosten zur Arbeit; diese hat der Schuldner regelmäßig aus dem ihm zustehenden pfändungsfreien Betrag zu bestreiten. Es ist daher auch nicht möglich, aber auch nicht notwendig, den Schuldner etwa auf eine günstigere Wohnmöglichkeit zu verweisen. Zuzumuten ist dem Schuldner jedoch die Wahrnehmung einkommenserhöhender Handlungsmöglichkeiten, so etwa der Wechsel in eine günstigere Steuerklasse.92) Auf das so gefundene monatliche Nettoeinkommen kann nun die jeweils aktuelle Tabelle zu § 850c ZPO angewendet werden, um unter Berücksichtigung der Zahl der gegenüber dem Schuldner unterhaltsberechtigten Personen den unpfändbaren Betrag zu bestimmen. Das Gericht hat dabei nicht von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags nach § 36 Abs. 1 InsO, § 850 f Abs. 1 ZPO vorliegen.93) Was als pfändbarer Betrag verbleibt, wird in _____________ 90) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 33 und Rz. 31. 91) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 36a. 92) BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, ZVI 2009, 13, 14 = NZI 2008, 624, 625; AG Kaiserslautern, Beschl. v. 12.9.2002 – IK 48/02, ZVI 2002, 378, 380; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 36; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 26; Ernst, ZVI 2003, 107, 109. 93) Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 28.
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die Insolvenzmasse fließen und damit das Vermögen i. S. des § 4a bilden können; für die Berechnung kann das Gericht eine geschätzte, durchschnittliche Verfahrensdauer zugrunde legen, so z. B. sechs Monate für ein normales Verbraucherinsolvenzverfahren.94) In vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren funktioniert dies dann nicht, wenn die Bezüge aus einem Dienstverhältnis vor Insolvenzeröffnung bereits abgetreten oder verpfändet wurden, weil sie nach – dem bis zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden und geltenden – § 11495) zwei Jahre lang der Masse nicht zur Verfügung stehen.96) Unerheblich ist dabei, ob ein Arbeitgeber die Wirksamkeit der Abtretung verkannt und den Betrag während des Eröffnungsverfahrens noch an den Schuldner ausgezahlt hat.97)
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Die Möglichkeit eines Gläubigers, gegenüber einer Forderung des Schuldners aufzurechnen, kann dagegen vermögensmindernd nur berücksichtigt werden, wenn die Aufrechnung auch tatsächlich erklärt ist.98)
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dd) Verfahrenskostendeckung durch Vorschuss Ergibt sich eine Unterdeckung der Verfahrenskosten, so bleibt für die ultima ratio99) der Stundung dennoch kein Raum, wenn die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses, etwa von interessierten Dritten oder einer karitativen Einrichtung, sicher erwartet werden kann. Oftmals wird hier auch an einen Anspruch des Schuldners auf Verfahrenskostenvorschuss gegen seinen Ehepartner gemäß § 1360a Abs. 4 BGB zu denken sein.100)
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Voraussetzung dieses Anspruches ist, dass das Insolvenzverfahren in Zusammenhang mit den aus der Ehe erwachsenden persönlichen oder wirtschaftlichen Bindungen und Beziehungen steht. Ein Ehegatte ist daher nicht vorschusspflichtig, wenn die Insolvenz seines Ehepartners im Wesentlichen auf vorehelichen Schulden oder Verbindlichen beruht, die weder zum Aufbau oder zur Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz der Eheleute eingegangen wurden noch aus sonstigen Gründen mit der gemeinsamen Lebensführung der Eheleute in Zusammenhang stehen.101) Weiterhin besteht der Anspruch nur bei entsprechender Leistungsfähigkeit des Ehepartners und einer Aussicht auf baldige Realisierbarkeit des Anspruchs.102)
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_____________ 94) LG Bochum, Beschl. v. 10.10.2003 – 10 T 74/03, n. v.; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 28.5.2001 – 1 T 33/01, ZInsO 2001, 628, 629; Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4a Rz. 10. 95) § 114 m. W. v. 1.7.2014 aufgehoben durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379. 96) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 41/03, ZVI 2004, 51 = ZInsO 2003, 1152. 97) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 41/03, ZVI 2004, 51 = ZInsO 2003, 1152. 98) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 71/03, ZVI 2004, 121 = ZBB 2004, 160. 99) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 20. 100) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 6/06, ZVI 2007, 187, 188 = NZI 2007, 298, 299. 101) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; Vallender, ZVI 2003, 505. 102) Vgl. hierzu Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 30; auch LG Duisburg, Beschl. v. 29.7.2011 – 7 T 97/11, NZI 2011, 949 – Stundung aber trotzdem dann, wenn der Ehepartner dem Anspruch nur durch Ratenzahlungen nachkommen kann.
Kexel
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
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Zur Beurteilung dieser Umstände hat der Schuldner dem Gericht daher Auskunft auch über die Einkünfte und das Vermögen seines Ehepartners zu erteilen103) und seine Angaben durch entsprechende Nachweise zu belegen.104) Kommt der Schuldner dieser Verpflichtung nicht nach, so hat das Insolvenzgericht ihn detailliert darauf hinzuweisen, welche ergänzenden Angaben er zu machen hat.105)
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Weigert sich der Ehepartner, den geschuldeten Vorschuss zu leisten, hat der Schuldner den Anspruch – auch im Eilwege – gerichtlich durchzusetzen; ihm ist insoweit zuzumuten, dass das Gericht die Entscheidung über den Stundungsantrag und damit der Eröffnung des Verfahrens jedenfalls bis zur Bescheidung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinausschiebt.106)
50
Die vorgenannten Voraussetzungen gelten gemäß § 5 LPartG entsprechend für die Verpflichtungen zwischen Lebenspartnern.107) Dagegen sind volljährige Kinder nicht verpflichtet, den Eltern einen Vorschuss zur Finanzierung der Kosten des Insolvenzverfahrens zu leisten, weil in diesem Verwandtschaftsverhältnis, anders als bei Ehegatten, regelmäßig Einwirkungsmöglichkeiten auf die finanziellen und wirtschaftlichen Entscheidungen der Eltern fehlen.108) 3.
Entscheidung des Gerichts
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Das Gericht entscheidet – unverzüglich nach Entscheidungsreife109) – durch Beschluss110) über den Stundungsantrag, verwirft diesen als unzulässig, weist ihn als unbegründet zurück oder, soweit die Voraussetzungen der Stundung vorliegen, stundet dem Schuldner die Kosten des jeweiligen Verfahrensabschnitts. Dabei spricht es die Stundung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung aus (Abs. 1 Satz 1).111)
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Eine Ratenzahlungsanordnung kommt nach § 4a nicht in Betracht; eine dem § 4b Abs. 1 entsprechende Regelung fehlt.112) Ohnehin fehlt dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, sodass er dann entsprechende Ratenzahlungen rechtlich gar nicht leisten dürfte bzw. könnte.113) Davon streng zu unterscheiden ist die Frage, ob die Verfahrens_____________ 103) 104) 105) 106)
107) 108) 109) 110) 111) 112)
113)
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BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. LG Bochum, Beschl. v. 3.2.2003 – 10 T 112/02, ZVI 2003, 130, 131. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 6/06, ZVI 2007, 187, 188 = NZI 2007, 298, 299; nachvollziehbar abgrenzend hierzu AG Dresden, Beschl. v. 18.9.2007 – 531 IK 1781/07, ZVI 2008, 120 f, für den Fall, dass zuvor auch noch ein Auskunftsanspruch geltend gemacht werden muss. Ahrens, NZI 2003, 558 (Urteilsanm.). So i. E. LG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2003 – 7 T 180/03, ZVI 2004, 40 = NZI 2003, 616; Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 19. G. Pape, ZVI 2002, 225, 226. Eine konkludente Bescheidung kommt nicht in Betracht, BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 149/05, ZVI 2007, 615 f = ZInsO 2007, 1277. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 25 m. w. N. BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665; BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285, 286 = ZInsO 2006, 773; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 6/06, ZVI 2007, 187 = NZI 2007, 298, 299; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 4a Rz. 35. LG Bochum, Beschl. v. 10.10.2003 – 10 T 74/03, n. v.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
kosten nach der Prognose des Gerichts insofern aufgebracht werden können, als ein entsprechender Massezuwachs in einem absehbaren Zeitraum zu erwarten ist.114) Der Beschluss des Gerichts ist zu begründen und muss ggf. eine nachvollziehbare Darstellung der Berechnung enthalten, um die Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz (§ 4d) zu ermöglichen. Bei Versagung ist er dem Schuldner, bei Bewilligung der Staatskasse zuzustellen.
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IV. Wirkungen der Stundung (Abs. 3) Die Stundung der Verfahrenskosten führt in erster Linie dazu, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gemäß § 26 Abs. 1 mangels Masse abgewiesen (§ 26 Abs. 1 Satz 2) oder das Insolvenzverfahren nicht gemäß § 207 Abs. 1 mangels Masse eingestellt wird (§ 207 Abs. 1 Satz 2). Die Restschuldbefreiung kann nicht wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders versagt werden (§ 298 Abs. 1 Satz 1).
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Rein technisch bewirkt die Stundung gemäß Absatz 3 Satz 1, dass die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) gegenüber dem Schuldner bis zum Ende des Bewilligungszeitraums nicht geltend gemacht werden können. Der Fälligkeitszeitpunkt wird hinausgeschoben. Regelmäßig wird die Stundung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gewährt. Endet das Verfahren vorher anderweitig, so erfolgt die Stundung längstens bis zum Abschluss des Verfahrens. Als Masseverbindlichkeiten fallen die gestundeten Kosten nicht unter die Restschuldbefreiung.
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Eine unmittelbare Stundung der Vergütungsansprüche des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Treuhänders, des Insolvenzverwalters und Treuhänders oder der Mitglieder des Gläubigerausschusses ist nicht möglich, weil es sich um selbständige Ansprüche Dritter handelt. Diesen Personen wird für ihre Vergütungen ein Sekundäranspruch gegen die Staatskasse eingeräumt (§§ 63 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 1, 293 Abs. 2, 73 Abs. 2).115) Hat die Staatskasse diese Vergütungen gezahlt, kann sie nach Nr. 9018 GKG-KV diese Aufwendungen als Auslagen des gerichtlichen Verfahrens gegen die Masse oder – nach Ablauf der Stundung – gegen den Schuldner (§ 23 Abs. 7 GKG) geltend machen.
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Der nach Absatz 2 beigeordnete Rechtsanwalt kann gemäß Absatz 3 Nr. 2 seinen Vergütungsanspruch nicht gegen den Schuldner geltend machen. Er hat vielmehr gemäß §§ 12, 45 RVG einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung gegen die Staatskasse. Mit der Zahlung der Vergütung an den Rechtsanwalt geht dieser Anspruch gemäß §§ 12, 59 RVG auf die Staatskasse über. Nach Absatz 3 Nr. 1 Buchst. b kann die Bundes- oder Landeskasse diese Ansprüche jedoch nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen den Schuldner geltend machen. Maßgeblich sind insoweit die Bestimmungen des Gerichts i. R. der Stundungsentscheidungen. _____________
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114) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 35; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 4a Rz. 11; insofern widersprüchlich BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665; zuvor LG Essen, Beschl. v. 23.8.2002 – 5 T 77/02, ZVI 2003, 132 = ZInsO 2002, 1039; unklar auch BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285, 286 = ZInsO 2006, 773, wo weiterhin der Begriff „Einmalzahlung“ verwandt wird. 115) Wobei sich die Ansprüche gegen die Staatskasse nach § 63 Abs. 2 der Höhe nach auf die Mindestvergütung beschränken, soweit hierfür die Masse nicht ausreicht, BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 245/11, ZIP 2013, 631 ff.
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
Absatz 3 Nr. 1 Buchst. b soll auch sicherstellen, dass die Staatskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche wie Gerichtskosten gegen den Schuldner geltend machen kann,116) ohne dass ihr gemäß §§ 412, 404 BGB gegen den bisherigen Gläubiger begründete Einwendungen entgegengehalten werden können.117) 58
Die vorgenannten Wirkungen der Stundung treten erst mit der Bewilligung ein. Um zu verhindern, dass bis zu diesem Zeitpunkt Vorschüsse eingefordert werden müssen,118) ordnet Absatz 3 Satz 3 an, dass die beschriebenen Wirkungen der Stundung bereits ab Antragstellung einstweilen eintreten. Dieser einstweilige Zustand kann allerdings nicht zur Verfahrenseröffnung führen, wenn ohne Stundung eine Abweisung mangels Masse erfolgen müsste.119) V. Beiordnung (Abs. 2)
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Nach Absatz 2 ist dem Schuldner auf dessen Antrag ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. 1.
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Die Beiordnung setzt wiederum einen Antrag voraus; aus der dem Gericht obliegenden Fürsorgepflicht dürfte jedoch konsequenterweise folgen, dass eine entsprechende Anregung ergeht, wenn das Gericht erkennt, dass der Schuldner einer anwaltlichen Vertretung dringend bedarf. 2.
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Verfahrenskostenstundung
Eine Beiordnung setzt die Stundung der Verfahrenskosten voraus; sie kommt nicht in Betracht, wenn dem Schuldner die Verfahrenskosten – zu denen Anwaltskosten nicht zählen – nicht gestundet werden.120) Bereits hieraus folgt, dass der Schuldner eine Anwaltsbeiordnung weder für das Stundungsverfahren selbst noch für die Stellung der verfahrenseinleitenden Anträge verlangen kann; hier kommt allenfalls die Bewilligung von Beratungshilfe in Betracht.121) 3.
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Antrag
Erforderlichkeit der Vertretung
Das Gericht ordnet den Anwalt bei, wenn es die Beiordnung für erforderlich erachtet. Dabei ist grundsätzlich die Einschätzung des Gesetzgebers im Auge zu behalten, _____________ 116) Begr. RegE InsoÄndG, BT-Drucks. 14/5680 (zu Nr. 1 und 5), S. 21. 117) Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 62. 118) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 62; Kraemer/Vallender/Vogelsang-GrafSchlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 63. 119) AG Göttingen, Beschl. v. 20.2.2002 – 74 IK 14/02, ZVI 2002, 69, 70 = NZI 2002, 567; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 62. 120) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27, 28 = NZI 2003, 647, 648; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 94/06, ZVI 2007, 468 = ZInsO 2007, 492; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 84/06, VuR 2008, 154; Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 50; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 87; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4a Rz. 49. 121) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27, 28 = NZI 2003, 647, 648; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 94/06, ZVI 2007, 468 = ZInsO 2007, 492; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 84/06, VuR 2008, 154.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
dass der Schuldner im Insolvenzverfahren regelmäßig selbst seine Rechte wahrnehmen kann.122) Allgemein sind bei der Beurteilung der Erforderlichkeit die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beachten, namentlich die Person des Schuldners, der Umfang der Insolvenzsache, die Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie die jeweiligen Fürsorgemöglichkeiten des zuständigen Insolvenzgerichts.123) Dabei sollten aber auch die über das Insolvenzverfahren hinausgehenden Gesamtumstände Berücksichtigung finden können.124)
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Bei der Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage scheiden solche Gesichtspunkte aus, die typischerweise bei einem Insolvenzverfahren vorliegen, so etwa eine hohe Anzahl von Gläubigern oder Forderungen125) oder der mit einem Insolvenzverfahren verbundene hohe Zeit- und Arbeitsaufwand.126) In der Person des Schuldners liegende, besondere Umstände rechtfertigen die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht, soweit hierfür typischerweise andere Berufsgruppen zur Unterstützung zur Verfügung stehen; so ist die Beiordnung etwa abgelehnt worden bei Sprachproblemen des Schuldners,127) einer Erkrankung des Schuldners oder bei bestehender Betreuungsbedürftigkeit.128) Vom Schuldner jenseits der Pflichtaufgaben beabsichtigte Maßnahmen vermögen die Erforderlichkeit einer Beiordnung regelmäßig nicht zu begründen, etwa die Vorlage eines Insolvenzplans129) oder die Eigenverwaltung,130)
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In den meisten Verfahrensabschnitten dürfte die Beiordnung allein deswegen die Ausnahme darstellen, weil vorrangig die dem Gericht obliegende Fürsorge eingreift. Größere Relevanz erfährt die Beiordnung in „quasi-kontradiktorischen“ Verfahrensabschnitten, wo die Fürsorgepflicht des Gerichts durch das Neutralitätsgebot zurückgedrängt wird. Klassisches Beispiel ist hier das Versagungsverfahren;131) eine von der Bedeutung für den Schuldner her ähnliche Konstellation kann sich im Einzelfall auch bei der Frage der Einlegung eines Widerspruchs gegen die Forde-
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_____________ 122) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 64 m. w. N.; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 89; krit. Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4a Rz. 50. 123) BGH, Beschl. v. 18.12.2002 – IX ZA 22/02, ZVI 2003, 225 = ZInsO 2003, 124; BGH, Beschl. v. 5.12.2002 – IX ZA 20/02, ZVI 2003, 226 = NZI 2003, 270. 124) Ein anschauliches Beisp. hierfür LG Bonn, Beschl. v. 2.9.2009 – 6 T 239/09, ZVI 2009, 444 f = ZInsO 2010, 61. 125) LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119 = ZInsO 2003, 89. 126) LG Göttingen, Beschl. v. 14.1.2003 – 10 T 71/02, ZVI 2003, 226, 227 = NZI 2003, 454. 127) BVerfG, Beschl. v. 18.3.2003 – 1 BvR 329/03, ZVI 2003, 223, 224 = ZInsO 2003, 653; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 406 = NJW 2003, 2910; LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119, 121 = ZInsO 2003, 89, 91. 128) LG Bochum, Beschl. v. 27.12.2002 – 10 T 24/02, ZVI 2003, 67, 69 = ZInsO 2003, 131. 129) LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119, 121 = ZInsO 2003, 89. 130) Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 52. 131) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680 S. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 67; Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 53, jeweils m. w. N.; LG Bochum, Beschl. v. 28.5.2004 – 10 T 41/04, n. v.
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§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
rungsanmeldung aus unerlaubter Handlung ergeben.132) Weiterhin kann bei der Erörterung von Rechtsfragen im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 309133) oder bei dem Streit um die Wirksamkeit von Entgeltabtretungen die Erforderlichkeit bestehen.134) 66
Allein der Umstand, dass Gläubiger anwaltlich vertreten sind oder über eine mit Volljuristen besetzte Rechtsabteilung verfügen, reicht dagegen nicht aus,135) wie bereits aus der fehlenden Verweisung auf § 121 Abs. 2 ZPO geschlossen werden kann. 4.
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Entscheidung
Die Beiordnung wird regelmäßig mit dem die Stundung anordnenden Beschluss erfolgen. Ebenso wie die Stundung ist auch die Frage der Beiordnung für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu entscheiden.136) § 121 Abs. 3 – 5 ZPO gelten entsprechend; die praktische Bedeutung dürfte jedoch gering sein137) (zur Wirkung der Beiordnung betreffend die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts siehe oben Rz. 57). _____________ 132) BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, ZVI 2003, 601, 603 = ZInsO 2003, 1044; LG Bochum, Beschl. v. 6.8.2004 – 10 T 50/04, n. v. 133) AG Göttingen, Beschl. v. 17.2.2003 – 74 IK 153/01, ZVI 2003, 132, 133 = ZInsO 2003, 241. 134) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 67 m. w. N. 135) BGH, Beschl. v. 5.12.2002 – IX ZA 20/02, ZVI 2003, 226 = NZI 2003, 270; LG Bochum, Beschl. v. 27.12.2002 – 10 T 24/02, ZVI 2003, 67, 69 = ZInsO 2003, 131. 136) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 565/02, NJW 2004, 3260, 3261 = ZIP 2004, 1922, dazu EWiR 2005, 81 (Römermann); Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4a Rz. 31. 137) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 69.
§ 4b Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge Kexel
(1) 1Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen. 2§ 115 Absatz 1 bis 3 sowie § 120 Absatz 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) 1Das Gericht kann die Entscheidung über die Stundung und die Monatsraten jederzeit ändern, soweit sich die für sie maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. 2Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gericht eine wesentliche Änderung dieser Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen. 3§ 120a Absatz 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 4Eine Änderung zum Nachteil des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Literatur: Graf-Schlicker, Analysen und Änderungsvorschläge zum neuen Insolvenzrecht, WM 2000, 1984.
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Kexel
§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge Übersicht I. Regelungsgehalt ................................... II. Verlängerung der Stundung (Abs. 1) .................................................. 1. Antrag .................................................... 2. Wirtschaftliches Unvermögen ............. a) Einkommen .................................... b) Vermögen .......................................
I.
1 2 2 3 4 5
3. III. 1. 2. 3. 4. 5.
Entscheidung, Ratenzahlung ................ 6 Anpassung der Stundung (Abs. 2) ..... 8 Verfahren ............................................... 9 Auskunftspflicht des Schuldners ........ 10 Wesentliche Änderungen .................... 11 Ausschlussfrist .................................... 13 Entscheidung ....................................... 14
Regelungsgehalt
Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung endet die nach § 4a erfolgte Stundung und der Schuldner sieht sich fälligen Rückzahlungsansprüchen der Staatskasse ausgesetzt. Damit für den Fall weiter fortbestehender, notleidender Vermögensverhältnisse des Schuldners nun der erstrebte Neuanfang nicht an dieser Schuldenlast scheitert, ermöglicht Absatz 1 eine Verlängerung der Stundung und ggf. die Anordnung von Ratenzahlungen. Absatz 2 dient einer Anpassung der Stundungs- bzw. Ratenzahlungsanordnung bei veränderten Verhältnissen.
1
II. Verlängerung der Stundung (Abs. 1) 1.
Antrag
Die Verlängerung der Stundung setzt wiederum einen Antrag voraus.1) Dieses Erfordernis wird zwar vom Gesetz nicht erwähnt, ergibt sich aber aus den Beschränkungen, denen der Stundungsadressat weiterhin unterworfen wird; nach der Erteilung der Restschuldbefreiung besteht kein Anlass und keine Handhabe, dem selbstverantwortlichen Schuldner diese Pflichten aufzuerlegen. Wohl aber sollte ein Hinweis des Gerichts ergehen, wenn es dafür hält, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.2) Für die Formvorschriften gelten die Regeln für den Stundungsantrag (siehe § 4a Rz. 8) entsprechend. Mit dem Antrag muss der Schuldner wiederum substantiiert und nachvollziehbar seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darstellen, auf notwendige Ergänzungen muss das Gericht auch hier hinweisen, bevor es einen Antrag zurückweisen kann. 2.
2
Wirtschaftliches Unvermögen
Der Schuldner darf nicht in der Lage sein, den gestundeten Betrag mit einer Einmalzahlung aus seinem Einkommen und dem ihm verbliebenen Vermögen zu zahlen. Das Gericht muss also den ihm bekannten gestundeten Betrag der Leistungsfähigkeit des Schuldners gegenüberstellen; letztere hat es möglichst genau festzustellen.3) Abweichend von § 4a sind Einkommen und Vermögen nun anhand des ausdrücklich in Bezug genommenen § 115 Abs. 1 bis 3 ZPO festzustellen.
3
a) Einkommen Zum Einkommen gehören nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert; maßgeblich ist das Monatseinkommen. Von diesem sind die in § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO benannten Positionen in Abzug zu bringen. Hierzu zäh_____________ 1) 2) 3)
BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 136/09, ZIP 2011, 1327 = ZVI 2011, 458. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 23. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 4 m. w. N.
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§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
len Kosten der Unterkunft und Heizung (Nr. 3), Unterhaltsfreibeträge (Nr. 2), Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und § 30 SGB XII (Nr. 4), die Beträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII (gesetzliche Abzüge, Freibeträge) und Aufwendungen für anerkennenswürdige besondere Belastungen gemäß § 1610a BGB (Nr. 5). b) Vermögen 5
Der Schuldner hat ferner das gesamte verwertbare Vermögen für die Zahlung einzusetzen. Im Rahmen der Stundungsverlängerung nach Absatz 1 bleibt nicht nur das unpfändbare Vermögen nach den §§ 850 ff ZPO außer Betracht, die Verwertung des sonstigen Vermögens muss nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch zumutbar sein, was § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit dem Verweis auf § 90 SGB XII konkretisiert. 3.
Entscheidung, Ratenzahlung
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Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vor, so hat das Gericht im Beschlusswege die Stundung zu verlängern und ggf. die Höhe der monatlichen Raten gemäß § 115 Abs. 2 ZPO festzusetzen. Entgegen des Wortlauts „kann“ handelt es sich hier um eine gebundene Entscheidung, weil von ihr maßgeblich abhängt, ob die vom Gesetzgeber mit der InsO beabsichtigte Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners realisiert werden kann.4) Das Gericht kann auch geänderte Zahlungspflichten ab weiter in der Zukunft liegenden Terminen bestimmen, wenn eine Veränderung der Vermögensverhältnisse absehbar ist.5) Ein Rechtsmittel kommt ggf. unter den oben dargestellten Umständen in Betracht (siehe § 4d Rz. 2).
7
Aus dem von der Verweisung in Absatz 1 Satz 2 erfassten § 115 Abs. 2 Satz 4 ZPO folgt, dass der Schuldner maximal 48 Monatsraten zu bedienen hat. Um eine ggf. lebenslange Nachhaftung des Schuldners für die Verfahrenskosten auszuschließen, fallen hierunter auch „Nullraten“.6) Spätestens vier Jahre nach der Erteilung der Restschuldbefreiung ist der Schuldner endgültig „befreit“. III. Anpassung der Stundung (Abs. 2)
8
Ändern sich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners während des Zeitraums der Stundung, so soll eine Anpassung der Entscheidung erfolgen. § 120a Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO – Antragserfordernis bei Änderung der jährlich angepassten Abzugsbeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b und 2 sowie die Möglichkeit des Gerichts, vom Schuldner Auskunft zu den Änderungen zu verlangen – findet Anwendung. Absatz 2 gilt nicht nur für die nach Absatz 1 bestimmte Stundungsverlängerung, sondern entsprechend auch für Erstentscheidungen, wie § 4a Abs. 3 Satz 4 bestimmt. 1.
9
Verfahren
Eine Anpassung der Stundung, insbesondere der Höhe der Ratenzahlungen, hat das Gericht von Amts wegen vorzunehmen, soweit es Kenntnis von wesentlichen Än_____________ 4) 5) 6)
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So auch Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 29 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 11. Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4b Rz. 7; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 32 f; Graf-Schlicker, WM 2000, 1984, 1991; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 14.
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Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
§ 4b
derungen i. S. des Absatzes 2 erlangt.7) Ein Antrag des Schuldners ist zwar möglich, aber – bis auf den Fall des Absatzes 2 Satz 3 i. V. m. § 120a Abs. 1 Satz 2 ZPO, die Änderung der jährlich angepassten Abzugsbeträge – nicht erforderlich. Vor der Entscheidung ist dem Schuldner rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 GG).8) 2.
Auskunftspflicht des Schuldners
Nach Absatz 2 Satz 2 ist der Schuldner verpflichtet, dem Gericht von sich aus unverzüglich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse anzuzeigen. Verletzt er diese Pflicht, gibt es allerdings keine Möglichkeit der Sanktion. Zweckmäßig erscheint es daher, dass das Gericht den Schuldner regelmäßig zu einer Erklärung auffordert;9) der Schuldner hat diesem Verlangen dann schon über § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO nachzukommen, will er eine Aufhebung des Stundung gemäß § 4c Nr. 1 Alt. 2 vermeiden. Die Aufforderung führt zu einer unbeschränkten Auskunftspflicht über jegliche Änderungen,10) während Absatz 2 Satz 2 dem Schuldner noch die Interpretation des Merkmals „wesentlich“ überlässt, was ebenfalls zu Unzuträglichkeiten führen kann. 3.
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Wesentliche Änderungen
Die schon für die Entscheidung nach Absatz 1 (oder § 4a) maßgebenden persönlichen Verhältnisse müssen sich geändert haben. Lagen die Voraussetzungen der Erstentscheidung gar nicht vor oder hat der Schuldner diesbezüglich unrichtige Angaben gemacht, ist nicht die Anpassung nach Absatz 2, sondern die Aufhebung nach § 4c zu prüfen.
11
Die Änderungen müssen weiterhin wesentlich sein. Es erscheint im Interesse einer effektiven Entlastung der Gerichte sinnvoll, die Wesentlichkeit erst ab einer bestimmten Mindestgrenze zu bejahen, so etwa, wenn die Ratenzahlungen bei der Zugrundelegung der neuen Verhältnisse um mehr als 10 € steigen oder fallen. Eine Betrachtung nach den „Umständen des Einzelfalls“11) soll so nicht ausgeschlossen sein, aber zumindest bei Geringfügigkeit entfallen können. Die Wesentlichkeit ist aber wohl immer dann zu bejahen, wenn der Schritt von der „Nullrate“ zu einer Zahlung oder umgekehrt führt.12)
12
4.
Ausschlussfrist
Eine Änderung der Entscheidung zuungunsten des Schuldners ist gemäß Absatz 2 Satz 4 ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Entscheidung des Gerichts.
_____________ 7) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 28; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 47. 8) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 60. 9) Die Aufforderung setzt keinen besonderen Anlass voraus, vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 91/09, ZInsO 2009, 2405; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 29, spricht sogar von einer Verpflichtung des Gerichts. 10) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 56. 11) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 23 m. w. N. 12) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 23.
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13
§ 4c 5. 14
Aufhebung der Stundung
Entscheidung
Das Gericht entscheidet über die Anpassung nach pflichtgemäßem Ermessen13) durch Beschluss. Es kann erstmals Ratenzahlungen festsetzen, festgesetzte Raten herauf- oder heruntersetzen, Zahlungen aus dem Vermögen des Schuldners anordnen, jedoch – im Hinblick auf den abgeschlossenen Katalog des § 4c – die Stundungsbewilligung nicht gänzlich aufheben.14) Auch eine rückwirkende Änderung ist i. R. des Ermessens möglich,15) soweit noch keine vier Jahre seit der Beendigung des Verfahrens vergangen sind. Ein Rechtsmittel kommt ggf. unter den oben dargestellten Umständen in Betracht (siehe § 4d Rz. 2). _____________ 13) Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4b Rz. 23. 14) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 67 m. w. N. 15) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 69 m. w. N.
§ 4c Aufhebung der Stundung Kexel
Das Gericht kann die Stundung aufheben, wenn 1.
der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind, oder eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat;
2.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
3.
der Schuldner länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages schuldhaft in Rückstand ist;
4.
der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend;
5.
die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird.
I. II. 1. 2.
Allgemeines, Normzweck ................... Aufhebung der Stundung ................... Verfahren ............................................... Materielle Voraussetzungen der Aufhebung ...................................... a) Falsche Angaben (Nr. 1 Halbs. 1) ......................................... b) Nichtabgabe der geforderten Erklärung (Nr. 1 Halbs. 2) ............ c) Unrichtigkeit der Stundungsentscheidung (Nr. 2) .....................
Übersicht
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1 2 2 3 3 5 6
III. IV. 1. 2. V. VI.
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d) Schuldhafter Zahlungsrückstand (Nr. 3) ........................... 7 e) Verletzung der Erwerbsobliegenheit (Nr. 4) ........................... 8 f) Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (Nr. 5) ....... 11 Ermessen des Gerichts ....................... 12 Entscheidung ...................................... 13 Inhalt .................................................... 13 Form ..................................................... 14 Wirkungen der Aufhebung ............... 15 Rechtsmittel ....................................... 17
§ 4c
Aufhebung der Stundung
I.
Allgemeines, Normzweck
Während § 4b die Änderung bzw. Anpassung der Stundungsentscheidung regelt, gibt § 4c dem Gericht die Möglichkeit, die Stundung gänzlich aufzuheben, wenn einer der enumerierten Fälle vorliegt. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Einsatz öffentlicher Mittel zur Durchführung des Insolvenzverfahrens auf solche Fälle beschränkt bleibt, in denen der Schuldner zum einen tatsächlich „bedürftig“ i. S. des § 4a Abs. 1 Satz 1 ist und zum anderen auch dem gesetzlichen Leitbild des „redlichen“ Schuldners entspricht, der also tatsächlich die Aussicht auf Restschuldbefreiung hat. Der Schuldner, der im Falle der Aufhebung der Stundung die Restschuldbefreiung zumeist nicht erlangen wird, soll damit zugleich zur ordnungsgemäßen Mitwirkung und Förderung des Verfahrens angehalten werden.1) Da § 4c einen abschließenden Katalog von Gründen enthält,2) realisiert die Vorschrift auf der anderen Seite auch einen gewissen Bestandsschutz, der dem redlichen Schuldner Sicherheit über den Fortbestand der Stundung geben kann.3)
1
II. Aufhebung der Stundung 1.
Verfahren
Das Aufhebungsverfahren wird von Amts wegen eingeleitet und durchgeführt, sobald das Gericht Kenntnis von Umständen erhält, die den Voraussetzungen eines Aufhebungsgrundes entsprechen könnten. Hinweisen von Gläubigern, Treuhänder oder Staatskasse hat das Gericht von Amts wegen nachzugehen. Ohne solche Hinweise kann es Kenntnis auch i. R. der ihm bis zu einem gewissen Mindestmaß obliegenden Überwachung des Schuldners, etwa durch regelmäßige Anfragen nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, erlangen; darüber hinausgehende, aufwendige Ermittlungen werden jedoch im Regelfall nicht verlangt werden können.4) In jedem Fall ist vor einer Entscheidung nach § 4c der Schuldner zu hören (Art. 103 Abs. 1 GG). 2.
2
Materielle Voraussetzungen der Aufhebung
a) Falsche Angaben (Nr. 1 Halbs. 1) Der Schuldner ist zu wahrheitsgemäßen Auskünften verpflichtet. Bei grob schuldhaftem Verstoß gegen diese – dem Gericht gegenüber bestehende – Verpflichtung soll die Möglichkeit der Aufhebung bestehen. Unrichtige Angaben sind solche, die von der Wirklichkeit abweichen. Auch unvollständige Angaben sind unrichtige i. S. der Vorschrift, jedenfalls dann, wenn sich die Unvollständigkeit verfälschend auf das Gesamtbild auswirkt.5) Die Angaben müssen in irgendeiner Weise maßgeblich für die Entscheidung über die Eröffnung oder die Stundung sein; hierzu gehören insbesondere Angaben zu den Voraussetzungen der Eröffnungs_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 22. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 22; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 3. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 1. Vgl. zu den Überwachungspflichten etwa Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 82. BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 167/08, ZVI 2009, 113 = ZInsO 2009, 297; Kayser/ Thole-Sternal, HK-InsO, § 4c Rz. 7; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 8.
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§ 4c
Aufhebung der Stundung
gründe, zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und – speziell mit Relevanz für die Stundung – zur Bedürftigkeit oder zum Vorliegen von Versagungsgründen nach § 290 Abs. 1 und 3. 4
Die unrichtigen Angaben müssen zudem ursächlich für die Stundungs- oder Eröffnungsentscheidung gewesen sein;6) im Hinblick auf den letztlich kostenrechtlich, eher nicht sanktionsrechtlich motivierten Normzweck7) ist eine Aufhebung trotz unrichtiger Angaben dann ausgeschlossen, wenn auch bei richtigen Angaben die gleiche Entscheidung hätte ergehen müssen.8) Vorsätzlich oder grob fahrlässig muss der Schuldner die unrichtigen Angaben gemacht haben; hier sind die allgemeinen straf- und zivilrechtlichen Kategorien heranzuziehen. b) Nichtabgabe der geforderten Erklärung (Nr. 1 Halbs. 2)
5
Durch § 4c kann auch die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Schuldners sanktioniert werden, wenn dieser einer Aufforderung des Gerichts zu einer Erklärung über maßgebliche Verhältnisse gemäß § 4b Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO (siehe § 4b Rz. 10) nicht Folge leistet. Wie generell i. R. des Stundungsverfahrens, hat die Aufforderung des Gerichts wiederum konkret genug zu sein, eine angemessene Fristsetzung sowie einen Hinweis auf die Konsequenzen der Nichterfüllung zu enthalten.9) Nicht ausreichend ist nach dem Willen des Gesetzgebers die Nichtabgabe von Erklärungen trotz geänderter Verhältnisse ohne entsprechende Aufforderung des Gerichts.10) c) Unrichtigkeit der Stundungsentscheidung (Nr. 2)
6
Die Stundung kann aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen – Bedürftigkeit, keine Ausschlussgründe – zum Zeitpunkt ihrer Bewilligung, also der letzten Tatsachenentscheidung11) nicht vorgelegen haben. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an; keine Rolle spielt eine veränderte rechtliche Beurteilung derselben Umstände.12) Die Sperre nach Ablauf von vier Jahren korrespondiert mit § 5 GKG n. F. und trägt dem Bestandsschutzgedanken Rechnung. Für den Beginn der Frist ist hierbei auf die Beendigung des jeweiligen Verfahrensabschnittes, nicht auf die Beendigung des Insolvenzverfahrens abzustellen.13) d) Schuldhafter Zahlungsrückstand (Nr. 3)
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Der Schuldner muss drei Monate entweder mit der nach § 4b angeordneten Zahlung einer Monatsrate oder eines „sonstigen Betrags“ – hier kommen etwa an_____________ 6) BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 167/08, ZVI 2009, 113 = ZInsO 2009, 297; JaegerEckardt, InsO, § 4c Rz. 18; Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4c Rz. 5. 7) Vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 18; so auch BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 167/08, ZVI 2009, 113 = ZInsO 2009, 297. 8) Vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 18; Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4c Rz. 5. 9) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 26. 10) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 23. 11) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46, 47; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 24. 12) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 35 m. w. N. 13) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 26; a. A. Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 4c Rz. 13 – Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens insgesamt.
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§ 4c
Aufhebung der Stundung
geordnete Einmalzahlungen aufgrund eines einmaligen Vermögenszuflusses in Betracht – in Rückstand geraten. Für die erste Alternative muss eine volle Monatsrate seit drei Monaten offenstehen, eine Addition mehrerer kleinerer Zahlungsrückstände der letzten drei Monate findet nicht statt.14) Der Schuldner muss diesen Zahlungsrückstand zu vertreten haben, also etwa trotz Leistungsfähigkeit eine Zahlung auf die vorrangig zu bedienenden Kosten unterlassen haben. Bei anderweitiger nachteiliger Veränderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse hat dagegen eine Anpassung nach § 4b, aber keine Aufhebung zu erfolgen.15) e) Verletzung der Erwerbsobliegenheit (Nr. 4) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen öffentliche Mittel nur dann für die Restschuldbefreiung eingesetzt werden, wenn der Schuldner einen eigenen Beitrag zur Restschuldbefreiung leistet; eine Entschuldung zum Nulltarif soll damit also ausgeschlossen sein.16) Von zentraler Bedeutung ist daher die Erwerbsobliegenheit des Schuldners, die diesen bereits nach § 295 trifft und die konsequenterweise auch für die Stundung zu beachten ist. Die an den Schuldner zu stellenden Anforderungen sind identisch mit denen aus § 295 Abs. 1 Nr. 1.17) Sie gelten für die unselbständige wie auch für die selbständige Tätigkeit gleichermaßen.18)
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Durch die Verletzung der Erwerbsobliegenheit muss (für vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren gilt das ebenfalls, über den Wortlaut der der bis dahin geltenden Fassung der Nummer 4 hinaus) die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt werden; den Schuldner muss zudem ein Verschulden treffen. Insoweit muss die Regelung im Gleichklang mit den Versagungsgründen stehen.19) Ist der Schuldner also etwa aufgrund seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, seines Lebensalters oder seines Gesundheitszustands (vgl. § 1574 Abs. 2 BGB) nicht in der Lage, eine Tätigkeit zu finden, mit der er einen Verdienst erzielt, der zu pfändbaren Einkünften führt, darf ihm die Stundung nicht entzogen werden;20) ebenso kann es auch am Verschulden bei objektiv nicht ausreichenden Bewerbungsbemühungen fehlen.21)
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Durch den Verweis auf § 296 Abs. 2 Satz 3 statuiert Nummer 4 zudem einen zweiten selbständigen Aufhebungsgrund wegen unterlassener Mitwirkung, der unab-
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_____________ 14) 15) 16) 17)
18)
19)
20) 21)
Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 44. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 30 m. w. N. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 23. BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210 = NZI 2009, 899; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 = KTS 2010, 486; BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZVI 2012, 369 ff. Dass § 4c nicht den Wortlaut des § 295 Abs. 2 enthält, lässt den Schluss auf eine nur auf die nicht selbständige Tätigkeit beschränkte Obliegenheit nicht zu; vgl. nur Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 52. Vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210 = NZI 2009, 899; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 = KTS 2010, 486; BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZVI 2012, 369 ff; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 53, 54. BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 160/10, ZVI 2011, 92 = ZInsO 2011, 147. Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZVI 2012, 369 ff.
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§ 4c
Aufhebung der Stundung
hängig von dem der Nummer 1 besteht.22) Ebenso wie dem Schuldner gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 die Restschuldbefreiung versagt werden kann, wenn er seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Auskunftserteilung nach § 296 Abs. 2 Satz 2 schuldhaft nicht nachkommt,23) kann das Insolvenzgericht die Stundung aufheben, wenn der Schuldner schuldhaft die entsprechende Auskunftspflicht gemäß Nummer 4 letzter Halbsatz nicht erfüllt.24) f) 11
Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (Nr. 5)
Das Gericht kann – und wird – die Stundung widerrufen, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird. Es liegt dann kein Grund mehr vor, öffentliche Mittel bereitzustellen, die ja nur der Entschuldung des mittellosen Schuldners zugutekommen sollten.25) Entsprechend der Ausweitung der Ausschlussgründe bei § 4a Abs. 1 Nr. 4 (siehe hierzu oben § 4a Rz. 19) soll nach Nummer 5 die Aufhebung einer einmal gewährten Stundung zudem bereits dann in Betracht kommen, wenn zweifelsfrei die „Voraussetzungen“ – wozu ein Gläubigerantrag nach dieser Auffassung nicht zählt – irgendeines Versagungsgrunds nach § 290 vorliegen.26) Dies überdehnt sicher den Wortlaut auch dieser Vorschrift, wird daher nur aus dem Gesichtspunkt einer gewissen Konsequenz der Anwendung zu rechtfertigen sein – wenn Umstände vorliegen, unter denen eine Stundung abgelehnt werden könnte, kann auch eine bereits gewährte Stundung vorzeitig aufgehoben werden.27) Dies dürfte grundsätzlich auch Geltung für solche Verfahren haben, in denen der Schuldner den Antrag auf Insolvenzeröffnung ab dem 1.7.2014 gestellt hat; zur Diskussionslage und Einschränkungen siehe oben § 4a Rz. 19 ff m. w. N. III. Ermessen des Gerichts
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Liegen die Voraussetzungen einer Nummer des Absatzes 1 vor, so kann das Gericht die Stundung aufheben. Das pflichtgemäße Ermessen wird bei den verschuldensabhängigen Gründen das jeweilige Gewicht der Schuld beachten, ansonsten die Erheblichkeit der objektiven Abweichungen, etwa bei Nummer 2. Insbesondere beim Vorliegen von Nummer 5 ist aber kaum noch ein Ermessensspielraum vorhanden.
_____________ 22) BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZA 7/08, ZVI 2008, 470, 471 = NZI 2008, 507, 508; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 95/08, ZVI 2009, 209 = ZInsO 2009, 298; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 63; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4c Rz. 30. 23) Dazu BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 156/04, NZI 2007, 534 = DStR 2008, 111. 24) BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZA 7/08, ZVI 2008, 470, 471 = NZI 2008, 507, 508; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 95/08, ZVI 2009, 209 = ZInsO 2009, 298 – fehlende Darlegung der Ausübung der Erwerbstätigkeit. 25) Kraemer/Vallender/Vogelsang-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 86. 26) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, ZVI 2009, 13, 14 = NZI 2008, 662, 663; a. A. LG Mönchengladbach, Beschl. v. 31.5.2006 – 5 T 177/06, ZVI 2006, 521, 522 = ZInsO 2006, 781. 27) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346.
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Kexel
§ 4c
Aufhebung der Stundung
IV. Entscheidung 1.
Inhalt
Regelmäßig wird das Gericht die vollständige Aufhebung der Bewilligungsentscheidung aussprechen. Im Rahmen des eröffneten Ermessens wird aber auch die Möglichkeit gegeben sein, „vermittelnde Lösungen“, etwa in Form von Übergangsregelungen, anzuordnen.28) 2.
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Form
Die Entscheidung i. S. einer Aufhebung der Stundung ergeht durch Beschluss. Die im Hinblick auf die Beschwerdemöglichkeit nach § 4d erforderliche Begründung muss auch erkennen lassen, ob und wie das Gericht das ihm eingeräumte Entschließungsermessen ausgeübt hat.29) Die Entscheidung ist, da sie der fristgebundenen sofortigen Beschwerde unterliegt, dem Schuldner bzw. dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt zuzustellen.
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V. Wirkungen der Aufhebung Mit der im Regelfall vollständigen Aufhebung der Stundung werden die von der Stundung erfassten Kosten und Ansprüche sofort und in der vollen noch ausstehenden Höhe fällig. Die unter § 4a beschriebenen Wirkungen der Stundung fallen mit Wirkung für die Zukunft weg, sodass ggf. die Abweisung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder eine Einstellung des Verfahrens nach § 207 die Folge sein können. In der Restschuldbefreiungsphase ist der Schuldner der Gefahr der Versagung ausgesetzt (§ 298). Nach der Erteilung der Restschuldbefreiung kommt eine Ratenzahlungsbewilligung nach § 4b Abs. 1 nicht mehr in Betracht.
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Der Aufhebung kommt keine Rückwirkung zu, jedenfalls soll sie nicht zu einer abweichenden Beurteilung vergangener Tatbestände führen.30) Daher werden auch die durch eine Beiordnung bereits begründeten Ansprüche des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht berührt;31) das Gleiche gilt für die etwa vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 noch vor Kenntniserlangung von der Aufhebung32) erworbenen Ansprüche auf Vergütung und Auslagenersatz.33)
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VI. Rechtsmittel Die Entscheidung über die Aufhebung ist gemäß § 4d mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
_____________ 28) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 90; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 44. 29) LG Mühlhausen, Beschl. v. 12.10.2007 – 2 T 256/07, VuR 2009, 30 f; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 86. 30) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 96 m. umfangr. N. 31) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 4; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 96. BGH, Beschl. v. 8.5.2014 – IX ZB 31/13, ZIP 2014, 1251 = ZVI 2014, 354. 32) BGH, Beschl. v. 8.5.2014 – IX ZB 31/13, ZIP 2014, 1251 = ZVI 2014, 354. 33) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346 – „jedenfalls durch analoge Anwendung des § 63 Abs. 2“; vgl. auch AG Alzey, Beschl. v. 21.2.2003 – IK 8/02, juris.
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§ 4d
Rechtsmittel
§ 4d Rechtsmittel Kexel
(1) Gegen die Ablehnung der Stundung oder deren Aufhebung sowie gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Wird die Stundung bewilligt, so steht der Staatskasse die sofortige Beschwerde zu. 2Diese kann nur darauf gestützt werden, dass nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners die Stundung hätte abgelehnt werden müssen. Übersicht I. Allgemeines, Normzweck ................... 1 II. Rechtsmittel ......................................... 2 1. Rechtsmittel des Schuldners (Abs. 1) .................................................. 2
I. 1
2.
Rechtsmittel der Staatskasse (Abs. 2) .................................................. 4 3. Rechtsmittel Dritter .............................. 5 III. Verfahren .............................................. 6
Allgemeines, Normzweck
Angesichts des § 6 ist die Norm notwendig, um die Überprüfbarkeit der genannten gerichtlichen Entscheidungen über die Stundung zu gewährleisten. Die abschließende Aufzählung soll verhindern, dass das Insolvenzverfahren nicht übermäßiger Verzögerung durch Rechtsmittelgebrauch ausgesetzt ist.1) II. Rechtsmittel 1.
Rechtsmittel des Schuldners (Abs. 1)
2
Wegen der Bedeutung der Stundungsentscheidung für den Schuldner, der häufig nur so in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen kann, sieht Absatz 1 die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Stundung und die in den Wirkungen vergleichbare Aufhebung der Stundung vor. Andere, den Schuldner belastende Stundungsentscheidungen sollen außer Betracht bleiben. Dabei ist allerdings nach richtiger Ansicht immer zu prüfen, ob nicht Anordnungen des Gerichts in Wahrheit einer, wenn auch nur teilweisen, Aufhebung oder Ablehnung gleichkommen; in diesen Fällen muss § 4d ebenfalls Anwendung finden. Dies kann etwa gelten für eine Versagung der Verlängerung der Stundung2) oder auch eine erhebliche Änderung der Rückzahlungsmodalitäten i. R. des § 4b Abs. 2.3) Die Beschwerde ist gegen jede gesonderte Entscheidung pro Verfahrensabschnitt gegeben.
3
Ausdrücklich eröffnet ist ferner die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts; auch die Beiordnung kann im Einzelfall von erheblicher Bedeutung für den Schuldner sein, der sonst seine Belange nicht hinreichend vertreten kann.
_____________ 1) 2) 3)
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Jaeger-Eckardt, InsO, § 4d Rz. 4. Hierfür Jaeger-Eckardt, InsO, § 4d Rz. 14 m. w. N. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4d Rz. 14 m. w. N.; a. A. offenbar Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4d Rz. 2; differenzierend Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4d Rz. 8, 9.
Kexel
§5
Verfahrensgrundsätze
2.
Rechtsmittel der Staatskasse (Abs. 2)
Um einer allzu großzügigen Stundungspraxis der Insolvenzgerichte entgegenzuwirken und die durch die gesetzlichen Regelungen in den §§ 4a – 4d entstehende zusätzliche Belastung der Länderhaushalte in Grenzen zu halten, eröffnet Absatz 2 der Staatskasse die sofortige Beschwerde gegen die Bewilligung der Stundung. Das Beschwerderecht ist aber auf die Rüge beschränkt, dass die wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse des Schuldners i. S. des § 4a eine Bewilligung nicht rechtfertigen. Dies lässt aber auch Raum für eine Beschwerde der Staatskasse in solchen Fällen, in denen der Akteninhalt zwar aus sich heraus die Gewährung einer Stundung grundsätzlich rechtfertigt, die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen aber erkennbar unvollständig und lückenhaft sind.4) 3.
4
Rechtsmittel Dritter
Rechtsmittel weiterer Verfahrensbeteiligter, etwa des Treuhänders, gegen Entscheidungen nach den §§ 4a ff sind nicht gegeben.5)
5
III. Verfahren Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 6, wobei die Bestimmungen der ZPO ergänzend heranzuziehen sind. _____________ 4) 5)
LG Duisburg, Beschl. v. 20.9.2005 – 7 T 197/05, ZVI 2005, 563 = NZI 2005, 688; LG Bochum, Beschl. v. 20.4.2007 – 10 T 27/07, JurBüro 2007, 610 f. Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4d Rz. 5 m. w. N.
§5 Verfahrensgrundsätze Kexel
(1) 1Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. 2Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen. (2) 1Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. 2Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. 3Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. 4Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen. (3) 1Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. 2Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden. (4) 1Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. 2Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Kexel
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6
§5
Verfahrensgrundsätze
Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. 3Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. 4Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (5) 1Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. 2Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. 3Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung. )
)
§ 5 Abs. 5 eingefügt durch Art. 5 Nr. 5 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, m. W. v. 1.1.2021.
Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 1679; Lüdtke, Die neue gesetzliche Regelung zum elektronischen Gläubigerinformationssystem (§ 5 Abs. 5 InsO) – Steine statt Brot für die Verwalterpraxis?, ZVI 2021, 91; Münzel, Die neue Pflicht zum GIS – Digitalisierung light, European Insolvency & Restructuring, TLE-002-2021, abrufbar unter https://www.tax-legalexcellence.com/glaeubigerinformationssystem-die-neue-pflicht-zum-gis-digitalisierunglight/ (Abrufdatum: 22.6.2021). Übersicht I. II. 1. 2.
Normzweck ........................................... 1 Amtsermittlung (Abs. 1) .................... 2 Anwendungsbereich, Reichweite ......... 2 Maßnahmen ........................................... 5 a) Zeugen ............................................ 6 b) Sachverständiger ............................ 7 c) Schuldner ........................................ 9 d) Gläubiger ...................................... 11 e) Insolvenzverwalter ....................... 12 f) Sonstige Aufklärungsmöglichkeiten ............................................ 13 3. Kosten .................................................. 14 4. Rechtsmittel ........................................ 15 III. Schriftliches Verfahren (Abs. 2) ...... 16
I. 1
IV. Entscheidungen im Insolvenzverfahren (Abs. 3) .............................. 21 V. Maschinelle Herstellung und Bearbeitung (Abs. 4) .......................... 24 VI. Elektronisches Gläubigerinformationssystem – GIS (Abs. 5) .......... 25 1. Vorhaltepflicht .................................... 26 2. Gläubigerinformationssystem (GIS) .................................................... 28 3. Zurverfügungstellung an Einsichtsberechtigte .................................. 29 4. Umfang der Einsichtnahme ................ 30 5. Kosten .................................................. 32 VII. Weitere „Verfahrensgrundsätze“ ..... 33
Normzweck
Zentrales Element der Vorschrift ist die Anordnung der Amtsermittlung (Untersuchungsgrundsatz) in Absatz 1; diese soll der Verwirklichung der materiellen Wahrheit dienen, ferner im Zusammenspiel mit den Absätzen 2 bis 4 der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens.1) Auch der mit dem SanInsFoG neu angefügte _____________ 1)
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Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 4.
Kexel
§5
Verfahrensgrundsätze
Absatz 5 dient der entsprechenden Effektuierung,2) erklärt aber insbesondere das elektronische Vorhalten von Informationen zur Aufgabe der Insolvenzverwalter.3) Die Normüberschrift „Verfahrensgrundsätze“ ist mit alledem aber sicher noch nicht abschließend ausgefüllt (siehe unten Rz. 33). II. Amtsermittlung (Abs. 1) 1.
Anwendungsbereich, Reichweite
§ 5 beschränkt sich nicht auf eine Ermächtigung, sondern verpflichtet das Insolvenzgericht zur Amtsermittlung. Der Untersuchungsgrundsatz bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte gerichtliche Verfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens.4) Er setzt bei antragsgebundenem Tätigwerden des Gerichts jedoch zunächst einen zulässigen Antrag voraus; erst mit dessen Vorliegen ist das Gericht zu eigener Ermittlung befugt.5) Es sind alle, jedoch auch nur solche Tatsachen zu erforschen, die „für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind“. Das erfasst jedenfalls die Feststellung der Umstände, die für gerichtliche Entscheidungen im Insolvenzverfahren notwendig sind; besonders wichtiges Beispiel ist etwa die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit, das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes und die Massekostendeckung vor der Verfahrenseröffnung. Das Gericht kann nicht einfach auf zwischen Schuldner und Gläubiger „Unstreitiges“ zurückgreifen, sondern muss sich selbst überzeugen.6) Keiner Ermittlungen hingegen bedarf es, soweit das Gericht auf offenkundige Tatsachen zurückgreifen kann (§ 4 InsO i. V. m. § 291 ZPO).
2
Dem Grundsatz der Amtsermittlung unterliegen im eröffneten Verfahren sodann die Grundlagen für eine Verfahrenseinstellung oder -aufhebung, die Überwachung eines Insolvenzplans, auch die spätere Entscheidung über die Restschuldbefreiung (unter Beachtung der Antragsvorbehalte.) Nach dem Wortlaut ebenso für „das Insolvenzverfahren von Bedeutung“ sind die tatsächlichen Voraussetzungen für Maßnahmen und Entscheidungen des Insolvenzverwalters; eine entsprechende Untersuchungspflicht des Gerichts findet ihre Grenze hier aber durch die gesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Verwalter und Gericht,7) die nicht aufgeweicht werden darf. Nach richtiger Ansicht sollte sich die Ermittlungstätigkeit des Gerichts hier nur auf die für das formelle Verfahren bedeutsamen Umstände beschränken.8) Grundsätzlich dürften Ermittlungen etwa zur Vorbereitung eines Anfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter also nicht in Betracht kommen.9)
3
_____________ 2) 3) 4) 5)
6) 7) 8) 9)
Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 3. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 12. BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, ZIP 2007, 1868 = ZVI 2007, 612, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth); BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 207/10, ZInsO 2011, 1499; BGH, Beschl. v. 23.11.2006 – IX ZA 21/06, juris; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 5 Rz. 4 m. w. N. Ausdrücklich noch einmal BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 108/05, ZIP 2006, 2186 = NZI 2007, 45. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 8 m. w. N. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 16 ff; ähnlich Uhlenbruck-I. Pape, InsO, § 5 Rz. 22. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 17 m. w. N.; a. A. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 10 m. w. N.
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§5 4
Nur eingeschränkt bzw. gar nicht gilt der Untersuchungsgrundsatz dort, wo das Gesetz die Erbringung von Nachweisen, wie z. B. die Glaubhaftmachung, anderen Verfahrensbeteiligten auferlegt; ferner bei ausdrücklicher gesetzlicher Beschränkung der Prüfungsmöglichkeiten, wie etwa i. R. der Forderungsanmeldung, §§ 174 ff. 2.
5
Verfahrensgrundsätze
Maßnahmen
Art und Umfang der Ermittlungen auf dem Weg zum notwendigen Überzeugungsgrad – „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ wie § 286 ZPO10) – stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts. Im Rahmen des Amtsermittlungsverfahrens ist es nicht auf den Strengbeweis beschränkt, sondern kann vielmehr freibeweislich seine Überzeugung suchen. Als Aufklärungsmittel kommen neben dem auskunftspflichtigen Schuldner insbesondere Zeugen und Sachverständige in Betracht; wie der Wortlaut deutlich macht, stehen dem Gericht auch andere Möglichkeiten offen. a) Zeugen
6
Zeugen kann das Insolvenzgericht nach den Vorschriften der ZPO vernehmen. Insbesondere gelten die Vorschriften über Ordnungsmittel (§ 380 ZPO) und Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 383 – 385 ZPO). Letztere kommen etwa Angehörigen des Schuldners zu (§§ 383, 384 Nr. 1, § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog),11) ferner Begünstigten eines potentiell anfechtbaren Erwerbs (§ 384 Nr. 1 ZPO analog).12) Zu beachten sind hier aber auch besondere Auskunftspflichten nach der InsO, etwa § 101 Abs. 2 für Angestellte des Schuldners, der nicht natürliche Person ist. Die Befugnis zur Entbindung von Verschwiegenheitsverpflichtungen gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kommt im Regelfall dem Insolvenzverwalter zu, soweit sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht reicht; auf ihn ist mit Insolvenzeröffnung die entsprechende Dispositionsbefugnis des Schuldners übergegangen.13) Dies aber auch nur in dem Umfange, wie sie diesem selbst zukam; so kann etwa das Bankgeheimnis auch berechtigte Interessen Dritter schützen und insoweit der Disposition des Schuldners entzogen sein.14) Über die Beeidigung von Zeugen entscheidet das Insolvenzgericht; hier immer der Richter, dem ggf. der Rechtspfleger die Akten vorlegen muss (§ 4 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 RPflG). b) Sachverständiger
7
Als mitunter sicher unverzichtbares Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts wird das Insolvenzgericht einen Sachverständigen beauftragen, häufig mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zur Frage des Vorliegens eines Eröffnungsgrunds und der Kostendeckung. Der beauftragte Sachverständige hat selbständig Ermitt_____________ 10) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 5 Rz. 18; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 19. 11) BGH, Urt. v. 18.1.1978 – VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002 f = WM 1978, 373; JaegerGerhardt, InsO, § 5 Rz. 19; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 27. 12) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 255/78, BGHZ 74, 379, 382 = NJW 1979, 1832 f; Uhlenbruck-I. Pape, InsO § 5 Rz. 20, Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 19; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 27. 13) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 28. 14) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 30.
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§5
Verfahrensgrundsätze
lungen durchzuführen und darf sich nicht ohne weiteres auf die Angaben des Schuldners verlassen.15) Für den Sachverständigenbeweis gelten grundsätzlich die §§ 402 ff ZPO. Streitig ist, inwieweit das Insolvenzgericht dem Sachverständigen darüber hinaus gehende Befugnisse und Rechte verleihen kann. Eine Ermächtigung des Sachverständigen, entsprechend § 22 die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen, ist jedenfalls rechtswidrig.16) Nach hier vertretener Auffassung ist das Insolvenzgericht jedoch befugt, den Schuldner zur Auskunft auch gegenüber dem Sachverständigen zu verpflichten17) und diese Auskunftspflicht ggf. mit Zwangsmitteln durchzusetzen;18) dabei muss selbstverständlich gewährleistet sein, dass hierbei das Gericht immer Herr des Verfahrens bleibt und entsprechende Anregungen des Sachverständigen nicht unbesehen seinen Entscheidungen zugrunde legen kann. Dennoch dürfte es – selbst wenn dies regelmäßig einen höheren Kostenaufwand bedeutet – oftmals zweckmäßiger sein, bei mangelnder Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten den Sachverständigen gleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter i. S. des § 22 zu bestellen bzw. einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Begutachtung zu betrauen.
8
c) Schuldner Wichtige Informationsquelle für das Gericht ist der Schuldner, der i. R. der (Amts-)Ermittlungstätigkeit umfassend zur Auskunft verpflichtet ist.19) Er ist nicht Zeuge, sondern Partei;20) die Vernehmung richtet sich jedoch nicht nach den §§ 445 ff ZPO, die ein kontradiktorisches Verfahren regeln, sondern basiert auf den gesetzlich ausdrücklich normierten Auskunftspflichten aus Absatzes 1 Satz 1, §§ 20, 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1. Verletzt der Schuldner seine Auskunftspflicht, so riskiert er seine Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5). Über die Auskunft hinaus ist er jedoch nicht zur weiteren Mitwirkung bei den Ermittlungen verpflichtet; § 97 Abs. 2 findet keine Anwendung.
9
Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 treffen bei einem Schuldner, der keine natürliche Person ist, die entsprechenden Auskunftspflichten die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. Davon zu unterscheiden ist die ähnliche Auskunftspflicht für Angestellte des Schuldners nach § 101 Abs. 2; sie kann nicht mit den besonderen Zwangsmitteln des § 98 durchgesetzt werden, auch ist dieser Personenkreis im Gegensatz zum Schuldner nicht verpflichtet, Straftaten zu offenbaren.21)
10
_____________ 15) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 35. 16) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240, dazu EWiR 2004, 499 (Bähr). 17) So nun auch ausdrücklich BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 6/12, ZIP 2012, 1615 ff. 18) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 16; Vuia in: MünchKomm-InsO, § 16 Rz. 50, § 20 Rz. 54, jeweils m. w. N.; a. A. ausdrücklich Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 36; offenbleibend BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915, 916 = ZVI 2004, 240, 241, der eine entsprechende Übertragung aber der Beschwerde jedenfalls nicht zugänglich macht. 19) BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, NJW 1981, 1431, 1432 = ZIP 1981, 361. 20) BGH, Urt. v. 2.12.1952 – 1 StR 437/52, BGHSt 3, 309, 311 = NJW 1953, 151. 21) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 45.
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§5
Verfahrensgrundsätze
d) Gläubiger 11
Auch sie sind als Partei anzusehen; sie können – ggf. auch eidlich – vernommen werden, aber nicht zur Aussage gezwungen werden;22) § 453 Abs. 2 ZPO ist anwendbar.23) e) Insolvenzverwalter
12
Der Insolvenzverwalter ist der Aufsicht des Gerichts unterstellt und dementsprechend auch diesem gegenüber zur Auskunft über alle das Verfahren betreffende Umstände verpflichtet.24) Bei Verstößen sind die Zwangsmittel nach § 58 Abs. 2, § 59 einschlägig. f)
13
3. 14
Kosten
Die Ermittlungstätigkeit des Gerichts erzeugt keine Gebührenforderung. Auslagen, etwa als Zeugen- oder Sachverständigenentschädigung nach dem JVEG, sind Massekosten (§ 54 Abs. 1), soweit sie nicht einem erfolglosen Antragsteller zur Last fallen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG). 4.
15
Sonstige Aufklärungsmöglichkeiten
Das Insolvenzgericht kann Auskünfte von Behörden und auskunftsbereiten Privatpersonen einholen. Insbesondere wird es regelmäßig Register- und Grundbuchauszüge einholen sowie die zuständigen Gerichtsvollzieher befragen. Ihm stehen – jedenfalls mittelbar – die Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners zu (vgl. § 22 Abs. 3, aber auch § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 148. Auf der Grundlage des § 142 ZPO kann es zudem Dritte, die im Besitz einer Urkunde sind, zur Einsichtsgestattung oder Vorlage verpflichten. Gegenstände im Besitz des Schuldners bzw. Insolvenzverwalters kann es ohnehin in Augenschein (§ 371 ZPO) nehmen. Die Vernehmung auswärtiger Auskunftspersonen kann im Wege der Rechtshilfe (§ 156 GVG) verlangt werden.25)
Rechtsmittel
Maßnahmen der Amtsermittlungspflicht nach § 5 bereiten lediglich Entscheidungen des Insolvenzgerichts vor und sind daher – wie schon nach früher geltendem Recht – im Allgemeinen nicht beschwerdefähig (§ 6 Abs. 1).26) Dieser Grundsatz ist in streng begrenzten Ausnahmefällen dann verfassungskonform einzuschränken, wenn die gerichtliche Maßnahme von vornherein außerhalb der Befugnisse liegt, die dem Insolvenzgericht von Gesetzes wegen verliehen sind.27) Es fehlt dann an einer insolvenzrechtlichen Regelung, auf die sich das in § 6 bestimmte _____________ Vgl. Nachweise bei Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 47, Fn. 95. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 47. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 28. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 55. BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240; BGH, Beschl. v. 2.7.1998 – IX ZB 33/98, ZIP 1999, 319 = ZInsO 1998, 336, dazu EWiR 1999, 131 (Mohrbutter). 27) BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 207/10, ZInsO 2011, 1499; BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, NZI 2004, 312 f = ZIP 2004, 915.
22) 23) 24) 25) 26)
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§5
Verfahrensgrundsätze
Enumerationsprinzip beziehen könnte, sodass unter dieser Voraussetzung zustande gekommene Grundrechtseingriffe der gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein müssen. III. Schriftliches Verfahren (Abs. 2) In den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ermöglicht der durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens28) eingefügte Absatz 2 dem Insolvenzgericht, durch jederzeit aufhebbaren oder abänderbaren Beschluss29) zu bestimmen, dass das Verfahren oder Teile desselben schriftlich durchgeführt werden.30) Die Anordnung setzt voraus, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind. Insoweit ist die Regelung zwar mit dem früheren § 312 Abs. 2 wortgleich, kann aber durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf das Regelinsolvenzverfahren eine größere Spannbreite abdecken, als bisher im – wegen § 304 schon von vornherein nur relativ übersichtlichen Verfahren zugänglichen – vereinfachten Verfahren. Die früheren Grundsätze werden aber weiterhin als Anhaltspunkte dienen können.31) Vermögensverhältnisse des Schuldners können nur dann überschaubar sein, wenn das Gericht aus den bisherigen Feststellungen einen zuverlässigen Überblick über das Vermögen, das Einkommen und die Verbindlichkeiten des Schuldners gewinnen kann.32) Die Zahl der Gläubiger kann gering sein auch dann, wenn im Einzelfall mehr als die 19 Gläubiger des § 304 Abs. 2 festzustellen sind; je nach Struktur sollten Verbindlichkeiten auch jenseits einer verbreiteten Orientierungsmarke von 25.000 €33) die Anwendung des Absatzes 2 nicht hindern. Dies wird auch vom Gesetz selbst schon dadurch ermöglicht, dass die geforderte geringe Höhe auch nur bei einer der beiden Faktoren „Zahl der Gläubiger“ und „Verbindlichkeiten“ vorliegen muss; insoweit kann von einer Art Wechselwirkung ausgegangen werden – je höher die Zahl der Gläubiger, desto niedriger sollten die Gesamt-Verbindlichkeiten sein; je höher Letztere, desto weniger Gläubiger sollten es sein, um den Weg zum schriftlichen Verfahren finden zu können.
16
Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts, das i. S. einer effektiven und schnellen Bearbeitung ausgeübt werden soll;34) die Gesetzesbegründung nennt hier ausdrücklich auch die „Vorlieben“ des einzelnen Entscheiders,35) die mit in die Ermessensausübung einfließen können. Trotz der damit ermöglichten Anwendung auch auf das Regelinsolvenzverfahren dürfte das schriftliche Verfahren aber doch
17
_____________ 28) Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (InsVerinfG), v. 13.4.2007, BGBl. I 2007, 509. 29) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 172 = ZInsO 2003, 413, 415, dazu EWiR 2003, 593 (Tetzlaff). 30) Ausführl. dazu: Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1718 Rz. 121 ff. 31) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 5 Rz. 27. 32) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 5 Rz. 26; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 64b. 33) Vgl. auch Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 5 Rz. 26. 34) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 64a. 35) Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 13.
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Verfahrensgrundsätze
nur bei der Insolvenz von Kleinstunternehmen in Betracht kommen.36) Grundsätzlich erscheint die Anordnung der Schriftlichkeit immer dann sinnvoll, wenn die Durchführung des Verfahrens und die Gewinnung der hierfür erforderlichen Informationen einen mündlichen Termin nicht erfordern. Dies dürfte in masselosen bzw. massearmen Verfahren, die nur infolge einer Kostenstundung durchgeführt werden, häufig der Fall sein. 18
In ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ist das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte37) umgekehrt – werden die genannten Voraussetzungen, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind, vom Gericht als gegeben erachtet, ist das Verfahren grundsätzlich schriftlich durchzuführen. Will das Gericht das Verfahren oder Teile desselben aus besonderen Gründen dennoch mündlich durchführen, muss es nun dies durch – auch in diesem Fall jederzeit aufhebbaren oder abänderbaren – Beschluss bestimmen.
19
Die Anordnung der Schriftlichkeit bzw. – in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren – der Mündlichkeit des Verfahrens oder einzelner Verfahrensteile kann bereits im Eröffnungsbeschluss erfolgen. In diesem Fall ist sie – als richterliche Entscheidung – unanfechtbar (§ 6 Abs. 1). Hat sie jedoch zu einem späteren Zeitpunkt – z. B. für den Schlusstermin – der Rechtspfleger getroffen, so kann sie mit der Erinnerung nach § 18 Abs. 1 RPflG angefochten werden.38)
20
Nach Satz 3 bzw. 4 der Vorschrift sind Anordnung, Aufhebung und Abänderungen betreffend die schriftliche bzw. – in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren – mündliche Durchführung des Verfahrens öffentlich bekannt zu machen; weil in § 9 zugleich die Internetveröffentlichung als Regelfall eingeführt wurde, kommt es hierdurch nicht zu höheren Kosten oder Verzögerungen. IV. Entscheidungen im Insolvenzverfahren (Abs. 3)
21
Im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens erlaubt Absatz 3, dass Entscheidungen im Insolvenzverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können. Entscheidungen des Insolvenzgerichts sind dabei sämtliche Richter- und Rechtspflegersprüche, gleichviel, ob sie das Gesamtverfahren oder Zwischenfragen bestimmen, ob sie prozessleitenden oder sachlichen Inhalts sind.39) Wegen der freigestellten mündlichen Verhandlung ergehen sie stets in Beschlussform (§ 4; § 329 Abs. 1 ZPO) und müssen verkündet werden.
22
Keine Entscheidungen sind lediglich vorbereitende Maßnahmen, etwa i. R. des Absatzes 1, ferner bloße Beurkundungen/Niederschriften, etwa im Prüfungstermin.
23
Ordnet das Gericht – nach seinem freien Ermessen – die mündliche Verhandlung an und bestimmt es einen Termin, so haben die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich _____________ 36) Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 13. 37) Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379. 38) Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1718 Rz. 121. 39) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 30; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 66.
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§5
Verfahrensgrundsätze
keinen Anspruch auf Terminsverlegung. § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO findet nach Absatz 2 Satz 2 keine Anwendung. In Einzelfällen wird das Gericht jedoch unter dem Gesichtspunkt des „fair trial“ entsprechenden Anträgen entgegenkommen. Die von der InsO fest vorgesehenen Termine (Prüfungstermin, Schlusstermin, Termine zur Vorbereitung von Entscheidungen der Gläubigerversammlung etc.) stellen im Regelfall keine „mündliche Verhandlung“ des Gerichts dar. V. Maschinelle Herstellung und Bearbeitung (Abs. 4) Maschinelle Herstellung oder Bearbeitung bedeutet die Zuhilfenahme elektronischer Datenverarbeitungsanlagen oder sonstiger technischer Einrichtungen, die der erleichterten tabellarischen Erfassung dienen.40) Tabellen und Verzeichnisse sind etwa die Tabelle der Insolvenzforderungen (§ 175) und die Stimmliste (§ 239).41) Ebenso gilt die Selbstverständlichkeit für vom Insolvenzverwalter zu erstellende Verzeichnisse und Übersichten (Verzeichnis der Massegegenstände, Gläubigerverzeichnis, Vermögensübersicht usw.).42) Auch der Schuldner kann sich i. R. der Eigenverwaltung der modernen Hilfsmittel bedienen.43) Ob Absatz 3 auch die Verwendung von Vordrucken erfasst,44) kann angesichts des Wortlauts fraglich sein; jedenfalls aber steht die Regelung weitergehendem Einsatz moderner Bürotechnik nicht entgegen.45) Die mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens von 2007 angefügten Sätze 2 – 4 bahnen den Weg in die elektronische Abwicklung des Insolvenzverfahrens; mit der Ermächtigung wird den Ländern hier die notwendige Gestaltungsfreiheit eingeräumt.
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VI. Elektronisches Gläubigerinformationssystem – GIS (Abs. 5) Der mit Wirkung für alle ab einschließlich dem 1.1.2021 beantragten Insolvenzverfahren eingefügte „Regelungsblock“ überführt einen faktisch sicher schon vielerorts bestehenden Zustand46) in eine gesetzliche Regelung. Die Information der Gläubigerschaft wird in die Hände der Verwalter gelegt, die Gerichte sollen hierdurch bestenfalls Erleichterung und Entlastung erfahren. 1.
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Vorhaltepflicht
Absatz 5 Satz 1 erklärt das Vorhalten eines elektronischen Gläubigerinformationssystems (GIS) für den Verwalter gleichsam zum „Regelfall“, wobei es sich außerhalb der in Satz 2 beschriebenen Fälle zunächst lediglich um eine „Soll-Vorschrift“ handelt, die damit aber deutlich macht, dass jedenfalls das elektronische Vorhalten der genannten Informationen nicht die Aufgabe der Gerichte sein soll.47) _____________ 40) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 42. 41) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 110, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 153; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 42. 42) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 110, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 153. 43) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 91. 44) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 42. 45) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 90. 46) Lüdtke, ZVI 2021, 91; vgl. auch schon BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 62/15, ZInsO 2016, 1647. 47) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192.
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§5 27
Ab einer bestimmten Größe des schuldnerischen Unternehmens wird die Vorhaltung eines elektronischen GIS nunmehr aber auch zwingend vorgeschrieben. Als Anknüpfungspunkt für diese Bestimmung greift Satz 2 auf die Kriterien des § 22a Abs. 148) zurück. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei dieser Kriterien erfüllt, greift die Vorhaltepflicht und der Verwalter muss die in Satz 1 genannten Dokumente zum elektronischen Abruf bereitstellen. Ausgehend vom Wortlaut des Satzes 2 müsste das GIS somit erst mit der Übernahme der entsprechenden Verwaltung bereitgestellt bzw. eingerichtet werden; indes wird jeder Verwalter, der an der Bestellung auch in größeren Verfahren interessiert ist, wohl gut beraten sein, dies tatsächlich bereits „vorzuhalten“, schon um es nicht etwa an einem denkbaren Geeignetheitskriterium i. R. der Vorauswahl fehlen zu lasssen. Satz 2 führt also jedenfalls für diesen Verwalterkreis (der groß sein dürfte) entgegen Satz 1 zu einem faktischen Vorhaltezwang.49) 2.
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Gläubigerinformationssystem (GIS)
Den „(Mindest-)Funktionsumfang“ eines sonst nicht näher technisch definierten GIS legt Satz 1 fest; den Gläubigern sollen damit alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können. Dies auch in einem gängigen Dateiformat; hier fehlt es an einer näheren gesetzlichen Bestimmung, was wegen der äußerst dynamischen Entwicklungen in der Informationstechnik aber wohl auch nur sinnvoll ist – der Markt und insbesondere die Anbieter der GIS werden auf die „Gängigkeit“ stets bedacht sein. Satz 2 definiert die „Zurverfügungstellung“ dahingehend, dass die in Satz 1 bestimmten Dokumente zum elektronischen Abruf bereitgestellt werden sollen; ein E-Mail-Versand ist damit also nicht gemeint. Satz 3 präzisiert auch dies noch weiter: die für den Zugang erforderlichen Daten sollen zur Verfügung gestellt werden. Das GIS wird demnach also einer Art „Plattform“ oder einem Portal entsprechen, elektronisch erreichbar (Internet) sein und Dokumente zum Abruf (über das Internet) bereitstellen. Zu den naheliegenden Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit einer solchen technischen Lösung schweigen sowohl Gesetz wie auch die Materialien; hier ist der Verwalter für die Einhaltung der entsprechenden Normen und Richtlinien alleine verantwortlich.50) 3.
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Verfahrensgrundsätze
Zurverfügungstellung an Einsichtsberechtigte
Wird seitens des Verwalters – gleichviel, ob fakultativ nach Satz 1 oder obligatorisch nach Satz 2 – das die vorgenannten Kriterien erfüllende GIS vorgehalten, so sollen nach Satz 3 den Einsichtsberechtigten die Zugangsdaten unverzüglich zur Verfügung gestellt werden. Einsichtsberechtigte sind grundsätzlich nur die Insolvenzgläubiger bzw. die sie gesetzlich vertretenden oder von ihnen dafür bevollmächtig_____________ 48) Bilanzsumme, Umsatzerlöse, Arbeitnehmerzahl, s. die Kommentierung zu § 22a Rz. 9. 49) Sehr krit. mit Blick auf die insofern „unehrliche“ Regelungssystematik Münzel, European Insolvency & Restructuring, TLE-002-2021. 50) Lüdtke, ZVI 2021, 91 f; Münzel, European Insolvency & Restructuring, TLE-002-2021.
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§5
Verfahrensgrundsätze
ten Personen. Die Einsichtsberechtigung, primär insbesondere die tatsächliche und rechtliche Gläubigerstellung i. S. des § 38, hat der Insolvenzverwalter vor der Zugangseröffnung zu prüfen; kann er dies etwa durch einen Abgleich mit der Buchhaltung des Schuldners unproblematisch ermitteln, ist eine Zurverfügungstellung bereits vor dem Prüfungstermin möglich und – unverzüglich! – auch geboten. Spätestens sind die Zugangsdaten aber in allen Fällen unmittelbar nach der gerichtlichen Feststellung der angemeldeten Forderung zu gewähren, um der Anordnung der Unverzüglichkeit Genüge zu tun.51) (Nur) aus der Gesetzesbegründung ergibt sich ferner, dass auch dem Insolvenzgericht eine Einsichtnahmemöglichkeit einzuräumen ist;52) mit dementsprechend gebotener Auslegung wird also auch dieses dem Kreis der „Einsichtsberechtigten“ des Satzes 3 zuzuordnen und werden also auch ihm die Zugangsdaten zu übermitteln sein.53) 4.
Umfang der Einsichtnahme
Nach Satz 1 sind den Einsichtsberechtigten zur Verfügung zu stellen
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–
alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts,
–
alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen,
–
und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen.
Dies setzt seitens des Verwalters damit jeweils einen ggf. für jeden Gläubiger individualisierten Zugangsbereich voraus, schon soweit Berichte, die ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, existieren. Erst recht gilt das bzgl. der „die eigenen Forderungen betreffenden“ Unterlagen, soweit solche über die bereits von den ersten beiden Kategorien umfassten Entscheidungen des Insolvenzgerichts und die sämtlichen die eigenen Forderungen betreffenden Berichte hinaus existieren54) und soweit der Gläubiger ein verfahrensspezifisches, berechtigtes Interesse an deren elektronischer Bereitstellung hat. Sicher nicht hat der Insolvenzverwalter zur Ausfüllung dieser Kategorie die eigenen Unterlagen des Gläubigers oder solche, die er ohnehin schon auf anderem Wege erhalten hat, noch einmal zusammenzustellen, auch kann er nicht verpflichtet sein, solche ggf. noch eigens zu digitalisieren.55) 5.
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Kosten
Der „Service“ aus Absatz 5 ist für die Gläubiger kostenlos. Der Verwalter kann die durch die Vorhaltung des Systems entstehenden Kosten weiterhin nicht als gesonderte Auslagen neben der Verwaltervergütung geltend machen.56) _____________ 51) 52) 53) 54)
Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192. Ggf. auch zur Erfüllung der Aufsichtsfunktion gemäß § 58: Lüdtke, ZVI 2021, 91, 92. Lüdtke, ZVI 2021, 91, 92, sieht hiermit das Informationsbedürfnis des Gläubigers hinsichtlich der korrekten Eintragung zur Tabelle gemäß § 175 und der Ergebnisse des Prüfungstermins gemäß § 178 abgesichert. 55) Vgl. zu alledem auch Münzel, European Insolvency & Restructuring, TLE-002-2021, der für diese Kategorie keinerlei Anwendungsbereich erkennt. 56) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 62/15, ZInsO 2016, 1647; vgl. auch Lüdtke, ZVI 2021, 91, 92, der in diesem Zusammenhang zutreffend auf die im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffene Forderung des VID hinweist.
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§6 VII. 33
Sofortige Beschwerde
Weitere „Verfahrensgrundsätze“
Im Insolvenzverfahren gelten neben dem in § 5 angesprochenen Untersuchungsgrundsatz und der (eingeschränkten) Mündlichkeit des Verfahrens vielfältige weitere allgemeine Verfahrensgrundsätze, die teilweise bereits unmittelbar aus dem Verfassungsrecht herzuleiten sind (z. B. Rechtsstaatsprinzip, gesetzlicher Richter, rechtliches Gehör, Willkürverbot, materieller Grundrechtsschutz, informationelle Selbstbestimmung), teilweise dem Insolvenzverfahren als gerichtlichem Verfahren jenseits der bekannten, klar abgegrenzten Kategorien des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens57) immanent sind (nur beschränkte Geltung der Dispositionsmaxime, Antragsrecht; freie Entscheidung der Gläubiger betreffend der Forderungsanmeldung; Amtsbetrieb; nur – entsprechend der Mündlichkeit – eingeschränkte Bedeutung von Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit).58) _____________ 57) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 5 Rz. 4. 58) Weiterführend sei auf die Großkommentare verwiesen: Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 5 Rz. 4 ff; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 73 ff.
§6 Sofortige Beschwerde Kexel
(1) 1Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. 2 Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung. (3) 1Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. 2 Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen. Literatur: Kirchhof, Insolvenzrechtliche weitere Beschwerden im Zickzackkurs, ZInsO 2012, 16. Übersicht I. Allgemeines, Normzweck ................... 1 II. Sofortige Beschwerde (Abs. 1, Abs. 2) .................................................... 2 1. Statthaftigkeit ........................................ 3 2. Zulässigkeit ............................................ 4 3. Wirkung der Beschwerdeeinlegung ................................................ 9 4. Verfahren ............................................. 10 a) Abhilfeverfahren .......................... 10 b) Beschwerdeverfahren ................... 12 5. Entscheidung ....................................... 14 6. Wirksamkeit der Entscheidung .......... 19 7. Prozesskostenhilfe .............................. 20 III. Rechtspflegererinnerung .................. 21 IV. Rechtsbeschwerde .............................. 22
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1.
Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO ................................ 26 2. Einlegung der Rechtsbeschwerde ....... 28 a) Frist ............................................... 28 b) Form ............................................. 29 c) Begründung .................................. 30 3. Wirkung der Beschwerdeeinlegung .... 32 4. Verfahren ............................................. 33 5. Begründetheit (§ 576 ZPO) ............... 35 6. Entscheidung ....................................... 36 7. Prozesskostenhilfe .............................. 39 V. Anhörungsrüge, außerordentliche Beschwerde ......................................... 40 VI. Formelle und materielle Rechtskraft (Abs. 3) ....................................... 41
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§6
Sofortige Beschwerde
I.
Allgemeines, Normzweck
Durch § 6 wird das Beschwerderecht im Insolvenzverfahren auf die gesetzlich bestimmten Fälle beschränkt, d. h., grundsätzlich ist von der Unanfechtbarkeit insolvenzgerichtlicher Entscheidungen auszugehen, ausnahmsweise – in den ausdrücklich benannten Fällen – sind sie anfechtbar. Der Gesetzgeber wollte durch die Beschränkung den zügigen Fortgang des Verfahrens fördern.1) § 6 gilt jedoch nur für die „insolvenzgerichtlichen Entscheidungen“, also Entscheidungen, deren Rechtsgrundlagen sich in der InsO selbst befinden. Für insolvenzrechtliche „Nebenentscheidungen“, die i. R. eines Insolvenzverfahrens auf der Grundlage allgemeiner, nicht zum eigentlichen Insolvenzrecht gehöriger Vorschriften getroffen werden, bleiben also auch die dort ggf. vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten erhalten.2) Ähnliches gilt für die wegen besonderer Sachnähe dem Insolvenzgericht übertragenen Entscheidungen nach § 36 Abs. 4 Satz 1 und § 89 Abs. 3: Hier handelt das Insolvenzgericht funktional als Vollstreckungsgericht, sodass auch die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe einschlägig sind (siehe unten § 36 Rz. 36 f).3) Unberührt bleibt des Weiteren die Möglichkeit der Rechtspflegererinnerung unter den Voraussetzungen des § 11 RPflG (siehe unten Rz. 21).
1
II. Sofortige Beschwerde (Abs. 1, Abs. 2) Die InsO trifft über § 6 hinaus keine Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren, sodass über § 4 weitestgehend auf die entsprechende Anwendung der §§ 567 – 573 ZPO zurückgegriffen werden kann. 1.
Statthaftigkeit
Die sofortige Beschwerde gibt es nur in den Fällen, in denen die InsO dies ausdrücklich bestimmt.4) Fasst das Insolvenzgericht mehrere Maßnahmen in einem einheitlichen Beschluss zusammen, die teils anfechtbar, teils unanfechtbar sind, erweitert dies die Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der einzelnen Maßnahme nicht.5) Die Be_____________ 1) 2)
3) 4)
5)
2
Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 110, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 153. Eine solche Beschränkung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.11.2009 – 1 BvR 339/09, ZIP 2010, 237 = ZInsO 2010, 34. BGH, Beschl. v. 16.3.2000 – IX ZB 2/00, ZIP 2000, 755 = ZInsO 2000, 280; JaegerGerhardt, InsO, § 6 Rz. 8 ff; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 57 ff; vgl. auch etwa für den Fall der Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 246/10, ZIP 2011, 1169 f = ZInsO 2011, 1032; für den Fall der Nichtgewährung von Akteneinsicht BGH, Beschl. v. 29.11.2019 – IX ZB 56/19, ZVI 2020, 99 f. BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZInsO 2004, 391, 392 = ZIP 2004, 732, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/Ellke); BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – IX ZB 165/07, juris. So etwa auch nicht gegen die Ablehnung der – von der InsO nicht geregelten – Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters, BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 ff = ZInsO 2009, 476, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen). Fehlgehend LG Bonn, Beschl. v. 6.6.2016 – 6 T 114/16, ZVI 2016, 390, mit der Annahme einer „außerordentlichen Beschwerde“ für den Fall, dass das Insolvenzgericht Angaben des Schuldners nicht zur Kenntnis nimmt und stattdessen das Insolvenzverfahren eröffnet, obwohl ein aussichtsreiches gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren zuvor hätte durchgeführt werden müssen; vgl. hierzu auch zutreffend die Anm. von Laroche, NZI 2016, 846 f, und grundsätzlich BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHZ 150/133 = NJW 2002, 1577. Vgl. nur BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 85/05, ZIP 2007, 394 ff = ZVI 2007, 270; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 6 Rz. 5; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 8.
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3
§6
Sofortige Beschwerde
schwerde muss sich gegen eine Entscheidung des Insolvenzgerichts richten; Entscheidungen sind grundsätzlich sämtliche Richter- und Rechtspflegersprüche im Insolvenzverfahren, gleichviel, ob sie das Gesamtverfahren oder Zwischenfragen bestimmen, ob sie Prozess leitenden oder sachlichen Inhalts sind.6) Keine Entscheidungen sind lediglich vorbereitende Maßnahmen, etwa solche i. R. des § 5 Abs. 1, ferner bloße Beurkundungen/Niederschriften, etwa im Prüfungstermin. Durch § 6 der Beschwerde entzogen ist weiter das bloße Untätigbleiben des Insolvenzgerichts. Entscheidungen des Insolvenzverwalters, des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung oder anderer Verfahrensbeteiligter sind nicht beschwerdefähig.7) 2.
Zulässigkeit
4
Die Beschwerdefrist beträgt § 569 Abs. 1 ZPO entsprechend zwei Wochen und beginnt, wie Absatz 2 bestimmt, mit der Verkündung der Entscheidung, im Falle der Nichtverkündung mit der Zustellung (siehe hierzu § 8). Dabei schließt die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 Abs. 3, die grundsätzlich zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten genügt, den Nachweis einer früheren Zustellung an einzelne Beteiligte nicht aus, sodass Letztere für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich wäre.8) Erfolgt umgekehrt die Einzelzustellung nach Wirksamkeit der öffentlichen Bekanntmachung, bleibt letztere für den Fristbeginn maßgebend.9) Es handelt sich um eine Notfrist, sodass grundsätzlich auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (§ 233 ZPO). Die Einlegung der Beschwerde ist bereits vor Zustellung der wirksamen Entscheidung zulässig.10)
5
Die Beschwerde ist schriftlich (§ 569 Abs. 2 ZPO) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) beim zuständigen Insolvenzgericht einzulegen (Abs. 1 Satz 2).11) Sie muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen sowie erkennen lassen, dass eine Beschwerde eingelegt wird (§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Beschwerde soll (§ 571 Abs. 1 ZPO), muss aber nicht begründet werden. _____________ 6) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 30; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 66. 7) Für Gläubigerversammlung und -ausschuss: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.10.2000 – 3 W 198/00, ZInsO 2000, 670, 671 = ZIP 2000, 2173. Auch gegen die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gläubigerversammlung kann nicht vorgegangen werden, insbesondere findet § 78 keine analoge Anwendung: BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 128/10, ZIP 2011, 1626 = ZVI 2011, 324. 8) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768, 769 = ZVI 2003, 165, dazu EWiR 2003, 977 (U. Keller); OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 270/99, ZIP 2000, 195, 196 f m. w. N. = NZI 2000, 169, dazu EWiR 2000, 181 (Bork). 9) BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 173/08, NZI 2010, 159 = ZInsO 2009, 2414; LG Stuttgart, Beschl. v. 27.12.2017 – 19 T 463/17, juris. 10) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 39. 11) § 6 Abs. 1 Satz 2 angefügt mit Wirkung vom 1.3.2012 durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582; in Insolvenzverfahren, die vor dem 1.3.2012 beantragt worden sind, dürfte weiterhin auch noch die Einlegung beim Beschwerdegericht möglich sein, Art. 103g EGInsO. Dies ist in der Regel das LG, auch in Fällen mit Auslandsberührung – § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG (m. W. v. 1.9.2009 aufgehoben durch Gesetz v. 17.12.2008, BGBl. I 2008, 2586) ist im Insolvenzverfahren nicht anwendbar, BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 193/06, WM 2009, 95 f = ZIP 2009, 48, dazu EWiR 2009, 111 (Mankowski).
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§6
Sofortige Beschwerde
Die Zulässigkeit setzt weiterhin die Beschwer des Beschwerdeführers voraus, die einmal darin bestehen kann, dass sein Antrag abgelehnt wurde (formale Beschwer), zum anderen immer dann zu bejahen ist, wenn er durch die Entscheidung in seinen Interessen nachteilig betroffen ist (materielle Beschwer).12) Im letzteren Fall bleibt die Beschwerde dennoch ausgeschlossen, wenn die Entscheidung dem Antrag entspricht (z. B. Verfahrenseröffnung auf Schuldnerantrag).13)
6
Ausnahmsweise kann trotz gegebener Beschwer noch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen sein, etwa in Fällen der prozessualen Überholung.14) Nur in schwerwiegenden Sonderfällen wird man die Überprüfung einer bereits erledigten Entscheidung im Wege einer Fortsetzungsfeststellung zulassen können, etwa bei solchen Grundrechtseingriffen, die typischerweise die rechtzeitige Abwehr kaum erlauben,15) bei der Möglichkeit tief greifender Grundrechtsverletzung oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ausnahmsweise erfordert.16)
7
Selbstverständlich müssen auch die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen, so die Partei- und Prozessfähigkeit, die sich nach den §§ 50, 51 ZPO richtet. Insbesondere bei juristischen Personen sind die gesetzlichen Vertretungsregeln zu beachten; die Beschwerdebefugnis korrespondiert hier nicht automatisch mit einer von der InsO eingeräumten Antragsbefugnis, etwa des nicht alleinvertretungsberechtigten Mitglied eines Verletzungsorgans (§ 15 Abs. 1). Beschwerdeberechtigt sind jeweils nur die in den Einzelbestimmungen genannten Personen.
8
3.
Wirkung der Beschwerdeeinlegung
Die Beschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 570 ZPO). Nach § 570 Abs. 2 und 3 ZPO können erst- und zweitinstanzliches Gericht allerdings die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen. Die mit einem Eröffnungsbeschluss von Gesetzes wegen eintretenden Wirkungen bleiben jedoch selbst dann bestehen.17) 4.
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Verfahren
a) Abhilfeverfahren Nach § 4 InsO i. V. m. § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt auf die Einlegung der Beschwerde zunächst das Abhilfeverfahren beim Erstgericht. Dieses soll eine unnötige, kostenverursachende und zeitraubende Befassung des Beschwerdegerichts vermeiden, wenn gebotene Korrekturen unschwer durch das Insolvenzgericht selbst _____________ 12) Vgl. zu einem solchen Fall etwa BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 23/14, ZIP 2016, 1599 = ZVI 2016, 455 – bloße Festsetzung eines Vergütungsvorschusses antelle der beantragten Vergütungsfestsetzung, dazu EWIR 2016, 601 (Kalkmann). 13) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 31. 14) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 36. 15) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, NZI 2004, 312, 313 = ZIP 2004, 915, dazu EWiR 2004, 499 (Bähr). 16) BGH, Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZB 34/05, WM 2006, 2329, 2330 = ZIP 2006, 2233; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 f = ZVI 2007, 359, dazu EWiR 2007, 209 (Flitsch); BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 20/07, ZInsO 2008, 203. 17) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 33 m. w. N.; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 6 Rz. 32.
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§6
Sofortige Beschwerde
vorgenommen werden können.18) Im Rahmen des Abhilfeverfahrens muss neues Vorbringen, ggf. sogar eine Änderung des Verfahrensgegenstands,19) keinesfalls aber ein gänzlich neuer Verfahrensgegenstand20) berücksichtigt werden. Vor Abänderung des angefochtenen Beschlusses muss unter Umständen einem Gegner rechtliches Gehör gewährt werden. 11
Über die Abhilfe hat das Insolvenzgericht durch Beschluss zu entscheiden, aus dem sich ergeben muss, ob und in welchem Umfang abgeholfen wird. Wird vollständig abgeholfen, so ist die Beschwerde erledigt; der Abhilfebeschluss muss dann eine Kostenentscheidung enthalten. In jedem anderen Fall ist die Beschwerde mit dem Beschluss dem Beschwerdegericht vorzulegen. Sind neue Tatsachen vorgebracht worden, deren Erheblichkeit verneint wird, muss sich die Begründung damit auseinandersetzen. Gleiches gilt, wenn das Ausgangsgericht seine Entscheidung nunmehr auf andere Gesichtspunkte stützen möchte. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht notwendige Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren. b) Beschwerdeverfahren
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Das Beschwerdegericht prüft zunächst von Amts wegen, ob die Beschwerde statthaft und zulässig ist (§ 572 ZPO). Es ist zweite Tatsacheninstanz; neue Tatsachen und Beweismittel sind uneingeschränkt zu berücksichtigen (§ 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO), hierzu zählen auch Tatsachen, die erstinstanzlich – auch verschuldet – nicht vorgebracht wurden. Für das Beschwerdevorbringen kann das Gericht oder der Vorsitzende eine Ausschlussfrist setzen (§ 571 Abs. 3 ZPO). Von der Frage, welcher Sachverhalt nach dem Verfahrensrecht grundsätzlich berücksichtigungsfähig ist, zu trennen ist aber die Frage, welcher Betrachtungszeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist.21) Dieser Zeitpunkt wird regelmäßig der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung als letzter Tatsachenentscheidung sein, soweit das materielle Recht nicht nach einem anderen Zeitpunkt verlangt und dadurch nicht das Gebot effektiven Rechtsschutzes ausgehöhlt würde. In der Rechtsprechung22) wird dieser Ausnahmefall angenommen für die Überprüfung eines Eröffnungsbeschlusses; hier soll es allein darauf ankommen, ob die Voraussetzungen der Eröffnung zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung vorlagen.23) Lagen sie nicht vor, ist der Eröffnungsbeschluss aufzuheben und der Eröffnungsantrag abzuweisen. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass die Voraussetzungen bei Erlass der Erstentscheidung vorlagen; _____________ 18) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 44. 19) So für die Erledigungserklärung OLG Köln, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 39/01, ZInsO 2001, 420, 422 = ZIP 2001, 1018, dazu EWiR 2001, 677 (Beutler). 20) So für einen erst mit der Beschwerdeschrift gestellten Hilfsantrag: BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188 ff = ZVI 2007, 90 ff. 21) So für das Verwaltungsrecht BVerwG, Beschl. v. 27.4.1990 – 8 C 87.88, NJW 1991, 2584 = NVwZ 1991, 360; BVerwG, Beschl. v. 6.3.2003 – 9 B 17.03, n. v., wonach diese Frage in erster Linie durch das materielle Recht beantwortet wird. 22) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957 = ZInsO 2006, 1051, dazu EWiR 2007, 17 (Bruns). 23) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, Rz. 8, ZIP 2006, 1957 = ZInsO 2006, 1051.
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§6
Sofortige Beschwerde
sie hat dann Bestand, der nachträgliche Wegfall des Insolvenzgrunds kann nur im Verfahren nach § 212 geltend gemacht werden.24) Diese Rechtsprechung verdient angesichts der herausragenden Bedeutung des Zeitpunkts der Eröffnungsentscheidung25) und der durch diese ausgelösten einschneidenden, häufig nicht vollständig reparablen Wirkungen26) Zustimmung. So kommt auch eine „Umstellung“ der Verfahrensart im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Betracht, dies ist nur bis zur amtsgerichtlichen Entscheidung über den Eröffnungsantrag möglich.27) Anders liegt der Fall hingegen, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstinstanzlich abgewiesen wurde – hier bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass also die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgeblich ist. Liegen die Eröffnungsvoraussetzungen – sei es auch erstmals – in diesem Zeitpunkt vor, ist das Verfahren zu eröffnen.28) Dem Beschwerdegericht kommt i. Ü. eine eigene Ermessenskompetenz zu.29) Die Überprüfung erstinstanzlicher Ermessensentscheidungen ist somit nicht auf eine bloße Ermessensfehlerkontrolle beschränkt. Auch im Beschwerdeverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 5). 5.
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Entscheidung
Die nicht statthafte oder sonst unzulässige Beschwerde wird verworfen (§ 572 Abs. 2 ZPO). Die vom Beschwerdegericht für unbegründet erachtete Beschwerde wird zurückgewiesen. Hält es die Beschwerde für begründet, so kann es in der Sache selbst entscheiden, nach § 572 Abs. 3 ZPO aber auch an das Insolvenzgericht zurückverweisen. Dieses ist dann analog § 563 Absatz 2 ZPO an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gebunden, ebenso wie das Beschwerdegericht selbst, wenn es erneut mit der Sache befasst wird.30)
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Das Verbot der reformatio in peius ist auch im Beschwerdeverfahren zu beachten;31) allein bei zwei gegenläufigen Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung ist eine Verschlechterung zulasten jedes Rechtsmittelführers zulässig.
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Seit dem 27.10.2011 hat das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung auch die Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde zu erwägen. Mit der Abschaffung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde (vormals § 7) gelten uneingeschränkt die §§ 574 ff ZPO. Lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zu (zu den Voraussetzungen siehe unten Rz. 26 ff), stellt es dies zweckmäßigerweise im Beschlusstenor fest, ausreichend ist jedoch auch eine ausdrückliche Zulassung in den Gründen.32) _____________
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24) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 12/06, ZVI 2006, 564 f; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, Rz. 19, ZIP 2006, 1957 = ZInsO 2006, 1051. 25) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, Rz. 11, ZIP 2006, 1957 = ZInsO 2006, 1051. 26) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, Rz. 12, ZIP 2006, 1957 = ZInsO 2006, 1051. 27) LG Hamburg, Beschl. v. 12.4.2016 – 326 T 33/16, ZVI 2016, 233. 28) BGH, Beschl. v. 27.3.2008 – IX ZB 144/07, ZIP 2008, 1034, 1035 NZI 2008, 391. 29) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 42 m. w. N.; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 53a. 30) BGH, Beschl. v. 19.4.2007 – IX ZB 176/06, juris; vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.4.2011 – IX ZB 18/10, ZInsO 2011, 1566; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 41 m. w. N. 31) Uhlenbruck-I. Pape, InsO, § 6 Rz. 20. 32) BAG, Beschl. v. 17.1.2007 – 5 AZB 43/06, NJW 2007, 3303 = DB 2007, 696.
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Sofortige Beschwerde
Die Nichtzulassung muss nicht ausgesprochen werden. Eine nachträgliche Zulassung ist grundsätzlich ausgeschlossen,33) eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde analog § 321a ZPO ist nur möglich, wenn in der Beschwerdeentscheidung durch willkürliche Nichtzulassung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt worden ist.34) 17
Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss (§ 572 Abs. 4 ZPO). Dieser ist zu begründen, bei Zulassung der Rechtsbeschwerde insbesondere auch mit einer Sachverhaltsdarstellung zu versehen.35) Dem Unterlegenen ist im letzteren Falle die Entscheidung zuzustellen (§ 329 Abs. 2 Satz 2, § 575 Abs. 1 ZPO).
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Die in dem Beschluss – außer in Fällen der Zurückverweisung – zu treffende Kostengrundentscheidung richtet sich nach den §§ 97, 91, 92 ZPO. Der Streitwert beruht grundsätzlich auf § 47 GKG, für die Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss auf § 58 Abs. 2 und 3 GKG. Die Gerichtsgebühren ergeben sich aus Nr. 2380, 2381 GKG-KV, § 58 Abs. 2 bzw. 3 GKG; die Anwaltsgebühren aus § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, für die der Gegenstandswert aus §§ 28, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bestimmt wird. 6.
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Nach Absatz 3 wird die Entscheidung des Beschwerdegerichts grundsätzlich erst mit Eintritt der – formellen – Rechtskraft wirksam. Durch diese Regelung soll die wiederholte Abänderung ggf. folgenschwerer Entscheidungen – etwa bei der Beschwerde gegen einen Eröffnungsbeschluss – vermieden werden.36) Das Beschwerdegericht kann jedoch nach seinem freien Ermessen gemäß Absatz 2 Satz 2 – immer gleichzeitig mit der Sachentscheidung – die sofortige Wirksamkeit anordnen. 7.
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Wirksamkeit der Entscheidung
Prozesskostenhilfe
Für das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gelten auch für den Schuldner nicht die Stundungsvorschriften der §§ 4a – 4d. Der Beschwerdeführer kann Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff ZPO beantragen und erhält diese abhängig von den Erfolgsaussichten des jeweils eingelegten Rechtsmittels.37) III. Rechtspflegererinnerung
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Ist nach der InsO die sofortige Beschwerde nicht gegeben, so eröffnet § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG die Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers38) (Aus_____________ 33) BGH, Beschl. v. 12.3.2009 – IX ZB 193/08, ZInsO 2009, 885 = NZI 2009, 744; BGH, Beschl. v. 24.11.2003 – II ZB 37/02, NJW 2004, 779 = WM 2004, 1698. 34) BGH, Beschl. v. 12.3.2009 – IX ZB 193/08, ZInsO 2009, 885 = NZI 2009, 744; BGH, Beschl. v. 19.5.2004 – IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529 = MDR 2004, 1254; BGH, Beschl. v. 4.7.2007 – VII ZB 28/07, WM 2007, 2035, 2036 = NJW-RR 2007, 1654. 35) BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – IX ZB 56/01, ZInsO 2002, 724 = NJW 2002, 2648; BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 88/05, ZVI 2006, 565; vgl. auch § 576 Abs. 3 i. V. m. § 547 Nr. 6 ZPO. 36) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 49 m. w. N. 37) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 = ZVI 2003, 405; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574; zum Meinungsstand vgl. Jaeger-Eckardt, InsO § 4a Rz. 74 ff m. w. N. 38) BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 f = NZI 2003, 31 f; Ganter/ Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 59 f; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 6 Rz. 15.
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Sofortige Beschwerde
nahme: § 11 Abs. 3 RPflG, keine Erinnerung gegen die Entscheidung über die Gewährung eines Stimmrechts, „dafür“ aber das Recht, im Termin eine richterliche Entscheidung zu beantragen.) Sie ist innerhalb der für die sofortige Beschwerde gegebene Frist beim Insolvenzgericht einzulegen. Für die aufschiebende Wirkung gilt das oben (siehe Rz. 9) Ausgeführte entsprechend (§ 11 Abs. 2 Satz 4 RPflG). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG kann der Rechtspfleger abhelfen. Hilft er ganz oder teilweise nicht ab, so legt er nach § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG die Sache dem Insolvenzrichter vor, der abschließend über die Erinnerung entscheidet. Gegen die richterliche Entscheidung ist sodann keine Überprüfungsmöglichkeit mehr gegeben (außer im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug, § 793 ZPO; siehe auch oben Rz. 1). Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs. 4 RPflG). Auslagen sind zu erstatten. Anwaltsgebühren richten sich nach § 18 Nr. 5 RVG, der dortige Gegenstandswert nach § 28 RVG. IV. Rechtsbeschwerde Gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde kommt grundsätzlich nur noch die Rechtsbeschwerde in Betracht. Für diese gelten über § 4 die Regelungen in §§ 574 – 577 ZPO entsprechend. Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde, die bis einschließlich 26.10.2011 ergangen sind, galt – ggf. gilt – noch § 7 a. F. als ausdrückliche gesetzliche Bestimmung der Statthaftigkeit i. S. des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.39) Die Rechtsbeschwerde war danach dann – zulassungsfrei – eröffnet, wenn zuvor das Beschwerdegericht über eine sofortige Beschwerde nach § 6 entschieden hat, also eine Entscheidung des Insolvenzgerichts angegriffen ist und die InsO dagegen die sofortige Beschwerde vorsieht. Dies galt nicht nur, wenn der Erstbeschwerdeführer die Rechtsbeschwerde erhebt,40) sondern auch in dem Fall der Einlegung durch einen anderen Verfahrensbeteiligten, der sich durch die Beschwerdeentscheidung erstmals beschwert sieht. Auch dafür war die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn auch für diesen gegen die erstinstanzliche Entscheidung grundsätzlich die sofortige (erste) Beschwerde nach § 6 eröffnet gewesen wäre.41) Eine gesonderte Zulassung durch das Beschwerdegericht war daneben ebenso gegenstands- wie wirkungslos.42)
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Für alle Beschwerdeentscheidungen, die ab dem 27.10.2011 erlassen worden sind bzw. werden, fehlt es nunmehr an dieser gesetzlichen Regelung und es gelten allein noch die §§ 574 ff ZPO.43) Damit ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 _____________
24
39) Vgl. Art. 103f EGInsO. 40) BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548 = ZInsO 2007, 326, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann). 41) BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 54/04, NZI 2006, 239; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 161/07, NZI 2009, 246 = WM 2009, 363; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.3.2007 – IX ZB 163/06, ZIP 2007, 792 = ZVI 2007, 358, dazu EWiR 2007, 565 (Hofmann/Würdinger) – keine Rechtsbeschwerdemöglichkeit des Insolvenzverwalters gegen die zweitinstanzliche Aufhebung eines Eröffnungsbeschlusses. 42) BGH, Beschl. v. 20.2.2003 – V ZB 59/02, NJW-RR 2003, 784 f = MDR 2003, 645; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 234/03, juris; BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 60/04, juris. 43) BGH, Beschl. v. 20.12.2011 – IX ZB 294/11, ZIP 2012, 796 (LS) = WM 2012, 276; BGH, Beschl. v. 18.1.2012 – IX ZB 1/12, juris; BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – IX ZB 301/11, juris; BGH, Beschl. v. 10.5.2012 – IX ZB 296/11, ZInsO 2012, 1185.
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§6
Sofortige Beschwerde
Satz 1 Nr. 2 ZPO nur noch eröffnet, wenn das Beschwerdegericht sie zulässt. Das hat es nach § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu tun, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen; ein Ermessensspielraum besteht nicht.44) Zu beachten ist, dass die positive Zulassungsentscheidung nicht vom Einzelrichter zu treffen ist; liegen die nachfolgend dargestellten Zulassungsvoraussetzungen vor, handelt es sich zugleich zwangsläufig um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, sodass die Sache der gesamten Zivilkammer zur Entscheidung zu übertragen ist, § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO.45) Hat das Beschwerdegericht verkannt, dass ihm die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde oblag, kann diese nicht vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.46) 25
Auch bei Beschwerden auf anderer Grundlage, etwa §§ 567 oder 793 ZPO, gilt das Zulassungserfordernis des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO.47) 1.
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Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO vom Beschwerdegericht zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Grundsätzlich muss sich eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage stellen; eine solche liegt vor, wenn es um die Subsumtion eines verallgemeinerungsfähigen Lebenssachverhalts unter einen Normtatbestand und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen geht. Sie ist abzugrenzen von bloßen Tatfragen, die nicht unmittelbar der Überprüfung unterliegen, also insbesondere der Beurteilung, ob tatsächliche Umstände im Einzelfall die Begriffsmerkmal ausfüllen; das ist allein Sache des Tatrichters.48) Hinzukommen muss dann (mindestens) einer der in § 574 Abs. 2 ZPO aufgeführten besonderen Zulassungsgründe: Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), wenn eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegt, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen denkbar ist,49) oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des BGH erforderlich machen.50) Klärungsbedürftig ist auch eine Rechtsfrage, bei der die Instanzgerichte dem BGH weitgehend die Gefolgschaft verweigern oder auch im Schrifttum _____________
–
44) Kirchhof, ZInsO 2012, 16 f. 45) Die Zulassung ist dann zwar wirksam, die Entscheidung unterliegt jedoch allein schon wegen der fehlerhaften Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung und Zurückverweisung: BGH, Beschl. v. 13.3.2003 – IX ZB 134/02, BGHZ 154, 202 ff = ZIP 2003, 1561; BGH, Beschl. v. 22.11.2011 – VIII ZB 81/11, WuM 2012, 46 f = NJW-RR 2012, 125. 46) BGH, Beschl. v. 10.5.2012 – IX ZB 295/11, ZIP 2012, 1146 ff; BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 31/12, juris; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910 = ZVI 2003, 405. 47) BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 168/03, ZVI 2004, 476 = NZI 2004, 456; BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 246/10, ZIP 2011, 1169 = ZInsO 2011, 1032. 48) Mit ausdrücklichen Beispielen: Kirchhof, ZInsO 2012, 16 f. 49) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029; Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 104. 50) BGH, Beschl. v. 11.5.2004 – XI ZB 39/03, ZIP 2004, 502 m. w. N. = NJW 2004, 2222.
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§6
Sofortige Beschwerde
ernstzunehmende Bedenken gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung geäußert werden.51) Auch das tatsächliche und wirtschaftliche Gewicht der Sache für die beteiligten Rechtskreise soll berücksichtigt werden.52) –
Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken aufzufüllen.53) Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt.54)
–
Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), wenn relevante Divergenzen in der Rechtsprechung erkennbar werden. Eine Abweichung liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts.55) Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nur dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren.56) Hinzukommen muss in der Regel eine Wiederholungsgefahr, wie sie insbesondere bei einer bewussten Abweichung von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu bejahen ist. Keiner Wiederholungsgefahr bedarf es jedoch, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.57)
An die – zweckmäßigerweise im Tenor der Beschwerdeentscheidung erfolgende – Zulassung der Rechtsbeschwerde ist das Rechtsbeschwerdegericht sodann gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der BGH sieht die Zulassung der Rechtsbeschwerde aber als unwirksam an, wenn schon der Beschwerderechtsweg nicht eröffnet war.58) 2.
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Einlegung der Rechtsbeschwerde
a) Frist Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt gemäß § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Monat und beginnt mit der Zustellung des angegriffenen Beschlusses. _____________ 51) Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 102. 52) Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 105. 53) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029; vgl. auch Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 104. 54) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029. 55) BGH, Beschl. v. 29.5.2002 – V ZB 11/02, ZIP 2002, 1506 = NJW 2002, 2473, dazu EWiR 2003, 607 (Wank). 56) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029. 57) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029. 58) BGH, Beschl. v. 21.4.2004 – XII ZB 279/03, NJW 2004, 2224 ff = MDR 2004, 1137; BGH, Beschl. v. 17.10.2005 – II ZB 4/05, MDR 2006, 466 = NJW-RR 2006, 286.
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Sofortige Beschwerde
Weil es sich um eine Notfrist handelt, ist auch hier grundsätzlich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung gegeben (§ 233 ZPO). b) Form 29
Die Frist wird durch das Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht, also dem BGH, gewahrt. Diese muss gemäß § 575 Abs. 1 Satz 2 ZPO die genaue Bezeichnung der angegriffenen Beschwerdeentscheidung und die Erklärung enthalten, dass gegen diese Entscheidung die Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Die Beschwerde muss durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und begründet werden.59) c) Begründung
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Die Beschwerde bedarf einer Begründung, die gemäß § 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO ebenfalls innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung erfolgen muss.
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Die Begründung muss nach § 575 Abs. 3 ZPO enthalten:
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–
Die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge),
–
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, also die genaue Bezeichnung der einzelnen Umstände, aus denen sich entweder ein materiell-rechtlicher Rechtsfehler oder ein Verfahrensfehler ergibt, bei letzterem auch die Benennung der konkreten Tatsachen.
3.
Wirkung der Beschwerdeeinlegung
Auch die Rechtsbeschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, es geht um die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels. Nach § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 1 und 3 ZPO kann auch das Rechtsbeschwerdegericht die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung, auch der erstinstanzlichen,60) durch eine einstweilige Anordnung aussetzen. 4.
33
Verfahren
Es gibt kein Abhilfeverfahren, schon weil der Rechtsbeschwerdeführer seine Beschwerde unmittelbar beim Rechtsbeschwerdegericht einlegt. Dieses entscheidet zunächst von Amts wegen, ob die Rechtsbeschwerde statthaft und zulässig ist (§ 4 InsO i. V. m. § 577 Abs. 1 ZPO). Hierzu gehört auch die (Vorab-)Prüfung, ob die sofortige Erstbeschwerde zulässig war; sollte dies nicht der Fall sein, fehlt es an einem gültigen und zulässigen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht.61) Bei _____________ 59) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793 = NZI 2002, 574; BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 12.8.2011 – IX ZB 202/11, juris. 60) BGH, Beschl. v. 4.10.2007 – IX ZB 122/07, juris; vgl. zudem BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 245/08, ZInsO 2009, 432 – Aussetzung der Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses. 61) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 = ZVI 2004, 625, dazu EWiR 2004, 1003 (Hintzen); BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188 ff = ZVI 2007, 90 ff.
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§6
Sofortige Beschwerde
der Prüfung der Begründetheit geht das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt aus (§ 577 Abs. 2 Satz 3 und 4 i. V. m. § 559 ZPO). Die dortige Tatsachenfeststellung wird nur daraufhin überprüft, ob sie unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen ist. Der Prüfung unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge (§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO); an die geltend gemachten Gründe ist das Gericht jedoch nicht gebunden (§ 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel werden auch ohne Rüge geprüft, so etwa die fehlende Sachverhaltsdarstellung (vgl. § 547 Nr. 6 ZPO). 5.
Begründetheit (§ 576 ZPO)
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet, wenn sich aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsverletzung ergibt und die Entscheidung auf dieser Rechtsverletzung beruht (§ 577 Abs. 3 ZPO). Dies wird in den Fällen des § 547 ZPO unwiderlegbar vermutet. Der ursächliche Zusammenhang besteht bei festgestellten Verfahrensverstößen regelmäßig dann, wenn sie so schwer wiegen, dass die Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden kann.62) Die örtliche Zuständigkeit unterliegt nicht der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 576 Abs. 2 ZPO). 6.
34
35
Entscheidung
Die nicht statthafte oder sonst unzulässige Rechtsbeschwerde wird verworfen (§ 577 Abs. 1 ZPO). War bereits die sofortige Beschwerde unzulässig, hat das Beschwerdegericht sie jedoch sachlich verbeschieden, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.63) Als unbegründet zurückzuweisen ist die Beschwerde, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 577 Abs. 3 ZPO). Hält das Rechtsbeschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so hat es, wenn der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO); hingegen spricht es die Aufhebung und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung aus (§ 577 Abs. 4 ZPO), wenn weitere tatsächliche Ermittlungen notwendig sind. Dabei kommt auch eine Zurückverweisung an das AG in Betracht, wenn schon dieses entsprechenden Fragen nachzugehen hatte.64) Das Gericht, an das zurückverwiesen wird, ist an die rechtliche Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts gebunden (§ 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO).
36
Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt das Verschlechterungsverbot.
37
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss (§ 577 Abs. 6 Satz 1 ZPO). Die Begründungspflicht entfällt bei Rügen von Verfahrensmängeln gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 564 ZPO. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO). Eine _____________
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62) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 54 m. N. 63) BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188 ff = ZVI 2007, 90 ff. 64) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1557 = NZI 2004, 626.
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§6
Sofortige Beschwerde
Zustellung erfolgt nur, wenn die Entscheidung einen Vollstreckungstitel bildet.65) Die in dem Beschluss – außer in Fällen der Zurückverweisung – zu treffende Kostengrundentscheidung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Der Rechtsbeschwerdewert bestimmt sich grundsätzlich nach § 47 GKG, im Verfahren über einen Eröffnungsbeschluss nach § 58 GKG. Die Gebühren des Gerichts ergeben sich aus Nr. 2383 – 2385 GKG-KV, die des Anwalts aus § 18 Nr. 5 RVG. Für den Gegenstandswert gelten §§ 28, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. 7. 39
Prozesskostenhilfe
Es gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 114 ff ZPO. Die Stundungsvorschriften gelten nicht.66) V. Anhörungsrüge, außerordentliche Beschwerde
40
Eine Abänderung der Entscheidung des Beschwerdegerichts für den Fall der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde oder der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts kann nur noch i. R. der Anhörungsrüge analog § 321a ZPO versucht werden. Für eine „Gegenvorstellung“ dürfte daneben kein Anwendungsbereich mehr bestehen. Eine „außerordentliche Beschwerde“ gegen die Rechtsbeschwerdeentscheidung, so man sie nach der ZPO-Reform überhaupt noch für zulässig erachten möchte, kommt jedenfalls so lange nicht in Betracht, wie nach § 133 GVG der BGH als das höchste ordentliche Gericht selbst Rechtsbeschwerdegericht ist.67) Unbenommen bleibt die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde einzulegen. VI. Formelle und materielle Rechtskraft (Abs. 3)
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Entscheidungen in Insolvenzsachen sind – wie auch andere – dann formell rechtskräftig, wenn sie mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden können.
42
In Einzelfällen wird man ihnen auch materielle Rechtskraft, d. h. die zukünftige Bindungswirkung des Inhalts der jeweiligen Entscheidung für Beteiligte und Gerichte,68) zubilligen können. Materielle Rechtskraft wird überwiegend bejaht im Falle von Kostenfestsetzungs- und ähnlichen Beschlüssen, etwa auch der Festsetzung von Vergütung und Auslagen, weil sie eine materiell-rechtliche Beziehung zwischen Verfahrensbeteiligten (hier kann auch „die Masse“ in Betracht kommen) festlegen.69) Dieser Definition nicht entsprechen können Entscheidungen über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Wirkungen des formell rechtskräftigen Eröffnungsbeschlusses, etwa die Heilung jedweder Mängel der Eröffnungsvoraussetzungen, kommen dieser materiellen Rechtskraft aber sehr nahe.70) _____________ 65) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 65 m. w. N. 66) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 = ZVI 2003, 405; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574; zum Meinungsstand vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 74 ff m. w. N. 67) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 7 Rz. 34. 68) Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht, 10. Aufl., Rz. 557 m. N. 69) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 7 Rz. 37; Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 82, jeweils m. N. 70) So wohl auch i. E. Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 85; zweifelnd Kübler/Prütting/ Bork-Prütting, InsO, § 7 Rz. 37.
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§8
Zustellungen
§7 (aufgehoben)*) Kexel
Als Überleitung bestimmt Art. 103 f EGInsO: „Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 6 der Insolvenzordnung, bei denen die Frist des § 575 der Zivilprozessordnung am 27. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen ist, ist die Insolvenzordnung in der bis zum 27. Oktober 2011 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102 § 7 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gilt Satz 1 entsprechend.“ Siehe dazu oben § 6 Rz. 16 und Rz. 23 f.
1
_____________ *)
§ 7 aufgehoben durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung, v. 21.10.2011, BGBl. I 2011, 2082, m. W. v. 27.10.2011. § 7 i. d. F. bis zum 26.10.2011 lautete: „Rechtsbeschwerde Gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde findet die Rechtsbeschwerde statt.“
§8 Zustellungen Kexel
(1) 1Die Zustellungen erfolgen von Amts wegen, ohne dass es einer Beglaubigung des zuzustellenden Schriftstücks bedarf. 2Sie können dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Zustellungsadressaten zur Post gegeben wird; § 184 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 3Soll die Zustellung im Inland bewirkt werden, gilt das Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt. (2) 1An Personen, deren Aufenthalt unbekannt ist, wird nicht zugestellt. 2Haben sie einen zur Entgegennahme von Zustellungen berechtigten Vertreter, so wird dem Vertreter zugestellt. (3) 1Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter beauftragen, die Zustellungen nach Absatz 1 durchzuführen. 2Zur Durchführung der Zustellung und zur Erfassung in den Akten kann er sich Dritter, insbesondere auch eigenen Personals, bedienen. 3Der Insolvenzverwalter hat die von ihm nach § 184 Abs. 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung angefertigten Vermerke unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen. Übersicht I. II. 1. 2. 3.
Normzweck ........................................... Zustellungen (Abs. 1) .......................... Von Amts wegen ................................... Aufgabe zur Post ................................... Beglaubigung .........................................
I.
Normzweck
1 2 2 3 4
4.
Durch den Insolvenzverwalter (Abs. 3) ................................................... 5 5. Unbekannter Aufenthalt (Abs. 2) .................................................. 6 III. Ausnahme ............................................. 7
Die getroffenen Regelungen über die Art und Weise der Zustellung dienen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens. Mit der optionalen ÜbertraKexel
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1
§8
Zustellungen
gung der Aufgaben in Absatz 3 soll zudem auch das Insolvenzgericht entlastet werden.1) II. Zustellungen (Abs. 1) 1. 2
Für die Zustellungen im Insolvenzverfahren gilt danach der Amtsbetrieb und damit grundsätzlich – über § 4 – die §§ 166 – 190 ZPO entsprechend.2) Ob und an wen zuzustellen ist, überlässt § 8 ebenso wie § 166 Abs. 2 ZPO den besonderen Verfahrensvorschriften. Immer zuzustellen sind Entscheidungen des Insolvenzgerichts nach § 4 InsO i. V. m. § 329 Abs. 3 ZPO, die mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden können; bei ihnen setzt erst die Zustellung die Beschwerdefrist in Lauf (anders bei verkündeten Entscheidungen, § 6 Abs. 2). Die Zustellung selbst hat nach § 168 ZPO die Geschäftstelle zu veranlassen. 2.
3
Aufgabe zur Post
Das Gericht – Richter oder Rechtspfleger, je nach Verfahrensstand – kann nach pflichtgemäßem Ermessen anordnen, dass die Zustellung nicht förmlich, sondern durch die Aufgabe zur Post erfolgen soll. Da diese zuletzt genannte Zustellungsart dem Ziel einer Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung am ehesten entspricht, kann sie durchaus als Regelfall angesehen werden.3) Sie erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 2 und der entsprechenden Anwendung des § 184 Abs. 2 ZPO. Die Zustellung wird so bereits bewirkt mit der Übergabe des zuzustellenden und unter der letzten bei Gericht bekannten Anschrift adressierten Dokuments an die Post (oder an einen entsprechend beliehenen Unternehmer nach § 33 Abs. 1 PostG), d. h. etwa die Abgabe am Postschalter oder den Einwurf in den Briefkasten. Der Zeitpunkt der Übergabe ist nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den Akten zu vermerken, damit der Nachweis für den fingierten Zustellungszeitpunkt gewährleistet ist. Im Falle der Auslandszustellung tritt diese Fiktion gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 zwei Wochen nach Übergabe ein, und zwar – wegen der Auslassung einer Bezugnahme auf § 184 Abs. 2 Satz 3 – auch ohne vorherigen Hinweis nach dieser Vorschrift. Wie Absatz 1 Satz 3 anordnet – bzw. mit Blick auf die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der Änderungen des InsVereinfG am 1.7.2007 klarstellt4) –, kann die Zustellung durch Aufgabe zur Post auch an Personen im Inland erfolgen; die Zugangsfiktion tritt hier bereits nach Ablauf von drei Tagen ein. Für die Fristberechnung gelten über § 4 die allgemeinen Vorschriften der ZPO. 3.
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Von Amts wegen
Beglaubigung
Absatz 1 Satz 1 lässt die grundsätzlich nach § 169 Abs. 2 ZPO bestehende Pflicht zur Beglaubigung der zuzustellenden Abschriften für das Insolvenzverfahren entfallen und nimmt damit Rücksicht auf die ggf. hohe Zahl von Adressaten.5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 155, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 159. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 8 Rz. 16. BGH, Beschl. v. 13.2.2003 – IX ZB 368/02, ZIP 2003, 726 f = ZInsO 2003, 216. Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 13. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 8 Rz. 6.
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§8
Zustellungen
4.
Durch den Insolvenzverwalter (Abs. 3)
Zur eigenen Entlastung kann das Gericht – nach pflichtgemäßem Ermessen6) – den Insolvenzverwalter mit den Zustellungsaufgaben betreuen. Über § 21 Abs. 2 Nr. 1 kommt dafür auch der vorläufige Insolvenzverwalter in Betracht. Nach ganz h. M. können auch Sachwalter und Treuhänder analog Absatz 3 beauftragt werden.7) Die Übertragung sollte durch förmlichen Beschluss erfolgen, damit die Wirksamkeit der Zustellungen nicht in Frage stehen kann.8) Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 6).9) Dem Insolvenzverwalter stehen im Falle der Übertragung sämtliche Zustellungsarten offen, auch die Aufgabe zur Post.10) Das Erfordernis des – im gesetzlichen Regelfall vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gefertigten – Vermerks zum Nachweis der Aufgabe zur Post wird in diesem Falle ersetzt durch einen Vermerk des Insolvenzverwalters oder des von ihm betrauten Dritten i. S. von Absatz 3 Satz 2, der unverzüglich zur Gerichtsakte zu reichen ist. Dies hat also ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen; weil dem Gericht damit auch eine Kontrollmöglichkeit gegeben werden soll,11) kann nicht bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens gewartet werden. Dem im Falle der Beauftragung nach Absatz 3 erhöhten Aufwand für den Verwalter (oder Treuhänder) entspricht die gesonderte Auslagenerstattung nach § 4 Abs. 2 InsVV;12) ihm ist für jede Zustellung der Sach- und Personalaufwand zu ersetzen. Die Höhe der Vergütung bemisst sich außerhalb der sonstigen Zuschlagstatbestände durch einen angemessenen Betrag pro Zustellung, der nach dem tatsächlichen Aufwand geschätzt werden kann.13) Diese zusätzliche kostenmäßige Belastung des Verfahrens sollte das Gericht vor der Übertragung nach Absatz 3 insbesondere bei Massearmut bedenken.14) 5.
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Unbekannter Aufenthalt (Abs. 2)
Haben Personen unbekannten Aufenthalts einen zur Entgegennahme von Zustellungen berechtigten Vertreter, so wird an diesen zugestellt; ansonsten unterbleibt
_____________ 6) Begr. des RA zum RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 155, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 159. 7) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 8 Rz. 35 m. N.; vgl. auch zur diesbezüglichen Vergütung des Treuhänders: BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 60/05, ZVI 2008, 271, 274 = ZInsO 2008, 555. 8) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 8 Rz. 12 m. w. N. 9) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 8 Rz. 37 m. N.; a. A. Kübler/Prütting/BorkPrütting, InsO, § 8 Rz. 10. 10) Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 13; Ganter/Bruns in: MünchKommInsO, § 8 Rz. 32; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 8 Rz. 12 m. w. N. 11) Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 13. 12) Kübler/Prütting/Bork-Stoffler, InsO, § 4 InsVV Rz. 10 m. w. N. 13) BGH, Beschl. v. 21.3.2013 – IX ZB 209/10, ZIP 2013, 833 f – unter ausdrücklicher Aufgabe der Ansicht noch von BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188, 189 f = ZVI 2007, 90; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 129/05, ZIP 2007, 440 f = ZVI 2007, 213, dass stattdessen ein Zuschlag zur Regelvergütung gemäß § 3 Abs. 1 InsVV in Betracht zu ziehen wäre. Ein Beispiel zur tatrichterlichen Schätzung bietet AG Gießen, Beschl. v. 5.11.2014 – 6 IK 32/13, ZVI 2015, 83 – 2,80 € pro Zustellung. 14) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 8 Rz. 36.
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§9
Öffentliche Bekanntmachung
eine Zustellung, auch eine solche nach § 185 ZPO.15) Unbekannt ist auch der Aufenthalt des Schuldners, der entgegen seiner Auskunftsobliegenheit einen Wohnsitzwechsel nicht mitteilt; das Insolvenzgericht hat hier nicht von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustellen.16) III. Ausnahme 7
Für Zustellungen des Schuldenbereinigungsplans i. R. des vereinfachten Insolvenzverfahrens verbleibt es bei der förmlichen Zustellung im Amtsbetrieb; bis auf das Entfallen der Beglaubigungspflicht finden die Erleichterungen des § 8 hier keine Anwendung (§ 307 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3). _____________ 15) LG Hamburg, Beschl. v. 27.9.2016 – 326T 139/16, ZIP 2017, 192 – auch bei juristischer Person. 16) BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZB 272/11, ZVI 2013, 279 ff.
§9 Öffentliche Bekanntmachung Kexel
(1) 1Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet ); diese kann auszugsweise geschehen. 2 Dabei ist der Schuldner genau zu bezeichnen, insbesondere sind seine Anschrift und sein Geschäftszweig anzugeben. 3Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. (2) 1Das Insolvenzgericht kann weitere Veröffentlichungen veranlassen, soweit dies landesrechtlich bestimmt ist. 2Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet zu regeln. 3Dabei sind insbesondere Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Veröffentlichungen 1.
unversehrt, vollständig und aktuell bleiben,
2.
jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.
(3) Die öffentliche Bekanntmachung genügt zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt.
)
www.insolvenzbekanntmachungen.de
Literatur: Kexel/Schmidt, C., Insolvenzbekanntmachungen im Internet – eine Erfolgsgeschichte „made in NRW“, in: Festschrift für Marie Luise Graf-Schlicker, 2018, S. 309. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Öffentliche Bekanntmachung (Abs. 1) .................................................. 3 III. Wirkung der öffentlichen Bekanntmachung (Abs. 3) .................. 5
96
IV. Weitere Veröffentlichungen (Abs. 2) .................................................. 6 V. Verordnungsermächtigung ................ 7
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§9
Öffentliche Bekanntmachung
I.
Normzweck
Nach der InsO ist in vielen Fällen eine öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben. Diese soll zum einen der Insolvenz im Verkehr Geltung verschaffen,1) indem auch unbekannte Verfahrensbeteiligte informiert werden sollen; zum anderen gestattet sie über Absatz 3 auch eine Verfahrensvereinfachung im Hinblick auf eine evtl. hohe Zahl von Verfahrensbeteiligten.2) Durch die in den Absätzen 1 und 2 angeordnete Veröffentlichung im Internet sollen primär Verfahrenskosten gesenkt werden;3) zudem wird ein unter Umständen wesentlich erhöhter, internationaler Verbreitungsgrad, wie er insbesondere bei grenzüberschreitenden Insolvenzen wichtig sein kann, ermöglicht.4)
1
Mit den am 1.7.2007 vollumfänglich in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 wurde – mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 1 – jegliche Bekanntmachung in Printmedien abgeschafft; die neue Regelung gilt – ausnahmslos – für sämtliche Neu- und Altverfahren, Art. 103c EGInsO. Auch die früher noch für Eröffnung, Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens gesonderte Veröffentlichungspflicht im Bundesanzeiger ist restlos entfallen.
2
II. Öffentliche Bekanntmachung (Abs. 1) Nach Absatz 1 Satz 1 erfolgt die öffentliche Bekanntmachung für alle deutschen Insolvenzgerichte heute auf einer zentralen Internetplattform (www.insolvenzbekanntmachungen.de). Die Veröffentlichung kann auszugsweise geschehen; der Auszug hat die zur jeweiligen Zweckerfüllung notwendigen Angaben zu enthalten. Dies dürften neben der in Absatz 1 Satz 2 vorgeschriebenen genauen Bezeichnung des Schuldners5) immer auch die Nennung des bekannt zu machenden Vorgangs, des Insolvenzgerichts samt Aktenzeichen, ggf. des Verwalters umfassen. Bei Beschlüssen ist eine – gesonderte und von anderen Beschlüssen getrennte – öffentliche Bekanntmachung des Beschlusstenors sowie der für das Verständnis der Entscheidung maßgeblichen Teile der Beschlussgründe erforderlich.6) Fehlt es der Veröffentlichung an der notwendigen Unterscheidungskraft, steht ihre Wirksamkeit in Frage.7)
3
Nach Satz 3 gilt die Bekanntmachung nach dem Ablauf zweier Tage nach dem Tag der Veröffentlichung als bewirkt. Dabei ist auf auf den Tag der Zugänglichmachung im elektronischen Informations- und Kommunikationssystem (= „Einstellung in
4
_____________ 1) 2) 3) 4)
5) 6)
7)
Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 9 Rz. 5. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 9 Rz. 6. Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 14. So schon Begr. RegE InsoÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 15, 37; zuletzt Begr. RegE InsVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 14; zu den rechtlichen wie tatsächlichen Entwicklungen in diese Richtung vgl. Kexel/C. Schmidt in: FS Graf-Schlicker, S. 309, 314 ff. Hierzu gehört bei einer natürlichen Person auf jeden Fall der Vorname, BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 229/11, ZIP 2014, 86. BGH, Beschl. v. 14.12.2017 – IX ZB 65/16, ZIP 2018, 86 = ZVI 2018, 121, dazu EWIR 2018, 113 (Prütting) – mit näherer Darstellung der Mindestanforderungen an die Bekanntmachung einer Vergütungsfestsetzung. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 229/11, ZIP 2014, 86.
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§9
Öffentliche Bekanntmachung
das Internet“) abzustellen.8) Die Fristberechnung erfolgt nach § 4 InsO i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO.9) Satz 3 regelt nur die Wirksamkeit der Bekanntmachung, nicht die Wirksamkeit der bekannt gemachten Entscheidung, die regelmäßig bereits früher eintreten wird.10) III. Wirkung der öffentlichen Bekanntmachung (Abs. 3) 5
Die nach Absatz 1 Satz 1 erfolgte öffentliche Bekanntmachung gilt als Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn eine gesonderte Zustellung vorgeschrieben ist. Der Zeitpunkt, zu dem sie als bewirkt gilt (Abs. 1 Satz 3), ist damit vor allem für den Lauf der Beschwerdefristen maßgeblich;11) unterbleibt eine daneben gesetzlich vorgeschriebene Einzelzustellung, ist dies für die Berechnung grundsätzlich ohne Bedeutung.12) Absatz 3 hat jedoch nur den Charakter einer Beweiserleichterung, schließt somit den Nachweis einer früheren Zustellung an einzelne Beteiligte nicht aus.13) Auf eine spätere Einzelzustellung kann es hingegen schon nach dem Wortlaut nicht ankommen.14) Für die Zeit nach der öffentlichen Bekanntmachung wird die Kenntnis des Inhalts vermutet, die etwa für die § 82 Satz 2, § 24 wichtig ist.15) Die Vermutungswirkung gilt jedoch keinesfalls für etwaige weitere Veröffentlichungen nach Absatz 2.16) Gelegentlich ist die öffentliche Bekanntmachung auch Bedingung für die Wirksamkeit der bekannt gemachten Entscheidung (vgl. etwa § 215 Abs. 1, § 258 Abs. 3). Eine unrichtige öffentliche Bekanntmachung löst hingegen nach allgemeiner Auffassung die Zustellungswirkung des Absatzes 3 nicht aus.17) Allein eine falsche, unvollständige oder gar eine fehlende Rechtsmittelbelehrung der bekannt gemachten Entscheidung hindert aber die Wirksamkeit nicht, kann im Einzelfall allenfalls eine Wiedereinsetzung in den früheren Stand begründen.18) _____________ 8) Zu dessen Nachweis der bloße Ausdruck eines Sendeberichts für die Internetveröffentlichung nicht genügt, BGH, Beschl. v. 6.7.2017 – IX ZB 73/16, ZIP 2017, 1680 = ZInsO 2017, 1789, dazu EWIR 2017, 603 (Frind). 9) BGH, Beschl. v. 14.11.2013 – IX ZB 101/11, ZIP 2013, 2425 f; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 9 Rz. 5. 10) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 9 Rz. 22; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.9.1996 – IX ZR 277/95, BGHZ 133, 307, 313 = ZIP 1996, 1909, dazu EWiR 1996, 1077 (Henckel). 11) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 9 Rz. 18 ff m. w. N. zum Meinungsstand. 12) BGH, Beschl. v. 4.12.2003 – IX ZB 249/02, ZIP 2004, 332 = ZVI 2004, 140. 13) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768, 769 = ZVI 2003, 165, dazu EWiR 2003, 977 (U. Keller); OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 270/99, ZIP 2000, 195, 196 f m. w. N. = NZI 2000, 169, dazu EWiR 2000, 181 (Bork); a. A. Kübler/Prütting/ Bork-Prütting, InsO, § 9 Rz. 18 ff m. w. N. 14) BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 173/08, NZI 2010, 159 = ZInsO 2009, 2414; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZB 42/10, ZIP 2012, 1779 f. 15) Was indes die Berufung auf Unkenntnis auch bei größeren Unternehmen nicht ausschließt, vgl. BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZIP 2010, 935 = ZVI 2010, 263, dazu EWiR 2010, 615 (Flitsch); hierzu auch OLG Rostock, Urt. v. 19.6.2006 – 3 U 6/06, ZIP 2006, 1684, 1685 = ZInsO 2006, 884, 885. 16) BGH, Beschl. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 ff = ZVI 2006, 111, dazu EWiR 2006, 213 (Flitsch/Schellenberger). 17) BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – IX ZB 165/10, ZIP 2011, 2479 m. w. N. = NZI 2011, 974. 18) BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – IX ZB 67/14, ZIP 2016, 988 = ZVI 2017, 105, dazu EWIR 2016, 437 (Budnik); LG Duisburg, Beschl. v. 22.2.2016 – 7 T 203/15, ZVI 2017, 110.
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§ 10
Anhörung des Schuldners
IV. Weitere Veröffentlichungen (Abs. 2) Weil die Daten im Internet auch während der Laufzeit des Insolvenzverfahrens verfügbar bleiben, besteht in der Regel auch kein Bedürfnis mehr für weitere oder wiederholte Veröffentlichungen, wie sie die bis zum 30.6.2007 geltende Fassung dieser Vorschrift ermöglicht hat. Der seit dem Auslaufen einer Übergangsregelung zum 31.12.2008 nunmehr allein maßgebliche Absatz 2 Satz 1 ermöglicht dem Insolvenzgericht die Anordnung weiterer (auch späterer) Veröffentlichungen nur dann noch, wenn dies landesrechtlich gesondert bestimmt ist. Ob Länder von dieser „Ermächtigung“ Gebrauch machen, bleibt abzuwarten; mit Blick auf den allgemeinen Sparzwang gerade auch der Länderhaushalte spricht vieles dafür, dass die Veröffentlichung nach Absatz 1 künftig allgemein für ausreichend gehalten wird. Im vereinfachten Insolvenzverfahren sind weitere Veröffentlichungen gänzlich ausgeschlossen (§ 312 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2).
6
V. Verordnungsermächtigung Die bundeseinheitliche Regelung der in Absatz 2 Satz 3 genannten Einzelheiten (und wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nur dieser)19) des durch Absatz 1 gestatteten Einsatzes elektronischer Informations- und Kommunikationssysteme wird durch Absatz 2 Satz 2 ermöglicht und ist in Form der „Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet“20) realisiert und jeweils auch an die Änderungen des § 9 angepasst worden. _____________ 19) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 9 Rz. 23. 20) Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV), v. 12.2.2002, BGBl. I 2002, 677, geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (InsVereinfG), v. 13.4.2007, BGBl. I 2007, 509, 511; zuletzt geändert durch Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung, v. 14.10.2019, BGBl. I 2019, 1466 (Inkrafttreten: 30.6.2021) und durch Art. 7 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Insolvenz- und Sanierungsrechtes (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (Inkrafttreten: 17.7.2022).
§ 10 Anhörung des Schuldners Kexel
(1) 1Soweit in diesem Gesetz eine Anhörung des Schuldners vorgeschrieben ist, kann sie unterbleiben, wenn sich der Schuldner im Ausland aufhält und die Anhörung das Verfahren übermäßig verzögern würde oder wenn der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist. 2In diesem Fall soll ein Vertreter oder Angehöriger des Schuldners gehört werden. (2) 1Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt Absatz 1 entsprechend für die Anhörung von Personen, die zur Vertretung des Schuldners berechtigt oder an ihm beteiligt sind. 2Ist der Schuldner eine juristische Person und hat diese keinen organschaftlichen Vertreter (Führungslosigkeit), so können die an ihm beteiligten Personen gehört werden; Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend.
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7
§ 10
Anhörung des Schuldners Übersicht
I. Normzweck ........................................... II. Anhörungspflichten nach der InsO ................................................ III. Die Ausnahmen ................................... 1. Der Schuldner ist eine natürliche Person (Abs. 1) ..................................... a) Auslandsaufenthalt des Schuldners (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) ..............................................
I. 1
1 2 3
2.
3
b) Unbekannter Aufenthalt (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) ..................... 5 Der Schuldner ist keine natürliche Person (Abs. 2) ..................................... 6 a) Auslands- und unbekannter Aufenthalt (Abs. 2 Satz 1) ............. 6 b) Führungslosigkeit (Abs. 2 Satz 2) ............................................. 7
4
Normzweck
Im Interesse einer zügigen Durchführung des Insolvenzverfahrens räumt die Vorschrift dem Gericht Ermessen ein, eine in der InsO vorgesehene Anhörung des Schuldners in den beschriebenen Ausnahmefällen zu unterlassen bzw. sie durch die Anhörung eines Vertreters oder Angehörigen des Schuldners zu ersetzen. Dabei bezieht sich Absatz 1 auf den Schuldner als natürlicher Person, Absatz 2 sieht weitgehend die entsprechende Behandlung für den Fall vor, dass der Schuldner keine natürliche Person ist. In dem durch das MoMiG angefügten Absatz 2 Satz 2 findet sich eine Sonderregelung für den Fall der Führungslosigkeit; zugleich wird diese legaldefiniert, was Bedeutung für die Anwendung des § 15 hat. II. Anhörungspflichten nach der InsO
2
Die InsO schreibt in § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, § 98 Abs. 2, § 99 Abs. 1 Sätze 2, 3, § 101 Abs. 1 Sätze 1, 2, § 214 Abs. 2 Satz 1, § 232 Abs. 1 Nr. 2, § 248 Abs. 2, § 272 Abs. 2 Satz 2, § 296 Abs. 2 Satz 1, § 298 Abs. 2 Satz 1, § 300 Abs. 1 Satz 2, § 303 Abs. 3 Satz 1, § 317 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, § 318 Abs. 2 Satz 2, § 332 Abs. 1, § 333 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 die notwendige Anhörung des Schuldners (oder seiner Vertreter) vor und konkretisiert hiermit den allgemeinen grundrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör. III. Die Ausnahmen 1.
3
Der Schuldner ist eine natürliche Person (Abs. 1)
Absatz 1 Satz 1 zeigt zwei Alternativen auf, bei deren Vorliegen das Gericht auf die Anhörung des Schuldners selbst verzichten kann, dann aber Absatz 1 Satz 2 beachten muss, nach dem es einen Vertreter oder Angehörigen des Schuldners ersatzweise anhören soll. Die Vertretereigenschaft ist hier leicht anhand der §§ 164 ff BGB zu bestimmen; auf eine nähere Definition, wer „Angehöriger“ ist, verzichtet das Gesetz. Bei der Beantwortung dieser Frage im Einzelfall sollte entscheidend sein, ob von dem Familienmitglied anzunehmen ist, dass es im Insolvenzfall die wirtschaftlichen Interessen des Schuldners wahrt.1) Im Übrigen sollte die unterbliebene Anhörung, soweit möglich, unverzüglich nachgeholt werden.2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen im Einzelnen: _____________ 1) 2)
100
Jaeger-Gerhardt, InsO, § 10 Rz. 3; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 10 Rz. 18. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 10 Rz. 4.
Kexel
§ 10
Anhörung des Schuldners
a) Auslandsaufenthalt des Schuldners (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) Der Schuldner muss sich im Ausland aufhalten, wobei es unbeachtlich ist, ob es sich um benachbartes oder weiter entferntes Ausland handelt.3) Das Gericht hat sodann zu prüfen, ob eine Anhörung des Schuldners seiner Ansicht nach zu einer übermäßigen Verzögerung des Verfahrens führt. Im Rahmen des von § 10 eingeräumten freien Ermessens wird es stets einzelfallbezogen zwischen dem Anhörungsinteresse des Schuldners und dem Beschleunigungsgrundsatz abzuwägen haben.4) Das Schuldnerinteresse an einer Anhörung dürfte dabei regelmäßig so lange überwiegen, als der Verfahrenszweck nicht übermäßig gefährdet bzw. vereitelt wird.5)
4
b) Unbekannter Aufenthalt (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) Ist der Aufenthalt des Schuldners unbekannt – hiervon wird bereits dann ausgegangen werden können, wenn eine Einwohnermeldeamtsanfrage am Wohnort oder Sitz des Schuldners ergibt, dass dieser unbekannt verzogen ist6) – kann das Gericht ohne weiteres auf die Anhörung seiner selbst verzichten.7) 2.
5
Der Schuldner ist keine natürliche Person (Abs. 2)
a) Auslands- und unbekannter Aufenthalt (Abs. 2 Satz 1) Absatz 2 Satz 1 sieht die entsprechende Anwendung des Absatzes 1 vor, wenn Personen anzuhören sind, die zur Vertretung des Schuldners berechtigt oder an ihm beteiligt sind. Hält sich eine solche im Ausland auf oder ist ihr Aufenthalt unbekannt (siehe oben Rz. 4 f), wird das Gericht ebenfalls auf die Ersatzanhörung nach Absatz 1 Satz 2 verwiesen. Es wird aber in diesen Fällen sinnvollerweise nur selten einen „Angehörigen“ etwa eines organschaftlichen Vertreters heranziehen; noch mehr als in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 kommt es darauf an, dass dieser hinreichende Einblicke in das Schuldnervermögen hat. In etwas großzügigerer Auslegung des Vertreterbegriffes wird hier z. B. die erweiterte Ebene der Geschäftsführung in Betracht kommen.8)
6
b) Führungslosigkeit (Abs. 2 Satz 2) Hat eine juristische Person keinen organschaftlichen Vertreter (mehr), gewährt Absatz 2 Satz 2 dem Gericht die Möglichkeit, ersatzweise auf die Anhörung von am Schuldner beteiligten Personen auszuweichen; indem der Gesetzgeber hier bewusst eine „Kann“-Vorschrift verwendet,9) ist zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen sogar – bei entsprechender Ermessensausübung des Gerichts – der Weg zu _____________ 3) 4)
5) 6) 7) 8) 9)
Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 10 Rz. 5. Insofern zweifelhaft AG Mannheim, Beschl. v. 7.10.2016 – 4 IE 610/14, juris, das sich auf die Feststellung beschränkt, dass die Anhörung „nicht binnen vier Wochen“ durchzuführen gewesen sei. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 10 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 10 Rz. 7; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 10 Rz. 9. Zutr. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 10 Rz. 8. Vgl. bspw. AG Hamburg, Beschl. v. 19.2.2010 – 67g IN 127/06, ZVI 2010, 242 = ZInsO 2010, 444. So Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 10 Rz. 21. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 55.
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7
§ 10a
Vorgespräch
einem gänzlichen Verzicht auf die Anhörung eröffnet.10) Ob eine Führungslosigkeit im legaldefinierten Sinne vorliegt, bestimmt sich nach den spezialgesetzlichen Regelungen; sie kann bestehen etwa bei unwirksamer Bestellung, Abberufung, Amtsniederlegung, Verlust der Amtsfähigkeit oder Tod.11) Nicht ausreichend ist dagegen, wenn der Aufenthaltsort des gesetzlichen Vertreters unbekannt oder dieser untergetaucht ist oder sonst ein Kontakt nicht möglich ist.12) Vor Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 sollte hier aber ggf. immer noch auf den eventuell vorhandenen „faktischen Geschäftsführer“ zurückgegriffen werden.13) Entscheidet sich das Gericht für die Anhörung der am Schuldner beteiligten Personen, gilt für diese wiederum entsprechend Absatz 1 Satz 1 im Falle des Auslands- oder unbekannten Aufenthalts. _____________ 10) So wohl auch Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 10 Rz. 13. 11) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 10 Rz. 16. 12) AG Potsdam, Beschl. v. 24.1.2013 – 35 IN 978/12, ZIP 2013, 1638 ff; in diesem Sinne auch AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2008 – 67c IN 478/08, ZInsO 2008, 1331. 13) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 10 Rz. 16.
§ 10a Vorgespräch ) Kexel
(1) 1Ein Schuldner, der mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllt, hat an dem für ihn zuständigen Insolvenzgericht Anspruch auf ein Vorgespräch über die für das Verfahren relevanten Gegenstände, insbesondere die Voraussetzungen für eine Eigenverwaltung, die Eigenverwaltungsplanung, die Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses, die Person des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters, etwaige weitere Sicherungsanordnungen und die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten. 2Wenn der Schuldner nach Satz 1 keinen Anspruch auf ein Vorgespräch hat, liegt das Angebot eines Vorgesprächs im Ermessen des Gerichts. (2) Mit Zustimmung des Schuldners kann das Gericht Gläubiger anhören, insbesondere, um deren Bereitschaft für eine Mitgliedschaft in einem vorläufigen Gläubigerausschuss zu erörtern. (3) Die Abteilung, für die der Richter das Vorgespräch nach Absatz 1 Satz 1 führt, ist in den sechs Monaten nach dem Vorgespräch für das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zuständig.
)
§ 10a neu eingefügt durch Art. 5 Nr. 6 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, m. W. v. 1.1.2021.
Literatur: Buchalik/Lojowski, Vorbesprechungen mit dem Insolvenzgericht – Neue Strategien zur Optimierung der Sanierungschancen von krisenbetroffenen Unternehmen in Eigenverwaltungsverfahren, ZInsO 2013, 1017; Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt, H./ Thole, Evaluierung: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7. Dezember 2011, 2018, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/101018_Gesamtbericht_Evaluierung_ESUG.html (Abrufdatum: 22.6.2021).
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Kexel
§ 10a
Vorgespräch Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Vorgespräch .......................................... 2 1. Voraussetzungen ................................... 2
I.
2. 3.
Inhalt ...................................................... 5 Rechtsfolgen .......................................... 7
Normzweck
Die mit Wirkung für alle ab dem 1.1.2021 beantragten Insolvenzverfahren neugeschaffene Regelung1) greift Erkenntnisse aus der Praxis auf, nach denen sich eine Vorabstimmung insbesondere mit dem Insolvenzgericht als wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Eigenverwaltung herausgestellt hat.2) Für größere Insolvenzverfahren führt Absatz 1 Satz 1 einen Anspruch des Schuldners auf eben eine solche gerichtliche Vorabstimmung, hier nun „Vorgespräch“ genannt, ein. Absatz 2 räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, die Vorabstimmung mit Zustimmung des Schuldners auf die Gläubigerschaft auszudehnen. Absatz 3 soll etwaigen Problemen für den Fall eines nachfolgenden Insolvenzverfahrens vorbeugen.3)
1
II. Vorgespräch 1.
Voraussetzungen
Absatz 1 Satz 1 knüpft den Anspruch des Schuldners auf ein Vorgespräch an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 für die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses. Der Anspruch besteht also, wenn das schuldnerische Unternehmen im vorangegangenen Geschäftsjahr zwei der drei dort genannten Größenkriterien (Bilanzsumme, Umsatzerlös, Arbeitnehmerzahl) erfüllt hat. Sinnvollerweise besteht der Anspruch nur gegenüber dem zuständigen Insolvenzgericht; der Schuldner hat also zuvor die (örtliche) Zuständigkeit des anzurufenden Insolvenzgerichts zu überdenken. Mit der entsprechenden Darlegung wendet sich der Schuldner sodann an das Gericht, welches die Berechtigung des Anspruchs aus Absatz 1 Satz 1 prüfen wird.4)
2
Weil eine Vorabstimmung durchaus auch für gemessen an den Größenkriterien des § 22a „kleinere“ Verfahren sehr sinnvoll sein kann und die Einführung der gesetzlichen Regelung nicht schlussendlich noch zu einer Verschlechterung der vielfach gelebten Praxis der Gerichte führen soll, stellt Absatz 1 Satz 2 klar, dass das Gericht Vorgespräche nach eigenem Ermessen auch führen kann, wenn die Voraussetzungen für die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 22a Abs. 1 nicht vorliegen. Dem Schuldner ist es also unbenommen, sich auch bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 22a an das für ihn zuständige Insolvenzgericht zu wenden und um ein Vorgespräch zu bitten.
3
_____________ 1) 2)
3) 4)
Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. Jacoby/Madaus/Sack/H. Schmidt/Thole, Evaluierung: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7.12.2011, S. 22; schon zuvor vgl. etwa auch Buchalik/Lojowski, ZInsO 2013, 1017 ff. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192.
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§ 10a 4
Vorgespräch
Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass entweder die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen oder anderenfalls das Vorgespräch auch aus seiner Sicht sinnvoll ist, macht es dem Schuldner ein entsprechendes Angebot. Die Formulierung in Satz 2 macht zugleich deutlich, dass der Schuldner das Vorgespräch nicht führen muss; wegen der erwiesenen Sinnhaftigkeit wäre er aber gewiss im Wortsinne schlecht beraten, ein solches Angebot nicht wahrzunehmen. 2.
Inhalt
5
Das Vorgespräch dient der Vorbereitung eines etwaigen Insolvenzverfahrens, vor allem im Falle einer angestrebten Eigenverwaltung. Im Vorfeld der Antragstellung können alle für das Verfahren relevanten Gegenstände erörtert werden, die Aufzählung möglicher Gegenstände in Absatz 1 ist nicht abschließend („insbesondere“.5) Das alle Beteiligten ggf. verbindende Ziel ist zunächst einmal eine schließlich „erfolgreiche“ Antragstellung, des Weiteren, den Grundstein für ein möglichst effizientes Verfahren zu legen. Das Gericht kann kommunizieren, welche Voraussetzungen aus seiner Sicht (noch) zu erfüllen sind, es kann bereits die Eignung der in Betracht gezogenen Beteiligten für den Gläubigerausschuss und des Sachwalters kritisch diskutiert werden und der Schuldner erhält die Möglichkeit, kurzfristig besonderem Erörterungsbedarf des Gerichts zu begegnen.6) Das Gericht könnte etwa auch erwägen, zur Beseitigung von Zweifeln an der Sanierungsfähigkeit des Schuldners weitere betriebswirtschaftliche Unterlagen einzusehen oder einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Für jede Fallgestaltung besteht so für den Schuldner die Möglichkeit, die konkreten Besonderheiten zu erörtern, eventuellen Klärungsbedarf des Gerichts aufzugreifen, um zu einem späteren Zeitpunkt einen zulässigen Insolvenzantrag zu stellen, der auch in der erforderlichen Schnelligkeit beschieden werden kann.7)
6
Der in der Aufzählung in Absatz 1 Satz 1 bereits zum Ausdruck kommende, über die bloße erfolgreiche Antragstellung hinausgehende Zielanspruch eines auch im besten Interesse der Beteiligten durchzuführenden Verfahrens wird von der Regelung in Absatz 2 noch deutlich unterstrichen und verstärkt. Um in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung auch bereits die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zu ermöglichen,8) kann das Gericht bereits nach dem Vorgespräch und vor einer Antragstellung Gläubiger anhören und mit diesen insbesondere deren Bereitschaft für eine Mitgliedschaft in eben jenem vorläufigen Gläubigerausschuss erörtern. Auch hier sind weitere Gesprächsinhalte sowohl denkbar wie auch zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall zunächst die ausdrückliche Zustimmung des Schuldners. 3.
7
Rechtsfolgen
Wie bereits die Wortwahl des Gesetzgebers nahelegt, resultieren aus dem „Vorgespräch“ keinerlei inhaltliche Bindungen. Weder muss sich das Gericht an ggf. ab_____________ 5) 6) 7) 8)
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Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 193. Buchalik/Lojowski, ZInsO 2013, 1017, 1018. Buchalik/Lojowski, ZInsO 2013, 1017, 1019 m. w. N. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 193.
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§ 10a
Vorgespräch
gegebenen Einschätzungen oder Bewertungen festhalten lassen noch besteht gar ein Anspruch des Schuldners auf eine bestimmte Handhabung oder entsprechende Entscheidungen des Gerichts. Insofern liegt der Fall hier gänzlich anders als etwa bei Bauvorbescheiden o. ä. Instrumenten, die jedenfalls eine Bindungswirkung hinsichtlich klar abtrennbarer Einzelfragen zulassen. Solches wäre auch bei einer insolvenzrechtlichen Vorabstimmung sicherlich denkbar (und vielleicht auch wünschenswert) gewesen, ist aber ausdrücklich nicht gewollt.9) Gleichwohl wird der Schuldner aber auch ohne Rechtsanspruch grundsätzlich davon ausgehen dürfen, dass das Gericht jedenfalls innerhalb eines überschaubaren Zeitraums an den Grundzügen seiner Meinungsbildung festhalten wird. Damit dieses Vertrauen auch regelmäßig realisiert werden kann, bestimmt Absatz 3, dass durch das – tatsächlich geführte, nicht bloß angebotene – Vorgespräch die Zuständigkeit der Abteilung, der der gesprächsführende Richter angehört, für ein späteres Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners für sechs Monate begründet wird. Durch das Anknüpfen an die Abteilung sollen anderenfalls möglicherweise auftretende Probleme, z. B. bei Vertretungsfällen, verhindert werden.10) Dabei geht es allein um die geschäftsverteilungsplanmäßige Zuständigkeit innerhalb des Gerichts; das Vorgespräch vermag keine – i. R. der Voraussetzungen des Absatzes 1 ja grundsätzlich bereits einmal überprüfte – örtliche Zuständigkeit zu begründen oder zu fixieren,11) diese ist bei Vorliegen eines Insolvenzantrages originär an §§ 3 ff zu messen.
8
Absatz 3 gilt ausdrücklich nur für das obligatorische Vorgespräch nach Absatz 1 Satz 1. Mit Blick auf die insofern identische Interessenkonstellation wird es sich indes auch bei nach dem Ermessen des Gerichts durchgeführten Vorgesprächen nach Absatz 1 Satz 2 anbieten, dass das Vorgespräch die Zuständigkeit der Abteilung des gesprächsführenden Richters für ein späteres Insolvenzverfahren begründet. Da das Gesetz auf eine entsprechende Regelung verzichtet hat, können die Gerichte dies jedoch auch anderweitig regeln.
9
_____________ 9) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 193. 10) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 193. 11) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 193.
Kexel
105
Zweiter Teil Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Erfaßtes Vermögen und Verfahrensbeteiligte Erster Abschnitt Eröffnungsvoraussetzungen und Eröffnungsverfahren § 11 Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens Kexel
(1) 1Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. 2Der nicht rechtsfähige Verein steht insoweit einer juristischen Person gleich. (2) Ein Insolvenzverfahren kann ferner eröffnet werden: 1.
über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, Partenreederei, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung);
2.
nach Maßgabe der §§ 315 bis 334 über einen Nachlass, über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft oder über das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft, das von den Ehegatten oder Lebenspartnern gemeinschaftlich verwaltet wird.
(3) Nach Auflösung einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig, solange die Verteilung des Vermögens nicht vollzogen ist. Literatur: Pape, G., Rechtsprechungsüberblick zum Regelinsolvenzverfahren für die Jahre 2004 – 2006, ZInsO 2007, 173; Vallender/Fuchs, Die Antragspflicht organschaftlicher Vertreter einer GmbH vor dem Hintergrund der Europäischen Insolvenzverordnung, ZIP 2004, 829. Übersicht I. II. III. 1. 2. IV.
Normzweck ........................................... 1 Regelungsgehalt ................................... 2 Insolvenzfähige Personen (Abs. 1) ....... 4 Natürliche Personen ............................. 5 Juristische Personen .............................. 6 Insolvenzfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Abs. 2) ................................... 11
I.
Normzweck
1.
Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ...................................... 12 2. Vermögensmassen ............................... 16 V. Ende der Insolvenzfähigkeit (Abs. 3) ................................................ 21
Die Vorschrift regelt die Insolvenz(verfahrens)fähigkeit, d. h. sie bestimmt, über welche Vermögen bzw. Rechtsträger ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann.
Kexel
107
1
§ 11
Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens
II. Regelungsgehalt 2
Die in dieser Norm geregelte Insolvenzfähigkeit ist unabdingbare Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Insolvenzverfahren. Sie ist das Äquivalent zur Parteifähigkeit gemäß § 50 ZPO, aber von der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung der Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO) zu unterscheiden. Für prozessunfähige natürliche Personen sowie die weiteren in § 11 genannten möglichen Schuldner handeln grundsätzlich deren gesetzliche Vertreter, wobei jedoch für den Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit §§ 15, 15a zu beachten sind.
3
Fehlt ein gesetzlicher Vertreter – so etwa bei einer GmbH wegen Ausscheidens1) oder Todes2) des Geschäftsführers – hat dies auf die Insolvenzfähigkeit keinen Einfluss. Auch ein Eigenantrag bleibt noch möglich gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, wonach im Falle der Führungslosigkeit jeder Gesellschafter und bei einer AG oder Genossenschaft jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt sind. Ein antragstellender Gläubiger indes hat ggf. beim zuständigen (Register-)Gericht die Bestellung eines Verfahrenspflegers – oder Notgeschäftsführers – zu betreiben.3) III. Insolvenzfähige Personen (Abs. 1)
4
Nach Absatz 1 kann über das Vermögen jeder natürlichen und juristischen Person ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Damit sind grundsätzlich auch ausländische natürliche und juristische Personen erfasst, soweit ein deutsches Insolvenzgericht für sie gemäß § 3 zuständig ist.4) Unzulässig ist ein Insolvenzverfahren gemäß § 12 lediglich über das Vermögen bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Dies betrifft jedoch nicht von diesen etwa gegründete juristische Personen des Privatrechts (siehe § 12 Rz. 4). 1.
5
2. 6
Natürliche Personen
Insolvenzfähig sind alle natürlichen Personen, selbst wenn sie in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt sind. Für „Verbraucher“ und Kleingewerbetreibende sind im Einzelfall die besonderen Regelungen der §§ 304 ff zu beachten. Juristische Personen
Als juristische Personen sind insbesondere insolvenzfähig: die AG (§ 1 AktG), die KGaA (§ 278 Abs. 1 AktG), die GmbH (§ 13 GmbHG), die eingetragene Genossenschaft (§§ 2, 17 GenG), der rechtsfähige Verein (§§ 21, 22 BGB), der Versicherungs_____________ 1) 2) 3) 4)
108
OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 214/99, ZIP 2000, 280, 282 f = NZI 2000, 134, 135, dazu EWiR 2000, 399 (v. Gerkan). AG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2006 – 67g IN 58/06, ZIP 2006, 1880 = ZInsO 2006, 1120. OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 214/99, ZIP 2000, 280, 283 = NZI 2000, 134, 136; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 4. Vgl. etwa für die „Ltd.“ AG Nürnberg, Beschl. v. 1.10.2006 – 8034 IN 1326/06, ZIP 2007, 83, m. Anm. Kebekus = NZI 2007, 186, dazu EWiR 2007, 179 (Kodek); AG Hamburg, Beschl. v. 14.5.2003 – 67g IN 358/02, ZIP 2003, 1008 ff = NZI 2003, 442, dazu EWiR 2003, 925 (Brenner); Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 5; dies setzt aber natürlich die Rechtsfähigkeit oder zumindest die passive Parteifähigkeit voraus, WimmerSchmerbach, FK-InsO, § 11 Rz. 56.
Kexel
§ 11
Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens
verein auf Gegenseitigkeit (§ 171 VAG) und die rechtsfähige Stiftung (§§ 80, 86 Satz 1, 42 BGB). Gemäß Absatz 1 Satz 2 wird der nicht rechtsfähige Verein, also der nicht eingetragene und nicht konzessionierte Verein (§ 54 BGB),5) einer juristischen Person gleichgestellt. Auch wenn sich alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters vereinigen, behält die juristische Person ihre Selbständigkeit,6) sodass dieser Umstand weder auf ihre Eigenschaft als Schuldnerin noch auf ihre Insolvenzfähigkeit Einfluss hat. Bei einer GmbH & Co. KG sind beide Gesellschaften selbständig insolvenzfähig. Ein Konzern als solcher hingegen ist nicht insolvenzfähig. Insolvenzfähig sind nur die einzelnen ihm angehörenden rechtlich selbständigen Gesellschaften.7)
7
Die Rechts- und damit Insolvenzfähigkeit ausländischer Gesellschaften ist grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaats zu beurteilen, Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EuInsVO. Ist eine Gesellschaft in einem Staat der EU oder des EWR gegründet, bleibt aber trotz späterer Sitzverlegung nach Deutschland die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt (Gründungstheorie).8) Für Gesellschaften aus anderen Staaten gilt hingegen weiterhin die Sitztheorie.9)
8
Die Insolvenzfähigkeit der juristischen Person beginnt nach deutschem Recht mit ihrer Entstehung, d. h. ihrer Eintragung in das jeweilige Register, also das Handelsregister (§ 41 Abs. 1, § 278 Abs. 3 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG), das Genossenschaftsregister (§ 13 GenG) bzw. das Vereinsregister (§ 21 BGB). Der wirtschaftliche Verein erlangt Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung (§ 22 BGB). Jedoch ist die Gründungsvereinigung einer AG, die errichtete Vorgesellschaft einer GmbH10) bzw. die Vorgenossenschaft, die vertragsgemäß Sondervermögen gebildet hat und im Rechtsverkehr wie eine entstandene juristische Person auftritt – also Außenwirkung erlangt –, regelmäßig ebenfalls bereits insolvenzfähig.11) Gibt eine derartige Vereinigung hingegen die Eintragungsabsicht auf, so ist sie, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt, als OHG, ansonsten als BGB-Gesellschaft zu behandeln und als solche insolvenzfähig.12)
9
_____________ 5) Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – IX ZB 4/18, ZRI 2021, 131 = ZIP 2021, 372 – Insolvenzfähigkeit eines Gebietsverbands einer politischen Partei. 6) BGH, Urt. v. 26.9.1957 – III ZR 67/56, NJW 1957, 1877 f. 7) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 9 m. N. 8) EuGH, Urt. v. 5.11.2002 – C-208/00, Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye); BGH, Beschl. v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185 = ZIP 2003, 718, 719, dazu EWiR 2003, 571 (Paefgen); vgl. dazu auch Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829, 830. 9) BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 290/07, ZInsO 2009, 149, dazu EWiR 2009, 357 (Studen/Büch) – Schweiz; sie können ggf. nach allg. Regeln des deutschen Privatrechts insolvenzfähig sein. 10) BGH, Beschl. v. 9.10.2003 – IX ZB 34/03, ZIP 2003, 2123 = ZVI 2003, 591. 11) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 37 f. 12) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 39.
Kexel
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§ 11 10
Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens
Ist eine fehlerhafte Gesellschaft in Vollzug gesetzt worden und damit als wirksam entstanden zu behandeln, so ist sie in dieser Eigenschaft in Bezug auf das von ihr gebildete Gesellschaftsvermögen insolvenzfähig.13) IV. Insolvenzfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Abs. 2)
11
Nach Absatz 2 sind bestimmte rechtlich nicht selbständige Vereinigungen von Personen und Vermögensmassen in Bezug auf ihr gesamtes Sondervermögen insolvenzfähig. Ein Insolvenzverfahren über das Sondervermögen betrifft nicht das Privatvermögen der Teilhaber, und umgekehrt erstrecken sich Insolvenzverfahren über das Privatvermögen aller Gesellschafter nicht automatisch auf das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen, insoweit ist auch die Regelung in § 84 zu beachten. 1.
Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
12
Infolge der ausdrücklichen Regelung in Absatz 2 Nr. 1 sind auch Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit insolvenzfähig. Dazu zählen die OHG, die KG, die PartG, die BGB-Gesellschaft, die Partenreederei und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).
13
Die OHG und KG sind bereits mit Beginn einer nach außen gerichteten Tätigkeit insolvenzfähig, auch wenn die Eintragung in das Handelsregister noch nicht erfolgt ist. Betreibt die Gesellschaft ein Handelsgewerbe, so ist sie als OHG bzw. KG insolvenzfähig, andernfalls als BGB-Gesellschaft (§ 105 Abs. 2, § 2 HGB). Bei einer GmbH & Co. KG (siehe dazu oben Rz. 7) ist die KG auch dann schon insolvenzfähig, wenn die Komplementär-GmbH noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist.14)
14
Die BGB-Gesellschaft ist in der Form der Außengesellschaft, nicht aber als Innengesellschaft insolvenzfähig. Bei der letzteren fehlt es nämlich an gesamthänderisch gebundenem Vermögen, über das ein Insolvenzverfahren eröffnet werden könnte.15) Da die Rechtsprechung16) die BGB-Gesellschaft als rechts- und parteifähig ansieht, kann sie im Eröffnungsbeschluss mit ihrem Namen bezeichnet werden, wenn sie einen solchen in identifizierbarer Form führt. Ist dies nicht der Fall, sind die Gesellschafter anzugeben.17)
15
Demgegenüber ist die stille Gesellschaft (§ 230 HGB) nicht insolvenzfähig, da es sich um eine reine Innengesellschaft handelt. 2.
16
Vermögensmassen
Über die natürlichen und juristischen Personen wie auch die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit hinaus sind nach Absatz 2 Nr. 2 auch bestimmte Sondervermögen als solche selbständig als Schuldner i. S. der InsO anzusehen und damit _____________ 13) BGH, Beschl. v. 16.10.2006 – II ZB 32/05, Rz. 13, ZIP 2006, 2174 = ZInsO 2006, 1208; G. Pape, ZInsO 2007, 173. 14) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 16. 15) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 374. 16) BGH, Beschl. v. 18.2.2002 – II ZR 331/00, NZI 2002, 278, 279 f = ZIP 2002, 614. 17) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 18.
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§ 11
Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens
insolvenzfähig. Objekt des Insolvenzverfahrens ist also jeweils die Vermögensmasse.18) Über das Privatvermögen von an dem Sondervermögen beteiligten Personen kann daneben ein gesondertes Insolvenzverfahren betrieben werden.19) Insolvenzfähig ist der Nachlass20) (§ 1975 BGB) – als Ganzes (§ 316 Abs. 3) – nach den Vorschriften der §§ 315 ff. Dies gilt sogar dann, wenn beim Vorhandensein mehrerer Erben der Nachlass bereits geteilt ist (§ 316 Abs. 2).
17
Weiterhin insolvenzfähig sind das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft21) (§§ 1483, 1489 Abs. 2, 1975 BGB) und das Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 1416, 1450 BGB), das von den Ehegatten oder Lebenspartnern gemeinschaftlich verwaltet wird.22) Die Verfahren sind in §§ 332 ff geregelt. Ein Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft ist jedoch nach einer Auseinandersetzung nicht möglich, da in den §§ 333, 334 anders als in § 332 Abs. 1 eine Verweisung auf § 316 Abs. 2 fehlt.
18
Die im Anschluss an die vom BGH23) festgestellte Teilrechtsfähigkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft höchst streitig diskutierte Frage der Insolvenzfähigkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft24) ist durch die seit dem 1.7.2007 geltende Regelung in § 11 Abs. 3 WEG obsolet geworden; ein Insolvenzverfahren über das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft findet nicht statt. Mangels Erwähnung in Absatz 2 Nr. 2 ist auch die Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB) nicht insolvenzfähig.25)
19
Das in einem (ersten) Insolvenzverfahren gemäß § 35 Abs. 2 freigegebene Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners ist hingegen ein insolvenzfähiges Sondervermögen.26)
20
V. Ende der Insolvenzfähigkeit (Abs. 3) Stirbt eine natürliche Person, so findet ggf. ein Nachlassinsolvenzverfahren gemäß §§ 315 ff statt. Aus Absatz 3 – der nicht die Vermögensmassen des Absatzes 2 _____________ 18) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 4. 19) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 22. 20) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 23; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 11 Rz. 49; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 4 und 418. 21) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 25; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 11 Rz. 49; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 4 und 418. 22) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 24; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 11 Rz. 49; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 4 und 418. 23) BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, ZIP 2005, 1233, m. Bespr. Bork, S. 1205 = NJW 2005, 2061, dazu EWiR 2005, 715 (Pohlmann). 24) Vgl. zum seinerzeitigen Streitstand G. Pape, ZInsO 2007, 173, 174. 25) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 22 m. w. N. 26) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326 f = ZInsO 2011, 1349, dazu EWiR 2011, 751 (R. Weiß/Rußwurm); AG Trier, Beschl. v. 21.9.2009 – 23 IN 91/09, BeckRS 2009, 27666; AG Hamburg, Beschl. v. 18.6.2008 – 67g IN 37/08, ZIP 2009, 384 = ZVI 2008, 295, 296; AG Göttingen, Beschl. v. 26.2.2008 – 74 IN 304/07, ZVI 2008, 170 = NZI 2008, 313; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 22; a. A. AG Dresden Beschl. v. 19.3.2009 – 531 IN 459/09, ZVI 2009, 289; LG Dresden, Beschl. v. 14.3.2011 – 5 T 74/11, ZVI 2011, 179.
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21
§ 12
Juristische Personen des öffentlichen Rechts
Nr. 2 betrifft – ergibt sich, dass die Insolvenzfähigkeit einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit nicht automatisch mit der Auflösung des Rechtsträgers oder der Vermögensmasse endet. Die Insolvenzfähigkeit dauert vielmehr fort, solange noch (Sonder-)Vermögen vorhanden ist.27) Auf die Frage der Löschung im Register kommt es demgegenüber nicht an. Nach der Lehre vom Doppeltatbestand28) endet die Existenz einer Gesellschaft nur, wenn sie im Register gelöscht worden und außerdem auch kein Vermögen (mehr) vorhanden ist, also eine Vollbeendigung erfolgt ist.29) Ist ein Insolvenzantrag über das Vermögen einer GmbH mangels Masse abgewiesen worden und erwirbt die Gesellschaft nachträglich Vermögen, so kann (erneut) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH beantragt und ggf. durchgeführt werden.30) Gleiches gilt, wenn ein Gläubiger einen ausreichenden Kostenvorschuss einzahlt, sofern eine Vollbeendigung noch nicht stattgefunden hat.31) 22
Auch eine Limited, die in Deutschland als insolvenzfähig anzusehen ist,32) verliert trotz Löschung im Gesellschaftsregister und damit Auflösung nach britischem Recht dann nicht die Insolvenzfähigkeit als juristische Person, wenn in Deutschland noch verteilungsfähiges Gesellschaftsvermögen aus der Zeit vor der Löschung vorhanden und die Verteilung dieses Vermögens noch nicht vollzogen ist.33) Zum verteilungsfähigen Vermögen dürften regelmäßig auch diejenigen Ansprüche zählen, die erst durch die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit entstehen.34)
23
Für die liquidationslose Vollbeendigung einer Gesellschaft – etwa im Falle des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters – trifft Absatz 3 keine Aussage. In einem solchen Fall wechselt lediglich die Person des Insolvenzschuldners.35) _____________ 27) OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 214/99, ZIP 2000, 282 f = NZI 2000, 134, 135; Jaeger-Ehricke, InsO, § 11 Rz. 23. 28) Vgl. BGH, Urt. v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, 1898 = NZI 2001, 87, dazu EWiR 2000, 1159 (Keil). 29) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 6/04, NZI 2005, 225 = ZInsO 2005, 144. 30) LG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.2005 – 4 T 230/04, NZI 2005, 397 f. 31) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 6/04, NZI 2005, 225, 226 = ZInsO 2005, 144. 32) AG Nürnberg, Beschl. v. 1.10.2006 – 8034 IN 1326 – 1331/06, ZIP 2007, 83, 84, m. Anm. Kebekus = NZI 2007, 186, 187; G. Pape, ZInsO 2007, 173, 174. 33) LG Duisburg, Beschl. v. 20.2.2007 – 7 T 269/06, ZIP 2007, 926 = ZVI 2007, 276, 278, dazu EWiR 2007, 335 (Schall). 34) LG Potsdam, Urt. v. 6.6.2008 – 1 O 234/07, ZInsO 2008, 1145. 35) OLG Hamm, Urt. v. 30.3.2007 – 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233 = NZI 2007, 584, dazu EWiR 2007, 527 (A. Herchen); BVerwG, Urt. v. 13.7.2011 – 8 C 10.10, ZIP 2011, 1868 = NZI 2011, 871, dazu EWiR 2011, 671 (Haas/O. Vogel).
§ 12 Juristische Personen des öffentlichen Rechts Kexel
(1) Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen 1.
des Bundes oder eines Landes;
2.
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht, wenn das Landesrecht dies bestimmt.
112
Kexel
§ 12
Juristische Personen des öffentlichen Rechts
(2) Hat ein Land nach Absatz 1 Nr. 2 das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person für unzulässig erklärt, so können im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung dieser juristischen Person deren Arbeitnehmer von dem Land die Leistungen verlangen, die sie im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch über das Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit und nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom Träger der Insolvenzsicherung beanspruchen könnten. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Keine Insolvenzfähigkeit (Abs. 1) ..... 2 III. Insolvenzfähigkeit ............................... 3
I.
IV. Insolvenzschutz für Arbeitnehmer (Abs. 2) .................................................. 5
Normzweck
Absatz 1 dient dazu, die Funktionsfähigkeit von Staatsgewalt und öffentlicher Verwaltung zu gewährleisten und schließt daher deren Insolvenzfähigkeit aus. In diesem Bereich ist einer eventuell vorliegenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung mit staats- oder verwaltungsrechtlichen Mitteln entgegenzuwirken.1) Absatz 2 schützt die Arbeitnehmer für den Fall der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung einer dem Insolvenzverfahren nach Absatz 2 entzogenen juristischen Person.
1
II. Keine Insolvenzfähigkeit (Abs. 1) Nach Absatz 1 Nr. 1 kann über das Vermögen des Bundes und jedes Landes der Bundesrepublik kein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Demgegenüber sind juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich insolvenzfähig, wie sich aus der Formulierung „jeder juristischen Person“ in § 11 Abs. 1 ergibt. Insoweit gilt gemäß Absatz 1 Nr. 2 für juristische Personen des öffentlichen Rechts dann eine Ausnahme, wenn diese der Aufsicht eines Landes unterstehen und das jeweilige Landesrecht bestimmt, dass deren Insolvenzfähigkeit ausgeschlossen ist. Hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ergibt sich deren Insolvenzunfähigkeit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.2) Öffentlich-rechtlich organisierte Kirchen und ihre Organisationen sind gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3, Art. 5 und 6 WRV nicht insolvenzfähig.3) Ansonsten sind Körperschaften und Stiftungen unter öffentlicher Verwaltung sowie Anstalten des öffentlichen Rechts nur insolvenzunfähig, wenn das jeweilige Landesrecht die entsprechende Bestimmung enthält.
_____________ 1) 2) 3)
Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 12 Rz. 2; vgl. BVerfG, Urt. v. 14.11.1962 – 1 BvR 987/58, BVerfGE 15, 126, 135 f = NJW 1963, 32. BVerfG, Beschl. v. 18.4.1994 – 1 BvR 243/87, 1272/89, NJW 1994, 2348. BVerfG, Beschl. v. 13.12.1983 – 2 BvL 13/82 u. a., BVerfGE 66, 1 = NJW 1984, 2401 ff; AG Potsdam, Beschl. v. 1.8.2001 – 35 IN 538/01, DZWIR 2001, 526; a. A. und fragwürdig, weil Ausführungen zu dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Kirchen gänzlich fehlen OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 5.1.2012 – 3 O 362/09, NVwZ-RR 2012, 421; krit. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 12 Rz. 15.
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2
§ 13
Eröffnungsantrag
III. Insolvenzfähigkeit 3
Aus diesem Grunde sind juristische Personen des Bundes, öffentlich-rechtliche Krankenkassen,4) Industrie- und Handelskammern,5) Rechtsanwaltskammern,6) öffentlichrechtliche Kreditinstitute7) und staatlich anerkannte Ersatzschulen8) grundsätzlich insolvenzfähig.
4
Besteht hinsichtlich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Insolvenzfähigkeit, so gelten § 11 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 uneingeschränkt. Betreibt die öffentliche Hand eine Eigengesellschaft in der Form einer juristischen Person des Privatrechts – z. B. einer GmbH –, deren (Allein-)Gesellschafter sie ist, so ergeben sich keine Besonderheiten. Die Regelungen des § 11 finden vollumfänglich Anwendung, allein für die Insolvenzmasse ist § 882a ZPO i. V. m. § 36 zu beachten.9) Demgegenüber sind rechtlich unselbständige Eigen- oder Regiebetriebe von Gemeinden nicht selbständig insolvenzfähig, da sie Teil der Gemeinde sind.10) IV. Insolvenzschutz für Arbeitnehmer (Abs. 2)
5
Die Regelung des Absatzes 2 ist Folge von § 358 Abs. 1 Satz 2 SGB III und § 17 Abs. 2 BetrAVG. Diese Vorschriften bestimmen, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts, die nicht insolvenzfähig sind, von der Umlage- und Beitragspflicht für Insolvenzgeld und Sicherung der Betriebsrenten befreit sind. Um die Arbeitnehmer derartiger juristischer Personen nicht zu benachteiligen, wird das Land, das die Insolvenzunfähigkeit der juristischen Person angeordnet hat, verpflichtet, selbst die entsprechenden Leistungen zu erbringen. § 12 Abs. 2 bildet damit eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die an die Stelle der sonst eingreifenden sozial- oder arbeitsrechtlichen Anspruchsgrundlagen tritt;11) die Ansprüche der Arbeitnehmer richten sich daher unmittelbar gegen das jeweilige Bundesland. _____________ 4) BVerwG, Urt. v. 14.11.1985 – 3 C 44.83, ZIP 1986, 1129 = NJW 1987, 793; vgl. auch § 171b Abs. 1 SGB V, wonach seit dem 1.1.2010 auch für landesunmittelbare GKV eine Anwendung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 nicht mehr in Betracht kommt. 5) BVerfG, Beschl. v. 5.10.1993 – 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132 = NJW 1994, 1465 f. 6) BVerwG, Urt. v. 10.12.1981 – 3 C 2.81, BB 1982, 372. 7) BVerwG, Urt. v. 18.12.1986 – 3 C 39.91, BVerwGE 75, 292 = ZIP 1987, 521, 522; VG Schleswig, Urt. v. 6.6.1984 – 12 A 249/83, ZIP 1985, 46. 8) BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 – 3 C 43.88, BVerwGE 85, 343 = KTS 1991, 333, 335. 9) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 12 Rz. 6. 10) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 12 Rz. 7 m. N. 11) OVG Sachsen, Urt. v. 25.8.2015 – 4 A 46/14, juris; VG Potsdam, Urt. v. 23.11.2017 – 1 K 5027/15, juris; Braun-Bußhardt, InsO, § 12 Rz. 3.
§ 13 Eröffnungsantrag Kexel
(1) 1Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. 2Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. 3Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. 4Wenn der
114
Kexel
§ 13
Eröffnungsantrag
Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden 1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
5
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. 6Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn 1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
7
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind. (2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist. (3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.
(4) 1Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. 2Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. 3Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden. Literatur: Büttner, Zulässigkeit eines erneuten Insolvenzantrages zur Erlangung der Restschuldbefreiung, ZVI 2007, 229; Delhaes, Die Stellung, Rücknahme und Erledigung verfahrenseinleitender Anträge nach der Insolvenzordnung, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 141; Hackenberg, Rechtsschutzbedürfnis für weiteren Insolvenzantrag mit Restschuldbefreiung?, ZVI 2005, 468; Pape, G., Entwicklung der Rechtsprechung zum Verbraucher- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahre 2004 – Teil I, ZInsO 2005, 617; Pape, I./Pape, G., Entwicklung der Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren in den Jahren 2009 – 2011, ZInsO 2012, 1; Uhlenbruck, Konkursantrag der Sozialversicherungsträger, Rpfleger 1981, 377. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Antragserfordernis (Abs. 1 Satz 1) ....................................... 2 III. Antragsberechtigte (Abs. 1 Satz 2) ....................................... 5 IV. Antragspflicht .................................... 11 V. Antragstellung ................................... 14
1. 2. 3. 4.
Kexel
Form (Abs. 1 Satz 1) ........................... 14 Inhalt .................................................... 17 Hinweispflicht des Gerichts (Abs. 3) ................................................ 19 Besonderheiten beim Schuldnerantrag .................................................... 20
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§ 13 a) Vermögensverzeichnis (Abs. 1 Satz 3) .............................. b) Weitere (Pflicht-)Angaben (Abs. 1 Sätze 4 – 6) ....................... c) Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit (Abs. 1 Satz 7) ...... d) Amtsermittlung ............................ e) Rechtsschutzbedürfnis ................ f) Abgrenzung Verbraucher-/ Regelinsolvenz .............................
I. 1
Eröffnungsantrag
22 23 26 27 31
VI. Wirkungen der Antragstellung ........ 41 VII. Antragsrücknahme (Abs. 2) ................................................ 43 1. Rücknahmeerklärung .......................... 43 2. Rücknahmeberechtigung .................... 44 VIII. Antragsabweisung ........................... 48 1. Kosten .................................................. 49 2. Wirkungen ........................................... 50 IX. Rechtsmittel ....................................... 51
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Normzweck
Absatz 1 stellt klar, dass ein Insolvenzverfahren nicht von Amts wegen, sondern nur auf – schriftlichen – Antrag eröffnet wird, nennt die Antragsberechtigten und macht mit den im Jahre 2012 eingefügten Sätzen 3 bis 71) – im Hinblick auf eine möglichst frühe Einbeziehung der Gläubiger, etwa durch Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses2) – Vorgaben für den Inhalt. Absatz 2 verhindert, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit ihren Wirkungen gerade auch für Dritte durch eine im Belieben des Antragstellers liegende Rücknahmeerklärung (rückwirkend) beseitigt werden kann. Die durch Absatz 43) eröffnete Möglichkeit der Einführung verpflichtender Antragsformulare soll einer ökonomischen Bearbeitung und damit der Straffung des Eröffnungsverfahrens den Weg bereiten. II. Antragserfordernis (Abs. 1 Satz 1)
2
Nach Absatz 1 Satz 1 wird ein Insolvenzverfahren nur auf Antrag eröffnet. Der erforderliche Antrag muss auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und nicht etwa lediglich auf Erteilung der Restschuldbefreiung oder Anmeldung einer Forderung gerichtet sein. Er ist dergestalt unteilbar, als er grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners betrifft. So ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein weiterer Eröffnungsantrag gegen denselben (oder auch von demselben) Schuldner grundsätzlich unzulässig.4) Eine Ausnahme bilden nur Sonderverfahren, wie z. B. das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff), das als solches beantragt werden muss; auch soweit der Schuldner über neues, nicht zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen infolge einer „unechten Freigabe“ gemäß § 35 Abs. 2 verfügt, handelt es sich bei dem Geschäftsbetrieb um ein insol-
_____________ 1)
2) 3)
4)
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§ 13 Abs. 1 Satz 3 bis 7, eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582 m. W. v. 1.3.2012. Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 23. § 13 Abs. 3 Satz 3 eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582 m. W. v. 1.3.2012. BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 = ZInsO 2004, 739, dazu EWiR 2004, 987 (Hölzle); BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2009, 1976 = ZInsO 2008, 924, dazu EWiR 2009, 155 (Sailer); BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 1011 = NZI 2010, 195; OLG Köln, Beschl. v. 22.5.2002 – 2 W 15/02, ZInsO 2002, 728, 730 = NZI 2003, 99.
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§ 13
Eröffnungsantrag
venzfähiges Sondervermögen (siehe § 11 Rz. 22), sodass darüber auch ein (neuer) Insolvenzantrag zulässig ist.5) Der Antrag ist Prozesshandlung und damit nach allgemeinen Regeln bedingungsfeindlich6) und nicht anfechtbar.7) Er kann jedoch an eine bloße innerprozessuale Bedingung geknüpft und so hilfsweise für den Fall zur Entscheidung gestellt werden, dass ein bestimmtes innerprozessuales Ereignis eintritt.8) Dies kann z. B. die Stundungsbewilligung sein.9) Kein innerprozessuales Ereignis ist es indes, wenn der Schuldner seinen Eigenantrag nur hilfsweise für den Fall des Erfolgs des Gläubigerantrags stellt.10) Unzulässig ist auch ein Insolvenzantrag unter der Bedingung, dass Eigenverwaltung angeordnet wird.11) Grundsätzlich ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich überhaupt um Bedingungen im Rechtssinne handelt. So stellen „Zusatzanträge“, eine bestimmte Person als Sachverständigen bzw. Insolvenzverwalter zu bestellen oder Sicherungsmaßnahmen (nicht) anzuordnen, in der Regel bloße Anregungen und gerade keine Bedingung dar.12)
3
Nur Prozessfähige können einen wirksamen Antrag stellen. Für Prozessunfähige handelt der gesetzliche Vertreter, der auch einen vom Prozessunfähigen gestellten unwirksamen Antrag genehmigen kann. Eine Stellvertretung – insbesondere durch Rechtsanwälte – ist zulässig, jedoch muss sich die Vollmacht ausdrücklich auf ein Insolvenzverfahren beziehen.
4
III. Antragsberechtigte (Abs. 1 Satz 2) Antragsberechtigt sind nach Absatz 1 Satz 2 neben dem Schuldner (siehe auch § 15 Rz. 2 ff) alle Gläubiger. Hierzu zählen nach der weiten Fassung des Gesetzes neben den Insolvenzgläubigern (§ 38) auch nachrangige Gläubiger (§ 39), Massegläubiger (§ 53) und absonderungsberechtigte Gläubiger (§ 52), insbesondere dinglich gesicherte, wenn ihnen auch eine persönliche Forderung gegen den Schuldner zusteht.13) Im Gesetz befindet sich nämlich im Gegensatz zu § 103 KO insoweit keine Einschränkung. Eine solche ergibt sich aber nach Auffassung des Gesetzge_____________ 5) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326 f = ZInsO 2011, 1349, dazu EWiR 2011, 751 (R. Weiß/Rußwurm); AG Trier, Beschl. v. 21.9.2009 – 23 IN 91/09, BeckRS 2009, 27666; AG Hamburg, Beschl. v. 18.6.2008 – 67g IN 37/08, ZIP 2009, 384 = ZVI 2008, 295, 296; AG Göttingen, Beschl. v. 26.2.2008 – 74 IN 304/07, ZVI 2008, 170 = NZI 2008, 313; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 11 Rz. 22; a. A. AG Dresden, Beschl. v. 19.3.2009 – 531 IN 459/09, ZVI 2009, 289; LG Dresden, Beschl. v. 14.3.2011 – 5 T 74/11, ZVI 2011, 179. 6) BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 – 890 = ZInsO 2010, 828, dazu EWiR 2010, 493 (Stahlschmidt). 7) LG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2001 – 25 T 285/01, ZInsO 2002, 243, 244 = NZI 2002, 60. 8) BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 – 890 = ZInsO 2010, 828; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 244/99, ZIP 2000, 2031, 2033 = NZI 2000, 542, dazu EWiR 2001, 537 (G. Pape). 9) BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 – 890 = ZInsO 2010, 828. 10) BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 – 890 = ZInsO 2010, 828. 11) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 13 Rz. 4 m. N. 12) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 13 Rz. 4 m. N. 13) BGH, Beschl. v. 11.7.2002 – IX ZB 28/02, S. 3.
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§ 13
Eröffnungsantrag
bers mittelbar aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses in § 14 Abs. 1, sodass der Antrag eines Aussonderungsberechtigten (§ 47) wegen Fehlens des rechtlichen Interesses unzulässig ist, da dieser seine Rechte innerhalb und außerhalb eines Insolvenzverfahrens in gleicher Weise geltend machen kann.14) Insoweit ist jedoch zu beachten, dass Massegläubiger erst durch das Vorliegen eines Eröffnungsantrags entstehen können15) und Aussonderungsberechtigte sowie Ersatzaussonderungsberechtigte nicht zur Teilnahme am Verfahren berechtigt sind (§ 47 Satz 2).16) 6
Nur der Inhaber der Forderung ist antragsberechtigt, da es eine „Verfahrensstandschaft“, für andere Gläubiger im eigenen Namen einen Insolvenzantrag zu stellen, nicht gibt. Auch der zum 1.7.2017 in Kraft getretene § 111i StPO regelt das Recht der Staatsanwaltschaft zur Stellung eines Insolvenzantrags nicht für den Verletzten, sondern aus eigenem Recht; sie ist Gläubigerin des Wertersatz-/Einziehungsanspruchs aus §§ 73, 73c StGB.17) Ist die Forderung ge- oder verpfändet, so sind, vor der Pfandreife sowohl der Forderungsinhaber als auch der Pfandgläubiger und danach allein der Pfandgläubiger antragsberechtigt. Für einen insolventen Gläubiger ist dessen Insolvenzverwalter und im Eröffnungsverfahren – nach Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots – der (starke) vorläufige Insolvenzverwalter antragsberechtigt.18) Gemäß § 356 Abs. 2 ist zum Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch der ausländische Insolvenzverwalter befugt. Stellt ein Erbe über das Sondervermögen Nachlass nach § 317 Abs. 1 einen Insolvenzantrag, so hat er sein Erbrecht durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen.19) Der Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei ist in dieser Funktion nicht berechtigt, einen (Eigen-)Antrag über das Vermögen des ehemaligen Rechtsanwalts zu stellen.20)
7
Infolge spezialgesetzlicher Regelung kann über das Vermögen gewisser Schuldner weder dieser selbst noch ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen. Antragsberechtigt ist bzgl. eines inländischen Kreditinstituts gemäß § 46b Abs. 1 Satz 4 KWG, einer Bausparkasse gemäß § 3 Abs. 1 BSpKG, § 46b Abs. 1 Satz 4 KWG und eines Versicherungsunternehmens gemäß § 312 Abs. 1 VAG n. F. (bis 31.12.2015: § 88 VAG) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin).
8
Hat die BaFin einen Abwickler bestellt, so ist dieser nach § 37 Abs. 2 KWG zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des unerlaubte Bankgeschäfte betreibenden Unternehmens befugt. Dies gilt selbst
_____________ 14) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 113, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 168. 15) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 13 Rz. 9. 16) Vuia in: MünchKomm-InsO, § 13 Rz. 32. 17) Ausführl. zum Antragsrecht der StA: Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 14 Rz. 61 ff; vgl. zum Rechtsweg gegen einen entsprechenden Antrag auch BGH, Beschl. v. 10.6.2020 – 5 ARs 17/19, ZVI 2020, 380 = ZRI 2020, 418 – §§ 23 ff EGGVG. 18) Vgl. LG Duisburg, Beschl. v. 13.8.1999 – 24 T 6/99, DZWIR 2000, 34, 35. 19) LG Köln, Beschl. v. 24.6.2003 – 19 T 84/03, NZI 2003, 501 f = ZInsO 2003, 720 f. 20) AG Köln, Beschl. v. 2.11.1998 – 72 N 132/98, InVO 1999, 82.
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dann, wenn das Unternehmen neben den unerlaubten Bankgeschäften auch Geschäfte betreibt, auf die sich der Aufgabenbereich des Abwicklers nicht erstreckt.21) Dem PSVaG steht grundsätzlich kein Antragsrecht zu, da er erst mit der Verfahrenseröffnung und dem daran gebundenen Forderungsübergang Gläubiger wird, also noch gar nicht Forderungsinhaber ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn aufgrund eines vorhergehenden Sicherungsfalls eine Gläubigerstellung begründet ist.22)
9
Bei (Eigen-)Anträgen von juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist die Antragsberechtigung nach § 15 Abs. 1 zu prüfen. Hat nur einer von mehreren Antragsberechtigten den Insolvenzantrag gestellt, so ist der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 15 Abs. 2 Satz 1); außerdem ist den übrigen Antragsberechtigten rechtliches Gehör zu gewähren (§ 15 Abs. 2 Satz 3).
10
IV. Antragspflicht Für Gläubiger gibt es keine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Für Schuldner ergeben sich Antragspflichten aus spezialgesetzlichen Regelungen, etwa aus §§ 42 Abs. 2, 48 Abs. 2 für den Verein, §§ 86, 88 BGB für die rechtsfähige Stiftung, § 89 Abs. 2 für insolvenzfähige Personen des öffentlichen Rechts. Hinsichtlich der Sondervermögen ergibt sich eine Antragspflicht für den Erben aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB, den Nachlassverwalter aus §§ 1985 Abs. 2 Satz 2, 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Mitglieder der fortgesetzten Gütergemeinschaft aus §§ 1489 Abs. 2, 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Pflicht zur Antragstellung kann sich ferner ggf. für den (Kindes-)Unterhaltsschuldner ergeben, wenn nur dadurch der laufende Unterhalt sichergestellt werden kann.23)
11
Für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist die Antragspflicht in § 15a geregelt.
12
Besteht eine Antragspflicht, so obliegt sie nicht nur den formell bestellten organschaftlichen Vertretern, sondern auch den faktischen Organen (zur Antragsbefugnis der faktischen Organe siehe § 15 Rz. 7).24) Kommt der Antragsverpflichtete seiner Pflicht schuldhaft nicht nach, so kann dies zu Schadensersatzansprüchen gegenüber den Gläubigern nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a führen.25)
13
_____________ 21) BGH, Urt. v. 24.7.2003 – IX ZB 4/03, ZIP 2003, 1641 = ZInsO 2003, 848, dazu EWiR 2004, 719 (Siller). 22) Wohlleben in: Kölner Schrift, S. 1655, 1657, Rz. 6 ff; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 7. 23) BGH, Urt. v. 23.2.2005 – XII ZR 114/03, BGHZ 162, 234 = ZVI 2005, 188 ff; abgrenzend dazu – nicht für Trennungsunterhalt – BGH, Urt. v. 12.12.2007 – XII ZR 23/06, BGHZ 175, 67 = ZVI 2008, 52 ff. 24) BGH, Urt. v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 46 = ZIP 1988, 771, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt); BGH, Urt. v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 ff = ZIP 1983, 173. 25) BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 190 ff = ZIP 1994, 1103, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm).
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Eröffnungsantrag
V. Antragstellung 1.
Form (Abs. 1 Satz 1)
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Nach Absatz 1 Satz 1 bedürfen – alle – Insolvenzanträge der Schriftform. Möglich ist damit auch die Beantragung durch Telekopie (§ 130 Nr. 6 ZPO) oder – soweit die Voraussetzungen des § 130a ZPO vorliegen – auch auf elektronischem Wege. Nicht (mehr)26) möglich ist die Antragstellung zu Protokoll der Geschäftsstelle.
15
Anträgen öffentlich-rechtlicher Hoheitsträger ist zur Bekräftigung der Echtheit des Eröffnungsantrags und der Zuständigkeit des Unterzeichners der Dienststempel der Behörde im Original beizudrücken.27)
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Absatz 4 Satz 1 ermächtigt das BMJV, durch Rechtsverordnung für den Antrag des Schuldners ein Formular einzuführen, das dann zwingend zu benutzen ist (Abs. 4 Satz 2).28) Absatz 4 Satz 3 eröffnet dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, die Formulare entsprechend der Art der Verarbeitung in den jeweiligen Verfahren unterschiedlich auszugestalten. 2.
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Inhalt
Der Antrag muss den Schuldner genau bezeichnen,29) hierzu gehören bei einem Gläubigerantrag auch die Angabe der Rechtsform und ggf. der organschaftlichen Vertreter des Schuldners (§ 4 InsO, § 130 Nr. 1 ZPO). Ein gegen eine gelöschte Handelsgesellschaft gerichteter Insolvenzantrag kann nicht dergestalt ausgelegt oder umgedeutet werden, dass er als Eröffnungsantrag gegen den Rechtsnachfolger anzusehen ist.30) Grundsätzlich ist die ladungsfähige Anschrift mitzuteilen,31) da die Amtsermittlungen erst beginnen, wenn ein zulässiger Antrag vorliegt.32) Die Angabe der aktuellen Anschrift kann jedoch unterbleiben, wenn sie nicht bekannt und mit den üblichen Mitteln wie Einwohnermeldeamtsanfrage, Postanfrage, Anfrage bei Registern etc. nicht zu ermitteln ist;33) ausreichend ist es, die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung gemäß § 4 InsO, § 185 ZPO glaubhaft zu machen. Zu beachten ist in diesen Fällen schon, dass das angerufene Insolvenzgericht nach § 3 örtlich zuständig sein muss, insbesondere aber auch, dass derartige _____________ 26) Das Schriftformerfordernis wurde m. W. v. 1.7.2007 eingeführt durch Art. 1 Abs. 4 Buchst. a des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (InsVereinfG), v. 13.4.2007, BGBl. I 2007, 509. 27) AG Duisburg, Beschl. v. 7.7.1999 – 60 IN 119/99, ZIP 1999, 2065 = ZInsO 1999, 595, 596, dazu EWiR 2000, 779 (Pannen). 28) Dies ist zum Zeitpunkt der Drucklegung auch dieser Auflage noch nicht geschehen. 29) AG Hamburg, Beschl. v. 2.5.2007 – 67g IN 210/06, ZInsO 2007, 501, 502; Uhlenbruck, Rpfleger 1981, 377, 379. 30) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 221/07, WM 2008, 2128 Rz. 7; demgegenüber hält das AG Hamburg, Beschl. v. 18.6.2008 – 67g IN 37/08, ZIP 2009, 384 = ZVI 2008, 295, eine entsprechende Auslegung bei einem gemäß § 35 Abs. 2 freigegebenen Geschäftsbetrieb für zulässig. 31) Vgl. dazu AG Hamburg, Beschl. v. 2.5.2007 – 67g IN 210/06, ZInsO 2007, 501, 502. 32) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358, 359 = ZVI 2003, 64, dazu EWiR 2003, 589 (Gundlach/Frenzel). 33) Vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 1.8.1988 – 2 W 131/88, ZIP 1988, 1070 = Rpfleger 1988, 502, dazu EWiR 1988, 1111 (G. Pape).
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Eröffnungsantrag
Anträge häufig der – kostenpflichtigen (siehe unten Rz. 48 f) – Abweisung als unbegründet unterliegen werden, da das Insolvenzgericht und der ggf. beauftragte Sachverständige den Schuldner ebenfalls nicht ausfindig machen können und sich das Vorliegen eines Insolvenzgrundes ohne diesen nicht feststellen lässt. Hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung ist gemäß § 4 InsO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auf die für die Klageschrift geltenden Grundsätze zurückzugreifen. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Gläubigerantrag ergeben sich aus § 14. Für den Antrag des Schuldners ergeben sich u. a. aus Absatz 1 Sätze 3 ff weitere Besonderheiten, wie nachstehend dargestellt. 3.
Hinweispflicht des Gerichts (Abs. 3)
Die schon früher allgemein aus § 4 InsO, § 139 ZPO folgende Verpflichtung des Gerichts, auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit eines Insolvenzantrags gesondert hinzuweisen, ist nunmehr zur Klarstellung und aus Gründen der Rechtssicherheit auch ausdrücklich normiert. Absatz 3 bestimmt insofern unmissverständlich, dass das Gericht bei einem von ihm als unzulässig angesehenen Eröffnungsantrag den Antragsteller unverzüglich aufzufordern hat, den – notwendigerweise hinreichend präzise bezeichneten – Mangel zu beheben und ihm hierzu eine angemessene Frist einzuräumen. Werden die bezeichneten Mängel nicht rechtzeitig behoben, so ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. 4.
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Besonderheiten beim Schuldnerantrag
§ 4 InsO und § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordern zunächst, dass der Schuldner das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes substantiiert und nachvollziehbar darlegt.34) Dies bedeutet, dass es erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Schuldner Tatsachen mitteilt, welche die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes i. S. der §§ 17 – 19 erkennen lassen. Die mitgeteilten Tatsachen müssen die finanzielle Lage des Schuldners nachvollziehbar darstellen. Daher ist ein Eigenantrag unzulässig, wenn der Schuldner den Eröffnungsgrund nicht hinreichend substantiiert darlegt und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner vor Antragsstellung auf die Unaufklärbarkeit der Vermögensverhältnisse hingearbeitet hat (Firmenbestattung).35)
20
Nicht erforderlich ist es jedoch, dass sich daraus bei zutreffender Rechtsanwendung bereits das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes ergibt. Eine Schlüssigkeit im technischen Sinne wird nicht verlangt.36) Auch braucht der Schuldner – wie sich im Umkehrschluss aus § 14 Abs. 1 a. E. ergibt – das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes nicht glaubhaft zu machen.37)
21
_____________ 34) BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, Rz. 8, ZIP 2007, 1868 = ZVI 2007, 612, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth); BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358, 359 = ZVI 2003, 64. 35) BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – IX ZB 84/19, ZRI 2020, 358 = ZVI 2020, 384; LG Stendal, Beschl. v. 28.6.2007 – 25 T 112/06, NZI 2008, 44. 36) BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, Rz. 8, ZIP 2007, 1868 = ZVI 2007, 612; LG Göttingen, Beschl. v. 22.12.2003 – 10 T 142/03, ZIP 2004, 1427 (LS) = ZVI 2004, 245. 37) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358, 359 = ZVI 2003, 64; Kübler/ Prütting/Bork-G. Pape, InsO, § 13 Rz. 64.
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Eröffnungsantrag
a) Vermögensverzeichnis (Abs. 1 Satz 3) 22
Nach Absatz 1 Satz 3 ist der Schuldner jedoch verpflichtet, seinem Antrag ein Verzeichnis seiner Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Er hat hier grundsätzlich umfassend Mitteilung zu machen; nicht verlangt wird jedoch eine vollständige Bezifferung der jeweiligen Forderung inklusive Zinsen, die Höhe kann ggf. auch geschätzt werden.38) Das Gericht hat in diesem Verfahrensstadium noch nicht die Aufgabe, die Angaben einzeln nachzuprüfen; der Schuldner muss ja nach Absatz 1 Satz 7 die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben versichern, sodass von ihm auch eine gebührende Anstrengung bei der Erstellung des Verzeichnisses zu erwarten ist. Hierzu zählt aber sicherlich, dass die Gläubiger hinreichend individualisierbar angegeben werden, damit diese durch den Verwalter und ggf. bereits im Eröffnungsverfahren für die Einsetzung eines Gläubigerausschusses kontaktiert werden können, so dass sowohl die Angabe des vollständigen Namens bzw. der Firma mit Rechtsformzusätzen als auch die Angabe einer Adresse gefordert werden kann.39) Fehlen einzelne Gläubiger und/oder Forderungen, macht dies den Antrag noch nicht unzulässig; dies dürfte hingegen der Fall sein, wenn das Verzeichnis vollständig fehlt.40) b) Weitere (Pflicht-)Angaben (Abs. 1 Sätze 4 – 6)
23
Hat der Schuldner einen Geschäftsbetrieb, der nicht eingestellt ist,41) muss er nach Absatz 1 Satz 4 i. V. m. Satz 5 zudem Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Diese Verpflichtung korrespondiert mit den Kriterien des § 22a Abs. 1, an deren Größe abzulesen ist, ob das Gericht ggf. zwingend einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen hat. Liegen dem Schuldner im konkreten Fall, etwa zu Jahresbeginn, noch keine genauen Zahlen vor, so reichen auch hier Schätzungen aus.42) Liegen zwei von drei der Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 sicher nicht vor, bedarf es entgegen des Wortlauts des § 13 Abs. 1 Satz 5 auch der Mitteilung der dritten Kennziffer nicht mehr.43)
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Diesen Schuldner, dessen Geschäftsbetrieb nicht eingestellt ist, treffen weitere Pflichtangaben, wenn (mindestens) eine der in Satz 6 Nr. 1 – 3 genannten Voraussetzungen zutrifft. Beantragt er also die Eigenverwaltung, oder erfüllen die nach Satz 5 angegebenen Größen die Merkmale des § 22a Abs. 1 (siehe § 22a Rz. 9), oder wurde bereits die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt, muss er zwingend die in Satz 4 bezeichneten Forderungen besonders kenntlich _____________ 38) Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 23. 39) AG Hannover, Beschl. v. 8.7.2015 – 909 IN 407/15, ZIP 2015, 2088. 40) So AG Mönchengladbach, Beschl. v. 4.10.2012 – 45 IN 90/12, ZIP 2013, 536; AG Hamburg, Beschl. v. 1.6.2012 – 67c IN 49/12, ZIP 2013, 134 f; vgl. auch Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 23. 41) „Eingestellt“ i. S. des Absatzes 1 Satz 4 ist ein Geschäftsbetrieb, wenn die wirtschaftliche, also auf Gewinnerzielung gerichtete aktive Tätigkeit beendet ist und das Unternehmen nur noch abgewickelt wird; s. hierzu näher § 22a Rz. 15. 42) Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 23; AG Essen, Beschl. v. 25.3.2015 – 166 IN 22/15, ZIP 2015, 939. 43) Zutr. AG Ludwigshafen, Beschl. v. 2.10.2012 – 3a IN 186/12, ZInsO 2012, 2057.
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Eröffnungsantrag
machen. Diese Angaben dienen der Entscheidung über die Ein- und Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses; das Gericht kann dann die höchsten Forderungen, die höchsten gesicherten Forderungen und die Forderungen der institutionellen Gläubiger rasch identifizieren, um Anhaltspunkte für die Auswahl der Mitglieder des Ausschusses zu haben. Anderweitige Besetzungsvorschläge liegen dem Gericht in diesen Fällen regelmäßig noch nicht vor, insbesondere ist zu diesem frühen Zeitpunkt auch noch kein vorläufiger Insolvenzverwalter im Amt, der einen solchen präsentieren könnte. Liegt kein Fall des Satzes 6 vor, sind die konkretisierenden Angaben des Satzes 4 für unmittelbar anstehende gerichtliche Entscheidungen nicht zwingend erforderlich. Der Schuldner „soll“ sie dann nach Wortlaut und Willen des Gesetzgebers zwar trotzdem machen, ihr Fehlen führt aber dann nicht zur Unzulässigkeit des Antrags.44)
25
c) Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit (Abs. 1 Satz 7) Um zu vermeiden, dass der Schuldner bestimmte Informationen zurückhält und um die – angesichts der in diesem Verfahrensstadium weder möglichen noch verlangten gerichtlichen Überprüfung notwendige – Verlässlichkeit der Informationen sicherzustellen,45) hat der Schuldner nach Satz 7 sowohl bzgl. des Vermögensverzeichnisses gemäß Satz 3 als auch aller weiteren nach den Sätzen 4 und 5 gemachten Angaben zu versichern, dass diese richtig und vollständig sind. Bei dieser Erklärung handelt es sich um eine höchstpersönliche Wissenserklärung, deren Abgabe einer Vertretung nicht zugänglich ist.46) Auf welche Weise sie abzugeben ist, wird aber weder in den Materialien noch in der Norm selbst thematisiert; es wird als ausreichend anzusehen sein, wenn der Schuldner seine Erklärung in einer Art und Weise abgibt, durch die das Ziel des § 13, dem Insolvenzgericht die für den weiteren Verfahrensgang notwendigen Informationen möglichst frühzeitig, vollständig und zuverlässig zugänglich zu machen, erreicht wird. So kann er bereits mit der eigenhändigen Unterzeichnung der eingereichten Verzeichnisse hinreichend zum Ausdruck bringen, dass er für die Richtigkeit einstehen will.47)
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d) Amtsermittlung Eine Amtsermittlungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 besteht im Zulassungsverfahren noch nicht. Diese beginnt vielmehr erst, wenn der zulässige Antrag vorliegt.48) Erfüllt ein Eigenantrag die genannten Mindestanforderungen nicht, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner konkret auf die bestehenden Mängel hinzuweisen und ihm eine angemessene Frist zu deren Behebung zu setzen (Abs. 3). Nach fruchtlosem Fristablauf ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.49) _____________ 44) 45) 46) 47) 48)
Stellungnahme BRat z. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5711, S. 33. Stellungnahme BRat z. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5711, S. 33. AG Essen, Beschl. v. 2.1.2015 – 163 IN 199/14, ZIP 2015, 287 = ZVI 2015, 96. LG Hannover, Beschl. v. 6.5.2016 – 11 T 2/16, ZIP 2016, 2331 = ZVI 2016, 436 m. w. N. BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 f = ZVI 2003, 64; BGH, Beschl. v. 10.4.2003 – IX ZB 586/02, ZIP 2003, 1005. 49) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 f = ZVI 2003, 64; nunmehr auch Abs. 3 n. F.
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§ 13
Eröffnungsantrag
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Ist der Antrag in zulässiger Weise gestellt, wird die Schwelle vom Zulassungs- zum Eröffnungsverfahren überschritten, mit der Folge, dass die Amtsermittlung nach § 5 Abs. 1 einsetzt. Ist das Insolvenzgericht nunmehr vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht (restlos) überzeugt, so darf es in diesem Stadium den Antrag nicht als unzulässig abweisen. Es hat vielmehr mit den Mitteln von § 20 Abs. 1 Satz 2, §§ 97, 98, 101 (weitere) Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen zu erzwingen.50)
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Die weitere Behandlung von zulässigen Eigenanträgen ist nicht besonders geregelt. Es gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für einen Gläubigerantrag (siehe dazu § 14 Rz. 33 ff).
30
Ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist er bei einem Eigenantrag darauf hinzuweisen, dass er nach Maßgabe der §§ 286 – 303 Restschuldbefreiung erlangen kann (§ 20 Abs. 2). e) Rechtsschutzbedürfnis
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Das Rechtsschutzbedürfnis ist unter Berücksichtigung der in § 1 normierten Verfahrensziele bei einem Eigenantrag regelmäßig zu bejahen. Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass der Schuldner gemäß § 218 einen Insolvenzplan vorlegt oder Restschuldbefreiung beantragt (§§ 286 ff). Die Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten ist eines der in § 1 genannten Verfahrensziele (§ 1 Satz 2) und die Vorlage eines Insolvenzplanes ist in § 1 ausdrücklich zur Erreichung des anderen Verfahrensziels – gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger – vorgesehen (§ 1 Satz 1). Bei allem ist es erforderlich, dass der Antrag ernsthaft auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gerichtet ist und nicht sachfremden Erwägungen dient.51) Rechtsmissbräuchlich und also unzulässig ist daher, wenn der gesetzliche Vertreter die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft vortäuscht oder die gerichtliche Aufklärung der Vermögensverhältnisse vereitelt, um die Abweisung mangels Masse zu erreichen.52) Das Rechtsschutzbedürfnis wird ferner fehlen, wenn der Schuldner den Insolvenzantrag nur stellt, um mit Hilfe einer Anordnung des Insolvenzgerichts gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 vorläufig Vollstreckungen seiner Gläubiger zu entgehen. Gleiches gilt, wenn eine Abweisung mangels Masse angestrebt wird, um verborgenes Vermögen dem Zugriff der Gläubiger vorzuenthalten, wie etwa bei der „Firmenbestattung“.53) Grundsätzlich fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn der Eröffnungsantrag, unabhängig von den Vermögensverhältnissen des Schuldners und etwa bestehenden Ansprüchen gegen Gesellschafter, Geschäftsführer und Anfechtungsgegner, ausschließlich auf eine Abweisung mangels Masse gerichtet ist.54) _____________ 50) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 f = ZVI 2003, 64. 51) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358, 359 = ZVI 2003, 64; BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – IX ZB 84/19, ZRI 2020, 358 = ZVI 2020, 384 – gerichtet auf die „gesetzmäßige Durchführung des Insolvenzverfahrens“. 52) AG Duisburg, Beschl. v. 2.1.2007 – 64 IN 107/06, ZIP 2007, 690 = NZI 2007, 354, m. zust. Anm. Schmittmann. 53) Näher hierzu BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – IX ZB 84/19, ZRI 2020, 358 = ZVI 2020, 384. 54) BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – IX ZB 84/19, ZRI 2020, 358 = ZVI 2020, 384.
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§ 13
Eröffnungsantrag
Demgegenüber ist ein Insolvenzantrag nicht allein deswegen missbräuchlich, weil die Verbindlichkeiten des Schuldners nur relativ gering sind.55) Eigenanträgen des Schuldners, die vor dem 1.7.2014, dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, gestellt sind, fehlt nach bis dahin als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des BGH56) insbesondere i. V. m. einem Restschuldbefreiungsantrag regelmäßig dann das Rechtsschutzinteresse, wenn in den vorangegangenen drei Jahren schon einmal ein Restschuldbefreiungsverfahren gescheitert ist. Insbesondere ist in wohl allen Fällen57) der früheren Versagung im Schlusstermin nach § 290 Abs. 1 davon auszugehen, dass der Schuldner einen Folgeantrag erst wieder nach Ablauf von drei Jahren, beginnend ab der Rechtskraft der Entscheidung über den erfolgreichen Versagungsantrag, stellen kann (soweit nicht bereits § 290 Abs. 1 Nr. 3 die zehnjährige Sperrfrist anordnet).58) Die dreijährige Sperrfrist trifft auch den Schuldner, dem in einem früheren Verfahren die Verfahrenskostenstundung wegen des Vorliegens eines zweifelsfrei erfüllten Versagungsgrundes rechtskräftig versagt wurde und dessen Anträge daher gar nicht erst zu einer Eröffnung des Verfahrens geführt haben;59) das Gleiche gilt im Falle einer früheren Aufhebung der Stundung, die eine Einstellung nach § 207 zur Folge hatte,60) und entsprechend sogar im Fall der Rücknahme eines Restschuldbefreiungsantrags nach Verwirkung eines Versagungstatbestands oder der Versagung der Kostenstundung und der damit einhergehenden Vermeidung der zuvor dargestellten Konstellationen.61) Schließlich soll auch die Verwerfung eines Restschuldbefreiungsantrags in einem früheren Verfahren als unzulässig die Sperrfrist in Gang setzen,62) ebenso, wenn sich der Schuldner trotz ordnungsgemäßen Hinweises des Gerichts einem Gläubigerantrag nicht mit Eigen- und Restschuldbefreiungsantrag anschließt63) _____________ 55) 56) 57) 58)
59)
60) 61)
62)
63)
LG Göttingen, Beschl. v. 23.8.2006 – 10 T 75/06, NZI 2006, 603. Zur näheren Darstellung und Kritik hierzu s. unten § 287 Rz. 5 ff. I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 14. Ausdrücklich zu § 290 Abs. 1 Nr. 4: BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 257/09, ZVI 2010, 145 f = NZI 2010, 407; zu Nr. 5: BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777, dazu EWiR 2009, 681 (Hackländer); zu Nr. 6: BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 45/09, ZVI 2010, 100 f = NZI 2010, 263. BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZA 40/09, ZInsO 2010, 491 f; BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 45/09, ZVI 2010, 100 f = NZI 2010, 263; BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZA 39/09, ZInsO 2011, 587; BGH, Beschl. v. 9.3.2010 – IX ZA 7/10, ZInsO 2010, 783 f = NZI 2010, 445. AG Flensburg, Beschl. v. 26.7.2011 – 56 IN 201/11, juris; I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 15; vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZA 10/09, NZI 2009, 615. BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 221/09, ZVI 2011, 291 ff = ZInsO 2011, 1127 – Antragsrücknahme; BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZB 114/11, NZI 2011, 948 = ZInsO 2011, 2198 – Stundungsversagung. I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 14, m. Verweis auf BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, NZI 2010, 153 = ZInsO 2010, 140 f – der Beschluss verhält sich indes dazu nicht ausdrücklich. BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195 – die Sperrfrist beginnt dann mit der Entscheidung über den Gläubigerantrag zu laufen; a. A. – jedenfalls für den Fall der Abweisung des Gläubigerantrags auf Eröffnung des Verfahrens mangels Masse – AG Köln, Beschl. v. 1.7.2013 – 72 IN 224/13, ZVI 2013, 343.
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§ 13
Eröffnungsantrag
oder seinem eigenen Eröffnungsantrag keinen Restschuldbefreiungsantrag folgen lässt.64) 33
In den seit einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren und damit nach den zu diesem Datum in Kraft getretenen Neuregelungen durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte65) kann auf diese Rechtsprechung nicht mehr zurückgegriffen werden. Die Änderungen im Verfahren der Restschuldbefreiung hatten als einen wesentlichen Schwerpunkt gerade das Aufgreifen jener Sperrfristrechtsprechung und ihre bewusst nur teilweise Transformation in geschriebenes Recht. Über die in § 287a n. F. nunmehr normierten Tatbestände hinaus, bei deren Vorliegen eine Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren eine Sperrwirkung für das neue Verfahren entfaltet, kommt eine Anwendung der alten Rechtsprechung nicht mehr in Betracht. Nach zutreffender Ansicht steht dem nicht nur der klare und eindeutig abschließende Gesetzeswortlaut entgegen, sondern auch das Fehlen einer allein für eine Erweiterung in diesem Sinne tauglichen „Gesetzeslücke“ – die Materialien weisen eine umfassende Auseinandersetzung mit der Sperrfristrechtsprechung auf, eine „Planwidrigkeit“ als Voraussetzung einer Analogie kann diesbezüglich nicht angenommen werden.66)
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Das Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten Antrag wird man so nunmehr nur für die Fälle verneinen können, für die § 287a ausdrücklich Sperrfristen für einen neuen Antrag aufstellt (und diese Sperrfristen noch nicht abgelaufen sind). Danach gelten – gestuft nach dem Unrechtsgehalt der Pflichtverletzungen – Fristen von zehn, fünf oder drei Jahren:
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Eine elfjährige67) Sperrfrist ist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 vorgesehen, wenn dem Schuldner vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag bereits Restschuldbefreiung innerhalb dieses Zeitraums erteilt wurde. Fünf Jahre beträgt die Sperrfrist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 297 wegen einer Verurteilung nach §§ 283 – 283c StGB zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist versagt wurde.
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Eine Sperrfrist von drei Jahren für einen wiederholten Restschuldbefreiungsantrag hat der Gesetzgeber in § 287a Abs. 2 Nr. 2 vorgesehen, wenn dem Schuldner in einem früheren Verfahren die Restschuldbefreiung versagt worden ist, weil er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5), er unzutreffende Angaben in den vorzulegenden Unterlagen gemacht (§ 290 Abs. 1 Nr. 6) _____________ 64) I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 14. 65) Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379. 66) So i. E. auch BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444; AG Göttingen, Beschl. v. 14.3.2017 – 71 IN 17/17, ZVI 2017, 233; AG Hannover, Beschl. v. 28.1.2015 – 908 IK 1769/14 – 8, ZVI 2015, 236 = ZInsO 2015, 368; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 287a Rz. 18; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287a Rz. 54 ff, 63 m. w. N. 67) In vor dem 1.10.2020 beantragten Verfahren: zehnjährige Sperrfrist, vgl. § 287a a. F.
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§ 13
Eröffnungsantrag
oder Obliegenheiten nach § 290 Abs. 1 Nr. 7, § 296 Abs. 1 nicht beachtet hat. Das gilt auch, wenn die Restschuldbefreiung erst nach dem Schlusstermin oder nach der Einstellung mangels Masseunzulänglichkeit (§ 211) wegen der in §§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 aufgeführten Gründen versagt wurde (§ 287a Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2). Für weitere Fälle hat der Gesetzgeber Sperrfristen bei wiederholten Restschuldund Stundungsanträgen ausdrücklich ausgeschlossen und insoweit bewusst die entsprechende Rechtsprechung des BGH nicht kodifiziert, weil er keinen vergleichbaren Unrechtsgehalt mit den in § 287a Abs. 2 Nr. 2 aufgeführten Versagungsgründen gesehen hat.68) Das gilt für die Nichtzahlung der Mindestvergütung für den Treuhänder,69) weil es insoweit „bereits an einem im ersten Verfahren gestellten Versagungsantrag eines Gläubigers und an der Feststellung, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde“,70) fehlt. Ebenso gilt dies in den Fällen eines als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrages71) oder eines trotz Hinweises des Gerichts unterlassenen Eigenantrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Gläubigerantrags.72) In diesen Fällen liegt zwar ein nachlässiges Verhalten des Schuldners vor, daraus muss jedoch nicht auf ein unredliches Verhalten geschlossen werden.73) Grund für die Sperrfristenregelung ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein durch das Gericht auf den Versagungsantrag eines Gläubigers festgestelltes Fehlverhalten des Schuldners.74) Deshalb ist die Sperrfristenregelung auch nicht auf den Fall ausgedehnt worden, in dem „eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist.“75) Für den Fall des Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 hat der Gesetzgeber ebenfalls bewusst keine Sperrfristenregelung vorgesehen. Die Frist für die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners bei der Begründung _____________ 68) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25; dies ausdrücklich „akzeptierend“ BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444. 69) Vgl. LG Baden-Baden, Beschl. v. 10.12.2015 – 2 T 77/15, ZVI 2016, 141 = NZI 2016, 91; AG Göttingen, Beschl. v. 3.4.2014 – 71 IK 48/14 NOM, NZI 2014, 574; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 27.5.2016 – 3f IN 158/16 Lu, NZI 2016, 782 = ZVI 2016, 484; AG Montabaur, Beschl. v. 8.7.2016 – 14 IK 88/16, NZI 2017, 402 = ZVI 2017, 193; anders – schon unter Bezugnahme auf den seinerzeit vorliegenden, aber noch nicht realisierten Gesetzesentwurf – noch BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846; die Entwurfsbegründung ist dabei aber offenbar nicht vollständig berücksichtigt worden. Im Ergebnis diese Rechtsprechung für die Rechtslage ab 1.7.2014 (wohl) ebenfalls aufgebend BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444. 70) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 71) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140. 72) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 = NZI 2010, 195. 73) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 74) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 75) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25.; vgl. zu ähnlicher Fallgestaltung auch BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 92/16, ZVI 2017, 299 = ZInsO 2017, 1444, „unbefriedigend“.
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§ 13
Eröffnungsantrag
unangemessener Verbindlichkeiten oder der Verschwendung von Vermögen, wodurch er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte von einem auf drei Jahre angehoben worden. Angesichts dieser Anhebung hätte sich eine unverhältnismäßig lange Sperrfrist ergeben. Das gilt ebenso für die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 2.76) 38
Unabhängig davon, ob das Verfahren vor oder nach dem 1.7.2014 beantragt wurde, ist jedenfalls nach Ablauf der jeweiligen Sperrfrist (und nach Aufhebung eines ggf. eröffneten Insolvenzverfahrens)77) der Weg für einen neuen Antrag des Schuldners voraussetzungslos wieder frei; früher aufgestellte Prämissen, dass etwa ein neuer Gläubiger hinzugekommen sein müsse78) oder der Schuldner in der Zwischenzeit neues verteilbares Vermögen erworben habe, sind – zu Recht – ausdrücklich aufgegeben worden.79) f)
Abgrenzung Verbraucher-/Regelinsolvenz
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Wird der Insolvenzantrag von einer natürlichen Person gestellt, so sind die besonderen Regelungen der §§ 304 ff zu beachten, sofern es sich bei dem Schuldner um einen Verbraucher handelt. Benutzt der Schuldner für seinen Antrag die Vordrucke i. S. von § 305 Abs. 5 i. V. m. § 1 VbrInsVV, wird die Auslegung zumeist ergeben, dass der Schuldner ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen will. Umgekehrt spricht die Nichtbenutzung dieser Formulare bzw. die Verwendung des Antragsformulars i. S. von Absatz 4 Satz 1 – sobald dieses eingeführt ist – für die Beantragung eines Regelinsolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht sollte in Zweifelsfällen immer auf eine Erläuterung durch den Schuldner hinwirken und ggf. die Umstellung des Antrags auf die richtige Verfahrensart anregen. Ergibt die Auslegung – ggf. nach Erläuterung durch den Schuldner –, dass er einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen will und hat er die Unterlagen i. S. von § 305 Abs. 1 nicht, nicht vollständig oder nicht auf den amtlichen Formularen (§ 305 Abs. 5 i. V. m. § 1 VbrInsVV) eingereicht, so fordert das Insolvenzgericht ihn gemäß § 305 Abs. 3 zur Antragsergänzung auf.
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Ist der Antrag ausdrücklich oder nach Auslegung in der unrichtigen Verfahrensart gestellt und erfolgt trotz eines entsprechenden Hinweises des Insolvenzgerichts keine Umstellung, so ist der Antrag als in der gewählten Verfahrensart unzulässig abzuweisen. Das Insolvenzgericht ist nämlich grundsätzlich an den Antrag des Schuldners, das Insolvenzverfahren in einer bestimmten Verfahrensart zu eröffnen, _____________ 76) Begr. RegE Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/11268, S. 25; schon für das alte Recht BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – IX ZB 194/11, ZInsO 2013, 262 = ZVI 2013, 23. 77) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195; vgl. auch grundsätzlich zur Unzulässigkeit eines zweiten Eröffnungsantrags während eines laufenden Verfahrens, BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 = ZInsO 2004, 739; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2009, 1976 = ZInsO 2008, 924. 78) So noch BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 263/05, ZVI 2006, 406 f = NZI 2006, 601. 79) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, NZI 2010, 153 = ZInsO 2010, 140; BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195.
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§ 13
Eröffnungsantrag
gebunden und darf nicht von Amts wegen die für zulässig erachtete Verfahrensart dem weiteren Verfahren zugrunde legen.80) VI. Wirkungen der Antragstellung Jeder Insolvenzantrag leitet ein selbständiges Eröffnungsverfahren ein und hat ein eigenes rechtliches Schicksal, kann also insbesondere – in den Grenzen des § 13 Abs. 2 – zurückgenommen (siehe unten Rz. 43 ff) oder für erledigt (siehe dazu § 14 Rz. 46 ff) erklärt werden. Mehrere denselben Schuldner betreffende Antragsverfahren sind – erst – mit der Eröffnung zu verbinden; auch bei Vorliegen mehrerer Anträge gegen denselben Schuldner ist schließlich immer nur ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.81) Verfahren gegen verschiedene Schuldner bleiben getrennt.
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Stellt ein Verbraucher nach einem Eröffnungsantrag eines Gläubigers einen Insolvenzantrag, so führt dies zum Ruhen auch des Gläubigerantrags bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan (§ 306 Abs. 3 Satz 2). Ist ein Antrag rechtshängig, so führt dies zur Unzulässigkeit weiterer Anträge desselben Antragstellers.82)
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VII. 1.
Antragsrücknahme (Abs. 2)
Rücknahmeerklärung
Die Rücknahme des Antrags erfolgt durch eine prozessuale Willenserklärung, muss daher unbedingt sein und ist unanfechtbar. Die Erklärung eines Gläubigers bedarf keiner Zustimmung des Schuldners, ebenso wenig die Erklärung des Schuldners der des Gläubigers. Eine Rücknahmeerklärung lässt sich nicht ohne weiteres in eine Erledigungserklärung umdeuten (zur Erledigung siehe § 14 Rz. 46 ff).83) Eine Rücknahmefiktion enthält § 305 Abs. 3 Satz 2. In zeitlicher Hinsicht lässt Absatz 2 die Rücknahme nur bis zur Verfahrenseröffnung bzw. rechtskräftigen Antragsabweisung zu. Die Rechtskraft ist grundsätzlich nur im Falle der Antragsabweisung von Bedeutung, während bei einer Verfahrenseröffnung bereits der Zeitpunkt maßgebend ist, zu dem der Beschluss wirksam wird.84) Bis zu diesem Zeitpunkt stehen aber weder andere – vorläufige – Maßnahmen des Insolvenzgerichts noch anderweitige Verfahrensschritte, so etwa die Entscheidung über die Kostenstundung oder das Scheitern eines Schuldenbereinigungsverfahrens, einer Rücknahme entgegen. Ordnet erst das Beschwerdegericht die Eröffnung an, wird diese Entscheidung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam, es sei denn, die sofortige Wirksamkeit ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 angeordnet. Ist das Verfahren einmal eröffnet, so kommt nur noch eine Einstellung gemäß §§ 212, 213 in Betracht. Die Kosten der Rücknahme hat nach § 4 InsO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf Antrag der Antragsteller zu tragen. _____________ 80) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 233/07, ZInsO 2008, 1324; LG Göttingen, Beschl. v. 15.12.2006 – 10 T 130/06, ZIP 2007, 1031 = ZVI 2007, 367, dazu EWiR 2007, 629 (Fuchs). 81) OLG Köln, Beschl. v. 14.6.2000 – 2 W 85/00, ZIP 2000, 1343, 1347 = NZI 2000, 480, 482. 82) AG Potsdam, Beschl. v. 13.2.2002 – 35 IN 48/02, ZInsO 2002, 340, 341 = ZVI 2002, 71. 83) AG Köln, Beschl. v. 24.3.2003 – 71 IN 126/01, NZI 2003, 269. 84) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 12/06, ZVI 2006, 564; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.2001 – 2 W 63/01, ZInsO 2001, 711, 713 = NZI 2001, 550.
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§ 13 2.
Eröffnungsantrag
Rücknahmeberechtigung
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Grundsätzlich ist zur Rücknahme des Insolvenzantrags der Antragsteller selbst oder sein Gesamtrechtsnachfolger befugt.85) Fraglich ist die Rücknahmeberechtigung, wenn bei juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit nicht sämtliche Vertreter den Antrag gestellt haben oder ein Vertretungsberechtigter aus seinem Amt ausgeschieden ist.86) Während nach der überwiegenden Meinung87) eine Antragsrücknahme nur durch den Antragsteller und nicht durch weitere Vertretungsberechtigte oder Amtsnachfolger möglich ist, stellt die Gegenmeinung88) allein auf die Vertretungsregelungen ab, sodass der von einem Vertretungsberechtigten gestellte Antrag auch von einem anderen Vertretungsberechtigten oder dem Amtsnachfolger zurückgenommen werden kann.
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Im Ergebnis ist zu differenzieren, denn es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, Streitigkeiten zwischen mehreren Antrags- und Vertretungsberechtigten zu klären. Ebenso wenig macht es Sinn, dass der eine Vertretungsberechtigte einen Insolvenzantrag stellt und der andere denselben sogleich wieder zurücknimmt.89) Hier (wie auch in anderen Fallgestaltungen) sollte das Gericht auch stets an eine rechtsmissbräuchliche und damit unwirksame Ausübung der formalen Rücknahmebefugnis denken.90) Der Antragsteller selbst ist – solange er vertretungsberechtigt ist – immer zur Antragsrücknahme befugt. Das gilt auch bei einer mehrköpfigen Vertretung, denn es ist kein Bedürfnis dafür zu erkennen, dass die weiteren Vertreter, die selbst keinen Antrag gestellt haben, an der Rücknahme mitwirken. Umgekehrt sollten sie aber den von einem anderen Vertretungsberechtigten gegen ihren Willen gestellten Antrag auch nicht zurücknehmen können. Ihnen steht jedoch die Möglichkeit offen, gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Antrag Rechtsmittel einzulegen (§ 34 Abs. 2).
46
Haben hingegen mehrere Vertreter den Antrag gemeinsam gestellt oder haben sich weitere Vertreter dem Antrag (nachträglich) angeschlossen, so ist eine Antragsrücknahme nur durch alle Antragsteller möglich. An die Stelle eines aus seiner Stellung ausgeschiedenen Vertreters tritt sein Rechtsnachfolger. Andernfalls könnte bei einer Auswechslung des Vertretungsberechtigten ein von diesem noch für den Schuldner gestellter Insolvenzantrag gar nie mehr zurückgenommen werden.
_____________ 85) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 13 Rz. 29. 86) Vgl. zum Streitstand ausführl. BGH, Beschl. v. 10.7.2008 – IX ZB 122/07, Rz. 5 ff, ZIP 2008, 1596 = ZInsO 2008, 922, dazu EWiR 2008, 753 (Vosberg); Delhaes in: Kölner Schrift, S. 141, 148, Rz. 30 ff; Uhlenbruck-Wegener, InsO, § 13 Rz. 160 f. 87) LG Tübingen, Beschl. v. 10.8.1960 – 1 T 67/60, KTS 1961, 158, 159; LG Dortmund, Beschl. v. 23.9.1985 – 9 T 560/85, ZIP 1985, 1341 = NJW-RR 1986, 258; AG Duisburg, Beschl. v. 3.11.1994 – 43 N 231/94, ZIP 1995, 582; AG Magdeburg, Beschl. 9.3.1998 – 36 N 1071/97, ZInsO 1998, 43. 88) KG Berlin, Beschl. v. 13.5.1965 – 1 W 848/65, NJW 1965, 2157; LG Berlin, Beschl. v. 25.2.1974 – 81 T 656/73, KTS 1974, 182, 184. 89) Uhlenbruck-Wegener, InsO, § 13 Rz. 162. 90) Vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.2008 – IX ZB 122/07, ZIP 2008, 1596; konkret etwa AG Freiburg, Beschl. v. 11.2.2019 – 8 IN 730/18, juris.
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Kexel
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
§ 13a
Jedenfalls wenn die Gesellschaft nach Ausscheiden des Antragstellers aus der Geschäftsführung nur noch durch den Geschäftsführer gesetzlich vertreten wird, der die Rücknahme des Antrags des Ausgeschiedenen erklärt hat, steht diesem das Recht zur Abgabe der verfahrensrechtlichen Erklärung aus § 13 Abs. 2 zu.91)
47
VIII. Antragsabweisung Ist der Antrag unzulässig oder unbegründet, so wird er abgewiesen. Die Kosten hat gemäß § 4 InsO, § 91 ZPO der Antragsteller zu tragen. 1.
Kosten
Zu den Kosten gehören neben den Gerichts- und außergerichtlichen Kosten die Rechtsanwaltskosten und die Vergütung eines ggf. bestellten vorläufigen Verwalters.92) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG sind als Auslagen die Kosten von öffentlichen Bekanntmachungen (KV 9004) und die Kosten eines Sachverständigengutachtens (KV 9005) zu zahlen. Wird das Gutachten aus einem anderen Verfahren verwertet, so sind die Kosten anteilig zu berücksichtigen.93) 2.
48
49
Wirkungen
Die Abweisungsentscheidung hat keine Auswirkungen auf andere Verfahren. Selbst derjenige, dessen Antrag abgewiesen wurde, kann – ggf. mit neuer oder erweiterter Begründung – einen neuen Antrag stellen. Insbesondere kann der Schuldner, dessen Antrag auf Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens als in der gewählten Verfahrensart unzulässig abgewiesen wurde, nunmehr – unter Beachtung des § 305 – einen Antrag auf Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen. Gleiches gilt natürlich auch umgekehrt.
50
IX. Rechtsmittel Wird der Eröffnungsantrag als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen, so steht dem Antragsteller hiergegen gemäß § 34 Abs. 1 die sofortige Beschwerde zu. Das gleiche Recht hat gemäß § 34 Abs. 2 der Schuldner jedenfalls im Falle der Verfahrenseröffnung. Zu weiteren Konstellationen vgl. die Anmerkungen zu § 34. _____________ 91) BGH, Beschl. v. 10.7.2008 – IX ZB 122/07, Rz. 6, ZIP 2008, 1596 = ZInsO 2008, 922. 92) LG Köln, Beschl. v. 12.7.1956 – 1 T 227/56, KTS 1956, 127 f. 93) LG Duisburg, Beschl. v. 9.7.1990 – 4 T 157/90, Rpfleger 1990, 434, 435.
§ 13a Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands Graf-Schlicker
(1) In einem Antrag nach § 3a Absatz 1 sind anzugeben: 1.
Name, Sitz, Unternehmensgegenstand sowie Bilanzsumme, Umsatzerlöse und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer des letzten Geschäftsjahres der anderen gruppenangehörigen Unternehmen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind; für die übrigen gruppenangehörigen Unternehmen sollen entsprechende Angaben gemacht werden, Graf-Schlicker
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51
§ 13a
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
2.
aus welchen Gründen eine Verfahrenskonzentration am angerufenen Insolvenzgericht im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt,
3.
ob eine Fortführung oder Sanierung der Unternehmensgruppe oder eines Teils davon angestrebt wird,
4.
welche gruppenangehörigen Unternehmen Institute im Sinne des § 1 Absatz 1b des Kreditwesengesetzes, Finanzholding-Gesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 3a des Kreditwesengesetzes, Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuches, Zahlungsdienstleister im Sinne des § 1 Absatz 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes oder Versicherungsunternehmen im Sinne des § 7 Nummer 33 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind, und
5.
die gruppenangehörigen Schuldner, über deren Vermögen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt oder ein Verfahren eröffnet wurde, einschließlich des zuständigen Insolvenzgerichts und des Aktenzeichens.
(2) 1Dem Antrag nach § 3a Absatz 1 ist der letzte konsolidierte Abschluss der Unternehmensgruppe beizufügen. 2Liegt ein solcher nicht vor, sind die letzten Jahresabschlüsse der gruppenangehörigen Unternehmen beizufügen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind. 3Die Jahresabschlüsse der übrigen gruppenangehörigen Unternehmen sollen beigefügt werden. Literatur: Beck, Perspektiven eines Konzerninsolvenzrechts, DZWIR 2014, 381; Fölsing, Konzerninsolvenz: Gruppen-Gerichtsstand, Kooperation und Koordination, ZInsO 2013, 413; Frind, Gefahren und Probleme bei der insolvenzgesetzlichen Regelung der Insolvenz der „Unternehmensgruppe“, ZInsO 2014, 927; Frind, Die Überregulierung der „Konzern“insolvenz, Anmerkungen zum Diskussionsentwurf eines „Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen“, ZInsO 2013, 429; Graf-Schlicker, Konzerninsolvenzrechtsreform, in: Bankenregulierung, Insolvenzrecht, Kapitalanlagegesetzbuch, Honorarberatung, 2014, S. 27; Graf-Schlicker, Mit Blick auf Europa: Ein Konzerninsolvenzrecht schaffen, AnwBl. 2013, 620; Harder, Das neue deutsche Konzerninsolvenzrecht im Überblick, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche/Schöttler/Siebert/Pruskowski, Quo vadis iudex concursus? – Das Insolvenzgericht auf dem Weg vom Konkursgericht zum Sanierungsgericht?!, in: Festschrift für Heinz Vallender, 2015, S. 311; Lienau, Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 157; Leutheusser-Schnarrenberger, Dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform, ZIP 2013, 97; Thole, Das neue Konzerninsolvenzrecht in Deutschland und Europa, KTS 2014, 351; Vallender, Einführung eines Gruppen-Gerichtsstands – ein sachgerechter Ansatz zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 162; Verhoeven, Konzerne in der Insolvenz nach dem Regierungsentwurf zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (RegE), ZInsO 2014, 217. Übersicht I. Normzweck; Überblick ....................... II. Angaben im Antrag zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands (Abs. 1) .................................................. 1. … zur Unternehmensgruppe (Nr. 1) .................................................... 2. … zur Verfahrenskonzentration (Nr. 2) ....................................................
132
1 2 2 3
3.
… zur Fortführung oder Sanierung (Nr. 3) .................................................... 4 4. … zur Zugehörigkeit von Unternehmen mit besonderer Aufsicht (Nr. 4) .................................................... 5 5. … zu Insolvenzverfahren gruppenangehöriger Unternehmen (Nr. 5) ...... 6 III. Beizufügende Unterlagen (Abs. 2) ...... 7
Graf-Schlicker
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
I.
§ 13a
Normzweck; Überblick
Die Norm stellt Anforderungen an den Antrag auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands (§ 3a Abs. 1) auf. Das antragstellende Unternehmen hat bestimmte Angaben zu machen (Abs. 1) und Unterlagen beizufügen (Abs. 2). Dies soll dem Gericht die Prüfung des Antrags erleichtern. Es handelt sich aber um keine Zulässigkeitsvoraussetzung – weder für den Antrag auf Begründung des GruppenGerichtsstands noch für den (hiervon zu unterscheidenden) Insolvenzeröffnungsantrag.1) Bleiben allerdings infolge fehlender oder unvollständiger Angaben Zweifel daran, dass die Voraussetzungen für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands gegeben sind, kann der Antrag abgelehnt werden (vgl. § 3a Abs. 2).2)
1
II. Angaben im Antrag zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands (Abs. 1) 1.
… zur Unternehmensgruppe (Nr. 1)
Nach Absatz 1 Nr. 1 sind Name, Sitz, Unternehmensgegenstand sowie Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahlen des letzten Geschäftsjahrs der übrigen Unternehmen der Unternehmensgruppe anzugeben. Diese Angaben sind notwendig, damit das Gericht die Voraussetzungen für den Gruppen-Gerichtsstand (§ 3a Abs. 1) prüfen kann. Insbesondere hat es auszuschließen, dass das antragstellende Unternehmen von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe ist.3) Eine solche untergeordnete Bedeutung ist nach § 3a Abs. 1 Satz 2 in der Regel nicht gegeben, wenn sein Anteil an der zusammengefassten Bilanzsumme (§ 267 Abs. 4a HGB), den zusammengefassten Umsatzerlösen (§ 275 Abs. 2 Nr. 1 HGB) und den zusammengefassten Arbeitnehmerzahlen der Unternehmensgruppe (§§ 267 Abs. 5, 314 Abs. 1 Nr. 4 HGB) jeweils 15 % übersteigt. Diese Regelbeispiele haben jedoch keinen abschließenden Charakter (siehe dazu § 3a Rz. 6).4) Die jeweiligen Kennzahlen für den antragstellenden Schuldner, die den zusammengefassten Zahlen gegenüberzustellen sind, kann das Gericht dessen Eröffnungsantrag entnehmen (§ 13 Abs. 1 Satz 5).5) 2.
… zur Verfahrenskonzentration (Nr. 2)
Nach Absatz 1 Nr. 2 sind Angaben zu den Gründen zu machen, die für eine im gemeinsamen Interesse der Gläubiger (der Unternehmensgruppe) liegende Verfah_____________ 1)
2) 3) 4)
5)
2
Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 29. Vuia in: MünchKomm-InsO, § 13a Rz. 18. Eine Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4, 6 kommt daher nicht in Betracht, zweifelnd insoweit Brand, ZInsO 2019, 2091. Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 13a Rz. 31. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 29. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 26; im Ergebnis ebenso AG Hamburg, Beschl. v. 9.6.2020 – 67g IN 136/20, ZRI 2020, 391; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 3a Rz. 7; Wilken in: Flöther, Konzerninsolvenzrecht, § 4 Rz. 57; Gelbrich/Flöther in: BeckOK-InsO, § 3a Rz. 13; a. A. Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 3a Rz. 6; Wimmer-Wimmer-Amend, FKInsO, § 3a Rz. 24; Harder, NJW-Spezial 2017, 469; Laroche, ZInsO 2017, 2585, 2590. Zu den Möglichkeiten der konkreten Darstellung vgl. Wimmer-Wimmer-Amend, FKInsO, § 13a Rz. 8.
Graf-Schlicker
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3
§ 13a
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
renskonzentration am beantragten Gruppen-Gerichtsstand sprechen, also z. B. zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, zur Organisation der Gruppe, zur besonderen Sachkunde des Insolvenzgerichts.6) Das Gericht muss das Bestehen eines gemeinsamen Interesses der Gläubiger der Unternehmensgruppe nicht positiv feststellen; vielmehr reicht es für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands aus, dass ein solches Interesse nicht zweifelhaft ist (§ 3a Abs. 2). Um eine solche Prüfung des Gerichts zu ermöglichen, hat der Antragsteller Angaben zu machen, aus welchen Gründen eine Verfahrenskonzentration im Interesse der Gläubiger liegt. Angaben sind insoweit in zweierlei Hinsicht erforderlich: Zum einen muss eine Verfahrenskonzentration überhaupt im gemeinsamen Gläubigerinteresse liegen. Zum anderen muss die Konzentration beim angerufenen Gericht im Interesse der Gläubiger liegen. 3. 4
4. 5
… zur Zugehörigkeit von Unternehmen mit besonderer Aufsicht (Nr. 4)
Die nach Absatz 1 Nr. 4 erforderlichen Angaben, ob zu den gruppenangehörigen Unternehmen beaufsichtigte Finanzinstitute (insbesondere Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen) gehören, tragen dem Umstand Rechnung, dass bei diesen Unternehmen das Insolvenzantragsrecht bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde monopolisiert ist (§ 46b Abs. 1a KWG, § 312 Abs. 1 VAG). Eine Konzentration der Verfahren über diese Unternehmen ist daher nur mit Zustimmung dieser Aufsichtsbehörden möglich, was deren frühzeitige Einbindung erforderlich macht. 5.
6
… zur Fortführung oder Sanierung (Nr. 3)
Für die Frage, ob ein gemeinsames Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration besteht, ist auch von Relevanz, ob eine Fortführung oder Sanierung des Unternehmens beabsichtigt ist. Daher sind nach Absatz 1 Nr. 3 dazu Angaben zu machen. Diese Angaben sind auch für die Auswahl und Bestellung eines oder mehrerer Verwalter von Wichtigkeit.7)
… zu Insolvenzverfahren gruppenangehöriger Unternehmen (Nr. 5)
Die nach Absatz 1 Nr. 5 notwendigen Informationen zu etwaigen Insolvenzanträgen oder eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen anderer gruppenangehöriger Unternehmen sollen das Gericht befähigen, die Verfahrensführung mit den jeweils befassten Insolvenzgerichten nach Maßgabe der §§ 56b, 269b abzustimmen, insbesondere im Hinblick auf die Bestellung eines einheitlichen Verwalters oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen. Damit die Gerichte untereinander möglichst rasch und reibungslos kommunizieren können, sollte der Schuldner in seinem Antrag die zuständigen Insolvenzgerichte und die Aktenzeichen der Verfahren angeben.8) III. Beizufügende Unterlagen (Abs. 2)
7
Nach Absatz 2 ist dem Antrag nach § 3a der letzte konsolidierte Abschluss der Unternehmensgruppe (vgl. dazu § 297 HGB) beizufügen, um das Insolvenzgericht _____________ 6) 7) 8)
134
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 13a Rz. 21 ff. Uhlenbruck-Pape, InsO, § 13a Rz. 13; Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 13a Rz. 19. So auch Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 13a Rz. 30; Vuia in: MünchKomm-InsO, § 13a Rz. 14; Wimmer-Wimmer-Amend, FK-InsO, § 13a Rz. 23.
Graf-Schlicker
§ 14
Antrag eines Gläubigers
bestmöglich über die Unternehmensgruppe und deren Tätigkeit zu informieren.9) Ist ein solcher nicht erstellt, sind zumindest die Einzelabschlüsse derjenigen gruppenangehörigen Unternehmen beizufügen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind. Die Jahresabschlüsse der übrigen Unternehmen sollen beigefügt werden. Mit diesen Unterlagen kann das Gericht sich einen Überblick über die Unternehmensgruppe verschaffen und die Angaben zum Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration am Gruppen-Gerichtsstand nachvollziehen. _____________ 9)
Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks. 18/407, S. 29.
§ 14 Antrag eines Gläubigers Kexel
(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. 2Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. (2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören. (3) 1Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. 2Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte. )
)
§ 14 Abs. 3 Satz 2 eingefügt durch Art. 5 Nr. 7 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, m. W. v. 1.1.2021.
Literatur: Frind/Schmidt, Sozialversicherungsträger – Nassauer des Insolvenzverfahrens? (Teil II), ZInsO 2002, 8; Frind/Schmidt, Sozialversicherungsträger – Nassauer des Insolvenzverfahrens? (Teil I), ZInsO 2001, 1133; Gundlach/Rautmann, Die Änderung des § 14 InsO durch das Haushaltsbegleitgesetz, NZI 2011, 315; Heyrath/Jahnke/Kühn, Der Tod des Schuldners im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, ZInsO 2007, 1202; Klages/Pape, G., Die Neuregelung des § 14 InsO – Eine Bestandsaufnahme unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, NZI 2013, 561; Marotzke, Kostenfreie Weiterverfolgung eines von Gläubigerseite gestellten Insolvenzantrags trotz Wegfalls der zugrunde liegenden Forderung?, ZInsO 2011, 841; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, Beiträge zum Insolvenzrecht, Bd. 36, 2005; Schmahl, Zur Praxis öffentlich-recht-licher Gläubiger bei der Stellung und Rücknahme von Eröffnungsanträgen, NZI 2002, 177; Vallender/Fuchs/Rey, Der Gläubigerantrag und seine Behandlung bis zur Eröffnungsentscheidung, NZI 1999, 181; Wohlleben, Die Rechtsstellung des PensionsSicherungs-Vereins auf Gegenseitigkeit (PSVaG) nach neuem Insolvenzrecht, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 1655. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Antragsvoraussetzungen (Abs. 1) ...... 2
1.
Kexel
Rechtliches Interesse ............................. 4 a) Einfacherer und billigerer Weg ..... 7
135
§ 14
Antrag eines Gläubigers
b) Missbräuchliche Zwecke ............... 8 c) Nutzloser Antrag ......................... 11 2. Forderung gegen den Schuldner ........ 12 a) Schlüssige Darlegung ................... 15 b) Glaubhaftmachung ...................... 16 c) Erfüllung der Antragsforderung (Abs. 1 Satz 2) ..................... 22 3. Eröffnungsgrund ................................. 24 a) Zahlungsunfähigkeit .................... 25 b) Überschuldung ............................. 29 III. Das Eröffnungsverfahren .................. 30 1. Zulässigkeit des Eröffnungsantrages ................................................ 31 2. Anhörung des Schuldners (Abs. 2) und weiteres Verfahren ....................... 32
I. 1
3.
Begründetheit des Eröffnungsantrages ................................................ 38 4. Rechtsmittel und Kosten (auch: Abs. 3) ...................................... 42 IV. Erledigung der Hauptsache .............. 46 1. Übereinstimmende Erledigungserklärung .............................................. 50 2. Einseitige Erledigungserklärung ......... 51 V. Tod eines Verfahrensbeteiligten ...... 53 1. Tod des Antragstellers ........................ 54 2. Tod des Schuldners ............................. 55 a) Gläubigerantrag ............................ 55 b) Eigenantrag ................................... 56 VI. Besonderheiten beim Insolvenzantrag durch das Finanzamt ............. 57
Normzweck
Nachdem die Antragsberechtigung in § 13 Abs. 1 Satz 2 geregelt ist (siehe auch § 13 Rz. 5 ff), sind in Absatz 1 Satz 1 weitere Zulässigkeitserfordernisse eines Gläubigerantrags geregelt. Schon Absatz 1 Satz 2 und 3 a. F.1) sollte einer Insolvenzverschleppung durch die Praxis vieler überschuldeter Schuldner vorbeugen, jeweils nur die Forderung des antragstellenden Gläubigers, häufig des Fiskus oder eines Sozialversicherungsträgers, zu begleichen;2) durch die Streichung des Erfordernisses eines Erstantrags in der ab dem 5.4.2017 gültigen Fassung soll das Gläubigerantragsrecht weiter gestärkt und die Möglichkeit insbesondere der Sozialversicherungsträger, auf eine frühzeitige Sachverhaltsaufklärung hinzuwirken, verbessert werden.3) Den gleichen Zwecken dient Absatz 3,4) der dem Schuldner, der es auf die Antragstellung hat ankommen lassen, die Kosten des – sonst zulässigen – Verfahrens zuweist; auch damit sollen Gläubiger zu einer frühzeitigen Antragstellung ermuntert werden.5) Absatz 3 Satz 26) schützt den Gläubiger entsprechend im Falle _____________ 1)
2) 3) 4) 5) 6)
136
§ 14 Abs. 1 Sätze 2 und 3 eingef. durch Art. 3 Nr. 1 Buchst. a des Haushaltsbegleitgesetzes (HbeglG 2011), v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1885, m. W. v. 1.1.2011; § 14 Abs. 1 Satz 2 neugefasst durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a und früherer Satz 3 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz, v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654, m. W. v. 5.4.2017. § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 i. d. F. vom 1.1.2011 bis 4.4.2017 lauteten: „2War in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden, so wird der Antrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. 3In diesem Fall hat der Gläubiger auch die vorherige Antragstellung glaubhaft zu machen.“ Begr. RegE HbeglG 2011, BT-Drucks. 17/3030, S. 42; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 18. Begr. RegE Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG, BT-Drucks. 18/7054, S. 14, 16. § 14 Abs. 3 eingefügt durch Art. 3 Nr. 1 Buchst. b des Haushaltsbegleitgesetzes (HbeglG 2011), v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1885, m. W. v. 1.1.2011. Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 14 Rz. 151. § 14 Abs. 3 Satz 2 eingefügt durch Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256.
Kexel
§ 14
Antrag eines Gläubigers
einer Abweisung wegen einer ihm unbekannten, nicht öffentlichen Stabilisierungsanordnung. Absatz 2 konkretisiert Art. 103 Abs. 1 GG. II. Antragsvoraussetzungen (Abs. 1) Auch bei einem Gläubigerantrag müssen die allgemeinen Antragsvoraussetzungen (siehe § 13 Rz. 13 ff), insbesondere die ordnungsgemäße Bezeichnung des Schuldners, vorliegen.
2
Der Gläubiger braucht nicht zu erklären, ob über das Vermögen des Schuldners ein Regel- oder ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen ist, insbesondere hat er nicht Unterlagen i. S. von § 305 einzureichen. Die Frage der Verfahrensart hat das Insolvenzgericht von Amts wegen zu klären.7) Stellt der Gläubiger jedoch den Antrag in einer bestimmten Verfahrensart und beharrt er hierauf trotz des Hinweises, dass das Insolvenzgericht insoweit anderer Ansicht ist, so ist der Antrag als in der gewählten Verfahrensart unzulässig abzuweisen.8) Ein Schuldner, der die vom Gläubiger gewählte Verfahrensart für die unrichtige hält, kann im Falle einer Verfahrenseröffnung seine Auffassung, das Verfahren sei in der anderen Verfahrensart durchzuführen, mit der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss geltend machen.9) Ohnehin hat der Schuldner als natürliche Person die Möglichkeit, einen Eigenantrag „nachzuschieben“, schon um so auch Restschuldbefreiung erlangen zu können.
3
1.
Rechtliches Interesse
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Gläubigerantrags ist, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat. Dieses ist infolge des staatlichen Vollstreckungsmonopols regelmäßig gegeben, wenn er Inhaber einer Forderung ist (siehe unten Rz. 12 f) und einen Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht hat (siehe unten Rz. 16 ff).10) Grundsätzlich bedarf es daher im Antrag keiner weiteren Ausführungen hierzu.
4
Ist bereits ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, fehlt weiteren Anträgen auf Eröffnung des Verfahrens über das bereits insolvenzbefangene Vermögen aber das rechtliche Interesse; das gilt gleichermaßen für Gläubigerund für Eigenanträge und auch für solche, die vor Eröffnung gestellt worden sind.11) Dasselbe gilt regelmäßig auch in der Wohlverhaltensperiode; für die ausnahmsweise _____________
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7) LG Mannheim, Beschl. v. 4.5.1999 – 1 T 50/99, ZInsO 2000, 679, 680 = NZI 2000, 490; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 5. 8) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 5. 9) OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 244/99, ZIP 2000, 2031, 2033 = NZI 2000, 542, dazu EWiR 2001, 537 (G. Pape). 10) BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, Rz. 7, ZIP 2006, 1452 = ZVI 2006, 334, dazu EWiR 2006, 595 (Frind); BGH, Beschl. v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, Rz. 7, ZIP 2008, 565 = ZVI 2008, 112, dazu EWiR 2008, 369 (Büttner). 11) BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976 = ZInsO 2008, 924, dazu EWiR 2009, 155 (Sailer); BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 = ZInsO 2004, 739, dazu EWiR 2004, 987 (Hölzle); anderes gilt für den Ausnahmefall des § 35 Abs. 2, über freigegebenes „Sondervermögen“ ist ein Insolvenzantrag gegen denselben Schuldner möglich, BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326 f = ZInsO 2011, 1349, dazu EWiR 2011, 751 (R. Weiß/Rußwurm).
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
Annahme des rechtlichen Interesses hat der Neugläubiger darzulegen, dass für ein neues Verfahren überhaupt verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist.12) Das Erfordernis des rechtlichen Interesses entfällt auch nicht im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 2; allerdings sind in diesem Fall strenge Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse und die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrunds zu stellen, so dass ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Verfahrensfortführung regelmäßig nur bei Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern anzuerkennen sein wird, weil diese öffentlichen Gläubiger nicht verhindern können, dass sie weitere Forderungen gegen den Schuldner erwerben (siehe näher Rz. 22 f).13) 6
Nach allgemeinen Regeln mangelt es an einem Rechtsschutzinteresse für einen Insolvenzantrag weiterhin, wenn der Gläubiger über einen einfacheren und billigeren Weg zur Durchsetzung seiner Forderung verfügt – siehe Rz. 7 –, wenn der Antrag missbräuchlich oder zu verfahrensfremden Zwecken gestellt wird – siehe Rz. 8 – oder wenn die erstrebte Entscheidung über den Antrag nutzlos ist – siehe Rz. 11. a) Einfacherer und billigerer Weg
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Die Möglichkeit der Einzelzwangsvollstreckung ist nicht als einfacherer und billigerer Weg anzusehen. Ein Gläubiger mit einer titulierten Forderung muss nicht zunächst die Singularvollstreckung versuchen oder gar alle Möglichkeiten derselben ausschöpfen.14) Es gibt keinen generellen Vorrang der Einzelzwangsvollstreckung, wenn beim Schuldner ein Insolvenzgrund vorliegt und der Gläubiger diesen auch ohne durchgeführte Einzelzwangsvollstreckung glaubhaft machen kann.15) Eine – seltene – Ausnahme kommt aber in Betracht, wenn der – insolvenzfähige, siehe oben § 11 Rz. 4 ff – Schuldner eine Partei bzw. ein Gebietsverband einer solchen ist; hier ist bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften der InsO neben dem insolvenzrechtlichen Verfahrenszweck auch der verfassungsrechtliche Status der Partei zu berücksichtigen.16) b) Missbräuchliche Zwecke
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Rechtsmissbräuchlich und damit mangels rechtlichen Interesses unzulässig kann ein Antrag sein, wenn es dem Antragsteller um die Erreichung anderer Ziele als desjenigen der Befriedigung der eigenen Forderung i. R. eines Insolvenzverfahrens
_____________ 12) AG Köln, Beschl. v. 7.2.2008 – 72 IN 649/07, NZI 2008, 386; AG Oldenburg, Beschl. v. 3.8.2004 – 60 IN 97/04, ZVI 2005, 44 = ZInsO 2004, 1154; AG Oldenburg, Beschl. v. 11.11.2008 – 65 IN 30/08, ZVI 2009, 196; AG Oldenburg, Beschl. v. 9.2.2009 – 69 IN 3/09, ZVI 2009, 195; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 25; a. A. – rechtliches Interesse liegt in der Wohlverhaltensperiode ohne weiteres vor – AG Göttingen, Beschl. v. 5.10.2007 – 74 IN 295/07, ZVI 2007, 534 = NZI 2008, 56; AG Göttingen, Beschl. v. 26.2.2008 – 74 IN 304/07, ZVI 2008, 170 = NZI 2008, 313. 13) BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZB 18/12, ZIP 2012, 1674 = NZI 2012, 708, dazu EWiR 2012, 763 (Kruth); Klages/G. Pape, NZI 2013, 561, 565 f. 14) Vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 1.11.2006 – 74 IN 117/06, ZIP 2007, 295 = ZVI 2006, 506. 15) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408. 16) BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – IX ZB 4/18, ZRI 2021, 131 = ZIP 2021, 372.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
geht.17) Das gilt etwa für einen Antrag, mit dem der Gläubiger nur zu seinem eigenen Vorteil und zum Nachteil anderer Gläubiger Vermögensgegenstände des Schuldners ermitteln lassen will, in die er dann außerhalb eines Insolvenzverfahrens vollstrecken kann.18) Das rechtliche Interesse ist auch bei sog. „Druckanträgen“ zu verneinen, die allein zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber – aus welchen Gründen auch immer – zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen.19) Ohne weitere Anhaltspunkte wird sich jedoch zumeist nicht feststellen lassen, dass das Ziel des Gläubigers gar nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, insbesondere, wenn zur Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit eine Fruchtlosigkeitsbescheinigung vorgelegt worden ist.20) Ein Missbrauch liegt ferner vor, wenn der Antrag dazu dient, einen Wettbewerber oder lästigen Vertragspartner vom Markt zu verdrängen21) oder die Löschung des Schuldners im Handelsregister zu erreichen.22) Das rechtliche Interesse entfällt jedoch nur dann, wenn der Gläubiger ausschließlich insolvenzwidrige Zwecke verfolgt. Erstrebt er neben einer quotalen Befriedigung zugleich die Ausschaltung eines zahlungsunfähigen Wettbewerbers, kann ihm ein Rechtsschutzinteresse nicht versagt werden.23) Auch der Nebenzweck, einen insolventen Schuldner an einer weiteren Tätigkeit zu hindern, schließt mit Rücksicht auf den allgemeinen Verkehrsschutz zur Vermeidung einer fortwährenden Gläubigergefährdung das Rechtsschutzinteresse nicht aus.24) Demgegenüber kommt es auf die Höhe der Forderung nicht an, sodass auch eine (relativ) geringfügige Forderung das Rechtsschutzbedürfnis nicht ausschließt.25) In einem solchen Fall kann aber Veranlassung bestehen, die Zahlungsunfähigkeit besonders zu prüfen. Auch allein der Umstand, dass der antragstellende Gläubiger über Jahre keine Vollstreckung versucht hat, vermag einen Missbrauch nicht zu begründen.
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Ebenso wenig kann ein Missbrauch daraus hergeleitet werden, dass der antragstellende Gläubiger nicht bereit ist, Auskünfte hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs gegen sich zu erteilen.26)
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_____________ 17) BGH, Beschl. v. 21.6.2007 – IX ZB 51/06, NZG 2007, 623, 624 = NZI 2008, 121; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, Rz. 7, ZIP 2008, 565 = ZVI 2008, 112; JaegerGerhardt, InsO, § 14 Rz. 4. 18) BGH, Beschl. v. 15.7.2004 – IX ZB 280/03, ZVI 2004, 753, 754; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, Rz. 7, ZIP 2008, 565 = ZVI 2008, 112. 19) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 113. 20) Vgl. zu „Druckanträgen“ der Sozialversicherungen: Frind/Schmidt, ZInsO 2001, 1133 ff; Frind/Schmidt, ZInsO 2002, 8; Schmahl, NZI 2002, 177. 21) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 214/10, ZIP 2011, 1161 = NZI 2011, 540, dazu EWiR 2011, 467 (Frind); BGH, Beschl. v. 21.6.2007 – IX ZB 51/06, Rz. 14, NZG 2007, 623 = NZI 2008, 121; BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, Rz. 12, ZIP 2006, 1452 = ZVI 2006, 334; BGH, Urt. v. 22.5.1962 – VI ZR 256/61, WM 1962, 929, 930 f; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.12.1983 – 14 W 187/83, ZIP 1984, 195 f. 22) LG Potsdam, Beschl. v. 5.4.2002 – 5 T 79/01, ZInsO 2002, 1149. 23) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 214/10, ZIP 2011, 1161 = NZI 2011, 540 m. w. N. 24) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 214/10, ZIP 2011, 1161 m. w. N = NZI 2011, 540 m. w. N. 25) BGH, Beschl. v. 20.3.1986 – III ZR 55/85, NJW-RR 1986, 1188 f = WM 1986, 652. 26) BGH, Beschl. v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, Rz. 9, ZIP 2008, 565 = ZVI 2008, 112.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
c) Nutzloser Antrag 11
Ein solcher liegt vor, wenn der Antragsteller an einem eröffneten Insolvenzverfahren nicht beteiligt wäre,27) so bspw. ein Aussonderungsberechtigter, der gemäß § 47 seine Rechte vollumfänglich außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen kann28) oder ein Absonderungsberechtigter, der (ausnahmsweise – beachte §§ 88 und 131) hinsichtlich seiner Forderung am Vermögen des Schuldners in voller Höhe dinglich gesichert ist.29) Hierbei kommt es aber stets darauf an, ob eine Befriedigung der Forderung des antragstellenden Gläubigers mit Sicherheit zu erwarten ist.30) Nicht unzulässig ist der Antrag aber allein deswegen, weil der (auch ggf. „nur“ nachrangige)31) Gläubiger voraussichtlich keine Quote erwarten kann; generell ist eine Befriedigungsaussicht kein Erfordernis für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses.32) 2.
Forderung gegen den Schuldner
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Die Forderung des Gläubigers muss durchsetzbar und auf Zahlung aus dem allgemeinen Vermögen des Schuldners gerichtet sein. Ein auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein bestimmtes Grundstück gerichteter Titel ist nicht ausreichend.33) Auch muss sich die Forderung gerade gegen den Antragsgegner richten, was durch einen Vergleich der Bezeichnung des Schuldners in der Antragsschrift mit jener in etwa vorgelegten Titeln oder anderen zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen zu prüfen ist. Der Gläubiger einer GmbH & Co. KG ist gemäß § 161 Abs. 2, § 128 HGB auch Gläubiger der Komplementär-GmbH. Für einen Insolvenzantrag über das Vermögen einer BGB-Gesellschaft ist eine gegen diese selbst gerichtete Forderung erforderlich.34) Behauptet der Gläubiger, der Antragsgegner hafte gemäß § 25 Abs. 1 HGB als Firmenfortführer, so hat er diesen Vortrag glaubhaft zu machen.35)
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Tritt, während das Insolvenzgericht die Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung prüft, die Verjährung der Antragsforderung ein, so kann sich der Schuldner im Eröffnungsverfahren auf die Verjährung berufen, da es nunmehr an einer durchsetzbaren Forderung fehlt.36) An der Durchsetzbarkeit fehlt es auch im Falle einer wirk_____________ 27) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 113, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 169. 28) Begr. RegE InsO z. § 15 RegE/§ 13, BT-Drucks. 12/2443, S. 113, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 168. 29) BGH, Beschl. v. 29.11.2007 – IX ZB 12/07, Rz. 12, ZIP 2008, 281 = ZVI 2008, 13, dazu EWiR 2008, 407 (Hölzle); BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 250/10, NZI 2011, 632 f; BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 251/10, ZInsO 2011, 1216 f – in diesem Fall ist der Schuldner darlegungspflichtig dafür, dass eine vollständige Befriedigung zu erwarten ist. 30) Hieran kann es etwa fehlen, wenn einer Befriedigung § 765a ZPO entgegenstehen könnte, BGH, Beschl. v. 10.12.2020 – IX ZB 24/20, ZRI 2021, 88 = ZIP 2021, 136. 31) BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZIP 2010, 2055 f = NZI 2011, 58 m. w. N. zum sonst streitigen Meinungsstand, dazu EWiR 2010, 819 (Gundlach/U. Müller). 32) BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZIP 2010, 2055 = NZI 2011, 58. 33) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.5.2001 – 26 W 37/01, ZInsO 2002, 75, 77 = WM 2001, 1629. 34) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 6. 35) OLG Köln, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 32/01, ZIP 2001, 975, 976 = NZI 2001, 308, dazu EWiR 2001, 733 (Holzer). 36) LG Göttingen, Beschl. v. 2.5.2005 – 10 T 55/05, NZI 2005, 395, 396.
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Antrag eines Gläubigers
samen Stabilisierungsanordnung und der daraus folgenden Vollstreckungssperre gemäß § 49 Abs. 1 StaRUG37); nach Absatz 3 Satz 2 kann die entsprechende Antragsabweisung indes zu einer Kostentragungspflicht des Schuldners führen, siehe unten Rz. 43. Wird die Forderung des antragstellenden Gläubigers nach Antragstellung und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt, und unterlegt er seinen Antrag auch nicht mit einer anderen, so erlischt grundsätzlich sein Antragsrecht;38) eine Ausnahme regelt Absatz 1 Sätze 2 und 3, siehe hierzu unten Rz. 22. Der Gläubiger kann seinen Antrag aber immer noch auf eine Teilforderung stützen,39) als auch die Forderung ganz auswechseln40) oder eine neue nachschieben. Das gilt auch dann, wenn der Schuldner die dem Antrag ursprünglich zugrunde liegende Forderung bezahlt hat.41) Eine rechtlich ungeklärte Forderung ist zur Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrunds ungeeignet,42) grundsätzlich bleibt die Klärung zweifelhafter Rechtsfragen dem Prozessgericht vorbehalten.43)
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a) Schlüssige Darlegung Zunächst muss der Gläubiger seine Forderung so schlüssig darlegen, dass das Insolvenzgericht notfalls selbst eine materiell-rechtliche Prüfung vornehmen kann.44) Insofern kommt eine Bezugnahme auf Titel, aber z. B. auch auf (geprüfte) Rechnungen oder Vereinbarungen in Betracht. Besonderheiten gelten insofern für Sozialversicherungsträger, die selbst ihre Vollstreckungstitel erlassen: Wurde hier von der Rechtsprechung lange Jahre gefordert, dass sie zwar ihre Forderung nicht schlüssig darlegen, aber jedenfalls dergestalt aufschlüsseln müssen, dass einerseits erkennbar ist, für welchen Zeitraum und für welche Arbeitnehmer Beiträge geschuldet sind,45) und andererseits nach Beiträgen, Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren unterschieden wird46) und zu diesem Zweck entweder die einzelnen Leistungsbe_____________ 37) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 38) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408. 39) OLG Köln, Beschl. v. 29.12.1999 – 2 W 188/99, ZIP 2000, 504, 507 = NZI 2000, 78, dazu EWiR 2000, 401 (A. Schmidt). 40) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – IX ZB 188/11, ZInsO 2012, 593. 41) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – IX ZB 188/11, ZInsO 2012, 593; LG Göttingen, Beschl. v. 8.3.1993 – 6 T 37/93, ZIP 1993, 446, 447 = Rpfleger 1993, 458. 42) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91 = ZVI 2005, 125; BGH. Beschl. v. 1.2.2007 – IX ZB 79/06, NZI 2007, 350. 43) Was aber im Einzelfall dem Insolvenzgericht die Lösung auch schwieriger Rechtsfragen nicht verbietet, vgl. AG Köln, Beschl. v. 7.3.2007 – 71 IN 609/06, NZI 2007, 666. 44) AG Göttingen, Beschl. v. 26.7.1999 – 71/74 IN 145/99, ZIP 1999, 1566, 1567, dazu EWiR 1999, 897 (Eckardt). 45) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, Rz. 8, ZIP 2006, 1456 = ZVI 2006, 503; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408. 46) LG Potsdam, Beschl. v. 3.6.2002 – 5 T 159/02, ZVI 2002, 363 = ZInsO 2002, 780 f.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
scheide oder aufgeschlüsselte und nachvollziehbare Kontoauszüge vorzulegen seien,47) genügt im Hinblick auf die Neufassung des § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV48) der durch den Arbeitgeber der Einzugsstelle durch Datenübertragung zu übermittelnde Beitragsnachweis aus, obwohl dieser die fällige Beitragsschuld in einer Summe und ohne Bezug zum einzelnen Arbeitnehmer ausweist.49) Für Finanzämter wird indes weiter die entsprechende Individualisierung zu fordern sein, wobei hier insbesondere auch die (Steuer-)Forderungen nach Steuerarten aufzuschlüsseln sind. b) Glaubhaftmachung 16
Nach Absatz 1 hat der Gläubiger seine Forderung zudem glaubhaft zu machen.50) Unstreitige Tatsachen – z. B. die Steuerfestsetzungen in aufgeführten Steuerbescheiden – brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden.51) Die vom Gläubiger behauptete Forderung braucht nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht zu werden. Hierzu ist nicht notwendigerweise die Vorlage eines Titels erforderlich.52) Da der Begriff der Glaubhaftmachung in § 14 Abs. 1 dem des § 294 ZPO entspricht,53) kann der Gläubiger gemäß § 4 InsO, § 294 ZPO seine Forderung mit allen präsenten Beweismitteln glaubhaft machen. Danach ist neben den üblichen Beweismitteln grundsätzlich auch die eidesstattliche Versicherung ein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung. Ob die eidesstattliche Versicherung dann für die Überzeugungsbildung des Gerichts ausreicht, ist demgegenüber eine Frage des Einzelfalls.54)
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Die Person des Schuldners – z. B. bei einer Umfirmierung – kann durch Vorlage eines Handelsregisterauszugs glaubhaft gemacht werden. Das Bestehen und die Höhe der Forderung können durch Vorlage von Titeln, aber auch von Verträgen, (bestätigten) Rechnungen, Liefer- und Schuldscheinen sowie von Schriftverkehr glaubhaft gemacht werden. Auch die Vorlage eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses des Schuldners ist möglich.55) Eine einfache Forderungsaufstellung oder ein bloßer Kontoauszug des Gläubigers sind hingegen nicht ausreichend.56) Besonderheiten gelten bei öffentlich-rechtlichen Hoheitsträgern (insbesondere Sozialversicherungen und Finanzämter). Sie können ihre Forderung durch Vorlage ihrer Leistungsbescheide oder Beitragsnachweise der Arbeitgeber bzw. durch _____________ 47) OLG Naumburg, Beschl. v. 10.3.2000 – 5 W 18/00, NZI 2000, 263, 264; OLG Dresden, Beschl. v. 28.8.2000 – 7 W 1396/00, ZInsO 2000, 560, 561 = NZI 2001, 261; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.10.2000 – 3 W 206/00, ZIP 2000, 2260, 2262 f = NZI 2001, 30. 48) Durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Ausgleich von Arbeitgeberforderungen, v. 22.12.2005, BGBl. I 2005, 3686. 49) BGH, Beschl. v. 11.6.2015 – IX ZB 76/13, ZIP 2015, 1445 = ZInsO 2015, 1566, unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rspr. 50) Zu den Anforderungen bei einem Antrag über ein freigegebenes Sondervermögen vgl. auch: AG Hamburg, Beschl. v. 18.6.2008 – 67g IN 37/08, ZIP 2009, 384 = ZVI 2008, 295. 51) BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533. 52) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 7/08, Rz. 3, WuM 2009, 144. 53) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 7/08, Rz. 3, WuM 2009, 144. 54) BayObLG, Beschl. v. 11.9.2001 – 4 Z BR 12/01, ZInsO 2001, 1021 = NZI 2001, 659. 55) BGH, Beschl. v. 12.3.2009 – IX ZB 157/08, ZInsO 2009, 767. 56) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, Rz. 8, ZIP 2006, 1456 = ZVI 2006, 503; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
Steueranmeldungen der Schuldner und Steuerbescheide glaubhaft machen.57) Auch hier gilt, dass allein ein Kontoauszug etwa des sachbearbeitenden Finanzamts als Mittel zur Glaubhaftmachung aber im Regelfall nicht ausreicht, da es sich bloß um eine interne Verwaltungshilfe handelt. Nur wenn der Schuldner keine konkreten Einwendungen gegen die genau aufgelisteten Forderungen erhebt, sondern sich lediglich etwa auf Erlassanträge und Gegenansprüche beruft, kann im Ausnahmefall dennoch von einer hinreichenden Glaubhaftmachung ausgegangen werden.58) Wird jedoch die Existenz der noch nicht bestandskräftig festgestellten Forderung insgesamt in Frage gestellt, ist eine weitergehende Glaubhaftmachung erforderlich. Die Glaubhaftmachung eines Teilbetrags kann aber schon ausreichen.59) Die Vorlage eines Titels reicht selbst dann zur Glaubhaftmachung aus, wenn er nur vorläufig vollstreckbar ist.60) Ob allein ein Vorbehaltsurteil (§ 599 ZPO) ausreicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Nicht ausreichend ist es jedenfalls, wenn im Nachverfahren (§ 600 ZPO) eine Beweisaufnahme durchzuführen ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Prozessgericht im Nachverfahren das Vorbehaltsurteil bestätigt hat.61)
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Im Hinblick auf § 331 Abs. 2 ZPO sind auch ein Versäumnisurteil62) und ein Vollstreckungsbescheid,63) der einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichsteht (§ 700 ZPO), ausreichend. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Schuldner den zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat und sich in erheblicher Weise verteidigt. Bei den regelmäßig nur auf den Angaben des Gläubigers beruhenden Entscheidungen – Versäumnisurteil und Vollstreckungsbescheid – kann es daher angebracht sein zu verlangen, dass die Rechtskraft glaubhaft gemacht wird. Nicht nur bei Vorlage der zuletzt genannten Titel kommt es auch in Betracht, den Schuldner bereits jetzt – ggf. mit dem Hinweis, dass die Zulässigkeit des Antrags noch geprüft wird – anzuhören. Erhebt er dann keine Einwendungen, so ist eine (weitere) Glaubhaftmachung der Forderung seitens des Gläubigers nicht erforderlich.64)
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Der Schuldner kann sich mit einer Gegenglaubhaftmachung wehren. Hierzu ist zunächst ein substantiierter und nachvollziehbarer Sachvortrag erforderlich.65) Ein _____________
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57) BGH, Beschl. v. 8.12.2005 – IX ZB 38/05, Rz. 4, ZIP 2006, 141 = NZI 2006, 172; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZB 264/11, ZInsO 2012, 1418 f. 58) BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533; BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 256/10, ZIP 2011, 1971 = NZI 2011, 712; BGH, Beschl. v. 15.12.2011 – IX ZB 180/11, DB 2012, 572 = NZI 2012, 95; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZB 264/11, ZInsO 2012, 1418 f. 59) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408. 60) OLG Köln, Beschl. v. 14.12.2001 – 2 W 146/01, ZInsO 2002, 772, 774. 61) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.11.1982 – 20 W 639/82, KTS 1983, 148 f. 62) A. A. LG Leipzig, Beschl. v. 29.4.1996 – 12 T 2903/96, ZIP 1996, 880. 63) A. A. LG Potsdam, Beschl. v. 24.11.1999 – 5 T 248/99, NZI 2000, 233; AG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2007 – 67a IN 550/06, ZInsO 2007, 504. 64) LG Duisburg, Beschl. v. 13.2.2002 – 7 T 7/02, ZInsO 2002, 989 = NZI 2002, 666, dazu EWiR 2003, 23 (Frind). 65) AG Göttingen, Beschl. v. 3.5.2002 – 74 IN 134/02, ZInsO 2002, 592, 593 = NZI 2003, 104; zu den Anforderungen an die Gegenglaubhaftmachung bei einer Steuerschätzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vgl. AG Hamburg, Beschl. v. 19.7.2007 – 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
einfaches Bestreiten – wozu auch Schweigen zählt66) – ist möglich, aber nicht ausreichend. Macht der Schuldner seinen substantiierten Vortrag (gegen-)glaubhaft, so kann dies eine weitere Glaubhaftmachung des Gläubigers erforderlich machen. Das Bestehen der Forderung muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung glaubhaft sein. Das Gericht hat das Vorbringen des Gläubigers und das eventuelle Gegenvorbringen des Schuldners gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Forderung besteht.67) Die „Glaubhaftmachungslast“ trägt der Gläubiger.68) Liegt über die Forderung ein rechtskräftiger Titel vor, ist jedoch die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2 ZPO zu beachten. Ohnehin muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit eines Titels in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen.69) Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen.70) 21
Von der Glaubhaftmachung zu unterscheiden ist die Begründetheit des Antrags (siehe Rz. 38). Ist die Forderung des Antragstellers die einzige und wird sie vom Schuldner bestritten, so kann ein Insolvenzverfahren nur eröffnet werden, wenn sie bewiesen ist (siehe Rz. 41).71) Das gleiche gilt für mehrere, auf gleichgelagerten Lebenssachverhalten beruhenden Forderungen, soweit allein diese den Eröffnungsgrund bilden.72) Die Glaubhaftmachung behält aber selbständige Bedeutung für die Zulässigkeit des Antrags und ggf. im Eröffnungsverfahren anzuordnende Sicherungsmaßnahmen. c) Erfüllung der Antragsforderung (Abs. 1 Satz 2)
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Den Sonderfall der Erfüllung der Antragsforderung durch den Schuldner noch vor Verfahrenseröffnung regelt der mit Wirkung vom 5.4.2017 neugefasste Satz 2. Es soll vermieden werden, dass sich Schuldner schon der Prüfung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dadurch entziehen, dass sie – nur – die Forderung des antragstellenden Gläubigers begleichen. Kann der Gläubiger die Forderung nicht auswechseln (siehe oben Rz. 13), wäre er in einem solchen Fall grundsätzlich gehalten, den Antrag zurückzunehmen oder für erledigt zu erklären. Das gibt dem Schuldner ggf. die Möglichkeit, die Insolvenz hinauszuzögern, schlimmstenfalls immer weiter zu verschleppen. Insbesondere Sozialversicherungsträger und der Fiskus, die Verbin_____________ 66) LG Köln, Beschl. v. 30.7.1964 – 1 T 33/64, KTS 1964, 247, 248 f; BGH, Urt. v. 6.6.1977 – III ZR 53/75, KTS 1978, 24, 27 = WM 1977, 1201. 67) OLG Köln, Beschl. v. 29.2.1988 – 2 W 9/88, ZIP 1988, 664, 665, dazu EWiR 1988, 603 (Stürner/Stadler). 68) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 16; vgl. auch Jaeger-Gerhardt, InsO, § 14 Rz. 29 f. 69) BGH, Beschl. v. 6.5.2010 – IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091; BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 177/09, ZIP 2010, 291 = ZVI 2010, 146; BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072. 70) BGH, Beschl. v. 6.5.2010 – IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091; BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072. 71) BGH, Beschl. v. 29.11.2007 – IX ZB 12/07, Rz. 6, ZIP 2008, 281 = ZVI 2008, 13; BGH, Beschl. v. 8.11.2007 – IX ZB 201/03, Rz. 3, ZInsO 2007, 1275. 72) BGH, Beschl. v. 14.1.2021 – IX ZB 12/20, ZRI 2021, 130 = ZVI 2021, 151.
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dungen zum Schuldner nicht einseitig kappen können, haben aber in diesen Fällen ein gravierendes Interesse daran, die Entstehung neuer Schulden zu verhindern.73) Satz 2 soll – insbesondere, aber nicht ausschließlich,74) – ihnen das ermöglichen; es besteht danach die Möglichkeit, den Insolvenzantrag trotz Forderungserfüllung aufrechtzuerhalten. Forderten die (vom 1.11.2011) bis zum 4.4.2017 geltenden Sätze 2 und 3 hierfür noch einen „Wiederholungsfall“, d. h. einen innerhalb der letzten zwei Jahre vor Antragstellung bereits einmal – erfolglos – gestellten Eröffnungsantrag und die Glaubhaftmachung dieses Umstandes,75) sind mit Wirkung vom 5.4.2017 keine weiteren Voraussetzungen mehr nötig. Mit der Neuregelung soll eine möglichst frühzeitige Aufklärung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gefördert werden, der bis dahin das „Hemmnis“ des Erfordernis eines Erstantrags im Wege stand und so dem insolventen Schuldner noch eine größere Zeitspanne eröffnete, zum Schaden der Gläubiger und des Rechtsverkehrs weiter zu wirtschaften.76) Auch – und insbesondere – im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 entfällt nicht das Erfordernis des rechtlichen Interesses;77) es sind insoweit strenge Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse und die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrunds zu stellen, so dass ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Verfahrensfortführung regelmäßig nur bei Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern anzuerkennen sein wird, weil diese öffentlichen Gläubiger nicht verhindern können, dass sie weitere Forderungen gegen den Schuldner erwerben.78) Insofern ist aber auch jeweils eine weitere „eigene“ Betroffenheit zu fordern; eine solche scheidet etwa aus, wenn die Gefahr neuen Forderungserwerbs gerade für den Antragsteller nicht mehr besteht.79) Ebenso wenig entfällt für die Fortführung des Verfahrens trotz Erfüllung der Forderung des antragstellenden Gläubigers das Erfordernis einer erneuten Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrunds.80) Der Gläubiger bleibt hier in vollem Umfang darlegungsver_____________ 73) Begr. RegE HbeglG 2011, BT-Drucks. 17/3030, S. 42. 74) Vgl. Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 18 m. N. 75) Näher zu diesen Voraussetzungen, die praktische Bedeutung nur noch in vor dem 5.4.2017 eröffneten Verfahren, also gegenwärtig nur noch in der Überprüfung im Rechtsmittelzug haben können, vgl. die 4. Auflage, Rz. 22 f. 76) Begr. RegE Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG, BT-Drucks. 18/7054, S. 16. 77) BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZB 18/12, ZIP 2012, 1674 = NZI 2012, 708; explizit zur n. F. LG Leipzig, Beschl. v. 4.10.2018 – 8 T 633/18, ZVI 2019, 189; AG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.1.2018 – 45 IN 66/17, juris. 78) BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZB 18/12, ZIP 2012, 1674 = NZI 2012, 708; vgl. auch Begr. RegE HBeglG 2011, BT-Drucks. 17/3030, S. 42; Klages/G. Pape, NZI 2013, 561, 565 f. 79) LG Leipzig, Beschl. v. 4.10.2018 – 8 T 633/18, ZVI 2019, 189; AG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.1.2018 – 45 IN 66/17, juris; AG Leipzig, Beschl. v. 5.9.2017 – 403 IN 1109/17, ZVI 2018, 17 = ZInsO 2017, 2704. 80) BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086, dazu EWiR 2013, 515 f (Kexel); LG Berlin, Beschl. v. 10.1.2012 – 85 T 386/11, ZIP 2012, 935 = NZI 2012, 248, dazu EWiR 2012, 285 (Frind); AG Düsseldorf, Beschl. v. 13.8.2012 – 502 IN 51/12, juris; Klages/G. Pape, NZI 2013, 561, 562 ff (mit ausf. Darstellung des Streitstands); präzisierend BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – IX ZB 34/14, ZIP 2015, 329, dazu EWiR 2015, 185 (Laroche), wonach jedenfalls nicht in jedem Fall der Vortrag neuer Tatsachen vonnöten ist.
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pflichtet; eine „sekundäre Darlegungslast“ des die Forderung begleichenden Schuldners dahingehend, dass ein Eröffnungsgrund nicht vorliegt, existiert nicht.81) 3. 24
Eröffnungsgrund
Bei dem Gläubigerantrag nach § 14 kommen als Eröffnungsgründe82) nur die (eingetretene) Zahlungsunfähigkeit (§ 17) und – bei einer juristischen Person oder bei einer dieser gemäß § 19 Abs. 3 gleichgestellten Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit – die Überschuldung (§ 19) in Betracht. Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18) ist nur beim Eigenantrag Insolvenzgrund. a) Zahlungsunfähigkeit
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Der antragstellende Gläubiger muss die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft machen. Dabei entspricht der Begriff Glaubhaftmachung in § 14 Abs. 1 dem in § 294 ZPO.83) Soll allein aus der Antragsforderung der Eröffnungsgrund hergeleitet werden und ist sie bestritten, so muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein.84) Hierfür kann die Vorlage einer vollstreckbaren Urkunde genügen; Einwendungen des Schuldners gegen die Forderung oder gegen die Vollstreckbarkeit des Titels können dann regelmäßig nur in den dafür vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden und bleiben bei der Prüfung des Eröffnungsgrunds außer Betracht.85) Von einer Zahlungsunfähigkeit kann nur gesprochen werden, wenn wesentliche Forderungen fällig sind (siehe § 17 Rz. 2). Zur Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit ist nicht unbedingt die Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung erforderlich. Ausreichend ist auch eine Glaubhaftmachung mit anderen Mitteln.86) Die Nichterfüllung der Forderung des Gläubigers – auch über einen längeren Zeitraum – ist grundsätzlich nicht ausreichend.87) Dies gilt insbesondere bei bestrittenen Forderungen, da dann die Nichtzahlung in der Regel auf dem fehlenden Zahlungswillen beruht.
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Anderes gilt für die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Ist der Schuldner mit fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von insgesamt mehr als sechs Monaten im Rückstand, wird dies – gerade vor dem Hintergrund der Straf-
_____________ 81) BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 16.2.2012 – 3a IN 203/11, juris. 82) Vgl. dazu Vallender/Fuchs/Rey, NZI 1999, 181, 182. 83) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 7/08, Rz. 3, WuM 2009, 144. 84) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 12/06, Rz. 4, ZVI 2006, 564; BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – IX ZB 18/15, ZIP 2016, 1447 = NZI 2016, 732, dazu EWiR 2016, 565 (d’Avoine); BGH, Beschl. v. 15.9.2016 – IX ZB 32/16, ZIP 2016, 2177 = ZInsO 2016, 2199, dazu EWiR 2017, 117 f (Kexel). 85) BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – IX ZB 18/15, ZIP 2016, 1447 = NZI 2016, 732; BGH, Beschl. v. 15.9.2016 – IX ZB 32/16, ZIP 2016, 2177 = ZInsO 2016, 2199. 86) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 7/08, Rz. 3, WuM 2009, 144; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408. 87) Ggf. aber bei Hinzutreten weiterer Indizien, vgl. etwa LG Hannover, Beschl. v. 20.6.2016 – 11 T 23/16, juris.
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bewehrung in § 266a StGB – in der Regel als hinreichendes Indiz für die Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrunds der Zahlungsunfähigkeit anzusehen sein.88) Eine zur Glaubhaftmachung89) der Zahlungsunfähigkeit vorgelegte Fruchtlosigkeitsbescheinigung sollte grundsätzlich nicht älter als sechs Monate sein.90) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn andere Anhaltspunkte aus jüngerer Zeit hinzutreten.91) Zur Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit kommt neben der vom Schuldner abgegebenen eidesstattlichen Offenbarungsversicherung auch die eidesstattliche Versicherung des Gläubigers92) oder einer anderen sachkundigen Person in Betracht, aus der sich die Tatsachen für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ergeben.
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Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist ein Vollstreckungsversuch in das Vermögen der einzelnen Gesellschafter nicht erforderlich, ein solcher in das Gesellschaftsvermögen ist ausreichend.93) Bei Bestehen mehrerer Geschäftslokale muss in allen, bei einem Einzelkaufmann muss sowohl in der Wohnung als auch im Geschäftslokal ein (erfolgloser) Vollstreckungsversuch unternommen werden.94)
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b) Überschuldung Eine Überschuldung wird ein Gläubiger nur selten glaubhaft machen können, da ihm dazu die Informationen (etwa Vermögensübersichten/Prüfberichte) fehlen dürften.95)
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III. Das Eröffnungsverfahren Bei dem Eröffnungsverfahren handelt es sich – im Gegensatz zum eröffneten Verfahren – um ein quasi streitiges Parteiverfahren, in dem sich Gläubiger und Schuldner ähnlich wie im Zivilprozess als Parteien eines Rechtsstreits gegenüber stehen.96) 1.
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Zulässigkeit des Eröffnungsantrages
Zunächst prüft das Insolvenzgericht die Zulässigkeit des aufgrund des Vorbringens des antragstellenden Gläubigers. Zu diesem Zeitpunkt besteht noch keine Amtsermittlungspflicht gemäß § 5 Abs. 1, diese setzt erst beim Vorliegen eines zulässigen _____________ 88) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, Rz. 5, ZIP 2006, 1457 = ZInsO 2006, 827; BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZInsO 2002, 29, 31 = ZIP 2002, 87, dazu EWiR 2002, 219 (Wagner); BGH, Urt. v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, NZI 2003, 542, 544 = ZIP 2003, 1666, dazu EWiR 2004, 197 (Hölzle); Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 24; a. A. AG München, Beschl. v. 5.2.2009 – 1506 IN 3554/08, ZIP 2009, 820; auch LG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2010 – 326 T 40/10, ZIP 2011, 189 f = NZI 2010, 823; LG Hamburg, Beschl. v. 5.5.2015 – 326 T 25/15, ZVI 2015, 420. 89) Zu den Anforderungen bei einem Antrag über ein freigegebenes Sondervermögen vgl. auch: AG Hamburg, Beschl. v. 18.6.2008 – 67g IN 37/08, ZIP 2009, 384 = ZVI 2008, 295. 90) Vgl. auch LG Düsseldorf, Beschl. v. 29.3.2007 – 25 T 100/07, NZI 2007, 530, 531. 91) Vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZInsO 2002, 29, 31 = ZIP 2002, 87. 92) Vgl. dazu auch LG Düsseldorf, Beschl. v. 29.3.2007 – 25 T 100/07, NZI 2007, 530, 531. 93) LG Frankfurt/O., Beschl. v. 5.7.1995 – 16 T 145/95, ZIP 1995, 1211, 1213, dazu EWiR 1995, 993 (Smid). 94) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 30. 95) So auch Kübler/Prütting/Bork-G. Pape, InsO, § 14 Rz. 86; Vallender/Fuchs/Rey, NZI 1999, 181, 182. 96) BGH, Urt. v. 11.7.1961 – VI ZR 208/60, NJW 1961, 2016.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
Antrags ein.97) Die „Beweislast“ für die Zulässigkeit des Insolvenzantrags obliegt vielmehr dem antragstellenden Gläubiger.98) Das Gericht hat aber bei behebbaren Mängeln gemäß § 4 InsO, § 139 ZPO einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Ist nur eine Zulässigkeitsvoraussetzung nicht gegeben, so ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. Hiergegen steht dem Gläubiger gemäß § 34 Abs. 1 die sofortige Beschwerde zu. 2.
Anhörung des Schuldners (Abs. 2) und weiteres Verfahren
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Hat ein Gläubiger einen Insolvenzantrag über das Vermögen einer natürlichen Person gestellt, so ist der Schuldner nicht nur gemäß § 20 Abs. 2 auf die Möglichkeit der Erlangung von Restschuldbefreiung hinzuweisen, sondern auch darauf, dass neben dem Antrag nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ein eigener Eröffnungsantrag erforderlich ist. Er ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass für den Restschuldbefreiungsantrag die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 einzuhalten ist. Weiterhin besteht ein Bedürfnis, für die Stellung des Eröffnungsantrags eine (richterliche) Frist zu setzen (vgl. zu den Einzelheiten § 287 Rz. 2). Der Schuldner muss in seinem eigenen Interesse dazu angehalten werden, den Antrag auf Restschuldbefreiung und den damit notwendig zu verbindenden Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen, bevor über den Gläubigerantrag entschieden wird, da er nach diesem Zeitpunkt in der Regelkeinen Eigenantrag mehr stellen kann.99)
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Ist der Eröffnungsantrag des Gläubigers zulässig, so braucht das Gericht dies nicht förmlich festzustellen.100) Selbst wenn eine ausdrückliche Feststellung erfolgt ist, ist auch im weiteren Verfahren die Zulässigkeit zu prüfen, wenn Veranlassung dazu besteht.101) Ist der Antrag zulässig, hat das Gericht den Schuldner zu dem Antrag anzuhören, denn die Anhörungspflicht besteht nur bei einem zulässigen Antrag. Im Einzelfall kommt aber auch eine Anhörung vor der abschließenden Prüfung der Zulässigkeit in Betracht. Weiterhin hat eine Anhörung zu erfolgen, wenn der Antrag nach § 26 mangels Masse abgewiesen werden soll.102) Für einen nicht prozessfähigen Schuldner ist dessen gesetzlichem Vertreter rechtliches Gehör zu gewähren.103) Betrifft der Insolvenzantrag eine juristische Person, eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, einen Nachlass oder ein Gesamtgut, so sind die jeweils vertretungsberechtigten bzw. beteiligten Personen anzuhören104) und nicht nur ein einzelner Vertreter bzw. Beteiligter.105) _____________ 97) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 f = ZVI 2003, 64, dazu EWiR 2003, 589 (Gundlach/Frenzel); BGH, Beschl. v. 10.4.2003 – IX ZB 586/02, ZIP 2003, 1005. 98) AG Potsdam, Beschl. v. 1.8.2001 – 35 IN 260/01, NZI 2001, 606, 607. 99) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220 = NZI 2005, 271, 272, dazu EWiR 2005, 311 (Smode). 100) KG Berlin, Beschl. v. 7.2.1963 – 1 W 2274/62, KTS 1963, 111, 112. 101) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, Rz. 6, ZIP 2006, 1456 = ZVI 2006, 503. 102) BGH, Beschl. v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, Rz. 10, ZIP 2006, 1056 = ZVI 2006, 237. 103) KG Berlin, Beschl. v. 27.7.1961 – 1 W 428/61, KTS 1962, 111, 112. 104) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 113, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 169. 105) Verfügt eine juristische Person nicht (mehr) über einen organschaftlichen Vertreter, so ist sie nicht prozessfähig.
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Antrag eines Gläubigers
Befindet sich der Schuldner oder sein gesetzlicher Vertreter im Ausland und würde die Anhörung das Verfahren übermäßig verzögern oder ist der Aufenthalt unbekannt, so ist nach § 10 zu verfahren.
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Die Anhörung, die das Insolvenzgericht vorzunehmen hat – und nicht z. B. einem Sachverständigen überlassen kann – braucht nicht mündlich zu erfolgen. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs kann – wie in der Praxis weitgehend üblich – schriftlich,106) z. B. durch Übersendung eines Anhörungsfragebogens erfolgen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für die Sachverhaltsaufklärung gemäß § 5 Abs. 1 eine persönliche Anhörung durch das Insolvenzgericht erforderlich ist. Dies dürfte – wenn ein Sachverständiger beauftragt ist – aber nur dann der Fall sein, wenn es erforderlich ist, dass der Schuldner die Richtigkeit seiner Angaben an Eides Statt versichert, da zur Durchführung der Ermittlungen i. S. von § 5 die Beauftragung von Sachverständigen in § 5 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich vorgesehen ist.
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Bei der schriftlichen Gewährung von rechtlichem Gehör kann wegen der Eilbedürftigkeit von Insolvenzanträgen eine relativ kurze Frist gesetzt werden, die als richterliche Frist in begründeten Einzelfällen – auf Antrag des Schuldners – verlängert werden kann (§ 4 InsO, § 224 Abs. 2 ZPO). Eine Frist von zwei Tagen ist jedoch zu kurz bemessen.107) Die Gewährung des rechtlichem Gehörs dient nicht dazu, den Verfahrensbeteiligten Zeit dafür zu geben, veränderte Tatsachen zu schaffen, z. B. den Insolvenzgrund durch Erfüllung der offenen Forderungen zu beseitigen und dadurch die Entscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.108)
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Im Rahmen seiner Anhörung kann der Schuldner das Vorbringen des Gläubigers substantiiert bestreiten.
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3.
Begründetheit des Eröffnungsantrages
Die vom Insolvenzgericht zur Frage der Begründetheit angestellten Ermittlungen, insbesondere die Anordnung oder Ablehnung von Beweiserhebungen, sind grundsätzlich nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, da die InsO insoweit ein Rechtsmittel nicht vorsieht.109)
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Dieser Grundsatz bedarf jedoch der Einschränkung, soweit sich der Schuldner gegen eine Maßnahme wendet, die in seinen grundrechtlich geschützten räumlichen Bereich eingreift.110) So ist das Insolvenzgericht daher im Eröffnungsverfahren z. B. nicht befugt, den mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Sachverständigen zu ermächtigen, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen.111)
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_____________ 106) 107) 108) 109)
BGH, Urt. v. 6.6.1977 – III ZR 53/75, KTS 1978, 24, 26 f = WM 1977, 1201. OLG Köln, Beschl. v. 14.6.2000 – 2 W 85/00, ZIP 2000, 1343 = NZI 2000, 480. BVerfG, Beschl. v. 30.9.2001 – 2 BvR 1338/01, NZI 2002, 30 = NJW 2002, 1564. BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240, dazu EWiR 2004, 499 (Bähr); BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 30/04, NZI 2004, 510, 511 = ZVI 2004, 337. 110) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240; BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 207/10, ZInsO 2011, 1499. 111) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
40
Der Antrag ist nur begründet, wenn ein Eröffnungsgrund nicht nur glaubhaft gemacht ist, sondern das Vorliegen – zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Eröffnungsantrag112) – zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Handelt es sich bei der dem Antrag des Gläubigers zugrunde liegenden Forderung um die einzige, aus der sich für den Fall ihres Bestehens ein Eröffnungsgrund ergeben würde, reicht so ihre Glaubhaftmachung allein nicht aus.113)
41
Ist diese Forderung bestritten, muss sie vor Eröffnung des Verfahrens bewiesen sein.114) Das gleiche gilt für mehrere, auf gleichgelagerten Lebenssachverhalten beruhenden Forderungen, soweit allein diese den Eröffnungsgrund bilden.115) Der Beweis kann durch Vorlage eines Titels geführt werden. Dann ist es Aufgabe des Schuldners, Einwände gegen die Forderung in dem hierfür vorgesehenen Verfahren überprüfen zu lassen. Die Wertung, die § 179 Abs. 2 für das eröffnete Verfahren trifft, gilt nämlich auch für das Eröffnungsverfahren.116) Liegt ein Titel nicht vor, so kann das Insolvenzgericht den Antrag aufgrund der Einwendungen des Schuldners gegen die Forderung abweisen, ohne diese einer Schlüssigkeitsprüfung im technischen Sinne zu unterziehen. Auch hier gilt, dass die Entscheidung schwieriger rechtlicher oder tatsächlicher Fragen nicht zu den Aufgaben des Insolvenzgerichts gehört.117) Bei nicht titulierten Forderungen gehen Zweifel zulasten des Antragstellers.118) 4.
Rechtsmittel und Kosten (auch: Abs. 3)
42
Der den Antrag des Gläubigers wegen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit abweisende Beschluss ist für diesen anfechtbar, § 34 Abs. 1. Er ist daher mit Gründen zu versehen und diesem zuzustellen.
43
Wird der Eröffnungsantrag als unzulässig oder unbegründet abgewiesen, so sind die Kosten grundsätzlich gemäß § 4 InsO, § 91 ZPO dem Antragsteller aufzuerlegen. Gleich zwei Ausnahmen davon regelt Absatz 3:
44
Wird der Gläubigerantrag deswegen als (jedenfalls) unbegründet (nicht: unzulässig!) abgewiesen, weil der Schuldner die Forderung des Antragstellers nach Antragstellung erfüllt hat, sind gemäß Absatz 3 Satz 1 die Kosten des Eröffnungsverfahrens zwingend dem Schuldner aufzuerlegen, ohne dass es einer Erledigungserklärung – siehe dazu sogleich Rz. 46 – bedürfte. Die Norm ist im Zusammenhang mit den seinerzeit durch das gleiche Gesetz eingefügten Sätzen 2 und 3 des Absatzes 1 a. F. zu sehen; sie sollte auch nach der Neufassung von Absatz 1 Satz 2 entgegen _____________ 112) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 7/08, Rz. 4, WuM 2009, 144. 113) BGH, Beschl. v. 8.11.2007 – IX ZB 201/03, ZInsO 2007, 1275; BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 141/06, ZIP 2007, 1226 = ZVI 2007, 302; BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452 = ZVI 2006, 334; BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247 = ZVI 2006, 56. 114) BGH, Beschl. v. 29.11.2007 – IX ZB 12/07, Rz. 6, ZIP 2008, 281 = ZVI 2008, 13; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 12/06, ZVI 2006, 564. 115) BGH, Beschl. v. 14.1.2021 – IX ZB 12/20, ZRI 2021, 130 = ZIP 2021, 151. 116) BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, Rz. 11, ZIP 2006, 1452 = ZVI 2006, 334. 117) BGH, Beschl. v. 1.2.2007 – IX ZB 79/06, Rz. 6, NZI 2007, 350. 118) BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 141/06, Rz. 7, ZIP 2007, 1226 = ZVI 2007, 302.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
des grundsätzlich offenen Wortlauts zweckentsprechend dahingehend einzuschränken sein, dass die Zurückweisung dann auch gerade auf der Forderungserfüllung beruht.119) Nach Absatz 3 Satz 2 schließlich trägt der Schuldner auch dann die Kosten, wenn der Antrag des Gläubigers wegen einer diesem nicht bekannten und eben nicht öffentlich bekannt gemachten Stabilisierungsanordnung gemäß §§ 49 ff StaRuG120) abgewiesen wird; da hier der Schuldner mit der Beantragung der Anordnung selbst den Abweisungsgrund herbeigeführt hat, entspricht dieses Ergebnis ersichtlich der Billigkeit.121) Voraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung eine wirksame Stabilisierungsanordnung vorliegt; die Wirksamkeit tritt ein mit dem Beschluss des Gerichts nach § 51 Abs. 5 StaRUG und endet entweder mit Ablauf der jeweiligen Anordnungsdauer oder der Aufhebung durch das Restrukturierungsgericht. Keine Kenntnis haben konnte der Gläubiger, wenn das Restrukturierungsverfahren – wie im Regelfall – nicht öffentlich durchgeführt wird und der Gläubiger auch sonst nicht über den Erlass der Stabiliserungsanordnung in Kenntnis gesetzt wurde, etwa durch die Zustellung nach § 51 Abs. 4 StARUG. Weitergehende amtswegige Ermittlungen des Insolvenzgerichts zu einer möglichen Vermeidbarkeit der Nichtkenntnis des Gläubigers dürften trotz der Formulierung des Gesetzes „haben konnte“ hier nicht veranlasst sein.
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IV. Erledigung der Hauptsache Der Antragsteller kann seinen Eröffnungsantrag gemäß § 4 InsO, § 91a ZPO in der Hauptsache für erledigt erklären, wenn dieser nachträglich unzulässig oder unbegründet geworden ist,122) da es sich bei dem Insolvenzeröffnungsverfahren um ein quasi streitiges Parteiverfahren handelt. Der vormalige Hauptanwendungsfall zur Vermeidung einer nachteiligen Kostenentscheidung, wenn der Schuldner die Forderung bezahlt hat, dürfte mit der Einfügung des Absatzes 3 (siehe vorangehend Rz. 43) kaum noch in Betracht kommen.
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Hat ein Gläubiger eine Zahlung des Schuldners entgegengenommen, obwohl das Insolvenzgericht eine Verfügungsbeschränkung angeordnet hatte, und hatte der Gläubiger keine hinreichenden Gründe dafür, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entfallen war, so ist seine Erledigungserklärung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam und daher prozessual unbeachtlich.123)
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_____________ 119) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 61; Gundlach/Rautmann, NZI 2011, 315, 318; Marotzke, ZInsO 2011, 841, 849 f. 120) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 121) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 193. 122) LG Koblenz, Beschl. v. 23.10.2000 – 2 T 532/00, NZI 2001, 44. 123) LG Duisburg, Beschl. v. 28.11.2008 – 7 T 231/08, ZInsO 2009, 336, 337 = ZIP 2009, 342; LG Hamburg, Beschl. v. 5.12.2007 – 326 T 89/07, ZInsO 2008, 679, dazu EWiR 2008, 349 (Brenner).
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
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Eine teilweise Erledigung – z. B. wegen einer Teilzahlung – ist bedeutungslos, da dadurch das Ziel des Insolvenzantrags – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens – nicht weggefallen ist. Die Erklärung, der Antrag werde wegen einer Zahlung des Schuldners zurückgenommen, verbunden mit dem Antrag, den Schuldner mit den Kosten zu belasten, kann unter Umständen als Erledigungserklärung zu verstehen sein. Im Zweifel – gerade auch vor dem Hintergrund der Neuregelung in Absatz 3! – sollte eine Rückfrage beim Gläubiger erfolgen. Die Erledigungserklärung eines Gläubigers hat keine Auswirkungen auf weitere anhängige Antragsverfahren anderer Gläubiger. Nach der Eröffnung des Verfahrens ist eine Erledigungserklärung entsprechend § 13 Abs. 2 nicht mehr möglich,124) da nur das Eröffnungsverfahren als quasi streitiges Parteiverfahren geführt wird und es sich ab der Eröffnung um ein – nicht mehr der Disposition des Gläubigers und Antragstellers unterworfenes – Offizialverfahren handelt. Bei einem Eigenantrag kommt nur die Antragsrücknahme gemäß § 13 Abs. 2 in Betracht.
49
Ist der Antrag in der Hauptsache für erledigt erklärt worden und war zuvor die dem Antrag zugrunde liegende Forderung reduziert worden, so sind die Kosten insoweit dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn die Forderungsreduzierung sich kostenrechtlich ausgewirkt hat.125) 1.
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Übereinstimmende Erledigungserklärung
Zunächst ist dem Schuldner zu der Erledigungserklärung des Gläubigers und dem damit verbundenen Kostenantrag rechtliches Gehör zu gewähren. Stimmt der Schuldner der Erledigungserklärung des Gläubigers zu, so ist gemäß § 4 InsO, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden.126) Schweigt der Schuldner, so bedeutet dies keine Zustimmung, da im Verfahrensrecht Schweigen grundsätzlich nicht als Zustimmung gilt,127) in diesem Fall handelt es sich um eine einseitige Erledigungserklärung. Das Insolvenzgericht entscheidet aber auch ohne eine Zustimmung des Schuldners nach § 4 InsO, § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO, wenn der Schuldner der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, obwohl er zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist. Das Insolvenzgericht ist jedoch nicht verpflichtet, so zu verfahren und damit die Zustimmung des Schuldners zu fingieren.128)
_____________ 124) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91 = ZVI 2005, 125. 125) AG Köln, Beschl. v. 9.6.1999 – 73 IN 16/99, ZIP 1999, 1889, 1892 = NZI 2000, 89. 126) Ein interessantes Beispiel für eine solche Entscheidung und der Annahme eines „Druckantrags“ eines „Zwangsgläubigers“ nach Erfüllung der Antragsforderung liefern LG Köln, Beschl. v. 5.3.2018 – 1 T 518, ZInsO 2018, 889, und AG Köln, Beschl. v. 20.10.2017 – 75 IN 309/17, ZIP 2018, 500 = ZVI 2018, 99; anders AG Hannover, Beschl. v. 28.12.2018 – 908 IN 538/18, ZVI 2019, 1080; AG Göttingen, Beschl. v. 9.1.2018 – 74 IN 210/17, ZIP 2018, 992. BGH, Beschl. v. 24.9.2020 – IX ZB 71/19, ZRI 2020, 672 = ZVI 2020, 460, hat dieser Annahme aber letzthin eine Absage erteilt. 127) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91 = ZVI 2005, 125. 128) LG Hamburg, Beschl. v. 5.12.2007 – 326 T 89/07, ZInsO 2008, 679.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
2.
Einseitige Erledigungserklärung
Da es sich bei dem Eröffnungsverfahren um ein quasi kontradiktorisches Parteiverfahren handelt, ist auch eine Erledigungserklärung allein des Antragstellers als zulässig anzusehen. Denn der Verweis in § 4 auf die Vorschriften der ZPO bezieht sich nicht allein auf die dortigen ausdrücklichen Regelungen, sondern auch auf die in der ZPO entwickelten Grundsätze, sofern sie auf das Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar sind. Schließt sich der Schuldner der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht an, so sind nach den Grundsätzen der einseitigen Erledigung dem Schuldner die Kosten des Eröffnungsverfahrens aufzuerlegen, wenn der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war und erst durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Der Gläubiger hingegen hat die Kosten dann zu tragen, wenn sein Antrag ohnehin Mängel aufgewiesen hat und das Gericht auch ohne das nachträgliche Ereignis die Eröffnung hätte ablehnen müssen.129) Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss.130) Bei der Entscheidung ist ohne Durchführung einer (weiteren) Beweisaufnahme auf den „bisherigen Verfahrensstand“ abzustellen, weil ein Parteienstreit allein über die Kostentragungspflicht nicht mit § 5 Abs. 1 Satz 1 vereinbar ist.131)
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Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, welche die Erledigung feststellt und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt, findet die sofortige Beschwerde nach §§ 6, 34 Abs. 2 InsO statt.132)
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V. Tod eines Verfahrensbeteiligten Stirbt während des Eröffnungsverfahrens einer der Verfahrensbeteiligten, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein (§ 4 InsO, § 239 ZPO), sofern nicht gemäß § 4 InsO, § 779 ZPO das Verfahren fortgesetzt wird.133) Das folgt aus dem Umstand, dass es sich bei dem Eröffnungsverfahren um ein quasi streitiges Parteiverfahren handelt. Eventuell angeordnete Sicherungsmaßnahmen bleiben – im Falle der Verfahrensunterbrechung – bestehen. 1.
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Tod des Antragstellers
Ist der antragstellende Gläubiger verstorben, so kann das Verfahren von seinen Erben aufgenommen werden.134) Wird dies verzögert, so ist entsprechend § 239 Abs. 2 – 4 ZPO zu verfahren. Einer Terminbestimmung bedarf es jedoch nicht. Es ist vielmehr ausreichend, dem/den Erben schriftlich rechtliches Gehör zu dem entsprechenden Antrag des Schuldners (gemäß § 239 Abs. 2 ZPO) zu gewähren. Schweigen _____________ 129) OLG Köln, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 39/01, ZIP 2001, 1018 = NZI 2001, 318, 319, dazu EWiR 2001, 677 (Beutler). 130) AG Köln, Beschl. v. 9.6.1999 – 73 IN 16/99, ZIP 1999, 1889 = NZI 2000, 89 f. 131) OLG Köln, Beschl. v. 28.12.2001 – 2 W 236/01, ZInsO 2002, 138, 139. 132) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 131/07, ZIP 2008, 2285 = ZInsO 2008, 1206. 133) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 58; Heyrath/Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202, 1203 f. 134) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 58; wohl auch Uhlenbruck-Wegener, InsO, § 13 Rz. 181, der aber eine weitergehende entsprechende Anwendung von § 239 wegen der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens ablehnt.
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§ 14
Antrag eines Gläubigers
hierzu ist wie ein Nichterscheinen im Termin zu behandeln, worauf hingewiesen werden sollte. 2.
Tod des Schuldners
a) Gläubigerantrag 55
Hat nur ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt, so bleibt dieser maßgeblich für die zu treffenden Entscheidungen.135) Der Tod des Schuldners nach Antragstellung bewirkt in diesem Fall ohne weiteres eine Überleitung des Eröffnungsverfahrens vom Regel- in das Nachlassinsolvenzverfahren. Das Eröffnungsverfahren wird ohne Unterbrechung mit dem Erben als neuem Schuldner fortgesetzt.136) Dies folgt aus § 4 InsO i. V. m. § 779 ZPO.137) Ein ergehender Überleitungsbeschluss ist nur deklaratorisch.138) b) Eigenantrag
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Liegt (auch) ein Eigenantrag vor, so wird das Verfahren gemäß § 4 InsO i. V. m. § 239 ZPO bis zur Entscheidung der Erben unterbrochen139) (siehe zum weiteren Verfahren oben Rz. 54). Der Erbe kann den Antrag zurücknehmen, z. B. wenn er die Schulden des Erblassers bezahlen will. Strebt er hingegen eine Beschränkung seiner Haftung aus § 1967 BGB an, so kann er das Verfahren aufnehmen und als Nachlassinsolvenzverfahren weiter betreiben. VI. Besonderheiten beim Insolvenzantrag durch das Finanzamt Paul
Literatur: Roth, Streitige Insolvenzanträge der Finanzbehörden, NZI 2020, 883; Rothbächer, Der Vollstreckungsaufschub gemäß § 258 AO als Teil des Schutzschilds in der CoronaKrise, DStR 2020, 1014; Schmittmann, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsweges, ZInsO 2013, 1992.
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Bestehen rückständige Steuerforderungen kann das Finanzamt gleich jedem anderen Insolvenzgläubiger einen Insolvenzantrag stellen. Es hat dann in der Regel ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Insolvenzantragstellung durch das Finanzamt ist nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn mit ihr insolvenzwidrige Zwecke verfolgt werden. Das ist u. a. dann der Fall, wenn das Finanzamt den Insolvenzantrag lediglich als Druckmittel zur bevorzugten Befriedigung seiner eigenen Forderung einsetzt140) oder wenn der Antrag lediglich der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Vollstreckungsschuldners dienen _____________ 135) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 58. 136) Für das Regelinsolvenzverfahren: BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513, 514 = ZVI 2004, 188; für das Verbraucherinsolvenzverfahren: BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798 = ZVI 2008, 183, dazu EWiR 2008, 573 (Floeth); Heyrath/ Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202, 1203. 137) Heyrath/Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202, 1203; Nöll in: Beiträge zum Insolvenzrecht, Bd. 36, Rz. 91 ff, 167 ff, 208. 138) Heyrath/Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202, 1203. 139) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 14 Rz. 58. 140) BGH, Beschl. v. 24.9.2020 – IX ZB 71/19, ZRI 2020, 672 = ZVI 2020, 460, m. Anm. Bieker, ZInsO 2020, 2537.
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Paul
§ 14
Antrag eines Gläubigers
soll.141) Wenn das Finanzamt seinen Insolvenzantrag nach Erfüllung der Antragsforderung für erledigt erklärt, obwohl der Antrag nicht durch die Erfüllung unzulässig geworden ist, rechtfertigt dieser Umstand allein noch nicht den Schluss, es habe sich um einen unzulässigen Druckantrag gehandelt.142) Ebenso wenig liegt ein Rechtsmissbrauch allein deshalb vor, weil der Antrag sehr zügig nach Fälligkeit der Steuerforderungen gestellt wird.143) Bei (Vollstreckungsmaßnahmen und) Insolvenzanträgen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gestellt werden, hat die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben v. 19.3.2020144) zu beachten, das jedoch keinen rückwirkenden Corona-Schutz gewährt.145) Bei Stellung eines Insolvenzantrags hat das Finanzamt neben einem Insolvenzgrund eine Forderung glaubhaft zu machen. Dazu hat es Steueranmeldungen/Steuerbescheide vorzulegen.146) Eine Rückstandsaufstellung allein genügt nicht.147) Bezieht sich das antragstellende Finanzamt zur Glaubhaftmachung seiner Forderungen auf einen vollziehbaren Steuerschätzbescheid, reicht es zur Gegenglaubhaftmachung nicht aus, dass die Schuldnerin auf die Unrichtigkeit des Schätzbescheids verweist.148)
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Ob die Finanzverwaltung einen Insolvenzantrag stellt, steht in deren Ermessen,149) das nur eingeschränkt überprüfbar ist. Von einem Ermessensfehler ist allerdings nicht schon dann auszugehen, wenn das Finanzamt keine positiven Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer die Verfahrenskosten deckenden freien Masse hat, da die abschließende Feststellung, ob Vermögen existiert, dem Insolvenzgericht obliegt. Es darf also nur nicht von vornherein feststehen, dass keine Kostendeckung gegeben ist.150) Ebenso wenig darf der Insolvenzantrag von der Finanzverwaltung als Druckmittel für die Abgabe von Steuererklärungen missbraucht werden.151) Die Beantragung eines Insolvenzverfahrens wegen vollziehbarer, aber noch nicht bestandskräftiger Steuerforderungen ist nicht ermessensfehlerhaft.152) Gleiches gilt,
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_____________ 141) Schmittmann, ZInsO 2013, 1992, 1993. 142) BGH, Beschl. v. 24.9.2020 – IX ZB 71/19, ZRI 2020, 672 = ZVI 2020, 460, m. Anm. Bieker, ZInsO 2020, 2537. 143) FG Hamburg, Beschl. v. 13.6.2014 – 6 V 76/14, ZIP 2015, 599 = ZInsO 2015, 101 – drei Monate. 144) BMF-Schreiben v. 19.3.2020 – IV A 3 – S 0336/19/10007 :002, BStBl. I 2020, 262 = DStR 2020, 663; dazu Rothbächer, DStR 2020, 1014. 145) BFH, Beschl. v. 30.7.2020 – VII B 73/20, NJW 2020, 3196. 146) BGH, Beschl. v. 8.12.2005 – IX ZB 38/05, ZIP 2006, 141 = ZInsO 2006, 97. 147) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, ZIP 2006, 1456 = ZInsO 2006, 828; BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 256/10, ZIP 2011, 1971 = ZInsO 2011, 1614; Roth, NZI 2020, 883. 148) AG Köln, Beschl. v. 2.5.2017 – 72 IN 344/16, ZIP 2017, 1432 = ZInsO 2017, 1440. 149) BFH, Beschl. v. 12.12.2003 – VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464. 150) BFH, Beschl. v. 12.12.2003 – VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464; BFH, Beschl. v. 31.8.2011 – VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; BFH, Beschl. v. 15.12.2011 – IX ZB 180/11, DB 2012, 572 = NZI 2012, 95. 151) BFH, Beschl. v. 1.3.1990 – VII B 155/89, ZIP 1991, 457; Schmittmann, ZInsO 2013, 1992, 1993. 152) FG Hamburg, Beschl. v. 18.8.2011 – V 102/11, BeckRS 2011, 96562.
Paul
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§ 15
Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
wenn das Finanzamt trotz erfüllter Steuerforderungen an dem Insolvenzantrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 festhält.153) 60
Bei einem Insolvenzantrag des Finanzamts handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt,154) sondern um schlichtes Verwaltungshandeln.155) Einspruch und Anfechtungsklage sind daher ausgeschlossen. Stattdessen kommt die Erhebung einer Leistungsklage in Betracht,156) die jedoch nur solange zulässig ist, bis über den Insolvenzantrag entschieden wurde.157) Wegen der sich daraus ergebenden besonderen Eilbedürftigkeit ist deshalb regelmäßig um einstweiligen Rechtsschutz in Form der einstweiligen Anordnung nachzusuchen.158) Das für die Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Rechtsschutzinteresse kann sich dabei bereits aus der Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das Finanzamt ergeben.159) Der Antrag ist beim Finanzgericht anzubringen.160) Hat das Insolvenzgericht über den Insolvenzantrag entschieden, kann er – auch wenn der Eröffnungsbeschluss noch nicht rechtskräftig ist – nicht mehr zurückgenommen werden (§ 13 Abs. 2). Der Gefahr, dass der finanzgerichtliche Rechtsschutz durch die Eröffnungsentscheidung des Insolvenzgerichts überholt wird, ist durch außerordentlich dringliche Bearbeitung des Rechtsbehelfs durch das Finanzgericht zu begegnen.161) Mangels Verwaltungsaktqualität des Insolvenzantrags ist eine Fortsetzungsfestellungsklage (§ 100 Abs. 4 Satz 1 FGO) unzulässig.162) _____________ 153) FG Sachsen, Beschl. v. 28.3.2013 – 3 V 271/13, BeckRS 2013, 94927. 154) BFH, Beschl. v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724 = ZInsO 2011, 975. 155) Gleiches gilt für die Rücknahme des Insolvenzantrags als actus contrarius: BFH, Beschl. v. 27.1.2016 – VII B 119/15, ZIP 2016, 2027 = NZI 2016, 929, m. Anm. Fuchs. 156) BFH, Beschl. v. 12.8.2011 – VII B 159/10, BFH/NV 2011, 2104; BFH, Beschl. v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724 = ZInsO 2011, 975. 157) BFH, Beschl. v. 1.3.1978 – VII B 41/77, BStBl. II 1978, 313 = BB 1978, 597. 158) BFH, Beschl. v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724 = ZInsO 2011, 975; zur gesamten Problematik ausführlich: Roth, NZI 2020, 883. 159) BFH, Beschl. v. 27.1.2016 – VII B 119/15, ZIP 2016, 2027 = NZI 2016, 929, m. Anm. Fuchs. 160) BFH, Beschl. v. 27.1.2016 – VII B 119/15, ZIP 2016, 2027 = NZI 2016, 929, m. Anm. Fuchs. 161) FG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.9.2015 – 3 V 916/15, ZVI 2016, 234 = ZInsO 2016, 798. 162) BFH, Beschl. v. 12.8.2011 – VII B 159/10, BFH/NV 2011, 2104.
§ 15 Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit Kexel
(1) 1Zum Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist außer den Gläubigern jedes Mitglied des Vertretungsorgans, bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien jeder persönlich haftende Gesellschafter, sowie jeder Abwickler berechtigt. 2Bei einer juristischen Person ist im Fall der Führungslosigkeit auch jeder Gesell156
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Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15
schafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt. (2) 1Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern, allen Gesellschaftern der juristischen Person, allen Mitgliedern des Aufsichtsrats oder allen Abwicklern gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird. 2Zusätzlich ist bei Antragstellung durch Gesellschafter einer juristischen Person oder Mitglieder des Aufsichtsrats auch die Führungslosigkeit glaubhaft zu machen. 3Das Insolvenzgericht hat die übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans, persönlich haftenden Gesellschafter, Gesellschafter der juristischen Person, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Abwickler zu hören. (3) 1Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend für die organschaftlichen Vertreter und die Abwickler der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter. 2Entsprechendes gilt, wenn sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. Literatur: Vallender/Fuchs/Rey, Der Eigenantrag und seine Behandlung bis zur Eröffnungsentscheidung, NZI 1999, 140. Übersicht I. II. III. 1. 2. 3.
I.
Normzweck ........................................... 1 Antragsberechtigung ........................... 2 Einzelantragsberechtigung (Abs. 1) ..... 4 Juristische Personen (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) ..................................................... 6 Führungslose juristische Personen (Abs. 1 Satz 2) ....................................... 9 Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) ............. 10
a) Natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter ............................... 10 b) Keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter (Abs. 3) ................ 11 IV. Mehrere Antragsberechtigte (Abs. 2) ................................................ 12
Normzweck
Die Vorschrift trifft eine einheitliche Regelung über die Berechtigung zur Stellung von Eigenanträgen über das Vermögen von Schuldnern, die keine natürliche Person sind.1)
1
II. Antragsberechtigung Die Vorschrift betrifft lediglich die Eigenanträge von Schuldnern. Für Gläubigeranträge gelten § 13 und insbesondere § 14. Hinsichtlich der Antragsberechtigung für besondere Vermögensmassen befinden sich in §§ 317, 318, 332, 333 Sonderregelungen. Die Vorschrift ändert nichts an der in § 13 Abs. 1 Satz 2 geregelten Antragsbeschränkung auf Gläubiger und Schuldner, sie bestimmt nur den Personenkreis, der für den Schuldner, der keine natürliche Person ist, antragsberechtigt ist. Der Insolvenzantrag wird hier nicht in eigenem Namen, sondern namens des Schuldners gestellt.2) Scheidet ein Antragsberechtigter später aus der organschaft_____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-G. Pape, InsO, § 15 Rz. 4. Vgl. KG Berlin, Beschl. v. 13.5.1965 – 1 W 848/65, NJW 1965, 2157, 2159; LG Berlin, Beschl. v. 24.7.2002 – 86 T 409/02, ZInsO 2002, 884, 885.
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§ 15
Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
lichen oder gesellschaftsrechtlichen Position, auf der sein Antragsrecht beruht, aus, so hat das keine Auswirkung auf den bereits gestellten Eröffnungsantrag.3) 3
Zu Antragspflichten allgemein siehe oben § 13 Rz. 11 f und – betreffend juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit – nachfolgend § 15a. III. Einzelantragsberechtigung (Abs. 1)
4
Grundsätzlich ist jeder organschaftliche Vertreter einer juristischen Person selbständig für diese antragsberechtigt.4) Wird der Geschäftsführer einer GmbH wegen einer der in § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG genannten Katalogstraftaten verurteilt, so erlischt das Amt des Geschäftsführers und damit seine Insolvenzantragsbefugnis mit der Rechtskraft des Urteils.5) Handelt es sich bei der Schuldnerin um eine – gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 insolvenzfähige – Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine KGaA, so ist jeder persönlich haftende Gesellschafter selbständig antragsberechtigt. Die Vorschrift hebt in dieser Hinsicht etwaige Beschränkungen der Vertretungsmacht nach (Gesellschafts-)Vertrag oder Satzung auf.6) Ausgeschiedene Vertreter sind nicht mehr antragsbefugt.7) Nach Auflösung der Gesellschaft tritt an die Stelle der Genannten jeder Abwickler, Absatz 1 Satz 1 a. E. Wer das ist, ergibt sich aus den Vorschriften über die jeweilige Gesellschaftsform.
5
Eine Besonderheit gilt nach § 18 Abs. 3 für den Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Auf diesen Insolvenzgrund kann der Eröffnungsantrag nur gestützt werden, wenn er von allen nach Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 Vertretungsberechtigten gestellt wird oder der Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder Gesellschaft berechtigt ist. 1.
6
Juristische Personen (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1)
Vor der Auflösung einer juristischen Person ist demnach antragsberechtigt: für die AG jedes Vorstandsmitglied (§ 78 AktG), für die GmbH jeder Geschäftsführer (§ 35 GmbHG), für die Genossenschaft jedes Vorstandsmitglied (§§ 24, 25, 26 GenG), für die KGaA jeder persönlich haftende Gesellschafter (§ 278 Abs. 2 AktG, § 161 Abs. 2, § 125 Abs. 1 HGB) für den Verein – unabhängig von seiner Rechtsfähigkeit – jedes Vorstandsmitglied (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BGB). Außerdem ist der Abwickler nach § 37 Abs. 2 KWG antragsberechtigt.8) Ist die juristische Person persönlich haftende Gesellschafterin einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so gilt die gleiche Antragsberechtigung auch für den Antrag über das Vermögen der Letztgenannten. Hinsichtlich des Antragsrechts über das Vermögen juristischer Personen des öffentlichen Rechts gilt nichts anderes. Zwar können deren Leitungsorgane in manchen _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 15 Rz. 15. BGH, Beschl. v. 20.7.2006 – IX ZB 274/05, Rz. 2, NZI 2006, 700; Vallender/Fuchs/Rey, NZI 1999, 140, 141. AG Dresden, Beschl. v. 30.1.2007 – 532 IN 262/07, ZInsO 2007, 501. KG Berlin, Beschl. v. 13.5.1965 – 1 W 848/65, NJW 1965, 2157 f – für die GmbH zur KO; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 15 Rz. 2. Vgl. BGH, Beschl. v. 20.7.2006 – IX ZB 274/05, NZI 2006, 700. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 4/03, ZIP 2003, 1641 = ZInsO 2003, 848, 849, dazu EWiR 2004, 719 (Siller); VG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.11.2004 – 9 G 4708/04, Rz. 47, juris.
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Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15
Fällen im Außenverhältnis nicht unbeschränkt handeln, jedoch ist dies ohne Bedeutung, da § 15 Abs. 1 keine Vertretungsmacht voraussetzt.9) Faktische Organe, z. B. Geschäftsführer, sind antragsberechtigt und -verpflichtet, wenn sie, ohne förmlich bestellt oder in das Handelsregister eingetragen zu sein, mit dem Einverständnis der Gesellschafter die Stellung eines Vertretungsorgans tatsächlich einnehmen,10) da sie nur dann in der Lage sein dürfen, – ggf. gegen den Willen weiterer Antragsberechtigter – die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auszulösen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der faktische Geschäftsführer den nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag berufenen Geschäftsführer völlig verdrängt.11)
7
Kein Antragsrecht (für den Fall der Führungslosigkeit siehe unten Rz. 9) haben demgegenüber die Aktionäre, Gesellschafter oder Genossen in dieser Eigenschaft.12) Dies gilt wegen der großen Missbrauchsgefahr auch für unbeschränkt nachschusspflichtige Genossen.13) Ebenfalls nicht antragsberechtigt sind Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte, da die Stellung eines Insolvenzantrags nicht zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört (vgl. § 49 Abs. 1, § 54 Abs. 1 HGB), sowie die Hauptversammlung14) und der Aufsichts- bzw. Beirat.15)
8
2.
Führungslose juristische Personen (Abs. 1 Satz 2)
Eine juristische Person ist nach der Legaldefinition in § 10 Abs. 2 Satz 2 führungslos, wenn sie keinen organschaftlichen Vertreter hat.16) Ist dies der Fall, wird gemäß Absatz 1 Satz 2 den Gesellschaftern und bei einer AG oder einer Genossenschaft (lediglich)17) jedem Mitglied des Aufsichtsrats ein Antragsrecht eingeräumt. Dieses Antragsrecht ist eine notwendige Folge der nunmehr in § 15a Abs. 3 normierten Antragspflicht.18) Ist eine Gesellschafterin, etwa eine GmbH, ihrerseits ebenfalls führungslos, sind wiederum deren Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, den Insolvenzantrag für die insolvente (Mutter-)Gesellschaft zu stellen.19) 3.
9
Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2)
a) Natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter Vor ihrer Auflösung sind antragsberechtigt: für die OHG, KG und BGB-Gesellschaft jeder persönlich haftende Gesellschafter (§ 125 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB, _____________ 9) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 12 Rz. 17. 10) BGH, Urt. v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, NJW 1966, 2225; BGH, Urt. v. 22.9.1982 – 3 StR, ZIP 1983, 173 f = NJW 1983, 240. 11) BGH, Urt. v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 46 = ZIP 1988, 771 f, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt). 12) OLG Köln, Beschl. v. 22.10.1974 – 2 W 107/74, BB 1975, 199 – für das Beschwerderecht. 13) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 15 Rz. 2. 14) RG, Urt. v. 4.11.1895 – Rep. VI 191/95, RGZ 36, 27, 30 – für die Generalversammlung der Kommanditisten bei einer KGaA. 15) Hachenburg-Ulmer, GmbHG, § 63 Rz. 54. 16) Vgl. dazu AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2008 – 67c IN 478/08, ZIP 2009, 333 = NZI 2009, 63, dazu EWiR 2009, 245 (Mock). 17) So auch Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 15 Rz. 6. 18) Stellungnahme BRat z. Art. 9 Nr. 2 MoMiG (§ 15 InsO), BR-Drucks. 354/07, S. 126, abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 244. 19) LG München, Beschl. v. 29.7.2013 – 14 T 15462/13, ZIP 2013, 1739 f.
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§§ 709, 714 BGB), für die PartG jeder Partner (§ 7 Abs. 3 PartGG, § 125 Abs. 1 HGB), für die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) jeder Geschäftsführer (Art. 20 Abs. 1 EWIV-VO). Für die Partenreederei ist nicht nur der Korrespondentenreeder – der gemäß § 493 Abs. 1 HGB im Verhältnis zu Dritten die Partenreederei vertritt – sondern jeder Reeder (§ 491 HGB)20) antragsberechtigt, da die Mitreeder als „persönlich haftende Gesellschafter“ i. S. der InsO gelten.21) Demgegenüber sind Kommanditisten in dieser Funktion nicht antragsberechtigt.22) b) Keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter (Abs. 3) 11
Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so ist die für die haftende juristische Person nach den Absätzen 1 und 2 antragsberechtigte natürliche Person auch für die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit antragsberechtigt. Das entspricht deren Antragspflicht in § 15a Nach Absatz 3 Satz 2 ist für Fälle weiterer „Verschachtelung“ die Regelung in Satz 1 solange anzuwenden, bis mindestens eine antragsberechtigte natürliche Person feststeht.23) IV. Mehrere Antragsberechtigte (Abs. 2)
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Absatz 2 enthält eine besondere Regelung für den Fall, dass die juristische Person bzw. die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit über mehrere Antragsberechtigte i. S. von Absatz 1 Satz 1 bzw. 2 verfügt.
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Stellen sämtliche Antragsberechtigten gemeinsam den Eröffnungsantrag oder schließen sich sämtliche Antragsberechtigten dem Insolvenzantrag (nachträglich) an, so bedarf er keiner besonderen Glaubhaftmachung, es gelten vielmehr die Grundsätze des § 13. Wird der Antrag hingegen nicht von sämtlichen Antragsberechtigten gestellt – und schließen sich die übrigen auch nicht nachträglich dem Antrag an –, so ist er nur zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (Abs. 2 Satz 1). Diese Regelung soll verhindern, dass infolge gesellschaftsinterner Querelen willkürlich Insolvenzanträge gestellt werden.
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Wird der Insolvenzantrag von Gesellschaftern einer juristischen Person oder Mitgliedern des Aufsichtsrats gemäß Absatz 1 Satz 2 gestellt, so ist außerdem die Führungslosigkeit glaubhaft zu machen (Abs. 2 Satz 2).
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Ist der Eröffnungsgrund und ggf. die Führungslosigkeit glaubhaft gemacht, so hat das Insolvenzgericht die übrigen Antragsberechtigten i. S. von Absatz 1 anzuhören (Abs. 2 Satz 3). Diese Anhörung entspricht der in § 14 für den Gläubigerantrag normierten. Widersprechen die weiteren Antragsberechtigten dem Antrag, so erhalten sie die Stellung von Antragsgegnern, die ihre Einwendungen gegen den Eröffnungsantrag (gegen-)glaubhaft zu machen haben.24) Über die Wirksamkeit ent_____________ 20) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 114, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 170. 21) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 112, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 170. 22) OLG Hamm, Beschl. v. 17.9.1971 – 15b W 155/71, KTS 1972, 105, 106. 23) Vgl. Jaeger-Müller, InsO, § 15 Rz. 40 ff. 24) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 15 Rz. 17.
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scheidet das Insolvenzgericht, indem es den Antrag zurückweist oder dem Verfahren Fortgang, z. B. durch Beauftragung eines Sachverständigen gibt. Ein Streit zwischen mehreren Antragsberechtigten kann aber nicht durch eine Erledigungserklärung beendet werden, da diese sich insofern nicht – in einem quasi kontradiktorischen Verfahren – gegenüber, sondern beide auf Seiten des Schuldners stehen.25) Bei einer schriftlichen Anhörung ist sicherzustellen, dass das Schreiben nicht dem Antragsteller zugestellt wird. Scheidet ein Antragsberechtigter aus der organschaftlichen oder gesellschaftsrechtlichen Position, auf der sein Antragsrecht beruht, aus, so hat das keine Auswirkung auf den bereits gestellten Eröffnungsantrag.26) _____________ 25) BGH, Beschl. v. 18.5.2017 – IX ZB 79/16, ZIP 2017, 1335 = ZInsO 2017, 1426; LG Berlin, Beschl. v. 24.7.2002 – 86 T 409/02, ZInsO 2002, 884, 885; Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 15 Rz. 17. 26) Kayser/Thole-Sternal, HK-InsO, § 15 Rz. 15.
§ 15a Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit Bremen
(1) 1Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. 2Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. 3Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. ) (2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
) (3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag 1. nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder 2. nicht richtig stellt.
) Bremen
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde. (7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden. § 15a Abs. 1 geändert durch Art. 5 Nr. 8 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 m. W. v. 1.1.2021. § 15a Abs. 1 i. d. F. bis zum 31.12.2020 lautete: „(1) 1Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. 2Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“
) § 15a Abs. 2 geändert durch Art. 5 Nr. 8 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 m. W. v. 1.1.2021. § 15a Abs. 2 i. d. F. bis zum 31.12.2020 lautete: „(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.“
) § 15a Abs. 4 geändert durch Art. 5 Nr. 8 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 m. W. v. 1.1.2021. § 15a Abs. 4 i. d. F. bis zum 31.12.2020 lautete: „(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag 1. nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder 2. nicht richtig stellt.“
)
Gesetzesauszüge § 42 StaRUG ) Anzeige von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Strafvorschrift 1
(1) Während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ruht die Antragspflicht nach § 15a Absatz 1 bis 3 der Insolvenzordnung und § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2Die Antragspflichtigen sind jedoch verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Absatz 2 der Insolvenzordnung oder einer Überschuldung im Sinne des § 19 Absatz 2 der Insolvenzordnung ohne schuldhaftes Zögern anzuzeigen. (2) Die Stellung eines den Anforderungen des § 15a der Insolvenzordnung genügenden Insolvenzantrags gilt als rechtzeitige Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 2. …
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15a
(4) Wenn die Anzeige der Restrukturierungssache nach § 31 Absatz 4 ihre Wirkung verliert, leben die nach Absatz 1 Satz 1 ruhenden Antragspflichten wieder auf.
)
Gesetz über den Stabilisierungs -und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).
§ 1 COVInsAG ) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht 1
(1) Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. 2Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. 3War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. 4Ist der Schuldner eine natürlich Person, so ist § 290 Absatz 1 Nummer 4 der Insolvenzordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2020 keine Versagung der Restschuldbefreiung gestützt werden kann. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend. (2) Vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 ist allein die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages wegen Überschuldung nach Maßgabe des Ab) satzes 1 ausgesetzt.
1
(3) Vom 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Maßgabe des Abs. 1 für Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. 2War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt Satz 1 auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangba) re Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.
)
Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569 = Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVAbmildG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569.
) § 1 Abs. 2 COVInsAG eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes, v. 25.9.2020, BGBl. I 2020, 2016.
) § 1 Abs. 3 COVInsAG eingefügt durch Art. 10 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3292.
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§ 15a
Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 1 Abs. 3 Satz 1 COVInsAG geändert durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019, v. 15.2.2021 (COVInsAVG), BGBl. I 2021, 237. § 1 Abs. 3 Satz 1 COVInsAG in der bis zum 31.1.2021 geltenden Fassung lautete: „(3) 1Vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Januar 2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Maßgabe des Absatzes 1 für Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 30. Dezember 2020 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben.“
Literatur: Bischoff, Missbrauch der Limited in Deutschland, ZInsO 2009, 164; Bitter, Corona und die Folgen nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG), ZIP 2020, 685; Bornemann, Insolvenzrechtliche Aspekte des Maßnahmepakets zur Stabilisierung der Wirtschaft, jurisPR-InsR 9/2020 Anm. 1; Gehrlein, Rechtliche Stabilisierung von Unternehmen durch Anpassung insolvenzrechtlicher Vorschriften in Zeiten der Corona-Pandemie, DB 2020, 713; Geißler, Verlängerung der Dreiwochenfrist des § 15a Abs. 1 InsO bei Insolvenz der GmbH?, ZInsO 2013, 167; Göcke, Haftungsfalle Führungslosigkeit? Gefahren für den Insolvenzverwalter eines GmbH-Gesellschafters bei führungsloser Gesellschaft, ZInsO 2008, 1305; Hefendehl, Die Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung und die unstete Wirtschaft, ZIP 2011, 601; Hirte, Reformbedarf bei der Insolvenzantragspflicht in der Aufbauphase von Unternehmen (Finanzierung von Start-ups), ZInsO 2017, 926; Hirte, Neuregelungen mit Bezug zum gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz und im Insolvenzrecht durch das MoMiG, ZInsO 2008, 689; Jacoby/Madau/Sack/Schmidt, H./Thole, Evaluierung: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7. Dezember 2011, 2018, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ News/Artikel/101018_Gesamtbericht_Evaluierung_ESUG.html (Abrufdatum: 28.6.2021); Meyer-Löwy/Poertzgen, Eigenverwaltung (§§ 270 ff InsO) löst Kompetenzkonflikt nach der EuInsVO, ZInsO 2004, 195; Mielke/Heinemann, Die wirksame Amtsniederlegung des Fremdgeschäftsführers bei Führungslosigkeit, ZIP 2017, 1941; Mock, Safe harbour für Qualifikationsprobleme bei Insolvenzantragspflicht, NZI 2006, 24; Poertzgen, Neues zur Insolvenzverschleppungshaftung – Der Regierungsentwurf des MoMiG, NZI 2008, 9; Poertzgen, Die rechtsformneutrale Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO), ZInsO 2007, 574; Schluck-Amend, Änderungen im Insolvenzrecht durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, NZI 2020, 289; Thole, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz und ihre weiteren Folgen, ZIP 2020, 650; Vallender/Fuchs, Die Antragspflicht organschaftlicher Vertreter einer GmbH vor dem Hintergrund der Europäischen Insolvenzverordnung, ZIP 2004, 829; Wagner, Insolvenzantragstellung nur im EU-Ausland? Zivil- und strafrechtliche Risiken für den GmbHGeschäftsführer, ZIP 2006, 1934. Übersicht I. 1.
Normzweck, Entwicklung .................. 1 Haftungsbeschränkte juristische Personen ................................................ 1 2. Zentrierung in der InsO ....................... 2 3. Aussetzung der Antragspflicht durch das COVInsAG .......................... 5 II. Antragspflicht ...................................... 6 1. Antragspflicht (Abs. 1, Abs. 2) ............ 6 a) Antragsverpflichtete nach Absatz 1 Satz 1 ............................... 6 b) Frist, Dauer, Inhalt ........................ 8 c) Auslandsgesellschaften ................ 13
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d) Antragsverpflichtete nach Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 ............ 14 2. Antragspflicht bei Führungslosigkeit (Abs. 3) ................................. 15 III. Strafbarkeit (Abs. 4, Abs. 5) .............. 16 1. Täter ..................................................... 17 2. Tathandlung ......................................... 18 3. Subjektiver Tatbestand ....................... 20 4. Objektive Bedingung der Strafbarkeit .................................................. 22 5. Rechtswidrigkeit, Schuld, Vollendung .......................................... 23
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit 6. Täterschaft, Teilnahme ....................... 7. Vereine, Stiftungen ............................. IV. Ruhen der Antragspflicht nach § 42 StaRUG ....................................... V. Aussetzung der Antragspflicht nach § 1 COVInsAG ......................... 1. COVInsAG ......................................... 2. Aussetzung ipso iure ...........................
24 25
3. 4.
26
5. 6. 7. 8.
29 29 30
§ 15a
Kausalität ............................................. 31 Insolvenzreife aufgrund Überschuldung ............................................. 33 Dauer der Aussetzungen .................... 34 Beweislast ............................................. 35 Verlängerungen der Aussetzung ........ 36 Folgen der Aussetzung der Antragspflicht ...................................... 44
I.
Normzweck, Entwicklung
1.
Haftungsbeschränkte juristische Personen
Insolvenzantragspflichten und deren Strafbewehrung sind neben hiermit korrespondierenden Haftungsvorschriften für den Fall ihrer Verletzung das notwendige Korrelat einer auf einen bestimmten Betrag beschränkten Haftung juristischer Personen oder im Falle des Fehlens persönlicher Haftung wenigstens eines Gesellschafters einer vergleichbaren Personengesellschaft. Sie dienen dem Schutz des Altgläubigers vor weiterer Schädigung durch Reduzierung der Haftungsmasse und des Neugläubigers vor Vertragsabschluss mit einem insolvenzreifen Vertragspartner. 2.
1
Zentrierung in der InsO
Die Vorschriften über die Antragspflicht und die Strafbewehrung wegen ihrer Verletzung, nicht jedoch die über Haftung wegen verbotener Zahlungen wurden zunächst durch das MoMiG1) in die InsO eingefügt und fassen teilweise bis dahin disparate Regelungen in einer für juristische Personen allgemein und vergleichbare Personengesellschaften ohne persönlich Haftenden (Abs. 2) geltenden insolvenzrechtlichen Vorschrift zusammen. Neu sind die Regelungen in Absatz 3 zur Antragspflicht bei sog. führungslosen Gesellschaften. Hingegen blieben die zivilrechtlichen (Haftungs-)Folgen verspäteter Insolvenzantragsstellung nach wie vor den Spezialgesetzen vorbehalten: § 64 Satz 1 GmbHG, § 93 Abs. 3 AktG, § 34 Abs. 3 GenG.
2
Das am 1.3.2012 in Kraft getretene ESUG2) ersetzt zur Vereinheitlichung der Terminologie in den Absätzen 1 und 4 „Insolvenzantrag“ durch „Eröffnungsantrag“ und fügt in Absatz 2 hinter „kein“ „persönlich haftender“ ein, um klarzustellen, dass die Antragspflichten bei mehrstöckigen Konstruktionen nur entfallen, wenn keine natürliche Person unbeschränkt haftet.3) Absatz 4 wurde geändert mit Wirkung ab dem 26.6.2017.4) Die am 26.6.2017 in Kraft getretenen Änderungen und Ergänzungen in den Absätzen 5 und 65) (Abs. 6 a. F. wurde dadurch zu Abs. 7) gelten für alle ab diesem Zeitpunkt gestellten oder noch nicht beschiedenen Anträge. Teilweise werden
3
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. Gesetz zur weiteren Erleichterung und Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 17.12.2011 BGBl. I 2011, 2582. So bislang bereits die h. M.: Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 15a Rz. 11; Poertzgen, ZInsO 2007, 574, 576. Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren, v. 5.6.2017, BGBl. I 2017, 1476. Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren, v. 5.6.2017, BGBl. I 2017, 1476.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
die Antragspflichten und insbesondere die Strafbarkeit wegen deren Verletzung rechtspolitisch kritisch gesehen.6) 4
Mit § 15b wurden ab dem 1.1.2021 nunmehr auch die Vorschriften über die Haftung für verbotene Zahlungen ab Insolvenzreife ergänzend zu § 15a in der InsO zentriert.7) 3.
5
Aussetzung der Antragspflicht durch das COVInsAG
Zur Milderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wird die Antragspflicht vorübergehend (unter Verlängerung) ausgesetzt.8) II. Antragspflicht 1.
Antragspflicht (Abs. 1, Abs. 2)
a) Antragsverpflichtete nach Absatz 1 Satz 1 6
Absatz 1 gilt für die gesetzlichen Organe (einschließlich der Abwickler/Liquidatoren) von Kapitalgesellschaften (richtigerweise auch von deren Vorgesellschaften, obwohl diese – noch – keine Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind)9) sowie OHG und KG ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter, auch während der Liquidation der Gesellschaften,10) nicht jedoch für reine InnenGesellschaften. Spezialgesetzliche Antragspflichten bestehen nach wie vor für insolvenzfähige juristischer Personen des öffentlichen Rechts (§§ 89 Abs. 2, 42 Abs. 2 BGB), Stiftungen (§§ 86 Abs. 2, 42 Abs. 2 BGB), Vereine (§§ 48 Abs. 2, 42 Abs. 2 BGB), die EWIV (Abs. 1 Satz 2; § 11 Abs. 2 EWIV-AG), der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegenden Institute der Kredit-/Finanzdienstleistungen, der Bausparkassen und Versicherungsunternehmen (§ 46b Abs. 1 Satz 2 KWG,§ 88 Abs. 2 VAG und schreiben statt eines Antrages eine Anzeige bei der zuständigen Aufsicht vor), Nachlassverwalter und Erben (§§ 1935, 1980 BGB) und Ehegatten bei vorhandenem Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1489 Abs. 2 BGB). _____________ 6) Hirte, ZInsO 2017, 926. 7) Art. 5 Nr. 9 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281, 3282. 8) Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz–COVInsAG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569 (= Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht, v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569); Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes, v. 25.9.2020, BGBl. I 2020, 2016; Art. 10 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3292; Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 (COVInsAVG), v. 15.2.2021, BGBl. I 2021, 237. 9) Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 16; K. Schmidt-Herchen, InsO, § 15a Rz. 17; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 15a Rz. 9. 10) Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 16.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15a
Diese Antragspflicht betrifft jedes Mitglied des Organs11) bis zur Antragsstellung eines hieraus gesetzlich Verpflichteten oder Wegfall des die Antragspflicht auslösenden Eröffnungsgrundes,12) faktische Geschäftsführer (obwohl nicht antragsberechtigt); fehlerhaft Bestellte, ohne förmliche Bestellung mit Einverständnis der Gesellschafter faktisch Tätige, deren Tätigkeit als solche nach außen in Erscheinung getreten ist, ohne dass jedoch der faktische Geschäftsführer die tatsächliche Geschäftsführung völlig verdrängen muss13), 14) und wird durch die Antragsstellung eines Gläubigers, der den Antrag jederzeit zurücknehmen kann (§ 13 Abs. 2), nicht obsolet.15) Amtsniederlegung (der Niederlegende kann faktischer Geschäftsführer bleiben) oder Abberufung lassen die Antragspflicht nur ex nunc entfallen.16) Zudem muss die Amtsniederlegung wirksam sein, was wegen Rechtsmissbräuchlichkeit bei dem AlleingesellschafterGeschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH nicht der Fall ist, wird die Gesellschaft dadurch führungslos.17) Entgegenstehende Weisungen oder ein auch nur irgendwie geartetes Einverständnis der Gesellschafter18) und eine interne Geschäftsaufteilung des Vertretungsorgans19) sind für die Verpflichteten unbeachtlich.
7
b) Frist, Dauer, Inhalt Die Fristen beginnen mit Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§ 17, 19)20), bei Genossenschaften mit den Abweichungen in § 98 GenG. Die für Insolvenzverfahren aufgrund eines Insolvenzantrages ab dem 1.1.2021 nunmehr geltende Fassung21) (Art. 103m EGInsO)22) führt bei Zahlungsunfähigkeit (unverän_____________ 11) BGH, Urt. v. 1.3.1993 – II ZR 81/94 (zuvor II ZR 61/92), ZIP 1994, 891 = NJW 1994, 2149, dazu EWiR 1994, 789 (Schneider). 12) Klöhn in: MünchKomm-InsO, § 15a Rz. 135 ff. 13) OLG München, Urt. v. 17.7.2019 – 7 U 2463/2018, NZG 2019, 1189. 14) BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 = ZInsO 2005, 878, dazu EWiR 2005, 731 (Bork); BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848 = ZInsO 2002, 582, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGH, Urt. v. 12.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 = ZIP 1988, 771. 15) BGH, Urt. v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, ZIP 2008, 2308 = ZInsO 2008, 1385, dazu EWiR 2009, 235 (Schork/Ganninger); BGH, Urt. v. 5.7.1956 – 3 StR 140/56, GmbHR 1957, 131 = BB 1957, 273; OLG Dresden, Beschl. v. 16.4.1998 – 1 Ws 100/97, ZInsO 1998, 236 (LS) = NZI 1999, 117. 16) BGH Urt. v. 14.12.1951 – 2 StR 368/51, BGHSt 2, 53, 54 = NJW 1952, 554; UhlenbruckHirte, InsO, § 15a Rz. 12. 17) OLG Bamberg, Beschl. v. 17.7.2017 – 5 W 51/17, ZIP 2017, 1466, dazu EWiR 2017, 587 (Wachter); Mielke/Heinemann, ZIP 2017, 1941 ff. 18) BGH, Beschl. v. 2.10.2000 – II ZR 164/99, DStR 2001, 1537; OLG Naumburg, Urt. v. 10.2.1999 – 6 U 1566/97, ZIP 1999, 1362 = DB 1999, 1893; Klöhn in: MünchKommInsO, § 15a Rz. 77. 19) BGH, Urt. v. 1.3.1993 – II ZR 81/94 (zuvor II ZR 61/92), ZIP 1994, 891, 892 = NJW 1994, 2149; LG Dessau, Urt. v. 30.3.1998 – 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006, 1007, dazu EWiR 1998, 557 (Schmahl); Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 27. 20) Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 58. 21) Art. 5 Nr. 8 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281, 3282. 22) Art. 8 Nr. 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3290.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
dert drei Wochen) und Überschuldung (sechs Wochen) erstmals unterschiedliche Fristen für die Antragstellung ein. Die Verlängerung der Frist im Falle der Überschuldung soll es dem Schuldner ermöglichen, „laufende Sanierungsbemühungen außergerichtlich noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen oder ggf. eine Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines Eigenverwaltungsverfahrens ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten.“23) Sie zielt damit auf die Inanspruchnahme (1) eines Eigenverwaltungsverfahrens unter Erstellung einer gleichzeitig als Ergebnis der ESUG-Evaluation24) eingeführten Eigenverwaltungsplanung des § 270a n. F. (am 1.1.2021 in Kraft getreten),25) (2) des gleichzeitig in Kraft getretenen präventiven Restrukturierungsrahmens (Art. 25 Abs. 1 SanInsFoG am 1.1.2021 bzw. Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG am 17.7.2022 die §§ 84 bis 88 StaRUG); dessen Anwendung steht aber nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit offen (§ 29 Abs. 1 StaRUG: „ Zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit …“)26) und setzt daher die Beseitigung der Insolvenzreife innerhalb der Antragsfrist voraus, was nur durch Stundung oder Rangrücktritt der Forderungen wesentliche Gläubiger gelingen dürfte (alleine die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens des StaRUG befreit daher nicht von der Antragspflicht nach § 15a; anders ist es, wenn Insolvenzreife erst während der Inanspruchnahme dieser Instrumente eintritt, vgl. § 42 StaRUG, nachstehend Rz. 26 ff), (3) aber auch der weiteren Verfolgung plausibler und laufend überprüfter und angepasster das Sanierungskonzepte der Geschäftsleiter oder sach- und fachkundiger Experten in deren Auftrag, nach denen unter einer ex ante Betrachtung die größere Wahrscheinlichkeit für die Fortführung des Unternehmens spricht.27) 9
Positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung für den Fristbeginn zu verlangen, ließe die Fristen zu spät beginnen und würde zu einer weiteren Schmälerung der Insolvenzmasse führen. Der Verpflichtete muss ohnehin laufend die Vermögenssituation beobachten.28) Entscheidend ist daher laut BGH die Erkennbarkeit der Eröffnungsgründe durch den Verpflichteten. Erkennbarkeit liegt vor bei Kenntnis des die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung begründenden Sachverhalts; nicht erforderlich ist, dass aus dem Sachverhalt die rechtlich gebotenen Schlüsse im Hinblick auf die Antragspflicht gezogen werden.29) Dabei sind dem Verpflichteten ein an den Anforderungen eines „ohne schuldhaftes Zögern“ orientier_____________ 23) Begr. RegE z. Art. 5 Nr. 8 SanInsFoG, BR-Drucks. 619/20, S. 221, 224. 24) Jacoby/Madaus/Sack/H. Schmidt/Thole, Evaluierung: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7. Dezember 2011, 2018, S. 22. 25) Art. 25 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 26) Art. 25 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 27) „Neckermann-Urteil“ des LG Frankfurt/M., Urt. v. 29.4.2021 – 2-21 O 182/17, n. rkr. 28) BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557; Kübler/Prütting/Bork-Steffeck, InsO, § 15a Rz. 55. 29) BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184 = NJW 2000, 668, dazu EWiR 2000, 295 (Noack); BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 111 = NJW 1979, 1823, 1827; Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 55, 60.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15a
ter enger Beurteilungsspielraum und bei Fehlen ausreichender eigener Sachkunde die Einholung unabhängigen, fachlich qualifizierten Rats einzuräumen.30) Der gegenüber §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, – jeweils a. F. –, und auch der bis 31.12.2020 durch den jetzigen Absatz 1 Satz 2 leicht geänderte Wortlaut von Absatz 1 reicht zur Annahme des Fristbeginns bereits stets mit objektivem Eintritt der Überschuldung nicht aus;31) die durch die Vorschrift eröffnete Karenzfrist, Sanierungsmöglichkeiten auszuloten, würde unangemessen verkürzt. Die Fristen sind nicht verlängerbare32) Höchstfristen, in der erfolgreiche Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der Eröffnungsgründe ergriffen werden können; stehen diese nicht (mehr) zur Verfügung oder wird für die Maßnahmen ein längerer Zeitraum benötigt, ist der Antrag unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) bzw. bei Ablauf der Fristen zu stellen.33) Gleiches gilt, wenn die Maßnahmen von vornherein zur Beseitigung der Insolvenzreife nicht geeignet sind.34)
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Die Antragspflicht endet erst mit erfolgreicher Sanierung (die die Insolvenzreife durch Fortfall der Eröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung beseitigt haben muss) oder mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Eröffnungsantrag (Eröffnung des Verfahrens, Abweisung nach § 26 Abs. 1)35), nicht bereits mit der Antragstellung selbst. Auch die voraussichtliche Abweisung des Antrags mangels Masse lässt die Antragspflicht nicht entfallen.
11
Der Inhalt des Antrags muss den zu § 13 gestellten Anforderungen entsprechen (siehe § 13 Rz. 2 ff, 17 ff), auch unter Berücksichtigung der erweiterten Angaben gemäß § 13 i. d. F. des ESUG.36) Auch der „nicht richtig“ gestellte Antrag (der nach erfolgloser Zwischenverfügung des Insolvenzgerichts als unzulässig zurückzuweisen ist) ist strafbewehrt nach Absatz 4.
12
c) Auslandsgesellschaften Als insolvenzrechtliche Vorschrift, die an keine bestimmte Rechtsform anknüpft, gilt die Antragspflicht auch für Auslandsgesellschaften mit dem Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in Deutschland (Art. 3, 4 EuInsVO).37) Daraus folgt: _____________ 30) BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZInsO 2007, 375, 376 = ZIP 2007, 676, dazu EWiR 2007, 305 (Haas/Reiche). 31) So aber offenbar: Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 58; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, Anh. § 64 Rz. 33. 32) Geißler, ZInsO 2013, 167 ff. 33) BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZInsO 2007, 375, 376 = ZIP 2007, 676; BGH, Urt. v. 12.3.2007 – II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060 = NZI 2007, 614; BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 111 = NJW 1979, 1823, 1827. 34) So nochmals ausdrücklich Begr. RegE z. Art. 5 Nr. 8 SanInsFoG, BR-Drucks. 619/20, S. 221, 224. 35) Klöhn in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 135 ff. 36) Gesetz zur weiteren Erleichterung und Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 17.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 37) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 55; amtl. Begr. BT-Drucks. 16/6140, S. 126; zust.: Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 15a Rz. 24; Kübler/Prütting/Bork-Steffeck, InsO, § 15a Rz. 24; Hefendehl, ZIP 2011, 601, 603; Poertzgen, NZI 2008, 9, 10; eher zweifelnd: Hirte, ZInsO 2008, 689, 699, wegen Zweifeln an der Vereinbarkeit mit der Freizügigkeitsgarantie in Art. 54, 55 AEUV.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
für deutsche Gesellschaften mit dem Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Ausland gilt die Antragspflicht nicht.38) Offen ist, ob die Antragspflicht nur durch Beantragung eines Hauptinsolvenzverfahrens erfüllt wird39) oder ein Antrag auf Durchführung eines Sekundärverfahrens ausreicht.40) d) Antragsverpflichtete nach Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 14
Erfasst werden die Organe der Gesellschaften nach § 11 Abs. 2 Nr. 1, aber auch die BGB-Gesellschaft, z. B. in der Rechtsform einer bauwirtschaftlichen ARGE, bestehend nur aus Kapitalgesellschaften als Gesellschafter. 2.
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Antragspflicht bei Führungslosigkeit (Abs. 3)
Der Antragsberechtigung bei Führungslosigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 2) korrespondiert die Antragspflicht in Absatz 3. Antragspflichtig sind Gesellschafter, ohne dass ihnen organschaftliche Pflichten zuwachsen und ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Beteiligung (GmbH, auch bei einem obligatorischen Aufsichtsrat), Mitglieder des Aufsichtsrats (AG, Genossenschaft, nicht aber bei einem obligatorischen GmbHAufsichts- oder Beirat), auch der Insolvenzverwalter über das Vermögen des antragspflichtigen Gesellschafters,41) und Gesellschafter einer ebenfalls führungslosen Gesellschafterin42) in einer der Rechtsformen des § 15a. Unerreichbarkeit eines bestellten Geschäftsführers43) oder ein faktischer Geschäftsführer machen die GmbH nicht führungslos. Wegen der konkreten Benennung der erfassten Gesellschaftsrechtsformen kommt hier eine Anwendung der Antragspflicht bei Führungslosigkeit auf Auslandsgesellschaften nicht in Betracht. Die Ersatzverpflichteten haben regelmäßig Anlass, sich bei Kenntnis der Führungslosigkeit oder der Insolvenzreife Klarheit über das jeweils andere Element zu verschaffen.44) Die Drei-/Sechs-WochenFrist beginnt einheitlich bei Eintritt der Insolvenzreife zu laufen, auch wenn die Führungslosigkeit erst danach eintritt. III. Strafbarkeit (Abs. 4, Abs. 5)
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Die Bedeutung der Strafbarkeit der im Versuch nicht strafbaren (§ 23 Abs. 1 StGB) Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) der Absätze 4 und 5 ist ambivalent: sie ist von den tauglichen Tätern im Vorfeld der Insolvenz gefürchtet, wird aber wegen der für die Verfolgungsbehörden offenbar bestehenden Schwierigkeiten selten „ausermittelt“. Schutzgut ist das Vermögensinteresse der Alt- und potentiellen Neumassegläubiger. Ob durch die Einbeziehung von Organen ausländischer Gesellschaften, _____________ 38) Hirte, ZInsO 2008, 689, 699; so gewollt: Gegenäußerung d. BReg zur Stellungnahme des BRats z. RegE, Seibert, RWS-Dok. 23, S. 248. 39) AG Köln, Beschl. v. 10.8.2005 – 71 IN 416/05, ZIP 2005, 1566 = NZI 2005, 564; MeyerLöwy/Poertzgen, ZInsO 2004, 195, 197; Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829, 835. 40) Mock, NZI 2006, 24, m. abl. Anm. zu AG Köln, Beschl. v. 10.8.2005 – 71 IN 416/05, ZIP 2005, 1566 = NZI 2005, 564; Wagner, ZIP 2006, 1934. 41) Göcke, ZInsO 2008, 1305. 42) LG München I, Beschl. v. 29.7.2013 – 14 T 15462/13, ZIP 2013, 1739 f. 43) AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2008 – 67c IN 474/08 ZIP 2009, 333, dazu EWiR 2009, 245 (Mock). 44) Begr. RegE MoMiG z. § 15a Abs. 3 InsO, BT-Drucks. 16/6140, S. 55 f.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15a
deren Rechtsordnung eine entsprechende Strafbarkeit fremd ist, die EU-Niederlassungsfreiheit verletzt wird, ist umstritten.45) Die seit dem 1.1.2021 geltenden Änderungen des Absatzes 4 tragen der Einfügung von Satz 2 in Absatz 1 Rechnung. 1.
Täter
Taugliche Täter des Sonderdelikts sind die nach Absätzen 1 und 2 zur Antragstellung Verpflichteten (siehe oben Rz. 6, 7, 15, auch faktische Organpersonen)46), bei Kollegialorganen unabhängig von interner Geschäftsverteilung und satzungsmäßiger (Vertretungs-)Befugnis. Das ehemalige Organ(-mitglied) bleibt strafbar, wenn es in Kenntnis der Krise sein Amt niedergelegt hat oder abberufen wurde und die Antragsfrist abgelaufen war. War sie nicht abgelaufen, ist es grundsätzlich vor seinem Ausscheiden zur Antragsstellung verpflichtet.47) Erfolgt die Niederlegung zur Unzeit (der Geschäftsführer weiß, dass ein neuer Geschäftsführer nicht bestellt wird), ist sie unwirksam und tangiert die Antragspflicht nicht.48) Die Befolgung von der Antragspflicht entgegenstehenden Weisungen führt ebenfalls zur Strafbarkeit.49) 2.
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Tathandlung
Tathandlung ist nach der jetzigen Beschreibung in Absatz 1 durch den MoMiGGesetzgeber das Unterlassen der Antragstellung (das entspricht der Regelung nach altem Recht) oder die Stellung eines unrichtigen Antrags, jeweils bei bestehender Antragspflicht, obwohl der Schwerpunkt des Unrechtsgehalts in der Fortführung des Unternehmens trotz Insolvenzreife liegt. Nicht richtig gestellte Anträge sind solche, die den Mindestanforderungen an zulässige Anträge – auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Pflichtangaben nach § 13 i. d. F. des EUSG50) – nicht genügen; diese Mindestanforderungen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.12.200251) genannt: der Antrag muss die Tatsachen mitteilen, die die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes erkennen lassen. Der Gläubigerantrag befreit den Geschäftsführer von der Antragspflicht nicht.52)
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Die jüngsten Änderungen in Absatz 4 stellen einen unrichtigen Eröffnungsantrag unter Strafe unabhängig davon, ob dem Antragsteller gerichtliche Hinweise auf die
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_____________ 45) Hirte, ZInsO 2008, 689, 699; Bischoff, ZInsO 2009, 164. 46) Streitig: Einzelheiten bei K. Schmidt-Herchen, InsO, § 15a Rz. 65. 47) BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14, 4 StR 324/14, ZIP 2015, 218 = NZI 2015, 186, dazu EWiR 2015, 337 (Priebe). 48) BGH, Urt. v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, ZIP 2003, 2213 = NJW 2003, 3787, dazu EWiR 2004, 453 (Berger/Herbst). 49) BGH, Urt. v. 17.2.2003 – II ZR 340/01, ZIP 2003, 666 = GmbHR 2003, 544. 50) Gesetz zur weiteren Erleichterung und Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 17.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 51) BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 = ZVI 2003, 64, dazu EWiR 2003, 583 (Gundlach/Frenzel); OLG Dresden, Urt. v. 29.8.2002 – 10 UF 229/02, NJW 2003, 147. 52) BGH, Beschl. v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, ZIP 2008, 2308 = ZInsO 2008, 385; BGH, Urt. v. 5.7.1956 – 3 StR 140/56, GmbHR 1957, 131 = BB 1957, 273; OLG Dresden, Beschl. v. 16.4.1998 – 1 Ws 100/97, ZInsO 1998, 236 (LS) = NZI 1998, 117.
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Unzulässigkeit des Antrags nach § 13 Abs. 3 n. F.53) zugestellt wurden oder er anderweitig von diesen Kenntnis erlangt hat. 3.
Subjektiver Tatbestand
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Die Tat nach Absatz 4 ist Vorsatztat, bei der bedingter Vorsatz, der sich auf die die Antragspflicht begründende Stellung (auch der Ersatzverpflichteten gemäß Absatz 3), nicht indes auf die Antragspflicht als solche, und die Eröffnungsgründe beziehen muss, ausreicht; ein Tatbestandsirrtum liegt bei Unkenntnis oder Fehleinschätzung vor. Zieht der Täter aus dem ihm bekannten Krisensachverhalt nicht den Schluss auf das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, kommt nur eine fahrlässige Begehung der Tat in Betracht.54) Da die Ziehung rechtlicher Schlüsse zum Teil erhebliche Rechtskenntnis erfordert, ist es überzeugend, für die Strafbarkeit wegen Vorsatz die Offensichtlichkeit bei Überschuldung und die Kenntnis des die Zahlungsunfähigkeit begründenden Sachverhalts ausreichen zu lassen.55)
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Der Fahrlässigkeitsvorwurf setzt die Erkennbarkeit der Krise und die Verletzung der dabei bestehenden Verpflichtung zur Überprüfung der Unternehmenssituation voraus.56) Prüft der Täter bei Erkennbarkeit der Krise nicht, handelt er nicht nur fahrlässig, sondern bereits mit bedingtem Vorsatz (billigende Inkaufnahme). 4.
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5. Rechtswidrigkeit, Schuld, Vollendung Es gelten die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze. Bei der Annahme von notstandsfähigen Ausnahmefällen (Erhalt von Arbeitsplätzen, außergewöhnliche Sanierungschancen) ist Zurückhaltung geboten: Gerade zur Lösung der Interessenkollision hat der Gesetzgeber das Insolvenzverfahren mit seinem Sanierungsinstrumentarium vorgeschrieben. Vollendung tritt mit Fristablauf – Beendigung mit Antragsstellung durch einen anderen Verpflichteten – ein. 6.
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Objektive Bedingung der Strafbarkeit
Der neue Absatz 6 beschränkt die Strafbarkeit auf Fälle, in denen der nicht richtige oder nicht rechtzeitig gestellte Antrag tatsächlich auch zu einer rechtskräftigen Abweisung mangels Masse wegen Unzulässigkeit geführt hat (objektive Bedingung der Strafbarkeit). Richtigerweise soll die Strafbarkeit nur greifen, wenn die Verletzung der Antragspflicht zu in einer darauf beruhenden gerichtlichen Entscheidung geführt hat.
Täterschaft, Teilnahme
Der faktische Geschäftsführer, der durch tatsächliche Übernahme wesentlicher Tätigkeiten und bestimmenden Einfluss gekennzeichnet ist und im ausdrücklichen oder vermuteten Einverständnis der Gesellschafter oder des Aufsichtsgremiums handelt,57) _____________ 53) Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren, v. 5.6.2017, BGBl. I 2017, 1476. 54) H. M.: Scholz-Tiedemann, GmbHG, § 84 Rz. 97 f; a. A.: Bittmann-Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 11 Rz. 112. 55) A. Schmidt-Borchardt, InsR, § 15a InsO Rz. 17 f. 56) OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.11.1998 – 22 U 25/98, NZI 1999, 156 = NJW-RR 1999, 913. 57) BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848 = ZInsO 2002, 582; BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, ZIP 2000, 1390 = NJW 2000, 2285; BGH, Urt. v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, ZIP 1983, 173 = NJW 1983, 240; BayObLG, Urt. v. 20.2.1997 – 5 StR 159/96, NJW 1997, 1936 = BB 1997, 850.
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§ 15a
unterliegt der Antragspflicht und damit der Strafandrohung. Bei der Vorgründungsgesellschaft, die zwar insolvenzfähig nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 ist, besteht keine Antragspflicht; die Ausdehnung der Strafbarkeit ist wegen der Handelndenhaftung nicht zwingend. 7.
Vereine, Stiftungen
Mit Wirkung vom 1.7.2014 hat der Gesetzgeber durch die Einfügung von Absatz 6 klargestellt, dass sich die Antragspflicht für Organe von Vereinen und Stiftungen ausschließlich nach § 42 Abs. 2 BGB richtet. Die Unterschiede bestehen darin, dass die Antragstellung nicht ohne schuldhaftes Zögern oder spätestens innerhalb von drei oder sechs Wochen ab Eintritt der Insolvenzreife zu erfolgen hat und die Verletzung der Antragspflicht, die eine Verpflichtung zum Schadensersatz auslöst,58) nicht strafbewehrt ist.
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IV. Ruhen der Antragspflicht nach § 42 StaRUG Wird die Gesellschaft während der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache (§ 31 Abs. 3 StaRUG) zahlungsunfähig oder überschuldet, löst die Vorschrift den Konflikt der Verfahren durch Ruhen der insolvenzrechtlichen Antragspflicht i. V. m. einer die Geschäftsleiter treffenden Anzeigepflicht an das Restrukturierungsgericht. Es ist daher konsequent, wenn § 42 Abs. 4 die Antragspflicht nach § 15a mit Wegfall der Wirkungen der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache nach § 31 Abs. 4 StaRUG (Rücknahme des Antrages, Rechtskraft der Entscheidung über die Planbestätigung, Aufhebung der Restrukturierungssache durch das Restrukturierungsgericht, Ablauf von sechs Monaten seit der Anzeige) wiederaufleben lässt.
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Der Vorrang der Restrukturierungssache vor einem aufgrund eines Antrages nach § 15a eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahren ist teilweise unionsrechtlich bedingt: Nach Art. 7 Restrukturierungsrichtlinie59) ruht die Antragspflicht während der Aussetzung von Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung (Art. 6 Restrukturierungsrichtlinie, § 49 StaRUG), wenn das aufgrund eines Insolvenzantrages eingeleitete Insolvenzverfahren zur Liquidation des Schuldners führen könnte. Die Antragspflicht ruht aber nach § 42 StaRUG auch, wenn keine Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung eingestellt wurden. Damit soll der Gefahr der Inanspruchnahme von Stabilisierungsanordnungen nach § 49 StaRUG begegnet werden, um der strafbewehrten Antragspflicht zu entgehen.60) Dieser Mechanismus i. V. m. den Anzeigepflichten des Schuldners nach § 32 Abs. 2, 3 StaRUG lässt das Re_____________
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58) Gegenüber Altgläubigern: OLG Hamburg, Urt. v. 5.2.2009 – 6 V 216/07, ZIP 2009, 757, dazu EWiR 2009, 331 (Roth); gegenüber Neugläubigern: keine Haftung analog §§ 64 GmbHG a. F., § 93 Abs. 3 Nr. 6 i. V. m. § 42 Abs. 2 AktG a. F.: BGH, Beschl. v. 8.10.2010 – II ZR 54/09, ZIP 2010, 985, dazu EWiR 2010, 553 f (Hangebrauck); BGH, Beschl. v. 8.2.2010 – II ZR 156/09, ZIP 2010, 1080, dazu EWiR 2010, 555 (Roth). 59) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, v. 20.6.2009, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. § 44 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 144.
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§ 15a
Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
strukturierungsgericht darüber entscheiden, ob es die Restrukturierungssache aufhebt (mit der Folge dass die Anzeigepflicht nach § 15a wieder auflebt) oder aber fortsetzt. 28
Voraussetzung des Ruhens der Antragspflicht ist die Anzeige der Insolvenzreife ohne schuldhaftes Zögern. Umgekehrt erfüllt ein den Anforderungen des § 15a entsprechender Insolvenzantrag die Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 2. V. Aussetzung der Antragspflicht nach § 1 COVInsAG 1.
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COVInsAG
Zusammen mit dem Erlass weiterer Regelungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht wurde zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19Pandemie61) auch die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt (§ 1 COVInsAG). Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht wurde im BGBl. vom 27.3.202062) verkündet; nach Art. 6 Abs. 1 traten das COVInsAG und damit die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht jedoch rückwirkend zum 1.3.2020 in Kraft: –
§ 1 Abs. 1 Satz 1 COVInsAG enthält den Grundtatbestand der Aussetzung der Antragspflicht.
–
§ 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG schränkt die Aussetzung der Antragspflicht ein, wenn Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht (1. Alt.) oder wenn keine Aussicht darauf besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (2. Alt.).
–
Die Vermutung in § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, greift in die von Satz 2 geforderte Kausalität zugunsten des Schuldners ein.
2.
Aussetzung ipso iure
Der Grundtatbestand in § 1 Abs. 1 Satz 1 COVInsAG setzt lediglich die Antragspflicht ipso iure aus; sie wird nicht erst ausgesetzt, wenn der Antragspflichtige die Kausalität der COVID-19-Pandemie für die Insolvenzreife nachweist. Die Folge hiervon ist, dass beweispflichtig ist, wer sich auf das Fortbestehen der Antragspflicht beruft.63) Die materielle Insolvenzreife selbst ist weder ausgesetzt noch anderweitig tangiert. Insbesondere setzt Satz 1 den Tatbestand der Überschuldung nicht aus. Unberührt bleiben auch an die Insolvenzreife anknüpfende vertragliche Regelungen, die deliktische Haftung nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB _____________ 61) Begr. Gesetzentwurf COVInsAG, BT-Drucks. 19/18110, S. 2 f, 22 f. 62) Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569 = Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569. 63) Bornemann, jurisPR-InsR 9/2000 Anm. 1, S. 8 f.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15a
und die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 263, 266, 283, 283c StGB. Lediglich Art. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht enthält spezielle zivilrechtliche Regelungen für Vertragsverhältnisse (Moratorien bei Verträgen von Verbrauchern und Kleinunternehmern, Kündigungserschwerungen bei Miet- und Pachtverhältnissen, Stundungen bei Verbraucher-Darlehensverträgen). Der Schuldner wird alleine durch die Aussetzung der Antragspflicht (oder auch die Regelungen in Art. 5) im Geschäftsverkehr nicht einer sorgfältigen Prüfung der Erfüllbarkeit ab Insolvenzreife noch eingegangener Verpflichtungen enthoben. 3.
Kausalität
Der Grund für die Insolvenzreife entscheidet über das „Ob“ der Aussetzung der Antragspflicht. Sie ist nicht ausgesetzt, wenn sie nicht auf den Folgen der COVID19-Pandemie beruht oder keine Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht. Das lässt zunächst offen, wann fehlende Kausalität anzunehmen ist, insbesondere bei mehreren in Betracht kommenden Ursachen oder hypothetischen Reserveursachen.
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Mit der Vermutung der Ursächlichkeit der COVID-19-Pandemie für die Insolvenzreife in § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG trägt der Gesetzgeber diesen möglichen Unklarheiten Rechnung. Grundlage der Vermutung sind die Zahlungsfähigkeit des Schuldners am 31.12.2019 und Aussichten darauf, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Inhalt der Vermutung ist das Beruhen der Insolvenzreife aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Die Vermutung soll gewährleisten, dass „bestehende Unsicherheiten und Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises der Kausalität und der Prognostizierbarkeit der weiteren Entwicklungen in keiner Weise zulasten des Antragspflichtigen“ gehen; die Widerlegung der Vermutung komme daher nur in Betracht, wenn keinerlei Zweifel an der Ursächlichkeit der COVID-19-Pandemie bestehen, wobei hieran „höchste Anforderungen“ zu stellen sind.64) Unter diesem Verständnis reicht bei mehreren Ursachen bereits eine Mitursächlichkeit oder auch nur eine Reserveursache für die Insolvenzreife aus,65) da andernfalls Ursachen und hypothetische Kausalverläufe bewertet werden müssten. Ist (auch aufgrund hypothetischer Ursachen) eine Insolvenz aber bereits unabwendbar, kann sich der Geschäftsleiter dessen nicht (mehr) verschließen.66) Allgemein gilt das regelmäßige Beweismaß von § 286 ZPO.
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4.
Insolvenzreife aufgrund Überschuldung
§ 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG knüpft nur an die Zahlungsunfähigkeit an. Nach dem Grundtatbestand in Satz 1 kommt es auf den konkreten Grund für die Insolvenzreife nicht an (siehe Rz. 30). Es ist daher nach Satz 2 unschädlich, wenn Aussichten auf die Beseitigung einer alleine bestehenden Überschuldung als Grund für die Insolvenz-
_____________ 64) Begr. Gesetzentwurf COVInsAG, BT-Drucks. 19/18110, S. 2 f, 22 f. 65) Bitter, ZIP 2020, 685; Thole, ZIP 2020, 650; a. A. Schluck-Amend, NZI 2020, 289, 291. 66) Bornemann, jurisPR-InsR 9/2000 Anm. 1, S. 9.
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§ 15a
Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
reife fehlen. Angesichts der Pandemie sollen den Antragspflichtigen keine verlässlichen und belastbaren Prognoseentscheidungen abverlangt werden.67) 5. 34
Der Wortlaut lässt auch die Dauer der Aussetzung offen und innerhalb welchen Zeitraumes festzustellen ist, dass keine Aussichten bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG). Nach dem Zwecke der Aussetzung soll der Schuldner die staatlichen Hilfsprogramme zur Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, die bei Erlass des Gesetzes aber noch nicht auf den Weg gebracht waren, in Anspruch nehmen können; der angemessene Horizont zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit müsse daher durch die Rechtsprechung bestimmt werden.68) Der Gesetzeszweck, bestehende Unwägbarkeiten bei Kausalität und Prognosen in keiner Weise zulasten des Antragspflichtigen gehen zu lassen, würde verfehlt, würde Satz 2 schematisch eine bestimmte Frist zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit vor Ablauf des Aussetzungszeitraums entnommen werden,69) zumal der Wortlaut eine derart strikte Begrenzung nicht hergibt. Andernfalls müssten vor Ablauf der Aussetzungsfrist insoweit Prüfungen erfolgen. Andererseits widerspräche es dem Gesetzeszweck, wenn die Aussetzung andauert, obwohl nach ihrem Beginn unter den in der Gesetzesbegründung genannten „höchsten Anforderungen“ erkennbar die Aussichten zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit geschwunden sind, z. B. wenn in diesem Sinne offenkundig ist, dass der Schuldner (auch von Beginn der möglichen Aussetzung an) die Voraussetzungen zum Bezug staatlicher Hilfeleistungen nicht erfüllt. 6.
35
Beweislast
Die Beweislast für den Vermutungstatbestand, dass der Schuldner zum 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, trifft den, der sich auf die Aussetzung beruft. Rechtstechnische Folge der Vermutung ist, dass der Gläubiger, der sich auf das Fortbestehen der Antragspflicht beruft, die Zahlungsunfähigkeit zum 31.12.2019 beweisen muss. Dies wird nur in den seltensten Fällen gelingen, da bereits unter mehreren Ursachen Mitursächlichkeit eines Umstandes für die Insolvenzreife ausreicht. Auch die Vermutung knüpft lediglich an die Zahlungsunfähigkeit, nicht aber an die Überschuldung des Schuldners zum 31.12.2019, an, um – zumal retrospektive – Prognosen zu erübrigen.70) Fehlende Zahlungsunfähigkeit zum 31.12.2019 – Bilanzstichtag für die Mehrzahl der Unternehmen – lässt sich ohne übermäßigen Aufwand potentiell Antragspflichtiger feststellen. 7.
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Dauer der Aussetzungen
Verlängerungen der Aussetzung
Die erste Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht für den Zeitraum 1.10.2020 bis 31.12.2020 in § 1 Abs. 2 COVInsAG gilt alleine für Überschuldung, nicht aber für Zahlungsunfähigkeit. Soweit bis 30.9.2020 eine Aussetzung wegen _____________ 67) 68) 69) 70)
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Bornemann, jurisPR-InsR 9/2000 Anm. 1, S. 9. Bornemann, jurisPR-InsR 9/2000 Anm. 1, S. 9 f. So aber Gehrlein, DB 2020, 713 (drei Monate). A. A. Bitter, ZIP 2020, 685, 688.
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Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
§ 15a
Zahlungsunfähigkeit erfolgt ist, endet sie zwingend zu diesem Zeitpunkt. Auch die Wirkung des Vermutungstatbestandes des Satzes 3 erstreckt sich nicht über den 30.9.2020 hinaus. Diese Verlängerung der Aussetzung ist in der Erwartung des alsbaldigen Inkrafttretens des damals im Gesetzgebungsverfahren befindlichen StaRUG als Teil des SanInsFoG71) erfolgt. Die zweite Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht betrifft den Zeitraum 1.1.2021 bis 31.1.2021.72) Die in der Zwischenzeit beschlossenen finanziellen Hilfeleistungen waren bis zum Ablauf der Aussetzung am 31.12.2020 noch nicht vollständig auf den Weg gebracht, insbesondere weder bereits gestellte Anträge beschieden noch Hilfsgelder ausgezahlt. Daher sollten finanzielle Hilfeleistungen i. R. staatlicher Hilfsprogramme auch noch im Januar 2021 beantragt werden können oder Unternehmen, die zu dem Kreis der Antragsberechtigten gehören, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Antragstellung im Januar 2021 gehindert waren, noch eine nachträgliche Antragstellung ermöglicht werden, um damit in den Genuss der Aussetzung der Antragspflicht gelangen zu können. Es muss aber Aussicht auf Erlangung der beantragten Hilfeleistung bestehen; sie muss auch zur Beseitigung der Insolvenzreife reichen.
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Da die Aussetzung wiederum „nach Maßgabe des Absatzes 1“ erfolgt, spricht viel dafür, dass – mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten (siehe Rz. 35) – der Gläubiger, der sich darauf beruft, für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG, unter denen eine Aussetzung der Antragspflicht nicht gegeben ist, beweispflichtig ist.
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Die zweite Verlängerung ist am 1.1.2021 in Kraft getreten (Art. 25 SanInsFoG). Eine Rückwirkung ist nicht angeordnet. Die Aussetzung der Antragspflicht ab 1.10.2020, insbesondere ab dem 1.11.2020, ab welchem die staatlichen Hilfeleistungen gewährt wurden, beurteilt sich daher nur nach der ersten Verlängerung. Sie hilft bis 31.12.2020 weder bei Zahlungsunfähigkeit ab dem 1.10.2020, noch wenn der Schuldner staatliche Hilfeleistungen für den Zeitraum ab dem 1.11.2020 später erhält; in diesem Fall kommt allenfalls eine Aussetzung nach der zweiten Verlängerung ab Antragstellung (bis längstens 28.2.2021, siehe hierzu Rz. 40 f) oder, falls der Schuldner an der Antragstellung gehindert war, ab 1.2.2021, soweit der Schuldner in den Kreis der Antragsberechtigten fällt, in Betracht.
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Durch das nach seinem Art. 3 Abs. 2 am 1.2.2021 in Kraft getretene Gesetz vom 15.1.2021 wurden die Aussetzung der Antragspflicht auf den 30.4.2021 (dritte Verlängerung) und der Zeitraum, innerhalb dessen finanzielle Hilfeleistungen i. R. der staatlichen Hilfsprogramme noch gestellt werden können, bis zum 28.2.2021 verlän-
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_____________ 71) Gesetz über den Stabilisierungs- -und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3290 ff. 72) Art. 10 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3292.
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§ 15a
Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
gert.73) Es werden lediglich die Fristen des § 1 Abs. 3 COVInsAG verlängert; die übrigen Voraussetzungen der Aussetzung des Absatzes 3 gelten unverändert. 41
Sowohl die zweite als auch die dritte Verlängerung gelten wiederum allgemein im Falle der Insolvenzreife, also sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung, da § 1 Abs. 3 Satz 1 COVInsAG in beiden Fassungen der Verlängerungen die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages „nach Maßgabe des Absatzes 1“ aussetzen. Bei der Überschuldung gilt ein auf vier Monate verkürzter Prognosezeitraum74) (siehe § 19 Rz. 21 f). Die Verlängerungen gelten aber nicht rückwirkend für den Zeitraum 1.11.2020 bis 31.12.2020, da sie ja in diesem Zeitraum noch nicht galten.
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Alle Verlängerungen „heilen“ keine vorangegangene Verschleppung. Die Aussetzung ist vielmehr für jeden Aussetzungszeitraum anhand der dafür geltenden Voraussetzungen zu prüfen. Die Verschleppung kann durch einen Antrag auf staatliche Hilfeleistung allenfalls für die Zukunft, nicht aber rückwirkend beendet werden. Überzeugender ist allerdings, auch diese Wirkung abzulehnen, da der Schuldner, der ordnungsgemäß einen Insolvenzantrag gestellt hat, keinen Anspruch auf Hilfeleistung hat; anderenfalls würde die Verschleppung nachträglich „prämiert“.
43
Ausnahmen sind lediglich in Fällen der Evidenz denkbar, in denen offensichtlich keine Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht und die erlangbaren finanziellen Hilfeleistungen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit nicht ausreichen. Dabei sind an die Evidenz in Anlehnung an die Ausnahmen von der Aussetzung der Antragspflicht in § 1 Abs. 1 COVInsAG mit der Gesetzesbegründung „höchste Anforderungen“75) zu stellen. 8.
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Folgen der Aussetzung der Antragspflicht
Die Folgen der Aussetzung der Antragspflicht sind Erleichterungen bei den Zahlungsverboten nach § 15b und deren Vorgängervorschriften (§ 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 130a Abs. 1 Satz 2, auch i. V. m. § 177 Abs. 1 HGB, § 99 Satz 2 GenG), die Privilegierung im Aussetzungszeitraum gewährter neuer Kredite und deren Qualifizierung als nicht sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung sowie die Privilegierung von Rechtshandlungen gegenüber insolvenzrechtlicher Anfechtung (§ 2 Abs. 1 COVInsAG). Die Anfechtungsfreiheit als eine der Folgen der Aussetzung der Antragspflicht (§ 2 Abs. 1 COVInsAG) gilt nicht für die Aussetzungen ab dem 1.10.2020 (arg. ex § 2 Abs. 4 COVInsAG).
_____________ 73) Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 (COVInsAVG), v. 15.2.2021, BGBl. I 2021, 237. 74) Art. 10 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3292. 75) Begr. Gesetzentwurf COVInsAG, BT-Drucks. 19/18110, S. 2 f, 22 f.
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
§ 15b
§ 15b Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung ) Bremen
(1) 1Die nach § 15a Absatz 1 Satz 1 antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. 2Dies gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. (2) 1Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, gelten vorbehaltlich des Absatzes 3 als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. 2Im Rahmen des für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitraums nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt dies nur, solange die Antragspflichtigen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. 3Zahlungen, die im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Eröffnung des Verfahrens geleistet werden, gelten auch dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn diese mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden. (3) Ist der nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen und hat der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt, sind Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. (4) 1Werden entgegen Absatz 1 Zahlungen geleistet, sind die Antragspflichtigen der juristischen Person zur Erstattung verpflichtet. 2Ist der Gläubigerschaft der juristischen Person ein geringerer Schaden entstanden, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den Ausgleich dieses Schadens. 3Soweit die Erstattung oder der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der juristischen Person erforderlich ist, wird die Pflicht nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieselben in Befolgung eines Beschlusses eines Organs der juristischen Person gehandelt haben. 4Ein Verzicht der juristischen Person auf Erstattungs- oder Ersatzansprüche oder ein Vergleich der juristischen Person über diese Ansprüche ist unwirksam. 5Dies gilt nicht, wenn der Erstattungs- oder Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht, wenn die Erstattungs- oder Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird oder wenn ein Insolvenzverwalter für die juristische Person handelt. (5) 1Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 gelten auch für Zahlungen an Personen, die an der juristischen Person beteiligt sind, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. 2Satz 1 ist auf Genossenschaften nicht anwendbar. (6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für die nach § 15a Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 zur Stellung des Antrags verpflichteten organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter. Bremen
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
(7) 1Die Ansprüche aufgrund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. 2Besteht zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung eine Börsennotierung, verjähren die Ansprüche in zehn Jahren. (8) 1Eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten liegt nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 oder der Überschuldung nach § 19 und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen ihren Verpflichtungen nach § 15a nachkommen. 2Wird entgegen der Verpflichtung nach § 15a ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, gilt dies nur für die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung fällig werdenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. 3Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet und ist dies auf eine Pflichtverletzung der Antragspflichtigen zurückzuführen, gelten die Sätze 1 und 2 nicht. § 15b eingefügt durch Art. 5 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, m. W. v. 1.1.2021; i.V. m. Art. 35, Art. 36, Art. 137 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 3436.
)
Gesetzesauszüge Die folgenden Vorschriften geben die bis 31.12.2020 geltenden Fassungen wieder. § 64 GmbHG a. F. Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung 1
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach 2 Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 3Die gleiche Verpflichtung trifft die Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. 4Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung. § 99 GenG a. F. Zahlungsverbot bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung 1
Der Vorstand darf keine Zahlung mehr leisten, sobald die Genossenschaft zahlungsunfähig geworden ist oder sich eine Überschuldung ergeben hat, die für die Genossenschaft nach § 98 Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist. 2Dies gilt nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft vereinbar sind. § 92 AktG a. F. Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (1) … 180
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
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(2) Nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, darf der Vorstand keine Zahlungen leisten. 2Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar 3 sind. Die gleiche Verpflichtung trifft den Vorstand für Zahlungen an Aktionäre, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in § 93 Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. § 93 AktG a. F. Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder (1) … (3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz 1. … 6. Zahlungen entgegen § 92 Abs. 2 geleistet werden, 7. … § 130a HGB a. F. 1
(1) Nachdem bei einer Gesellschaft, bei der kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, dürfen die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter und die Liquidatoren für die Ge2 sellschaft keine Zahlungen leisten. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften 3 Geschäftsleiters vereinbar sind. Entsprechendes gilt für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. 4Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn zu den Gesellschaftern der offenen Handelsgesellschaft eine andere offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. 1
(2) Wird entgegen § 15a Abs. 1 der Insolvenzordnung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht oder nicht rechtzeitig beantragt oder werden entgegen Absatz 1 Zahlungen geleistet, so sind die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter und die Liquidatoren der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. 2Ist dabei streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, 3 so trifft sie die Beweislast. Die Ersatzpflicht kann durch Vereinbarung mit den Gesellschaftern weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. 4Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, dass die Handlung auf einem Beschluss der
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Gesellschafter beruht. 5Satz 4 gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt 6 wird. Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. (3) Diese Vorschriften gelten sinngemäß, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten organschaftlichen Vertreter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. § 177a HGB a. F. 1
(1) Die §§ 125a und 130a gelten auch für die Gesellschaft, bei der ein Kommanditist eine natürliche Person ist, § 130a jedoch mit der Maßgabe, dass anstelle des Absatzes 1 Satz 5 der § 172 Abs. 6 Satz 2 anzuwenden ist. … Literatur: Altmeppen, Die fortgesetzten Irrtümer über die Zahlungsverbote, ZIP 2021, 1; Altmeppen, Masseschmälernde Zahlungen, NZG 2016, 521; Altmeppen/Wilhelm, Quotenschaden, Individualschaden und Klagebefugnis bei der Verschleppung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, NJW 1999, 673; Bitter, Geschäftsleiterhaftung in der Insolvenz, ZIP 2021, 321; Bitter, Neues Zahlungsverbot in § 15b InsO-E und Streichung des § 64 GmbHG, GmbHR 2020, 1157; Bitter, Zur Haftung des Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbHG für „Zahlungen“ nach Insolvenzreife, WM 2001, 666; Brinkmann, Die Haftung der Geschäftsleiter in der Krise nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts – SanInsFoG, ZIP 2020, 2361; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG – Nachtrag zu ZInsO 2021, 1 ff., ZInsO 2021, 125; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG, ZInsO 2021, 1; Gehrlein, Neuregelung und Konzentration der Zahlungsverbote in § 15b InsO-E, DB 2020, 2393; Poertzgen, „Insolvenzverschleppung in Zeiten des COVInsAG“, StaRUG und SanInsFoG, ZInsO 2020, 2509, 2515 ff; Schulze-Osterloh, Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 64 Abs. 2 GmbHG; §§ 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG), in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 415. Übersicht I. 1.
Normzweck, Entwicklung .................. 1 Haftungsgeschränkte juristische Personen ................................................ 1 2. Zentrierung in der InsO ....................... 2 II. Einordnung der Verschleppungshaftung .................................................. 4 III. Normadressat ....................................... 8 IV. Zahlungen und Ausgleich für Zahlungen (Abs. 1) ............................ 10 1. Zahlungen ............................................ 10 2. Ausgleich für Zahlungen .................... 11 3. Zahlungen aus kreditorisch geführten Konten ................................ 13 4. Zahlungen aus debitorisch geführten Konten ................................ 14 5. Einzahlungen in debitorisch geführten Konten ................................ 15
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V. Sorgfaltsausnahmen (Abs. 2, Abs. 3) ................................... 17 1. Pflichtgemäß handelnde Antragspflichtige ................................. 17 2. Zahlungen unter vorläufiger Insolvenzverwaltung ........................... 19 VI. Haftung (Abs. 4) ................................ 20 VII. Zahlungen an Gesellschafter (Abs. 5) ................................................ 22 VIII. Gesellschafter als Haftende (Abs. 6) ................................................ 23 IX. Verjährung (Abs. 7) ........................... 24 X. Kollision von Masseerhaltungsund steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten (Abs. 8) ............................... 25
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
I.
Normzweck, Entwicklung
1.
Haftungsgeschränkte juristische Personen
§ 15b
Die Haftung von Geschäftsleitern für Zahlungen bei Insolvenzreife ergänzt die Insolvenzantragspflichten und dient als notwendiges Korrelat einer auf einen bestimmten Betrag beschränkten Haftung juristischer Personen oder im Falle des Fehlens persönlicher Haftung wenigstens eines Gesellschafters einer vergleichbaren Personengesellschaft. Antragspflichten (§ 15a) und Haftung bei deren Verletzung dienen dem Schutz des Altgläubigers vor weiterer Schädigung durch Reduzierung der Haftungsmasse und des Neugläubigers vor Vertragsabschluss mit einem insolvenzreifen Vertragspartner. 2.
1
Zentrierung in der InsO
Durch das MoMiG1) wurden zunächst die Vorschriften über die Antragspflicht und der Strafbewehrung bei deren Verletzung, nicht jedoch die über die haftungsrechtlichen Folgen bei Verletzung der Antragspflicht in die InsO eingefügt. § 15a fasst teilweise bis dahin disparate Regelungen in einer Vorschrift für juristische Personen und vergleichbare Personengesellschaften ohne persönlich Haftenden (§ 15a Abs. 2) zusammen, ergänzt um die Regelungen in § 15a Abs. 3 zur Antragspflicht bei sog. führungslosen Gesellschaften. Die Vorschriften über die zivilrechtlichen (Haftungs-)Folgen verspäteter Insolvenzantragsstellung (§ 64 Satz 1 GmbHG, §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, § 99 Abs. 3 GenG, §§ 130a Abs. 1, 177a Satz 1 HGB) haben nunmehr durch Art. 5 Nr. 9 SanInsFoG2) (teilweise modifiziert und erweitert) Eingang in die InsO gefunden.
2
Die Auswirkungen hiervon auf Inhalt und Umfang der Haftung gingen zunächst auseinander.3) Umstritten war, ab wann § 15b gilt. Art. 103m EGInsO4) brachte die neuen Vorschriften auf Insolvenzverfahren aufgrund eines Antrages ab dem 1.1.2021 zur Anwendung. Da die Haftungsnorm des § 15b nicht zu den Vorschriften über Insolvenzverfahren gehöre, wurde hieraus gefolgert, die Neufassung nach Art. 25 Abs. 1 SanInsFoG5) gelte für (jede) Zahlung ab dem 1.1.20216) und nicht nur für Zahlungen vor einem Insolvenzverfahren aufgrund eines Antrages ab dem 1.1.2021; zudem waren das Ob und der Umfang der Fortgeltung von § 64 GmbHG, § 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 AktG unklar. Die auf die Empfehlung des Rechtsausschusses zurückgehenden Sätze 2 und 3 des Art. 103m EGInsO7) stellen nunmehr klar, dass
3
_____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6) 7)
Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3282. Bitter, GmbHR 2020, 1157; Brinkmann, ZIP 2020, 2361; Brünkmans, ZInsO 2021, 1; Brünkmans, ZInsO 2021, 125; Gehrlein, DB 2020, 2393; Poertzgen, ZInsO 2020, 2509, 2515 ff. I. d. F. des Art. 8 Nr. 2 SanInsFoG, v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3290. SanInsFoG, v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3290, 3298. Bitter, ZIP 2021, 321, 332. Art. 36, 137 Satz 2 Nr. 2 des insoweit am 18.8.2021 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 3436, 3452.
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
§ 15b erstmals auf Zahlungen nach dem 31.12.2020 und die bisherigen Vorschriften auf Zahlungen bis zum 1.1.2021 anzuwenden sind. Das hat die Anwendung unterschiedlicher Haftungsregime auf Zahlungen vor und nach dem 31.12.2020 in ein und demselben Insolvenzverfahren zur Folge. II. Einordnung der Verschleppungshaftung 4
Die dogmatische Einordnung der Verschleppungshaftung ist seit jeher umstritten. Die Zentralisierung der Haftung für verbotene Zahlungen in der InsO mag ein insolvenz- und kein gesellschaftsrechtliches Verständnis der Haftung befördern, ließe damit aber eine nähere inhaltliche Qualifikation offen. Wie schon ihre Vorgänger (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 99 Abs. 3 GenG, §§ 130a Abs. 1, 177a Satz 1 HGB) setzt auch § 15b Abs. 1 keinen Schaden der Gesellschaft voraus, obwohl die Gesellschaft Inhaberin des Anspruchs ist, sondern knüpft an Zahlungen ab Insolvenzreife an. Damit fällt ein Verständnis der Haftung aus Absatz 1 als Schadensersatz schwer.8)
5
Die Rechtsprechung hat der Verschleppungshaftung einen deliktsrechtlichen Charakter (§ 826 BGB) abgesprochen und ordnet den Haftungsanspruch als Ersatzanspruch eigener Art ein:9) Das Zahlungsverbot soll die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen haftungsbeschränkten Körperschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindern. Mit diesem Zweck wird die Haftung auch als Ausdruck der Gläubigergleichbehandlung10) (ohne damit anfechtungsrechtlichen Charakter haben zu können, da sich der Anspruch nicht gegen den Zahlungsempfänger richtet),11) als Instrument zur Bewirkung einer frühzeitigen Antragstellung12) und zur Erhaltung der den Gläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse verstanden.13)
6
Bereits für die Vorgängervorschriften von § 15a hat der EuGH die Haftung wegen verbotener Zahlungen dem Insolvenzrecht gemäß Art. 4 EuInsVO zugeordnet, da sie zu den „unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren hervorgehenden und in einem engen Zusammenhang damit stehenden Klagen zähle,“14) womit die Verschleppungshaftung wie auch die Antragspflicht (siehe § 15a Rz. 13) auch für Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften gilt.
7
Der Gesetzgeber sieht die rechtsformneutrale Verortung der Insolvenzverschleppungshaftung ergänzend zu den Antragspflichten des § 15a in der InsO von _____________ 8) So aber Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rz. 16, 68 ff. 9) BGH, Urt. v. 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088, 1089; BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 278 = ZIP 2001, 235, m. Anm. Altmeppen, dazu EWiR 2001, 329 (Priester); BGH, Beschl. v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, ZIP 2008, 1026, dazu EWiR 2009, 237 (Kleinschmidt); BGH, Urt. v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988. 10) Schulze-Osterloh in: FS Bezzenberger, S. 415, 423. 11) Bitter, WM 2001, 666, 669. 12) Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 64 Rz. 3. 13) Altmeppen/Wilhelm, NJW 1999, 673, 678. 14) EuGH (6. Kammer), Urt. v. 10.12.2015 – Rs. C-594/14 (Kornhaas), ECLI:EU:C:2015:806 = NZI 2016, 48, m. Anm. Swierczok.
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dem Gedanken getragen, dass es sich um insolvenzrechtliche Regelungen zum Schutz der Gläubigerschaft vor einer Schmälerung der Insolvenzmasse handelt.15) III. Normadressat Mitglieder des Vertretungsorgans oder Abwickler einer juristischen Person sind deren gesetzliche Vertreter (Geschäftsführer, Vorstände, Liquidatoren); sie müssen nicht notwendig im Handelsregister eingetragen sein: Die Vertreter der Vor-Gesellschaft haften ohnehin persönlich. Eine Mithaftung von Gesellschaftern und Prokuristen als Teilnehmer scheidet aus, da die Haftung nicht deliktischer Natur ist.16) Normadressat sind aber auch nicht formal bestellte faktische Geschäftsführer, die die Geschäfte wie ein gesetzlicher Vertreter tatsächlich (mit-)führen; sie müssen die eingetragenen gesetzlichen Vertreter nicht gänzlich aus der Geschäftsführung verdrängen,17) aber nach außen in Erscheinung treten, woran hohe Anforderungen zu stellen sind.18) Bei Führungslosigkeit der Gesellschaft trifft die Gesellschafter nicht nur die Antragspflicht (§ 15a), sondern auch die Verschleppungshaftung.
8
Die auf den Rechtsausschuss19) zurückgehende Einschränkung auf antragspflichtige Mitglieder des Vertretungsorgans stellt klar, dass bei Vereinen und Stiftungen weder Antragspflichten noch Zahlungsverbote bestehen, verlagert aber den Beginn des Zahlungsverbotes nicht auf den Ablauf der Drei-/Sechs-Wochen-Frist (Abs. 1 Satz 2); es gilt vielmehr ab objektiver Insolvenzreife.20)
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IV. Zahlungen und Ausgleich für Zahlungen (Abs. 1) 1.
Zahlungen
Zahlungen umfassen unschwer Barzahlungen, aber auch den Transfer von Buchgeld und andere Leistungen als Geldzahlungen (siehe Rz. 13 ff). Bei einem Buchgeldtransfer kommt es auf die Art (Überweisung, Lastschrift aufgrund Einziehungsermächtigung oder Abbuchungsauftrag)21) nicht an. 2.
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Ausgleich für Zahlungen
Unter Geltung der Vorgängervorschriften (§ 64 GmbHG, § 92 AktG, § 99 GenG, §§ 130a, 177a Satz 1 HGB) wurde lange Zeit jeder mit der Zahlung einhergehende Ausgleich ausgeblendet und ließ die Rechtsprechung – abgesehen von den Sorgfaltsausnahmen (z. B. § 64 Satz 2 GmbHG a. F.) – den Geschäftsleiter auf jede Zahlung ab Insolvenzreife zur Beseitigung der alleine danach zu beurteilenden _____________ 15) Begr. RegE z. Art. 5 Nr. 9 (§ 15b InsO) SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 194. 16) BGH, Beschl. v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, ZIP 2008, 1026, dazu EWiR 2009, 237 (Kleinschmidt). 17) BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550, dazu EWiR 2005, 731 (Bork); BGH, Urt. v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 46 = ZIP 1988, 771. 18) BGH, Beschl. v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, ZIP 2008, 1026, dazu EWiR 2009, 237 (Kleinschmidt). 19) Vgl. Bericht d. RA z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 11. 20) Scholz-Bitter, GmbHG, § 64 Rz. 83 f; Bitter, ZIP 2021, 321, 324. 21) BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956, dazu EWiR 2009, 645 (Wilkens); LG Köln, Urt. v. 12.7.1989 – 9 S 43/89, GmbHR 1990, 36.
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
Masseverkürzung haften.22) Gegen die Berücksichtigung jeglicher Kompensation verbotener Zahlungen wird eingewandt,23) die strafbewehrte Antragspflicht stelle die Geschäftsleitung nur vor die Alternative, (stets) für Zahlungen zu haften oder aber Insolvenz zu beantragen. Es handele sich um einen jenseits der Kategorien der §§ 249 ff BGB liegenden Ersatzanspruch eigener Art. Die Gesellschaft dürfe gerade bei Insolvenzreife nicht (mehr) mit der Verwertung der Gegenleistung belastet werden. Zahlungen könnten allenfalls bargeschäftlich (§ 142) ausgeglichen werden;24) daher kompensiere auch die Revalutierung eines debitorisch geführten Kontos die Zahlung nicht. Darüber hinaus ist streitig, ob der Ausgleich bereits die Zahlung ausschließt, die Haftung der Höhe nach mindert oder daher (erst) auf der Ebene der Sorgfaltsausnahmen zu berücksichtigen ist; für letzteres spricht der Wortlaut von Absatz 4 Satz 2 und 3 („Soweit die Erstattung oder der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger …“). 12
Die Rechtsprechung hat schon seit 2010 Ausnahmefälle für möglich gehalten, wenn mit der Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist, „weil dann der Sache nach lediglich ein Aktivtausch vorliegt.“25) Mit seinen Grundsatzentscheidungen vom 18.11.2014,26) 23.6.201527) und 8.12.201528) lässt der BGH eine Verschleppungshaftung (allerdings nur für jede einzelne zu prüfende Zahlung) entfallen, soweit ein Massezufluss in einem „unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung“ (oder ihr gleichgestellten Leistung) erfolge und damit eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung möglich sei.29) Der unmittelbare Zusammenhang erfordere aber weder ein Bargeschäft (§ 142),30) noch einen bestimmten zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Ausgleich31) oder dass der Ausgleich bei Insolvenzeröffnung in der Masse noch vorhanden ist. Der Zufluss muss aber eine gleichwertige Befriedigungsmöglichkeit geschaffen haben. Dienst- oder Arbeitsleistungen scheiden damit als Kompensation regelmäßig aus, da sie in der Regel die Aktiva nicht erhöhen können.32) Ungeachtet dessen wird aus der Neuregelung in Absatz 4 Satz 2 die Notwendigkeit einer Neubewertung des Verhältnisses von Zahlung und Ausgleich beim Aktivtausch und unter dem _____________ 22) BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, Rz. 21, ZIP 2010, 2400, dazu EWiR 2011, 353 (Freitag); BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, dazu EWiR 2003, 635 (Blöse). 23) Zusammenfassend statt aller: Altmeppen, NZG 2016, 521 ff m. umfangr. Nachw. 24) Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenz, S. 716 f. 25) BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, Rz. 21, ZIP 2010, 2400, dazu EWiR 2011, 353 (Freitag); BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, dazu EWiR 2003, 635 (Blöse). 26) BGH Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, ZIP 2015, 71, dazu EWiR 2015, 69 (Spliedt). 27) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek). 28) BGH, Urt. v. 8.12.2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364, m. Anm. Altmeppen, dazu EWiR 2016, 263 (Wackerbarth). 29) BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, ZIP 2015, 71, dazu EWiR 2015, 69 (Spliedt); BGH Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek). 30) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, Rz. 12, ZIP 2017, 1619. 31) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, Rz. 16, ZIP 2017, 1619. 32) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, Rz. 19, ZIP 2017, 1619; OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 3769/16, ZIP 2017, 1368, dazu EWiR 2017, 753 (Kleindiek).
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
§ 15b
Topos Gesamtprojekt abgeleitet. Einigkeit besteht mit dem BGH33) darin, dass eine Kompensation nur durch eine Gegenleistung nach der Zahlung erfolgen kann, da die Zahlung die durch die Vorleistung bereits erhöhte Verteilungsmasse wieder mindert und der Vorleistende das Insolvenzrisiko des Leistungsempfängers übernimmt; dies gilt jedoch nicht, wenn die Zahlung das Eigentum an gelieferter Vorbehaltsware übergehen lässt.34) 3.
Zahlungen aus kreditorisch geführten Konten
Zahlungen aus einem kreditorisch geführten Konto fallen unproblematisch unter § 15b. Auf die Mittelherkunft kommt es nicht an, auch nicht, wenn die Gesellschaft zweckgebunden zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten die Mittel von einem Dritten erhalten hat35) oder bei der Bezahlung von Verbindlichkeiten einer Konzerngesellschaft, welche diese zuvor von einer anderen Konzerngesellschaft erhalten hat.36) 4.
Zahlungen aus debitorisch geführten Konten
Zahlungen aus einem debitorisch geführten Konto führen zunächst zu einem von Absatz 1 nicht erfassten Passivtausch,37) nicht aber wenn die Bank noch über freie Sicherheiten verfügt, die sie aufgrund der Belastung in Anspruch nehmen kann.38) 5.
13
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Einzahlungen in debitorisch geführten Konten
Dem Geschäftsleiter zurechenbare Einzahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto fallen hingegen unter Absatz 1. Die Zurechenbarkeit unterliegt keinen strengen Anforderungen; die interne Zuständigkeitsaufteilung unter mehreren Geschäftsleitern entlastet nicht.39) Eine Zahlung nach Absatz 1 wird bejaht, wenn der Geschäftsleiter nicht unverzüglich ein neues debitorisch geführtes Konto einrichtet und den zahlenden Gläubigern bekannt gibt,40) wenn der Einzug eines Kundenschecks nicht auf einem derartigen Konto erfolgt41) oder die Zahlung von einem kreditorisch geführten Konto lange vor materieller Insolvenz auf das debitorisch geführte Konto derselben Bank erfolgt.42) Keine Zahlung liegt vor, wenn aufgrund des verringerten Debet-Saldos von dem Kontoinhaber gestellte Sicherheiten zur _____________ 33) BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 355/18, ZRI 2021, 29 = ZIP 2020, 2453, dazu EWiR 2021,113 (Kleindiek); Altmeppen, ZIP 2021, 1 f. 34) Bitter, ZIP 2021, 321, 330 f; Altmeppen, ZIP 2021, 1, 4 f. 35) BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, dazu EWiR 2003, 635 (Blöse). 36) BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229, dazu EWiR 2008, 557 (Schulz). 37) BGH, Urt. v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, ZIP 2010, 470, dazu EWiR 2010, 357 (Hangebrauck); BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006; BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 (Noack). 38) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, Rz. 32, BGHZ 206, 52 = ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek); BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006. 39) BGH, Urt. v. 1.3.1994 – II ZR 81/94, ZIP 1994, 891; OLG München, Urt. v. 28.11.2007 – 7 U 5444/05, DB 2008, 457 = BeckRS 2008, 2645, dazu EWiR 2008, 275 (Klein). 40) BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006. 41) BGH, Urt. v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, dazu EWiR 2000, 1159 (Keil); BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 (Noack). 42) OLG München, Urt. v. 13.2.2013 – 7 U 2831/12, ZIP 2013, 778, dazu EWiR 2013, 377 (Rehahn).
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Verwertung zugunsten der Gläubiger frei werden; das gilt jedoch nicht, wenn die Bank erneut eine Überziehung zulässt43) oder wenn der erneute Kreditrahmen zur Befriedigung anderer Gläubiger genutzt wird.44) 16
Dem weiten Verständnis von Zahlungen entsprechend45) fallen darunter die Abtretung einer Forderung,46) die Aufrechnung,47) die Stellung von Sicherheiten nach Insolvenzreife,48) bei der Globalzession abgetretene künftige Forderungen, nicht jedoch die erst nach Insolvenzreife durch Leistungen des Zedenten entstehenden künftigen Forderungen (sog. Werthaltigmachen).49) Keine Zahlungen liegen bei Leistungen ohne Schmälerung der künftigen Insolvenzmasse vor, wie dem Einzug zur Sicherheit vor Insolvenzreife abgetretener Forderungen auf einem debitorischen Konto des Sicherungsnehmers50) oder eines Dritten,51) ferner in dem einseitigen Forderungsverzicht, der Begründung einer Verbindlichkeit52) und dem Nichtgeltendmachen einer Forderung, wohl aber der unterlassenen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses.53) V. Sorgfaltsausnahmen (Abs. 2, Abs. 3) 1.
Pflichtgemäß handelnde Antragspflichtige
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Die Vorgängervorschriften ließen als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbare Zahlungen nur zu, wenn damit Chancen auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren erhalten blieben,54) ohne dabei jedoch zwischen pflichtgemäß und nicht pflichtgemäß handelnden Geschäftsleitern zu unterscheiden.55)
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Absatz 1 Satz 2 entspricht den Vorgängervorschriften, erfährt jedoch durch Absatz 2 Satz 1 zunächst eine Haftungserleichterung in Form der aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG56) übernommenen Fiktion, deren Sinn sich bei der pandemiebedingten _____________ 43) BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 (Noack). 44) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – XI ZR 386/13, ZIP 2015, 1670, dazu EWiR 2015, 625 (Fleckner). 45) Begr. RegE z. Art. 5 Nr. 9 (§ 15b InsO) SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 194. 46) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – XI ZR 386/13, ZIP 2015, 1670, dazu EWiR 2015, 625 (Fleckner). 47) OLG Jena, Urt. v. 25.5.2016 – 2 U 714/15, BeckRS 2016, 126703. 48) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek). 49) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek). 50) BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek). 51) OLG Hamburg, Urt. v. 6.3.2015 – 11 U 222/13, ZIP 2015, 867. 52) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776; OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2005 – 11 U 55/04, ZIP 2005, 1968. 53) OLG Hamm, Urt. v. 15.10.1979 – 8 U 149/78, ZIP 1980, 280, 281. 54) BGH, Urt. v. 24.9.2019 – II ZR 248/17, Rz. 19, ZIP 2020, 1239; BGH, Urt. v. 21.5.2019 – II ZR 337/17, Rz. 18, ZIP 2019, 1719; BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480, dazu EWiR 2015, 565 (Kleindiek). 55) Bitter, ZIP 2021, 321, 326 f. 56) Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz–COVInsAG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569 (= Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht, v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569.
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
§ 15b
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG unmittelbar erschließt: Der Geschäftsleiter soll bei pandemiebedingter Aussetzung der Antragspflicht nicht den Restriktionen jener Notgeschäftsführung unter den bis 31.12.2020 geltenden Vorgängervorschriften unterliegen, die einer Fortführung von Geschäftsbetrieben entgegenstehen. Diese jetzige Erleichterung von Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen, kommt nunmehr den Geschäftsleitern zugute, allerdings nur (anknüpfend u. a. an Bitter)57) soweit sie nach § 15a pflichtgemäß handeln, also entweder rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen oder aber i. R. der Antragsfrist noch Maßnahmen zur einer nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder (restriktiv auszulegen) zur Vorbereitung eines Insolvenzantrages mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben (Abs. 2 Satz 2). Absatz 3 stellt demzufolge klar, dass bei Verstreichen des Zeitpunktes für eine rechtzeitige Antragstellung, ohne dass die Antragspflichtigen einen Antrag gestellt haben, die Zahlungen nicht (mehr) mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. 2.
Zahlungen unter vorläufiger Insolvenzverwaltung
Keine Prüfung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist mehr erforderlich, wenn Zahlungen mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen werden. Mit dessen Zustimmung vorgenommene Zahlungen zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung gelten als sorgfältig (Abs. 2 Satz 3). Diese Privilegierung greift aber nicht für Zahlungen im Eröffnungsverfahren zwischen Antragstellung und bis zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Auch die Zustimmung eines vorläufigen Sachwalters löst die Sorgfaltsfiktion nicht aus.
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VI. Haftung (Abs. 4) Die Antragspflichtigen haften gegenüber der juristischen Person auf Erstattung der Zahlungen (Satz 1). Die Haftung wird dadurch abgemildert, dass sie auf einen geringeren Schaden im Vergleich zu den tatbestandlichen Zahlungen beschränkt ist; die Neufassung des Satzes 2 bringt daher den mit ihr verfolgten Zweck, Masseverkürzungen zu vermeiden, zum Ausdruck. Sie erübrigt im Falle der Verurteilung des Ersatzpflichtigen den Vorbehalt eines Verfolgungsrechts i. H. des Betrages, der auf den Empfänger der Zahlung im Insolvenzverfahren entfallen wäre.58) Darlegungsund beweispflichtig für den geringeren Schaden sind die Antragspflichtigen (Satz 2), welche daher gut beraten sind, mit Zahlungen einhergehende Ausgleiche oder einen geringeren Schaden zu dokumentieren.
20
Der mit Eintritt der Insolvenzreife einhergehende „shift of duties“ zugunsten der Wahrung der Interessen der Gläubiger, der u. a. in der Antragspflicht und der Haftung bei deren Verletzung Ausdruck findet, entzieht die Haftung der Disposition der Organe der juristischen Person. Daher schließt Satz 3 eine Entlastung des Zahlenden durch Beschlüsse des Vertretungsorgans aus. Diesem Gedanken folgend
21
_____________ 57) Zusammenfassend Bitter, ZIP 2021, 321, 325 ff m. zahlr. Nachw. 58) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 278 = ZIP 2001, 235, m. Anm. Altmeppen; BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550.
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Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung
sind auch ein Verzicht auf oder ein Vergleich über die Erstattungsansprüche unwirksam (Satz 4), nicht jedoch bei Zahlungsunfähigkeit des Antragspflichtigen, wenn die Regelung mit seinen Gläubigern der Abwendung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen dient, Bestandteil eines Insolvenzplanes ist oder ein Insolvenzverwalter für die juristische Person handelt (Satz 5). VII. Zahlungen an Gesellschafter (Abs. 5) 22
Absatz 5 fast die bisherigen Regelungen (§ 64 Abs. 3 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 130a Abs. 1 Satz 3, auch i. V. m. § 177a HGB) zu verbotenen Zahlungen an Gesellschafter, welche zur Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person führen, ohne inhaltliche Änderung zusammen. Daher gilt er nicht für Genossenschaften (Satz 2), aber nur, soweit die Zahlungen zur Zahlungsunfähigkeit führen, nicht jedoch im Übrigen (§ 34 GenG, § 823 Abs. 2, § 15a Satz 1 BGB). VIII. Gesellschafter als Haftende (Abs. 6)
23
Absatz 6 erstreckt schließlich in Anlehnung an die Antragspflicht in § 15a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 die Haftung auf die beitragspflichtigen organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter. IX. Verjährung (Abs. 7)
24
Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, bei Börsennotierung im Zeitpunkt der Pflichtverletzung zehn Jahre. X. Kollision von Masseerhaltungs- und steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten (Abs. 8)
25
Nach den Vorgängerschutzvorschriften bestehende Masseerhaltungspflichten kollidierten regelmäßig mit steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten der Geschäftsleiter, deren Nichtbefolgung auch deren persönlicher Haftung (§§ 34, 69 AO) und Strafbarkeit (§ 266a StGB) zur Folge hatte. Der auf den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zurückgehende Absatz 8 versucht, diese Pflichtenkollision nicht etwa durch eine Privilegierung derartiger Zahlungen aufzulösen, sondern in Anlehnung an die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH59) dadurch, dass eine Verletzung steuerlicher Zahlungspflichten nicht vorliegt, wenn zwischen Eintritt der Insolvenzreife und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Absatz 8 räumt damit der Massesicherungspflicht Vorrang ein.
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Diese Privilegierung kommt aber nur pflichtgemäß handelnden Antragspflichtigen zugute, die also der Antragspflicht nach § 15a unverzüglich nachkommen, sei es, dass sie einen Insolvenzantrag stellen, sei es, dass sie Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrages mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. Die Privilegierung des Satzes 1 gilt aber nur für Ansprüche aus dem Steuerverhältnis. Damit werden die vorläufigen Verwalter im Regel- und Eigenverwaltungseröff_____________ 59) BGH, Urt. v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, LS 1, BGHSt 48, 307 = ZIP 2003, 2213.
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§ 16
Eröffnungsgrund
nungsverfahren der Notwendigkeit enthoben, Zahlungen, mit denen die Geschäftsleiter ihren steuerlichen Verpflichtungen im Eröffnungsverfahren nachkommen wollen, zuzustimmen, um sie nach Verfahrenseröffnung im Wege der Insolvenzanfechtung wieder zurückzufordern. Für sozialversicherungsrechtliche Abführungspflichten (Arbeitnehmeranteile) während des Eröffnungsverfahrens fehlt es an einer Absatz 8 vergleichbaren Regelung; die Begründung des RegE zu den Absätzen 2 und 3 geht allerdings davon aus, dass insoweit die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH60) jedenfalls für den pflichtgemäß handelnden Geschäftsleiter gilt.61)
27
Satz 3 versucht schließlich, der Zahlung letzter Mittel an den Fiskus mit der Folge der Abweisung eines Insolvenzantrages mangels Masse entgegenzuwirken, indem die Privilegierung von Satz 1 nicht greift, also der Zahlende nach Absatz 4 haftet. _____________
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60) BGH, Urt. v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, LS 1, BGHSt 48, 307 = ZIP 2003, 2213. 61) Zusammenfassend: Bitter, ZIP 2021, 321, 325 ff.
§ 16 Eröffnungsgrund Bremen
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, daß ein Eröffnungsgrund gegeben ist. Literatur: Melchers, Der Ablauf des Verbraucherinsolvenzverfahrens, FPR 2006, 66. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Feststellung des Eröffnungsgrundes .................................................. 4 III. Zeitpunkt der Feststellung des Insolvenzgrundes ........................ 10
I.
IV. Besonderheiten der Verbraucherinsolvenz .............................. 12 V. Internationales Recht ........................ 13
Normzweck
§ 16 bestimmt das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds als Voraussetzung für die Eröffnung aller Arten von Insolvenzverfahren Die einzelnen Eröffnungsgründe sind i. S. eines numerus clausus in §§ 17 bis 19 und für besondere Verfahren in §§ 320, 332 Abs. 1, 333 Abs. 2 Satz 3 geregelt. Der Eröffnungsgrund legitimiert verfassungsrechtlich die kollektive Haftungsverwirklichung1) unter weitreichenden Eingriffen durch das Insolvenzrecht in Rechte von Gläubigern und Schuldnern.
1
Die EU-Richtlinie zum u. a. präventiven Restrukturierungsrahmen2) sah bereits Eingriffsmöglichkeiten in Rechte der Gläubiger durch einen Restrukturierungsplan _____________
2
1) 2)
BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 940 = ZIP 2007, 1666, dazu EWiR 2007, 665 (Schröder). Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.
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§ 16
Eröffnungsgrund
bei einer „likelyhod of insolvency“ vor, einem vorinsolvenzlichen Krisenstadium, das in einer Insolvenz i. S. der nationalen Insolvenzrechte der Mitgliedstaaten münden könnte. Das zur Umsetzung dieser Richtlinie am 1.1.2021 in Kraft getretene StaRUG3) ermöglicht hingegen die Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens erst bei drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 (§ 29 Abs. 1 StaRUG). Ausschlaggebend hierfür waren Zweifel an einer hinreichenden auch verfassungsrechtlichen Legitimation für Eingriffe in einem früheren Krisenstadium.4) 3
Lediglich bei der Eröffnung eines Sekundärverfahrens über Inlandsvermögen kommt es angesichts eines bereits eröffneten und anzuerkennenden Hauptverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der EU auf die nochmalige Feststellung eines Eröffnungsgrunds nach nationalem Recht, in der Bundesrepublik Deutschland also nach §§ 17 – 19, nicht an (Art. 3 Abs. 1, 16 EuInsVO, § 343; siehe Rz. 13). II. Feststellung des Eröffnungsgrundes
4
Der objektiv vorliegende Eröffnungsgrund muss zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden. Grundlage hierfür sind ein zulässiger Antrag (§ 14) und die pflichtgemäße Ermittlung aller für den Eröffnungsgrund maßgeblichen Umstände (Amtsermittlungspflicht, § 5 Abs. 1 Satz 1).
5
Daher hat der Antragsteller bereits in seinem Antrag hinreichend substantiiert einen Eröffnungsgrund (und der Gläubiger zusätzlich eine Forderung) darzulegen und glaubhaft zu machen; anderenfalls ist der Antrag unzulässig. Der Antrag muss ernsthaft auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtet sein und darf nicht sachfremden Zwecken dienen.5)
6
Ist die Forderung rechtskräftig tituliert, ist das Gericht daran gebunden; ist der Titel nicht rechtskräftig, entscheidet, ob der Schuldner gegen die Forderungen etwas ernsthaft unternommen hat.6) Die Titulierung hilft über etwaige Zweifel am Eröffnungsgrund hinweg.7) Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit sind nicht zu berücksichtigen, solange sie in dem dafür vorgesehenen Verfahren nicht beseitigt sind.8) Ist die Forderung des Gläubigers die einzige Verbindlichkeit des Schuldners, begründet sie alleine den Eröffnungsgrund. Für einen zulässigen Antrag reicht ihre Glaubhaftmachung zwar aus; für die Eröffnung des Verfahrens aufgrund dieser _____________ 3)
4) 5)
6) 7)
8)
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Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. S. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90 f. AG Dresden, Beschl. v. 13.2.2002 – 530 IN 2190/01, ZIP 2002, 862, dazu EWiR 2002, 721 (Schmahl); BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 = ZVI 2003, 64, dazu EWiR 2003, 589 (Gundlach/Frenzel). BGH, Beschl. v. 6.5.2010 – IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091. BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452 = ZVI 2006, 334, dazu EWiR 2006, 595 (Frind); BGH, Beschl. v. 29.11.2007 – IX ZB 12/07, ZInsO 2008, 103, 104 = ZIP 2008, 821, dazu EWiR 2008, 407 (Hölzle). BGH, Beschl. v. 6.5.2010 – IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091.
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§ 16
Eröffnungsgrund
alleinigen Verbindlichkeit ist das Bestehen der Forderung zur Überzeugung des Gerichts erforderlich.9) Zur Überzeugung des Eröffnungsgrunds gelangt das Insolvenzgericht durch pflichtgemäße Ermittlung10) aller Umstände (§ 5 Abs. 1 Satz 1), die für einen Eröffnungsgrund von Bedeutung sind. Um Missbräuchen (angestrebte Sanierung durch Insolvenzplan, Erlangung der Restschuldbefreiung) zu begegnen, darf sich das Gericht nicht auf die Angaben des Schuldners verlassen, sondern muss diese überprüfen; es ist daher nicht an das Vorbringen in dem Antrag gebunden oder darauf beschränkt. Die Ermittlung von Amts wegen (auch des Beschwerdegerichts)11) erfolgt durch Anwendung der Mittel gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, §§ 97, 98, 101 und aller gesetzlich zulässigen Beweismittel wie Vernehmung des Schuldners oder von Zeugen, in der insolvenzrechtlichen Praxis insbesondere Einsatz von Sachverständigen, Einsicht in Akten (Register-, Grundbuchakten, Schuldnerverzeichnis) oder die Einholung entsprechender Auskünfte. Bleibt nach Ausschöpfung aller sachgerechten Ermittlungsmöglichkeiten das Vorliegen des Eröffnungsgrunds zweifelhaft und kommt der Antragsteller seiner materiellen Beweislast12) nicht nach, ist der Eröffnungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.13)
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Das Gericht prüft alle in Betracht kommenden Eröffnungsgründe; es ist an den im Antrag angegebenen Eröffnungsgrund nicht gebunden und kann das Verfahren aus einem anderen als dem im Gläubiger- oder Schuldnerantrag angegeben Grund eröffnen. Nur bei Gläubigerantrag kann das Insolvenzverfahren wegen drohender Zahlungsunfähigkeit nicht eröffnet werden, der Gläubigerantrag alleine mit drohender Zahlungsunfähigkeit nicht begründet werden (§ 18 Abs. 1).
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Da das Eröffnungsverfahren ein Eilverfahren ist, kann es nicht ausgesetzt, zum Ruhen gebracht oder einstweilen eingestellt werden.14)
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III. Zeitpunkt der Feststellung des Insolvenzgrundes Der Insolvenzgrund muss im Zeitpunkt der Eröffnung vorliegen,15) nicht bereits bei Antragsstellung;16) es reicht also aus, wenn er bis zum Zeitpunkt der Entscheidung eintritt17) und zwar auch während der Beschwerdeinstanz,18) dort jedoch nicht, wenn _____________ 9) BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247 = NZI 2006, 174, BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452 = ZVI 2006, 334; BGH, Urt. v. 10.7.2006 – II ZR 238/04, ZInsO 2006, 824, 825 = ZIP 2006, 1488, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz). 10) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, ZIP 2006, 1056 = NZI 2006, 405. 11) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, ZIP 2006, 1056 = NZI 2006, 405. 12) BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZB 79/06, NZI 2007, 350. 13) LG Berlin, Beschl. v. 3.5.2004 – 86 T 385/04, ZVI 2005, 29 = ZInsO 2004, 875. 14) BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 141/06, ZIP 2007, 1226 = NZI 2007, 408; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 15/06, NZI 2006, 642. 15) BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, ZIP 2007, 1868 = ZInsO 2007, 887, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth); BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, NZI 2006, 693, 695 = ZIP 2006, 1957, dazu EWiR 2007, 17 (Bruns). 16) BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 53/04, ZIP 2007, 2322 = ZInsO 2007, 1275. 17) BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 53/04, ZIP 2007, 2322 = ZInsO 2007, 1275. 18) BGH, Beschl. v. 27.3.2008 – IX ZB 144/07, ZIP 2008, 1034 = NZI 2008, 391.
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§ 17
Zahlungsunfähigkeit
der Antrag zunächst mangels Eröffnungsgrund abgewiesen wurde. Nur so ist ein effektiver Rechtsschutz des Schuldners gegen einen ursprünglich ungerechtfertigten Insolvenzantrag gegeben. 11
Die durch den Antragssteller entsprechend § 91a ZPO, § 4 zu erklärende Erledigung der Hauptsache kann daher nur bis zum Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung, nicht aber mehr in der Beschwerdeinstanz eintreten. Entfällt der Insolvenzgrund erst nach Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses, so kommt gemäß §§ 212, 213 nur noch die Einstellung des Verfahrens wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds oder die Einstellung mit Zustimmung aller Gläubiger in Betracht, nicht aber die Erledigung, da das Verfahren mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses der „Disposition“ der „Parteien des Eröffnungsverfahrens“ entzogen ist.19) Bejahung und Verneinung des Insolvenzgrunds entfalten keine Rechtskraft.20) Der Schuldner/Gläubiger kann jederzeit einen neuen Antrag stellen. IV. Besonderheiten der Verbraucherinsolvenz
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In der Verbraucherinsolvenz sind nur die Zahlungsunfähigkeit und die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgründe, da Überschuldung nur bei juristischen Personen einen Eröffnungsgrund darstellt.21) V. Internationales Recht
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Keines gesondert festzustellenden Eröffnungsgrunds gemäß §§ 17 bis 19 bedarf die Eröffnung eines Sekundärverfahrens, wenn im Ausland bereits ein im Inland anerkanntes Hauptinsolvenzverfahren eröffnet ist (für die EU: Art. 3, Art. 16 Abs. 1, 3, Art. 27 Satz 1 EuInsVO, i. Ü.: §§ 343, 356 Abs. 3). Unterliegt eine juristische Person ausländischen Rechts dem deutschen internationalen Insolvenzstatut, gelten nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO, § 335) für sie die Eröffnungsgründe je nach der rechtlichen Qualifikation des ausländischen Rechtsträgers. _____________ 19) LG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2005 – 67c IN 6/05, ZInsO 2005, 669. 20) LG Göttingen, Beschl. v. 22.4.2001 – 74 IN 60/01, NZI 2001, 670. 21) Melchers, FPR 2006, 66; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 16 Rz. 4 a. E.; Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 16 Rz. 3.
§ 17 Zahlungsunfähigkeit Bremen
(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) 1Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. 2Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Literatur: Baumert, Widerlegung der Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungseinstellung – offene Prozessfragen und IDW S 11, NZI 2015, 589; Baumert, Zahlungseinstellung bei Bugwelle, NZI 2013, 919; Bergner/Berg, § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG – Schutz von Sozialversicherungsbeiträgen vor Insolvenzanfechtung bei pandemiebedingten Stundungen? ZRI 2021, 273; Bitter/Rauhut, Zahlungsunfähigkeit wege nachrangiger
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§ 17
Zahlungsunfähigkeit
Forderungen, insbesondere aus Genussrechten, ZIP 2014, 1005; Bork, Genussrechte und Zahlungsunfähigkeit, ZIP 2014, 997; Bork, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsstockung und Passiva II, ZIP 2008, 1749; Bork, Grundtendenzen des Insolvenzanfechtungsrechts, ZIP 2008, 1041; Fallak, Digitale Auswertung von Buchhaltungsdaten zur Ex-post-Feststellung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit, ZIP 2018, 1860; Fischer, Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit – Folgerungen aus der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats, in: Festschrift für Hans Gerhard Ganter, 2010, S. 153; Frystazki, Der BGH erteilt der Bugwellentheorie eine Absage, ZInsO 2018, 601; Frystazki, Die Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen, NZI 2014, 480; Ganter, Die Bedeutung der „Bugwelle“ für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, ZInsO 2011, 2297; Gehrlein, Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit, ZInsO 2018, 354; Gutmann, Die rechnerische Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, NZI 2021, 473; Harz/Bornmann/Conrad/Ecker, Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung – eine Betrachtung aus wirtschaftsforensischer Praxis, NZI 2015, 737; Hiebert, Die neue Rechtsprechung des BGH zur Kenntnis des Gläubigers von drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 133 InsO), ZInsO 2016, 1738; Leithaus/Wachholtz, Behandlung streitiger Forderungen bei der Zahlungsunfähigkeits- und Überschuldungsprüfung, ZIP 2019, 649; Marwyk, Der Nachweis von Zahlungsunfähigkeit anhand von Beweisanzeichen – Gewichtung und Widerlegung – im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, ZInsO 2014, 1737; Richter/ Schnurbusch/Meller, „Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen“ – Würdigung aus Sicht der Saneriungspraxis, BB 2014, 2027; Wiester/Naumann, Ratenzahlungsbitte und Zahlungsunfähigkeit, ZIP 2016, 2351; Zabel/Pütz, Beurteilung der Insolvenzeröffnungsgründe nach IDW S 11, ZIP 2015, 912. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Definition ............................................. 2 1. Zahlungseinstellung (Abs. 2 Satz 2) ....................................... 2 2. Zahlungsunfähigkeit (Abs. 1, Abs. 2 Satz 1) .......................... 4 a) Zahlungspflichten .......................... 5 b) Fälligkeit ......................................... 8 c) Stundung ...................................... 10 d) Erfüllungsverlangen – tatsächliche Stundungen .......................... 13 e) Mangel an Zahlungsmitteln – Zahlungsunwilligkeit ................... 15
I.
III. Zahlungsunfähigkeit – Zahlungsstockung .............................................. 17 1. Zahlungsstockung vs. Zahlungsunfähigkeit ........................................... 17 2. Liquiditätsbeschaffung ........................ 19 IV. Feststellung der Zahlungsunfähigkeit .............................................. 20 1. Finanzplan (Liquiditätsplan) .............. 20 2. Erleichterte Feststellung ..................... 24 V. Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit .............................................. 25
Normzweck
Nach Absatz 1 ist Zahlungsunfähigkeit bei Schuldner- und Gläubigerantrag allgemeiner Eröffnungsgrund aller Rechtsträger und Vermögensmassen1) (§ 11 Abs. 1: natürliche, juristische Person, nicht rechtsfähiger Verein; § 11 Abs. 2 Nr. 1: Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit; § 11 Abs. 2 Nr. 1: Nachlass, Gesamtgut fortgesetzter Gütergemeinschaft). Darüber hinaus hat sie Bedeutung bei den Antragspflichten (§ 15a), der Haftung wegen verbotener Zahlungen (§ 15b)2) – anwendbar in aufgrund eines Insolvenzantrages ab dem 1.1.2021 eröffneten Insolvenzverfahren3) _____________ 1) 2)
3)
Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 114. Eingefügt durch Art. 4 Nr. 9 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, in Kraft seit 1.1.2021 (Art. 25 SanInsFoG). Art. 103m EGInsG i. d. F. des Art. 8 Nr. 2 SanInsFoG, v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256.
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§ 17
Zahlungsunfähigkeit
– (in bis zum 31.12.2020 eröffneten Insolvenzverfahren gelten die zum 1.1.2021 aufgehobenen § 92 AktG, § 64 GmbHG, § 99 GenG,§ 130a HGB), der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff),4) im Strafrecht (§§ 283, 283c StGB, § 15a Abs. 4 InsO) und im Gesellschaftsrecht (§ 15a InsO; § 92 AktG). Absatz 2 enthält erstmals eine gesetzliche Definition der Zahlungsunfähigkeit. II. Definition 1. 2
Zahlungseinstellung (Abs. 2 Satz 2)
Die Zahlungseinstellung ist das stärkste und gesetzlich ausdrücklich genannte Indiz für Zahlungsunfähigkeit.5) Sie kann sich aus einer ausdrücklichen Erklärung des Schuldners ergeben,6) seit der Rechtsprechung des BGH im Zuge der Reform des Anfechtungsrechts, die u. a. in dem ab 5.4.2017 geltenden § 133 Abs. 3 Satz 27) mündete, nicht aber (mehr) alleine aus der Bitte um Ratenzahlungen,8) wohl aber, wenn er um einen partiellen Forderungsverzicht i. R. eines außergerichtlichen Sanierungsversuchs bittet,9) oder wenn er erklärt, nur aus verfügbarer Liquidität zahlen zu können oder sich zu bemühen, Abschläge zu leisten.10) Fehlt eine ausdrückliche Erklärung des Schuldners, kommt es auf Indizien an, in denen sich für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar und typischerweise ausdrückt, dass der Schuldner mangels ausreichender Zahlungsmittel nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.11) Sie können sich aus sonstigen Erklärungen oder dem (konkludenten) Verhalten des Schuldners12) ergeben und müssen einzeln und in einer Gesamtschau/-würdigung die Annahme der Zahlungseinstellung rechtfertigen,13) z. B. wenn der Schuldner eine einzige, für ihn aber wesentliche Verbindlich_____________ 4) BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 7 ff, ZIP 2013, 2015, 2016, dazu EWiR 2014, 53 (Wagner). 5) Zur Bewertung der verschiedensten Indizien: Gehrlein, ZInsO 2018, 354, 355. 6) BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228, dazu EWIR 2013, 175 (Bremen); BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, dazu EWiR 2007, 113 (Wagner); BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273 = ZIP 2008, 420. 7) Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz, v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 8) BGH, Beschl. v. 16.4.2016 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 = ZInsO 2015, 898, dazu EWiR 2015, 417 (Brenner); BGH, Urt. v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15, ZIP 2016, 627, dazu EWiR 2016, 343 (Fahsel); BGH, Urt. v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 ff, dazu EWiR 2016, 767 (Schröder); Marwyk, ZInsO 2014, 1737 ff; Hiebert, ZInsO 2016, 1738 ff; Wiester/ Naumann, ZIP 2016, 2351 ff. 9) BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 = ZInsO 2016, 240, dazu EWiR 2016, 175 (Laroche); Gehrlein, ZInsO 2018, 354, 355. 10) BGH, Beschl. v. 5.3.2020 – IX ZR 171/18, ZRI 2020, 265 = NJW-Spezial 2020, 342, m. Anm. Dahl/Taras. 11) BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 9, ZIP 2013, 2015, 2016; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 = ZInsO 2011, 1410, dazu EWiR 2011, 571 (Henkel); BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 = ZInsO 2006, 1210, 1211, dazu EWiR 2007, 113 (Wagner); OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – I-12 U 34/11, ZInsO 2012, 786, 788 = NZI 2012, 786. 12) Uhlenbruck-Mock, InsO, § 17 Rz. 154. 13) BGH, Urt. v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 ff, dazu EWiR 2015, 323 (Vosberg/ Klawa); BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 9, ZIP 2013, 2015, 2016; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 = ZInsO 2011, 1410.
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Zahlungsunfähigkeit
keit oder erhebliche, aber nicht notwendig wesentliche Teile der Verbindlichkeiten, nicht mehr bezahlt,14) aber auch schon, wenn er unter Umständen noch beträchtliche Zahlungen leistet,15) und zwar auch dann, wenn er tatsächlich nur zahlungsunwillig ist, was er widerlegen muss.16) Kein zwingendes Indiz ist die Notwendigkeit der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung bei einem einmaligen Geschäftskontakt.17) Die Nichteinhaltung von Zahlungszusagen des Schuldners, verspätete Zahlungen unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre18) und die verspätete Abführung von Sozialabgaben19) und daraus folgend allgemein die verspätete Erfüllung regelmäßig wiederkehrender Zahlungsverpflichtungen (Arbeitsverhältnisse, Steuern)20) über mehrere Monate indizieren Zahlungseinstellung. Im fraglichen Zeitpunkt bestehende und bis zur Eröffnung nicht mehr beglichene Verbindlichkeiten ergeben regelmäßig eine Zahlungseinstellung.21) Als bloßes Indiz ist Zahlungseinstellung kein selbständiger Eröffnungsgrund, sondern widerlegliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.22) Das Gericht kann seine Entscheidung aber auf die Vermutungswirkung der indizierten Zahlungseinstellung stützen.23) Diese indizielle Wirkung kann nicht durch Stundung aller oder auch nur wesentlicher Forderungen oder durch Teilzahlungen an den antragstellenden Gläubiger oder durch den Nachweis der Zahlungsunwilligkeit beseitigt werden, sondern nur durch allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen gegenüber allen Gläubigern.24) _____________ 14) BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 9, ZIP 2013, 2015, 2016; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273 = ZIP 2008, 420; BGH, Urt. v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469. 15) BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 = ZInsO 2006, 1210, 1211; BGH, Urt. v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666, 1668 = NZI 2003, 542, dazu EWiR 2004, 197 (Hölzle); BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 ff, 188 = ZIP 2002, 87, 89, dazu EWiR 2002, 2009 (G. Wagner). 16) BGH, Urt. v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368 ff, dazu EWiR 2018, 117 (Wagner). 17) BGH, Urt. vom 6.7.2017 – IX ZR 178/16, ZVI 2017, 428 = ZIP 2017, 1677, dazu EWiR 2017,635 (Heublein). 18) BGH, Urt. v. 9.6.2016 – IX ZR 174/15, ZIP 2016, 1348, dazu EWiR 2016, 537 (M. Huber). 19) BGH, Urt. v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234, dazu EWiR 2015, 649 (Pluskat); strenger inzwischen als noch: BGH, Urt. v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, Rz. 13 f, ZIP 2013, 2434, dazu EWiR 2014, 51 (Laroche). 20) BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416; BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228. 21) BGH, Urt. v. 26.3.2015 – IX ZR 134/13, ZIP 2015, 1077, dazu EWiR 2015, 451 (Egerlandt); BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 9, ZIP 2013, 2015, 2016 = ZInsO 2013, 2109 ff; BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 = ZInsO 2006, 1210, 1211; BGH, Urt. v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, Rz. 13 f, ZIP 2013, 2434. 22) BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 = ZInsO 2006, 1210, 1211; BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 188 = ZIP 2002, 87, 89. 23) BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2224 = ZInsO 2006, 1210, 1211. 24) BGH, Urt. v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 101 = ZIP 2001, 2235 f, dazu EWiR 2002, 207 (Malitz); BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 ff = ZIP 2002, 87, 89; BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 = ZInsO 2006, 827, 828; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – I-12 U 34/11, ZInsO 2012, 786 = NZI 2012, 786, 788; BGH, Urt. v. 15.3.2012 – IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 = ZInsO 2012, 696, dazu EWiR 2012, 353 (Höpker).
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§ 17 2. 4
Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit (Abs. 1, Abs. 2 Satz 1)
Zahlungsunfähigkeit ist das Unvermögen zur Bedienung der fälligen Zahlungspflichten. Die alleine insolvenzrechtlich vorzunehmende Definition knüpft ausschließlich an objektive Merkmale an. Auf Verkehrsanschauungen oder Verschulden des Schuldners kommt es nicht an. Der IDW-Standard S 1125) enthält keine die Rechtsprechung bindende Merkmale. Im Strafverfahren finden auch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen Anwendung.26) a) Zahlungspflichten
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Zahlungspflichten resultieren aus nach §§ 802a ff ZPO vollstreckbaren Geldschulden. Da es für die Entscheidung über den Antrag nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den der Entscheidung selbst ankommt (siehe § 16 Rz. 10 f) und dies damit der maßgebliche Stichtag für die Prüfung des Eröffnungsgrunds ist, sind auch während des Eröffnungsverfahrens entstandene und bis zur Entscheidung entstehende Zahlungspflichten – soweit ex ante absehbar – zu berücksichtigen; bei einer ex post-Prüfung i. R. von z. B. §§ 129 ff oder § 15a27) auf einen bestimmten Stichtag ergibt sich dies von selbst. Nicht zu berücksichtigen sind die erst aufgrund der Verfahrenseröffnung selbst entstehenden Geldschulden.28) Andere als Zahlungsverpflichtungen begründen Zahlungsunfähigkeit erst, wenn und soweit aus ihnen Zahlungsverpflichtungen (z. B. Schadensersatz) folgen.29) Dazu gehört die nunmehr nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG nicht mehr verbotene Tilgung von Gesellschafterdarlehen, die mit allen anderen Gläubigern konkurrieren,30) es sei denn, die Gesellschafterdarlehen waren bereits nach §§ 32a ff GmbHG a. F. gesperrt oder sind aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung nachrangig; § 39 Abs. 1 Nr. 5 setzt die Insolvenzeröffnung voraus.
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Ob streitige Zahlungspflichten prozentual entsprechend der Wahrscheinlichkeit der drohenden Inanspruchnahme zu schätzen sind,31) ist nach der Entscheidung des BGH vom 22.5.2014 fraglich: Forderungen aus Steuerbescheiden, deren Vollziehung wegen ernsthafter Zweifel an deren Rechtmäßigkeit ausgesetzt sind, gelten als nicht ernsthaft eingefordert.32) Daraus wird allgemein abgeleitet, dass Verbindlichkeiten nur bei ernsthaften Zweifeln an deren Bestehen gänzlich nicht berück_____________ 25) IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11), Stand: 22.8.2016, IDW Life 3/2017, S. 332 ff. 26) BGH, Beschl. v. 4.12.2018 – 4 StR 319/18, ZInsO 2019, 258 = wistra 2019, 206. 27) Für aufgrund eines Antrages bis zum 31.12.2020 eröffnete Insolvenzverfahren: § 92 AktG, § 64 GmbHG, § 99 GenG, § 130a HGB, Art. 103m EGInsG i. d. F. des Art. 8 Nr. 2 SanInsFoG, v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3290. 28) AG Göttingen, Beschl. v. 22.8.2002 – 71 IN 65/01, 71 IN 66/01, ZInsO 2002, 944, 945; A. Schmidt-Schröder, InsR, § 17 InsO Rz. 5. 29) Kayser/Thole-Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 17 Rz. 5; Jaeger-Müller, InsO, § 17 Rz. 6. 30) Kayser/Thole-Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 17 Rz. 7; A. Schmidt-Schröder, InsR, § 17 InsO Rz. 13; Scholz-K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Vor § 64 Rz. 7; Fischer in: FS Ganter, S. 153, 160. 31) Uhlenbruck-Mock, InsO, § 17 Rz. 129 m. w. N. 32) BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289, dazu EWiR 2014, 717 (Ries).
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§ 17
Zahlungsunfähigkeit
sichtigt werden dürfen;33) dem ist aus Gründen des Gläubigerschutzes zuzustimmen. Erstinstanzlich nicht rechtskräftig titulierte Forderungen sind nicht mehr streitig. Die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit im Eröffnungsverfahren dient nicht der Klärung des (Nicht-)Bestehens von Verbindlichkeiten des Schuldners. Die Sicherung einer Forderung schließt deren Fälligkeit nicht aus, wenn der Gläubiger die persönliche Schuld einfordert.34) Nachrangige Zahlungsverpflichtungen haben seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 immer größere Bedeutung gewonnen. Bei ihnen ist durch Auslegung zu ermitteln, ob nur eine verfahrensmäßig nachrangige Verteilung im Insolvenzverfahren oder eine spätere oder nachrangige Befriedigung auch für die Zeit vor Verfahrenseröffnung (vorinsolvenzliche liquiditätswahrende Durchsetzungssperre) vereinbart ist: Nur im letztgenannten Fall sind sie bei der Zahlungsunfähigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen.35) Einer analogen Anwendung von § 19 Abs. 2 Satz 2 steht entgegen, dass die Liquiditätsprüfung fällige Forderungen erfasst und alleine die Nachrangvereinbarung die Fälligkeit nicht verschiebt.36)
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b) Fälligkeit Die Fälligkeit der Zahlungspflichten ist nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 271, 614 BGB, Art. 38 WG, § 28 ScheckG) zu beurteilen. Sozialversicherungsbeiträge werden mit dem letzten „Fälligkeitstermin“ oder „Zahltag“ fällig.37) Rechnungsstellung oder Zahlungsverzug des Schuldners38) sind keine Fälligkeitsvoraussetzung. Bei Fälligkeit ist ein weiteres Zahlungsverlangen des Gläubigers entbehrlich.39) Bei der Liquiditätsprüfung sind auch fällige Verbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschafter zu berücksichtigen.40) Steuerforderungen, deren Vollziehung ausgesetzt ist, sind fällig, aber nicht ernsthaft eingefordert (siehe Rz. 6, 14).41)
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Die Fälligkeit einer Forderung impliziert auch deren Durchsetzbarkeit, also ihre Freiheit von Einreden und Einwendungen.
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_____________ 33) Uhlenbruck-Mock, InsO, § 17 Rz. 80; Ries, EWiR 2014, 717 (Urteilsanm.). 34) OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2000 – 2 W 31/00, NZI 2001, 33; Leithaus/Wachholtz, ZIP 2019, 649. 35) BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666, dazu EWiR 2007, 665 (Schröder). 36) Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005; Bork, ZIP 2014, 997. 37) BGH, Urt. v. 18.11.1997 – VI ZR 11/97, ZIP 1998, 31, 32 f = NJW 1998, 1306; BGH, Urt. v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 f = ZVI 2005, 359, dazu EWiR 2005, 829 (Paulus). 38) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426, dazu EWiR 2005, 767 (Bruns). 39) BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235, 1237 = NZI 2009, 471, dazu EWiR 2009, 579 (Ch. Keller). 40) BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, Rz. 11, ZIP 2012, 2391, m. Anm. Kolle/Lojowsky, NZI 2013, 171 f, dazu EWiR 2013, 75 (Bork). 41) BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289; entgegen der Vorinstanz OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2013 – 7 U 23/11, ZIP 2013, 941, 942, dazu EWiR 2013, 415 (Schröder).
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Zahlungsunfähigkeit
c) Stundung 10
Zivilrechtlich wirksame Stundungen schieben die Fälligkeit hinaus. Sie können ausdrücklich vereinbart werden und unterliegen keinem Formzwang. Bei der Annahme konkludenter oder stillschweigender Stundungen ist allerdings Zurückhaltung geboten.42) Stillhalteabkommen (pactum de non petendo, Besserungsabrede) oder Vollstreckungsverzichte, die die Fälligkeit zwar unberührt lassen, aber die Verfolgung verbindlich ausschließen, lassen das ernsthafte Einfordern entfallen und haben daher die Wirkung einer Stundung;43) sie gewähren dem Schuldner eine Einrede.44) Forderungen mit Nachrangvereinbarungen sind nicht zu berücksichtigen.45) Auch bei Aussetzung der Vollziehung ist die Forderung nicht ernsthaft eingefordert.46)
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§§ 78 SGB IV, 222 AO sehen besondere Voraussetzungen für die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen (angemessene Verzinsung, Sicherheitsleistung) und Steuern (Sicherheitsleistung) vor, bei deren Fehlen für die Annahme tatsächlicher Stundungen (siehe Rn. 10) kein Raum ist und eine anfechtungsrechtliche Privilegierung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG47) ausscheidet; gleichwohl wurden durch BMF-Schreiben und Rundschreiben der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung Erleichterungen bei der Gewährung von Stundungen verlautbart, ohne dass §§ 78 SGB IV, 222 AO geändert wurden.48)
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Forderungen sind oder gelten nicht etwa als gestundet infolge der Aussetzung der Antragspflicht; soweit sie fällig und nicht gestundet sind, begründen sie vielmehr eine nach § 1 COVInsAG auszusetzende Antragspflicht. Die Folgen der Aussetzung in § 2 COVInsAG (Beschränkung der Organhaftung, Privilegierung neuer Finanzierungen, Ausschluss der Kreditgeberhaftung, Freistellung von Anfechtungen) beinhalten keine Stundung von Forderungen.49) d) Erfüllungsverlangen – tatsächliche Stundungen
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Insolvenzrechtlich soll Fälligkeit i. S. von Absatz 2 Satz 1 über ihre rein zivilrechtliche Bedeutung (Voraussetzung des Schuldnerverzuges, Verjährungsbeginn etc.) _____________ 42) 43) 44) 45)
46) 47)
48) 49)
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Jaeger-Müller, InsO, § 17 Rz. 10. BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273, 274 f = ZIP 2008, 420. BGH, Urt. v. 14.6.1989 – IVa ZB 180/88, NJW-RR 1989, 1048. BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 942 = ZIP 2007, 1666, 1669; BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZIP 2010, 2055 = NZI 2011, 58, 59, dazu EWiR 2010, 819 (Gundlach/U. Müller). BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666, 1668. Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz–COVInsAG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569 (= Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569), i. d. F. des Gesetzes zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019, v. 15.2.2021, BGBl. I 2021, 237. Dazu im Kontext von § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG: Bergner/Berg, ZRI 2021, 273 ff. A. A. AG Darmstadt, Beschl. v. 27.11.2020 – 9 IN 411/20, ZIP 2021,307f.
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§ 17
Zahlungsunfähigkeit
hinaus auch wieder – wie nach der KO –, wenngleich begrifflich irreführendes, ernsthaftes Einfordern erfordern, und zwar in dem abgeschwächten Sinne einer Gläubigerhandlung, aus der sich der Wille des Gläubigers, Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt.50) Der BGH will hiermit Fälle sog. tatsächlicher Stundungen (Zahlung, „wann er kann“; der Gläubiger ist mit einer späteren Zahlung ohne rechtlich verbindliche Stundung einverstanden, kann sich hiervon aber jederzeit einseitig lösen) von denen der Zahlungsunfähigkeit abgrenzen.51) Bei einer an objektiven Merkmalen orientierten Feststellung von Fälligkeit oder Stundung bedarf es dieses zusätzlichen Kriteriums nicht (anders noch unter § 102 KO, der eine § 17 Abs. 2 Satz 1 entsprechende Definition nicht enthielt). Forderungen, zu denen Rechnungen übersandt wurden, sind auch ohne weitere Gläubigerhandlung ernsthaft eingefordert,52) ebenso einmalig (wenn auch nur mündlich) eingeforderte Zahlungen, wiederkehrende Zahlungen (Arbeitsvergütung, Mieten etc.), mit deren regelmäßigem Fälligwerden ohne besondere nochmalige Einforderung zu rechnen ist, auch wenn mangels liquider Mittel die vorangegangenen53) Zahlungen nicht oder nur noch mit Verzögerung erfolgen und der Gläubiger nicht sofort mahnt, klagt oder vollstreckt,54) schließlich durch Zeitablauf fällig gewordene befristete Darlehen. Nicht nur nicht mehr ernsthaft eingefordert, sondern nicht fällig sind Forderungen aus Steuerbescheiden, deren Vollziehung und damit Vollstreckbarkeit wegen ernsthafter Zweifel an deren Rechtmäßigkeit ausgesetzt ist,55) und durch Bescheid nicht einmal festgestellte Steuerforderungen, die auch anderweitig durch den Schuldner nicht erkennbar sind.56) Haben die Parteien ausdrücklich auch einen Nachrang (siehe Rz. 7) für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung vereinbart, geht der BGH davon aus, dass die Forderung nicht ernsthaft eingefordert ist,57) auch sie sind aber bereits für die Dauer des Rücktritts nicht fällig.
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e) Mangel an Zahlungsmitteln – Zahlungsunwilligkeit Zahlungsunfähigkeit muss, ohne dass dies in der Legaldefinition ausdrücklich gesagt ist, auf einem objektiven Mangel an Zahlungsmitteln (sog. Geldilliquidität)
_____________ 50) BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, Rz. 18, 19, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666; Bork, ZIP 2008, 1041, 1047. 51) BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 57/11, ZIP 2011, 1875 = ZInsO 2011, 1742, 1743; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273, 275 = ZIP 2008, 420; BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235, 1237 = NZI 2009, 471; Gehrlein, ZInsO 2018, 354, 357 f. 52) BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666; Bork, ZIP 2008, 1041, 1047; BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235, 1237 = NZI 2009, 471. 53) BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, Rz. 8 f, ZIP 2013, 79, dazu EWiR 2013, 183 (Knof). 54) BGH, Urt. v. 8.11.2007 – VII ZR 183/05, ZIP 2008, 273 = NJW 2008, 511, dazu EWiR 2008, 301 (Moufang), erzwungene „Stundungen“. 55) BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289. 56) AG Köln, Beschl. v. 26.2.2018 – 73 IN 177/17, NZI 2018, 643. 57) BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666.
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Zahlungsunfähigkeit
beruhen. Zahlungsmittel sind Bar- und Buchgeld, kurzfristig58) abrufbare Kredite und realisierbare Mittel (z. B. aus der Verwertung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen). 16
Reine (böswillige) Zahlungsunwilligkeit reicht nicht aus,59) es sei denn, der Schuldner manifestiert nach außen ein seine Zahlungseinstellung indizierendes Verhalten (siehe Rz. 2).60) Sie kann allerdings Zahlungseinstellung bedeuten, wenn der Schuldner nicht ausreichende Zahlungsmittel nachweist, um die Vermutung des Absatzes 2 Satz 2 zu widerlegen. Umgekehrt schließt Zahlungswilligkeit die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht aus, wenn ihm die erforderlichen liquiden Mittel fehlen. III. Zahlungsunfähigkeit – Zahlungsstockung 1.
Zahlungsstockung vs. Zahlungsunfähigkeit
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Keine Zahlungsunfähigkeit liegt vor bei vorübergehender Zahlungsstockung, die der Schuldner kurzfristig beseitigen kann.61) Die Abgrenzung Zahlungsstockung – Zahlungsunfähigkeit ergibt sich aus der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 24.5.2005,62) in der der Zeitraum zur Beschaffung der benötigten Mittel für einen kreditwürdigen Schuldner mit in der Regel drei Wochen als erforderlich und ausreichend angesehen wird. Beträgt eine in dieser Zeit nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10 % der Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit, beträgt sie 10 % und mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.63) Unschädliche Liquiditätslücken sind angelehnt an das Wesentlichkeitselement des früheren § 102 KO, der Drei-Wochen-Zeitraum an die Frist zur Antragstellung bei Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit in § 15a. Die Maßgeblichkeit der relativen Liquiditätslücke führt allerdings zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, soweit der Verbrauch liquider Mittel zur (teilweisen) Bezahlung von Verbindlichkeiten die relative Liquiditätslücke erhöht, die absolute aber unverändert lässt.
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Beide Werte sind keine statischen, sondern Regelwerte; begründete Abweichungen sind möglich, wenn sie den Gläubigern zumutbar sind. Ihr Umfang hängt damit von der Größe der Liquiditätslücke und dem Zeitraum zur Beschaffung der nötigen Finanzmittel ab. Sind die danach bemessenen Werte erfüllt, wird Zahlungsunfähigkeit widerleglich vermutet.64) Wenngleich vom BGH bislang nicht ausdrücklich entschieden, liegt auch bei einer Liquiditätslücke von weniger als 10 % Zahlungsun_____________ 58) BGH, Urt. v. 3.12.1998 – IX ZR 313/97, ZIP 1999, 76, 78 = NZI 1999, 70, dazu EWiR 1999, 169 (Haas). 59) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, ZInsO 2006, 828, 829 = ZIP 2006, 1456. 60) BGH, Urt. v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, ZIP 2017, 2368, dazu EWiR 2018, 117 (Wagner); auch: AG Itzerhoe, Beschl. v. 1.5.2014 – 28 IE 1/14, ZIP 2014, 1038, dazu EWiR 2014, 427 (Jacoby). 61) Begr. RegE z. §§ 20, 21 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 114. 62) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 144 ff = ZIP 2005, 1426. 63) BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, Rz. 9, ZIP 2012, 2391; BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, Rz. 10, ZIP 2012, 1174, dazu EWiR 2012, 457 (Wackerbarth); BGH, Urt. v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, Rz. 37, ZIP 2007, 1469; BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 = ZInsO 2006, 1210, 1211. 64) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 144 ff = ZIP 2005, 1426.
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Zahlungsunfähigkeit
fähigkeit vor, wenn die Lücke demnächst größer als 10 % ist; beträgt sie 10 % und mehr, kann Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen sein, wenn sie demnächst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (fast) vollständig beseitigt und den Gläubigern ein Zuwarten umständehalber zuzumuten ist. Die Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit und das Gewicht der Umstände sind umso höher anzusetzen, je größer die Liquiditätsunterdeckung ist. Die Zumutbarkeit hängt davon ab, ob (z. B. aufgrund der Auftrags- und Ertragslage) eine gute Zukunftsprognose gestellt werden kann.65) Bei diesen Bewertungen ist stets die von dem Gesetzgeber erstrebte Verschärfung des Eröffnungsgrunds zu beachten.66) Liegt die Unterdeckung dauerhaft unter 10 %, ist Zahlungsunfähigkeit nicht gegeben. 2.
Liquiditätsbeschaffung
Der Schuldner ist in der Wahl der Mittel zur Rückführung der Liquiditätslücke unter den kritischen Schwellenwert frei: Sie kann durch Inanspruchnahme von Fremdmitteln,67) Stundung oder Rangrücktritt von Gläubigern (siehe § 19 Rz. 43 f), den Eingang größerer Außenstände, den Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens, allgemein innerhalb von drei Wochen aus der Versilberung von Vermögensgegenständen zufließenden flüssigen Mittel68) oder – bei juristischen Personen – durch Zuführung von Eigenkapital erfolgen. Eine Patronatserklärung wird nur berücksichtigt bei einer vollwertigen Verpflichtung zugunsten aller und nicht nur einzener Gläubiger zur Ausstattung mit Liquidität.69) Ob alleine die Möglichkeit der Beschaffung von Liquidität ausreicht70) oder der Schuldner sich die erforderlichen Mittel tatsächlich beschaffen muss,71) hängt vom Zeitpunkt der Beurteilung ab: Im Insolvenzeröffnungsverfahren ist die Beschaffung der Liquidität erforderlich, um die Liquiditätslücke tatsächlich unter den relevanten Schwellenwert zu senken; in einer ex-post-Betrachtung, z. B. bei der Haftungsverwirklichung nach §§ 129 ff, § 15b72) reicht die tatsächliche, nötigenfalls durch Beweisaufnahme zu treffende Feststellung aus, dass der Schuldner die Möglichkeit entsprechender Liquiditätsbeschaffung hatte.
_____________ 65) 66) 67) 68) 69) 70) 71) 72)
BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 144 ff = ZIP 2005, 1426. Begr. RegE z. §§ 20, 21 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 114. BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666. BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZInsO 2013, 2109, = NZI 2013, 932; dazu EWiR 2013, 53 (Wagner); Richter/Schnurbusch/Meller, BB 2014, 2027. BGH, Urt. v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, NZI 2011, 536, 538 = ZIP 2011, 1111, dazu EWiR 2011, 575 (Hirte/Ede). BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZR 55/05, juris; BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939, 941 = ZIP 2007, 1666. Kübler/Prütting/Bork-Steffek, InsO, § 17 Rz. 10, 43; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 17 Rz. 69. Für aufgrund eines Antrages bis zum 31.12.2020 eröffnete Insolvenzverfahren: § 92 AktG, § 64 GmbHG, § 99 GenG, § 130a HGB, Art. 103m EGInsG i. d. F. des Art. 8 Nr. 2 SanInsFoG, v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3290.
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Zahlungsunfähigkeit
IV. Feststellung der Zahlungsunfähigkeit 1.
Finanzplan (Liquiditätsplan)
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Gesetzliche Vorgaben zur Feststellung von Zahlungsunfähigkeit fehlen. Wenn die Vermutung des Absatzes 2 Satz 2 nicht greift und die relative Liquiditätslücke zum Stichtag